Kurzgeschichte
HARTE ZEITEN UND GUTE TAGE

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"Erstmal Schluß mit lustig. Das wahre Leben ist zuweilen wenig spaßig!"
Veröffentlicht am 31. Oktober 2019, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
Erstmal Schluß mit lustig. Das wahre Leben ist zuweilen wenig spaßig!

HARTE ZEITEN UND GUTE TAGE

HARTE ZEITEN UND GUTE TAGE

Die Zeiten sind schlecht. Das überleben hängt mehr und mehr an einem Faden der immer dünner wird. Immer öfter bleibt der Pappbecher am Abend leer. Menschen die eine Kleinigkeit entbehren könnten, gibt es ja genug. Doch die sind damit beschäftigt auf einen kleinen Bildschirm zu starren um ihren eigenen Träumen hinterher zu jagen. Da bleiben nur hastige Blicke hinter denen man ihre gleichgültige Verachtung spürt, ihren

Ekel, ihren Hass, und auch ihre unbewusste Angst selbst so zu enden:

Eine kümmerliche Gestalt in abgetragenen Kleidern, der auf seinen wenigen Habseligkeiten hockt, mit einem leeren Pappbecher vor sich, der um ein Almosen bittet.

Meist sind es Menschen die selbst wenig haben die einen Euro in meinen Becher stecken. Die verstehen noch am ehesten das Dilemma meines Daseins. Die offensichtlich Wohlhabenden machen sich lieber einen Jux. Sie lassen sich mit mir fotografieren mit ihren neuen Smartphones. Sie lachen dabei, schneiden Grimassen sozialer Überlegenheit. Und das ist ihnen dann

zehn Cent wert.

Wie gesagt: Es sind harte Zeiten.

Und es werden immer mehr von uns. Die Asylheime sind überfüllt, ebenso die Notunterkünfte. Für viele bleibt dann nur ein Schlafplatz unter freiem Himmel. Dort bleibt man am Besten stets wachsam, nicht nur das man Gefahr läuft von Seinesgleichen bestohlen zu werden, nein, hier draußen gibt es bösartige Individuen die äußerst brutal sind. Sie überschütten einen mit Benzin und zünden dich an, sie verprügeln dich, nehmen dir dein letztes Hemd, den letzten Rest an Würde..

Harte Zeiten.

Doch heute war ein guter Tag. Morgens

konnte ich bei der Caritas duschen, mich rasieren. In der Kleiderkammer tauschte ich meine löchrigen Fetzen gegen Klamotten die sauber und ansehnlich wirken. Alles passte. Mittags in der Suppenküche gab es meinen Lieblings - Eintopf, Plus mein bevorzugtes Plätzchen am Fenster. Zum Abschluss noch ein heißer Kaffee. Dann hatte ich auch noch Glück beim Flaschensammeln. Gute Ausbeute. Auch die Sitzung in der Innenstadt hinter meinem Pappbecher lief nicht schlecht. Vor allem wurde ich nicht angepöbelt, bedroht oder weg gejagt.

Jetzt, im gnädigen Schutz der Dunkelheit, sitze ich auf einer weichen Matratze in einem verlassenen Schuppen.

Es ist leidlich warm, aber Windgeschützt und trocken. Vor allem leidlich sicher und geschützt. So etwas wie Privatsphäre stellt sich ein. Fast heimelig kommt es mir vor. Ich esse zwei belegte Brötchen die mir eine nette unaufdringliche Frau heute Nachmittag geschenkt hat, außerdem wartet eine kleine Flasche Doppelkorn auf mich. Sozusagen der verdiente Nachtisch den ich mir heute ausnahmsweise gönne.

Unweigerlich wandern meine Gedanken in Richtung Vergangenheit; einer Zeit in der noch alles ganz normal für mich lief. Mein Leben hatte Struktur, Sicherheit, Perspektive.

Dann kam alles anders.

Ich war total unvorbereitet auf das was folgte. Total Überfordert und Hilflos. Es schmerzt mich noch immer wenn ich daran denke. Doch es ist müßig an die Fehler der Vergangenheit zu denken, oder an die Annehmlichkeiten die man verloren hat. Es ändert nichts an der Gegenwart. Jeder von uns hat seine eigene Vergangenheit, irgendwie immer gleich, und doch grundverschieden. Aber Niemand wird als Obdachloser geboren, man wird dazu gemacht, oder macht sich selbst zu einem, egal. Am Ende will man nur noch überleben, in diesen Zeiten.

Text: harryaltona (2019) Cover: Pixabay

 

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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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sugarlady Du sprichst mir aus dem Herzen lieber Harry.
Ich wünschte mir mir, dass alle Handy Netze, nur für einen Monat einfach abgeschaltet werden.
Geht auch so, bin damit aufgewachsen.
Da gabs das schnurlose Telefon und gut wars.

Mir wird Deutschland immer unsympathischer, weil vieles ungerecht ist.
Schöne Grüße ins Halloween. Prost und lassen wir uns gruseln.
Andrea
Vor ein paar Monaten - Antworten
HarryAltona Moin Zuckerfrau, ach, zum Gruseln braucht man kein Halloween, ein Blick in die Nachrichten reicht und mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Aber Prost sag ich immer!!!
Tausend Dank, Andrea!!!
lg... harryaltona
Vor ein paar Monaten - Antworten
KaraList Das ist die andere Seite Deines Schreibens ... und das mag ich an Deinen Texten, Harry. Einmal bedienst Du die Lachmuskeln, ein anders Mal legst Du den Finger in offene Wunden.
Es ist traurig, dass es überhaupt Obdachlose gibt, dass es kein Netz gibt, das sie auffängt, ganz besonders die, die unverschuldet in diese Situation gekommen sind.
Doch wenn es dem Staat noch nicht einmal gelingt Wohnraum mit bezahlbaren Mieten für die arbeitende Bevölkerung zu schaffen, wie sollte er es bewerkstelligen einen Fonds zur Schaffung von Wohnungen für Obdachlose zu bilden. Das Geld wäre vorhanden, es müsste nur zweckdienlich verwendet werden.
Gut geschrieben!
LG
Kara

Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Das eine geht nicht ohne das andere. Zur Komödie gehört auch immer ein Schuss Tragik, und umgekehrt. Mal getrennt, allein stehend. Ich kann mich nicht nur mit dem tragischen beschäftigen, da muss auch mal was leichtes, sinnlos dämliches her. Ist wohl meine persönliche Gedankenhygiene.
Und mit dem anderen haste absolut recht. Geld ist ja da. Wird aber für die falschen Dinge ausgegeben. Vielleicht mit Absicht, oder aus reiner Blödheit. Auf jeden Fall ist es ne Riesen - Schande für diesen "Sozial - Staat"!!!
Tausend Dank, Kara!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Ich habe die Geschichte mit großem Interesse und Anteilnahme gelesen!! Ich finde, du hast es sehr gut beschrieben, wie es ist, Obdach los zu sein und an den kleinsten Überlebensdingen Freude zu haben. Da ich mitten in der Stadt lebe und täglich mit meinem Hund durch die städtischen Parks laufe, kenne ich so einige Obdach lose und ihre Lieblingsplätze. Und ja, diejenigen, die selbst nicht viel haben, geben gerne......
Gut geschrieben!
Liebe Grüße, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Dein Lob freut mich ungemein.
Tausend Dank für alles, Gabriele!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Es gibt ja auch immer die, die ihr "Elend" selbst verschuldet haben, weil sie schlichtweg keinen Bock auf Pflichten haben. Ganz oft aber ist der Weg auf die Straße der letzte Weg und das sollte von all den reichen Ländern verhindert werden. Geld wäre ja genug vorhanden.
Deine Zeilen sind betrüblich und traurig, lieber Harry.
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Betrügerische Banker kommen auch nicht ihrer "Pflicht" nach, und doch landen diese Herren meistens weich in einem neuen überbezahlten Bett, wo sie dann erneut das Geld der anderen verzocken. Das ist dann mehr als traurig.
Tausend Dank, Sabine!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Darkjuls Solange du gesund und arbeitsfähig bist, bist du gern gesehen. Doch wehe, wenn nicht.... Kranke, alte und schwache, für die ist kein Platz im Kapitalismus. Da kann man kein Geld mit verdienen. Deren Ziel ist es wirklich, lediglich zu überleben in diesen Zeiten. Traurig, zumal Weihnachten und damit der Winter vor der Tür stehen. Was nicht heißen soll, dass es sonst besser ist. Liebe Grüße Marina
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tja, dann ist man eben Ausschuss. Und Weihnachten muss bezahlt werden. Auch das Christkind kommt nicht für lau.
Tausend Dank, Marina!!!
Vor langer Zeit - Antworten
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