Kurzgeschichte
Die Nacht der Krampusse - Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit kennt

0
"Die Nacht der Krampusse - Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit kennt"
Veröffentlicht am 11. November 2025, 66 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Die Nacht der Krampusse - Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit kennt

Die Nacht der Krampusse - Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit kennt

Die Nacht der Krampusse

moderne Variante


Der Wind heulte durch die Gassen, als Niklos, Piet, Klas und Bartl sich durch den Nebel schoben. Sie hatten den Martinstag ausgesucht, die Nacht, bevor das Dorf in Laternenlicht getaucht würde. Kein Laut außer dem Knirschen ihrer schweren Stiefel im feuchten Gras. Ihr Ziel: Sankt Martin, bevor der Umzug begann. Doch sie wussten, dass sie diesmal nicht ungestört bleiben würden. Knecht Ruprecht, der Wächter zwischen Licht und Schatten, beobachtete sie aus der Ferne, ein finsteres Lächeln unter

dem Kapuzenrand. Die Krampusse glitten näher, und die Spannung zog sich wie ein seidenes Band durch die Nacht. Das Dorf schlief, doch die Welt zwischen Licht und Dunkelheit wachte. Und so begann das Spiel, ein Tanz aus Angst und Mut, der im Schatten der Laternen enden würde. Niklos schlich durch die Nebelschwaden, Piet folgte dicht, während Klas und Bartl die Seiten flankierten. Sie spürten das Herz des Dorfes, die Wärme der Häuser, die flackernden Lichter in den Fenstern. Ihr Atem bildete kleine Nebelwölkchen in der kalten Luft. Ruprecht trat aus den Schatten, seinen Stab erhoben. Ein Windstoß erfasste die

Krampusse, ließ ihre Umrisse flackern. „Hier endet euer Spiel“, sagte er mit tiefer Stimme. Die Krampusse hielten inne, die Augen glühten im Nebel. Es war ein Tanz zwischen Gestern und Heute, zwischen Schrecken und Schutz. Ruprecht bewegte sich wie ein Schatten, dessen Licht sich weigerte, erloschen zu werden. Niklos fauchte, Piet schlug die Flügel aus, Klas lachte, doch Bartl blieb stehen. Ein Schlag des Stabs – und der erste von ihnen verschwand in Rauch und Schweigen. Die Nacht war nicht vorbei, doch das Gleichgewicht war wiederhergestellt. Der Nebel hatte sich verzogen. Von den vier Krampussen war nichts mehr zu

sehen – nur schwache, schwarze Schlieren auf dem Kopfsteinpflaster. Ruprecht stand noch immer da, den Sack leer, den Rücken gebeugt. Er wusste, es war nicht vorbei. Das Böse stirbt nicht, es zieht sich zurück. Lisa, die auf der Empore der Kirche stand, spürte die Schatten und ihre Stimmen. Sie sah Ruprecht und erkannte die Last, die er trug. Die Krampusse waren nicht tot, nur zurückgedrängt. Doch in dieser Nacht war etwas anderes im Spiel. Das Licht des Heiligen Martin selbst griff in die Dunkelheit ein, und Ruprecht rief den Namen, der die Nacht teilen konnte. Ein Reiter, halb Licht, halb Schatten,

erschien über dem Platz. Die Krampusse wichen zurück, schrien und lösten sich auf. Nur Niklos blieb kurz, bevor auch er verschwand. Stille senkte sich über das Dorf, und Ruprecht sank auf die Knie, erschöpft, aber siegreich. Am Morgen war das Dorf still. Ruprecht lag auf dem Platz, nicht tot, aber erschöpft. Lisa kniete neben ihm. Sie spürte, dass die Nacht nicht umsonst gewesen war. Später, am Waldrand, stellte sie eine kleine Laterne auf den Boden. Ruprecht erschien, jünger, klarer, ohne Sack, nur mit einem Stab. Er erklärte, dass die Krampusse schlafen würden, bis sie wieder gebraucht würden. Der Winter kam früh. Schnee bedeckte

den Platz, das Dorf lebte weiter, die Kinder lachten. Lisa stellte jedes Jahr eine Laterne bei den weißen Pflanzen auf, die nach der Nacht gewachsen waren – die Ruprechtsblumen. Sie wusste: Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit kennt. Und manchmal, in den kalten Winternächten, konnte man das entfernte Läuten hören, das Echo alter Geschichten. Ein Ruf, ein Erinnern, dass der Wächter immer wacht.

Die Nacht der Krampusse

sagenhaft In jenen fernen Tagen, da Winter früh die Erde in Weiß hüllte und die Nächte schwer und schwarz wie tiefstes Tintenmeer waren, erzählten die Alten von Nächten, da Schatten wanderten, als wären sie lebendig. Ein eisiger Wind heulte durch die verwinkelten Gassen, und der Nebel kroch wie die Finger von Geistern über das Land. Es war die Stunde, da weder Tag noch Nacht allein herrschte, da die Tore zwischen Licht und Dunkelheit einen Spalt weit geöffnet standen. Die

Krampusse erwachten, lautlos, finster, mit Augen wie glühende Kohlen, und Knecht Ruprecht, Hüter der Schwelle, der Wächter zwischen den Welten, trat aus dem Dunkel, den Stab fest umschlossen, das Herz schwer von uralter Last. Wer in jener Nacht den Pfad des Lichts betrat, der musste auch die Schrecken kennen, die im Dunkel lauerten. Und wer mutig genug war, das Spiel von Furcht und Hoffnung zu wagen, wurde Zeuge der geheimnisvollen Balance, die die Welt zusammenhielt. Durch die Nebelwand der alten Gassen schlichen vier Gestalten: Niklos, Piet, Klas und Bartl. Der Martinstag stand

bevor, doch sie suchten das Dunkel, ehe das Dorf in goldenes Laternenlicht getaucht wurde. Kein Laut war zu hören, außer dem Knirschen der schweren Stiefel auf dem feuchten Gras. Knecht Ruprecht beobachtete sie aus der Ferne, das Kapuzenlicht seines Gesichts von Schatten zerschnitten, ein Lächeln, das mehr von Warnung als von Freude sprach. Die Krampusse glitten näher, lautlos, geschmeidig wie Nebel selbst, und die Spannung zog sich durch die Nacht wie ein silbernes Band. Niklos führte, Piet folgte dicht, Klas und Bartl flankierten die Seiten. Sie spürten das Herz des Dorfes, die Wärme hinter den Fenstern, das Flackern der Kerzen,

die flüchtig wie Atemschwaden im Nebel tanzten. Dann trat Ruprecht hervor, der Stab erhoben, ein Sturm ergriff die Krampusse und ließ ihre Umrisse flackern. „Hier endet euer Spiel,“ sprach er mit Stimme, tief wie alte Höhlen. Die Krampusse hielten inne; ihre Augen glühten wie Kohlen im Nebel. Es war ein Tanz zwischen Gestern und Heute, zwischen Schrecken und Schutz. Ruprecht bewegte sich wie ein Schatten, dessen Licht sich weigerte, zu erlöschen. Niklos fauchte, Piet schlug die Flügel aus, Klas lachte, doch Bartl blieb stehen. Ein Schlag des Stabs – und einer von ihnen löste sich in Rauch und Schweigen

auf. Das Gleichgewicht ward wiederhergestellt, doch die Nacht war nicht vollendet. Der Nebel zog sich zurück. Auf dem Kopfsteinpflaster zeichnete sich nur noch das schwache Nachglühen schwarzer Schlieren ab. Ruprecht stand, den Rücken gebeugt, den Sack leer. Er wusste: Das Böse stirbt nicht, es zieht sich nur zurück. Lisa, auf der Empore der alten Kirche, spürte die Schatten und vernahm die flüsternden Stimmen. Sie sah Ruprecht, erkannte die Last, die er trug. Die Krampusse waren nicht tot, nur zurückgedrängt. Doch ein anderes Licht griff in die Dunkelheit – das des

Heiligen Martin selbst. Ruprecht rief den Namen, der die Nacht teilen konnte. Ein Reiter, halb Licht, halb Schatten, erschien über dem Platz. Die Krampusse schrien, wichen zurück und lösten sich auf. Nur Niklos verweilte kurz, ehe auch er verschwand. Stille senkte sich über das Dorf, und Ruprecht sank auf die Knie, erschöpft, doch siegreich. Am Morgen war das Dorf still. Ruprecht ruhte auf dem Platz, nicht tot, nur ermattet. Lisa kniete neben ihm, spürte, dass die Nacht nicht umsonst gewesen war. Später, am Waldrand, stellte sie eine Laterne auf den Boden. Ruprecht erschien, jünger, klarer, ohne Sack, nur mit Stab in der Hand. Er sprach, dass die

Krampusse schlafen würden, bis sie wieder gebraucht würden. Der Winter kam früh. Schnee bedeckte das Dorf, Kinder lachten. Lisa stellte jedes Jahr eine Laterne bei den weißen Pflanzen auf, die nach jener Nacht gewachsen waren – die Ruprechtsblumen. Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit kennt. Und in manchen Winternächten, wenn der Wind die Gassen durchtobte, konnte man ein fernes Läuten hören, das Echo alter Geschichten – ein Ruf, ein Erinnern daran, dass der Hüter immer wacht.

Die Nacht der Krampusse

die ganze Geschichte


Der Novemberwind riss durch die engen Gassen des Bergdorfes und trug den Duft von feuchtem Laub und Rauch. Nebel kroch wie eine lebendige Masse über Kopfsteinpflaster, Dächer und Mauern, griff nach Laternen und verschlang Schatten. Das Dorf schien zu schlafen, doch in der Nacht regte sich etwas Altes, etwas Dunkles.

Niklos, Piet, Klas und Bartl bewegten sich vorsichtig durch die feuchten Gassen. Ihre Hörner glänzten matt im schummrigen Licht, die Felle an ihren

Schultern schüttelten den Nebel ab wie Regen. Jeder Schritt war ein Tanz auf dünnem Eis – ein falscher Tritt und das Dorf würde erwachen, würde schreien, würde sich gegen sie wenden. „Leise…“ flüsterte Niklos, „wir dürfen keinen Ton machen.“ „Zu spät“, murmelte Piet, als eine Katze aus einem Schatten sprang. „Haltet euch zusammen“, warnte Bartl, „Ruprecht könnte jeden Moment auftauchen. Wir müssen bereit sein.“ Aus der Ferne beobachtete Knecht Ruprecht die vier Krampusse. Unter dem Kapuzenrand blitzte ein finsteres Lächeln. „Heute Nacht“, dachte er, „wird sich zeigen, wer die Dunkelheit wirklich

beherrscht.“


Die Krampusse bewegten sich lautlos über den Dorfplatz, die Laternen warfen gespenstische Schatten. Jedes Rascheln, jeder Windstoß, jeder Atemzug hallte wie ein Echo der Nacht. „Fühlt ihr es?“ flüsterte Klas, während er sich an eine alte Eiche schmiegte. „Die Nacht lebt. Sie beobachtet uns.“ „Lebendig?“ Piet fröstelte. „Sie ist hungrig – nach Angst, nach Schrecken.“ „Oder nach Mut“, erwiderte Bartl. „Nur Mut kann das Gleichgewicht halten.“ „Versteht ihr das?“ spottete Niklos. „Wir sind Kreaturen der Dunkelheit. Wir kennen kein Licht, nur

Schrecken.“ „Und doch existiert ihr nur, weil das Licht euch hält“, sagte Ruprecht plötzlich, seine Stimme drängte sich aus dem Schatten der Häuser. „Ohne Balance seid ihr nichts als wilde Bestien.“ Klas lachte leise, das Geräusch klang wie ein Rascheln trockener Blätter. „Dann lasst uns sehen, wer wir wirklich sind: Bestien oder Hüter?“ Die Krampusse spürten, dass das Dorf schlief, dass die Welt zwischen Licht und Dunkelheit wachte. Es war ein Tanz, den sie noch lernen mussten.


„Wir müssen lernen“, flüsterte Piet, „dass wir mehr sind als

Angst.“ „Und doch spüre ich die Wut in mir“, sagte Niklos. „Sie drängt mich, sie schreit.“ „Fühlt sie, aber lasst sie nicht herrschen“, riet Bartl. „Die Nacht wird euch nicht allein leiten.“ „Hört ihr das?“ Klas spähte ins Dunkel. „Das Herz des Dorfes… die Häuser atmen, die Fenster flackern. Kinder schlafen und träumen. Wir dürfen sie nicht brechen.“ „Wir brechen nichts“, sagte Ruprecht, der wie ein Schatten zwischen den Häusern stand. „Wir führen, wir schützen. Doch wer die Dunkelheit meistert, muss sich ihr stellen, nicht

weglaufen.“ Niklos ballte die Hände zu Fäusten, die Hörner funkelten im Nebel. „Wir sind bereit.“ „Dann lasst uns beginnen“, murmelte Bartl. „Die Nacht wartet nicht.“

Ein leises Lachen ertönte aus einem Fenster. Ein Kind blickte neugierig hinaus, eine Laterne in der Hand. „Seht ihr es?“ fragte Bartl. „Das Licht, das Leben? Wir könnten…“ „Nein“, unterbrach Ruprecht streng. „Ihr werdet lernen, dass Macht ohne Verantwortung nur Zerstörung ist.“ Niklos beobachtete das Kind, das unbewusst das Gleichgewicht zwischen

Licht und Schatten symbolisierte. „Vielleicht… vielleicht ist es das, was wir lernen müssen“, flüsterte er. „Und ihr werdet lernen“, sagte Ruprecht, „dass Furcht nicht das Werkzeug ist. Mut und Verstand leiten eure Schritte.“ Die Krampusse senkten die Köpfe, spürten zum ersten Mal das Gewicht der Verantwortung, das ihre Existenz begleitete. Mit einem Mal erhob Sankt Martin seine Stimme über dem Platz, ein Reiter halb Licht, halb Schatten. „Ihr wisst, was zu tun ist“, sagte er. „Doch ohne Balance werdet ihr

scheitern.“ Die Krampusse zogen sich zurück, die Augen weit aufgerissen. Niklos spürte den kalten Griff der Angst, doch auch eine Wärme, die ihn festhielt. „Wir lernen…“, flüsterte er. „Wir lernen das Gleichgewicht.“ „Genau“, erwiderte Ruprecht. „Ihr habt Mut gezeigt, ohne Zorn. Das allein lehrt.“ Die Krampusse bewegten sich vorsichtig, jeder Schritt ein Tanz zwischen Licht und Dunkelheit. Der Nebel begann sich langsam zu lichten, doch die Nacht war noch lange nicht vorbei. Die Laternen flackerten wie

Atemzüge des Dorfes, das noch schlief, aber unruhig träumte. Lisa, die auf der Empore der alten Kirche stand, spürte die dunklen Kräfte, die sich durch die Gassen schlängelten. Ihr Herz pochte, als sie Ruprecht unten auf dem Platz entdeckte – gebeugt, aber wachsam, den Stab fest in den Händen. „Ruprecht…“ flüsterte sie, „was tun sie?“ „Sie prüfen uns“, antwortete er, „sie prüfen, ob Licht und Dunkelheit im Gleichgewicht sind. Und sie werden immer wieder prüfen.“ Von der Ecke des Platzes ertönte ein Knurren. Niklos trat aus dem Nebel, die Hörner wie Dolche, das Fell aufgestellt.

„Ich habe Angst“, gestand er, „doch ich will kämpfen.“ „Furcht ist ein Werkzeug, kein Feind“, sagte Ruprecht. „Lerne sie zu führen, nicht ihr zu folgen.“ Piet, der neben Niklos trat, spürte die Last der Verantwortung. „Und wenn wir versagen?“ „Dann wird das Dorf leiden“, erwiderte Ruprecht, „aber wir werden aus Fehlern lernen.“ Die Krampusse blickten einander an. Es war das erste Mal, dass sie verstanden, dass ihre Macht nicht nur Zerstörung bedeutete, sondern Schutz, Führung, Verantwortung.


„Wir sind stark“, sagte Klas, „doch wofür? Für Angst oder für Mut?“ Bartl blickte in die Ferne, wo der Reiter Sankt Martin über den Platz schwebte. „Mut“, murmelte er, „aber Mut ist schwer zu greifen. Er wiegt mehr als jeder Stab, jedes Horn, jede Klaue.“ „Hört ihr, was Ruprecht sagt?“ fragte Niklos. „Er sagt, wir müssen lernen.“ „Lernen ist schmerzhaft“, knurrte Piet. „Schmerz und Angst sind unsere Lehrer. Doch jetzt…“ Er hielt inne, als eine Stimme aus dem Nebel drang: „Ihr werdet verstehen, dass Dunkelheit ohne Licht leer ist.“ Die Krampusse zuckten zusammen. Es war nicht nur Ruprecht, es war die

Stimme selbst der Nacht, die ihnen ins Gewissen sprach. „Ihr müsst erkennen“, sagte Ruprecht, „dass wir alle verbunden sind. Ohne Licht gibt es keine Dunkelheit, ohne Angst keinen Mut, ohne Nacht keinen Tag.“


Die Krampusse formten einen Kreis. Niklos hob die Hörner, Piet breitete die Flügel aus, Klas lachte wie raschelndes Laub, Bartl senkte den Kopf. „Wir spielen nicht mehr“, sagte Niklos. „Wir lernen.“ „Dann beginnt das Spiel des Gleichgewichts“, erklärte Ruprecht. „Es wird nicht enden, bis jeder von euch

verstanden hat, was es heißt, Wächter der Nacht zu sein.“ Ein Windstoß fegte über den Platz. Der Nebel wirbelte, die Laternen flackerten, und plötzlich standen sie vor Sankt Martin. Sein Pferd dampfte in der kalten Nachtluft, das Licht auf seinem Mantel reflektierte die Nebelschwaden. „Ihr habt Angst, und das ist gut“, sagte der Reiter. „Doch fürchtet nicht die Dunkelheit, fürchtet eure Unwissenheit. Erkennt, was ihr seid.“ „Wir sind Krampusse“, flüsterte Niklos. „Doch mehr als nur Schrecken.“ „Mehr als nur Schrecken“, wiederholte Ruprecht. „Ihr seid Teil eines Kreises. Lernt ihn zu

ehren.“ Plötzlich schoss eine Gestalt aus dem Nebel. Es war ein Dorfkind, das sich verlaufen hatte, die Laterne zitternd in den Händen. „Lauft!“, rief Klas, doch Niklos trat vor. „Nein, wir schützen es.“ „Ihr müsst lernen, zu wählen“, sagte Ruprecht. „Schutz oder Zerstörung. Das ist eure Prüfung.“ Niklos, Piet, Klas und Bartl schlossen die Reihen um das Kind. Der Nebel wirbelte, die Schatten zogen sich zurück. Die Krampusse spürten erstmals die Verantwortung ihres Tuns – dass ihre Stärke für Gutes eingesetzt werden

konnte. „Das ist der Anfang“, flüsterte Bartl, „nicht das Ende.“ „Ja“, sagte Ruprecht, „und die Nacht ist noch lang.“ Die Nacht hatte sich verdichtet, als der Nebel tiefer in die Gassen kroch. Die Krampusse standen auf dem Dorfplatz, umkreist von den flackernden Laternen. Ihr Atem stieg wie kleine weiße Nebelwolken auf, und jedes Geräusch schien tausendfach widerzuhallen. Niklos funkelte Ruprecht an. „Wir spüren die Macht, aber wir verstehen sie nicht vollständig. Wie sollen wir wissen, wann wir zuschlagen oder

zurückweichen?“ „Ihr werdet fühlen“, antwortete Ruprecht, „und das ist schwerer als jeder Kampf. Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern das Handeln trotz ihr.“ Plötzlich ertönte ein Schrei aus dem Nebel. Es war Piet, der einen Schatten zurückschleuderte. „Sie testen uns! Sie kommen von allen Seiten!“ Die Krampusse bewegten sich wie ein lebendiger Schattenkreis, ein Tanz zwischen Angriff und Schutz. Klas lachte, Bartl knurrte, Niklos fauchte – doch alle hörten auf Ruprechts Worte, die wie Glockenschläge durch die Nacht hallten: „Fokus! Bindet euch nicht an

Furcht, bindet euch an Zweck!“ Ein Lichtstrahl durchbrach die Dunkelheit. Sankt Martin ritt langsam auf den Platz, die Laternen auf seinem Umhang reflektierten im Nebel. „Ihr habt Fortschritte gemacht“, sagte er. „Doch eure Prüfungen sind noch nicht vorbei. Das wahre Gleichgewicht erfordert Opfer.“


Die Krampusse zogen sich zurück in die dunkleren Gassen. Dort, in den Schatten der alten Fachwerkhäuser, hörten sie Stimmen, die älter waren als das Dorf selbst. „Ihr seid das Erbe der Nacht“, flüsterte eine Stimme. „Ihr müsst verstehen, dass

nicht alles, was ihr fürchtet, zerstört werden muss. Einige Schatten sind Hüter des Lebens.“ Niklos runzelte die Stirn. „Wie können wir zwischen gut und böse unterscheiden, wenn alles in uns schreit?“ „Indem ihr zuhört“, sagte Ruprecht. „Nicht mit den Ohren, sondern mit dem Herzen. Nur das Herz kennt das Gleichgewicht.“ Bartl nickte langsam. „Dann müssen wir zuerst uns selbst verstehen.“ „Und dann das Dorf“, ergänzte Klas. „Und die Kinder.“


Am tiefsten Punkt der Nacht spürten die

Krampusse eine Veränderung. Die Luft vibrierte vor Macht, und aus dem Nebel tauchte eine weitere Gestalt auf – nicht Sankt Martin, sondern eine Projektion des Lichts selbst, das wie flüssiges Silber durch die Gassen floss. „Ihr müsst wählen“, hallte die Stimme. „Werdet ihr Hüter oder Zerstörer sein?“ Niklos trat vor. „Hüter.“ „Wir folgen dir“, fügte Piet hinzu. „Wir lernen, zu schützen, nicht zu schrecken“, sagte Bartl. Klas breitete die Arme aus. „Wir sind mehr als nur Schatten, wir sind Balance.“ Der Lichtfluss durchdrang ihre Körper, aber anstatt sie zu schwächen, verstärkte er sie. Sie waren nun Krampusse mit

Bewusstsein, die Dunkelheit akzeptierend, aber nicht von ihr beherrscht. Zurück auf dem Dorfplatz erschienen Sankt Martin und Ruprecht. Die Krampusse formten einen Kreis um die Mitte des Platzes. „Die letzte Prüfung“, sagte Ruprecht, „ist nicht Kampf, sondern Entscheidung.“ Aus den Nebeln drangen angsterfüllte Schreie. Schattenwesen, verlockend und gefährlich, lockten die Krampusse, boten Macht gegen Gewissen an. „Erhebt euch über die Versuchung“, rief Sankt Martin. „Euer Mut wird nicht

durch Zerstörung gemessen, sondern durch Selbstbeherrschung.“ Niklos spürte die Kälte der Versuchung. Piet kämpfte mit den Flügeln, als wollten sie ihn wegtragen. Bartl knurrte gegen die Stimmen an. Klas lachte – doch ein echtes, bewusstes Lachen, das Licht und Dunkelheit zugleich in sich trug. „Nein!“, riefen sie einstimmig, und der Nebel löste sich in wirbelnde Funken auf. Die Schatten wichen zurück, geschlagen nicht durch Kraft, sondern durch Einsicht. Sankt Martin nickte. „Ihr habt verstanden. Die Nacht ist euer Lehrer, nicht euer Feind.“ Ruprecht legte die Hand auf Niklos‘

Schulter. „Ihr seid jetzt Wächter. Nicht nur der Dunkelheit, sondern des Gleichgewichts.“ Die Sonne stieg langsam über das Dorf. Der Schnee glitzerte, die Kinder trugen ihre Laternen durch die Gassen, ahnungslos, aber behütet. Ruprecht stand auf dem Platz, der Sack leer, der Stab in der Hand. Die Krampusse hatten sich aufgelöst, doch ihre Präsenz war spürbar – ein stilles, schützendes Echo in jeder Ecke des Dorfes. Lisa stellte wie jedes Jahr eine Laterne bei den Ruprechtsblumen auf. „Licht leuchtet nur, wenn es die Dunkelheit

kennt“, murmelte sie, „und heute hat es wirklich geleuchtet.“ Und in den kalten Winternächten, wenn der Wind durch die Gassen heulte, konnte man das ferne Läuten hören – ein leises Erinnern daran, dass die Wächter der Nacht immer wachen, zwischen Angst und Mut, zwischen Schatten und Licht. Der Nebel kroch wie ein lebendiger Schleier durch die Gassen. Die Krampusse hatten sich im Schatten der alten Häuser gesammelt, noch nicht vollständig eins mit dem Licht, das sie nun teilweise trug. Niklos sah die frostigen Atemwolken seiner Gefährten und spürte das Pochen seines Herzens

wie Trommelschläge eines alten Rituals. „Wir haben das Gleichgewicht gespürt“, sagte Piet leise, „aber es fühlt sich fremd an. Als würden wir zwischen zwei Welten leben.“ Bartl knurrte zustimmend: „Fremd oder nicht – wir haben gelernt, die Furcht zu erkennen. Jetzt müssen wir lernen, sie zu lenken.“ Klas lächelte geheimnisvoll. „Ihr versteht noch nicht, dass wir nicht nur lernen – wir sind Teil von etwas Größerem. Etwas, das älter ist als das Dorf selbst.“ Niklos spürte eine Veränderung in der Luft. Aus den Schatten der Häuser drangen silbrige Lichtfäden, die wie

kleine Funken in die Nacht tanzten. „Seht ihr das?“ fragte er. „Es ist das Echo des Lichts“, flüsterte Ruprecht, der plötzlich neben ihnen auftauchte. „Die Nacht hat euch geprüft, und nun testet sie, ob ihr wahre Wächter seid.“ „Wächter?“, fragte Piet. „Sind wir nicht Krampusse?“ „Krampusse, ja. Aber Krampusse mit Verstand, Herz und Verantwortung. Nicht nur Angst. Nicht nur Schrecken.“


Sankt Martin trat auf den Platz, der nun in einem silbrigen Nebel getaucht war. Er hob die Laterne hoch, die aus seinem Umhang glühte. „Das Ritual der Lichter

beginnt. Wer das Gleichgewicht hält, wird die Nacht beherrschen, nicht von ihr beherrscht werden.“ Die Krampusse formten einen Kreis um den Platz. Ruprecht streckte den Stab aus, und silberne Funken wirbelten wie Glühwürmchen um sie herum. „Wir müssen zusammenarbeiten“, sagte Bartl, „unsere Kräfte bündeln, nicht gegeneinander richten.“ Niklos nickte. „Dann lasst uns beginnen.“ Die vier Krampusse begannen einen Tanz, den Ruprecht ihnen beibrachte – ein langsamer, ritueller Tanz zwischen Schatten und Licht. Jeder Schritt war bewusst, jede Bewegung ein Ausdruck

von Kontrolle und Mut. „Spürt die Energie der Nacht“, rief Ruprecht. „Lasst sie nicht euch besitzen. Lenkt sie!“ Die Funken um sie herum wirbelten höher, und Sankt Martin schwang seine Laterne, sodass das Licht wie ein Fluss über die Pflastersteine floss. Die Krampusse fühlten, wie ihre früheren Instinkte – die Furcht, der Schrecken – sich in Verantwortung und Stärke verwandelten.


Während das Ritual fortschritt, hörten sie die Stimmen der Ahnen, die durch die Gassen hallten. Es waren nicht bedrohliche Stimmen, sondern

Lehrmeister, die aus der Vergangenheit sprachen. „Versteht, dass Macht Verantwortung bedeutet“, flüsterte eine Stimme. „Wer das Gleichgewicht sucht, darf nicht selbst in die Dunkelheit fallen.“ „Und wenn wir scheitern?“, fragte Piet, die Flügel angespannt. „Dann wird die Nacht euch lehren. Immer wieder. Bis ihr versteht“, antwortete Ruprecht. „Aber scheitern bedeutet nicht Untergang – es bedeutet Lernen.“ Bartl sah nach oben, wo der Nebel die Umrisse der Kirchturmspitze verschluckte. „Dann ist die Nacht kein Feind, sondern ein

Lehrer?“ „Genau“, sagte Klas. „Und wir sind die Schüler, die ihr eigenes Licht finden müssen.“


Plötzlich verdichtete sich der Nebel erneut, und aus ihm traten Gestalten hervor – dunkle, verzerrte Abbilder der Krampusse selbst, die sie mit scharfen Stimmen lockten: „Gib nach…“ „Nur ein kleiner Biss, nur ein kurzer Schrecken…“ „Du bist stärker, Niklos, nutze es, zerstöre alles!“ Niklos spürte die Versuchung wie einen kalten Strom durch seinen Körper. Doch

Piet legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nicht jetzt. Nicht hier. Wir sind mehr als das.“ Bartl stellte sich schützend vor die Gruppe. „Ihr seid nur Schatten unserer Ängste. Wir kennen sie jetzt.“ Die Abbilder begannen zu wanken, Funken des Lichts berührten sie, und sie lösten sich schließlich in Rauch auf. Sankt Martin nickte anerkennend. „Ihr habt standgehalten. Nicht durch Gewalt, sondern durch Bewusstsein. Das ist die wahre Prüfung.“


Als die ersten Sonnenstrahlen über die Dächer glitten, war das Dorf still, wie nach einem langen Atemzug.

Schneeflocken wirbelten über den Platz, die Kinder stapften durch den glitzernden Schnee und hielten ihre Laternen hoch. Die Krampusse hatten sich aufgelöst, doch ihre Präsenz war spürbar – wie ein sanftes, beschützendes Flüstern in den Gassen. Ruprecht stand aufrecht, der Stab in der Hand, und nickte Sankt Martin zu. „Die Nacht ist bestanden. Das Dorf ist sicher, und die Krampusse sind Hüter geworden.“ Lisa stellte die Laterne bei den Ruprechtsblumen auf, und ihr Herz füllte sich mit Wärme. „Licht und Dunkelheit… sie gehören zusammen. Immer.“ Ein leises Läuten erklang aus der Ferne,

das Echo alter Geschichten, das sie daran erinnerte, dass die Wächter immer wachen, zwischen Mut und Furcht, Schatten und Licht. Die Krampusse kehrten ins Dorf zurück, doch nicht mehr als wilde Kreaturen der Dunkelheit, sondern als Wesen, die die Balance zwischen Licht und Schatten trugen. Niklos spürte den Unterschied in sich. Früher war Angst ein ständiger Begleiter, nun war sie ein Werkzeug, eine Erinnerung, nicht der Herr. „Seht euch um“, sagte Klas, während sie durch die stillen Gassen schlichen. „Die Häuser atmen, die Laternen flackern – und wir gehören dazu, ohne die Ordnung

zu zerstören.“ Bartl kratzte mit den Krallen über das Kopfsteinpflaster. „Fühlt sich seltsam an. Nicht mehr nur Jäger, sondern… Hüter.“ Piet nickte. „Wir haben gelernt. Aber was, wenn das Dorf uns nicht akzeptiert? Wenn sie uns fürchten?“ Niklos seufzte. „Dann zeigen wir ihnen, dass Furcht nicht immer zerstört, manchmal beschützt.“ In einer verlassenen Scheune saßen die vier Krampusse zusammen. Ruprecht kam hinzu, der Stab in der Hand, und setzte sich auf einen alten Holzbalken. „Ihr habt die Prüfung bestanden, aber die wahre Herausforderung beginnt erst

jetzt“, sagte er ernst. „Das Dorf kennt euch noch nicht, und die Dunkelheit wird euch weiterhin testen.“ „Wir wissen, dass sie kommen wird“, sagte Klas. „Aber wir werden vorbereitet sein. Wir haben uns verändert.“ Niklos schaute die anderen an. „Es ist, als hätten wir zwei Seelen. Eine für die Nacht, eine für den Tag. Und wir müssen beide beherrschen.“ Ruprecht nickte. „Genau. Wenn ihr nur eine Seite lebt, werdet ihr scheitern.“ Plötzlich hörten sie eine leise Stimme aus der Ecke der Scheune. Es war Sankt Martin, der scheinbar lautlos hereingetreten war. „Ich habe euch beobachtet. Ihr seid nicht nur

Krampusse, ihr seid Wächter. Die Dorfbewohner werden das spüren, wenn ihr bereit seid, es zu zeigen.“ „Und wenn wir nicht bereit sind?“, fragte Bartl. „Dann lernt ihr es erneut“, antwortete Martin ruhig. „Und jedes Mal werdet ihr stärker.“ Am nächsten Abend, als die Dorfkinder mit Laternen durch die Gassen zogen, beobachteten Niklos und seine Gefährten aus den Schatten. Ein Kind stolperte, seine Laterne drohte aus den Händen zu fallen. Ohne nachzudenken, schoss Bartl hervor und fing sie sanft auf, bevor sie den Boden

berührte. „Danke!“, rief das Kind, die Augen weit vor Staunen. „Wer seid ihr?“ Niklos trat hervor, die Hörner leicht zurückgenommen. „Nur… Freunde der Nacht.“ Klas schmunzelte. „Wir passen auf, dass ihr sicher seid.“ Die Kinder liefen weiter, ihre Lichter ein flackernder Strom durch die Nacht. Und zum ersten Mal spürten die Krampusse, dass sie nicht nur Schrecken bringen konnten – sondern auch Schutz.


Doch nicht alles war friedlich. In den Nächten, wenn der Nebel dichter wurde, kamen alte Instinkte zurück. Niklos

träumte von Blut und Feuer, von Schrecken, die er einst verbreitet hatte. „Warum kommt das immer wieder?“, flüsterte er Piet eines Nachts. „Weil die Dunkelheit ein Teil von uns ist“, antwortete Piet. „Nicht unser Feind, nur unser Teil. Ihr müsst lernen, sie zu lenken.“ Bartl, der still neben ihnen saß, murmelte: „Manchmal will sie uns zurückholen. Aber wir dürfen uns nicht fangen lassen.“ Klas nickte: „Wir sind nicht allein. Wir haben einander, und wir haben das Licht. Sankt Martin und Ruprecht zeigen uns den Weg.“


Eines Abends, als der Mond wie ein silbernes Auge über dem Dorf stand, tauchten fremde Schatten auf – andere Wesen der Nacht, die nicht die Balance suchten, sondern nur Chaos bringen wollten. „Wir haben Feinde“, warnte Ruprecht, der aus dem Nebel trat. „Sie testen euch, um zu sehen, ob ihr würdig seid.“ Niklos spürte das Adrenalin in seinen Adern. „Wir sind bereit. Zusammen.“ Die Krampusse formten einen Kreis, die Flügel gespannt, die Hörner aufgerichtet. Sankt Martin schwang seine Laterne, deren Licht die Dunkelheit durchbohrte. „Wir fürchten euch nicht“, rief Niklos. „Die Nacht gehört uns, aber wir gehören

auch zum Licht!“ Ein Kampf entbrannte, doch nicht brutal, sondern rituell, ein Tanz aus Licht und Schatten. Jeder Schlag, jeder Ausweichschritt war eine Lektion, ein Zeichen, dass die Krampusse nicht mehr nur Instinkt waren, sondern Hüter des Gleichgewichts. Am Morgen war der Platz still. Die fremden Schatten waren verschwunden, und die Krampusse standen erschöpft, aber unversehrt. „Das war euer erstes großes Abenteuer“, sagte Ruprecht. „Ihr habt gezeigt, dass ihr nicht nur Macht habt, sondern

Weisheit.“ Sankt Martin trat hervor. „Das Dorf hat euch beobachtet. Manche haben euch gesehen, manche nur gespürt. Aber alle werden spüren, dass die Nacht nun geschützt ist.“ Niklos sah die Sonne aufgehen. „Wir haben gelernt, dass wir nicht nur Schrecken bringen, sondern auch Hoffnung.“ Bartl nickte: „Und das ist unsere wahre Macht.“

Der Winter hatte das Dorf fest im Griff. Schneeflocken fielen wie gefrorene Sterne, die Dächer und Straßen in ein glitzerndes Kleid hüllend. Die

Krampusse, die einst nur als Furcht bringende Gestalten galten, hatten sich verändert. Sie hatten gelernt, dass Macht ohne Weisheit nur Leere bringt, und dass Dunkelheit und Licht in einem untrennbaren Gleichgewicht stehen mussten. Niklos stand am Waldrand, die schwarzen Hörner gegen den Nebel gehoben, während Piet neben ihm die Flügel leicht gespreizt hielt, ein Zeichen, dass er wachte und zugleich beobachtete. „Es ist still“, murmelte Niklos, seine Stimme kaum mehr als ein Hauch im kalten Wind. „Zu still.“ „Stille ist nicht immer Frieden“, antwortete Piet mit ruhiger Stimme. „Sie ist Prüfung. Das Gleichgewicht ist

zerbrechlich, wenn wir nicht wachsam sind.“ Klas lachte leise, die Kälte sichtbar in seinem Atem. „Immer pessimistisch, Piet. Aber recht hast du. Wir dürfen niemals vergessen, was wir gelernt haben.“ Bartl, sonst der Ruhigste unter ihnen, schnaubte tief. „Und dennoch spüre ich die Versuchung. Die Dunkelheit lockt selbst jetzt, in dieser frostigen Nacht.“ Niklos sah ihn ernst an. „Dann lass uns zeigen, dass wir stärker sind. Nicht nur wir, sondern gemeinsam. Zusammen sind wir mehr als Furcht und Schatten.“ Die Dämmerung senkte sich tiefer, die Schneeflocken wirbelten wie kleine

Geister durch die Luft. Plötzlich hörten sie ein fernes Geläut, kaum mehr als ein Flüstern im Wind, doch von einer Dringlichkeit erfüllt, die die Krampusse in Alarmbereitschaft versetzte. „Ruprecht!“, rief Niklos, und der alte Wächter trat aus dem Nebel hervor, sein Stab leicht glänzend im Mondlicht. „Es ist Zeit. Die Dorfbewohner brauchen uns.“ „Und Sankt Martin?“, fragte Piet, seine Flügel zu einem Schutzkreis geschlossen. „Er beobachtet“, antwortete Ruprecht. „Das Licht wird euch führen. Aber handeln müsst ihr selbst.“ Die Krampusse bewegten sich wie ein dunkler Strom durch die verschneiten

Gassen. Das Knirschen unter ihren Stiefeln war leise, doch es trug eine Bestimmtheit, die selbst den stärksten Wind übertönte. Am Dorfzentrum angekommen, sahen sie die Quelle des Geläuts. Fremde Schattenwesen hatten die Kinder umzingelt, ihre Laternen flackerten bedrohlich. Niklos trat vor, die Stimme klar und unerschütterlich: „Kein Kind wird euch allein überlassen!“ Die Schatten lachten, ein tiefer Klang, der die Fenster erzittern ließ. „Ihr seid nur Krampusse. Was könnt ihr schon tun?“ Klas schüttelte den Kopf. „Wir sind nicht nur Krampusse. Wir sind Hüter. Das

Gleichgewicht ist stärker als Furcht.“ Bartl sprang vor, die Hörner gesenkt, und die fremden Schatten zogen instinktiv einen Schritt zurück. Piet schloss die Flügel, formte einen leuchtenden Schutzkreis um die Kinder, während Niklos die Hände hob. Kein Feuer, sondern ein schimmernder Nebel strömte aus seinen Händen und vertrieb die Angst der Kinder. „Lauft!“, rief Niklos. „Folgt dem Licht!“ Die Kinder rannten, geführt von Schatten und Licht zugleich. Die fremden Schatten zogen sich zurück, doch nicht ohne zu sprechen. „Ihr werdet immer zwei Seelen tragen – Licht und Dunkelheit. Eines Tages werden wir

zurückkehren.“ „Und wenn wir bereit sind, werden wir euch empfangen“, antwortete Niklos. „Nicht mit Furcht, sondern mit Gleichgewicht.“ „Ihr seid anders geworden“, flüsterte einer der Schatten, fast ehrfürchtig. „Vielleicht… vielleicht ist die Nacht noch zu retten.“ Ruprecht trat hervor. „Ihr alle habt gelernt. Die Dorfbewohner werden euch nicht mehr fürchten, sondern achten. Doch vergesst nie: Die Dunkelheit schläft nie.“ Am nächsten Morgen war das Dorf ruhig. Kinder lachten, Erwachsene sahen nachdenklich, als hätten sie etwas

gespürt, das sie nicht erklären konnten. Lisa, die Hüterin der Laternen, stellte eine Reihe von Lichtern am Waldrand auf. „Damit sie wissen, dass wir sie sehen“, flüsterte sie. Niklos und seine Gefährten beobachteten aus dem Schatten. „Sie verstehen“, sagte Klas. „Sie wissen, dass wir wachen.“ „Und wir wissen“, fügte Bartl hinzu, „dass wir mehr sind als wir dachten. Wir sind Hüter, nicht nur Krampusse.“ „Und das Licht wird immer durch die Dunkelheit scheinen, solange wir bereit sind“, nickte Piet. Doch die Prüfungen des Winters waren noch nicht vorbei. Stürme, dunkle Nächte, Tiere in Panik, wandernde

Schatten – jede Gefahr stellte die Krampusse auf die Probe. Sie lernten, jedes Hindernis zu erkennen, zu lenken, zu meistern. Niklos und Klas patrouillierten die Dächer, Piet und Bartl durchstreiften die Gassen. „Wir sind nicht nur Krampusse“, sagte Niklos in einer stürmischen Nacht. „Wir sind das Gleichgewicht. Ohne uns fällt das Dorf in Furcht und Chaos.“ „Und wir sind nicht allein“, fügte Piet hinzu. „Wir haben einander, Ruprecht und Sankt Martin. Das Licht ist stark, weil wir es tragen.“ Jahre vergingen. Kinder wuchsen heran, das Dorf blühte. Die Geschichten der Krampusse wandelten sich von Furcht zu

Legenden über Mut und Schutz. Doch in jeder Winternacht, wenn der Schnee die Dächer deckte und der Wind durch die Gassen heulte, sah man sie: Niklos, Piet, Klas und Bartl, die Schattenhüter, die das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit bewahrten. Lisa, nun älter, stellte weiterhin Laternen am Waldrand auf. Ruprecht stand neben ihr, der Stab leicht geneigt, ein stilles Lächeln auf den Lippen. „Sie wachen“, flüsterte sie. „Und wir wissen, dass die Nacht sicher ist.“ Niklos blickte auf die Laternen. „Wir haben gelernt, dass Macht ohne Weisheit nichts ist. Aber Weisheit und Mut… das macht uns zu

Hütern.“ Ein warmer Wind strich durch das Dorf, die Geschichten, die einst Angst brachten, erzählten nun von Schutz, Mut und Balance. Ein leises Glöckchen erklang in der Ferne – das Echo alter Legenden, das Versprechen, dass die Wächter der Nacht immer wachen würden. Und so bleibt die Nacht bewacht, das Gleichgewicht gewahrt, solange es Hüter gibt, die Licht und Schatten kennen, die mutig, weise und bereit sind, die Dunkelheit zu führen, nicht zu fürchten.

0

Hörbuch

Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

Leser-Statistik
100

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Buhuuuh Das Cover wirkt auch hier passend. ...
Vor einem Monat - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
1
0
Senden

172965
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung