Kurzgeschichte
Von der Hoffnungslosigkeit - und der Ritualisierung der Gesellschaft

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"Von der Hoffnungslosigkeit - und der Ritualisierung der Gesellschaft"
Veröffentlicht am 14. April 2024, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
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Über den Autor:

Immer hier und nie da. Oder anders herum. Es geht nie um mich, es geht um uns.
Von der Hoffnungslosigkeit - und der Ritualisierung der Gesellschaft

Von der Hoffnungslosigkeit - und der Ritualisierung der Gesellschaft

Wie angenehm muss es also sein, zu wissen, dass man sich mit seinen Freund:innen am letzten Wochenende im August verabredet hat um an das Ereignis anzuknüpfen, wo man sich wünschte, die Zeit wäre nicht vergangen und man hätte dieses Tag konservieren können. Schnell versuchte man die Rahmenbedingungen dieses damaligen Tages zu analysieren, einen Kodex zu entwickeln und verfolgte absichtsvoll die Wiederholung des Gleichen mit der Absicht, ein Ritual zu schaffen. Die Hoffnung auf eine gute Zeit katalysiert das Vorhaben und im

immerwährenden Sicherheitsbedürfnis und dem Mangel an Vorstellungskraft für Neues, wähnen wir uns in selbstgeschaffenen Mauern zu wiederkehrender Unterhaltung und der Ablenkung von uns selbst. Diese Nähe und das formulierte, wiederholungswürdige Ereignis wird zugleich zum Narrativ und erzeugt eine weiter fortschreitende Distanz von der eigenen Wirklichkeit, gar der Auseinandersetzung und Akzeptanz mit der eigenen Person. Dabei ist es unwichtig ob man sich die Mauern um einen geografischen Punkt herum baut, die Mauer sich in der

Konstellation an Menschen formuliert oder man ein stattgefundenes, sich wiederholendes Ereignis versucht, zum Usus zu erklären. Die Hoffnung auf das was da kommt nährt die Blase, in der wir leben wollen, die wir mitunter noch suchen und mit allen Mitteln versuchen zu verhindern, dass sie zerstört werden könnte. Einen Blick heraus wagen wir gern, wenn sichergestellt ist, dass wir festgehalten werden, es verhindert wird, aus ihr herauszufallen. Dabei fängt die Ritualisierung schon mit der ersten Handlung nach dem Klingeln

des Weckers an und die erste Handlung nach dem Aufstehen bedingt die zweite und so weiter. Die unbewusste Wiederholung unter gleichen Umständen zeigt viel über uns als denkende oder wahrnehmende Menschen, die Roboter- oder Nichtroboterhaftigkeit unseres Daseins und soll nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Kritik sein. Es geht vielmehr um geplante, hoffnungsvoll installierte Rituale und die Unfähigkeit, darüber hinaus zu denken, die Hoffnung nicht zu hinterfragen und in der Sicherheit und dem Glauben an das Gute per se etwas Gutes zu sehen.

Ritualisierung als Luxusgut in einer Luxusgesellschaft. Allein schon die Tatsache, die formulierten Wünsche, die nachgesprochenen Floskeln und Weisheiten nicht im persönlichen Kontext auf Wahrheitsgehalt zu überprüfen, sich blind einverstanden zu erklären mit Dingen, die anscheinend immer schon so waren und heute noch sind, fordern die Kritik heraus und decken eine kollektive Dumpfheit auf, vor deren Antlitz der Kritiker die fratzenhaften Überbleibsel von Menschen

sieht, die grundsätzlich alle die Chance haben, darüber nachdenken zu dürfen und die Distanz zu sich selbst gar nicht erst entstehen lassen zu müssen. Sie können sie überwinden, mit der Chance Neues zu erschaffen durch die Nähe zu sich selbst und der daraus resultierenden Fähigkeit, anderen Lebewesen diese Rechte zuteil werden zu lassen. Und ist denn jeder Einzelne in dieser privilegierten Wohlstandsgesellschaft, ausgestattet mit Hoffnung und der Möglichkeit zu ritualisieren, glücklich?

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RSchultz
Immer hier und nie da. Oder anders herum. Es geht nie um mich, es geht um uns.

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