Kurzgeschichte
Tradition vor Gerechtigkeit

0
"Tradition vor Gerechtigkeit"
Veröffentlicht am 02. November 2025, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin ein junge Schreiberin mit LRS (Lese recht scheib schwache) und möchte meine Gedanken zu Papier Bingen möchte was schwer ist und des halb danke ich allen dir helfen meine Worte zu Papier zu Bingen.
Tradition vor Gerechtigkeit

Tradition vor Gerechtigkeit

Ich falte die Hände und finde Rechnungen.

Die Predigt spricht von Barmherzigkeit; mein Lippenstift bleibt, als hätte er einen Eid geleistet.

Ich höre das Amen und zähle in meinem Kopf die Preise — Butter, Brot, ein Kleid, ein kleiner Riss in meinem Gewissen, den ich mit Rabattcodes überklebe.


Mein Mann trägt Hemden, die nach Zahlen riechen. Er sitzt am Tisch, faltet Bilanzen wie Kleineier. Seine Finger sind sauber; das Geld kommt sauber in Konten, und aus den

Konten gießt es sich in Fabriken, in Lagerhallen, in Felder, in Arbeitsverträge, die mit Flüstern unterschrieben werden.

Er ist weiß, er ist alt, er ist reich. Er sagt: „Opfer gehören dazu.“

Ich nicke. Ich denke: Opfer gehören anderen.


Ich kaufe das Billigste mit dem Glanz eines Versprechens.

Kaschmir-Etikett, das beim Reiben nach Plastik stöhnt.

Schuhe, die beim Tanzen die Nähte verlieren — aber mein Name bleibt ganz.

Ich trage Seide, die nie ein Schiff

geküsst hat, und schmecke auf der Zunge den Preis, den andere bezahlen.


Und dann kommen sie.

Menschen mit Augen wie aus zerbrochenem Glas, die an Grenzen klopfen—nicht an meinen Tee.

Sie sagen: „Wir haben alles verloren.“

Ich schiele auf ihr Gesicht und dann auf den Preis eines schönen Abends.

Die Nachricht auf meinem Handy blinkt: „Flug billig — Sale.“

Ich denke an Mitleid als Dekoration, nicht als Verpflichtung.


Ich bin wütend — aber nicht auf die, die hungrig sind.

Wütend auf das System, das uns lehrt, Gerechtigkeit als Luxus zu begreifen.

Wütend auf die Sonntagsreden von Nächstenliebe, die am Montagmorgen im Supermarkt enden: „Das ist mir zu teuer.“

Wütend auf den Mann, der Renditen liebt wie andere beten, und doch meine Hand hält, wenn die Parkettböden knarzen.

Wütend auf mich, die beim Weinen noch das Etikett abschneidet, damit das Kleid schöner fällt.


Sie — die Arbeitslosen, die Entlassenen, die Männer mit leeren Händen — kommen nie in meine Träume.

Sie träumen anders: Alarm, Bus, leeres Regal, Abschied.

Ihre Wut ist stumm; ihre Klage keine Schlagzeile.

Und weil sie schreien können, ohne gehört zu werden, habe ich gelernt, dass kein Kläger auch kein Unrecht ist.

So einfach funktioniert unsere Moral. So bequem.


Ich will, dass es weh tut.

Nicht einfach mitleidig-weh, sondern klares, brennendes Gewahrsein.

Ich will, dass der Leser diese Hitze in der Kehle spürt, wenn ich von meinem Kleiderschrank erzähle, wo Preise lauter sind als Namen.

Ich will, dass die Mutter, die für einen Job zu spät kommt, plötzlich die Stimme dieses Verkaufs hört — und merkt, wie ihr eigenes „zu teuer“ ein Dolch in eine andere Brust wird.

Ich will, dass der Pfarrer beim Abzählen seiner Kollekten das Knistern der Lügen riecht, die wir beim Abendessen servieren.


Du denkst vielleicht: Das trifft die Falschen.

Vielleicht. Aber die Moral brennt quer durch die Reihen: in den Sakkoärmeln, die Rendite halten; in den Sonntagsreden, die das Gewissen polieren; in meinen Händen, die die Rechnungen wischen.

Es brennt, weil wir wegschaun, weil wir „vernünftig“ sein wollen, während Menschen auf Booten ersaufen oder in Fabriken die Nächte verrichten, damit mein Kleid um Mitternacht noch seinen Glanz hat.


Ich klage nicht auf Gerechtigkeit, wie es die Welt verlangt.

Ich schreie, damit das Feuer sichtbar wird.

Damit die, die sich über die Preissteigerung mokieren, einmal fühlen, wie es ist, wenn jemand anders für dein Lächeln mit Blut bezahlt.

Damit sie merken: Darin liegt die Perfidie unserer Tradition — wir halten an Ordnung fest, während Ordnung Menschen unter sich begräbt.


Wenn du mit mir gehst, werde ich

nicht verzeihen.

Ich werde zeigen. Ich werde benennen. Ich werde dieses unheimliche Schweigen durchbrechen.

Denn wenn kein Kläger da ist, dann reicht das nicht als Beweis, dass nichts geschieht.

Es ist nur der Beweis, dass wir gut darin sind, die Stimmen zu ersticken.


Und ich?

Ich werde weiter beten.

Mit dem Kopf gesenkt, mit den Fingern im Schmuck, mit dem Herzen aus billiger Wolle.

Aber jetzt brennt etwas — tief, heiß, und es hinterlässt Ruß auf der Zunge.

Vielleicht verbrennt es auch mich. Vielleicht ist das nötig.

Vielleicht ist es das Einzige, das diese Moral endlich zum Weinen bringt.

0

Hörbuch

Über den Autor

yumiko
Ich bin ein junge Schreiberin mit LRS (Lese recht scheib schwache) und möchte meine Gedanken zu Papier Bingen möchte
was schwer ist und des halb danke ich allen dir helfen meine Worte zu Papier zu Bingen.

Leser-Statistik
4

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

172889
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung