Romane & Erzählungen
Abschied

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"Abschied"
Veröffentlicht am 17. September 2021, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland. Bisher veröffentlicht: Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und ...
Abschied

Abschied

Sie zog fröstelnd ihre Jacke enger um sich. Hier auf dem zugigen Bahnsteig pfiff der Wind um die Ecken. Wenigstens müsste sein Zug jeden Moment einfahren. 

Sie würden in ein Café gehen und dort konnte sie auftauen. Sie lächelte, obwohl ihr zum Heulen zumute war. Auftauen … ob sie jemals wieder auftauen würde. „Nein, dieses Mal nicht!“ Erst an den seltsamen Blicken, die ihr zugeworfen wurden, merkte sie, dass sie laut gesprochen hatte. Dabei hatte die Romanze so traumhaft begonnen. Mit einer zufälligen Begegnung im Chat room. Chatten aus Langeweile, einfach ein wenig unverbindlicher Small Talk,

vielleicht ein Flirt. Weder er noch sie waren wirklich auf der Suche. Aus der zunächst oberflächlichen Unterhaltung wurde bald echtes Interesse. Sie trennten sich mit einer virtuellen Verabredung: „Morgen, gleicht Zeit im selben Chatroom.“ Aus der einen Verabredung wurden viele, bald konnte sie es kaum erwarten, mit ihm zu plaudern. 

Dann die schüchterne Frage nach der Telefonnummer, doch sie war noch voller Misstrauen. Ihre Antwort: „Wenn du mir deine Handynummer gibst, dann rufe ich vielleicht mal an.“ 

Sie brauchte einige Zeit, bis sie ihm eine SMS schrieb. Er blieb geduldig, wartete, bis sie sich meldete, antwortete immer

sofort. Schließlich schienen sie alles voneinander zu wissen. Hatten Tausende von Sätzen geschrieben und sich hundert Mal virtuell umarmt. Hatten Fotos getauscht, waren sich auch hier auf Anhieb sympathisch. Natürlich war sie neugierig; wie mochte seine Stimme klingen? Irgendwann rief sie ihn nach einem längeren Geplänkel per SMS einfach an. Seine Stimme klang jugendlich, schließlich war er zehn Jahre jünger als sie. Das hatte sie gewusst. Er schien mit dem Altersunterschied weit weniger Probleme zu haben als sie. „Was soll’s, ich mag dich, ganz egal wie jung du bist“, das war sein Standardspruch. Nach dem ersten Telefongespräch war es

nicht mehr lange hin bis zu einem Treffen. Auch hier erkannten sie sich wieder. Er lebte 500 km weit weg, war beruflich viel unterwegs. Sie kamen so oft wie möglich zusammen. Ein Abenteuer: Liebe im Hotelzimmer, losgelöst von allen Alltagsproblemen, ohne Verantwortung. 

Doch nach und nach schlichen sich Bedenken ein. Sie wurde unsicher. So schön das Beisammensein mit ihm war, so kam es ihr mehr und mehr oberflächlich vor. Er lebte den Moment, ohne sich um die Zukunft zu kümmern. Alle Versuche über ihre Bedenken zu reden lachte und küsste er weg. „Lass uns jetzt leben, was später kommt – wen

interessiert das!“ So hatte sie sich nach und nach von ihm entfernt. Konnte sich nicht mehr fallen lassen. Hatte die Beziehung beendet und sich doch wieder mit ihm getroffen, denn er akzeptierte ihre Entscheidung nicht. Wollte nicht verstehen und ernst nehmen, faszinierte sie weiterhin mit seiner Unbekümmertheit. Sie seufzte unmerklich. Dieses Mal würde sie einen Schlussstrich ziehen. Die Ankunft des Zuges lenkte sie von ihren trüben Gedanken ab. Er sprang auf den Bahnsteig, eilte strahlend auf sie zu und nahm sie in die Arme. Einen Augenblick lang bekam sie weiche Knie, wollte ihm

durch den struwweligen Haarschopf fahren. Energisch rief sie sich zur Ordnung, löste sich von ihm. Er schien das nicht zu bemerken, legte einen Arm um sie und sprudelte los. „Mensch, Schnuckelchen, ich fahre nie wieder Bahn. So was Langweiliges. Ich werde mir gleich einen Leihwagen nehmen und mit dem dann zurück fahren. Ein Mist aber auch, dass das Auto ausgerechnet jetzt herumzickt, wo ich den Auftrag so gut wie in der Tasche habe. Ich …“ „Steven!“, sie unterbrach ihn. 

„Ja, ich weiß, ich rede wieder mal zu viel.“ Wieder zog er sie in die Arme, küsste sie mitten auf der Straße. 

„Ach Steven, du bist unverbesserlich“,

seufzte sie, nachdem sie wieder Luft bekam. „Wir müssen wirklich miteinander reden.“ Unvermittelt wurde er ernst, steuerte das nächstgelegene Café an, setzte sich schweigend ihr gegenüber. Sie fummelte an dem künstlichen Blumengesteck herum, das zwischen ihnen auf dem Tisch stand. „Schau, es geht nicht. Ich möchte so nicht weitermachen. Unverbindliche Treffen, wenn wir beide Zeit haben, Telefongespräche, aber eigentlich kein richtiges Zusammensein, Liebe auf Raten.“ Er schaute sie ernst an, hörte still zu, ließ sie reden. „Ich möchte jemanden, der für mich da ist …“ 

Noch immer sagte er kein Wort. Sie

verstummte, wusste selbst nicht mehr, was sie eigentlich sagen wollte. Alle klugen Sätze waren plötzlich aus ihrem Kopf verschwunden. 

Er schaute sie traurig an. „Ich glaube ich weiß, was du sagen willst. Aber ich bin noch nicht so weit. Wenn du mir nur Zeit lässt. Vielleicht später, irgendwann.“ 

Sie schaute weg, blinzelte die Tränen fort. Tief im Inneren hatte sie gehofft er würde auch an ein gemeinsames Leben denken. ‚Später irgendwann‘ das war ihr einfach nicht genug. „Ja dann, ich möchte nicht mehr warten. Dazu bin ich nicht jung genug. Aber darüber haben wir oft genug gesprochen.“ 

Auch er blinzelte den verdächtigen

Schimmer in seinen Augen weg, räusperte sich. „Wie soll es jetzt weiter gehen? Bist du hier hergekommen, um mich endgültig zu verlassen?“ Er schien sie in den Arm nehmen zu wollen. „Aber ich liebe dich.“ 

„Das ist mir nicht genug.“ Sie musste sich zwingen, vernünftig zu sein. Wusste nur zu genau, dass sie sonst niemals von ihm loskommen würde. „Ich sollte jetzt gehen.“ 

„O nein! Du wirst mich jetzt nicht einfach hier sitzen lassen. Das kannst du nicht tun!“ Er schaute sie fast trotzig an. „Wenn das so ist, dann fahre ich sofort wieder nach Hause! Mit dem nächsten Zug.“ 

Sie lächelte, trotz aller Traurigkeit, denn genau das passte zu ihm. „Was ist mit deinem wichtigen Kunden“, fragte sie sanft. 

„Der kann mich so was von am Arsch lecken!!!“ 

Alle Augen wandten sich ihnen zu. Man verfolgte interessiert, wie er aufsprang, seine Tasche packte und aus dem Café stürmte. Sie beeilte sich, um zu bezahlen, griff sich seine Jacke und eilte ihm hinterher. „Du hast deine Jacke vergessen, du Kindskopf und überhaupt wolltest du doch ein Auto mieten.“

Er schaute sie aufmerksam an. „Dieses Mal meinst du es ernst, nicht

wahr?“ Sie standen auf dem zugigen Bahnsteig und hielten sich gegenseitig fest. „Mir ist ganz kalt“, sagte sie leise. Er zog sie wortlos fester an sich. Sie kuschelte sich in seinen Arm. Nur nicht heulen, dazu würde später noch Gelegenheit genug sein. 

Der Zug hielt, er ließ sie zögernd los, trat von einem Bein aufs andere. Stieg schließlich ein, ohne etwas gesagt zu haben. Aber eigentlich war ja auch alles gesagt worden. Auf dem Nachhauseweg schaltete sie das Autoradio ein, Phil Collins sang: So you ‘re

leaving in the morning on the early train. I could say everything’s all right and I could pretend and say good-bye…*** Wütend wischte sie sich die Tränen ab. Warum tat es nur so verdammt weh, vernünftig zu sein ... *** Der Text ist aus dem Song „Cant Stop Loving“ von Phil Collins.

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Hörbuch

Über den Autor

AngiePfeiffer
Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland.
Bisher veröffentlicht:
Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften, sowie der Tagespresse.

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Valerina 
Wie soll man sich denn kennenlernen, 500 km Entfernung,
nur Telefonate und Wochenenden in irgendeinem Hotel.
Deine Protagonistin hat (für mich) richtig gehandelt, denn so ernst
bzw. so groß kann die Liebe von Steven nicht sein,
wenn er davon läuft, anstatt etwas ändern zu wollen :-)

Lieber Gruß
Valerie
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Valerie,
Fernbeziehung - das ist so ein Thema. Meistens geht es schief. Aber manche Pärchen kriegen das hin. Vielleicht kommt es auch darauf an, was man vom Anderen erwartet.
In diesem Fall war die Erwartungshaltung zu unterschiedlich.
Lieben Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße in deinen Tag
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
SaenaPJ Liebe Angie,
berührende Geschichte die auch auf anderes Übertragbar ist. Wenn wir etwas zwischen Herz und Verstand ausgleichen, um zum Entschluss dafür oder dagegen kommen.

Herzliche Grüße Petra-Josie
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Lieben Dank, Petra-Josie und schöne Grüße zu Dir.Angie
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Liebe Angie, obwohl Liebesgeschichten (wohl wegen meines Alters) nicht so meines sind. Diese hat mich dennoch in ihren Bann gezogen, denn sie istso gänzlich ohne Pathos und "Schmalz"geschrieben.. Hat mir gut gefallen.
Mehr kann ich nicht schreiben, mein Kater fordert Aufmerksamkeit und hat sich auf meinen Schoß und zwischen die Tastatur gedrängt.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Bärbel, da geht es dir wie mir. Liebesschnulzen müssen nicht sein.
Freue mich sehr über deinen Kommentar und schicke liebe Grüße
Angie
Und Gruß an den Kater ...
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Der Kater mag es gar nicht, wenn ich am PC sitze. Er springt dann immer auf den Computertisch , platziert sich vor den Bildschirm und ich muss ihn kraulen.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Liebe Angie, eine herrliche, zu Herz gehende Geschichte ist das.
Kenne ich irgendwoher. Viel Gefühl, hast du da reingepackt.
Herzschmerz pur.
Herrliche Grüße
Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Andrea,
Lieben Dank für den tollen Kommentar.
Stimmt, dies ist eine alte Geschichte, die ich hier schon mal eingestellt habe. Irgendwie ist sie abhanden gekommen ....
Liebe Grüße zu Dir
Angie
Hoffe es geht Dir gut!!!
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Ja schon liebe Angie.
Vor langer Zeit - Antworten
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