Die Laterne des einsamen Jack
In der Nacht, wenn der Nebel die Straßen umhüllte wie ein graues Tuch, zog ein Mann mit einer flackernden Kohle in einer ausgehöhlten Rübe durch die Dörfer. Sein Name war Jack. Niemand kannte sein Gesicht, nur die scharfen Linien der Einsamkeit und den stummen Zorn in seinen Augen.
Er war verflucht, weder vom Himmel empfangen noch von der Hölle verschlungen. Und so wanderte er zwischen den Welten, ein ewiger Pilger in der Dunkelheit. Die Kohle glomm matt
in der Rübe, und die Schatten der Nacht tanzten auf den Wänden der Häuser, als wollten sie ihm folgen.
Die Menschen begannen bald, ebenfalls Rüben und später Kürbisse auszuhöhlen, um sie auf ihre Fensterbänke zu stellen. Die Lichter sollten Jack fernhalten, doch tief in ihrem Herzen wussten sie, dass die Laterne nur ein Spiegel ihrer eigenen Furcht war – vor dem Vergessen, vor der Einsamkeit, vor dem Schatten, der hinter jedem Fenster lauert.
Und so leuchtet noch heute der Kürbis vor den Türen, ein stummer Wächter in der Nacht, ein Echo des Mannes, der für
immer zwischen den Welten wandelt.
Die Feder des verlorenen Schattens
In der Nacht vor Allerheiligen lag ein dichter Nebel über der Stadt. Die Straßen waren leer, nur das leise Kratzen von Ästen gegen Fenster und Dachrinnen durchbrach die Stille. Drinnen saß der Schreiberling über einem Berg von Papier, das kaum Platz bot, und die Kerze brannte so matt, dass sie mehr Schatten war als Licht.
Er wollte schreiben. Er wollte die Geschichte des einsamen Wanderers erzählen – von Jack, der mit seiner Rübenlaterne durch die Welten zog. Doch die Worte weigerten sich, geboren zu
werden. Jeder Satz entglitt ihm wie Rauch, jede Figur war nur eine blasse Silhouette.
Da glitt ein kalter Hauch durch den Raum. Ein Flüstern, das sich nicht aus der Feder, sondern aus der Dunkelheit selbst zu nähren schien. Die Schatten an den Wänden formten sich, wanden sich, bis aus ihnen eine Gestalt hervortrat – Jack. Seine Augen glühten wie glimmende Kohlen, die Laterne in seiner Hand pulsierte wie ein Herz, das längst aufgehört hatte zu schlagen.
„Du willst mich erzählen?“ fragte er. Seine Stimme klang wie ein Spiel aus
Versprechen und Drohung. „Dann lass uns handeln.“
Der Schreiberling nickte, unfähig, nein zu sagen. Und so begann ein unheilvoller Pakt.
Jack ließ sich nieder, schwebte fast über den Tisch, und jedes Mal, wenn der Schreiberling seine Feder ansetzte, schob Jack Schatten in die Worte, ließ sie zittern, lebendig werden. Figuren erhoben sich aus dem Papier, flüsterten und weinten, lachten und schrien. Der Schreiberling bemerkte bald, dass die Zeilen ihn nicht mehr führten – er folgte Jack.
Mit jeder geschriebenen Seite verschwand ein Stück seiner eigenen Realität. Die Kerze wurde schwächer, die Wände schienen zu atmen, und in den Spiegeln spiegelten sich nicht länger seine Augen, sondern die glimmenden Kohlen von Jack. Die Geschichte, die er schrieb, war nicht mehr nur auf dem Papier – sie lebte, und sie lebte durch ihn.
Als der Morgen graute, hatte der Schreiberling keine Wahl mehr. Er war kein Mensch mehr, nur noch Feder und Schatten, getragen von der Rübenlaterne. Jack lächelte, hob die Laterne und verschwand im Nebel, die Kohle glimmte
noch einmal auf, ein letzter Funken der Freiheit, die er dem Schreiberling geraubt hatte.
Jedes Jahr, in der Nacht der Nächte, flüstert man von ihm: Ein Schreiberling, der einst dachte, Geschichten zu besitzen, wurde selbst zur Geschichte. Und irgendwo, zwischen den Zeilen der lebendig gewordenen Legenden, wandelt Jack weiter – hungrig nach Worten, nach Dunkelheit, nach der Angst, die nur die Lebenden noch spüren können