Journalismus & Glosse
Sirocco

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"Superstar"
Veröffentlicht am 30. Juli 2019, 18 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Superstar

Sirocco

Vorbemerkung

Schon einmal von einem Kakapo gehört?

Hier stelle den Superstar Sirocco vor.


Gute Unterhaltung!




Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: G.v.Tetzeli

Internet:

www.welpenweste.de

Sirocco

Sirocco, das ist ein Fernsehstar! Nun gut, uns vielleicht nicht so bekannt, aber in Neuseeland sehr wohl. Er hat eine eigene Fangemeinde, sogar das Parlament befasste sich mit dem Superstar. Ein einziger Fernsehauftritt hat für die Bildung des enormen Ruhms beigetragen. Es war natürlich nicht irgendein Filmteam aus der Klitsche, sondern die BBC selbst, die den Star herausbrachte. Aber lassen sie mich von Anfang an berichten. In Neuseeland gibt sieben verschiedene Papageienarten und sie kommen nur dort vor, sind also endemisch. Drei davon gehören wissenschaftlich zu der Familie der Nestoridae. Es sind der South Island

Kaka, der Kakapo und der bekannteste, der superkluge Kea. Der Kakapo ist der einzige Papagei auf der Welt, der nicht fliegen kann. Er gehört als einziger Vertreter der Unterart der Strigopinae (Eulenpapageien) an. Dieser Kakapo ist nachtaktiv und, wie sollte es auch anders sein, höchst selten. Er erreicht eine Größe von 54-65 Zentimeter und bringt bis zu 4 Kg auf die Waage. Sie werden als reine Vegetarier wahrscheinlich bis zu 80 Jahre alt. Im Jahr 1994 gab es nur noch 47 Tiere. Der Kakapo bleibt am Boden (klar, wenn er nicht fliegen kann) und brütet dort auch. Den einzigen Feind, den er vor dem Menschen kannte, das war ein Adler, der sich gerne mal einen aus dem Unterholz grapschte. Deshalb hat der Papagei

eine exzellente Tarnfarbe. Bei Gefahr duckt er sich und erstarrt.

Das hatte eigentlich ganz gut geklappt, aber gegen die Raubtiere, die der Mensch eingeführt hat, da war er hilflos ausgeliefert. Marder, Hunde, Katzen dezimierten ihn gnadenlos. Dazu kam auch noch die Vernichtung seines Lebensraumes.

Neuseeland handelte. Alle bekannten Kakapos wurden eingefangen und dann auf zwei kleine Inseln verfrachtet: Anchor Island (Pukenui), die sich im Dusky Sound, einem Teil des Fiordland-Nationalpark, befindet, sowie Codfish Island (Whenua Hou), die vor der Westküste von Stewart Island liegt. (ab 1977) Schon früher gab es Versuche diese Art zu retten. Bis zum Jahr 1900 hatte der Naturschützer Richard Henry Kiwis und Kakapos auf Recovery Island umgesiedelt. Dieses Reservat war von Fressfeinden frei. Doch leider durchschwamm eine Gruppe Marder im Jahr 1900 den ein Kilometer breiten Fjord vom Festland zur Insel. Innerhalb von sechs Jahren war die gesamte Population der seltenen Vögel vernichtet, vollständig!

(Präparat Museum) Es folgten mehrere Versuche der Rettung. Zum Teil befürchtete man schon, der Kakapo wäre ausgestorben. Inzwischen gibt es die Kakapo recovery Group. Jeder Vogel wird mit modernster Technik überwacht. Futter wird angeboten und sogar die Nester mit Anti-Flohmitteln behandelt. Das

geschah deswegen, weil sich ein Kakapo Weibchen wegen Flohstichen kratzte und dabei das wertvolle Ei zerbrach. Jedes gelegte Ei wird bejubelt und zum Teil künstlich ausgebrütet, andere Kakapo Weibchen als Ammen eingesetzt. Handaufzucht und Versorgung der Nester gehört dazu, wenn Muttern mal nach Nahrung sucht. Da wird das Gelege oder die Küken mit Deckchen versorgt, damit sie nicht unter Umständen erfrieren. (kam nämlich vor). Und so liegt eine ganze Armada von Naturschützern auf der Lauer, schaut auf Bildschirme, um die selten Vögel bis aufs Blut zu beschützen, denn die Vögel beobachten in Brutnestern und Bruthöhlen x-Kameras . Allerdings gab es auch ein paar Rückschläge, wie ein Bakterienbefall, der die Erfolgsquote

zurückwarf. Kommen wir zu unserem Fernsehstar Sirocco. Er schlüpfte am 23. März 1997 auf Codefish Island. Im Alter von drei Wochen litt Sirocco an einer Atemwegserkrankung, die die Trennung von seiner Mutter Zephyr zur Folge hatte. Der Jungvogel wurde von Wildhütern des Department of Conservation per Hand aufgezogen. Jedenfalls gewöhnte sich Sirocco an Menschenhand. Leider gewöhnte er sich deswegen nicht mehr so recht an seine Artgenossen. Er wurde in die Wildnis entlassen, aber dass es je zu einem Bruterfolg kommen würde, das war ausgeschlossen. So balzte er durchaus Menschen an, aber die weiblichen Kakapos nicht, egal welche ausgesuchten Schönheiten man dem Star anbot. Sirocco hatte

Allüren. Dafür hatte er eben andere Verpflichtungen. Er war der ideale Botschafter, denn kein anderer Kakapo war derart zutraulich. Zum ersten Mal sahen die Neuseeländer einen lebenden Kakapo. Wer wusste schon, dass es dieses Tier überhaupt gibt. Seit 2006 darf er auf dem regelmäßigen Kakapo Treffen auf Ulva Island nicht fehlen. Im September 2009 war er im Auckland Zoo zu sehen und er ist seitdem in diversen Wildparks anzutreffen, darunter im Karori Wildlife Sanctuary und auf Maungatautari Ecological Island. Kurz und gut: A Star ist born. Im Jahr 2009 erlangte Sirocco Weltruhm. Zoologe Carwardine drehte die BBC-Dokumentation Last Chance to See (die letzten ihrer Art) mit dem britischen Schauspieler

Stephen Fry. Das Filmmaterial zeigt einen ziemlich lebhaften Sirocco, der versucht, sich mit Carwardines Kopf zu paaren, während Fry von der Seitenlinie lacht. Der YouTube-Clip von Sirocco, wie er mit Moderator Mark Cawardine „hautnah“ in Kontakt kam, hatte über 7 Millionen Aufrufe! Es scheint sich zu bestätigen: Sex ist beautiful in making money. Für die Hollywood Stars ist der Handabdruck the Hall of fame. Da kann Sirocco durchaus mithalten. 2010 verlieh der neuseeländische Premierminister John Key dem Vogel persönlich den Titel „Official Spokesbird for Conservation“ (dt. Offizieller Botschaftervogel Neuseelands). Natürlich verfügt Sirocco über eine weltweite Fangemeinde und er ist neben Peter Jackson

(Regie:Herr der Ringe) und Russel Crowe der berühmteste Neuseeländer.

Und wie bei jedem anderen Hollywood Star, benötigt Sirocco eine entsprechend riesige Entourage. Ein Ärzteteam, spezielle Betreuer und superstrenge Auflagen hinsichtlich Unterbringung, Handhabung, Fütterung und Ruhezeiten, machen den Auftritt von Sirocco zu einem Großevent. Extra wurde die Tiertrainingsexpertin Barbara Heidenreich teuer angeworben, um an seiner „Bühnenarbeit“ zu feilen. Im September 2011 übernachtete Sirocco im Orokonui Ecosanctuary in der Nähe von Dunedin und zog dann nach ZEALANDIA in Wellington. Mehr als 2.000 Personen hatten Tickets für die Besichtigung von Sirocco in der Hauptstadt im

Voraus gebucht. Im Jahr 2012 wurde Sirocco in Maungatautari in der Nähe von Hamilton gehostet. 2013 und 2015 besuchte er erneut ZEALANDIA und 2013 und 2014 Orokonui. Zwischen seinen Stage Explotions wurde der Superstar immer wieder der Wildnis übergeben, nämlich auf Fiordland Island. Dort konnte er andere, männliche Artgenossen treffen und sich von den Auftritten, völlig in Ruhe gelassen, erholen. Und wie das bei Superstars wohl üblich ist, die ewige Überwachung hatte Sirocco satt. Er büxste aus. Jeder Kakapo hat einen Sender. Natürlich auch Sirocco. Irgendwie fiel der Sender aus und der

Papagei war verschwunden. 20.000 Internet-Likes, Betreuer und Verantwortliche stöhnten auf. Wo war der kleine Edelstein? 2016 war es, bei seinem ausgedehntem Erholungsurlaub auf Ulva Island, als er zumindest technisch im Nirwana verschwand. Suchtrupps versuchten ihn zu finden, allein die Jagd blieb erfolglos. Diese Sender, welche die Vögel möglichst nicht stören sollen, haben eine Ausfallquote von ca. 5%, aber das dies ausgerechnet bei Sirocco passieren musste, das war Pech. Da die Tarnung dieser Vögel so ausgezeichnet ist, durch die sogenannte Schockstarre noch verstärkt, kann man sich buchstäblich dumm und dämlich suchen.

So war das auch bei Sirocco. Der Star war bei seinem Verschwinden im besten Alter von 20 Jahren und auf Grund seiner besonderen intensiven Pflege kerngesund. Man war ratlos. Es konnte vorkommen, dass man Vögel mit ausgefallenen Sendern erst nach 5 Jahren wieder fand, oder aber… Daran wollte niemand glauben. Endlich, endlich tauchte Sirocco zwei Jahre später (2018) im Bild einer Fotofalle wieder auf. Die Neuseeländer und die Fangemeinden waren aus dem Häuschen. Sirocco schien quietschfidel und gesund. Welch ein Glück! Schade nur, dass erst durch entsprechende Internetauftritte, öffentliche Zurschaustellung,

genügend Aufmerksamkeit erlangt wird, um das heutige, entsetzliche Artensterben thematisieren zu können.

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Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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Francisco Hallo Welpenweste,
Sehr gut geschrieben und recherchiert. Damit habe ich dein Buch in meiner Favoritenliste verewigt.
LG Francisco
Vor langer Zeit - Antworten
erato 
Hallo, Meister der Recherche,
wieder hast Du meine CPU auf Volllast getrimmt, die Arbeitsspeicher sich erwärmen lassen.und meinen arteigenen Algorithmus ausgelastet.
Mit anderen Worten: Hab wieder etwas gelernt, das noch nicht auf
der Festplatte gespeichert war.
D A N K E lieber Günter
HG THomas
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Sirocco ..."
Kenn' ich, den Kea, ich hab' den kompletten
Dokumentarfilm auf N24 über ihn gesehen...
Aber die Story zu diesem einmaligen Vogel,
die hast Du dennoch prima geschrieben... ...smile*
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Danke schön, danke für's Lesen!
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
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