Romane & Erzählungen
the darkness inside me - Kapitel 1

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"the darkness inside me - Kapitel 1"
Veröffentlicht am 19. Januar 2020, 18 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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the darkness inside me - Kapitel 1

the darkness inside me - Kapitel 1

Kapitel 1 Alles war ruhig. Wie immer um diese Zeit. Mama und Papa arbeiteten normalerweise noch. Und die kleinen waren beide in der Schule. Einen Moment war es, als währe alles normal. Die Katze begrüßte mich mit einem Schnurren, ehe sie die Treppe hoch verschwand. Aus dem Wohnzimmer konnte man das leise Ticken der Uhr hören. Im Badezimmer tropfte die Dusche. Es war, als würden die anderen jeden Moment reinkommen. Doch so einfach war das nicht. So einfach würde es nie wieder sein. Augenblicklich schossen mir wieder Tränen in die

Augen. Diese verdammten Tränen. Man sollte meinen, dass meine Augen irgendwann austrockneten, aber sie kamen immer und immer wieder. Mein Blick verschwamm und halb blind stellte ich meine Handtasche und die Schlüssel auf dem Siedebord im Flur ab, ehe ich ins Badezimmer wankte und dabei beinahe über einen Berg Wäsche stolperte, den Mum dort heute Morgen wohl liegen hat lassen. Das war so typisch für sie. Immer alles vorbereiten, damit sie nach der Arbeit nicht mehr so viel zu tun hatte. Vielleicht sollte ich… wie in Trance wischte ich mir die Tränen aus den Augen und drehte mich zur Waschmaschine um. Arbeit. Das würde

helfen. Hoffentlich. Schniefend hockte ich mich vor der Maschine auf den Boden und begann die nasse Wäsche aus der runden Öffnung zu ziehen. Auf der Maschine stand noch ein Wäschekorb, der kurzerhand von mir runtergezogen wurde und mit lautem Scheppern auf dem Boden landete, ehe ich die feuchten Sachen hochhob und in den Korb drückte. Schritt Nummer eins war damit erledigt. Nun die Schmutzwäsche. Einen Moment sah ich mich etwas verloren im Bad um, ehe ich mich mit einem Ruck vorlehnte und den Wäscheberg zu mir heranzog. Hauptsächlich Kinderwäsche, aber hie und da blitzte ein Shirt meines Vaters

auf, oder ein Höschen meiner Mum. Schnell drückte ich das ganze Bündel in die Maschine. Bloß nicht an die beiden denken. Einfach weitermachen. Tür zu. Aufstehen. Waschmittel aus dem Eimer und rein in die Lade. Lade zudrücken. Programmwahl. Start drücken. Und das wars dann. Das Gerät begann seine Arbeit. Das Wasser wurde angepumpt, die Maschine begann sich langsam zu bewegen. Abwesend legte ich meine Hand auf die raue Oberfläche. Das Rütteln der Waschmaschine war beruhigend. Ich schloss einen Moment meine Augen und verbannte alles andere aus meinen Gedanken, konzentrierte mich nur auf das Gefühl der Vibrationen

unter meinen Fingern. Und ich wünschte mir, dass dieser Moment ewig sein könnte. Dass ich einfach für immer hier stehen könnte. Das die Zeit nicht mehr vergehen würde und ich niemals das Tun müsste, was von mir erwartet wurde, sobald die Haustür das nächste Mal aufschwang. Wie sollte ich das schaffen? Wie sollte ich das alles schaffen? Verzweifelt riss ich meine Augen wieder auf und starrte an die Wand mir gegenüber. Verdammte scheiße! Wie zur Hölle sollte ich das machen? Wie zur Hölle sollte ich für zwei Kinder sorgen? Ich hatte doch keine Ahnung von Kindererziehung! Oder davon eine Familie zu leiten! Verdammt, verdammt,

verdammt! Ein Schrei drängte sich meine Kehle hoch und ehe ich mich zurückhalten konnte brüllte ich alles heraus. Die Trauer, die Wut, die Verzweiflung, die bodenlose und abgrundtief schwarze Angst. Einfach alles. Wie wild trommelte ich gegen die Wand, schlug mit meinen Fäusten auf den Putz ein und schrie und schrie, bis ich meine Stimme heißer und meine Fäuste rot waren. Hektisch atmend wischte ich mir die verschwitzten Haare aus dem Gesicht und stand noch einen Moment still da, die Hände an den Kopf gedrückt, der Blick verstört, die Lippen zitternd. Ich durfte nicht den Verstand verlieren. Nicht jetzt. Die Mädchen brauchten

mich. Die Mädchen. Sie waren noch so jung. Würden sie es verstehen? Ich konnte es nur hoffen. Und zugleich hatte ich Angst davor. Marie war erst acht. Elisabeth erst sechs. In diesem Alter sollte man so etwas noch nicht lernen müssen. Man sollte noch nicht wissen dürfen, wie es sich anfühlte. Dieses Loch kennen, dass sich wütend und zerstörerisch durch dein Herz fraß, während es deine Gedanken lahmlegte und deine Seele verdampfte. Sie sollten eine frohe Kindheit haben. Behütet, einfach, glücklich. Mit ihrer Mutter, die sie über alles liebte. Mit ihrem Vater, der ihnen immer die Tollsten Dinge zeigte. Sie sollten lachen,

leben, Freude haben. All das würde ich ihnen heute stehlen. All das würde ich ihnen mit ein paar simplen Worten entreißen. Sie über den Abgrund stoßen, wissend, dass am Grund nichts als Verzweiflung und Zerstörung warteten, wenn ich es nicht schaffte, sie vorher aufzufangen. Und ich wusste nicht, wie ich das schaffen sollte. Wie sollte ich ihren Sturz bremsen? Wie sollte ich sie abfangen, ehe sie am Boden aufschlugen und alles Licht aus ihren Seelen gesaugt wurde? Schluchzend ließ ich meine Hände sinken und schlurfte aus dem Badezimmer, ehe ich unschlüssig im Flur stehen blieb. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit mir

anfangen sollte. Ich musste etwas tun. Mich irgendwie ablenken. Aber wie? Wie sollte ich es schaffen, meine zerstörerischen Gedanken zu ertränken, während sie auf mein Herz eintrommelten und meine Seele zu ersticken drohten? Unsicher ging ich weiter ins Wohnzimmer, sammelte dort die Spielsachen auf, die vereinzelnd auf dem Boden lagen, bevor ich sie einfach in eine Schublade der Wohnwand stopfte. Ich hatte keine Ahnung, wie Mama inzwischen alles Ordnete. Oder geordnet hatte. Aber darüber würde ich mir später Gedanken machen. Fürs erste machte ich einfach stumpf weiter, versuchte nichts

zu fühlen. Einfach Garnichts. Das war besser als dieser Ewige, verdammte Schmerz. Auf dem Wohnzimmertisch standen noch die Teller ihres Frühstücks. Ich stellte alles zusammen und brachte es in die Küche, wo sich das schmutzige Geschirr stapelte. Seufzend stellte ich die Teller in die Spüle und öffnete die Maschine, in der das saubere Geschirr darauf wartete, ausgeräumt zu werden. Ich wollte Ablenkung. Da hatte ich sie nun. Teil für Teil räumte ich die Teller aus, das Besteck in die Schublade, die Pfannen in den Schrank, bis ich schließlich bei den Gläsern ankam. Bunt gemischt stapelten sich die schlichten, durchsichtigen

Gläser mit den bunten Wasserflaschen der Mädchen neben den bunten Coca-Cola Gläsern, die es immer bei McDonalds gab und den verschiedensten Gläsern mit Aufdrucken irgendwelcher Cartooncharakteren. Und mitendrinnen stand ein großer Krug. Eines dieser Gläser mit Henkeln, in dem man in den Bierzelten das Bier ausgeschenkt bekam. Das Ding war Papa immer heilig gewesen. Niemand sonst durfte es verwenden. Da war er unbestechlich gewesen. Einmal dachte er, dass es jemandem hinuntergefallen und zerbrochen war und währe deswegen beinahe an die Decke gegangen. Abwesend nahm ich das bereits

angeschlagene Glas und drehte es in meinen Händen, während vor meinem inneren Auge Bilder meines Vaters auftauchten, wie er auf dem Sofa saß, über irgendetwas lachend, dass er gesagt hatte, während Marie und Elisabeth auf dem Teppich miteinander rangelten und meine Mutter ihn tadelnd angesehen hatte. Ich hatte mit verschränkten Armen an der Tür gelehnt, schon halb im Aufbruch und ihn böse angestarrt, sauer über einen seiner Typischen Witze, die meist sehr unter der Gürtellinie waren. Meistens waren es Nichtigkeiten. Blödsinn. Nichts weiter als kleine Sticheleien. Aber sie taten verdammt weh.

Schon seltsam. Wie nichtig solche Kleinigkeiten plötzlich wurden, wenn man sich das große Ganze ansah. Ja er hatte seine Fehler, seine Schwächen und war oft ein Arsch gewesen. Aber im Grunde… er war doch mein Vater. Und nun? Ja, was nun? Nun war er es nicht mehr. Nur noch Schall und Rauch. Obwohl ich immer noch überall seine Präsenz fühlen konnte. Er war immer noch hier. In jedem Raum dieses Hauses, dass er mit eigenen Händen erbaut hatte. Er war in jedem Möbelstück, in jedem kleinen Dekoartikel, in der Luft, die er täglich geatmet hatte, die ich nun mit jedem Luftholen einatmete. Er war hier.

Ebenso wie sie es war. Sie beide waren hier. Und zugleich waren sie es nicht. Würden es nie wieder sein. Einem Impuls folgend hob ich den Krug und ließ ihn mit einem Schrei auf den Boden krachen. Das Glas traf auf dem Boden auf und zerbrach in hunderte Teile und zugleich zerbrach auch etwas in mir; ließ mich auf die Knie fallen, schluchzend, flehend, während ich, halb blind durch die Tränen, die ungehindert über meine Wangen rannen versuchte die Scherben irgendwie zusammenzuschieben. Die scharfen Kanten des zerbrochenen Glases schnitten scharf in meine Hand, doch der Schmerz machte mir nichts aus.

Ich begrüßte ihn wie einen alten Freund. Ich verdiente den Schmerz. Er gehörte zu mir. Von nun an, bis in alle Zeit würde er ein Teil von mir sein. Ich grub meine Hände einfach weiterhin in die Scherben, versuchte rückgängig zu machen, was ich gerade getan hatte. Doch das konnte ich nicht. Niemand konnte das. Nichts konnte das Glas wieder ganz machen. Nichts konnte es wieder zurückbringen. Nichts konnte sie jemals wieder zurückbringen. Sie waren fort, würden nie wieder kommen. Sie hatten mich alleine gelassen. Sie hatten uns alleine gelassen und während sie gegangen waren, war ein Teil mit ihnen gestorben. Ein Teil, der nun zerbrochen

zwischen all den Scherben lag, während der Rest von mir langsam von Rissen durchzogen wurde, geschüttelt wurde, gepeinigt, von Leid, von Angst, von Unverständnis. Ein Halber Mensch. Alles was mir jetzt noch blieb war der Schmerz, die Gewissheit, dass nichts je wieder sein würde wie es war. Alles was blieb, war die Einsamkeit. Alles was blieb, war die ewig schwarze Nacht.

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