Kurzgeschichte
Provinz der Lügen - SP 99 Liebe

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"er wohnte in seinem Auto"
Veröffentlicht am 03. Juli 2022, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Feedre
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Über den Autor:

Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung. Aus China
er wohnte in seinem Auto

Provinz der Lügen - SP 99 Liebe




































Die vergangenen Tage und Monate waren ohne Glanz. Alles was geschehen ist, kam Maxi vor, wie ein Blatt Papier, das vom Wind getroffen immer wieder zu Boden fällt. In Gedanken versunken sah sie der Stewardess zu, die ihr den bestellten Sekt in einen Plastik Becher goss. Sie stellte alles auf den winzigen Klapptisch. Es war das erste mal seit acht Jahren, dass sie ohne Sebastian in den Urlaub flog.

Warum nur war ihr Himmel zerbrochen?

So oft in den letzten Monaten hatte sie darüber nachgedacht. Aber er ist nie ganz zerbrochen. Manchmal gab es nur Risse im gläsernen Blau. Wie unten in der Lagune,

wenn die Dämmerung der Sonne ihren grellen Glanz stahl, und das Wasser wie flüssige Meeres Seide in der Ewigkeit schwamm.

Während sie an ihrem Sekt nippte, und auf die wabernde Wolkenbank draußen vor dem Fenster sah, zogen ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit, und blieben an einem sonnigen Tag im Juli hängen.


Maxi putzte in der Garageneinfahrt das Auto von Sebastian. Sein Auto würde einem fahrenden Müllcontainer ähneln, wenn sie sich nicht ab und zu darum kümmern würde. Sebastian und Maxi Leroy waren seit acht Jahren verheiratet. Er war Rechtsanwalt und hatte andere Dinge im Kopf als herumliegende Cola Dosen und leere Schoko - riegel -

papierchen.

Und so hatte es sich eingebürgert, dass er einmal in der Woche das Auto von Maxi benützte, um in die Kanzlei zu fahren. Sie putzte sein Auto. Maxi war nicht unbedingt glückselig über diesen Ritus, aber schließlich war er Basti, ihr Liebling für den sie fast alles tun würde.



Zwischen dem überquellenden Aschenbecher und einer angeknabberten Banane, lag sein batteriebetriebener Rasierapparat, mit dem er sich morgens auf die Schnelle im Auto rasierte - wenn er mal wieder zu spät aus den Federn kroch. Sebastian war vierzig Jahre alt. Er hatte dunkles Haar und an den Schläfen

begann es silbern zu schimmern.

Und er wohnte in seinem Auto!


Maxi bearbeitete die weichen, grauen Bezüge mit dem Staubsauger. Sie rochen etwas muffig und nach animalischem Schweiß. In der Luft hing der Geruch seiner ägyptischen Zigaretten. Und noch ein anderer Duft hing zwischen leeren Chipstüten und geleerten Erdnussdosen!

Sebastians Rasierwasser? Nein! Der Geruch war feiner, mädchenhaft und auch unschuldig. Wie eine frische Brise an einem heißen Sommertag. Als er gestern sehr spät in der Nacht heimgekommen war, hatte er auch nach dieser wilden, frischen Brise gerochen. Er war sehr leise neben ihr

unter die Decke gekrochen, um sie nicht zu wecken. Aber sie war hellwach gewesen. Ein unbekanntes, fremdes Gefühl hatte zusammen mit Sebastian das Schlafzimmer betreten. Sie spielte die Schlafende!

Maxi wäre keine liebende Frau, hätte sie nicht die Schimäre einer Kopfgeburt über den Zaun steigen sehn. Ihr wurde plötzlich bewusst, was der Staubsauger gierig in seinen Bauch sog. Langes, blondes Haar - es hing überall im weichen Stoff der grauen Bezüge. Abrupt schaltete Maxi den Staubsauger aus.

Sie selbst hatte langes, dunkles Haar. Mit kleinen, rotgoldenen Feuern, wie Glut unter der Asche. Ihre Hände begannen zu zittern. Die

Kopfgeburt drehte sich wie ein Rudel Fleischwölfe durch ihre Hirnwindungen.

Als sie dann ein paar Sekunden später den schwarzen, mit Spitzen besetzten Büstenhalter entdeckte, der zwischen Lehne und Sitz eingeklemmt war, wusste sie, dass die Plünderung ihrer Liebe schon längst begonnen hatte.

Seit Wochen fühlte sie, dass Sebastian sich völlig veränderte. Sein Drang nach neuem Outfit! Die Joggingrunde jeden Abend, die er immer gerade dann machte, - wenn sie keine Zeit zum mitkommen hatte. Die Müdigkeit, die Sebastian überfiel, wenn sie im Bett zärtlich wurde. Seine Termine, die sich bis weit nach Mitternacht ausdehnten.

In irgendeiner Herzfalte hatte sie es geahnt, -

nun wusste sie es! Der Unterschied zwischen Ahnen und Wissen ist ein sehr schmerzlicher. Der Büstenhalter Größe fünfundsiebzig - B verwandelte sich zwischen ihren Fingern in flüssiges Feuer.

Angeekelt warf sie ihn auf den Beifahrersitz. Sie stieg aus dem Auto, stand ein paar Sekunden reglos auf dem Rasen. All die kleinen Zufälle und Begebenheiten rasten durch ihr Gehirn wie ein Sternschnuppenschwarm und wurde zu einem Kometen des Begreifens!

Kraftlos taumelte sie in Richtung der weißen Sitzbank, die an der Hauswand stand. Dort saß sie eine Weile, um sich zu beruhigen. Das Herz wird zerbrechlich in der Provinz der Lügen. Sie fühlte, wie ihr am ganzen Körper

der Schweiß ausbrach. Als ob ihre Haut alle Ahnungen der letzten paar Wochen ausschwitzen wollte. Wie ein tröpfelnder Fluss, auf dem die verlorene Liebe lautlos davon schwamm.












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Feedre

Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung.

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Conrad 
Eine Story in wundervoller Bildsprache.
Ein großes Kompliment!
Da gäbe es für mich nichts zu verzeihen, sondern einen Neuanfang.
Vielleicht und ich hoffe es, kommt sie lachend
und mit einem geheimnisvollem Lächeln aus dem Urlaub zurück.

Mit freundlichen Grüßen
Conrad
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Danke Conrad für den feinen Kommentar, das freut mich sehr...ich denke auch, dass sie sich neu sortieren wird...die Welt ist voller Wunder...:-))))
hab einen schönen Abend
Merci für den Favo...freu
lieben Gruß aus Andalusien
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
Nereus Ja liebe Feedre so ist das Leben, es hält oft zu viele Überraschungen bereit
Doch können sie aus jeder Ecke hervordringen. Es sind nicht immer nur die Männer.
dankend für den Guten Text und lieben Gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Aber was wäre das Leben ohne Überraschungen....manchmal zeigt das Leben uns, an welcher Kreuzung man abbiegen muß...
schön dass du da warst, freu mich....
vielen Dank und einen lieben Gruß
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer Liebe feedre,
Die Liebe lässt sehende blinden,
Weil sie was sie sehen , nicht sehen wollen,
Das Problem Mann ist ein sich wiederholenden Problem,
Er will eigentlich nicht betrügen,, er will nur fühlen ob es genau so ist oder anders wie es ist,
Schön verwortet, Liebe Gruß zudir rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Hallo Rainer, wie schön dich zu sehen...:-)))))))))))
das freut mich wirklich riesig....ja das Problem "Mann" hat wohl jede Frau, aber umgekehrt ist es ja kein bisschen anders...lach....
Hab ganz herzlichen Dank für alles...ich schicke dir einen lieben Gruß in die Nacht
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Nur Maxi kann wissen ob sie verzeihen kann,will oder nicht. Vielleicht bringt der 1.Urlaub ohne Sebastian neue Erkenntnisse und neuen Mut das Leben umzukrempeln.Einfach ist wird es für sie nicht nach diesem Vertrauensbruch überhaupt den Kopf freizukriegen.Ein schöner Beitrag zur Schreibparty,soll ich ihn listen oder nicht?
Kornblumenblaue Grüße an Dich,schickt Martina

Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Hallo Martina, ich denke du kannst ihn listen...ja machen wir
Dankeschön für deinen Kommentar...freut mich sehr....lieben Gruß
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine So aus dem Leben "gegossene" Geschichte
die tröpfelnden Fluss an Gedanken wie Gefühlen
in andere Richtungen bewegt -
stille Fragen lange blonde Haarantwort erhalten...
Sehr gut erzählt!
Liebe Grüße
Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Hallo Loraine....Haarantwort...so eine Wortschöpfung hätte ich mir nie im Leben träumen lassen.....deine Wortschöpfungen sind einfach umwerfend...:-))) ganz lieben Gruß und herzliches Dankeschön
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
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