Kurzgeschichte
MORGENS UM VIER - Komische kleine Geschichte

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"MORGENS UM VIER - Komische kleine Geschichte"
Veröffentlicht am 16. April 2023, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
MORGENS UM VIER - Komische kleine Geschichte

MORGENS UM VIER - Komische kleine Geschichte

Titel

MORGENS UM VIER

Morgens um vier. Fast hast du diese Nacht überlebt. Die schummrige Bar ist fast verlassen. Nur noch eine müde Truppe aus Handelsvertretern hält vor dem billigen Plüsch die Stellung, ihre Gläser so leer wie ihre Augen; ihre Herzen so kalt wie der Drink der da auf dich wartet. Du kippst ihn runter, bestellst bei der falschen Rothaarigen hinter der Theke gleich noch einen. Sie

lächelt, reine Routine, und langt nach der Flasche. „Und noch n Kaffee.“ Bestellst du. Alkohol, Koffein und Nikotin. Das hat dich schon über so manche Nacht hinweg geholfen. Ein sicheres Rezept. Dazu noch ein guter Song aus der Music – Box, und die ganze kaputte Welt da draußen kann dir für immer gestohlen bleiben. Jawoll, meine Herr ´n! Du schlenderst zur Musikmaschine. Was soll ´s denn nu sein? Die Stones? Etwas von Dylan? Oder doch lieber Marianne Rosenberg? Nee... alles nix für diese Nacht. In dieser Nacht muss es etwas wirklich großes sein; etwas Epochales, etwas Gewaltiges das dieser Nacht

würdig ist. Einfach ein bisschen guter Jazz: Miles Davis – Kind of Blue. Das ist es! Du drückst die Tasten. Und als du Richtung Hocker gleitest erklingen sanft die ersten Akkorde von „So What.“ Du schnippst mit den Fingern, wippst mit dem Fuß. Grandios. Du atmest den nächsten Schnaps weg. Grandios. Was könnte besser sein in dieser Nacht? Sicher nicht diese schlappen Vertreter da vor dem Plüsch. Du schaust sie genau an. Ihre billigen Anzüge glänzen speckig, die Absätze ihrer Schuhe schön schief gelatscht. Erbärmlicher Anblick. Aber verständlich. Es sind harte Zeiten da draußen. Die Geschäfte gehen schlecht. Jeder Cent

wird dreimal umgedreht. Jede Ausgabe muss wohl durchdacht werden. Ist noch genug in der Kasse für die Miete? Die Stromrechnung? Benzin? Und erst die Lebensmittel! Seit Jahrzehnten war die Inflation nicht mehr so hoch. Da schrumpfen die knappen Ersparnisse wie nix. Man sucht sich Nebenjobs, arbeitet schwarz wenn ´s sein muss. Doch das macht die Kasse auch nicht voll. Verzweiflung macht sich breit. Der gemeine Lohnempfänger sieht kein Licht mehr am Ende des berühmten Tunnels. Selbst die einstmals gut betuchten Sorglosen sind betroffen. Alle Hoffnung auf bessere Zeiten verfliegen wie die Versprechungen der Leute, die diesen

Schlamassel erst angerichtet haben, und jetzt davon profitieren wollen. Da kann man schon mal ans Aufgeben denken. Den großen Abgang wagen. All dem demütigenden Winseln nach Entlastung entkommen. Schluss machen mit dem ewigen hoffen auf bessere Zeiten. Und zwar endgültig. Da kann man auf sonderbar makabre Ideen kommen: Rattengift schmeckt auf einmal lecker, Frontalzusammenstöße auf der Autobahn verlieren ihren Schrecken, der Schritt ins Leere von Hochhausdächern wirkt äußerst verlockend, und sich von einem D – Zug überrollen zu lassen wird zum verlockenden Ziel. Sich selbst an die Zimmerdecke hängen verstößt nicht

länger gegen den guten Geschmack eines schöngeistigen Innenarchitekten. Grandiose Zeiten! Die Selbstmordrate in Deutschland liegt seit drei Jahren konstant bei knapp Zehntausend in zwölf Monaten. Eine gravierende Abnahme ist nicht in Sicht, es ist eher mit einer weiteren Zunahme zu rechnen. Grandiose Zeiten, denkst du, und gönnst dir noch einen Drink. Zumindest für dich, den örtlichen Bestatter. Seit Wochen läuft dein Geschäft auf Hochtouren, erst gestern waren es fünf Glückliche die du auf den letzten Weg geschickt hast. Und ein Ende ist nicht

abzusehen. Da braucht man schon mal eine kurze Pause, eine durchzechte Nacht in ungestörter Umgebung ist genau das richtige. Prost! Am Himmel zeigt sich das erste schwache Morgenrot, eine entferntes Glockenläuten begrüßt den neuen Tag. Es wird Zeit für dich zu gehen. Die Toten warten schon...




Text: harryaltona (2023)

Cover: Pixabay



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HarryAltona
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Tetris Bestatter ist auch nicht mehr was es war. Heute in den Nachrichten gehört, dass auch dieses Geschäft rückläufig ist. Die Leute wollen ihre lieben Verstorbenen so kostengünstig wie möglich in die Urne bringen.
Aber was solls, lass uns lieber noch nen Schnaps ...
Super Miljö Studien betrieben!
Gruß
Tetris
Vor ein paar Wochen - Antworten
HarryAltona Yo, denn auch in diesem Gewerk wird nicht an Vorschriften, Normen, Tätigkeitsnachweisen usw. nicht gespart. Wir regeln uns zu Tode. Aber auch das wird geregelt.
Tausend Dank, Tetris!!!
Auch für Abo und Favo. Bin sicher du findest noch einiges Lesenswertes in meinem kleinen Album.
lg... harryaltona
Vor ein paar Wochen - Antworten
Brubeckfan Wenigstens einer mit intakter Lieferkette und mit stolzen Gebühren. Aber einen gesunden Schlaf hat er nicht, ätsch.
Harry, man sollte Dich Chandler nennen. Oder Bogie. Oder Widmark.
Viele Grüße!
Gerd
Vergangenes Jahr - Antworten
HarryAltona Nee Danke, mir reicht Harry vollkommen. Doch gesunden Schlaf könnte ich brauchen.
Tausend Dank, Gerd!!!
lg... harryaltona
Vergangenes Jahr - Antworten
baesta Ja, lieber Harry, da hast Du wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen mit Deiner bitteren Satire.
LG Bärbel
Vergangenes Jahr - Antworten
HarryAltona Tausend Dank, Bärbel!!!
lg... harryaltona
Vergangenes Jahr - Antworten
Bleistift 
"MORGENS UM VIER - komische kleine Geschichte..."

Ja, das ist wahrlich eine komische kleine Geschichte, mein Freund... :-)))
In der Tat, denn früher hieß der 'gemeine Lohnempfänger'
noch Otto-Normal-Verbraucher und Ärzte waren auch Frauen,
ebenso wie Lehrer, Forscher und Polizisten...
Und während überall in der Welt immer mehr Dreckspotentaten
die Ewigkeit ihrer Macht für sich in Anspruch nehmen, bekommt die Ex-Kanzlerin für ihr Jahrzehntelanges Durchschlafen und Wegsehen den höchsten Orden,
den dieses Deutschland je zu vergeben hatte...
Wen also wundert's da, dass wenigstens die Bestatter noch Hochkonjunktur haben...
Und das, mein Freund, das ist in der Tat, wirklich komisch... ...smile*
Liebe Grüße zu Dir nach Wedel an die platte Nordseeküste,
aus dem nasskalten und politisch vereisten...ähmm... aprilfrischen Berlin... ...smile*
Louis :-)


Vergangenes Jahr - Antworten
HarryAltona hahahaha... Aprilfrisch? Wohl eher olle Kamellen mit neuer Schlagsahne. Und Orden bekommt hier jeder - zumindest in der Karnevalszeit. Die ja bekanntlich ewig währt.
Und es wird immer jemanden geben, der aus anderer Leute Miseren Profit schlagen. Warum nicht auch mal die Bestatter+inneninnen!!!
Tausend Dank, Louis!!!
lg... harryaltona
Vergangenes Jahr - Antworten
FLEURdelaCOEUR Mann, das ist aber wirklich makaber!
Nichtsdestotrotz ...
LG fleur
Vergangenes Jahr - Antworten
HarryAltona Stimmt, aber wir leben in einer makabren Welt.
Tausend Dank, fleur!!!
lg... harryaltona
Vergangenes Jahr - Antworten
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