Kurzgeschichte
Ungarischer Krampusz

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"Ungarischer Krampusz"
Veröffentlicht am 12. November 2025, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Ungarischer Krampusz

Ungarischer Krampusz

ungarischer krampusz

Der Schnee lag schwer auf den Dächern von Lázárfalva, als die Nacht sich wie ein schwarzes Tuch über das Dorf legte. Die Kinder saßen zusammengerückt am Kamin, ihre Finger verkrampft um dampfende Tassen, doch ihre Blicke huschten immer wieder zum Fenster. Aus dem Wald drang ein leises Knirschen, das wie das ächzende Scharren von Hufen klang, und ein eisiger Wind wehte durch die schmalen Gassen.

Dann erschien er – der Krampus. Schwarzes Fell, rot glühende Hörner, Augen wie flüssige Kohle, die selbst die

dunkelsten Ecken des Herzens durchbohrten. Auf dem Rücken trug er einen schweren Lederrucksack, aus dem das leise Klirren von Ketten und Ruten drang. Er bewegte sich lautlos, als würde der Schnee vor Furcht zurückweichen, und flüsterte zwischen den knirschenden Bäumen: „Gyerekek, hallottalak…“ Die Ältesten hatten gewarnt: Wer unartig war, würde den kalten Griff seiner Rute spüren, und wer mutlos weinte, fand den Winter lang und leer. Doch Ungarns Krampus war kein bloßer Rächer. Er prüfte die Herzen, sah die Reue, die Angst und den Mut. Ein Kind, das still die Augen schloss und die eigenen Fehler

im Herz umarmte, spürte, wie eine Hand – nicht ganz freundlich, aber nicht grausam – einen kleinen Ast in den Schnee legte, darin verborgen ein Geschenk. Als die ersten Sonnenstrahlen den Frost in Diamanten verwandelten, war der Krampus verschwunden. Nur die Fußspuren im Schnee erinnerten daran, dass er hier gewesen war. Die Kinder lagen wach, zitternd und nachdenklich, und wussten: Der Winter beobachtet, und er auch. Jedes Lachen, jeder kleine Streich, jede vergrabene Gnade würde registriert.

Und irgendwo, tief im Nebelwald, schnaubte der Krampus leise, bereit für das nächste Jahr, bereit, jedes Herz zu wiegen – ob aus Angst oder aus Mut.


...


Es war eine frostige Winternacht im kleinen Dorf Lázárfalva, als die Kinder erwartungsvoll vor ihren Kaminen saßen. Doch draußen, zwischen den Nebelschwaden des verschneiten Waldes, regte sich etwas Unheimliches. Aus dem Schatten trat ein Wesen mit schwarzem Fell, roten Hörnern und glühenden Augen – der ungarische Krampus.

Er trug einen schweren Lederrucksack auf dem Rücken, bereit für all jene, die unartig gewesen waren. Doch anders als in den Geschichten der Nachbarländer, war sein Besuch in Ungarn nicht nur

Strafe, sondern auch Mahnung. Die Kinder, die Angst hatten, wagten es kaum zu atmen, während er sich näherte. „Gyerekek, hallottalak…“ flüsterte er in der eisigen Luft, und die Worte klangen wie das Knirschen von Schnee unter schweren Hufen. Die Ältesten erzählten, dass der Krampus nur dann kam, wenn die Herzen der Kinder von Nachlässigkeit und Ungehorsam erfüllt waren. Wer jedoch Mut zeigte, wer die Reue im Herzen trug, konnte den Blick des Schreckens überstehen und sogar ein kleines Geschenk finden, versteckt in einem Ast oder unter dem Schneehaufen.

Als der Morgen graute, war der Krampus verschwunden. Die Kinder lagen wach, zitternd und nachdenklich, und wussten, dass sie in diesem Jahr noch einmal auf das rechte Maß an Güte und Fleiß achten mussten. Der Winter würde lang sein, und der Krampus, der schweigsame Wächter der ungarischen Weihnacht, würde jede ihrer Taten beobachten.


...


SCHNEE Es weihnachtete, als hätte der Himmel selbst vergessen, wie man innehält. Seit Tagen fiel der Schnee in stummen

Schleiern, bedeckte Dächer, Wege, Herzen. Auf dem Dorfplatz glitzerte der Tannenbaum – behängt mit Bonbons, die schon längst niemand mehr naschen wollte. Kinder tobten, die Wangen rot, die Finger taub, und lachten, als sie Schneebälle auf den Nikolaus warfen, dessen Rute verdächtig nach Omas Stricknadeln aussah. Niemand achtete auf die riesige Sanduhr, deren goldener Sand die Tage bis Heiligabend

zählte. Als die letzte Flocke fiel, kam Bewegung in den Berg. Ein Rauschen, ein Grollen – dann Stille. Nur die Sanduhr stand noch, halb gefüllt, halb leer, wie das Herz des Winters selbst.


...


Die drei Tauben der Weihnacht (Wie Großvater sie einst am Feuer erzählte) Der Wind blies über die Felder, dass der Schnee wie silberner Staub tanzte.

Drinnen, am Ofen, saßen Großvater und das Kind, eingehüllt in eine Decke. Die Flammen warfen rote Schatten an die Wände, und draußen läuteten die ersten Glocken zur Mitternachtsmesse. „Opa, erzähl mir noch eine Geschichte“, bat das Kind. Der Alte nickte, rieb sich die Hände und begann mit rauer Stimme: „Man sagt, vor vielen Wintern lebte hier ein Mann namens Viktor. Er wohnte allein auf seinem Hof, hatte Schafe, ein warmes Feuer, Wein im Krug – und doch war in ihm eine große

Leere. Eines Heiligabends kam eine weiße Taube zu ihm geflogen, glänzend wie frisch gefallener Schnee. Sie sprach: ›Komm mit, Viktor‹ – und zeigte ihm, wie er einst als kleiner Junge unterm Christbaum saß, wo Vater und Mutter lachten, auch wenn sie kaum etwas hatten. Das war seine erste Weihnacht, voll Herz und Wärme. Dann kam eine zweite, grau wie der Rauch im Kamin. Sie führte ihn in die große Stadt, wo er einst in Glanz und Ruhm lebte, und alle ihm die Hand küssten. Doch ihre Augen waren kalt,

und Viktor fühlte nichts als Müdigkeit. Und zuletzt kam eine schwarze Taube, still wie Mitternacht. Sie zeigte ihm seinen Hof, verfallen, die Schafe vernachlässigt, und ihn selbst, wie er in die Suppe sank – tot, vergessen. Da erwachte er, und auf seinem Tisch lag eine schwarze Feder. In jener Nacht warf er sein Diplom ins Feuer und flüsterte: ›Frohe Weihnacht, Viktor.‹ Und man sagt, wer in jener Nacht durch das Tal ging, hörte drei Tauben gurren am Fenster, ehe der Morgen

graute.“ Der Großvater schwieg. Nur das Feuer knisterte. Das Kind fragte leise: „Opa… glaubst du, sie kommen wieder, die drei Tauben?“ Der Alte lächelte, legte eine Hand auf die kleine Schulter und flüsterte: „Vielleicht. Wenn einer das Herz verliert, aber noch hören kann, wie die Sanduhr tickt.“

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KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
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und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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