Romane & Erzählungen
Amselgefühle

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"Amselgefühle"
Veröffentlicht am 15. November 2021, 20 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Amselgefühle

Amselgefühle

Amselgefühle Lebensbericht einer Amselmutter Zuerst möchte ich mich euch einmal vorstellen. Mein Name ist Alma. -- Ja, Alma, ihr habt richtig gehört. Ich war die Letztgeborene meiner Mutter,die auch Alma heißt. Ihr werdet sagen, dass das kein Vogelname ist. Aber das ist eine lange Geschichte. Vor zwei Jahren nämlich, als ich in einer großen Blumenschale geboren wurde, inmitten weißer Margeritten und bunten Zauberglöckchen , erzählte meine Mutter mir, dass in unserer Familie die Letztgeborenen immer den Namen der

Mutter erhalten. Es war ein wunderschöner Sonnentag und und ich kam als Vierte zur Welt. Freudig wurde ich von meinen Geschwistern begrüßt, die schon im Nest lagen und mir nicht mehr viel Platz ließen. Da ich die Kleinste war, wurde ich auch beim Füttern immer etwas benachteiligt, denn meine Geschwister drängelten sich immer vor. Meine Mutter hatte immer Angst um mich, dass ich nicht überleben würde, aber ich war damals schon sehr zähe. Irgendwann wurden wir dann alle flügge,

und unsere Mutter bereitete uns auf das Alleinleben vor. Wenn ich daran zurück denke,hatte ich doch einen ganz schönen Bammel . Und dann war es soweit. Dieser Tag hat sich ganz tief in mein kleines Vogelhirn eingegraben. 2 Brüder und 1 Schwester hatten sich schon von mir verabschiedet und wollten im Busch, der vor dem Balkon steht, morgen auf mich warten. Ich aber traute mich nicht so recht. „Flieg, Alma ! Flieg ! Meine Eltern redeten mir gut zu und ich versuchte mit großer Anstrengung zu fliegen. Und oh

Schreck, ich landete auf dem Balkonfussboden. Ganz aufgeregt piepste ich nach meiner Mutter, die dann auch zusammen mit unserem Vater kam und mich beruhigte. Sie brachten mir erst mal ein paar Würmer und wiesen mir eine Ecke zu, die geschützt war. Dort sollte ich mich erst mal beruhigen und mich vom Schreck erholen. Und dann erschien Brigitte. Ach ja, ich habe euch ja noch gar nicht von Brigitte erzählt. Brigitte ist ein Menschenkind, die unser Zuhause, die Blumenschale so

schön gestaltet hat, und aufpasst, dass keine Elster uns was zu leide tut. Und Brigitte ist auch diejenige, die meiner Mutter den Namen Alma gab. Das erzählte mir meine Mutter ganz stolz. Als also Brigitte mich so auf dem Balkonfussboden sah, bekam sie vor Schreck den Mund gar nicht wieder zu. So ähnlich wie ich meinen Schnabel, weil ich wirklich große Angst hatte so alleine auf dem Fussboden. Aber dann tat sie das einzig Richtige . Sie macht die Balkontüre einfach wieder von

innen zu, um mich nicht noch mehr zu ängstigen. Meine Eltern fütterten mich weiter und beruhigten mich ein wenig. Irgendwann versuchte ich es von neuem, und da Brigitte mir durch aufeinander gestapelte Blumentöpfe eine Hilfe gab, schaffte ich es Stück für Stück über die Balkonbrüstung zu fliegen. Das war ein ungeheuer erhebendes Erlebnis für mich, zumal unten im Strauch meine Geschwister mir zuguckten und mich mit viel Gepiepse anfeuerten. Das also war vor 2 Jahren. Inzwischen bin ich erwachsen geworden und habe nun einen Amselmann

kennengelernt. Er ist wunderschön. In seine Augen habe ich mich sofort verliebt, sein schwarzes Gefieder glänzend, sehr stolz, liebevoll und vor allem verlässlich. Das hat man ja heutzutage so selten bei Männern. So ganz anders als mein Vater, der immer so ein kleiner Hallodri war, und gern anderen Amseldamen nach guckte. Ich kann mich erinnern, dass deshalb meist nur meine Mutter uns versorgte. Aber Ansgar ist ungeheuer pflichtbewusst, und nun hat er mich zur Mutter gemacht. Ich bin überglücklich. Als ich ihm das sagte, brachte er mir sofort einen

besonders dicken Regenwurm, (das ist nämlich meine Lieblingsspeise) schnäbelte mich und versprach, immer für mich da zu sein. Doch nun galt es , einen Ort zu suchen, an dem ich brüten konnte. Ich entsann mich meines Geburtsortes, den Balkon von Brigitte. Sie hatte uns ja auch den ganzen Winter, der doch für uns ziemlich lang war, mit Futter versorgt. Auf ihrem Balkontisch lagen immer ein paar Nüsse und Rosinen bereit, an denen wir uns gütlich taten. Und alte Liebe rostet nicht Ich erzählte Ansgar davon, und er

inspizierte sofort diesen Ort. Er war begeistert, denn dort sah es jetzt wie im Paradies aus, und ich konnte mir gut vorstellen, dass meine Babys dort glücklich zur Welt kommen. Also machte Ansgar sich sofort ans Werk und scharrte in einem besonders schönen Blumenkasten ein kreisrundes Loch. Dann legte er sich hinein und drehte und wendete sich hin und her, bis das Loch die Größe eines Nestes hatte. Dann flogen wir beide los, um Gräser und kleine Zweige zu sammeln , um

unseren Kindern ein schönes Zuhause zu bereiten. Nach 3 Tagen hatten wir es geschafft. Ein wunderschönes Nest war da, über das die Margeritten wie in einem Himmelbett darüber hingen. Rechts und links davon bunte Zauberglöckchen. Es war wirklich wunderschön. Brigittes Blick hättet ihr sehen sollen, als sie das Malheur in ihrem schönen Blumenkasten entdeckte. Doch ich kann schwören, dass ein Lächeln in ihrem Gesicht war und als sie mir neben das Nest noch eine kleine Schale mit Wasser stellte,

war ich beruhigt. Ja, sie fragte sogar: „Bist du es Alma?“ Wir waren also immer noch Freunde. Nun konnte ich mich ans Brüten machen. Ansgar versorgte mich während dieser Zeit rührend mit Futter und es dauerte nicht lange, da war das erste Ei da. Die nächsten 3 Tage folgten noch 3 andere. Ansgar war so stolz auf mich . Er sah die Eier ganz verliebt an und stimmte einen Jubelgesang an.. in den ich natürlich aus voller Kehle einstimmte. Und es wurde

maßlos geschnäbelt. Nun begann für mich die langweiligste Zeit, denn ich musste die Eier ja ausbrüten. Und das dauert etwa 1 Woche. Also nichts mehr mit Hin-und Herfliegen und Herumgeflirte. Aber ich hatte ja meinen Ansgar. Ab und zu löste er mich ab, damit ich meine Flügel mal wieder bewegen konnte. Die wären ja ganz lahm geworden. Und dann war es endlich so weit. Mein erstes Baby kam. Ganz plötzlich fühlte ich unter mir, etwas Warmes, was sich

bewegt. Ich war so glücklich und zirpte Ansgar, der mich bewachend auf die Birke saß, die freudige Botschaft zu :“Es ist da !“ Sofort kam er herunter geflogen und bestaunte seinen Sohn. Na, ihr würdet ihn wahrscheinlich nicht hübsch nennen. Er war ja noch ganz nackt. Aber für mich war es das schönste Baby , das ich je gesehen habe. Das Ganze wiederholte sich 3 Tage lang und am Ende hatte ich 4 kleine Babys im Nest. Nun galt es 4 hungrige Schnäbel zu füttern. Ich hatte mich bei meiner Mutter erkundigt, die mir sagte, dass man zuerst

winzige Maden aus der Baumrinde füttern muss, später dann erst die Würmer. Brigitte saß oft am Tisch daneben, und guckte uns zu. Und ich sah, wie sie es genoss. Manchmal kam auch eine Freundin von ihr, die sehr neugierig war. Sie kam mir immer etwas zu dicht heran. Wahrscheinlich hatte sie so etwas noch nie gesehen. Da war ich doch ein wenig vorsichtiger und setzte mich auf meine Babys. So waren wir alle glücklich , bis auf ein Problem . Der Letztgeborene machte uns

sehr zu schaffen. So sehr wir uns auch bemühten, er blieb schwächlich. Die Anderen waren immer schneller und fraßen ihm auch noch das Futter weg. Und die Hitze , die gerade herrschte, tat auch noch ihr Übriges. Für uns war es schwierig geworden, Würmer aus er Erde zu picken, denn durch die Hitze war der Boden steinhart geworden. Aber auch da dachte Brigitte mit und kippte ab und zu ein paar Eimer Wasser über den Balkon, damit wir es leichter hätten. Das war schon eine große Hilfe, aber auch

das rettete unser Baby nicht. Eines Morgens fand ich es tot im Nest. Seine Geschwister hatten es noch nicht bemerkt und ich rief Ansgar, der es mit mir zusammen unter der Birke begrub Natürlich waren wir sehr traurig, doch die 3 Anderen ließen uns keine Zeit zum Trauern. Sie mussten ja weiter versorgt werden. Und dann kam auch noch Brigitte auf den Balkon um mir wie immer“ Guten Morgen“zu wünschen. Ihren traurigen Blick werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Ich glaube, sie hatte alle meine Babys schon in ihr

Herz geschlossen. Aber auch sie konnte es ja nicht ändern. Es hat nicht sollen sein. Und nun ist unser Baby im Vogelhimmel. Und so vergingen die Tage mit Füttern, Nest sauber machen vom Kot und den Eierschalenresten. und Aufpassen auf Elstern. Nun wurden auch meine 3 anderen Babys flügge. Es war erstaunlich , wie schnell sie wuchsen. Sie hatten mir so viel Freude gemacht, doch jetzt kam die Zeit für mich, dass ich auch sie gehen lassen musste. Das Nest wurde auch für sie zu klein. Schweren Herzens musste ich sie auf das

Alleineleben vorbereiten. In meinen Gute Nacht Geschichten hatte ich ja schon viel von der großen weiten Welt mit ihren Gefahren, aber auch Freuden erzählt. Sie waren schon ganz aufgeregt, und wollten am liebsten gleich davon fliegen Ich vertröstete sie auf den nächsten Tag. Und dann war er da. Wir schnäbelten alle noch einmal herzhaft, und mit einem Freudengesang segelten sie über die Balkonbrüstung. Mein größter Wunsch für sie Mögen sie ein schönes sorgenfreies Leben haben und nette Menschen kennen

lernen, die sie auch im Winter versorgen. Ich jedenfalls, werde sie nie vergessen.

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Brigitte

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Kornblume Eine zauberhafte Geschichte, liebe Brigitte,ich sehr gern gelesen habe.
Grüße an Dich schickt die Kornblume
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Brigitte Mein liebes Kornblümchen, ganz lieben Dank für deinen Besuch bei mir und das Lob. Bleib gesund . Liebe Grüße Brigitte
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MerleSchreiber Ganz großes Amselkino, Brigitte. In einem sehr unterhaltsamen Plauderton ("Das hat man ja heutzutage so selten bei Männern") hast du uns in die Lebenswirklichkeit deiner Amseln mitgenommen. Klasse!
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Vielen Dank liebe Merle, hab ja lange nichts mehr von dir gehört. Liebe Grüße in deinen Tag und lieben Dank für alles Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Liebe Brigitte,
so eine schöne Erzählung, bei der einem das Herz aufgeht. Du beschreibst es so authentisch, dass ich das Gefühl hatte, dabei zu sein.
Auch ich wünsche den Amselkindern ein wunderbares Leben. Es ist doch ein Wunder, dass sich solches Geschehen immer wiederholt und ich hoffe, dass es so bleibt.

Liebe Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Es freut mich sehr, dass dir meine kleine Geschichte gefallen hat liebe Enya. Dir ein schönes Wochenende und vielen Dank für deinen Besuch. Liebe Grüße Brigitte
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schnief Eine wundervolle Erzählung, bei mir das Herz aufging.
Liebe Grüße Manuela
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Brigitte Und was gibt es schöneres als ein offenes Herz liebe Manuela. Ich danke dir sehr für alles LG. Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Danke liebe Valerina, ja das ist mir damals wirklich sehr nahe gegangen. Vielen Dank für deine lieben Worte und deinen Besuch bei mir. LG: Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Brigitte,
auch mir gefällt Deine warmherzige Erzählung, mit der Du Dich in das Gefühlsleben Deiner Amseln eingelebt hast, so wie auch wir sie in unserem Garten auch im Umgang mit anderen Vögeln ganzjährig empfinden, seit wir unsere Vögel das ganze Jahr über füttern.

Liebe Grüße,
Friedemann
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