Kurzgeschichte
Allein im Moor

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"Allein im Moor"
Veröffentlicht am 19. Oktober 2020, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Was gibt es über mich zu sagen....? -Ich gebe mir Mühe, ein guter Mensch zu sein, was jedoch längst nicht immer gelingt..... -Ich hab lange gebraucht, um so zu werden, dass ich mich mochte. -Und ich habe ständig das Gefühl, im falschen Film zu sein. . -Und ich hab ständig das Gefühl, im falschen Film zu sein!
Allein im Moor

Allein im Moor

Allein im Moor geschrieben von Flint begonnen am 21.06.2020 um 00.03 Uhr Es war bitterkalt. Weit unter 0 Grad Celsius. Doch die Nacht war sternenklar. Die eisige Luft verursachte einen ganz besonderen Schimmer um den Mond, der voll und rund am Himmel stand. Es war gegen 23.00 Uhr, als ich das Haus meiner Freunde nach einem gemütlichen Abend bei Glühwein, gutem Essen und angeregter Unterhaltung verließ. Ich hätte bei Ulrich mitfahren können, aber ich zog es vor, zu Fuß nach Hause

zu gehen. Ich freute mich auf den Weg, denn er führte einmal quer durchs Dosenmoor. Ich war die Strecke schon etliche Male gelaufen, auch bei Dunkelheit, also machte ich mir diesbezüglich keinerlei Sorgen. Auch die Kreuzottern, die es dort in großer Zahl gab, waren um diese Jahreszeit längst in Winterstarre gefallen. Lächelnd erinnerte ich mich, wie ich einmal fast auf eine dieser selten gewordenen Schlagen getreten war und an mein Erstaunen, als jener „Ast“ sich plötzlich bewegte und im trockenen Buschwerk, welches die meisten Pfade dort säumte, entschwand. Kreuzottern waren zwar nicht soooo

giftig, aber ihr Biss sehr schmerzhaft und konnte, unter ungünstigen Umständen, durchaus zum Tode führen. Doch bei diesen Temperaturen war die Gefahr sehr gering. Das Dosenmoor bei Neumünster war schon sehr alt und trocken. Hier wurde Torf abgebaut. Ich hatte das tatsächlich auch schon einmal getan, um mir ein Mofa leisten zu können. Aber es kam anders. Wie so oft... Egal. Das war lange her. Ich machte mich also im silbrigen Licht des Vollmondes auf den Weg. Vor mir lag etwa eine Stunde Fußmarsch. Ich war nicht unbedingt geeignet gekleidet, aber der Glühwein und die Bewegung

würden mich schon warm halten, da war ich sicher. Ich kannte das Moor wie meine Westentasche. Was sollte schon schiefgehen? Unbekümmert ging ich los. Die Luft war klirrend kalt, aber wunderbar klar. Der Sternenhimmel wunderschön. Das Band der Milchstraße faszinierte mich jedes Mal. So ohne die Lichtverschmutzung der Stadt war das ein märchenhafter Anblick. Ich atmete tief und beglückwünschte mich zu der Entscheidung, durch das Moor zu gehen. Es wurde kälter, also beschleunigte ich meinen Schritt. Dann zog Nebel auf. Bodennebel. Zuerst fand ich es toll. Fast wie in einem alten Edgar Wallace-Film. Die Moorlandschaft, flach, dunkel, mit

Krüppelkiefern und hohem, trockenen Gras, das Mondlicht, die Stille, die Einsamkeit, das Knirschen der trockenen Vegetation unter meinen Füßen... Das alles produzierte ein ganz besonderes Ambiente. Fehlte nur noch Wolfsgeheul in der Ferne. Ich blickte in die Runde. Nirgendwo waren irgendwelche Lichter zu sehen. Dann begann es zu schneien. Schwere, große, nasse Flocken klatschten mir ins Gesicht. Vielleicht hätte ich doch mit Ulrich fahren sollen. Durch meine forsche Gangart war ich ziemlich durchgeschwitzt, das begann sich jetzt nachteilig auszuwirken. Mir wurde ernsthaft

kalt. Der Schnee fiel immer dichter. Verdammt! In welche Richtung musste ich gehen? Es dauerte noch einige Minuten, bis ich mir eingestand, dass ich in Schwierigkeiten war. In ernsten Schwierigkeiten! Ich war orientierungslos mitten im Moor. Hatte den Weg verloren. War es kalt genug, dass die Sumpflöcher zugefroren waren? Ich hoffte es, aber ich war nicht sicher. Tagsüber war das Dosenmoor ein wunderschöner Ort, ein Naherholungsgebiet. Aber jetzt? Bei Dunkelheit und Schneetreiben, das immer noch dichter wurde? Ich begann mir Sorgen zu machen. Ach was, Sorgen...

ich bekam Angst! Ich versuchte, Ruhe zu bewahren, doch in einer dunklen Ecke meines Bewusstseins sah ich mich in einem jener Sumpflöcher verschwinden – auf Nimmerwiedersehen. Die Schneeflocken fielen inzwischen so dicht, dass ich den Mond nicht mehr sehen konnte. Nur ein diffuses Lichte setzte mich in Stande, wenigstens ein paar Meter weit zu sehen. Die dunklen Formen der Büsche wurden zu bizarren Gestalten, die mich zu beobachten schienen. Ich wehrte mich dagegen, doch ich begann, mir einzubilden, dass sie nach mir greifen würden, wenn ich ihnen zu nahe kam... Ich fühlte Panik in mir aufsteigen und,

einem Impuls nachgebend, rannte ich los. Doch ich kam nicht weit. Ich blieb mit meinem Fuß irgendwo hängen und schlug lang hin. Platsch! Ein unbeschreiblicher Schrecken durchfuhr mich... Nun war es passiert! Ich würde hilflos und alleine im Moor versinken! Es dauerte einige Herzschläge, bis ich begriff, dass es nur eine Pfütze war. Ich lachte, beinahe hysterisch, doch dann rappelte ich mich auf. Jetzt war ich auch noch klatschnass und es wurde ernsthaft kalt! Dann tat ich etwas, was ich noch nie zuvor in meinem Leben getan hatte: Ich schrie um Hilfe! Doch so laut ich auch brüllte, der dichte Schneefall schluckte

jeden Laut und ich wusste es. Dennoch rief ich weiter. Ich hatte wirklich Angst, war panisch, wusste nicht weiter! Ich würde hier draußen entweder erfrieren oder in einem der tückischen Moorlöcher verschwinden! Meine durchgeschwitzte Kleidung begann steif zu werden. Meine Nase lief und die frostige Luft, die ich bei meinem Geschrei eingeatmet hatte, verursachte Halsschmerzen. Ich begann mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass ich sterben würde. Ich versuchte, mich zusammenzureißen. Das Moor war nicht so groß. Wenn ich einfach geradeaus weiterging, würde ich es auf festem Boden schaffen. Doch was

würde mir das nützen? Das Dosenmoor war umgeben von Feldern und Koppeln. Es war nicht von Dörfern gesäumt. Es wäre reine Glückssache gewesen, bei Dunkelheit und Schneetreiben einen der wenigen Bauernhöfe oder -häuser zu finden und nicht daran vorbei zu irren. Doch würde ich überhaupt so weit kommen? Ich begann die Unterkühlung zu spüren. Meine Muskeln begannen zu zittern und ich wurde müde. Soo müde. Und dann sah ich sie... Zuerst dachte ich, meine Sinne spielten mir einen Streich. Irgendein Busch, der in dem unwirklichen Licht aussah wie eine Frau in einem langen Mantel. Doch Büsche hielten keine Laternen,

oder? Dennoch brauchte ich einige Sekunden, um zu akzeptieren, dass dort tatsächlich jemand stand und eine Laterne hielt. Eine Frau in einem dicken, dunklen, langen Mantel. Aus der Kapuze, die ihr Gesicht beschattete, fielen lange, blonde Haare. Vielleicht waren sie auch weiß, aber es war unmöglich, das genau zu sagen. Sie vollführte eine schwungvolle Geste mit ihrer Laterne, wandte sich um und setzte sich in Bewegung. Ich wollte etwas rufen wie: „Warten Sie!“ oder etwas Ähnliches, aber ich brachte nur ein Krächzen heraus. Die unbekannte Frau sah sich nicht nach mir um, sie ging einfach weiter und ich

stolperte hinterher, bemüht, sie im dichten Schneetreiben nicht aus den Augen zu verlieren. Es kostete mich meine ganze Kraft, nicht zurückzubleiben. So folgte ich ihr zähneklappernd, zitternd, durchnässt und völlig am Ende. Sie ging unbeirrt aufs Geratewohl weiter. Wie lange oder wie weit? Ich weiß es nicht. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Und dann sah ich Licht! Ja, das waren ohne Zweifel ein paar Fenster, aus denen ein milder, gelblicher Schein in den immer noch dicht fallenden Schnee fiel. Ein ganzes Gebirge fiel mir vom Herzen. Ich würde es schaffen! Die seltsame Frau, die aus welchem Grund

auch immer, nachts in eisiger Kälte und Schneetreiben im Moor spazieren ging, hatte mich gerettet! Ich beschleunigte meinen Schritt. Ich wollte, musste so schnell es ging, ins Warme. Mein linker Fuß hakte sich irgendwo fest und ich fiel zum zweiten Mal lang hin. Fluchend rappelte ich mich wieder auf. Und die Frau war weg. Sicher war sie schon hineingegangen. Endlich erreichte ich das Haus, welches sich als eine kleine Kneipe entpuppte. Ich erinnerte mich, schon einmal hier gewesen zu sein. War auf der anderen Seite nicht ein Minigolfplatz? Und gleich dahinter die Landstraße von Einfeld nach

Neumünster? Ich stieß die Tür auf, die Gott sei Dank unverschlossen war, und wankte in die Schankstube. Vier Personen waren anwesend. Drei Männer mittleren Alters und eine junge Frau hinter dem Tresen. Von der Unbekannten mit der Laterne keine Spur. Ich wurde aufs Gastlichste willkommen geheißen und bekam zunächst einmal einen großen Becher Glühwein in die Hand gedrückt. Dankbar nahm ich einen großen Schluck. Es war ein guter Schuss Rum darin, aber das tat so gut... Nachdem ich mich einige Minuten lang aufgewärmt hatte, berichtete ich, was ich erlebt hatte und fragte

selbstverständlich nach dem Verbleib meiner Retterin. Vielleicht war sie auf der Toilette oder so. Die Anwesenden tauschten wissende Blicke. Einer der Männer gab mir einen Wink, zu ihm ans Fenster zu kommen und wies nach draußen. „Sehen Sie die Fußspuren?“, fragte er mich. Ich nickte. Ich sah ganz deutlich Fußabdrücke, die bereits vom immer noch fallenden Schnee zugedeckt wurden. Meine Fußabdrücke. Nur meine! Der Mann ergriff meinen Ellenbogen und führte mich zu einer der Wände, die mit gerahmten Fotografien zugehängt war. Und da war sie! Ohne Zweifel! Derselbe

Mantel, die Statur, die langen Haare. Am unteren Rand des Fotos der Name des Fotografen und die Jahreszahl: 1911! „Was...? Wie...?“, stammelte ich. „Das ist Gesa Jensen!“, erklärte der Mann „Meine Urgroßmutter! Die Kneipe hier hat einmal ihr gehört! Eines Nachts, es war eine Nacht wie diese, meinte sie, jemanden im Moor rufen gehört zu haben und ging hinaus, um nachzusehen und zu helfen. Sie kam nie zurück!“ Die junge Frau kam mit einem weiteren Becher Glühwein hinter dem Tresen hervor und drückte mir das Heißgetränk in die Hand. „Sie sind der Siebte, den sie seit ihrem Verschwinden aus dem Moor

herausgeführt hat“, sagte sie leise. „Immer bei solchem Wetter!“ Ich schluckte hart. Ein Geist hatte mich gerettet? „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gestand ich. „Dann sagen Sie nichts – seien sie einfach dankbar!“ Und das war ich. Ende

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Nepharit
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