Kurzgeschichte
Krieg und Frieden

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"Mord durch Tolstoi?"
Veröffentlicht am 06. März 2020, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland. Bisher veröffentlicht: Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und ...
Mord durch Tolstoi?

Krieg und Frieden

Er schlief, so wie immer. Seine Nachttischlampe hatte er angelassen, das Buch ‚Krieg und Frieden’ lag auf seiner graubehaarten Brust, bewegte sich mit seinen Atemzügen auf und ab. Dieses Buch las er schon seit Monaten, schlief immer nach 2 Seiten ein. Manchmal blätterte sie, wenn sie ihm den Wälzer sanft aus der Hand genommen hatte, ein paar Seiten zurück und legte dann das Lesezeichen hinein. Er merkte es nie. Sie betrachtete ihn. Sein Kopf, auf dem die wenigen verbliebenen Haare wirr abstanden, war zur Seite weggekippt, der Mund stand halb offen, Speichel benetzte seine Mundwinkel. 

Er erinnerte sie auf fatale Weise an einen

Marabu. Sie gab sich ihren Fantasien hin. Wenn sie nun den dicken Wälzer nähme und ihn damit erschlüge? Sie wog das Buch probeweise in den Händen, hob es an, schätzte das Gewicht. Dies war wirklich schwere Literatur, ein fester Hieb mitten auf den Kopf würde reichen. Ein sehr verlockender Gedanke, der sie für einen Moment schwach werden ließ. Sie stemmte den Roman über ihren Kopf, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. 

Bedenken machten sich breit: Wie sollte man die Todesursache begründen? Schädelbruch durch Tolstoi - der Gedanke ließ sie leise

kichern. Bewegungslos blieb sie stehen, das Buch immer noch in den Händen. Dachte an die guten Tage die sie miteinander gehabt hatten: An sein Werben um sie, die sich damals spröde gab. An den Privatflug nach Rom, um dort einen Teller Spaghetti zu essen, von denen er behauptete, dass sie die Besten Italiens wären. Daran, dass er für sie eine Safari in Tansania umleitete. Einfach so, weil sie sich den Kilimandscharo von nahem betrachten wollte. Als sie auf einer Weltreise bestand dauerte es keine Woche und sie saß im Flieger. Wollt sie neue Sex Techniken ausprobieren, so besorgte er das nötige

Equipment. Was immer sie begehrte – er besorgte es ihr. Wenn sie überhaupt jemanden geliebt hatte, dann ihn. Sie schreckte aus ihrem Tagtraum auf. Der Rücken schmerzte, die Arme waren ihr eingeschlafen. Der attraktive Mann ihrer Träume war verschwunden, hatte sich wieder in den sabbernden Greis verwandelt, der jeden Tag die gleichen Seiten eines verstaubten Buches las. Noch einmal hob sie den dicken Tolstoi hoch über den Kopf, achtete nicht auf ihre kribbelnden Arme. Das Lesezeichen flatterte sanft heraus. Sie spannte die Muskeln an, war plötzlich wild

entschlossen ‚Krieg und Frieden’ für immer über ihr Schicksal entscheiden lassen. Da fing er an zu schnarchen, sanft erst, dann immer lauter. Seine Nasenhaare vibrierten im Takt. Einen Augenblick schaute sie gebannt auf dieses Schauspiel, dann legte sie das Buch mit einem bedauernden lächeln auf den Nachttisch 

...morgen vielleicht...

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Über den Autor

AngiePfeiffer
Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland.
Bisher veröffentlicht:
Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften, sowie der Tagespresse.

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Kornblume Hallo Angie, weiß Dein Schatz denn von Deinen mordlüsternen Gedanken.
Manchmal hilft einfach mal für lägere Zeit getrennt schlafen, dann ist die Sehnsucht und das Verlangen wieder da.
Schmunzelgrüße von Der Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer ;o)
Pssst ...
Danke und einen schönen Abend.
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Trollmops Ja, die schönen Tage, die man hatte. Waren die nicht in der Überzahl? Oder hat man sie einfach nur vergessen? Man wird älter und sicherlich auch nicht attrktiver, aber das gilt für beide. Hier kommt wieder deine Liebe ins Spiel, die genau das in einem anderen Licht zeigen soll. Vielleicht sind vibrierende Nasenhaare ja im Alter etwas liebenswertes ...

Gruß Det
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hi Det,
liebenswert? Weiß nicht. Eher rührend.
Lieben Dank an Dich und pass auf Dich auf.
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Besser so. Bücher sind Wertvoll. Zum totmachen empfehle ich den Fernseher. Außer Reichweite vor dem Bett platziert und RTL 2 einschalten: Spätestens nach 2 Tagen wird ein netter Selbstmord draus, ohne Verdächtigungen, ohne Komplikationen. Allerdings: Wer mag schon einen Menschen derartig Foltern?
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hach Harry, was für eine coole Idee. Und so kreativ! -kicher-
Danke Dir für diesen vergnüglichen Kommentar.
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Soviele Sterne kann man ja gar nicht vergeben, wie Du hier Tag für Tag verdienst.
Das ist wunderbar geschrieben und Loriots "Morgen bringe ich sie um" ebenbürtig.
Nur leider tut mir jetzt bißchen der Kopf weh...
Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Boh, Gerd, jetzt hör mal auf, sonst werde ich wirklich rot!
Danke Dir mit einem Knicks (kennen die Meisten gar nicht mehr ;o) ) und freue mich einfach über Deinen tollen Kommentar.
Grüße
von
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Tolstoi liebte die Dramatik. Dass er jedoch für einen gedanklich ausgeführten Mord herhalten muss, hätte er sich nicht träumen lassen. Der Titel ist gut gewählt. Letztlich kämpfen diese beiden Urgewalten in Deiner Protagonistin.
Für das "Zögern" und das "Vielleicht" bekommt sie einen Pluspunkt. :-)
Ich hatte Lesespaß, Angie.
Schmunzelgrüße
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hallo Kara,
ganz lieben Dank für Deinen Kommentar! Dein Lesespaß freut mich natürlich sehr.
Grüße
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
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