Kunden in Berlin
Wenn der Markt auf hat, kommen die Menschen. Oft kommen sie schon vorher und denken, der Markt ist geöffnet. Man hat dann höflich den Termin der Eröffnung genannt und gesagt, dass es ein Baumarkt mit Gartencenter wird. Nun kommen die Menschen, von unbekannten Kräften gezogen, mach mal ein Erfolg der Werbung. Vor meinem Fenster, dem des Sanitätsraumes, scheiden sich die, die dienstlich kommen und die, die Kunden sind oder werden oder werden sollen. Ein großer Teil kommt mit dem Auto, aber auch dann defilieren sie na meinem Fenster vorbei. Vom Baby bis zur Oma – alles ist vertreten. Mütter mit Söhnen, Ehepaare, Arbeitskollegen und Freunde sowie Einzeltäter. Die Vertreter kommen meist in feinem Zwirn, sind laut und bestimmt und stets in Eile. Die, die zum Haus gehören, erkennt man nach ein paar Tage wieder. Die Kunden, die zum Eingang gehen oder von dort kommen, gehen unterschiedlich – schnell oder gemächlich. Manche messen am Auto schon die gekaufte Ware ab oder schneiden zu. Viele kommen mit dem Fahrrad und verderben die neue Wand. Es kann aber auch ein Mangel der Montage des Ständers sein, wenn sie mit dem Vorderrad an die Wand stoßen. Frauen, als Einzelkunden, werden immer häufiger, mal mit Freundin und eben eine Mutti mit 3 Kindern vorbei, das Kleine noch vor der Brust. Ein Werttransporter hält direkt vorm Haus und ein Wachmann trägt die Post hinein. Ältere Männer kommen oft im „Freizeitanzug“, die Eitlen im PUMA oder ADDIDAS Outfit. Man trägt Mappen unterm Arm oder die Börse in der Hand – sehr oft auch den Autoschlüssel. Vor einer Viertelstunde kam eine Oma mit einem „Trabant“ – ganz allein und verschwand im Markt. Vorige Woche war die Zigarettenmaffia hier. Zwei Vietnamesen patrouillierten unauffällig langsam vor dem Haus, nur – der Hausdetektiv verjagte sie. Manch mal sind auch Diebe dabei, besser Kleinkriminelle. Alle Schichten sind auch hier vertreten, die gehen nicht selten betreten wieder von hier weg. Eben schleppt einer zwei Säcke davon – die hat er bestimmt bezahlt. Ständig herrscht Bewegung vor dem Markt, nur die Frequenz ist unterschiedlich. Größere Gruppierungen sind selten, aber manch mal kommen auch Familien oder mehrere Ehepaare dahergeschlendert. Pensionäre, oftmals sicher Nachbarn treffen sich vor oder nach dem Shopping und setzen sich zu einem Schwatz zusammen. Bei schönem Wetter sitzt man gelegentlich vor dem Backshop beim Kaffee. Eine Frau mit einer Streuselschnecke eilt vorbei, ein Opa humpelt hinterdrein, eine Fahrradlerin hat gerade ihr Radel mir gegenüber angebunden. Die Oma vom „Trabbi“ kommt zurück – sie ist gar nicht so alt oder liegt es an den Blumen, die sie gekauft hat? Ein junges Paar verstaut einen Karton in einem Daimler, älteres Baujahr, sie setzt sich ans Steuer und ab geht’s. Manche scheinen alle Zeit der Welt zu haben, manche hasten hinein und hinaus, so wechseln ständig die Darsteller in diesem „Baumarkt – Theater – Berlin“
Berlin/ Treptow, im Oktober 2000