Kurzgeschichte
Der Märchenrat

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"Der Märchenrat"
Veröffentlicht am 28. Oktober 2021, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Der Märchenrat

Der Märchenrat

Vorwort

Muss man in allen Bereichen unbedingt "mit der Zeit" gehen, oder hat auch traditionelles seine Berechtigung?

Aus vielen Märchen und Kinderbüchern habe ich mir die Protagonisten ausgeliehen.

Gute Unterhaltung!



Copyright: Guenter von Tetzeli

Cover: Dank an pixabay


Internet: www.welpenweste.de

Der Märchenrat

Der Märchenrat trat zusammen. Da nahmen Hexen, Waldgeister, Zauberer, Magier und Elfen Platz. Die Drachen saßen etwas getrennt, weil sie unter Umständen Feuer spucken konnten, statt ein Veto einzulegen. Die Sitzung war öffentlich, sodass sich auf den Zuschauerbänken diversen Geister, Unholde, Helden, Zwerge und Kobolde drängten. Der große Zauberer Salamoni Salametti eröffnete die Sitzung und kam sogleich auf den einzigen Diskussionspunkt zu sprechen. „Ein anonymer Geist hat sich beschwert, dass wir in unseren Märchen nicht mit der Zeit gehen würden. Zum Beispiel wären Drachen völlig altmodisch und überholt.“

Abseits spuckte jemand Feuer. Salamoni fuhr fort.

„Das Computerzeitalter sei bei allen Märchen gar nicht berücksichtigt worden.“

Salametti schob eine tragende Pause ein. „Ich bitte um Wortmeldungen.“ Die Wetterhexe Muhme Rumpumpel erhob sich. „Die sieben Zwerge bauen doch Erz ab. Da könnten sie doch auch die Teile für einen Roboter schmieden.“

„Richtig“, meldete sich aus dem Zuschauerraum Cruella Devil. „Ich lasse mich ungern von diversen Dalmatiner-Hunden verarschen. Da ist mir ein intelligenter Roboter lieber. Der kann dann auch gleich die Menschen hintergehen.“

„Wundervoll“, grummelten die Ungeheuer im

Zuschauerraum. Merlin meldete sich.

„Ihr dummen Ungeheuer, seht ihr denn nicht, dass böse Roboter euch arbeitslos machen?“ Auf Zuschauerbänken hätte man eine Nadel fallen hören können. Nur der Räuber Hotzenplotz sprang auf. „“Von einem Roboter hätte ich mich lieber gefangen nehmen lassen, anstatt von dem verblödeten Wachtmeister Dimpfelmoser.“ Die kleine Hexe sprach leise.

„Und wer soll denn die Elektronik programmieren? Ich meine ja bloß.“

Zauberer Salamoni strich sich über den Bart. „Man müsste die Zauberbücher umschreiben, oder zumindest ergänzen.“

Eine der Elfen flatterte hoch. „Fliegen dürfen

sie nicht, meine ich. Wir haben schon mit normalen Drohnen der Menschen unsere liebe Not!“ Von den hinteren Bänken erhoben sich die Geschwister Hänsel und Gretel.

„Uns ist es egal, ob wir einen Blecheimer in den Ofen schieben, oder die Hexe.“

Und der böse Wolf fügte hinzu.

„Wie soll denn ein Roboter Geißlein fressen?“ „Genau“, bestätigten die Vampire. „Flüssigkeiten können die Roboter nicht vertragen, wir schon, solange es Blut ist!“ Salametti wurde böse. „Ruhe da im Zuschauerraum! Ihr Vampire kommt doch in den Märchen praktisch gar nicht vor.“ Frau Holle kicherte. „Ich brauche bloß die Betten ausschütteln, da rosten die Knilche

durch den nassen Schnee wie von selbst."

Pinoccio maulte. „Soll vielleicht ein Tischler an einem Roboter herumbasteln?“ „Wir bräuchten eben neue Figuren“, bot Dr. Frankenstein aus dem Hintergrund eine Lösung an.

„Allerdings“, überlegte er, „haben wir ein Energieproblem. Ich hatte schon mit meiner Kreatur Probleme durch Blitze genügend Schub zu erzeugen.“ Salamoni sprach gesetzt. „Vielen Dank für ihren Beitrag, sehr geehrter Herr Doktor, aber sie haben mit einem Märchen kaum etwas tun, so leid es mir tut.“ Hinten im Zuschauerraum erhob sich Darth Vader. „Ich finde es eine Frechheit, dass ich gar nicht dem Märchenrat angehöre. Ich bin

böse, habe die dunkle, zauberhafte Macht hinter mir und muss mich mit Helden herumschlagen. Der lästige Han Solo und Luke Skywalker nerven mich. Und außerdem sind da sehr wohl Roboter dabei, nämlich R2D2, der verblödete C-3PO und schließlich BB-8. Nebenbei kommt da auch eine Prinzessin Lea vor! Punktum! Selten war ein Märchen so erfolgreich!“ Die Schöne und das Biest standen auf. „Lieber Herr Darth Vader, die Star Wars Angelegenheit ist doch eher ein Abenteuer, Science fiction, kein Märchen. Und wie soll man diesen Krempel Kindern vorlesen?“ Darth Vader streckte die Blechhand aus und verkrampfte sie, um mithilfe der Macht Einfluss zu nehmen. Das hatte natürlich beim

Märchenrat keinerlei Wirkung.

Schließlich verschaffte sich wieder Merlin Gehör. „Es ist schon schlimm genug, dass Kinder nur noch an der Elektronik, ihren Handys herumspielen. Wenn dann auch noch die Märchen ihren sozialen, persönlichen und zutiefst menschlichen Anspruch verlieren und stattdessen dem Computerwahn verfallen, dann wird es ungeahnte Auswirkungen haben. Schon jetzt tun wir uns gegen die Computerspiele schwer. Wir haben doch auch eine erzieherische Verantwortung!“ Salamoni Salametti dachte an das Budget einer eventuellen Neuerung und sprach ein Machtwort. „Ihr wisst doch, wie schwierig es damals war,

Ritter in die Märchen einzubauen. Und ich finde, dass es kein Blockbuster werden kann, wenn man Prinzessinnen durch Roboter retten lässt. Soll die dann den Blechhaufen küssen und heiraten, ganz abgesehen davon, dass dann keine Kinder entstehen? Ich bitte abzustimmen.“ Es wunderte ihn nicht, dass der Antrag rundweg abgelehnt wurde.

Pinoccio freute sich: „Schuster bleib bei deinen Leisten“, seufzte er glücklich auf.

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Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
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MerleSchreiber Sehr amüsant geschrieben, auch inhaltlich sind wir beide da - mal ausnahmsweise ;-) - voll auf einer Linie. Ich befürchte nämlich, dass die Menschen nicht schlau genug sind, den technischen Fortschritt so zu nutzen, dass er in der Summe mehr nützt als schadet.
Liebe Grüße von Merle
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