Humor & Satire
DIE ERSTE WAHL

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"... ist immer die schwerste."
Veröffentlicht am 07. September 2021, 14 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
... ist immer die schwerste.

DIE ERSTE WAHL

DIE ERSTE WAHL

Frau Makel, Klassenlehrerin der 3a an der Rudolf – Hampelnich – Schule in Berlin, betritt schwungvoll den Raum. Platziert ebenso schwungvoll ihre bunte Tasche auf dem Schreibtisch und sich selber gut sichtbar direkt davor.

„Guten Morgen, Kinder.“ Ruft sie mit vergnügter Stimme in den Raum.

„Guten Morgen, Frau Makel.“ Schallt es etwas weniger vergnügt zurück.

Nach dem üblichen Prozedere, Anwesenheitskontrolle, Einsammeln der Hausaufgaben, kommt Frau Makel auf einen fast schon in der Klasse vergessenen Punkt zu sprechen:

„Vielleicht haben es einige von euch schon vergessen, aber wir haben ja schon nächste Woche die Wahl zum Klassensprecher, oder Klassensprecherin. Denn bis jetzt haben sich nur zwei Jungs und ein Mädchen um dieses Amt beworben. Und um sich ausgiebig vorzustellen und um ein wenig Werbung für sich zu betreiben, machen wir jetzt in der ersten Stunde anstatt Mathematik mal einen Grundkurs in Sachen Demokratie.“

Etwa die Hälfte der Drittklässler richten

ihre Augen dankbar Richtung Zimmerdecke, die andere Hälfte gibt sich betont enttäuscht bis gelangweilt. Nur einer feixt.

„Also, dann wollen wir mal anfangen. Aus Gründen der Höflichkeit darf die Anna – Lena mal beginnen. Magst Du denn mal nach vorne kommen, Anna – Lena, um uns etwas über dich und deine Ideen für dieses Amt zu erzählen?“

Die Neunjährige gibt sich etwas verlegen, zuppelt nervös an ihrem sauberen Kleidchen herum, dann erhebt sie sich und geht etwas zögerlich nach vorne und nimmt Aufstellung vor der eingeklappten Tafel.

Anna – Lena B. - Ein aufgewecktes Kind

das immenses Interesse an ihrer Umwelt und an ihren Mitschülern zeigt, sehr kontaktfreudig und kommunikativ ist. Allerdings ist Anna – Lena leider negativ aufgefallen als sie bei einem Diktat mehrmals bei ihrer Banknachbarin abguckte.

„Hallo,“ sagt jetzt Anna – Lena, „Ihr kennt mich ja alle und wisst wer ich bin. Und auch das ich mich besonders für unsere Umwelt interessiere wisst ihr. Also wenn ihr mich wählt verspreche ich, mich besonders für einen sauberen Schulhof, die Toiletten und Klassenräume zu kümmern. Also... das die regelmäßig sauber gemacht werden. Und Tiere... um Tiere muss man sich ja

auch kümmern. Und nicht nur tot treten, wie der Achim immer. Und saubere Luft brauchen wir, sauberes Wasser und gesundes Essen. Darum würde ich mich kümmern, und natürlich müssen wir dann alle mithelfen, denn sonst schafft man das ja nicht, wenn ich denn gewählt werde.“

Ein paar Mädchen klatschen. Die Jungs nicht. Jungs wählen keine Mädchen. Beim Fußball nicht, und auch sonst nicht. Einer macht mit seinen Lippen laute Furzgeräusche.

„Das war sehr schön , Anna – Lena,“ sagt Frau Makel, „Du kannst dich jetzt wieder setzen. Und Du, Achim, hör auf mit dem Quatsch.“ Artig und mit leicht

rötlichen Wangen geht Anna – Lena wieder zu ihrem Platz.

„So, als nächsten wollen wir dann mal den Olaf hören was er uns so erzählen kann. Bitte Olaf.“

Olaf ist vorbereitet. Sicher und zielstrebig geht er mit seinem Spickzettel nach vorne, räuspert sich, stopft sein Hemd in die Hose damit er auch aussieht wie ein Erwachsener.

Olaf S. - Ein scheinbar sehr talentiertes Kind, dessen Interessen ziemlich breit gefächert scheinen. Doch wenn man genauer hinschaut fehlt ihm die tatsächliche   Begabung sich ernsthaft mit einem Thema zu beschäftigen. Er bleibt stets an der Oberfläche des

Erlernten, versteht es aber hervorragend dieses als tiefe Einsicht und Wahrheit zu verkaufen. Olaf ist dabei aufgefallen, dass er seine Hausaufgaben meist von älteren Mitschülern erledigen lässt, die er mit allerlei Gefälligkeiten für sich einnimmt.

„Tja, eigentlich hatte ich mich ja auf Mathe gefreut,“ beginnt Olaf seine kleine Rede, „Auch ich werde euch schon bekannt sein, nehme ich mal an. Ich habe mich hauptsächlich um diesen Posten beworben, weil ich der einzig Richtige dafür bin. Ich kann gut reden und verhandeln, das wisst ihr ja. Außerdem will ich das mal mit unserer Klassenkasse klären. Ich meine... das da

mehr reinkommt als gehabt. Das da alle n bisschen mehr einzahlen als bisher. Das geht, auch wenn eure Eltern keine Arbeit haben, oder sonst wie arm sind. Man kann sich ja immer was dazu verdienen, neben seinem Taschengeld. Denn die Klassenkasse wird ja immer leerer. Geburtstage, die anstehende Klassenreise, Ausflüge... alles wird teurer. Also wenn ihr mich zu eurem Klassensprecher wählt verspreche ich eine immer volle Kasse - und ich kann euch bei Mathe helfen.“

Donnernder Applaus. Pfiffe, Jubelrufe. Die Jungs kriegen sich kaum wieder ein. Die Mädchen hingegen bleiben skeptisch zurückhaltend. Nur eine schaut den Olaf

ganz verzückt an.

„Das war sehr Aufschlussreich, Olaf. Kannst dich wieder setzen. Und dann kommen wir auch schon zu unserem letzten Bewerber. Achim, kommst Du bitte nach vorne und erläuterst uns warum gerade du dich beworben hast?“

„Klar doch, Frau Makel.“

Um keinen Spruch verlegen hampelt sich Achim aus seiner Bank und stolziert geradewegs nach vorne, wo er sich gut sichtbar in Pose stellt.

Achim L. - Ein geradezu klassischer Fall von Klassenclown. Aufgrund seines offensichtlichen Mangels an Selbstbewusstsein sowie mangelnder Begabung in allen Fächern kompensiert

er dieses Defizit durch allerlei Blödsinn, Witzen und rüden überflüssigen Sprüchen gegenüber seinen Mitschülern und den Lehrkräften. Durch eine wohl angeborene „Bauernschläue“ versteht es Achim meisterlich andere – meist ältere – Mitschüler zu manipulieren und diese so auf seine Seite zu ziehen. Dies hat ihn mehrmals vor argen Auseinandersetzungen mit seinen Klassenkameraden geschützt.

„Moin Kameraden. Ihr kennt mich ja, und ihr wisst das ich halte was ich verspreche. Nun, wenn ihr mich wählen tut, wird ´s jeden Morgen n neuen Witz von mir geben. Übrigens... kennt ihr den schon? Geht n Cowboy zu Frisör. Kommt

wieder raus – Zack! Pony weg! Heheheheheeeee... Na ja. Geht besser, ich weiß. Aber das ist ja noch nicht alles. Denn wenn ich die Wahl gewinne kämpfe ich für weniger Hausaufgaben, weniger Klassenarbeiten und, vor allem, weniger Mathe. Braucht kein Mensch, nicht wahr!?“

Trotz seines Witzes und den vielen Versprechungen erntet Achim nur wenig Applaus. Das ist sicher auf die allgemeine Abneigung gegenüber ihm zurück zu führen. Achim geht trotzdem mit einem breiten Lächeln zurück an seinen Platz.

„Danke, Achim.“ Frau Makel fühlt sich nach all diesem kindlichen Zur – Schau –

stellen ziemlich gelangweilt. Sie sehnt sich nach einem Kaffee und einer Zigarette. Noch eine halbe Stunde bis zu ersten Pause. Sie hebt die Hand um die anbrechende Unruhe zu unterbinden.

„Dann machen wir mit Mathematik weiter, Kinder. Holt bitte eure Hefte raus.“

Sie holen die Hefte raus. Das meiste was sie vor wenigen Minuten gehört haben ist schon vergessen.



Text: harryaltona (2021)

Cover: Pixabay


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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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sugarlady Hab mich köstlich amüsiert. Auch ich, Stimme für Anna Lena.
Deine Geschichte, kommt locker und flockig rüber.
Mehr solche Geschichten aus dem Leben.
Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Immer gerne. Leider hat ´s für Anna - Lene nicht gereicht. Schade. Es bleibt also beim durchgelaberten Stillstand.
Tausend Dank, Andrea!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Daumen hoch für saubere KLos. Meine Stimme kriegt Anna Lena.
Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Na, da wird sie sich aber freuen. Und Achim schmollt, wie immer.
Tausend Dank, Kornblümchen!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Nettes Vexierbild, leeven Harry! Hauptsache, die unchristlichen Wiedergänger schmieren ab, den Rest kamma woll akzeptieren.

Danke für das Schmankerl
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Na, auf den gesunden Menschenverstand würde ich da nich setzen, aber hoffen wir mal...
Tausend Dank, Cassy!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Dieses ist an mir auch vorüber gegangen. War reserviert für die Lieblinge der Lehrerinnen. Da hatte ich keine Chance.
Tausend Dank, Annabel!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Annabel Klassensprecher - ein Amt, dass ich nie in meiner Wünsche aufgenommen habe. Ich bewundere jedes Kind, dass sich um diese Aufgabe bewirbt. Sehr gerne gelesen. Lieben Gruß an dich, Annabel
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Deine Wahlkampfgeschichte gefällt mir gut, Harry, ist klasse gemacht! Bei der aufgeweckten Anna -Lena (wie kommst du nur auf solche Namen? ;-)) müsste man noch aufpassen, dass sie sich nicht selber an den Prämiengeldern für die Putzkräfte bedient.
LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Wie ich auf solche Namen kommen? Sind doch die selben wie im echten Leben, nur die Figuren sind in klein. Aber genauso blöde.
Tausend Dank, fleur!!!
lg... harryaltona
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