Humor & Satire
Umweltschutz 1950

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"Na ja - es gibt noch andere Probleme "
Veröffentlicht am 04. April 2020, 10 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland. Bisher veröffentlicht: Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und ...
Na ja - es gibt noch andere Probleme

Umweltschutz 1950

„Hätten Sie eine Tragetasche für mich“, fragte die ältere Dame, die im gebührenden Abstand vor mir an der Supermarktkasse stand. Die jugendlich aussehende Verkäuferin, welche sich krampfhaft bemühte ihre Kasse trotz der langen, künstlichen Fingernägel zu bedienen schüttelte unwillig den Kopf. „Tragetaschen aus Plastik haben wir nicht mehr. Das ist soohoo schlecht für die Umwelt. Wissen Sie das nicht?" Die alte Dame schwieg einen Moment irritiert. „Es tut mir leid“, sagte sie schließlich. „Ich habe sonst immer eine Einkaufstasche dabei. Ausgerechnet heute

...“ Die Kassiererin hob die Augenbrauen. „Tja, das ist das Problem. Alte Leute ... ähm ... ich meine Menschen aus Ihrer Generation machen nur Ärger. Sie haben sich unter anderem nie Gedanken um die Umwelt gemacht. Deshalb müssen wir jetzt meeeega sensiiiiiibel damit umgehen.“ Diese Aussage verschlug mir die Sprache, doch nicht der alten Dame. Sie richtete sich kerzengerade auf und war somit schätzungsweise einen Meter fünfundfünfzig groß. „Sie haben vollkommen Recht, Schätzchen“, sagte sie bestimmt. „In meiner Generation hat man sich überhaupt keinen Kopf um den

Umweltschutz gemacht. Das war nicht erforderlich. Für den Einkauf benutzten wir Einkaufsnetzte oder Taschen, so wie ich das in der Regel immer noch mache. Hatten wir die Tasche vergessen, so bekamen wir die Lebensmittel in eine stabile Papiertüte gepackt, die wir weiterverwendeten. Zum Beispiel als Schutz für Schulbücher. Die gab es nämlich kostenlos in der Schule. Wir haben sie pfleglich behandelt, denn sie wurden ja am Ende des Schuljahres wieder eingesammelt und neu verteilt. Die Milch kauften wir beim Milchbauern und hatten unsere eigene Milchkanne dafür. Wasser tranken wir aus der Leitung, Plastikflaschen gab es nicht und

Getränkedosen waren Utopie. Wir gingen meistens per pedes. Niemandem ist es eingefallen, ein Auto mit 150 PS dazu zu verwenden, um zum Einkaufen zu fahren. Nebenbei, damals gingen auch unsere Kinder zu Fuß zur Schule. Wenn der Weg weiter war, so fuhren sie mit dem Fahrrad oder mit dem Bus. Einen Taxiservice der Mutter gab es nicht. Das war kein Wunder, denn längst nicht jede Familie war motorisiert.

Sogar den Rasenmäher schoben wir manuell. Das machte kaum Lärm und war unser Fitnesstraining. Deshalb brauchten wir auch nicht in ein teures Studio, um uns dort auf elektrischen Laufbändern und Fahrrädern abzuquälen, um in Form

zu bleiben. Babywindeln wurden gewaschen und wiederverwendet, Einwegwindeln gab es nicht. Die Wäsche trockneten wir mit Wind- und Sonnenenergie im Garten. Stromfressende Wäschetrockner waren gänzlich unbekannt. Im ganzen Haus gab es ein einziges Radiogerät. Später war der Fernseher mit einem Bildschirm in Herrentaschentuchgröße unser ganzer Stolz. Hier versammelte sich die Familie am Wochenende und schaute gemeinsam das einzige Programm an, das es gab. In der Küche wurde richtig gekocht. Es gab keine Fertiggerichte und alles wurde per Hand geschnitten, geschält, geknetet. Und stellen Sie sich nur vor: Wir

brauchten keinen im Orbit kreisenden Satelliten, um den nächsten Imbiss zu finden. Aber wie ich Eingangs bereits erwähnte - über den Umweltschutz haben wir nicht nachgedacht.“ Hier verstummte die alte Dame, vermutlich, weil sie Luft holen musste. Die junge Kassiererin war knallrot angelaufen. „Ja, also, das macht dann 23,94 Euro“, stammelte sie fassungslos. „Ich gebe Ihnen 54 Euro.“ „Ja, Moment, 54 ... das sind dann ... “, die junge Frau tippte eifrig auf ihrer Tastatur herum. „Ja, genau, 30 Euro und 6 Cent zurück“, erklärte sie und gab das Wechselgeld heraus. Die Kundin hatte ihre Einkäufe

zusammengerafft und steckte jetzt bedächtig das Wechselgeld in ihr Portemonnaie. „Eins muss ich noch loswerden“, erklärte sie entschlossen. „Ich habe lange Zeit einen Laden betrieben. Einen ‚Tante Emma Laden’, würden Sie wohl sagen. Und ich habe das Wechselgeld fabelhaft herausgeben können, ohne die elektronische Kasse zu befragen. Einen schönen Tag noch, junge Dame.“ Sie wandte sich ab, zögerte dann und drehte sich zu mir um. „Es tut mir Leid, dass ich Sie nun so lange aufgehalten habe.“ Ich lächelte sie an. „Das ist völlig in Ordnung. Sie hatten ja Recht mit dem, was sie gesagt

haben.“ „Ich weiß“, lächelte sie reizend zurück.

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Hörbuch

Über den Autor

AngiePfeiffer
Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland.
Bisher veröffentlicht:
Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften, sowie der Tagespresse.

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KaraList Super, liebe Angie ... genau auf den Punkt gebracht. Kein Mensch möchte mittelalterliche Zustände, doch Bewahrenswertes sollte übernommen werden.
Lieben Gruß und noch einen schönen zweiten Osterfeiertag
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Lieben Dank, Kara und auch Dir ein frohes Osterfest - oder was davon übrig ist.
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Trollmops Super!!! Genau auf den Punkt! Und zwar genau dahin, wo es der jungen Generation weh tut. Ganz große Klasse!

Gruß Det
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Det,
danke für diesen tollen Kommentar.
Liebe Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ja so war das. Gekocht wurde auf einer so genannten "Kochhexe" die zugleich die ganze Bude heizte. Musste man zwar Kohlen aussem Keller holen. (Pfui Kohle.) Aber geschmeckt hat ´s umso besser. Es wurden auch nicht dauernd Klamotten gekauft, um nach drei Monaten diese dann wieder zu entsorgen. Wir gingen sparsam um mit unserem Kram. Heutzutage hat so mancher das Wesentliche aus den Augen verloren.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer So siehts aus, Harry.
Bestimmt will man nicht alles so haben wie früher, aber ein Besinnen wäre schon gut.
Danke und liebe Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Miranda WELCHE???
Supergut, liebe Angie.
Ich für meinen Teil hätte nichts dagegen, wenn es zum Beispiel wieder " Tante Emma Läden gäbe, ich verzichte voll und ganz auf Luxus. Bis auf diesen Kasten hier, ein Smartphone will ich nicht, ein Auto hab ich nicht, Geld gibt mir eh keiner, Schmuck und Schminke brauche ich nicht. Zum Friseur gehe ich höchstens 2 mal im Jahr, aber ich habe Klopapier und Stoffbeutel zum Einkaufen...JAWOHL!
Liebe Grüße
Sigrid
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Sigrid,
Danke Dir für Deinen Kommentar. Ich musste so über Dein 'Jawohl' lachen!
Was Du schreibst hört sich minimalistisch an. Bis auf die Sache mit dem Klopapier. Was das anbetrifft, bist Du eine Großkapitalistin. ;o)
Liebe Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Ein richtiger und guter Beitrag - liebe Angie - mit Herz gewortet.
DANKESCHÖN
Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Loraine,
das ist nett. Ich danke Dir
Liebe Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
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