
Hier ist eine weihnachtliche Erzählung, inspiriert von der Legende vom Tannenbaum ...
In einem stillen, frostklaren Wald erhob sich ein ehrwürdiger Tannenbaum. Er stand allein auf einer kleinen Lichtung, während ringsum alte Eichen, Birken und Buchen ihre Zweige neigten und ihre Blätter verloren. Der Wind heulte leise durch die kahlen Äste, frostige Nebelschleier sanken in die Wipfel. Eines Abends – als die Nacht besonders dunkel war – erschien ein kleiner Vogel mit gebrochenem Flügel. Er war aus dem Süden geflogen, doch der Wind hatte ihn
geholt, und nun sank er müde, zitternd zu Boden. Die Eiche sah ihn und schüttelte nur die kahlen Äste: „Ich beherberge nur die Starken“, sprach sie kalt. Die Buche rümpfte die Zweige: „Du störst meine Ruhe.“ Auch die Birke schlug das Angebot aus: „Geh weg, du machst meinen Stamm beschwert.“ Da kroch der Vogel an den Rand der Lichtung, sein Lebenshauch klang wie ein leises Flüstern im Frost. Er dachte, sein Ende sei nah – und mit ihm vielleicht ein Teil des Waldes, der ihn einst getragen hatte. Doch der Tannenbaum – grün und stolz –
beugte sich über ihn und flüsterte: „Komm zu mir. In meinen Zweigen findest du Ruhe.“ Der Vogel legte sich in das weiche Nadelbett, der Baum spannte seinen Schutzmantel aus nadelgrünen Zweigen über ihn. Die Nacht kroch voran, der Frost griff mit eisigen Fingern über die Lichtung; die anderen Bäume verloren Blätter, Äste klirrten im Wind, und das Dunkel schritt voran wie ein kalter Schatten. Aber der Tannenbaum hielt stand – und darin schlief der kleine Vogel, sicher, getragen, warm in seinem Schutz. Am Morgen wandte sich der Frost
zurück, Nebel hob sich, und die ersten silbernen Strahlen der Morgendämmerung fielen durch die Zweige. Die Eiche hatte nichts mehr an Fülle; die Buche war kahl; nur die Tanne war unversehrt, ihre Nadeln glitzerten im rosigen Licht. Der Vogel, nun gesunden Flügeln entledigt, flog auf – ein zartes Zwitschern brach die Stille. Und so ward die Tanne vom Wald auserwählt: nicht wegen ihrer Größe oder wegen prächtiger Äste, sondern weil sie aufnahm, schützte und Hoffnung schenkte. Jedes Jahr, wenn wir am Heiligen Abend den Baum erleuchten und schmücken, erinnern wir uns – an eine
Tat der Güte im frostigen Wald, an das Licht, das im Dunkel wachsen kann. Denn die Lichter, die wir in ihren Zweigen entzünden, sind mehr als Schmuck: Sie sind Früchte der Nächstenliebe, sie sind Zeichen dafür, dass selbst in der kältesten Nacht ein Herz schlagen kann, das Wärme gibt – und dass das Grün bleibt, wenn anderes vergeht. Und wenn du am nächsten Winter einen Tannenbaum siehst, denk daran: Er steht für Leben, für Schutz, für den Moment, in dem wir sagen: *Ich sehe dich. Ich halte Wache. Ich schenke Dir Licht.
Nach dem alten Weihnachtsgedicht über den Baum, der Güte bewahrte Prolog – Das Lied im Wind Es heißt, einst habe ein Dichter von einem Baum gesungen, der mitten im Winter grün blieb, während alle anderen Bäume ihre Blätter verloren. Er sang von der Tanne, die in einer eisigen Nacht einem kleinen Vogel Zuflucht
gewährte, als kein anderer Baum ihm Schutz bot. Und weil sie Güte zeigte, segnete der Himmel sie mit ewigem Grün. Viele Winter sind seitdem vergangen. Doch die Menschen sagen, irgendwo in den Bergen steht noch jener Baum — der Ursprung des Liedes, der Hüter des alten Verses. Und so beginnt die Geschichte von einer Frau, die ihn eines Tages
fand. Das Kind und der Baum Ein Schneesturm tobte über das Land, und in seinem wilden Atem wanderte ein Mädchen, verloren, verängstigt, allein. Sie rief nach Hilfe, doch der Wind verschlang ihre Stimme. Dann sah sie ihn — den Baum aus dem alten Lied. Seine Zweige waren schwer vom Schnee, doch sein Grün leuchtete durch das Weiß wie Hoffnung
selbst. „Du bist es“, flüsterte das Mädchen, obwohl sie nicht wusste, warum sie das sagte. Und die Tanne neigte sich zu ihr, flüsterte mit dem Rauschen der Nadeln, nahm sie in ihre Arme aus Duft und Dunkel. Am Morgen lag das Kind dort, geborgen, als habe der Baum sie in Schlaf gesungen. Die Frau, die den Vers bewahrte Viele Jahre später kam sie wieder — nun
alt, mit weißen Haaren, die im Schnee glänzten wie Reif. In ihren Händen trug sie eine kleine Laterne. „Ich erinnere mich an dich“, sagte sie. „Und an das Lied, das von dir erzählt.“ Sie wusste nun, was der Dichter einst gemeint hatte: dass Güte nicht vergeht. Dass man sie weiterträgt, wie man eine Flamme von Kerze zu Kerze reicht. An jenem Abend blieb sie bei ihm, unter seinen Zweigen, im Flackern des
Lichts. Als die Nacht kam, sah man die Flamme in der Laterne noch glühen — doch die Frau war fort. Der Baum, der das Gedicht atmete Als die Dorfbewohner die Lichtung fanden, stand die Tanne still und majestätisch. Und obwohl der Himmel grau war, glitzerte ihre rone wie von innen erleuchtet. Man erinnerte sich an die
Verse: „Darum, weil sie Gutes tat im kalten Winterwind, bleibt sie ewig grün und warm — die Tanne, Mutter und Kind.“ Seitdem nennt man sie den Gedichtbaum. Denn wenn der Schnee fällt, kann man zwischen ihren Zweigen ein Summen hören — nicht vom Wind, sondern vom alten Lied, das sich selbst weiterträumt. Und wer genau hinhört, meint eine Stimme zu vernehmen
— sanft, wie aus einer anderen Zeit: „Licht vergeht nicht. Es verwandelt sich nur in Erinnerung.“ Epilog So wird das Gedicht zur Geschichte, und die Geschichte wieder zum Lied. Und jedes Jahr, wenn wir den Weihnachtsbaum schmücken, zündet irgendwo in den Bergen eine Tanne ihr eigenes Licht an — nicht aus Wachs, nicht aus Feuer, sondern aus
Güte,
die im Wind weiterklingt.
Ein Weihnachtsmärchen zum Erinnern und Leuchten
Wenn der Winter das Land mit seinem weißen Schweigen bedeckt und der Wind die Geschichten der Alten durch die Täler trägt, dann erzählt man in einem kleinen Bergdorf von einem Baum, der niemals sein Grün verlor – und von einer Frau, die ihm ihr Herz schenkte. Erstes Kapitel – Das Kind im Sturm Es war eine Nacht aus Eis und Atem. Der Schnee fiel so dicht, dass selbst der Mond sich verlor. Ein kleines Mädchen
irrte durch den Wald, fror, weinte, suchte nach dem Pfad, der längst im Sturm versank. Der Wind schnitt, der Frost biss. Doch mitten in der Finsternis stand eine Tanne – hoch, kräftig, still. Sie rauschte leise, als wolle sie sprechen. Das Kind taumelte zu ihr, sank nieder, und der Baum neigte seine Zweige, wie ein Mantel legte er sie um den frierenden Körper. Die Nacht verging. Als der Morgen graute, fanden Holzfäller das Mädchen, warm geborgen im grünen Schatten der Tanne. Sie trug keine Spuren der Kälte mehr, nur ein Lächeln, zart wie Tau auf Moos.
Von jenem Tag an kehrte das Mädchen jedes Jahr zurück. Mit einer kleinen Laterne, deren Flamme sie an die Tanne stellte. „Für dich“, flüsterte sie, „weil du mich behütet hast.“ Zweites Kapitel – Die Frau und das Licht Die Jahre zogen wie Wolken dahin. Aus dem Kind wurde eine Frau, aus der Frau eine Alte. Doch jedes Jahr, wenn der Schnee fiel, stieg sie hinauf zur Lichtung. Sie sprach nicht viel – nur ihre Schritte und ihr Atem erzählten von Dank. Manchmal sang sie, leise, Lieder, die nur der Wind verstand. In ihrem letzten Winter war der Aufstieg schwer. Ihre Hände zitterten, ihre Augen
waren vom Alter trüb. Doch sie ging, weil ihr Herz noch wusste, wo das Licht wohnte. Oben, auf der Lichtung, stellte sie die Laterne nieder. Das Glas beschlug von ihrem Atem, die Flamme zitterte im Wind. „Ich bin alt geworden“, flüsterte sie. „Aber du – du bist noch immer grün.“ Dann lächelte sie, setzte sich an den Stamm und schloss die Augen. Als der Morgen kam, fanden Wanderer nur noch ihre Laterne. Und in ihr brannte ein Funke – klein, aber unvergänglich. Drittes Kapitel – Der Baum, der Licht bewahrt Der Winter wich, doch die Geschichte
der Alten blieb. Die Dorfbewohner trugen Kerzen auf die Lichtung, hängten Äpfel, Sterne, kleine Engel in die Zweige. Sie sangen leise, und als die Nacht fiel, erstrahlte die Tanne. Niemand wusste, woher das Licht kam. Es flackerte zwischen den Nadeln, warm, golden, lebendig. Seitdem sagen die Leute: „Wenn die Tanne leuchtet, erinnert sie sich.“ Man nennt sie den Hüterbaum. Kinder laufen hinauf, legen ihre Hände an die Rinde und spüren, wie eine Wärme aufsteigt, tief, ruhig, tröstend. Manche behaupten, sie hören eine Stimme – zart wie Schnee, der fällt:
„Hab keine Angst. Licht stirbt nicht. Es schläft nur.“ Und so, Jahr um Jahr, wenn der erste Schnee die Welt still macht, erzählen die Alten am Kamin vom Baum im Sturm, von der Frau mit der Laterne, und vom Licht, das in der Dunkelheit blieb. Epilog Wer in jener heiligen Nacht den Blick zum Wald richtet, mag ein fernes Glühen sehen – kein Feuer, keine Kerze, nur das sanfte Herz des Winters selbst. Denn Güte vergeht nicht. Sie wurzelt. Sie atmet. Und sie leuchtet – auch in der tiefsten Nacht.