WELLENBRECHER
Eine Pandemie Geschichte
Wir fahren Richtung Sonnenuntergang. Trautmann sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz. Gerade hat er einen faden Witz über infizierte Muschis zum Besten gegeben. Ich lass es ihm durchgehen. Es ist sein erster Tag bei der Truppe. Trautmann kommt frisch von der Akademie. Trautmann versucht seine
sichtbare Nervosität und Unsicherheit durch müde Späße zu überspielen. Soll er ruhig machen. Solange er funktioniert wenn ich ihn brauche kann er machen was mich nicht allzu sehr nervt.
Links von uns befindet sich ein ausgedehntes Industriegebiet. Lichter flackern im Dämmerlicht, dumpfes Grollen ist zu hören.
Gerade als Trautmann es mit einem weiteren dämlichen Witz versuchen will, kommt eine Meldung über Intersprech rein:
„Peter 4/13... Peter 4/13...!“
„Schnauze Trautmann!“ Muss ich ihm erst sagen, dann:
„Hier Peter 4/13. Bereit zum Empfang.“
„Westlich von Ihnen etwa 4 Kilometer sicherer Virenträger, möglicher Superspreader, Abschuss genehmigt. Achten Sie auf Abstand!“
„Verstanden. Sind unterwegs.“
Ich nehme die nächste Ausfahrt, beschleunige. Trautmann klammert sich an die Griffe. Trautmann wirkt bange hinter seinen Pickeln.
Nach ein paar Minuten mach ich langsamer. Unser Voltwagen surrt, ich schalte den Sucher ein. Das Dashboard blinkt und sirrt. Ein grüner Punkt wird sichtbar, bewegt sich langsam rechts von uns.
Offene Baustellen säumen den Weg. Ich parke neben ein paar nackten
Betonwänden, steige aus. Trautmann fummelt mit seinem Gurt rum, kommt nicht in die Gänge. Ich schleiche vorwärts, bereit für alles was da kommen mag. Nach 50 Metern sehe ich ihn.
Er hockt vor einem winzigen Feuer, auf dem eine Dose Bohnen balanciert. Eine schäbige Gestalt, langhaarig, ausgezehrt. Unterdrücktes Husten, seine schmalen Schultern beben. Ich arbeite mich lautlos an ihn ran. Der Seuchenvogel hat noch nichts bemerkt.
Trautmann erscheint hinter mir. Trautmann ist LAUT! Der kümmerliche Virenverteiler bemerkt uns, springt auf, versucht zu flüchten. Ich ballere ihm eine fette Schrotladung in den Rücken.
Seine Kleidung explodiert, Blut spritzt, Fleischfetzen fliegen. Die Gestalt purzelt in den Dreck. Trautmann hält sich die Ohren zu, schluckt, und kotzt auf seine Schuhe. Ich nehme ihn mir zur Brust:
„Das war Scheiße, Trautmann, zu laut, zu langsam und das Kotzen kannst ´e dir für später aufheben. Zieh deine Schutzkleidung an, dann darfst ´e zur Belohnung den Typen eintüten und verstauen. Ich übernehme den Rest. Und guck nich so bescheiden. Passiert jedem Neuling!“
Damit marschier ich zurück zum Volti, hänge mich an ´s Intersprech:
„Peter 4/13. Bestätige sicheren Abschuss. Restmenge wird abgeliefert.
Personal wohlauf.“
Ein Knistern, ein schwaches „Okay.“ Das Dashboard spuckt die Daten des Seuchenvogels aus: Ein üüüüüüübler Spreader. Langjähriger Impfverweigerer, Organisator dutzender illegaler Fetisch – Feten. CoVid – Eldorados mit garantierter Ansteckung.
Jetzt ist er Mus. Fleischsalat. Und ich sacke ne fette Prämie ein.
Ich weiß was Sie jetzt denken: „Was für ne überaus beschissene Art sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen!“
Aber klar doch. Ich würde ja gerne etwas anderes arbeiten. Doch bedenken Sie: Wir sind vollständig
Krankenversichert, ausgestattet mit fristlosen Arbeitsverträgen, und wir dürfen ungestraft übles Gesindel umbringen!
Wer träumt nicht heimlich von so einem Job?
Ich jedenfalls nicht. Damals, während der ersten Welle der Pandemie, hatte ich gerade die Schule beendet. Mit einem frischen Abiturzeugnis machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Studienplatz. Ich suchte etwas im Bereich Maschinenbau, wollte Ingenieur werden. Das hatte mich schon immer interessiert. Doch die Angebote waren Pandemie – bedingt rar. Präsenzuntericht untersagt. Ein paar Online – Kurse im
Angebot. Ich verzichtete. Stattdessen suchte ich etwas mehr Praxisorientiertes. Eine ganz normale Lehrstelle. Doch auch hier Fehlanzeige.
Was macht also ein junger energiegeladener Mann dessen Träume sich gerade in Luft auflösten?
Keinen Schimmer. Doch ich verkroch mich in meiner ersten gemieteten Bude, aß billigen Tiefkühlfraß, und spielte nächtelang Videospiele. Nebenbei verfolgte ich mit wenig Interesse die Auswirkungen der CoVid – Pandemie. Besagte Pandemie wurde zuerst nicht wirklich ernst genommen. Eine Menge Menschen starben, noch mehr erkrankten schwer, Intensivstationen waren
überfüllt. Kein Heilmittel in Sicht.
Viel zu spät ergriff die Regierung Gegenmaßnahmen. Grenzen wurden geschlossen, Internationale Flüge gestoppt, hastig wurden Notfallpläne erlassen. Es folgte ein erster Lockdown. Geschäfte wurden geschlossen, Bars und Restaurants ebenso. Ganze Betriebe wurden dicht gemacht. Menschen wurden angehalten nicht zu reisen, sich von anderen Menschen fern zu halten, und sich möglichst oft die Hände zu waschen!
Jedoch nicht lange genug. Mächtige Interessenvertreter der Industrie, des Handels und Dienstleister machten Druck auf die Regierenden. Diese zögerten,
diskutierten, berieten, prüften. Ohne wirklichen Plan, ohne echtes Konzept. Man befragte Experten und wartete einfach ab.
Die Zahlen der Infizierten gingen zurück. Inzidenzen sanken, Kranke wurden gesund. Die Lage schien sich zu normalisieren. Kurzerhand lockerte man die Maßnahmen wieder. Betriebe fuhren wieder hoch, Geschäfte öffneten, Reisen waren wieder möglich.
Das Volk feierte. Das Volk übertrieb es.
In kürzester Zeit stiegen die Zahlen wieder. Noch mehr Infizierte, noch mehr Tote. Die Lockerungen mussten zurück genommen werden.
Das Volk murrte. Das Volk wurde widerspenstig.
Und wurde mit halbherzigen Versprechen der Politik ruhiggestellt. In Windeseile wurden Impfstoffe entwickelt. Getestet. Zugelassen. Eine Meeeega – Impfkampagne wurde angesagt. Schlecht organisiert, schlecht durchgeführt. Das Volk hatte Angst vor Nebenwirkungen. Das Volk wurde hingehalten.
Inzwischen hatten sich seltsame Gruppierungen gebildet: Regierungsgegner, Neo – Faschisten, Impfgegner, Reichsbürger, Esoteriker, Nationalisten, notorische Nörgler und Spinner, sogenannte Querdenker, formierten sich zu einem gefährlich
unkontrollierten Block, der sich von absurden Verschwörungstheorien leiten ließ.
Es gab Demonstrationen, heftige Zusammenstöße, Bullen gegen Krawallmacher. Beide Seiten bezogen heftige Prügel. Das Volk lachte sich schlapp. Das Volk machte Party.
Noch mehr Tote, noch mehr Infizierte, noch mehr Schwerkranke. Weltweit. Regierungen appellierten an die Vernunft und den gesunden Menschenverstand.
Das Volk feixte.
Und bekam den nächsten Lockdown verordnet. Nächtlicher Hausarrest, Null Reisen, Null Bewegung, Null Kontakt. Bis zur nächsten Lockerung.
Das ganze zog sich jahrelang hin. Welle folgte auf Welle. Eine Lösung des Problems weiterhin nicht in Sicht. In den Korridoren der Macht spielte man wie immer Wahlkampf, zettelte Intrigen an, streute Gerüchte, und füllte sich nebenbei die Taschen mit allerlei illegaler Geschäfte.
Das Volk hatte endgültig die Schnauze voll.
Und nicht nur das Volk.
Ein Konglomerat aus mächtigen Wirtschaftsbossen, Großaktionären und Einflussreichen Investoren hatten ebenso die Schnauze voll. Und beschlossen das es Zeit für einen radikalen Wechsel war. Heftige Aufstände wurden heimlich
finanziert und organisiert. Zeitgleich Medienkampagnen gestartet. Polizei und Armee unterwandert. Eine Revolte blieb unausweichlich.
Das Volk jubelte. Das Volk lief Amok. Regierungsgebäude wurden gestürmt, in Brand gesetzt. Alteingesessene Polit – Bonzen wurden gejagt, einige gefangen, geschändet. Und ohne Prozess auf öffentlichen Plätzen gehängt. Die neuen Herren befanden das es jetzt genug sei. Polizei und Armee wurden in Stellung gebracht. Nach kleineren Scharmützeln beruhigte sich die Lage zusehends.
Eine neue Regierung wurde präsentiert: Heimlich im Schatten produzierte Polit – Marionetten, die genau wussten wem sie
ihre Jobs zu verdanken hatten, übernahmen offiziell ihre Ämter. Und verkündeten sofort einen rigorosen Kurswechsel in Sachen Pandemie: Radikale Ausmerzung war jetzt angesagt. Schluss mit diesem ewigen hin und her. Das Volk braucht gesunde Sicherheit. Das Versprechen: Wir kümmern uns darum! Hintergrund: Die Lohnsklaven sollen zurück an die Werkbänke. Keine weiteren Unterbrechungen der Produktivität, egal ob Pandemie oder andere Ablenkungen!
Das Volk jubelte und kapierte nichts. Und marschierte zurück an die Arbeit.
In aller Eile und Verschwiegenheit wurde eine neue Abteilung gegründet.
Angegliedert an ´s Gesundheitsamt, finanziert durch schwarze Kassen und Zuwendungen großzügiger Industrievertreter. Weisungsbefugt sind lediglich der Abteilungsleiter, der zuständige Minister, sowie Stellvertreter. Offizieller Name: „Abteilung Volksges. II/7“ Offizieller Zweck: „Schutz der Zivilbevölkerung durch Gesundheit gefährdende Viren, Bakterien, und andere Zellgebilde!“ Inoffizieller Zweck: Radikale Ausmerzung aller Virenträger/Impfgegner/Unruhestifter.
Inoffiziell werden wir Wellenbrecher genannt. Manchmal auch CoVid – Killer. Albern, ist ja auch nur ne Arbeit. Wenigstens gut bezahlt, und versichert.
Ich hatte mich als einer der Ersten beworben. Was hätten Sie getan?
Text: harryaltona (2021)
Cover: Pixabay