Journalismus & Glosse
Herr Stauch

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"Wie gewonnen, so zerronnen"
Veröffentlicht am 08. August 2019, 14 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Wie gewonnen, so zerronnen

Herr Stauch

Vorbemerkung

Herr Stauch war Eisenbahnangestellter und sein Leben war ungewöhnlich.


Gute Unterhaltung!






Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: G.v.Tetzeli

Internet:

www.welpenweste.de

Herr Stauch

Der Herr Stauch wurde am 15.01.1878 in Ettenhausen bei Suhl geboren. Er war das dritte von sieben Kindern der Eisenbahner-Familie. Und natürlich wurde er ebenfalls Eisenbahn Angestellter in Thüringen, Bahnlinie über Putzig nach Greifenhagen, Fa. Lenz & Co. Es wäre alles normal verlaufen, wenn ihn nicht Asthmaanfälle geplagt hätten. So riet ihm der Arzt 1907 dringend zu einem Ortswechsel mit trockener Luft. Kaspar Andreas August Stauch packte seine fünf Sachen, denn seine Frau und sein Kind waren nicht inbegriffen, und ließ sich nach deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) versetzen. Der zugeteilte Arbeitsplatz hieß Bahnstation

Grasplatz, obwohl inmitten der Namib Wüste dort kein Grashalm zu finden war. Jedenfalls war es staubtrocken und Sandstürme machten die Sache nicht gemütlicher. Gerade dies war das Problem. Herr Stauch hatte in einem Umkreis von 20 Kilometern dafür zu sorgen, dass die Gleise frei und befahrbar blieben. Diese nie enden wollende Aufgabe, nämlich örtlich die Bahnstrecke von Windhouk nach Lüderitz von Verwehungen freizuhalten, konnte einen schon in den Wahnsinn treiben. Als Helfer wurde ihm der pechschwarze Zacharias Lewala zugeteilt, dessen Arbeitskraft vorher in einer Diamantmine ausgenutzt worden war. Zacharias hatte es also besser getroffen, sodass ihm der Spleen des Vorgesetzten, nämlich sich der

Hobbymineralogie zu verschreiben, nicht weiter störte. Pflichtgemäß lieferte er am 14.04.1908 einen ungewöhnlichen Stein ab: „Sieh mal, Mister, ein schöner Stein!“ Herr Kaspar Andreas August Stauch fiel das Monokel herab. Er vermutete einen lupenreinen Rohdiamanten in der Hand zu halten, aber er wollte sicher gehen. In Lüderitz wohnte sein Freund Sönke Nissen, seines Zeichens Bergwerksingenieur, der es bestätigte. Es war ein Diamant. Vor Jahrmillionen hatte der Fluss Oranje die Diamanten ins Meer gespült und schließlich hatten Wind und Wellen die Edelsteine in die Namib abgetragen. Nissen und August verschwiegen den Fund und vergewisserten sich. Im Sand an der Oberfläche konnte man

die Edelsteine leichter pflücken, als man Pflaumen vom Baum abschüttelte.

(Gedenkmarke - Südwestafrika 1983 Stauch)

Die beiden Freunde kündigten und sicherten

sich schnell 70 Schürffelder auf 20.000 Hektar Wüste. Sie gründeten die Diamantschürfgesellschaft Kolmannskuppe (Kolmanskop), so benannt, weil ein gewisser Jonny Colmann dort als Transporteur mit seinem Karren in der Wüste 1905 stecken geblieben war und in allerletzter Minute gerettet wurde. Für seine zwei Begleiter kam die Rettung zu spät, sie waren verdurstet.

Der sensationelle Diamantfund blieb nicht lange verborgen. Zuerst tat man es als Prahlerei ab, aber als der Reichsgeologe Dr. Range die Diamanten ebenfalls als echt deklarierte, überschwemmte alles was in der Lüderitzer Bucht Beine hatte die Diamantfelder. Das Geschäftsleben der

Lüderitzer Bucht kam zum erliegen. Selbst Polizisten fehlten, da sie zur Kolmannskuppe unterwegs waren. Dr. Range wurde von der deutschen Regierung, dem Kolonialamt, beauftragt so viel wie möglich an Feldern für Deutschland, den Staat zu sichern. Das Schürfgebiet wurde zum Sperrgebiet erklärt. Stauch wurde reich, steinreich. Seine Kenntnisse als Landvermesser und Erfahrungen in der Wüste waren ihm zugutegekommen. Außerdem, der frühe Vogel fängt den Wurm. Bis Juli 1909 entstand mitten in der Namibwüste eine noble Siedlung mit Villen, Steinbauten wohlgemerkt, Schlachthaus, Eisdiele! (mitten in der Wüste) und geräumigen Schulgebäude. Es gab eine

Kegelbahn und einen Tante-Emma-Laden. Holzbaracken waren für die geknechteten Schwarzen angedacht, den Ovambos, die bei über 40 Grad den Sand durchkämmten. Es gab Strom, Licht und sonst alle Annehmlichkeiten für die weißen Kolonialisten. 1000 Liter Wasser wurden täglich importiert. Außerdem besaß Kolmannskuppe auch ein Krankenhaus, das über den neuesten Röntgenapparat verfügte (den ersten in Afrika überhaupt).

Die Arbeiter wurden nämlich durchleuchtet, denn Diamanten wurden zu gerne irgendwie einbehalten, geschluckt, in den After geschoben. So rentierte sich die modernste, medizinische Ausrüstung.

Deswegen gab es auch eine Polizeistation,

damit die Übeltäter untergebracht werden konnten. Es war ebenfalls Stauch, der bemerkte, dass die Diamanten in den Tälern der Dünen größer waren, als auf den Kuppen.

(Kolmannskuppe: Man musste nicht graben, wie in Kimberly, nur aufklauben lassen) Kein Wunder, dass dann die neuen

Diamantgesellschaften Grillental, Zillertal, oder Pusztatal hießen.Die Steine waren sozusagen von der Natur schon vorsortiert, anders, als in den tiefen Minen bei Kimberly.Stauch beschäftigte inzwischen 20 weiße und 50 schwarze Mitarbeiter. Seinen Reichtum wollte er vermehren und investierte, beteiligte sich an diversen Unternehmen

(z. B. Vox-Schallplatten- und Sprechmaschinen AG in Deutschland).

Man schrieb das Jahr 1920, als Kolmannskuppe sich zur reichsten Stadt Afrikas gemausert hatte, da bemerkte man den Rückgang der Funde. Es wurde begonnen Gebiete zu salzen, also künstlich Diamanten auszustreuen, um den leer gefegten Claim besser wieder verkaufen zu

können. Stauch stieg aus dem Diamantgeschäft zirka 1924 aus. Zum Teil betätigte er sich sogar politisch. Er erhielt ein Mandat im Deutschen Bund für Südwestafrika. Nun könnte diese Recherche enden. Kleiner Bahnarbeiter findet in der Wüste einfach so Diamanten, wo vorher Experten solche Funde ausgeschlossen hatten. Er wird Millionär und führt ein exquisites Leben. Der Schluss ist leider betrüblicher. In der Weltwirtschaftskrise 1931 verlor August Stauch sein gesamtes Vermögen. Ihm blieb nur noch eine kleine Farm in Südwestafrika. Er kehrte verarmt nach Ettenhausen zurück und starb schließlich an Magenkrebs 1947 als armer

Mann. Kolmannskuppe erging es nicht besser. Nach blühendem Aufschwung aus dem Nichts, ist es nun eine Geisterstadt, den sich die Sanddünen zurückholen. Für Eintrittsgeld dürfen die ausgeplünderten Ruinen in der Wüstenhitze besichtigt werden, bevor die Zeit und der Sand über die Kolmannskuppe ihren Teppich der Vergessenheit ausbreitet. Vielleicht hat es die Wüste übel genommen dass ihr damals innerhalb von ein paar Jahren Diamanten im Wert von über fünf Millionen Karat entrissen wurde.

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welpenweste
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Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
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Friedemann 
Hallo Günter,
wieder mal eine sehr informative Episode aus Deinem Geschichtsbuch, lebendig geschrieben und ohne Effekthascherei oder sonstige Lügen. Ich sah nämlich vor einigen Wochen im Fernsehen (ich weiß nicht mehr wo, vielleicht in Terra X) eine Dokumentation über diesen erfolgsverwöhnten Bahnwärter, den ich hier gleich wiedererkannte..

Liebe Grüße,
Friedemann
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