Ich verdrehte die Augen und sah meinen Mann verzweifelt an. Leider dachte er gar nicht daran, mich aus der misslichen Situation zu befreien. Im Gegenteil gab er vor weiter in seiner Zeitung zu lesen, wobei er mir ab und zu einen belustigten Blick zuwarf.
„… und ich bin so gespannt auf meine Begleitung. Ich hoffe sie ist so schön wie auf den Fotos, nach denen ich sie mir ausgesucht habe. Die thailändischen Frauen sind unübertroffen grazil …“
So und ähnlich ging es schon seit geraumer Zeit. Mein niederländischer Sitznachbar hatte sich bereits bevor das ‚Boarding Completed’ ertönte vorgestellt.
„Hallo, ich bin der aus Doetinchem.“ Wie sich herausstellte, hatten wir dasselbe Hotel gebucht, was Joost begeistert näher rücken ließ. Er habe sich schon lange auf den Urlaub in Thailand gefreut und sich eine Begleitung aus dem Katalog einer be-sonders seriösen Agentur ausgesucht…
Hier legte er eine bedeutungsschwangere Pause ein, was mich hoffen ließ, dass er dieses Thema nicht weiter erläutern würde.
Genau das war der Augenblick, in dem Alan seine Zeitung hervorkramte und sich dahinter verschanzte. Leider ließ sich Joost nicht bremsen. „Ich liebe die
weibliche Gesellschaft. Frauen sind ja so sensibel.“
Ach, und es gibt keine sensiblen Frauen in den Niederlanden, dachte ich, sprach es aber lieber nicht aus. Nun schwärmte der niederländische Joost seit geraumer Zeit von den thailändischen Frauen insgesamt und seiner ausgesuchten Begleitung im Besonderen. Er ging mir damit gehörig auf die Nerven. Ich beschloss mich schlafend zu stellen.
„Coole Taktik, aber ich weiß genau, dass du nicht schläfst“, flüsterte Alan dicht an meinem Ohr.
„Pst“, ich linste vorsichtig durch die Wimpern. „Nachher bemerkt der notgeile Holländer das
auch.“
Der Zwischenstopp in Bangkok verlief unspektakulär, Joost schien sich ausgesprochen zu haben.
Das änderte sich blitzartig, als der Flieger zur Landung in Phuket ansetzte. Der holländische Casanova wurde nervös, fummelte an seinem Sicherheitsgurt herum, veränderte ständig seine Sitzposition. Während ich entnervt die Augen verdrehte, beobachtete Alan unseren aufgeregten Sitznachbarn mit milder Ironie.
„Donnerwetter“, entfuhr es meinem eher gelassenen Ehemann wenig später, denn Joost wurde von einer glutäugigen und vollbusigen thailändischen Schönheit
erwartet.
„Sag jetzt lieber nichts und klapp den Mund zu“, warnte ich meine bessere Hälfte vorsichtshalber.
Spät am Abend sah man Joost aus Doetinchem mit seiner bildschönen Thailänderin in inniger Umarmung über die Tanzfläche schweben.
Alan musterte das Pärchen kritisch. „Wenn das für unseren Freund nicht zu einem bösen Erwachen führt. Hast du bemerkt, wie groß die Füße seiner Angebeteten sind?“
„Das habe auch gerade gedacht. Das ist mindestens die Größe 42 und sie ist für eine Thailänderin recht
groß.“
„Eben, wer weiß, was die Dame sonst noch zu bieten hat …“
In den nächsten Tagen ließ sich Joost nicht blicken. „Sicher ist er mit seiner Zauberfee beschäftigt“, bemerkte Alan trocken, während ich neugierig Ausschau nach dem jungen Glück hielt.
Es dauerte ein paar Tage, bis uns Joost, jetzt ohne Begleitung, über den Weg lief.
„Du hast dich aber rar gemacht, sicher bist du schwer beschäftigt, was?“, eröffnete Alan das Gespräch.
„Ja was meinst du, was ich renne! Ich bin den ganzen Tag auf der Flucht!“
„Wie meinst du das denn? Hast du ein
Eheversprechen gegeben und es nicht eingehalten?“
Joost schaute sich unsicher um. „Lasst uns bitte in die Hotelbar gehen. Ich gebe einen aus.“
Als wir mit Getränken versorgt waren, erzählte Joost seine Leidensgeschichte:
Wie wir gesehen hatten, war er am Ankunftstag von der attraktiven Lulu überschwänglich begrüßt worden. Die thailändische Schönheit gab sich mehr als zuvorkommend, schließlich landete das Pärchen im Hotelzimmer.
„Ich war so aufgeregt und aufgeladen. Sie zeigte sich sehr zärtlich und einladend, da habe ich nicht lange gefackelt. Sie wollte es von hinten
besorgt haben ... So eine Nacht habe ich noch nie erlebt! Aber der nächste Morgen …“, Joost schluckte trocken und nahm einen tiefen Zug aus seinem Whiskyglas.
„Der nächste Morgen?“, half Alan ihm auf die Sprünge.
Wieder schluckte Joost und schüttelte den Kopf. „Tja, also, ich wachte neben ihr auf. Das war toll, sie kuschelte sich dicht an mich. Irgendwas hat gestört. Ich war ja im Halbschlaf und packe ihr instinktiv zwischen die Beine. Da hatte ich das was gestört hat in der Hand.“ Kopfschüttelnd kippte Joost den restli-chen Drink hinunter. „Das war ein Kerl, ein Kerl mit Brüsten! Soll man so was glauben! Ich habe ihn sofort
rausgeschmissen, aber jetzt lauert er mir an jeder Ecke auf und schmachtet mich an. Es sieht fast so aus, als ob Lulu sich in mich verliebt hätte.“
Ich versuchte einen Lachkrampf zu unterdrücken und bekam prompt einen Hustenanfall, während Alan über das ganze Gesicht grinste. „Dacht ich’s mir doch. Die Füße waren einfach zu groß.“
Joost schaute entrüstet von einem zum anderen. „Warum sagt mir das denn keiner vorher? Ist das die Nachbarschaftshilfe zwischen Deutschland und Holland?“
„Hättest du denn auf uns gehört?“, keuchte ich, krampfhaft nach Luft ringend. „Du warst so auf die
thailändische Schönheit fixiert, dass du nicht klar denken konntest.“
„Stimmt. Aber eine solche Erfahrung verkrafte ich nich noch einmalt“, sagte Joost entschlossen und orderte einen neuen Whisky.
Beim Einchecken für den Rückflug hielt ich eifrig Ausschau nach dem niederländischen Bekannten, denn er hatte sich während des Urlaubs weiterhin rar gemacht. Schließlich entdeckte ich ihn und stieß Alan überrascht an. „Schau bloß mal, Schatz. Dort ist Joost. Ich glaube es nicht, seine männliche Begleiterin hängt an seinem Hals.“
Wirklich verabschiedete sich Lulu
leidenschaftlich von ihrem holländischen Liebhaber, der die Hände nicht von ihr/ihm lassen konnte.
Während des Zwischenstopps in Bangkok bekamen wir die Gelegenheit uns mit Joost zu unterhalten.
„Ja, ich weiß was ihr sagen wollt“, wehrte der jeden Kommentar ab. „Aber Lulu ist so süß, sexy, anschmiegsam und gar kein richtiger Mann. Nachdem ich mich von dem ersten Schock erholt hatte, sind wir uns nahe gekommen. Sie hat mich von ihren Qualitäten überzeugt. Ich werde sie in die Niederlande nach-kommen lassen.“ Und verschämt gestand er: „Ich glaube wirklich, dass ich mich in
sie verliebt habe.“
Verblüfft schauten wir uns an. „Ja dann kann ich dir und deiner Lulu nur viel Glück wünschen“, meinte Alan schließlich.
Später, als wir aus dem Kopfschütteln heraus waren, grinste meine bessere Hälfte spitzbübisch. „Da sag noch einer, wir Männer wären nicht romantisch.“