Nereiden im Mondlicht
Das gleichförmige Rauschen des Ozeans erinnert mich an den lieblichen Gesang der Meerjungfrauen aus einem Märchen meiner Kindheit. Ich betrachte die verspielten, golden leuchtenden Wellen, deren Kronen weiß aufschäumen, bevor sie den Strand erreichen. Hier muss es nur so von Nereiden wimmeln! Fast meinte ich, die sonore, mahnende Stimme Nereus zu vernehmen: „Seid nicht so ungestüm.“ Sie quittieren es mit wirrem Gekicher und Glucksen, das weit über den Strand zu mir heraufdringt.
Unaufhaltsam senkt sich die Nacht tiefer über das Wasser, und die Schaumkronen
verlieren sich im letzten Licht der untergehenden Sonne. Im nächsten Augenblick taucht der Strand in nächtliche Stille und Finsternis. Eine aufkommende Brise kräuselt die Wogen und streicht über den Sand, der zwischen meinen Zehen kitzelt. Jetzt legen sich die Meerjungfrauen auf dem sandigen Grund zum Schlafen nieder – doch leider teilt niemand diesen märchenhaften Anblick mit mir. Von fern höre ich die lebendige Stadt, doch ich genieße den Frieden der hereinbrechenden Nacht: vor mir der leise rauschende Ozean, über mir das grenzenlose Sternenzelt.
Ich erinnere mich an die Zeit, die mir schenkte, was ich mir wünschte. Damals
war ich eins mit mir und meinem Leben. Wie gerne würde ich die vergangene Leichtigkeit des Seins und diese gewaltige Leidenschaft noch einmal erleben! Ich sehne mich danach, eine Frau zu spüren, die mich mit ihrer Begierde aus der gegenwärtigen Erstarrung holt. Mein Körper lechzt nach Sex, Sinnlichkeit und der tiefen Befriedigung danach. Ich sehne mich, endlich befreit einzuschlafen! Nichts als Fantasien begleiten meine Tage und Nächte: Fata Morgana der Leidenschaft, Illusion des Cyberspace, virtuelle Realität – nichts Greifbares. Doch wünsche ich mir nichts lieber als von einer Meerjungfrau umfangen zu sein.
Das Meer liegt ruhig in der Nacht, und am Firmament ziehen die ersten Sterne ihre unsichtbaren Bahnen. Ich schließe die Augen und treibe fort in die Welt der Fantasie. Nichts um mich zerstört die Harmonie. Plötzlich fühle ich auf wundersame Weise Hände auf meiner Haut, die leibhaftige Empfindungen hinterlassen. Das kann nicht sein – ich bin allein hier! Beinahe öffne ich die Augen, doch ich fürchte, alles sei nur ein Traum. Ich wünsche mir, dass es wahr ist, und folge in Gedanken den Händen, die mich so zärtlich streicheln. Sanft fahren sie über meinen Körper, der sich sehnsüchtig entgegenrecken möchte, doch etwas hält mich zurück, sodass ich
mich nicht rühren kann. Mein Körper nimmt die Berührungen begierig auf wie ein trockener Schwamm und wird mit jedem Augenblick verlangender. Das hier mag ewig dauern! Hoffentlich hören diese Hände nicht auf, mich zu liebkosen. Sie kreisen weiter über meine Brüste, wandern über den Bauch hinab zu den Schenkeln, die sich bereitwillig öffnen. Dorthin konzentriert sich all mein Empfinden und meine Sehnsucht. Die Hände streichen weiter über meinen Leib, ohne meine steigende Erregung zu beachten. Auf einmal höre ich ein glockenhelles Lachen. Soll das etwa eine Meerjungfrau sein?
„Ach, würdest du endlich…“, denke ich
flehend, als ich jemanden fragen höre: „Gefällt es dir?“
Bevor ich antworten kann, flüstert eine andere Stimme: „Wir wollen dir nur Gutes tun. Bleibe einfach liegen.“
Was ist das für ein Film? Wo bin ich in meiner Fantasie angekommen? Wer ist es, der mir so gefühlvoll nahekommt? Die Geister, die ich rief – Thetis und Galathea. Wie viele Meerjungfrauen sind meinem Ruf gefolgt? Ich verstehe nicht, was mit mir passiert, und kann kaum glauben, was sich hier tut. Zugleich drängt es mich verlangend denen entgegen, die mich so unendlich zärtlich entflammen. Wann hat sich jemand meiner Sinne auf diese Art angenommen?
Wie lange hat mein Körper solche Berührungen entbehrt? Nun scheint wahr zu werden, worauf ich so lange gewartet habe! Mir ist alles egal – nur aufhören soll es jetzt nicht. Ich möchte die Augen öffnen, doch meine Lider sind erstarrt. Einzig lebendig werden meine Sinne, die meine Seele mit längst vergessenen Empfindungen streicheln. Alles in mir ist zum Zerreißen gespannt auf das mögliche Finale Grande.
Da entbrennt zwischen meinen Beinen ein wahres Feuerwerk, überkommt mich mit einer Vehemenz und Heftigkeit, die mich erstaunt und beglückt. Ich lasse mich fallen und genieße den orgiastischen Sturm, der sich durch
meinen Körper bis in die entlegensten Poren bahnt. Eine Ewigkeit lang bin ich gefangen im Sinnentaumel, der mich weit mehr entschädigt, als ich je erhofft hätte.
Langsam kehre ich in die Realität zurück und öffne die Augen. Der Himmel ist übersät mit Sternen, das Meer liegt friedlich in der Nacht. Von den Gönnerinnen ist weit und breit nichts zu sehen, doch über dem Wasser glaube ich, noch das helle Lachen der Nereiden zu hören. Gern würde ich mich bei ihnen für diesen Liebesdienst bedanken. Fröstelnd und noch verwirrt erhebe ich mich, gehe die Promenade hinauf zu meinem Appartement, wo ich müde und entspannt
aufs Bett falle. Bevor ich einschlafe, sehe ich die Nereiden ein letztes Mal über das Wasser tanzen – ihr Lachen erfüllt die Nacht.