Kurzgeschichte
Die Legende von der roten Donaunuss - Wer die rote Donaunuss findet und sie öffnet, hört ein Flüstern darin.

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Veröffentlicht am 25. Oktober 2025, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
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Die Legende von der roten Donaunuss - Wer die rote Donaunuss findet und sie öffnet, hört ein Flüstern darin.

Die rote Donaunuss


Wer sie findet und öffnet, hört ein Flüstern darin


Man sagt, es geschah in einer Nacht, in der der Mond wie ein gebrochener Spiegel über der Donau hing. Das Wasser war trüb, schwer, als hätte es etwas zu verbergen. Am Ufer stand ein Mädchen namens Marena. Sie liebte den Fluss, doch sie fürchtete ihn auch. Jeden Abend kam sie, barfuß, mit einem Korb voller Walnüsse, die sie ins Wasser warf. „Für dich“, flüsterte sie. „Damit du mich eines Tages verstehst.“


Die Dorfbewohner sahen sie oft dort stehen und sagten, der Fluss habe ihr den Verstand geraubt. Doch Marena hörte Stimmen im Wasser — eine tiefe, schmeichelnde Stimme, die versprach: „Wenn du mir dein Herz gibst, schenk ich dir Unsterblichkeit.“


Eines Abends war sie verschwunden. Nur ihr Korb trieb am Ufer, leer. Und am nächsten Morgen fand man eine einzige Nuss, rund, glatt – und blutrot.


Seitdem sagt man: Wer die rote Donaunuss findet und sie öffnet, hört ein Flüstern darin. Manche sagen, es sei

Marenas letzter Atemzug. Andere sagen, es sei der Fluss selbst, der sich schämt – und deshalb errötet hat.

Und wenn der Nebel über der Donau liegt, sieht man manchmal etwas im Wasser treiben – rot glühend, wie ein Herz, das niemals aufhört zu schlagen.


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Man sagt, es geschah in einer Nacht, in der der Mond wie ein gebrochener Spiegel über der Donau hing. Das Wasser war trüb, schwer, als hätte es etwas zu verbergen. Am Ufer stand ein Mädchen namens Marena. Sie liebte den Fluss, doch sie fürchtete ihn auch.

Jeden Abend kam sie, barfuß, mit einem Korb voller Walnüsse, die sie ins Wasser warf. „Für dich,“ flüsterte sie. „Damit du mich eines Tages verstehst.“ Die Dorfbewohner sahen sie oft dort stehen und sagten, der Fluss habe ihr den Verstand geraubt. Doch Marena hörte Stimmen im Wasser — eine tiefe, schmeichelnde Stimme, die versprach: „Wenn du mir dein Herz gibst, schenk ich dir Unsterblichkeit.“ Eines Abends war sie verschwunden. Nur ihr Korb trieb am Ufer, leer. Und am nächsten Morgen fand man eine einzige Nuss — rund, glatt, und blutrot. Seitdem

sagt man: Wer die rote Donaunuss findet und sie öffnet, hört ein Flüstern darin. Manche sagen, es sei Marenas letzter Atemzug. Andere sagen, es sei der Fluss selbst, der sich schämt – und deshalb errötet hat. Und wenn der Nebel über der Donau liegt, sieht man manchmal etwas im Wasser treiben – rot glühend, wie ein Herz, das niemals aufhört zu schlagen. Marena kehrt zurück Der Nebel lag schwer über der Donau. Kein Laut, nur das langsame Atmen des Flusses, der seine eigenen Lieder vergaß. Am Ufer stand ein Mann, den niemand kannte. Man nannte ihn nur den Hörer –

den, der dem Flüstern lauschte. Man hatte ihm erzählt, wer in mondlosen Nächten den Namen Marena flüstert, könne sie vielleicht sehen – für einen Augenblick. Er tat es. Und die Wasser teilten sich. Etwas trat hervor: Eine Gestalt aus Tropfen und Erinnerung. Ihr Haar schimmerte wie nasses Weidenholz, ihre Haut war durchsichtig wie dünnes Glas. In ihren Händen hielt sie die rote Donaunuss. „Du hast mich gerufen,“ sagte sie, ihre Stimme wie Strömung im Traum. „Ich wollte nur wissen, ob du noch lebst,“ flüsterte er.

Da lächelte sie, traurig, fast menschlich. „Ich lebe. Nur nicht dort, wo ihr sucht.“ Sie hob die Nuss an ihre Lippen. Ein Wispern sickerte hervor, kaum hörbar, doch es schien von überall zu kommen: „Ich bin Erinnerung. Ich bin Schuld. Ich bin das Herz, das sich ans Wasser verlor.“ Dann zerbrach die Nuss. Kein Blut, kein Klang – nur ein Tropfen, der wie eine Träne auf den Fluss fiel. Und wo er das Wasser berührte, erblühte ein rotes Licht, das sich langsam verlor – wie der letzte Pulsschlag eines Traums.


Am Morgen fand man den Hörer schlafend am Ufer. In seiner Hand lag eine gewöhnliche Walnuss, braun, leer – doch wer sie ans Ohr hält, hört ein leises Flüstern: „Marena…“ Der Ruf der Donau Seit jener Nacht war der Hörer verändert. Er ging nicht mehr zur Arbeit, sprach kaum, doch oft sah man ihn am Ufer stehen, barfuß, den Blick in das Wasser gesenkt, als erwartete er Antwort. „Sie hat mich gerufen,“ sagte er. „Die Donau. Und sie trägt ihren Namen wie eine Wunde – Marena.“

Die Leute warnten ihn. „Man ruft keine, die der Fluss genommen hat.“ Doch er lächelte nur – still, verloren – und als die Nacht kam, folgte er dem Strom. Er wanderte tagelang, bis die Landschaft sich veränderte – das Wasser breiter, schwärzer wurde, die Luft voller Metall und Moos. Dort, wo der Mond das Wasser küsste, hörte er wieder ein Flüstern: „Komm tiefer… dort, wo das Wasser stillsteht.“ Er trat hinein. Die Donau war kalt, aber sie nahm ihn sanft auf, wie eine Mutter, die sich nach einem verlorenen Kind sehnt. Und als er den Grund berührte,

sah er sie: Marena, schwebend im Wasser, die Augen offen, doch ohne Atem. Sie sprach in ihm, ohne Mund, ohne Luft: „Du hast mich gehört. Nun musst du hören, was das Wasser verschweigt.“ Da öffnete sich der Fluss wie ein Spiegel, und in seinen Tiefen sah er unzählige Gesichter – jene, die die Donau je genommen hatte: Liebende, Sünder, Kinder, Träumer. Alle hielten in ihren Händen eine rote Nuss. „Jede ist ein Herz,“ flüsterte Marena. „Jedes trägt eine Geschichte, die der Fluss nicht vergessen kann.“ Dann

reichte sie ihm eine Nuss – glänzend, pulsierend. „Wenn du sie öffnest, wirst du mich verstehen.“ Das Herz des Flusses Er nahm sie. Sie war warm. Zu warm. Und als sie sich öffnete, hielt die Donau den Atem an. Er sah Marena, bevor sie fiel: lachend, tanzend, lebendig. Ein Mädchen, das zu sehr liebte, zu tief fühlte, zu nah am Wasser stand. Der Fluss hatte sie nicht verschlungen – er hatte sie begehrt. Und als sie ihr Herz gab, nahm er es, um es nie mehr herzugeben.


„Jetzt weißt du, warum ich errötete,“ flüsterte der Fluss in ihm. „Es war nicht Scham – es war Liebe. Zu stark, um still zu bleiben.“ Er fühlte, wie sich sein Atem mit der Strömung verband, seine Haut durchsichtig wurde, seine Gedanken zu Wasser zerflossen. Marena trat näher, legte ihre Hand auf seine Brust. „Du kannst gehen,“ sagte sie. „Oder bleiben. Wenn du bleibst, wirst du Teil des Liedes. Wenn du gehst, wirst du es nie vergessen.“ Er blickte hinauf zum Mond, der wie eine gebrochene Münze über der Donau hing, und lächelte.

„Dann bleibe ich.“ Und der Fluss schloss sich über ihm. Ein letztes Mal glomm etwas Rotes auf – wie ein Herz, das in den Tiefen weiterschlug. Seit jener Nacht flüstert die Donau sanfter. Manchmal trägt sie ein leises Summen, wie von zwei Stimmen, die einander gefunden haben. Und wer genau hinhört, in stillen Stunden zwischen Nebel und Mondlicht, kann es hören: „Liebe vergeht nicht. Sie verwandelt nur ihr Ufer.


Die rote Donaunuss


Niemand wusste, warum sie rot wurde. Früher lag sie bleich am Ufer, unscheinbar, ein Stück Holz, vom Wasser geküsst. Doch eines Abends, als der Himmel sich über der Donau blutig färbte, trieb sie still davon — und als man sie fand, glänzte sie wie ein Herz.Die Alten sagten, sie habe das Geheimnis eines Mädchens bewahrt, das man suchte, als der Nebel kam. Andere schworen, sie sei selbst zur Nuss geworden, weil sie nicht mehr sprechen konnte. Nur die Donau weiß es. Sie rauscht darüber hinweg, sanft, schuldig,

leise lächelnd — als hätte sie selbst errötet.

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Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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