Kurzgeschichte
Frühling in Paradies

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"Beitrag zur 101. Schreibparty"
Veröffentlicht am 03. April 2024, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Beitrag zur 101. Schreibparty

Frühling in Paradies

101. Schreibparty Vorgabeworte: schneiden, 

wuchern, 

Tapetenkleister, 

Astgabel, 

Storch, 

ängstlich, 

Regen, 

Reise, 

nachdenken







Frühling im Paradies „Schon wieder Frühling“, murmelt er, obwohl ihm klar ist, dass ihn niemand hört. Na gut, ER hört alles mit, aber oft nicht hin. Wie oft hat er IHM schon in den Ohren gelegen: Ein Kumpel wäre super --- Damit er sich nicht mehr so allein fühlt --- Es wäre für IHN nur ein Fingerschnipsen. Immerhin hat ER das ganze Paradies erschaffen --- Aber auf dem Ohr ist der große Meister

taub. Er seufzt, es lässt sich nicht ändern. Wenigstens ist es endlich Frühling geworden. Das wurde auch Zeit, der ewige Regen ist ihm auf die Nerven gegangen. Er beschließt ein wenig herumzuschlendern – sonst hat er leider nichts zu tun. Nach einer Weile setzt er sich unter einen wuchernden Strauch. Er bemerkt einen Storch, der dabei ist, sich sein Nest zu bauen. Taktisch klug in einer Astgabel oben im höchsten Baum weit und breit, einem Apfelbaum. Plötzlich hört er ein Geräusch. Etwas oder jemand kommt auf ihn zu. Wie dämlich – mitten durchs dichteste

Gebüsch. „Ein Wildschwein, typisch“, denkt er. Aber er irrt sich gewaltig. Vor ihm steht ein Lebewesen, das auf zwei Beinen steht, so wie er. Es gibt eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Anderen - und auch wieder nicht. Während seine Brust hart ist und angenehm flach, verunzieren zwei komische Kugeln den Oberkörper des Wesens, die ihn an Kokosnüsse erinnern. Nur sind sie nicht faserig und braun, sondern fleischfarben und glatt. Die Sitzfläche wirkt weich und ist viel zu rund. Wahrscheinlich hat das Wesen eine Gewebeschwäche. Aber das

Merkwürdigste an der Gestalt ist, dass sie dort, wo bei ihm die Flüssigkeit durch ein Rohr austritt, nur eine Vertiefung hat. „Vielleicht eine Ablaufrinne oder so“, denkt er und macht einen Schritt auf das Wesen zu. Sofort fängt es an zu schreien. „Du musst nicht ängstlich sein“, beruhigt er. „Ich bin Adam und wie heißt du?“ Abrupt hört es auf zu schreien und mustert ihn nicht uninteressiert. „Bäh, was bist du hässlich“, stellt es fest. „Du scheinst der einzige Zweibeiner weit und breit zu sein, deshalb nenn mich Eva und mach Feuer. Mir ist

kalt.“ Er hat sich damit hingetan, dass sich dieses Eva nicht abschütteln lässt. Allerdings kann er sich nur schwer damit abfinden, dass sie immerzu Regel aufstellte – aber nur für ihn. Zuerst hat er das ignoriert, aber schnell festgestellt, dass das nichts bringt, denn das Wesen Eva kann seine Stimme in unglaubliche Höhen schrauben. Reagiert er nicht, dann läuft eine Flüssigkeit aus seinen Augen und aus Evas Mund kommt ein Nerv tötendes Gejammer. Heute versucht es ihm einzureden, dass er sich zum Wasserlassen hinsetzen soll, was er entschieden ablehnt. Wieder

einmal schreit Eva los und wird immer lauter. „Verdammt, jetzt ist Ruhe, aber ein bisschen plötzlich“, ertönt SEINE Stimme. Eva schweigt auf der Stelle, eine angenehme Stille macht sich breit. „Großer Meister, ich habe dich um einen Kumpel gebeten … was ist das da?“, raunt er, die Gelegenheit nutzend. „Kumpel ist nicht“, ist die Antwort. „Du brauchst eine Frau und keinen Saufkumpanen. Eva passt hervorragend zu dir.“ „Das da???“, hilflos weist er auf Eva, die ihn wütend fixiert. „Es schreit immerzu!“ „Egal, damit wirst du fertig. Hört gut zu:

Ihr seid Mann und Weib. Deshalb sollt ihr fruchtbar sein und euch mehren.“ Hier stockt der Schöpfer. „Lasst mich nachdenken --- da war doch noch was …Ach ja, esst niemals vom Baum der Erkenntnis.“ Stille --- Er schaut Eva an – Eva schaut ihn an. „Ist ja gut und schön, aber wie geht das Mehren“, fragt Eva schließlich. „Schöne Informationen --- wer soll damit etwas anfangen?“ Die Schlange ringelt sich um eine Astgabel und schaut die beiden interessiert an. „Tipp gefällig? Das Rohr muss in die Kerbe.“ Er schaut an sich herunter. Das Rohr in die Kerbe? Wie soll das denn gehen? Das

Rohr ist extrem biegsam und die Kerbe extrem klein --- „Sollen wir das probieren?“, fragt er vorsichtig. Eva schaut ihn alarmiert an. „Auf keinen Fall!“, schreit sie mit ungeahnter Lautstärke. Die Schlange, die vor Schreck vom Baum gefallen ist, ringelte sich zusammen. „Leute, alles gut. Ich erkläre das mal mit einfachen Worten: Das Röhrchen kann eine gewisse Festigkeit erhalten, die Rinne erweitert sich immens. Ist das der Fall, verliert das Rohr eine Art Tapetenkleister. Fertig, aus, vermehrt!“ „Tapetenkleister? Ich verstehe nur Bahnhof“, ächzt Eva.

„Egal, lass es uns das probieren“, sagt er, obwohl auch er ratlos war. Sie bemühen sich redlich. Leider gelingt es ihnen nicht, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. In ihrer Verzweiflung suchen sie Rat bei der Schlange, die sich immer in ihrer Nähe aufhält. Die scheint nur darauf gewartet zu haben. Züngelnd weist sie auf den höchsten Baum weit und breit. „Seht ihr diesen Apfelbaum? Niemand würde auf die Idee kommen, auch nur ein Blättchen davon abzuschneiden, so kostbar ist er. Wie ihr seht, trägt er gerade. Wollt ihr nicht mal von den

Äpfeln probieren?“ Er tritt einen Schritt zurück. „Lieber nicht, nachher ist das verboten.“ Eva mustert ihn kühl. „ER merkt das doch gar nicht, der hat viel zu viel zu tun.“ Entschlossen pflückt sie einen Apfel ab und beißt herzhaft hinein. „Lecker, probier‘ mal. Oder traust du dich nicht, du Schisser?“ „Was solls?“ Weil er den Schisser nicht auf sich sitzen lassen will, probiert er von dem Apfel. Doch ist das? Eva erscheint ihm in einem ganz neuen Licht! Die kugelförmigen Dinger, die ihren Brustkorb zieren, findet er plötzlich richtig gut. Auch das runde Hinterteil findet er ziemlich

anziehend. Nur die Stimme --- aber egal --- Er beginnt zu schwitzen, schielt an sich herunter und staunt. Auch Eva fixiert ihn mit einem ganz neuen Blick. Scheinbar gefällt ihr was sie sieht. Auf jeden Fall stürzt sie sich auf ihn. „Los, jetzt probieren wir mal, ob das Rohr ...“ Das letzte was hört, bevor er alles um sich herum vergisst, ist ein leises Lachen. „Geht doch“, murmelt die Schlange. „Übrigens: Gute Reise ins Nirgendwo.“




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derdilettant

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FranckSezelli Das ist eine wirklich paradiesische Geschichte! Gut gefällt mir, wie DAS Eva beschrieben wird. Aber da muss Adam halt mit leben – und das in alle Ewigkeit ...

LG
Franck
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derdilettant Danke, Kumpel!
Das war Adam wahrscheinlich nicht klar ... aber er hat sich abgefunden ... ;o)
LG
Alan
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KatharinaK Der Dilettant macht seinem Namen alle Ehre - Die Po-inte !!! Die Schlange hat zumindest wieder ihre Ruhe. Geht doch. Mein Favorit.
Vorgestern - Antworten
derdilettant Danke, Katharina,
das ist allerdings eine ältere Geschichte, die ich umgearbeitet habe. (Es sei am Rande erwähnt).
LG
Alan
Heute - Antworten
HarryAltona Also ich bin ja nicht so für Obst. Und das wird wohl seinen Grund Haben.
lg... harryaltona
Vor ein paar Wochen - Antworten
derdilettant Habe eine Obst Allergie, besonders Äpfel gehen gar nicht. ;o)))
Danke
LG
Alan
Diese Woche - Antworten
Lagadere 

Lach. Das mit dem Mehren hab ich auch nie kapiert - ich hab nicht einmal einen Wellensittich, geschweige denn Kinder! :-)

Viel Glück!

LG Uli

Vor ein paar Wochen - Antworten
derdilettant Kumpel - ich stehe auch eher auf das "seid fruchtbar" ... ;o)
Aber das bleibt unter uns, bitte.
Danke
LG
Alan
Vor ein paar Wochen - Antworten
sorrynocoffee 
Nach der Aufklärung erfolgt Sturm und Drang. Gefällt mir gut. Die Vorgabewörter hast du elegant integriert.

Viel Erfolg für den Wettbewerb!

Grüßle,
sonoco
Vor ein paar Wochen - Antworten
derdilettant Danke dir.
Ist allerdings eine ältere Geschichte neu verpackt.
LG
Alan
Vor ein paar Wochen - Antworten
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