Drabble
Der Geist im Fass - Verm(a)ischtes

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"Der Geist im Fass - Verm(a)ischtes"
Veröffentlicht am 22. November 2025, 16 Seiten
Kategorie Drabble
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Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Der Geist im Fass - Verm(a)ischtes

Der Geist im Fass - Verm(a)ischtes

Zwischen goldenen Hügeln und duftenden Obstgärten brodelte die Pálinka in alten Brennblasen. Eliza lächelte, während Kinder am Feuer lauschten, Wein und Geschichten flossen zusammen. Alte Puppen erzählten von längst verschwundenen Gemeinschaften, und der Erlauer Stierblut färbte die Hügel tiefrot. Jeder Schluck, jede Anekdote, war ein Stück Freiheit, ein Tropfen Erinnerung, ein Funke Freundschaft. Im Presshaus knisterte das Feuer, draußen glitzerte der erste Frost. Die Dorfbewohner saßen eng, Hände berührt von Tradition und Wärme. Lachen und Gläser klangen wie Musik. Und während der Mond die Hügel küßte,

wussten sie: Alles ist verbunden – Obst, Wein, Geschichten, Herzen. Ein Ende, das zugleich Anfang ist.

Drabble – Geist im Fass

Als er die Maische umrührte, klang es, als würde etwas darin atmen. Der Herbst lag schwer über Szekszárd, und der Rauch aus dem Bogrács kroch wie ein verlorener Ahne zwischen die Rebstöcke. „Fünfzig Liter pro Jahr“, murmelte János spöttisch und wischte sich die Hände an der Hose ab. „Als könnte ein Gesetz den Durst der Toten begrenzen.“ Der erste Brand floss klar wie gefrorener Mondschein. Der zweite kam wärmer, voller Stimmen. Als der alte Kessel knackte und der Geist austrat – süß, scharf, ungeduldig – wusste er, dass die Nacht lange bleiben

würde. Ein Toast auf die Freiheit. Und ihre Schatten.

Wo der Brand spricht

Im Tal von Szekszárd beginnt der Morgen wie ein Flüstern: feuchte Erde, der Saum der Berge in milchigem Licht, und irgendwo das dumpfe Schlagen eines Holzdeckels, der von einer schwitzenden Maische gedrängt wird. Wer hier brennt, tut es nicht für den Gewinn, sondern für die Erinnerung – an Großväter mit rauen Händen, an Großmütter, die den Duft von Pflaumen mit Geschichten über den Krieg vermischten, an Nächte, in denen ein einzelner Stern so hell über dem Hof hing, dass man meinte, er würde auf die Maische herabsehen und sie segnen.

Die Fässer im Presshaus arbeiten leise. Ein Blubbern wie Herzschläge, unregelmäßig, gierig. Wespen taumeln darüber hinweg wie kleine, betrunke Propheten. János, dessen Bart nach Rauch und Paprika duftet, prüft den Deckel und nickt, als hätte ihm jemand ein Geheimnis verraten. „Es ist eine gute Zeit zum Brennen“, sagt er. „Auch wenn die Bürokraten in Brüssel das nie verstehen werden. Pálinka ist kein Getränk. Er ist eine Haltung.“ Die Brennblase glänzt wie ein bauchiger Mond. Wenn das Feuer darunter zur Glut

wird, erwacht sie – ächzend, knurrend, manchmal beleidigt, wenn man sie falsch anfasst. Der erste Geist, der herausrinnt, ist scharf wie kalter Stahl. Man entfernt ihn, so wie man die erste Schicht Haut von einer Wunde abwischt. Erst der zweite Brand trägt das wahre Herz: die Süße von Sommerobst, die Bitterkeit des Winters, das Wissen, dass alles, was verging, in diesem Tropfen noch einmal aufscheint. Draußen züngelt ein Lagerfeuer, und im Bogrács singt das Pörkölt sein fettiges Lied. Rauch und Paprika bilden eine Wolke, durch die die Männer wie Schatten schreiten. Sie reden über alte

Zeiten, über Streitigkeiten um Rezepte, über Freundschaften, die man nur mit einem Glas in der Hand reparieren kann. Und mitten in all dem schwebt ein Gefühl, das man nicht benennen kann: eine kleine Freiheit. Eine kleine Rebellion. Ein Geist, der sich nicht verbrennen lässt. Denn solange die Maische gärt, solange sich Hände über den heißen Kupferkesseln bewegen und Stimmen im kalten Morgen Dampf schlagen, wird Pálinka nicht nur gebrannt – er wird bewahrt. Gegen die Zeit. Gegen das

Vergessen. Gegen jeden, der meint, Tradition sei ein Museumsstück. Am Ende steht man da, hebt ein Glas, das in der Dämmerung wie flüssiges Feuer leuchtet. Man trinkt. Und für einen Moment schmeckt man den Widerstand.

Die Fabel vom ersten Schnaps

Als die Welt noch jung war, teilten sich die Tiere einen Hügel voll Obstbäume. Der Herbst brachte süße Pflaumen, und die Früchte fielen weich ins Gras. Eines Tages bemerkte der Fuchs einen seltsamen Duft – warm, süß und ein wenig frech. „Das riecht nach Abenteuer!“, rief er und stupste eine aufplatzende Pflaume an. Der Igel probierte zuerst. „Oh! Das prickelt ja bis in die Stacheln!“ Die Amsel zwitscherte: „Das ist der Geist der Früchte!“

Sie sammelten die gärenden Pflaumen, stellten sie in eine Schale und wärmten sie am Feuer. Der Dampf tanzte hinauf, und der Fuchs hielt eine kalte Muschel darüber. Ein Tropfen fiel hinein – klar, warm wie ein Lächeln. „Das ist er“, murmelte der Igel ehrfürchtig. „Der erste Schnaps.“ Und die Tiere nippten winzig kleine Schlucke, lachten, erzählten Geschichten und fühlten sich verbunden wie nie zuvor. Noch heute, so sagt man, landet ein Tropfen Pflaumengeist im Wind, wenn ein Igel leise schmunzelt.

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Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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Apollinaris Sehr gut vermaischt.
Vor ein paar Wochen - Antworten
Apollinaris :O)
Vor ein paar Wochen - Antworten
Apollinaris *hopsa*
Vor ein paar Wochen - Antworten
Gast Schön und gut geschrieben. Diese Fabel hat`s mir sehr angetan von dir.
Vor ein paar Wochen - Antworten
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