Krimis & Thriller
Don't leave me alone

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"Peter Parker kann nicht mehr. Erst verlor er seinen Onkel Ben und jetzt, wenig später, starb seine T"
Veröffentlicht am 08. Oktober 2022, 64 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
© Umschlag Bildmaterial: Don't leave me alone
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Peter Parker kann nicht mehr. Erst verlor er seinen Onkel Ben und jetzt, wenig später, starb seine T

Don't leave me alone

Kapitel I

Peter Kannst du mir einen Gefallen tun? Schließ deine Augen, atme tief durch und jetzt stell dir all die Menschen, die du über alles liebst, bildlich vor. Präge dir das Lachen deiner Freunde und die aufmunternden Worte deiner Familie gut ein - so gut, dass du sie beinahe wirklich hören könntest. Halt die Szene vor deinen Augen fest, wie du inmitten all dieser Menschen stehst, glücklich,

geborgen, geliebt. Und jetzt stell dir vor, sie würden plötzlich verschwinden. Stell dir vor einer nach dem anderen würde einfach weggehen und du weißt innerlich, das sie nie wieder kommen werden. Du siehst dabei zu, wie jeder von ihnen dein Leben von jetzt auf gleich verlässt. Deine Freunde, deine Familie, die Menschen, die du mehr liebst als alles andere und für die du ohne zu zögern alles tun würdest… sind fort. Eine ziemlich grausame Vorstellung,

oder? Aber ich kann dich beruhigen, mit viel Glück wird diese Vorstellung nie Realität werden. Anders… als bei mir. Aber vielleicht sollte ich mich dir erstmal vorstellen… und wenn du wissen möchtest, was so ein Verlust bei einem Menschen auslöst, bist du auch herzlich dazu eingeladen, dir meine Geschichte anzuhören. Also, um ganz von vorne anzufangen: Mein Name ist Peter Parker. Und ich habe jeden Menschen in meinem Leben verloren, der mir je

etwas bedeutet hat. ---- Tante Mays Schreie hallten in meinen Ohren wider, als ich die dunklen, regendurchnässten Straßen New Yorks entlang wanderte. Der Anblick ihres, vor Angst verzerrtem, Gesichtes hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt und ließ mich nicht mehr los, während ich langsam meine Hände zu Fäusten ballte. 'Was passiert mit ihr?', hatte ich die Ärzte gefragt, schluchzend vor

Panik. 'Warum atmet sie nicht?', hatte ich gefragt. 'Es tut uns leid', war alles, was als Antwort zurück kam. Der Regen, der sanft auf mich niederprasselte, mischte sich mit meinen Tränen und rann meine Wange hinab. Verzweifelt wischte ich mir mit dem Ärmel meines durchweichten Pullis übers Gesicht, doch noch immer konnte ich nicht mit dem Weinen aufhören. Tante Mays Körper hatte sich vor Schmerzen aufgebäumt, ihre kalte Hand tastete verzweifelt nach

mir. Ich hatte ihr über den Kopf gestrichen, meine eigene Trauer und Angst unterdrückt und ihr versichert, das alles gut werden würde. Und ich hatte auch daran geglaubt, dass sie es schaffen würde… selbst, nachdem die Ärzte mir schonend versuchten zu sagen, dass May ihre Augen nie wieder öffnen würde. Meine Schritte beschleunigten sich; Wasser spritzte zu allen Seiten auf, als ich durch die Pfützen rannte. Ich hatte geschrien, geweint, *gefleht* und mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, als die

Ärzte mich aus dem Raum bringen wollten. 'Kann jemand die Eltern des Jungen kontaktieren?', hatte der Oberarzt, welcher mich schließlich in den Arm nahm, seinen Schwestern zugerufen. Bei seinen Worten stockte meine Atmung und mein Herz schien auszusetzen - so wie das meiner Tante May. 'Eltern.' Wo sollte ich jetzt hin? May war alles, was ich hatte und jetzt war sie… Ich schluchzte hörbar auf und versuchte, die Erinnerungen an

Mays Tod zu vertreiben. Mein Tempo erhöhte sich abermals und während ich durch die beinahe menschenleeren Gassen rannte, wünschte ich mir einfach nur, ich könnte verschwinden. Ich wünschte, ich könnte diese elende Stadt verlassen. Diese elende Stadt, die mir bisher nichts als Kummer beschert hatte. Hier war Onkel Ben erschossen worden und hier hatte May den Kampf gegen den Krebs verloren. Meine Schultern bebten, als mir erneut ein Schluchzen entwich und ich rieb mir beinahe wütend über die

Augen. Ich hörte Mays Stimme in meinem Kopf, hörte, wie sie mir das Versprechen abnahm, mich nicht unterkriegen zu lassen, egal, was mit ihr passieren sollte. Ich sah sie Lächeln, als sie mir sagte, wie stolz sie auf mich sei, auch, wenn ich nicht verstand, wie sie in einer solchen Situation noch Lächeln konnte. Und dann begann der Anfall. Die Geräte spielten verrückt; das Piepen des EKGs zerriss mir beinahe das Trommelfell.   Ihr Körper wurde durchgeschüttelt, als sie unter plötzlichen Krämpfen

litt und ihre Schmerzensschreie schienen durch das gesamte Krankenhaus zu hallen. Und als ich sie dort krampfend und zuckend liegen sah, während sich ihre Angst und Verzweiflung in mich bohrten wie Messerstiche, schien die Zeit still zu stehen. Ich hörte Schwestern und Ärzte brüllen, nahm im Hintergrund wahr, wie medizinische Geräte durch die Gegend geschoben wurden. Irgendwer gab hektische Befehle, vor meinen Augen wurde eine Spritze mit irgendeiner Flüssigkeit

aufgezogen. Um mich herum schien das Chaos zu herrschen und doch gab es nur meine Tante und mich. Ich hielt ihre Hand umklammert, so fest, als würde ich ertrinken, wenn ich sie losließe. Immer und immer wieder bewegte ich den Mund in der Absicht, ihr noch so vieles zu sagen - so vieles, dass sie noch wissen musste, bevor sie ging. Doch kein Ton drang über meine Lippen und schließlich… war alles vorbei. Die Geräte erstarben, die sonst so fröhlich schimmernden Augen Mays

verloren ihren Glanz und ihre Hand rutschte leblos aus der Meinen. Das war nun drei Tage her. Drei Tage, in denen ich ziellos durch die Stadt irrte, auf der Suche nach etwas, das ich nie wieder würde haben können. Ich hatte meine Familie verloren, mein Zuhause, alles, was ich je hatte. Nachdem der Arzt feststellen musste, das ich außer May niemand mehr hatte, zu dem ich gehen konnte, beschloss er, das Jugendamt zu

rufen. Und das war der Moment, in dem ich mir meine Jacke überzog und mich so schnell wie möglich davon stahl. Ich wollte May nicht zurück lassen und ich hasste mich dafür, nicht bei ihre bleiben zu können, obwohl ich nichts mehr für sie tun konnte. Aber ich würde auf keinen Fall mit dem Jugendamt mitgehen! Ich gehörte nicht in irgendein Waisenhaus oder in eine Wohngruppe oder sonst wohin, ich gehörte zu Tante May! Ich gehörte in unsere kleine Vierzimmerwohnung, die immer

nach verbrannten Plätzchen und Lavendelreiniger roch und in der ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht hatte.  Am liebsten würde ich dorthin zurück gehen, doch dort würde man vermutlich als erstes nach mir suchen, weswegen ich schweren Herzens die Wohnung hinter mir ließ. Aber… wo sollte ich jetzt hin? In diesen drei Tagen schlief ich am Hauptbahnhof, auf Parkbänken und hinter Müllcontainern. Essen tat ich kaum etwas, denn das bisschen Geld, das ich einstecken

hatte, wollte ich mir aufsparen und stehlen würde ich nur über meine Leiche. Aber so konnte es nicht weitergehen und es zerriss mich innerlich, nicht zu wissen, was ich jetzt machen sollte. Mein Weg führte mich schließlich am Stark-Tower vorbei, doch ich achtete kaum darauf, denn ich war noch immer zu tief in meinen Gedanken versunken. Als ich meine Eltern verloren hatte, war ich das Waisenkind, dass nun bei seiner Tante und seinem Onkel leben musste. Aber jetzt, nachdem ich May

verlor… jetzt war ich nur noch das Waisenkind, mit dem sich keiner rumschlagen wollte. Ich hatte kein Zuhause, in das ich gehörte, ich hatte keine Familie, die mich vermisste, und ich fühlte mich so hilflos, wie schon lange nicht mehr. Kurz gesagt… ich war vollkommen alleine. Bei der Erkenntnis stiegen erneut heiße Tränen in meinen Augen auf, flossen über und rannen über mein Gesicht, ehe sie in meinen Pulli tropften. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört, doch dadurch hörte sich

mein Schluchzen umso lauter an, als ich weiter durch die Straßen lief. 'Was soll ich jetzt tun?' Diese Worte drehte sich in meinem Kopf, wie eine Schallplatte und noch immer hatte ich keine Antwort auf sie. Wo sollte ich hin? Wo sollte ich leben? 'Und… wollte ich überhaupt leben?' Die letzte Frage kam so überraschend, dass ich abrupt stehen blieb. Aber wenn ich recht darüber nach dachte, dann hatte ich tatsächlich keinen Grund mehr, weiter leben

zu wollen. Ich hatte schließlich nichts und niemanden, für den es sich lohnen würde, weiter zu leben. Außerdem, verdiente ich nicht sogar den Tod? Ich war daran Schuld das Ben ermordet wurde und May starb nur, weil ich es nicht rechtzeitig geschafft hatte, das Geld für eine weitere OP aufzubringen, obwohl ich mir gleich drei Teilzeitjobs gesucht hatte. Wer weiß, vielleicht würde sie noch leben, wenn die Operation stattgefunden hätte. Flammender Schmerz wütete in

meiner Brust, bei dem bloßen Gedanken daran, das ich sie vielleicht hätte retten können, wenn ich mir einfach nur mehr Mühe gegeben hätte. „Das ist meine Schuld“, murmelte ich erstickt, ehe ich langsam weiterlief. Meine Stimme klang mutlos und gebrochen, so, wie ich mich auch innerlich fühlte. Und mit einem Mal hatte ich es satt, das immer die Menschen um mich herum starben, nur, damit ich weiter lebte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, das auch mein Leben

endete. Und wenn Tante May Recht hatte und es gab wirklich ein Leben nach dem Tod, dann würde ich sie alle wieder sehen, oder? Der Gedanke zauberte mir beinahe ein Lächeln ins Gesicht. Ja, ich würde sie wieder sehen können, ich musste nur… Damit riss ich meinen Blick von den Pflastersteinen unter mir los und hob den Kopf, welchen ich die ganze Zeit über gesenkt hielt. Doch diesmal sah ich mich nicht nach einem Ort um, an dem ich übernachten konnte. Nein, diesmal sah ich mich nach

einem Gebäude um, das hoch genug war, um mich endlich aus diesem verdammtem Leben zu befreien. Tatsächlich fand ich recht schnell ein Hochhaus, welches nur zu gut funktionieren sollte und begann, an dem Gebäude angekommen, die Außenfassade entlang zu klettern. Mittlerweile war es mir sogar egal, ob mich jemand beobachtete und somit herausfand, das ich Spiderman war.   Ich würde ohnehin bald bei meiner Familie sein, also was sollte es mich kümmern, ob jemand kurz vor meinem Tod noch meine wahre Identität heraus

fand? Damit kletterte ich die letzten Meter nach oben und zog mich am Ende angekommen hoch aufs Dach. Kaum, dass ich aufrecht stand, wickelte ich mich fester in meine dünne Jacke, denn es war ziemlich kalt hier oben und der starke Wind fuhr mir unerbittlich durch die nassen Haare. Und doch hinderte mich die Kälte kaum daran, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Langsam, fast bedächtig, überquerte ich die flache Oberseite des Gebäudes und kam auf der anderen Seite schließlich zum

Stehen. Für einen Moment zögerte ich, dann trat ich an den Rand des Daches heran und blickte in die gähnende Tiefe unter mir. Höhen hatten mir noch nie etwas ausgemacht und seid ich Spiderman war, hatte ich meine Angst vor ihnen komplett verloren. Aber wollte ich das hier wirklich? Ich hatte schon zu viele Menschen gerettet, die in meiner Situation gewesen waren und einfach nur von Gebäuden oder Brücken hatten springen wollen. Und jedes Mal hatte ich mich gefragt, was einem Menschen nur

passiert sein musste, damit er eine so drastische Entscheidung traf. Jetzt wusste ich es… und ich wollte es dennoch tun. Es würde Tante May das Herz brechen, wenn sie wüsste, was ich im Begriff zu tun war, doch ich beschloss schweren Herzens, das ich es trotzdem tun würde. Denn alles was ich wollte, war, wieder bei meiner Familie zu sein. Wieder da zu sein, wo ich hingehörte. Und genau das würde ich auch, ich musste nur einen kleinen Schritt nach vorne machen. Ich schluckte leise, dann bewegte

ich meinen linken Fuß etwas nach vorne, sodass meine Zehen über dem Abgrund schwebten. Leise vernahm ich, wie kleine Steine unter meiner Bewegung ins Rollen gerieten und sah ausdruckslos dabei zu, wie die Steinchen nach unten auf die Straße fielen. Ich fragte mich, ob es wohl wehtun würde. Aber nach all dem, was May und Ben erleiden mussten, würde ich doch wohl ein bisschen Schmerz aushalten können, oder? Außerdem verdiente ich das hier, ich verdiente alles von dem, was

auf mich zukommen würde. Damit atmete ich tief durch, schloss die Augen und sprang. Für einen Moment war es, als würde ich wieder Spiderman sein. Der Winde fuhr durch meine Klamotten und spielte mit meinen Haaren, während meine Tränen fortgepustet wurden. Doch anders als sonst benutzte ich keinen meiner Netzwerfer, um mich abzufangen und durch die Gegend zu schwingen. Nein, diesmal blieb ich, wie ich war; die Arme ausgestreckt und darauf gefasst, bald nie wieder die Augen öffnen zu

können. Ich spürte, wie mein Spinnensinn durchdrehte, als es die Gefahr, in Form eines sich rasch nähernden Asphalts, erkannte, doch ich unternahm nichts, um mein Leben zu retten. Stattdessen ließ ich meine Gedanken erneut zu May und Ben wandern und diesmal schaffte ich es zu lächeln. 'Wir werden uns wiedersehen', versprach ich innerlich, dann machte ich mich auf den Aufprall gefasst.

Kapitel II

Peter Vielleicht hasst du mich dafür, dass ich so schnell aufgegeben habe. Vielleicht kannst du auch nachvollziehen wie es ist, alles hinwerfen zu wollen, nur, weil man Dinge erlebt hat, die man nicht erleben sollte. Aber die Wahrheit ist, dass das hier alles bereits geschehen ist, egal, was für einfühlsame Worte oder gemeine Dinge du mir sagen

möchtest. Ich bin in jener Nacht von einem Hochhaus gesprungen, egal, wie man es dreht und wendet und egal wie sehr man versucht, die Geschichte umzuschreiben. Vielleicht willst du jetzt eine vernünftige Erklärung haben, warum ich das tat. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, das es dafür eine vernünftige Erklärung gibt. Ich war alleine, verzweifelt, am Boden zerstört. Ich verlor alles, was man nur verlieren konnte und meine einzigen Optionen waren die Straße

oder ein Waisenhaus. Aber darüber hinaus wollte ich einfach nur wieder bei den Menschen sein, die ich über alles liebe. Und wer kann mir das schon verübeln? Ich hatte abgeschlossen mit dem Leben und konnte es kaum erwarten, dem Tod zu begegnen. Warum diese Geschichte dann noch weitergeht? Weil jemand entschied mich zu retten. Und man, ich hätte diesem jemand dafür wirklich den Kopf abreißen

können. Aber hör dir die Story weiter an. --- Der Aufprall war anders, als erwartet. Ich wusste nicht, was ich mir erhofft hatte, vielleicht, dass es einmal kurz wehtat und dann alles vorbei war? Aber so war es nicht. Tatsächlich war ich mir nicht einmal sicher, ob ich den Boden überhaupt erreichte, als plötzlich etwas gegen mich prallte - so stark, dass es mir die Luft aus den Lungen

trieb. Das Etwas fühlte sich kalt und metallisch an, doch noch immer hielt ich meine Augen geschlossen, zu ängstlich, um nachzusehen, was passiert war. Ich spürte, wie mein Herz heftig und unregelmäßig gegen meine Brustkorb schlug, so, als wolle es aus mir heraus springen. Auch meine Atmung ging schnell und in abgehackten Sätzen. Ich musste also noch leben. Dann hörte ich eine Männerstimmte nahe meines Ohrs, die irgendetwas in Richtung 'Jarvis' und 'Teenager' sagte, doch genau hörte ich nicht

zu. Zu sehr war ich damit beschäftigt herauszufinden, was schiefgegangen war. War ich falsch abgesprungen? Hatte ein Passant die Cops gerufen? Meine Neugier brachte mich fast um, doch stärker als das war das Gefühl, versagt zu haben. Egal wer da in mich reingeknallt war und nun mit mir davon flog, er hatte mir nicht nur ein paar hässliche, blaue Flecke beschert, sondern auch mein Leben gerettet. Etwas in mir wollte sich dafür bei dem Unbekannten bedanken, doch der größere Teil in mir schwieg

einfach und ertrug stumm, das man mich weg brachte. Ich hörte das sanfte Surren eines Motors und meinte, verbranntes Benzin zu riechen, als der jemand, der mich noch immer im Arm trug, schließlich zum Halten kam. Für einen Moment hörte ich nur laute, undefinierbare Geräusche, dann wurde ich durchgeschüttelt und schließlich auf festem Boden runtergelassen. Die Augen hatte ich noch immer zusammengekniffen und ich tastete beinahe panisch nach dem Arm, der mich eben noch festhielt. „Du kannst die Augen jetzt

aufmachen, Kleiner.“ Der Sprecher klang irgendwo zwischen amüsiert und genervt, weswegen ich schließlich dem Befehl nachkam. Für einen Moment hob ich schützend die Hand vor mein Gesicht, da mich helles Licht blendete, dann konzentrierte ich mich auf meinen augenscheinlichen Retter. Und… Oh. Mist. Tony Stark. Vor mir stand tatsächlich der 'einzig wahre' Anthony Edward

Stark. Erneut begann mein Herz damit, unregelmäßig zu schlagen, doch diesmal vor Aufregung. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich ihn vermutlich nach einem Autogramm gefragt und wäre zum Fangirl geworden, doch unter diesen Umständen besann ich mich schnell wieder auf das, was gerade vorgefallen war. Abwartend blickte der Milliardär mich an und mir war bewusst, dass er eine Erklärung von mir verlangte. Doch die konnte und wollte ich ihm nicht geben, weswegen ich schnell

den Blick abwandte und meine Umgebung in Augenschein nahm. 'Verdammt.' Wir waren tatsächlich auf einem der breiten Außenbalkone des Avenger-Towers gelandet und die hellen Lichter, die im Inneren brannten, waren wohl auch der Grund dafür, dass ich plötzlich geblendet wurde. Ach, du heilige… „Also gut, wie wär’s jetzt mal mit ‘ner Erklärung dafür, was zum Teufel du da auf dem Hochhaus gemacht hast?“ Mr. Stark zerriss schließlich die unangenehme Stille zwischen uns,

doch ich war noch immer nicht bereit dafür, meinem Idol die Wahrheit zu sagen. Stattdessen schämte ich mich nur umso mehr für das, was ich getan hatte. „Ich… Uhm…“ 'Na klasse, Peter, wenn das mal nicht überzeugend ist', gratulierte ich mir bitter. Aber wie sollte ich Mr. Stark erklären, was ich dort tat? Er würde mich bestimmt in eine Klinik stecken und das würde ich nicht zulassen können. Immerhin wollte ich noch immer zu Ende bringen, was ich auf dem

Dach begonnen hatte. „Schlafwandeln“, platzte es schließlich aus mir heraus. Mr. Stark hob, scheinbar nicht sehr beeindruckt von dieser Aussage, eine Augenbraue. „Ernsthaft, Kid?“, erwiderte er nur. „Ich leide wirklich unter einem schlimmen Fall von Schlafwandeln“, behauptete ich, ohne auch nur daran zu denken, die Lügerei sein zu lassen, „Meine Ärzte sagen sogar, sie hätten noch nie jemanden gesehen, der so stark darunter leidet, wie ich. Ich glaube, meine Tante hat einfach vergessen, die Tür

abzuschließen.“ Zum Ende hin kicherte ich nervös, auch, wenn es mir ins Herz schnitt, von meiner Tante zu sprechen. Davon abgesehen hatte ich es noch nie gemocht Leute zu belügen und mein Selbsthass wuchs erneut, als ich Mr. Stark so schamlos diesen Mist erzählte. Aber ich musste zurück auf dieses Dach, egal, was passierte! „Lass den Scheiß“, antwortete Tony schließlich, welcher überhaupt nicht in der Laune für meine Geschichten zu sein schien. „Ich meins ernst! Ich musste sogar schon mehrfach ins Krankenhaus,

weil ich mich beim Schlafwandeln verletzt hab!“ Noch immer hatte ich keine Ahnung davon, woher all diese Lügen stammten, die urplötzlich in meinem Kopf auftauchten, doch sie hörten sich gut für mich an. Außerdem konnte ich jetzt nicht einfach nachgeben und solange Mr. Stark nicht beweisen konnte, das ich nicht geschlafwandelt hatte, hatte er auch nichts gegen mich in der Hand. Tony seufzte. „Kleiner, ich weiß wie Schlafwandeln aussieht, also glaub mir, wenn ich dir sage, dass du

nicht darunter leidest.“ „Tja, das sollten Sie dann wohl meinen Ärzten erklären“, gab ich, zugegebener Maßen etwas trotzig, zurück. Mental verpasste ich mir sofort selbst einen Tritt, denn ich wurde besser erzogen, als das ich so unverschämt zu Erwachsenen war. Aber die Wahrheit war, das ich mich absolut elend fühlte und dieses Leben einfach nur noch hinter mich bringen wollte. „Okay, pass auf: Ich hab hier überall Sicherheitskameras, von denen einige auch dieses Gebäude dort im Blickfeld

haben.“ Damit deutete Tony unmissverständlich auf das Hochhaus, auf welchem ich gestanden hatte und das nur wenige Meter entfernt vom Tower war. „Also: Wollen wir reingehen und uns die Aufnahmen mal ansehen?“ Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich spürte, wie meine Gesichtszüge zu gefrieren schienen. Ich war sowas von aufgeflogen. Das Mr. Stark herausfand, dass ich Spiderman war, war mir in diesem Punkt ziemlich egal. Doch ich wollte nicht erneut mit

ansehen, wie ich von einem Hochhaus sprang, ohne zu sterben. Gott, ich war so ein verdammter *Fehler*! Ich konnte mich nicht einmal selbst umbringen… Unterbewusst war mir klar gewesen, dass Mr. Stark rausfinden würde, das ich log, schließlich wurde man kein Milliardär, wenn man ein Dummkopf war. Doch ich hatte gehofft, dass ich längst verschwunden war, ehe Ironman eins und eins zusammen zählte. „Na schön“, gab ich seufzend auf, wissend, dass ich nicht länger

verheimlichen konnte, was ich getan hatte, „es war genau das, wonach es ausgesehen hat. Und jetzt sollte ich da weiter machen, wo ich aufgehört hab.“ Damit wandte ich mich von meinem Idol ab und machte Anstalten, zur Brüstung des übergroßen Balkons zu laufen, so, als sei es das normalste der Welt.  „Was zum - Auf keinen Fall!“ Mr. Stark, welcher etwas verdutzt darüber zu sein schien, dass ich ihm schamlos ins Gesicht sagte, ich wolle erneut einen Selbstmordversuch starten, löste

sich schließlich aus seiner Starre und packte mich am Arm. „Einen Scheiß wirst du tun!“ Dann ging er einfach in Richtung der Tür, die ins Innere des Towers führte und zog mich dabei hinter sich her. „Was soll das?“, entfuhr es mir, ehe ich mich gegen den Griff des Älteren zu wehren begann. Normalerweise würde ich mich mit Leichtigkeit befreien können, immerhin war ich um einiges stärker als ein normaler Mensch. Doch dummerweise trug Stark noch immer seine Rüstung; nur den Helm hatte er abgenommen, als er

mit mir auf dem Balkon landete. Davon abgesehen hatte ich seit Tagen so gut wie nichts gegessen und da mein Stoffwechsel krankhaft schnell war, war mein Körper schon fleißig dabei, sich selbst zu verdauen, was bei normalen Menschen erst nach Wochen des Hungerns eintrat. Kurz gesagt, ich konnte mich gerade gegen niemanden wehren, egal, um wen es sich dabei handelte. Aber dafür wäre es ohnehin schon zu spät gewesen, denn Tony öffnete schon die Tür und trat in ein riesiges

Wohnzimmer. Mich schleifte er noch immer mit, doch immerhin stellte er sicher, dass er die Tür zum Balkon wieder verschloss, ehe er mich weiter in den Raum hineinzog. Sofort öffnete ich den Mund, um abermals zu protestieren, schloss ihn jedoch, als ich die anderen Avengers erblickte. Sie saßen verteilt auf einer großen, marineblauen Couch, welche direkt vor dem Flachbildfernseher stand, der über ihnen an der Wand hing. Keiner von ihnen hatte sich die Mühe gemacht, sich umzudrehen, als sie unsere Schritte hörten, aber

vermutlich lag das daran, dass ich noch keinen Laut von mir gegeben hatte und sie somit dachten, es wäre nur Stark, der reinkam. „Wie schön, dass du dich auch wieder blicken lässt.“ Natasha Romanoff hatte sich seelenruhig zurückgelehnt und blickte nicht einmal auf, als sie mit Tony sprach. „Und interessanter Weise bist du alleine raus gegangen und kommst mit einer zweiten Person wieder rein.“ Meine Augen weiteten sich vor Verblüffung. Obwohl die Shield Agentin nicht

einmal hingesehen hatte, hatte sie trotzdem gemerkt, wie Stark mit mir den Raum betrat, was irgendwie cool und beängstigend zugleich war. Der Rest des Teams schien jedoch keine so gute Observierungsgabe zu haben, denn alle drehten sich bei Natashas Worten synchron zu mir um. Sofort schoss mir das Blut in die Wangen und ich merkte, wie ich verlegen den Blick senkte. Es hatte mir noch nie gefallen, im Mittelpunkt zu stehen und ich konnte auch nichts mit der ganzen Aufmerksamkeit

anfangen. Ich blamierte mich ja doch immer nur… „Eigentlich wollte ich… gerade gehen“, versuchte ich, etwas stotternd zu erklären, doch Mr. Stark blickte mich sofort so an, als hätte ich gerade verkündet, sein Lieblingshaustier zu ermorden. „Auf keinen Fall, Kiddo! Erstmal reden wir über diesen kleinen Zwischenfall da draußen!“, befahl der Milliardär beinahe; seine Stimme klang so ernst, dass einigen der Avengers ein überraschter Laut entfuhr. „Also gut, was hat der Junge

gemacht?“, fragte Steve sofort, welcher mich eingehend musterte. „Oh! Ich weiß es!“ Aufgeregt grinste Clint. „Er hat bestimmt versucht, ins Gebäude zu schleichen! Obwohl… das haben schon mal welche versucht und du hast sie nie mit hier her gebracht, also kann’s das nicht sein… Ah, er hat dich bestimmt gefilmt, als du auf dem Balkon warst, richtig?“ Tony neben mir verstärkte den Griff um meinen Arm und schnaubte abfällig. „Er hat nichts davon gemacht und jetzt halt die Klappe, Robin Hood“,

knurrte Mr. Stark, allerdings mehr genervt als wirklich wütend. „Und was hat er dann gemacht?“ Eine neue Stimme meldete sich zu Wort - diesmal war es Bruce Banner, der sprach. Bei den vielen Leuten drehte sich mein Kopf und ich spürte, wie unangenehm mir das Ganze langsam wurde. Ich hatte Menschenmengen noch nie gemocht und obwohl das hier die berühmten Avengers waren, die ich ebenso feierte, wie viele andere Leute da draußen, wünschte ich mir mit einem Mal, ich wäre alleine in diesem

Raum. Lautlos und vorsichtig löste ich mich von Tonys Griff und schlich dann zum Ende des Raumes. Zwar kannte ich mich in diesem Gebäude nicht aus, aber sobald ich das Wohnzimmer verlassen hatte, würde ich einfach losrennen, solange, bis ich einen Ausgang fand. Zu meinem Glück schien Stark nicht einmal zu bemerken, dass ich mich losgemacht hatte - zu sehr war er damit beschäftigt, mit Clint und Steve zu diskutieren. Schnell durchquerte ich den Raum und griff nach der Türklinke, doch

dummerweise hatte ich Natasha und ihre beeindruckenden Ninja-Fertigkeiten vergessen. „Stark, dein Gast haut ab“, verkündete sie trocken, ehe sie nach ihrem Glas griff. Na toll. Erneut drehten alle ihre Köpfe und ich spürte, wie mich mindestens ein halbes Dutzend Paar Augen musterte. Mein Gesicht hatte sich immerhin wieder abgekühlt, ehe ich den Farbton einer Tomate annehmen konnte, doch vor Nervosität kaute ich auf meiner Lippe herum. Vielleicht hätte ich die Gelegenheit

nutzen sollen, um abzuhauen. Aber ich wollte mir keine Hetzjagd mit meinem Idol liefern, welcher mir zweifellos nachrennen würde, also ließ ich die Klinke widerstrebend los. Und tatsächlich, Stark kam auf mich zu gelaufen, schnappte mich wieder am Arm und zog mich zurück in die Mitte des Raumes. „Himmel, Tony, ist das dein neues Haustier, oder was?“, scherzte Clint, sah dann jedoch ernst zu mir, „Wenn du Hilfe brauchst, blinzle zweimal.“ Kurz war ich versucht, dem wirklich nachzukommen, dann

beschloss ich, einfach Klartext zu reden und dann abzuhauen. „Kann ich jetzt bitte gehen?“, gab ich bemüht ruhig von mir und sah Tony fest in die Augen, „Meine Tante sucht mich bestimmt schon.“ Erneut traten mir Tränen in die Augen, als ich von ihr sprach, doch ich drängte sie mit Macht zurück. „Sorry, Kleiner, aber wir wissen beide, dass ich dich nicht so einfach laufen lassen kann.“ Und das war der Moment, in dem ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. „Also gut, was wollen Sie hören?! Das es mir leidtut? Schön, okay: Es

tut mir leid und ich tu’s nie wieder! Kann ich *jetzt* gehen?“ Meine Stimme war unbewusst lauter geworden und sofort biss ich mir fest auf die Zunge, um weiteres Geschrei meinerseits zu vermeiden. Warum war ich nur so verdammt widerlich zu jemandem wie Tony Stark? Scheiße, was konnte ich eigentlich?! Mein Selbsthass schien ins Unermessliche zu wachsen und ich grub verzweifelt meine Fingernägel in meine Handflächen, solange, bis es wehtat. „Es geht nicht darum, das ich eine

Entschuldigung will“, erwiderte Tony und fuhr sich sichtlich geschafft durch die Haare, „Es geht darum, dass ich sicher sein muss, das du sowas nie wieder versuchst.“ Ich atmete tief durch, dann wandte ich den Blick wieder ab. „Bitte, ich will dir nur helfen. Das wollen alle von uns“, fuhr mein Idol etwas einfühlsamer fort, doch ich schüttelte nur heftig den Kopf. „Ich will aber keine Hilfe!“, platzte es aus mir heraus, ehe ich es verhindern konnte, „Ich wusste genau, was ich tat! Ich wäre endlich wieder glücklich gewesen,

aber Sie mussten das ja ruinieren!“ Meine Augen liefen schließlich über, doch ich wischte nicht eine Träne aus meinem Gesicht, während ich Mr. Stark voller Wut anblickte. Bei meinen Worten zuckte der Milliardär beinahe unmerklich zusammen und ich sah das Mitgefühl und die Trauer, die in seine Augen trat. Doch ich wollte nicht bemitleidet werden - schon gar nicht nach alledem, was ich getan hatte. Ich verdiente kein Mitleid und ich verdiente auch keine Hilfe. Ich verdiente es nicht einmal,

weiterzuleben. Die anderen hatten meinen Ausbruch mit unverhohlener Neugier beobachtet und es war Steve, der sich schließlich traute, erneut zu fragen. „Was hat der Junge denn jetzt getan?“ Tony seufzte nur, fuhr sich noch einmal durch die Haare und sah mich dann fragend an, so, als bitte er um meine stumme Einverständnis. Ich zuckte jedoch lediglich mit den Achseln, ehe ich mir nun doch unauffällig übers Gesicht wischte. Die Avengers waren sein Team;

Vermutlich würde er ihnen so oder so von dem erzählen, was ich getan hatte. Als Mr. Stark schließlich auf Steves Frage antwortete, klang er zögernd, beinahe unsicher. Etwas, das ich nie von dem Milliardär erwartet hätte. „Ich… Ich hab ihn draußen von einem Hochhaus springen sehen. Er… wollte sich umbringen.“

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