Tödliches Dorfleben
»Da Sie nicht von hier sind, können Sie das nicht wissen, das ist bei uns im Dorf doch normal«, entgegnete der Gruber Hans dem Kriminalbeamten. »Was ist normal? Dass vor der WC-Tür ein Toter liegt?«, fragte Inspektor Frank etwas ungehalten. Karl, der Wirt, der soeben die Gaststube geschlossen hatte, stellte sich wieder hinter die Budel, wo auch seine Kellnerin Fanny sich aufhielt. Musste ausgerechnet in seinem Gasthaus ein Mord geschehen, und dann noch ein Stammgast? Der Kriminalbeamte blickte in die Runde der Anwesenden, die zur Tatzeit hier waren. »So kommen wir
nicht weiter, entweder ihr sprecht jetzt oder ich nehme euch alle mit aufs Präsidium, also wie war das, was ist geschehen?« »Wie jede Woche trafen wir uns zum Kartenspielen. Wir drei sind hier gesessen, als der Schurl reinkam«, erzählte Rainer. »Ja genau, grinst hat er wie ein Schmalzbrot, mit einem Papierl hat er herumgefuchtelt, dabei hat er gesagt, er hätte einen Sechser«, ergänzte Werner. »Und weiter«, Frank sah zu Hans. »Und nichts«, antwortete Hans. »Wie? Und nichts?«, hakte Frank nach. »Na der Schurl ist schnurstracks zum Häusel gegangen.« Frank senkte seinen Blick und schüttelte den Kopf. »Was ereignete sich dann?« »Ich hab nichts
mitkriegt, ich bin zum Rauchen auf die Terrasse gegangen, und ein wenig unterm Nussbaum gesessen«, erklärte Hans. »Ich bin vor die Tür und hab mein Weiberl angerufen, um ihr zu sagen, dass es ein bisserl später wird«, erzählte Rainer dem Beamten. »Und Sie, Werner?«. Der stand behäbig auf und brachte umständlich seine Kleidung in Ordnung. »Ich, ich war beim Traktor im Hof, um mir meine Brille zu holen, ich wollte sehen, welches Papierl der Schurl da in der Hand hielt.« »Sie fahren mit dem Traktor zur Gastwirtschaft?« »Klar, denn Traktorfahrer werden kaum von der Polizei aufgehalten. Ist ja für uns quasi ein Dienstfahrzeug.« »Wer kann das
bezeugen, war sonst jemand in der Gaststube?« »Nein niemand, nur ein junges Pärchen saß beim letzten Tisch in der Ecke. Die waren fremd und sprachen mit Akzent«, sagte der Wirt. »Die haben auch Schurl leblos gefunden«, fügte Hans hinzu. »Die beiden sind unmittelbar danach verschwunden«, sagte Karl. »Ja, genau, so war es«, bestätigte Werner. »Ob die beiden mit dem Fall etwas zu tun haben?«, mutmaßte Rainer. »Das glaub ich nicht, denn der Täter muss sich ausgekannt haben«, sagte Frank. Erstaunt blickten alle zu dem Kriminalbeamten. Karl wurde blass im Gesicht. »Soll das heißen, dass Sie mich verdächtigen?«, fragte Karl mit zitternder Stimme.
»Könnte man denken, da die drei ein Alibi haben.« »Wo war Fanny?«, fragte Werner. »Jetzt sag doch was, Hans.« Fannys Stimme überschlug sich. »Sie war mit mir draußen«, Hans deutete mit der offenen Hand zur Kellnerin. »Was meinen Sie, dass sich der Täter ausgekannt hat?«, fragte Werner den Kriminalbeamten. »Na ja, Schurl wurde mit einem Holzstaffel erschlagen, demnach war dem Täter bekannt, dass sich solche in dem Schuppen neben der WC-Anlage befinden. Einem Fremden wäre es fast unmöglich gewesen, so ein Mordwerkzeug so schnell ausfindig zu machen. Erstaunlicherweise wurde bei dem Toten weder ein Wettschein noch
sonst ein Stück Papier gefunden. Das bedeutet, der Täter hat es an sich genommen. Also, wenn Hans und Fanny draußen waren und Rainer nachweislich telefonierte, dann bleibt noch ...« »Armer Schurl. Ich wollte das nicht. Es überkam mich. Es war eine Kurzschlusshandlung. Schurl wollte einen Spaß mit uns machen.« Werner zog aus seiner Hemdtasche einen wertlosen Totoschein. Mit nur sechs Richtigen.