Kurzgeschichte
"ULIVO" - Der Olivenbaum

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""ULIVO" - Der Olivenbaum"
Veröffentlicht am 25. Mai 2021, 30 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Wenn Gefühle einen übermannen, fällt es oft leichter seine Gedanken, Empfindungen oder die Phantasie in Worte zu Papier zu bringen.
"ULIVO" - Der Olivenbaum

"ULIVO" - Der Olivenbaum

Reise ins Ungewisse

Ich bin geboren, aus einem Olivenzweig, einem sogenannten Steckling. Mein Besitzer war der kleine hagere und ständig kränkelnde Junge Pontios, aus dem damals noch zum byzantinischen Reich gehörenden Griechenland. Bereits als Kind, wurde ihm beigebracht, wie Stecklinge gezogen werden, um neue Olivenbäume zu züchten. Dies war eine leichte Arbeit, die selbst Pontius ohne Schwierigkeiten meistern konnte. Da die Familie aber sehr arm war, wurde Pontios als jüngstes von 9 Kindern, in ein Kloster gegeben, um dort ein Leben als Mönch zu führen. Zu dieser Zeit, war

man dankbar wenn man auf diese Weise ein Kind, dass nur ein Esser mehr am Tisch war und nicht zur Arbeit taugt, los werden konnte. Pontios nahm, um eine Erinnerung an seine Familie zu haben, seinen ersten selbst gezogenen Olivenbaum, den er in einen Tontopf gepflanzt hatte, mit ins Kloster, und dass war ich. Noch bevor er mich aber in den Boden pflanzen konnte, ging unsere Reise bereits weiter. Pontius erwies sich zäher als gedacht. Es wurde eine sehr lange und anstrengende Reise, aber Pontius, sorgte gut für mich und die anderen Alberi di ulivo. Erhofft wurde, dass einige der Mönche im fernen Regnum Italicum, dem heutigen Italien,

welches zum heiligen römischen Reich gehörte, ein Kloster erbauen. Das unerschöpfliche Baumaterial, gab der steinige Boden auf dem Land her. Den geeigneten Platz, fanden die Mönche in der Nähe des Meeres. Ich habe also bereits in jungen Jahren, eine weite Reise hinter mich gebracht, bis ich dann neben vielen anderen meiner Art, meinen endgültigen Platz im heutigen Apulien oder Salento, wie die Süditaliener dieses schöne Fleckchen Erde nennen, gefunden habe. Salento, dass ist der ca. einhundert Kilometer lange und vierzig

Kilometer breite Landstrich im Stiefelabsatz Italiens.

Wurzeln in der neuen Heimat

Der noch immer jugendliche Pontios fand, bevor das Kloster erbaut war, einen wunderbaren Platz, auf einen mit Kräutern bewachsenen Stück Land. Nachdem das Land, welches von unzählbaren Steinen, die zum Bau des Klosters und der Mauern benutzt wurden, befreit worden war, fand ich hier mein neues Zuhause. Hier gab es Wiesen, mit wunderschönen unterschiedlichen Orchideen-Arten und massenhaft Kräuter, aus denen die Mönche Heilmittel herstellten. Als ich älter und größer war, konnte ich die Gegend noch besser überblicken. Ich befand mich oberhalb

des Meeres. Nicht weit entfernt, lag ein Wald mit Pinien und Kiefern. Zwischen mir und meinen Artgenossen, wuchsen Feigen und Rosmarinbüsche. Auf der anderen Seite, gab es in der Ferne einen Felsen, auf dem sich ein Leuchtturm befand und darunter lag ein langer Sandstrand, mit kristallklarem Wasser. Hier und dort lebten Bauern, aber im großen und ganzen, war das Gebiet eher spärlich besiedelt. Aber das, konnte ich erst Jahre später erblicken, als meine Wurzeln sich bereits im Boden ausgebreitet hatten und ich gewachsen war. Es war etwa 1200 nach Chr. als ich in den Boden, deren Herrscher die Sarazenen waren, gepflanzt wurde. Hier,

wo bereits Byzantiner, Normannen, Spartaner, Griechen, Römer, Osmanen und weitere antike Völker, gewesen sind oder noch hin kommen würden, hier sollte also meine neue Heimat sein.

Heimweh

Pontius, dem Knaben der mich hier her gebracht hatte, wurde kein einfaches Leben zuteil. Er war der jüngste seines Ordens und ein schmächtiges Kind, dass viel einstecken musste. Die anderen Mönche, waren nicht gerade nett zu dem armen Burschen. Sehr oft, wenn sie ihm allzu sehr zugesetzt hatten, setzte er sich Abends neben mich und weinte. Er sagte:" Ulivo, du bist das Einzige, was mir aus der Heimat geblieben ist. Wenigstens für dich habe ich einen schönen Platz gefunden. Er klagte mir sein Leid und umarmte meinen Stamm und das Einzige was ich tun konnte, war

ihm zuzuhören, schnell zu wachsen und Früchte zu tragen. Täglich brachte er Wasser, um mich und die anderen Bäume zu gießen. Da der Boden sehr reich an Mineralstoffen und allem war, was man sich als Olivenbaum nur wünschen konnte, belohnten wir ihn bereits nach ein paar Jahren, mit einer reichen Ernte.

Im Frühjahr, bekam ich meine ersten Blüten. Wenn mich die ersten Jahre, nur die vielen Vögel besucht hatten, so kamen in diesem Frühling, täglich Bienen, Schmetterling und andere Insekten und trugen den Blütenstaub von Blüte zu Blüte. Als meine Blüten dann abfielen, zeigten sich die ersten kleinen Früchte und die Oliven fingen an, an

meinen Zweigen zu wachsen. Ich war so stolz. Noch waren es nicht viele, aber im Laufe der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte, trug ich eine bemerkenswerte Ernte an meinen Ästen. Zunächst waren sie grün, dann zu Beginn des Sommers, wurde ihre Farbe rötlich und zum Ende des Herbstes wurden sie schwarz. Als die ersten Oliven reif waren, fielen sie ab, oder wurden von Pontius, der ein junger Mann geworden war, voller Stolz aufgelesen oder gepflückt. Er brachte damals einen Jungen mit, der etwa genauso alt war, wie er selbst vor ein paar Jahren, als er mich hier her gebracht hatte. Sein Name war Claudius. Ein dürrer Junge, der sich

mit Pontius an besonders heißen Tagen, mit Tongefäßen abschleppte um die jungen neuen Olivenbäume zu gießen. Pontius erzählte Claudius, von der Zeit als er und ich hier her gekommen waren und er erzählte ihm auch, dass wenn er mal Sorgen oder schlimmes Heimweh hatte, mit ihm "Ulivo" geredet hat, er bot ihm aber an, dass Claudius auch zu ihm kommen könne, wenn er mal sein Herz ausschütten wolle.

Zeit

Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen, und der Ulivo bekam immer wieder neue Besitzer. Mal saßen Mädchen in langen Kleidern, mit Tüchern um ihren Köpfen und Jungen in Leinen und Hanf gekleidet, unter seiner Baumkrone, mal waren es Junge und Alte in Schafwollkleidung, oder auch Mädchen mit weißen Schürzen, die die Ernte machten. Oft waren es auch Alte mit gegerbten, faltigen Gesichtern, die mit Reisigbesen gegen meine Äste schlugen, um meine Oliven herunter zu schütteln. Sie zeigten den nächsten Generationen, wie meine Früchte

geerntet werden. Immer wieder einmal, wanderten Menschen vorbei, und nicht alle redeten in der selben Sprache, die der Baum gewohnt war. Ich bin inzwischen etwa 500 Jahre alt. Heute kommt täglich ein Franziskanermönch vorbei und schüttet mir sein Herz aus, nichts ahnend dass es ein Basilianer Mönch aus Griechenland war, der mich vor einigen Jahrhunderten angepflanzt hat und mir genau wie er, sein Herz ausgeschüttet hat. Die Kleidung der Menschen änderte sich, aber der Olivenhain, blieb immer der Gleiche. Aber auch ich hatte mich geändert.

Mein Stamm war inzwischen gekrümmt, als würde er sich um sich selbst winden

und war um ein vielfaches breiter geworden. Auch wenn ich Jahr für Jahr, einen lebenslangen Kampf gegen Hitze und Wind führte, so waren sie doch meine Freunde, die Sonne, das Meer, die Wolken und der Wind. LU SULE, LU MARE, LU NUVOLE E LU IENTU.

Achthundert Jahre

Inzwischen bin ich im zwanzigsten Jahrhundert angekommen und zähle etwa achthundert Jahre. Ich bin sehr groß und breit geworden, und von den kleinen Ablegern zu meinen Füßen, wurden schon unzählige neue Olivenbäume gezogen. Nun, wo sich seit Jahren meine Äste ausgebreitet haben und riesige Schatten werfen, wo die Arbeiter ihre Pause machten, trafen sich auch ab und zu Pärchen unter meinen Zweigen. Meistens schenkte ich ihnen aber keine Beachtung. Hin und wieder, versuchte einer seine Initialen in meine Rinde zu ritzen, da wünschte ich mir vor Lachen

meine Äste schütteln zu können. Ich bin nun etliche hundert Jahre alt und meine Rinde ist knochenhart, der Versuch meiner Rinde Schaden zuzufügen, ist also ein sinnloses Unterfangen. Eines guten Tages, beschloss eine Füchsin unter meinen Wurzeln ihren Nachwuchs zu bekommen. Zurück geblieben, ist nur das Loch ihres Fuchsbaus. Vor einiger Zeit, hatte ich wieder einmal einen neuen Besitzer bekommen. Mittlerweile, war der Olivenhain in fünfter Generation im Besitz einer fleißigen Familie. In der ersten Generation der Familie, gab es eine junge Frau, die wohl mein Leben gerettet hat. Es war ein Sommer, wie ich ihn so heiß noch nie erlebt hatte. Kein

Tropfen Regen fiel und auch die Bevölkerung ächzte unter der Hitze. Das Holz meiner Rinde war pulvertrocken und meine Oliven fielen schon im Sommer von den Ästen, welche aufgrund der Hitze keine Kraft hatten, die Früchte zu halten. Sie stritt mit ihrem Vater darum, uns das knappe Wasser geben zu dürfen. Aber ihre Argumente, dass sie alle ja schließlich von unserem Öl lebten und wenn wir vertrocknen, es Jahre brauchen würde, bis neue Bäume 🌳 eine Ernte abwerfen, ließ er sie gewähren. Jeden Tag kam sie und schleppte in Holzeimern Wasser zu uns. Zu mir sprach sie ab und zu und machte mir Mut durchzuhalten. Mir schüttete sie das

Wasser in den Fuchsbau, so dass es schnell zu den Wurzeln gelangen konnte, aber viele anderen meiner Art, haben diesen Sommer nicht überlebt. Jetzt Jahre später, kam ein Nachfahre der jungen Frau, mit seiner Familie zur Ernte. Ich kannte ihn schon als Kind, aber inzwischen war er selbst schon Vater und hatte seine keine Tochter dabei. Das kleine Mädchen, versuchte es seinen Eltern gleich zu tun. Mit einem großen Besen mühte sie sich ab, meine Oliven zu einem Häufchen zusammen zu fegen. Erschöpft, lehnte sie sich am Mittag an meinen Stamm, in den Schatten. Plötzlich streichelte sie meine Rinde. Sie sagte:" Ulivo, du scheinst

sehr alt zu sein. Deine Rinde sieht aus wie die Haut meiner Bisnonna ( Uroma). Meine Bisnonna ist schon fast Hundert. Ulivo, bist du auch schon so alt? Sie war der vierte Mensch, der in all den Jahren mit mir sprach und ich fühlte mich glücklich. Sie erzählte von der Schule und dass sie die Arbeit bei den Oliven, mehr mochte als ihr großer Bruder. Er interessierte sich nicht, er wollte lieber in den Norden wenn er groß war und dort arbeiten. Er fand die Arbeit als Olivenbauer zu mühsam, sie aber nicht. Sie liebte die Arbeit auf dem Feld, dass Gezwitscher der Vögel während der Arbeit und den Stolz zu sehen, wozu Mutter Erde fähig war. Sie sagte: "Ich

mag deine Rinde. Meine Bisnonna hat mir gesagt, dass jede Falte ihre Geschichte hat und sicher hast auch du viel erlebt". Dann mit einem Mal, entdeckte sie einige graue trockene Äste in meiner Baumkrone. Sie rief plötzlich ganz verzweifelt nach ihrem Vater. Papa, Papa komm schnell, ich glaube der Baum ist krank. Ich dachte mir" Warum sollte ich krank sein? Es kam immer wieder mal vor, dass einige meiner Äste trocken wurden. Mir war aber auch schon aufgefallen, dass seit einiger Zeit, immer mehr Bäume keine Früchte mehr trugen und ganz grau und trocken wurden, aber ich war noch voller Oliven.

Gleich darauf erschien ihr Vater. Er

untersuchte meine Äste und meinen Stamm und sah immer verzweifelter aus.

Ich hörte, wie er zu einem seiner Männer sagte "Verdammt, jetzt hat dieser verdammte Xylella Virus auch ihn erwischt". Er ist der älteste und am besten tragende Baum den wir besitzen. Das kleine Mädchen fing an zu weinen und fragte:" Was ist ein Virus? Ich hörte ihren Vater sagen, dass dieser Virus ein Feuervirus ist. Es ist, als verbrennen die Bäume von innen und trocknen dann aus. Ich war inzwischen genauso verzweifelt wie das kleine Mädchen. Ich hatte so viele Jahrhunderte, gegen Wind und Wetter getrotzt und nun gab es da etwas, was man Xylella nennt und mein Leben

sollte vorbei sein? Ich hörte noch, wie einer der Arbeiter sagte, es gebe jetzt eine Methode mit Kälte, um gegen das Virus anzukämpfen. Dem Baum würde für kurze Zeit eine Kuppel übergestülpt und unter der Kuppel, soll es eisig kalt sein. Das soll bewirken, dass das Virus abstirbt. Alle überlegten lautstark, wie das funktionieren soll, da meine Krone doch sehr breit ist? Da sagte das kleine Mädchen:" Schneidet doch die Äste von der Krone ganz kurz, dann passt das auch. Wenn meine Haare zu lang und zu dick werden, schneidet Mamma die auch immer und dann passt auch meine Mütze wieder. Die Männer lachten, aber nach und nach breitete sich Erstaunen auf

ihren Gesichtern aus. Ja, genau dass ist es, rief ihr Vater glücklich aus. Genauso machen wir es. Nach der Ernte wurde ich also zurück geschnitten und diesmal radikaler, als es sonst der Fall war. Inzwischen merkte ich aber auch, dass etwas mit mir nicht stimmte. Mir war innerlich so heiß und ich hoffte, dass mich das Experiment mit der Kuppel, was auch immer das sein mochte, retten würde. Viele andere Bäume, die das Virus nicht überlebt hatten, waren bereits aus dem Boden gezogen und entfernt worden. An ihrer Stelle, standen schon jede Menge kleine Bäume, solche wie ich vor achthundert Jahren einer war. Von meinen Ästen blieben nur kurze Stumpen

zurück. Ich fühlte mich nackt. Nur noch mein Stamm erinnerte an einen Ulivo und dann kam ein Bagger der mir etwas überstülpte. Es wurde kalt, so kalt wie es noch nie erlebt hatte und die Kälte zog bis tief in meinen Stamm und jede Faser. Ich merkte wie die Hitze erstarb und nach einiger Zeit, hob sich die Kuppel. Die Sonne lachte mich an und der Wind streichelte meinen Stamm. Nach einigen bangen Wochen, merkte ich wie meine Kraft zurück kam und ich merkte wie mir feine neue Äste wuchsen, die nach und nach kräftiger wurden und Blätter bekamen und im Frühjahr zeigten sich an ihnen auch wieder die ersten Blüten.

Ende gut, alles gut.

ICH HABE ÜBERLEBT.... UND WERDE WENN GOTT WILL, NOCH EIN PAAR ERTRAGREICHE JAHRE AUF DIESER ERDE HABEN.

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Lafelice
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