Kurzgeschichte
Jovanda

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"Jovanda"
Veröffentlicht am 11. September 2023, 34 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Ulrich Seegschütz/Pixabay
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Jovanda

Jovanda



INHALT




Seufzend nimmt Florian Kleinschmidt, Vertreter für Landmaschinen, nach einer Autopanne die Straße unter die Füße, um in die nächste Ortschaft zu gelangen. Als er erschöpft am Wegesrand Rast macht und einschläft, wird er von einer älteren Frau geweckt, die ihm ihre Hilfe anbietet. Erfreut und bereitwillig folgt Florian der freundlichen Frau in ihr Häuschen im Wald...

Ich war gerade auf der Landstraße unterwegs zu einem Kunden, freute mich auf einen lukrativen Geschäftsabschluss und genoss das herrliche Sommerwetter. Ich hatte die Straße für mich allein, fuhr wegen meiner guten Stimmung auch schon mal Slalom um die Fahrbahn-markierungen und sang laut zu "Dancing Queen" mit. Bis zum nächsten Dorf waren es noch ungefähr dreißig Kilo-meter und ich ließ mir Zeit, weil ich nicht zur Mittagszeit eintreffen und stören wollte.

Ich hing so den Gedanken an meine Frau nach, die ich Mitte der 70er Jahre, als Abba Hochkonjunktur hatte, kennenge-lernt hatte. So schnell wie möglich hatte

ich sie geheiratet, bevor ein anderer sie mir wegschnappen konnte.


Hätte ich gewusst, welch sonderbaren Ereignisse mir an diesem Tag noch bevorstanden - ich hätte gebetet, statt zu singen! Das Verhängnis nahm seinen Lauf, als ich gerade den Refrain lauthals mitgrölte und gut gelaunt die weißen Fahrbahnmarkierungen umkurvte. Ein lautes, widerlich kratzendes Geräusch, das so gar nicht zu dem schönen Wetter, der saftig grünen Natur und meiner guten Stimmung passte, ließ mich zusammen-fahren. Erschrocken richtete ich mich auf, schaltete in den Leerlauf und ließ den Wagen auf dem Randstreifen

aus-rollen. Der Motor hatte sich selbst ausgeschaltet. Da er schon über zwei-hunderttausend Kilometer "auf dem Buckel" hatte, befürchtete ich das Schlimmste, als ich die Haube öffnete und mit einem Fragezeichen im Gesicht in den Motorraum schaute. Viel zu sehen gab es eigentlich nicht. Etwas schwarzer Speichel tropfte traurig aus dem Motor-block und färbte das grüne Gras auf dem Randstreifen dunkel.

Nach einem längeren, intensiven Blick lautete meine Diagnose: Tod durch Kolbenfresser. Ich war etwas traurig, weil der Sechszylinder mich nie im Stich gelassen hatte. Am liebsten hätte ich ihn vor Ort begraben. Auf dem kleinen Hügel

rechter Hand, von wo aus er einen schönen Blick auf die Straße gehabt hätte.

Den Griff zum Handy hätte ich mir sparen können. Kein Netz. Da ich ohne-hin gerade in Beerdigungsstimmung war, überlegte ich kurz, ob ich das kleine, nutzlose Gerät gegen einen Baum werfen sollte. Tod durch Weitwurf. Ich lachte kurz auf. Das Handy konnte nichts dafür; damals war das Mobilfunk-Netz noch nicht flächendeckend ausgebaut. Aber irgendetwas in tausend kleinen Stück-chen auseinanderbrechen zu sehen, hätte mir vielleicht gut getan.

Seufzend steckte ich es ein, schlug die Motorhaube zu, nahm meine Anzugjacke

aus dem Wagen, alle Papiere und ver-schloss das alte Auto, das nie wieder selbständig fahren würde, und machte mich auf den Weg zu der kleinen Ort-schaft, die ich zuletzt passiert hatte. Ich schätzte die Entfernung auf etwas mehr als zwanzig Kilometer und hoffte instän-dig, dass während meines Fußmarsches ein Auto oder Trecker vorbeikommen würde.

In der ersten Stunde ging ich noch recht flott. Dann machten sich die heiße Mit-tagssonne und die Tatsache, dass ich zumeist im Auto saß und keinen Sport trieb, bemerkbar. Ich schimpfte mit mir. "Komm schon! Du bist erst Mitte dreißig! Hab dich nicht so!"

Ich nahm meine Krawatte ab, hängte sie über die Schulter, krempelte grimmig die Ärmel hoch und schritt tapfer weiter.


Nach einer weiteren Stunde war ich immer noch Mitte dreißig und völlig erledigt. Die Sonne brannte, ich hatte Durst und die Schuhe drückten. Etwas abseits der Straße standen ein paar Bäume, und ich beschloss, eine Pause einzulegen. Zunächst lehnte ich mich gegen einen Stamm und streckte erleichtert grunzend die Beine aus.

Nach ein paar Minuten knüllte ich meine Jacke zu einem Knäuel zusammen und legte mich in den Schatten, die Jacke als Kopfkissen benutzend. Kurz darauf

schlief ich ein.



Meine Frau ruckelte mich wach. Ich hatte wohl den Wecker über-hört. Ich murmelte irgendetwas von "in Ruhe lassen" und drehte mich auf die andere Seite. Als das Schütteln nicht nachließ, schlug ich die Augen auf und erschrak fürchterlich! Statt in das liebe Gesicht meiner Frau, blickte ich in grüne, funkelnde Augen, die zu einem völlig fremden Gesicht gehörten! Schlagartig fiel mir wieder ein, wo ich war und wie ich dorthin gekommen war. Die alte Frau, die gebückt über mir stand, hörte mit dem lästigen Schütteln auf. Mein Blick

rutsche von ihren Augen hinab über ihr Kinn und landete in ihrem Ausschnitt. Ein üppiger Busen, der eigentlich nicht zu ihrer schlanken Gestalt passte, quoll aus ihrem Mieder.

Die alte Dame, die bemerkt hatte, wo ich hinsah, erhob sich schnell und richtete ihrer Kleider. Auch ich stand auf und klopfte mir Grashalme und Schmutz von der Hose. Die Frau, die ungefähr doppelt so alt war wie ich, lächelte mich an und gab dabei ein erstaunlich gut erhaltenes Gebiss frei. "Ich bin Frau Jovanda, oder einfach: Jovanda. Ich wohne nicht weit von hier. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so unsanft geweckt habe; ich wollte nur

fragen, ob ich helfen kann." Ich lächelte zurück, stellte mich mit Florian Klein-schmidt vor und erzählte ihr von der Autopanne. "Und ja - ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie mir weiterhelfen könnten. Haben Sie ein Telefon?" In ihrem Gesicht erschien ein bekümmerter Ausdruck. "Leider nicht. Ich lebe sehr bescheiden und zurück-gezogen. Aber ich hab ein kleines, altes Auto, damit könnte ich Sie morgen früh in den nächsten Ort bringen. Es wird bald dunkel und das Licht funktioniert nicht mehr richtig." "Könnte ich dann bei Ihnen übernachten? Ich wäre Ihnen wirk-lich sehr dankbar!" Sie lächelte erfreut. "Aber ja, natürlich. Es wird Ihnen

gefallen! Während Sie ein heißes Bad nehmen, koche ich Ihnen etwas Leckeres, ja?" Sie klatschte in die Hände. "Ach ja, das wäre schön!" Etwas überrascht von ihrem Gefühlsausbruch, nickte ich zustimmend, klaubte Krawatte und Jacke vom Boden auf und antwortete: "Okay! Worauf warten wir?", und lachte.

Sie kicherte, nahm meine Hand und führte mich durch die Bäume, die zunehmend dichter standen. "Wohnen Sie im Wald?", fragte ich erstaunt. "Ja!", rief sie fröhlich. "Kommen Sie, wir sind bald da!" Sie lief vor mir her und sprang erstaunlich behände über Äste und Wurzeln. Ich hatte Mühe, ihr zu folgen und wunderte mich über ihren festen

Griff. Nach ungefähr einer Stunde - ich hatte jegliche Orientierung verloren - liefen wir immer noch durch den Wald, der inzwischen immer dichter und dunkler geworden war. "Sind wir nicht bald da?", fragte ich erschöpft. "Doch! Doch! Doch!", rief die alte Dame, die nicht einmal erkennbar schwerer atmete. "Gleich! Gleich sind wir da!"


Und wirklich: Nachdem wir einen kleinen Teich auf einer Lichtung umrundet hatten, gelangte wir an ein verträumtes, altes Häuschen, das einen sehr soliden Eindruck machte. Soweit ich das beurteilen konnte, denn mittlerweile war es ziemlich dunkel geworden.

Während Jovanda sich nach dem Schlüssel streckte, der oberhalb der Tür in einer Nische ruhte, atmete ich erst ein paar Mal tief durch und war auch etwas erleichtert, denn mit der Zeit waren mir leise Zweifel gekommen, ob das Haus überhaupt existierte. Und, wenn ich ehrlich war, kam mir die alte Dame auch nicht ganz geheuer vor. Aber die Gedanken an ein heißes Bad und das in Aussicht gestellte Abendessen vertrieben meine Zweifel und ich folgte der Frau neugierig in den Küchenbereich des geräumigen Wohnraums.

Meine Gastgeberin zündete ein paar Lampen und einen kleinen Kamin an, so dass sich bald ein paar einfache Möbel

und ein Gemälde, das über dem Kamin hing, aus der Dunkelheit schälten. Das Bild zeigte eine wunderschöne, junge Dame mit langen blonden Haaren. Ich pfiff beeindruckt und bemerkte: "He! Wer ist denn diese Schönheit?" Frau Jovanda sah mich missbilligend an, stellte sich unter das Bild und nahm die gleiche Pose wie das Modell an. "Erkennen Sie es nicht?" Ich begriff sofort und log: "Aber natürlich!", ich lachte. "Ich wollte Sie nur etwas auf den Arm nehmen!" Sie drehte sich geschmeichelt um die eigene Achse und flötete: "So viele Jahre - und ich wiege kaum ein Gramm mehr!" Ich nickte anerkennend und sah ihr lächelnd

hinterher, denn sie war schon mit einem Eimer nach draußen gehuscht, um Wasser zu holen. Immer noch grinsend, schnappte ich mir auch einen Eimer, und nach und nach nahm mein heißes Bad Gestalt an.


Später, als ich mit geschlossenen Augen in einer uralten Zinkbadewanne die dampfende, nach irgendwelchen Kräutern riechende Wärme in mich aufnahm, hörte ich Jovanda nebenan in der Küche fröhlich vor sich hin singen, während sie kochte. Wenn ich sie richtig verstanden hatte, würde es so etwas wie Kaninchen-Eintopf geben, gekocht in einem großen Kessel, der über dem Kaminfeuer

schaukelte. Dazu Wein und selbstge-backenes Brot. Wenn ich mit den Gedanken nicht so oft bei meiner Frau gewesen wäre, die sich bestimmt zu Tode ängstigte, weil ich nicht nach Hause gekommen war, hätte ich mich rundum wohl gefühlt.


Da ich nicht direkt nach dem Baden in meinen Anzug schlüpfen wollte, wickelte ich mich in eine große Decke und ließ mich in der Küche vor dem Kamin nieder. Jovanda sah kurz zu mir herüber, lächele und rief: "Essen ist bald fertig!" Ich nickte nur lächelnd zurück und sah wieder in die Flammen. Eine tiefe Ruhe erfüllte mich. Etwas später betrachtete

ich aufmerksam das Gemälde über dem Kamin. Ja, kein Zweifel, die grünen Augen, die ihr Strahlen nicht verloren hatten, der üppige Busen, der schon damals nicht zu der zierlichen Gestalt passen wollte, die hohen Wangen-knochen, die vollen Lippen, das schmale Kinn - ich ärgerte mich etwas über mich selbst, dass ich sie nicht gleich erkannt hatte.


Das Essen war phantastisch! Bei dem flackernden Kaminfeuer war es nicht genau auszumachen, aber ich glaube, Jovanda wurde rot unter meinem Kompliment. Sie hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, und nach dem dritten

Glas Wein merkte ich, wie mir die Augen schwer wurden. Jovanda lachte. "Zeit, ins Bett zu gehen! - Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Schlafzimmer!" Mehr schlafend, als wach, folgte ich ihr eine kleine Holztreppe hinauf in ein gemüt-liches Zimmer, das von einem riesigen Bett beherrscht wurde. Die vielen weichen Kissen und das bauschige Federbett riefen förmlich nach mir, und ich schaffte es gerade noch, mich auszuziehen - dann fiel ich ins Bett und war fast auf der Stelle eingeschlafen. Dass Jovanda leise die Tür hinter sich schloss, nahm ich schon nicht mehr wahr.


Irgendwann wurde ich wach. Ich lag auf

der rechten Seite. Mit Blick zu dem großen Fenster, durch das etwas Mondlicht sickerte. Ein paar der vielen Sterne funkelten um die Wette, und ich wollte gerade wieder die Augen schließen, als ich plötzlich das Gefühl hatte, nicht alleine zu sein. Ich drehte mich auf die linke Seite und erschrak! Jovanda saß, nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet, auf der Bettkante und sah mich lächelnd an. Ihr schlanker Körper war deutlich zu sehen. Das fahle Mondlicht milderte die Falten in ihrem Gesicht und deutete die Fülle ihres Haares an, das sie nun offen trug.


"Jovanda!", entfuhr es mir. "Sitzen Sie

schon lange da?" "Noch nicht lange," lächelte sie. "Warum sind Sie nicht richtig ange-zogen? Man kann ja alles sehen!" "Gefalle ich dir nicht?" Sie lächelte noch mehr und legte den Kopf schief. "Jovanda! Ich bin ein verheirateter Mann.....“. Ihr Lächeln erfror. Nach einer Weile setzte sie an: "Flo....ich ...." "Ja?", hakte ich nach. "Sieh mal. Ich .... ich war schon seit langem nicht mehr mit einem Mann zusammen. - So viele Jahre." "Jo - ich bin dir wirklich sehr dankbar für alles, aber das geht nicht! Ich KANN nicht! Es käme mir vor wie......ja, wie Verrat an meiner Frau. Verstehst du das?"

Jovanda betrachtete mich eine Weile nachdenklich. Dann wechselte sie die Taktik. "Wir sind hier mitten im Wald. Wenn du in die falsche Richtung gehst, kann es Wochen dauern, bis du auf einen Menschen triffst." Ihr Gesicht bekam einen lauernden Ausdruck. Ich war verblüfft! Damit hatte ich nicht gerechnet. "Dann gibt es wohl auch kein Auto?", stellte ich fest. Sie schüttelte langsam den Kopf. "So weit würdest du gehen? - Erpressung?" Ich konnte es nicht fassen. Jovanda rückte etwas näher, nahm meine Hand und führte sie zu ihrer Brust. "Bitte....lass mich nicht betteln ..... .es ist vielleicht die letzte Gelegenheit für mich.....und ich möchte

es doch so gerne!" Ich zog meine Hand nicht weg. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Bevor ich etwas sagen oder tun konnte, hatte sie meine Hand in ihren Schoß geführt und an sich gedrückt. Sie schloss seufzend die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Fasziniert beobachtete ich, wie Jovanda ihre linke Hand unter die Decke schob und begann, mit meinem Körper zu reden. Als er antwortete, flüsterte sie: „Verzeih mir bitte das mit der Erpres-sung. Das war dumm. Vergiss es einfach.“ Meine Hand leicht bewegend und noch fester an sich drückend, beugte sich Jovanda vor, bis ihre langen Haare mein Gesicht berührten. Ganz langsam

näherte sich ihr Gesicht. Ich wehrte mich nicht, als sie mich küsste. Sie roch und schmeckte überraschend gut. Mit einer raschen Bewegung verschwand ihr Nachthemd. Kurz darauf streichelte und küsste sie mich überall. Mit einer zärtlichen Sanftheit, die mich über-raschte. Ich schloss die Augen und wehrte sie nicht ab. Mit einer Mischung aus Ablehnung, Neugier und Lust ließ ich es zu, dass sie sich langsam über mich schob.

Wir bewegten uns kaum. Jovandas Busen ruhte sonderbar kühl auf meiner Brust. Sie sah mich wortlos an. Ihre Augen schimmerten verdächtig. Sie weinte! Ich weiß, es klingt verrückt, aber in

diesem Moment empfand ich so etwas wie Liebe für sie. Vielleicht war es auch nur das anerzogene Gefühl, "Liebe machen" mit Liebe gleichzusetzen - jedenfalls strich ich ihr zärtlich über den Kopf, umfasste ihre Schultern und drückte sie ganz fest an mich.

So lagen wir lange eng umschlungen da. Obwohl es mir schwer fiel, mich zu beherrschen, rührte ich mich kaum und überließ Jovanda die Initiative. Mit kaum merklichen Bewegungen schob sie mal ihr Becken vor und zurück, mal kreiste sie mit der Hüfte - als ob sie einer leisen Melodie folgte, die nur sie selber hörte. Als es schließlich, nach einer Ewigkeit, dem Ende zuging, hielt sie inne, sah mir

ernst in die Augen und nickte mehrmals leicht mit dem Kopf. Ich sah ihr eben-falls eine Weile stumm in die Augen und nickte dann auch.



Als ich aufwachte, war ich allein. Es war bereits helllichter Tag. Langsam und nachdenklich zog ich mich an, stieg vorsichtig die kleine Treppe hinunter, um mir an den niedrigen Balken nicht den Kopf zu stoßen und betrat die Küche. Jovanda saß vor dem Kamin und schaute in die Flammen. Mir fiel sofort auf, dass das Gemälde nicht mehr da war. Ich setzte mich zu ihr und nahm sie wortlos in den Arm. Sie lehnte ihren

Kopf an meine Schulter und weinte. Mit einer türkisfarbenen Flamme verbrannte der Rest der Leinwand. Das Bild ihrer Jugend war nun für immer fort. Jovanda hob den Kopf, sah mich mit feuchten Augen an und flüsterte: "Dieses Älterwerden......es tut so verdammt weh...." Wortlos drückte ich sie noch fester an mich und streichelte über ihre Haare.

Ich weiß nicht mehr, wie lange wir dort so saßen. Irgendwann wischte sich Jovanda die Tränen aus den Augen, drehte sich zu mir und sah mich dankbar an: "Du musst bald gehen. Nach dem Frühstück zeige dir den Weg." Sie trug immer noch das dünne

Nachthemd, das unter der Brust so geschickt genäht war, dass es der Schwerkraft ein Schnippchen schlug. Langsam und zärtlich folgte meine Hand meinem Blick, streichelte sanft ihre Brüste und deutete an, dass ich mir den Abschied etwas anders vorstellte. Überrascht riss Jovanda ihre Augen auf. „Du begehrst mich ja wirklich!?“, entfuhr es ihr. „Ja“, lächelte ich zurück und zog sie an mich. Zwischen zwei Küssen flüsterte sie: „Du, ich möchte jetzt nicht“. Sie lächelte und ergänzte: „Aber es führen viele Wege nach Rom.....“


Später schritten wir wieder gemeinsam durch den Wald; ich mit weichen Knien und sie mit frisch geputzten Zähnen....


Jovanda führte mich zu einer kleinen Anhöhe. "Von hier aus kannst du den Ort sehen. In längstens zwei Stunden bist du dort." Ich schirmte die Augen mit der Hand ab, um gegen die Sonne besser sehen zu können und war überrascht, wie nah wir dem Dorf waren. Zum Abschied umarmte ich Jovanda, zog sie fest an mich und küsste sie ein letztes Mal. „Wie sehen uns wieder, ja?“

„Sicher“, entgegnete sie lahm. Ein feuchtes Schimmern in ihren Augen

verriet, was sie wirklich meinte. „Nein, im Ernst, wenn du willst, komme ich bald wieder“, ich machte eine Pause und fügte lachend hinzu: „Ich weiß nur nicht, wie! Das Haus werde ich jedenfalls ohne Hilfe nicht wiederfinden!“ Jovanda warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Nein, sicher nicht! - Pass auf: an den kommenden Sonntagen findest du mich dort, wo ich dich gestern schlafend angetroffen habe, zur gleichen Uhrzeit, okay?“ „Okay“, lächelte ich, nahm ihr strahlendes Gesicht in beide Hände und küsste sie ein allerletztes Mal.


Nur wenige Stunden später hatte mein

„normales“ Leben mich wieder. Es gab viel zu tun: Mein Kunde musste darüber in Kenntnis gesetzt werden, was mir zugestoßen war, das alte Auto musste abgeholt und verschrottet und ein neues angeschafft werden. Und vor allem musste ich mir über das „Problem Jovanda“ klar werden. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich arbeitete sämtliche gängigen Klischees ab, die es über Beziehungen dieser Art gab, betrachtete den bisherigen Verlauf meines Lebens, den zukünftigen und …..... drehte mich im Kreis. Immer wieder drängte sich Jovandas Lächeln in meine Überlegungen und so kam es, dass ich mich zu keiner Entscheidung

durchringen konnte.

Und so verging die Zeit und während ich zu keinem Entschluss kam, begann Jovandas Bild zu verblassen.

Bis es ganz verschwunden war.


© Ulrich Seegschütz 2012

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