Fantasy & Horror
Seelenstaub

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"Seelenstaub"
Veröffentlicht am 29. Oktober 2025, 16 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich bin ein junge Schreiberin mit LRS (Lese recht scheib schwache) und möchte meine Gedanken zu Papier Bingen möchte was schwer ist und des halb danke ich allen dir helfen meine Worte zu Papier zu Bingen.
Seelenstaub

Seelenstaub

Ich erwachte in der Kutsche.

Regen fiel in dünnen Schnüren vom Himmel, und das Rad schlug gleichmäßig gegen Steine, die ich nicht sah und doch kannte. Der Vorhang atmete mit, als wäre er eine Lunge. Gegenüber saß die Dienerin, die Hände um ein Rosenkranzholz gelegt; ein Korn fehlte, dort war die Schnur blank gerieben.


„Nicht weit, Hoheit,“ flüsterte sie. „Bald seid Ihr daheim.“


Das Schloss stand nicht auf dem Fels, es wuchs aus ihm. Die Zinnen

standen wie Finger im Nebel. Raben auf der Mauerkrone, reglos, als lauschten sie auf meine Schritte. Am Torbogen tropfte Wasser auf meinen Handrücken. Rot vom Rost, warm wie Blut.


In der Halle roch es nach nassem Stein, Wachs, Lavendelspänen. Drei Tropfen Kerzenwachs klebten am Boden vor der Kapellentür, als hätte dort jemand gekniet und sei mitten im Gebet erstarrt. Die Mägde wuschen mir Stirn und Handgelenke in Salz und Wein. Das Wasser lief in die Zinnschale, trüber als es sein durfte. Ich

dachte: Vielleicht ist es der Spiegel der Luft, der alles verfärbt.


In der Brautkammer hing über dem Bett ein schwarzer Spiegel, mit dünnem Gold gefasst. Wenn ich nahe trat, war mein Atem weiß auf dem Glas. Ich hob den Schleier, legte ihn auf die Truhe und strich eine Falte glatt. Ein Faden stand ab, gestochen wie von einer Nadel, die nicht mehr da war.


Die Nacht kam früh. Der Wind fuhr durch Ritzen wie eine Hand durch Haar. Ich ging den Gang entlang, barfuß; der Saum meines Kleides

war schwer vom Regen, die Stufen rochen nach Eisen. Auf der Mauer stand eine weiße Gestalt, schmal, die Finger an den Stein gelegt, als prüfe sie den Puls der Burg. Sie hob den Kopf, als ich kam. Ich sah ihr Profil — die schwache Narbe am Kinn, denselben Bruch in der linken Augenbraue wie ich. Und doch dachte ich: Ein Geist, der mich spiegelt. Ein Irrtum, der nur durch Tat endet.


„Genug,“ sagte ich halblaut, zu wem, wusste ich nicht.

Ich legte die Hand auf ihre Schulter. Die Haut darunter war

warm. Sie atmete aus; ich atmete ein.

Der Stoß war klein, ein Hauch.

Der Wind tat den Rest.


Es gibt keinen Klang für den Moment, in dem man begreift, dass man beide ist.

Nur Luft im Mund.

Nur Staub auf der Zunge.



Ich erwachte in der Kutsche.

Der Vorhang wogte. Das Rad zählte die Zeit. Auf meinem rechten Schlüsselbein lag ein dunkler Druck, als hätte dort eine Hand

geruht. Ich fuhr mit dem Finger darüber: Es tat nicht weh. Noch nicht.


„Nicht weit, Hoheit,“ sagte die Dienerin, die Augen gesenkt. „Bald seid Ihr daheim.“


Im Hof klapperten Sporen. Jemand führte mich durch den Gang; der Wind brachte mir den Geruch von nassem Lein und kaltem Eisen entgegen. Vor der Kapelle wieder die drei Wachstropfen am Stein. In der Kammer war der schwarze Spiegel diesmal mit einem Tuch verhüllt, grobes Leinen mit einem

gestickten Kreuz, unvollendet: Der letzte Stich fehlte.


Ich stand am Fenster. Nebel hob und senkte sich über dem Graben wie eine Brust. Unten im Hof — Bewegung. Jemand ging mit meinem Schritt, trug mein Kleid, hielt den Kopf wie ich. Ich hob die Hand. Dort hob sich eine Hand im gleichen Takt. Ich setzte den Fuß zurück: Die Diele knarrte. Auf dem Glas blieb mein Atem — oder war es ihrer?


Später, weit nach der Stunde, da die neuen Eheleute gesegnet

werden, suchte ich den Wind. Auf der Mauer war Schnee zu einem schmalen Wulst gefroren, glatt wie Knochen. Ich legte die Finger an den Stein. Er vibrierte — nicht von mir, von der Burg. Hinter mir trat jemand aus dem Dunkel; ich roch Lavendel, feucht, zu süß. Eine Hand glitt auf meine Schulter, genau dort, wo am Morgen der Druck gelegen hatte. Kühl. Sanft.


Es hätte ein Halt sein können.

Es war ein Stoß.


Ich fiel. Doch der äußere Wehrgang stand tiefer unter mir, das Dach der

Postenlaube trug eine Schicht nassen Schnees. Ein dumpfes Brechen, nicht von mir, vom Holz. Luft in die Lunge zurück wie ein Messer. Ich rollte in den Graben, roch Schlamm und Metall, Blut vielleicht, oder Rost. Über mir fuhr der Nebel zu, als zöge jemand eine Decke hoch. Ich tastete nach dem Rand, nach dem Wurzelwerk, das hielt. Die Finger fanden Halt. Der Körper gehorchte, langsam, stumm.


Später kroch ich durch die Pforte für die Nachtwächter zurück ins Innere, legte den Mantel ab, als sei ich nur kurz im Hof gewesen. Im

Spiegel der Truhe sah ich mein Gesicht. Schnee kristallisierte noch im Haar. An der inneren Seite meines linken Handgelenks zeichneten sich vier halbmondförmige Eindrücke ab — Finger, die meinen Stoß von gestern kannten.




Ich erwachte in der Kutsche.

Die Dienerin drehte den Rosenkranz. Das fehlende Korn schlug gegen ihren Finger.

„Nicht weit, Hoheit. Bald seid Ihr daheim.“


Am Torbogen wieder der rote Tropfen.

In der Kapelle das gleiche Wachs, nur um einen Fingerbreit versetzt.

In der Kammer derselbe Spiegel, diesmal einen Hauch gesprungen, als wäre im Glas ein Atem gefroren. Ich zog den Schleier von der Truhe: Der lose Faden hing noch, länger nun, als hätte jemand heimlich weitergenäht.


Ich tat, was man tut, wenn das Räderwerk der Welt hakt: Ich suchte Ordnung. Salzlinie an die Schwelle. Das Gebet, das meine

Mutter sprach, wenn ein Kind Fieber hatte. Eine Nadel in den Saum, quer, gegen den Blick. Ich ritzte mit dem Brotmesser ein kleines Kreuz in den inneren Fensterstock, genau dort, wo die Hand oft ruht. Die Hand passte hinein. Meine.


Am Abend ging ich auf die Mauer. Der Wind schnitt. Unter mir das Schwarz des Grabens, darüber Nebel, der an den Zinnen hängen blieb. Ich wartete, bis die Stille sich dehnte. Dann trat sie neben mich — weiß, barfuß, das Haar im Sturm. Dieselbe Narbe am Kinn, derselbe

Bruch in der Braue. Ein Schatten von Ruß an ihrem Saum, an meinem.


„Genug,“ sagte sie, zu wem, wusste sie nicht.

Ihre Hand auf meiner Schulter war warm.

Der Stoß war klein, ein Hauch.

Der Wind tat den Rest.


Ich blieb stehen.

Ich fiel nicht.

Ich war die, die stieß.

Ich war die, die fiel.

Ich war das Kreuz im Fensterstock und die Finger, die es berühren.

Ich war der fehlende Stich im Kreuz des Tuches.

Ich war der rote Tropfen am Tor.


Später, als die Raben sich schüttelten und der Schnee die Spuren verwischte, legte ich die Stirn an das schwarze Glas. Im Spiegel lag mein Atem, zwei Schichten übereinander. Jemand hob die Hand. Ich auch. Unsere Hände trafen sich auf kaltem Nichts und hinterließen doch Wärme.


„Nicht weit,“ flüsterte ich. „Bald daheim.“



Ich erwachte in der Kutsche.

Der Regen spannte Fäden über die Welt.

Die Dienerin nickte, als wüsste sie es.

„Nicht weit, Hoheit. Bald seid Ihr daheim.“


(Und irgendwo, hoch über dem Hof, stellt eine Hand sich auf eine Schulter, sanft; irgendwo löst eine zweite denselben Griff — ein Hauch. Der Wind tut den Rest.)


Ich erwachte in der Kutsche.

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Über den Autor

yumiko
Ich bin ein junge Schreiberin mit LRS (Lese recht scheib schwache) und möchte meine Gedanken zu Papier Bingen möchte
was schwer ist und des halb danke ich allen dir helfen meine Worte zu Papier zu Bingen.

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Gabriele 
Puhhh - liebe Yumi -
be-ein-druck-end und zunächst sprach-los
ob der Tatsache, wie du etwas in eine Geschichte
ver-packt hast, was man ansonsten schwierig erklären kann.
Glückwunsch!!
Liebe Grüße, Gabriele
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yumiko Dankeschön liebe Gabriele
Liebe Grüße yumi
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Eichenlaub Liebe Yumiko,
für Deine spannende, fantasievolle, auch traurige und in einer ganz besonderen Art geschriebenen Geschichte, habe ich mir gern die Zeit genommen. Sie fesselt einen bis zum Schluss. Daumen hoch!
Lieben Gruß
Gerlinde.
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yumiko Danke liebe Gerlinde
Liebe Grüße yumi
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Lagadere 

Tja, was soll man sagen....
Also - die Geschichte, die hier vor mir liegt, ist super!
So ziemlich das Beste, das ich in letzter Zeit hier gelesen habe.
Also noch ein: "Wow!"
Streng genommen, bin ich allerdings nur bis Seite 10, 11 oder 12 gekommen - mir fallen gerade die Augen zu; musste ja unbedingt einen Hitchcock zu Ende gucken.

Und deswegen sag ich jetzt nichts mehr und gehe ins Bett :-)

LG Uli

PS: "Bruch in der Augenbraue"....... Genial!




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yumiko Danke Uli
Liebe Grüße Yumi
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