Journalismus & Glosse
Sisi von RTL+ - Kaiserschmarren zur Weihnachtszeit

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"Kurze Kritik zu verfehlten historischen Aspekten der Fernsehserie"
Veröffentlicht am 04. Januar 2024, 18 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Kurze Kritik zu verfehlten historischen Aspekten der Fernsehserie

Sisi von RTL+ - Kaiserschmarren zur Weihnachtszeit

Einleitung

Auch dieses Jahr gibt es wieder eine neue Staffel (mittlerweile die Dritte) der Sisi-Adaption von RTL zu sehen. Die Quoten sind vom besten Start einer RTL+-Produktion mittlerweile abgestürzt ("Sisi" fällt noch tiefer, auch "Die zweite Welle" enttäuscht - DWDL.de). Das verwundert auch nicht bei der geradezu hanebüchenen Entwicklung, die der Plot genommen hat. Ich habe mit die drei Staffeln über die Feiertage „angetan“ und will die auffälligsten Kritikpunkte aus historischer Perspektive einmal aufzählen. Dies erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Fehler unterteile ich hierbei in größere Kategorien, denen ich dann verschiedene

Beispiele zuordne.

Die realen Zeitabläufe werden grundlos nicht eingehalten

Zu Beginn der 3. Staffel wird der achte Geburtstag des Sohnes des Kaiserpaares, Kronprinz Rudolf, gefeiert. Die Ereignisse spielen um die Zeit der Errichtung der Gebäude für die Weltausstellung 1873 in Wien. Da die eigentlichen Arbeiten zur Errichtung erst 1871 begannen bzw. 1872 nochmal zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden mussten (Weltausstellung 1873 – Wikipedia), dürften wir uns im Jahr 1872 befinden. Rudolf wird

aber bereits am 21.8.1858 geboren (Rudolf von Österreich-Ungarn – Wikipedia). Zu seinem Geburtstag im Jahr 1872 wurde er 14 Jahre alt. Gleiches gilt für eine Szene in der zweiten Staffel, die im Zeitraum der Schlacht von Königgrätz, also am 3. Juli 1866 (Schlacht bei Königgrätz – Wikipedia). Da wird ein Baby aus der Wiege gehoben, welches der Kronprinz sein soll – der war aber schon 7 Jahre alt – muss ein Spätentwickler gewesen sein… Im Jahr 1860 wird die Kaiserin krank und erholt sich auf Madeira, kehrt zurück, wird sofort wieder krank und erholt sich auf Korfu und in verschiedenen Kurorten; 1862 ist sie dann zurück am Hof (Vocelka, Sisi, S. 40-46).

Diese Reisen hätte man in Staffel zwei zeigen müssen – davon ist nichts zu sehen. Das ist umso erstaunlicher, als dass diese Reisen der Prototyp ihrer späteren ausgedehnten Reisen wurden. Auch wird Kronprinz Rudolf mit acht Jahren in eine Militärakademie eingeführt. Richtig wäre es gewesen, wenn man gezeigt hätte, dass dem Sechsjährigen Graf Leopold Gondrecourt zur Seite gestellt wird, der den Jungen zu einem guten Soldaten erziehen sollte. Die Methoden waren sadistisch. So feuerte der Erzieher nachts Pistolen im Schlafzimmer seines Zöglings ab, ließ ihn im Schnee exerzieren oder setzte ihn nachts im Park aus (Dickinger, Habsburgs schwarze Schafe, S.

109). Das ist Drama genug, aber wahrscheinlich wollte man dies den Zusehenden nicht zumuten

Wichtige Personen fehlen oder sind grundlos an falschen Orten

Der Kaiser hatte zwei jüngere Brüder, Maximilian (später Kaiser von Mexiko) und Ludwig Viktor. Beides sind interessante Nebenfiguren. Der Erste ist überaus talentiert und ehrgeizig, wird diesen Ehrgeiz, befeuert durch seine Ehefrau, aber mit dem Leben bezahlen und der Zweite wird später als homosexueller Transvestit in den Klatschblättern auftauchen. Auch der geistig wenig rege Vater des Kaisers kommt nur einmal kurz vor. Dass die Erzherzogin Sophie

ihren Mann, den man 1848 zur Abdankung zu Gunsten seines Sohnes zwang, ihren Mann gerne vom Hof fernhielt, dem man den Beinamen „der Gütige“ gab, aber auch gerne die Attribute „Dämlichkeit“, „Debilität“ und „Schwachsinn“ (Dickinger, Habsburgs schwarze Schafe, S. 42) zuschrieb, wird auch verschwiegen. Sogar eine Tochter der Kaiserin wird unterschlagen, obwohl man das Kaiserpaar gerne beim Geschlechtsverkehr zeigt, wo man schon glauben mag, man sieht „50 Shades of Sisi“. Marie Valerie war das vierte Kind und wurde 1868 geboren (Marie Valerie von Österreich – Wikipedia). In Staffel 3, also um 1872/1873 wird ein Familienbild geschossen –

es fehlt die jüngste Tochter, die damals um die 4 Jahre alt war – Grund unklar. Ach ja, der Kaiser hat nicht in Königgrätz gekämpft, auch wenn die Serie das explizit zeigt. Zudem ist nicht klar, weshalb die Österreicher verlieren konnten, denn wenn man den Kaiser quasi als One-Man-Army reihenweise preußische Soldaten niederringen sieht, dann hat man das Gefühl, dass die Serienschöpfer offensichtlich zu viel Call of Duty gespielt haben müssen.

Es wird ein falsches Bild der Beziehung des Kaiserpaares gezeichnet

Irgendwann in der ersten Staffel darf die Darstellerin der Kaiserin in einem Nebensatz verkünden, dass ihre Kinder zu ihr gehören würden. Das ist für uns heute ein absolut nachvollziehbarer Wunsch der Mutter, aber dass die Mutter allein über die Erziehung der Kinder entscheidet, war in dieser Zeit nicht üblich (Vocelka, Sisi, S. 50) und noch dazu gab es in der Realität eine sehr spannende Auseinandersetzung hierüber. 1865 forderte dies Elisabeth vom Kaiser ein, sowie das

Recht über ihren eigenen Aufenthalt allein bestimmen zu dürfen. Ausgerechnet das erzkonservative Haus Habsburg erlaubt ihr das (Vocelka, Sisi, S. 50). Gerade solche Szenen zeigen, wie sehr Kaiser Franz Joseph seine Frau liebte, wenn er ihr Freiheiten zugestand, die keiner Frau damals gewährt worden wären? Außerdem wären die Umstände, wie es dazu kam, auch zu zeigen gewesen, nämlich die brutale Erziehung ihres Sohnes. Als die Kaiserin über Dritte erfährt, stellt sie die benannte Forderung (Vocelka, Sisi, S. 50). Die Serie zeigt ein sehr inniges Verhältnis der beiden Ehegatten, was aber nicht der historisch verbürgten Realität entspricht. Aus

den Beispielen wird deutlich, dass die Liebe in den späteren Jahren deutlich einseitig vom Kaiser allein ausgehen wird. Elisabeth wird sich in ihrer eigenen Welt verlieren. Ihr extensiver, manischer Körperkult, der sie auszehrende Sport – alles hätte man bereits zeigen müssen. Eine Szene im Turnzimmer ist die einzige Andeutung. Wo wir uns somit einen Eindruck von der historischen Akkuratesse der Serie machen konnten, gibt es hier noch einen weiteren Elefanten im Raum, den ich nicht vergessen will, anzusprechen. Die einzige intensive politische Betätigung von Sisi (anders als die Serie es suggeriert, war sie sonst nie an Regierungsgeschäften beteiligt oder

interessiert), war der Ausgleich mit Ungarn. Im Rahmen der Treffen der Delegation aus Ungarn lernte sie Gyula Andrássy kennen. Eine Affäre, anders als man zwischen den sich sympathischen und sehr schönen Menschen vermutete, ist nicht nachzuweisen und auch äußerst unwahrscheinlich (Vocelka, Sisi, S. 50). Entgegen den Forschungsergebnissen von über 100 Jahren seit dem Tod der Kaiserin, die sich in diesem Punkt einig sind, haben die beiden in der Serie mehrfach Sex. Nicht nur bei näherer Betrachtung der historischen Hintergründe, auch beim grundsätzlichen Aufbau der Serie wird deutlich, dass man hier zwar den richtigen Kosenamen der Kaiserin (Marischka hatte

bewusst zur Abgrenzung „Sissi“ mit zwei „s“ geschrieben) verwendet, aber ansonsten eher ein Wunschbild entwirft, was nur zufällig den gleichen Namen trägt. Das haben die Zusehenden offensichtlich gemerkt. Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass diese Sisi es bis zu ihrer Ermordung in Genf medial durchhält am Leben zu bleiben.

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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Apollinaris :O) ;O)
Vor ein paar Monaten - Antworten
Apollinaris Das, und dass, kommt davon:

http://www.mystorys.de/b170961-Sonstiges-Si-Sisi-zum-Sissi.htm
Vor ein paar Monaten - Antworten
RogerWright Jetzt hab ich einen Knoten im Gehirn :-0
Vor ein paar Monaten - Antworten
Apollinaris Na Bravo!

Küss die Hand.
Vor ein paar Monaten - Antworten
Apollinaris Kaiserschmarren Sisi - si. ;O)

Tröst dich mit Schneiders Romy, naja noch schlimmer, oder 'n Buch drüber lesen ...

Mädchenjahre einer Serie vielleicht! ;O)
Vor ein paar Monaten - Antworten
RogerWright Weil ich ja schon Bücher zum Thema gelesen habe, ist es ja so schlimm - zitiere ja aus zwei davon im Text.

Bei Marischka war man sich aber bewusst und wollte auch gerade, dass man ein erdachtes Idealbild zeichnet. Das ist ehrlicher als „näher dran zu sein“ aber eigentlich ganz weit weg.
Vor ein paar Monaten - Antworten
Apollinaris Einen Glücksschimmer haben wir:

ES GIBT KEIN DSDSS ( Deutschland sucht die Super Sisi ). ;O)
Vor ein paar Monaten - Antworten
Apollinaris Si - Roger! :O)
Vor ein paar Monaten - Antworten
Drehpunkt Geschichte wird eben korrigiert. und recherche kostet geld. und zuschauer haben vorlieben.
Vor ein paar Monaten - Antworten
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