Wie so oft saß ich in meinem Kinderzimmer, bei meinen Großeltern bei denen ich aufgewachsen bin. Ich war ein verspieltes Kind. Hatte viel Phantasie. Es war eine schöne Kindheit die ich meinen Großeltern zu verdanken habe. Es war immer jemand für mich da, der dafür sorgte das mir an nichts fehlte. Dass es etwas besonderes war so viel Geborgenheit zu erfahren, erkannte ich erst als ich längst erwachsen war. Heute, in dieser schnellebigen Zeit wo jeder arbeiten geht. Der eine um überleben zu können, aber auch andere um sich einen gewissen Luxus wie jährlicher Urlaub im Ausland oder neue Autos leisten zu können. Viel zu oft bleiben die Kinder auf der Strecke. Erfahren viel zu wenig Liebe und Geborgenheit von den Menschen die es ihnen im Grunde schuldig sind; den Eltern.
Ich erinnere mich sehr oft daran zurück wenn ich in meinem Kinderzimmer saß, meine Oma mit einer Tasse Kakao für mich zu mir kam und mir von ihrem Leben von früher erzählte.
Einem Leben ohne Spülmaschine, ja sogar ohne Waschmaschine mit 4 Kindern. Es folgten noch weitere 3 Kinder, dann kam auch die modere Waschmaschine ins Haus, allerdings ohne Schleudergang. Eine separate Wäscheschleuder steht heute noch im Keller. Gewickelt wurden die Kinder mit Stoffwindeln die wiederverwendet wurden. Gegessen wurde natürlich was "auf den Tisch kam". Bereits Babies und Kleinkinder wurden mit selbstgekochten Fläschen, Milchbreie, Haferschleim und anderen frisch zubereiteten Mahlzeiten gefüttert. Wenn man das heute bedenkt in dieser Allergiezeit in denen es ja fast ein Skandal ist wenn man den Babies unter 4 Monaten ein Karottengläschen füttert. Heute, wo die meiste Babywäsche mit Sagrotan gewaschen wird und der Wickeltisch vor Gebrauch desinfiziert wird. Das die Babies von früher überlebten schien im Vergleich zu heute ein Wunder zu sein.
Meine Großeltern hatten kein Auto. Alles wurde zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht, auch wenn der Weg etwas weiter war. Die Busverbindung war noch lange nicht so wie heute.
Meine Oma hat gebrauchte oder kaputte Kinderkleidung umgenäht und wieder ansehnlich gemacht damit es ihre Kinder der Reihe nach anziehen konnten. Neu gekauft wurde selten etwas und wenn, dann musste es Jahre halten. Gekauft wurde sowieso nur dann, wenn man das Geld hatte es zu bezahlen. Musste etwas angeschafft werden wurde eisern dafür gespart.
Wenn ich heute über all das nachdenke, fasziniert mich am allermeisten das meine Oma und mein Opa nie Zeit für sich hatten. Nie gingen sie ins Kino oder gingen Essen, wenn etwas gebraucht wurde kamen erst die Kinder dran. Trotzdem waren sie glücklich und beschwerten sich nicht. Ein Leben für die Kinder. Sie hatten keine Unterstützung von Verwandten die die Kinder beaufsichtigt haben so das ein wenig Zeit für Zweisamkeit blieb. Aber all das war kein Problem, sie schafften es, sie hielten zusammen. Und wenn einer einen Rat brauchte dann half der andere ihm dabei.
Meine Großeltern hatten auch Probleme miteinander. Opa ging gerne nach der Arbeit mit den Kollegen in die Kneipe, kam auch des öfteren betrunken nach Hause und es folgten Streitereien. Aber sie hielten zusammen, für die Kinder, für die Familie. Scheidung stand nicht im Raum. In Urlaub waren meine Großeltern nie.
War die Zeit auch in vielem um einiges schwerer, so gab es durchaus auch Dinge die wesentlich einfacher waren als heute. Zum Beispiel war mein Opa nie arbeitslos. Er fragte nach, bei Landschaftsgärtnern, den Straßenkehrern, bei der Müllabfuhr, und oft wurde gesagt "alles klar, kannst am Montag kommen". Bei Nebenjobs, gab es oft das Geld bar auf die Hand. Heute müssen erst mal 5 Bescheinigungen vorliegen und 3 Blätter unterschrieben werden bevor jemand befristet eingestellt wird.
Gekocht wurde alles selbst. Noch nie hat meine Oma ein Maggi fix Produkt gemacht. Auch ich kam noch in den Genuss von "armen Rittern" sowie "Himmel und Erde". Ich fand das richtig lecker.
Nach der Schule machte sie mir oft "Äppelränzchen". Das waren Apfelpfannenkuchen mit Zucker betreut. Ich liebte das als Kind. Ich liebe es heute noch.
51 Jahre hielt ihre Ehe; eben bis der Tod sie scheidete. Auch heute erzählt sie mir noch von früher. Jedesmal höre ich genau hin, ja sauge es in mir auf. Damit die Erinnerung an eine einzigartige Zeit erhalten bleibt. Ich will sie festhalten, denn sie ist viel zu wertvoll nie wieder darüber zu sprechen. Wenn ich dann darüber nachdenke, spüre ich immer wie gut es mir eigentlich geht. Nicht um das Materielle was mir die heutige Zeit bringt. Natürlich bin ich meiner Spülmaschine auf ewig dankbar, aber nein, ich bin dankbar dieses Wissen von früher zu haben. Das sie es mir erzählt hat. Ich frage mich immer öfter ob die Kinder und Jugendlichen von heute auch solche Momente mit ihren Eltern haben und diese zu schätzen wissen. Ob es sie überhaupt interessiert wie es einmal war. Wie wichtig es ist mal durchhalten zu können in schweren Zeiten. Nicht aufzugeben. Für etwas zu kämpfen.
All das möchte ich an meine Kinder weitergeben. Ich will ihnen Geborgenheit schenken und für sie da sein. Ich backe lieber kleine Brötchen, aber werde ihnen die Liebe schenken die sie brauchen. Ich will ihnen zeigen das man für einen schönen Sommer nicht eine Flugreise buchen muß. Sie werden ihren Weg gehen, aber sie werden nie vergessen wo sie herkommen. Ich habe das auch nicht vergessen.