Kurzgeschichte
12 Stufen abwärts

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"12 Stufen abwärts"
Veröffentlicht am 25. Mai 2019, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

"Manches ist in den Sand geschrieben - anderes in Stein gemeißelt"
12 Stufen abwärts

12 Stufen abwärts

Stufe1

Angefangen hatte es mit plötzlich aufgetretenen Schmerz unterhalb des linken Rippenbogens. Zunächst ließ Frieder ihn unbeachtet, aber am Folgetag war der Schmerz immer noch da und wie es schien sogar stärker geworden.

Stufe2

Gegen seine sonstigen Gewohnheiten rief er in der Praxis seiner Hausärztin an, musste aber mit einer Vertretung vorlieb nehmen, da seine Ärztin im Urlaub war.

 

Stufe3

Am nächsten Morgen pünktlich sieben Uhr, meldete sich Frieder, (wie abgesprochen) in der Vertreter- Praxis an. Sie lag ein Stockwerk tiefer, als die Praxis seiner Hausärztin. Wie er erfuhr, war die aber erst ab acht Uhr geöffnet und er wurde freundlich gebeten, zu besagter Zeit wieder vorzusprechen. Langsam dämmerte Frieder, dass er es mit einer Pechsträhne zu tun hatte und eine innere Stimme schien ihm hämisch zuzuflüstern; warte, Freundchen, es kommt noch knüppeldicke.

 

Stufe4

Als Frieder dann wiedergekommen war, brauchte er nicht lange zu warten, um ins Behandlungszimmer gerufen zu werden. Viel Federlesen machte der Doktor nicht, er tastete die Frieder schmerzende Stelle nicht einmal ab. Dafür drückte er ihm nach kurzer Zeit eine Überweisung zum Röntgen in der Hand, da, wie der Herr Doktor meinte, eventuell eine Rippenfraktur der Grund für den Schmerz sei. Frieder teilte diese Meinung nicht, aber machte sich brav auf den Weg zur Radiologie, die etwa 3 km entfernt lag.

 

Stufe5

Das Pech schien Frieder tatsächlich zu verfolgen, denn die Röntgenapparatur war defekt und konnte erst am Folgetag wieder zum Einsatz kommen.

 

Stufe6

Am nächsten Tag brachte Frieder das Röntgen hinter sich, aber zu seinem Leidwesen bekam er den Befund nicht mit. Er würde wahrscheinlich am Mittwoch (Folgewoche) in der Praxis eintreffen. Frieder hatte das Gefühl, dass der Herr Vertretungs-Doktor, sich elegant

seinen Gastpatienten vom Halse geschafft hatte. Wäre doch Frieders Hausärztin Beginn der neuen Woche dann wieder im Amt.

 

Stufe7

Letztlich und endlich waren das alles Vermutungen, trotzdem biss die Maus keinen Faden ab; der Doktor hatte es verstanden, Frieder bis zum Mittwoch, im Unklaren zu lassen, was die Ursache des Schmerzes sei. Frieder fragte am Mittwoch früh telefonisch in der Praxis an, ob der Röntgenbefund eingetroffen sei. Ja dem wäre so und man habe den

Befund seiner Hausärztin überstellt; war die Auskunft

 

Stufe8

Also meldete sich Frieder in der Praxis seiner Hausärztin und brachte sein Anliegen vor. Allerdings war der Röntgenbefund dort nie angekommen. Frieder marschierte eine Treppe tiefer, in die Praxis des Vertretungs-Doktors und fragte dort nach. Nach einer halben Stunde ergebnisloser Suche schickte dann die Röntgenstelle ein Fax mit den benötigen Angaben. Wie Frieder schon vermutet hatte, war keine Rippe an oder

gar gebrochen.

 

Stufe9

Dann endlich bei seiner Ärztin, die ihn gründlich untersuchte, ihm die Leviten las weil er sich fast zwei Jahre nicht hatte bei ihr sehen lassen und ihn schließlich nach der Blutabnahme entließ. Vorsprechen sollte er am kommenden Montag wieder bei ihr. Der Schmerz unterhalb des Rippenbogens war wie von Zauberhand verschwunden und Frieder marschierte guter Laune nach Hause und war überzeugt, alles sei nun wieder bester Ordnung und die

Pechsträhne hätte ein Ende.

 

Stufe 10

Leider war dem nicht so, denn als Frieder am Sonntagvormittags seine eingegangenen Mails durchsah, war eine von seiner Hausärztin. Der Wortlaut war folgender;

Lieber Herr G.

leider kann ich Sie telefonisch nicht erreichen. Ich habe keine guten Nachrichten für Sie. Sie haben einen sehr hohen Zuckerwert (28,3 mmmol/l). Der

Natriumwert (133) ist sehr niedrig. Das heißt, Ihr Zuckerstoffwechsel ist sehr durcheinander und es könnte passieren, dass Sie in ein sogenanntes diabetisches Koma fallen. Ich möchte Sie herzlich und dringlich bitten, sich in der nächsten Notaufnahme vorzustellen und mit den Kollegen zu klären, wie es weiter gehen soll. Aus meiner Sicht wäre es zu spät, wenn Sie erst am Montag hierherkommen. Ich hoffe sehr, dass Sie es bitte so machen, auch wenn ich weiß, dass Sie ja nicht allzu gern zu Ärzten geschweige denn ins Krankenhaus gehen. Aber es kann wirklich schnell lebensbedrohlich werden, wenn Sie nichts unternehmen. Am besten, Sie

drucken diese Mail aus, wenn Sie ins nächste Krankenhaus gehen und nehmen diese mit.

Nein, negieren würde er die Mail nicht. Er würde sie ausdrucken und sich brav in der Notaufnahme des Krankenhauses melden. Unschön und ärgerlich, dass sein Drucker just in dem Moment nicht funktionierte und Frieder den Text mit der Hand abschreiben musste. (E. besaß kein Handy mit Webanschluss.)

Stufe Elf

Frieder ging auf Nummer Sicher, packte Schlafanzug, Hausschuhe und die notwendigen Toilettenartikel in seine

Tragtasche, samt Notebook, das aber keinen Internetempfang hatte. (Nein, ein Anschluss war vorhanden,aber Frieder, in technischen Dingen etwas ungelenk, war noch nicht dahintergekommen, wie der Empfang einzustellen sei.) Dann machte er los, stieg dummerweise vier Haltestellen zu früh aus und musste bis zum Krankenhaus noch 2 km im kalten Nieselregen laufen.

Stufe12

Dann ging aber alles schnell und nach einigen sehr gründlichen Untersuchungen fand er sich im Bett einer Krankenhausstation wieder. Neben ihm

lag ein 92 Jahre alter Herr, der sich freute, dass er endlich mit jemanden reden konnte. Am Montag wurde Frieder in die sogenannte Röhre geschoben und am Dienstag früh zeigte ihm die Frau Oberärztin ein sehr, sehr ernstes Gesicht. Frieder erfuhr, dass er Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium hatte! Ihm fiel nichts Besseres ein, als zu sagen: „Da hätte ich mir vor zwei Jahren nicht das Rauchen abgewöhnen müssen.“

Was hätte er sonst auch sagen sollen …?

(Eine Fortsetzung wird unter dem Titel "Mit dem Krebs auf Du und Du"

demnächst erscheinen)

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Willie
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KaraList Oh oh, wäre es doch nur eine Rippenfraktur gewesen. Leider gibt es keine Garantie, dass der Krebs einen nicht erwischt ... trotz Vorsorgeuntersuchungen.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Darkjuls Zeilen, die mir vor Augen führen, wie wertvoll jede Stunde ist. Sei lieb gegrüßt von mir.
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"12 Stufen abwärts..."
Altermirano, eine solche Diagnose zu bekommen,
das kann in der Tat sogar den bärenstärksten Typen umhauen...
Ein Rechtsanwalt sagte dereinst einmal zu mir,
»Es gibt drei entscheidende Dinge im Leben, vor Gericht,
auf See und bei der Gesundheit, da sind wir alle in Gottes Hand...
Und ich denke, er hat gar nicht mal so Unrecht damit...
Bin jetzt gespannt, wie es weiter geht...
LG
Louis
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Danke, Louis,
ich habe gelesen, dass sich Krebs unbemerkt über Jahre entwickelt, ehe er überhaupt (ärztlich) nachweisbar ist.
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift meint:
Das ist das Privileg dieser heimtückischen Krankheit,
sich heimlich einzuschleichen und dann das Opfer vor
vollendete Tatsachen zu stellen. Um so wichtiger ist es,
auf die Frühwarnsignale seines Körpers zu achten, denn
die gibt es, nur werden die oftmals von den Betroffenen
selbst gar zu leichtfertig einfach ignoriert...
LG
Louis
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Ich denke in der Fortsetzung "Mit dem Krebs auf Du und Du" ist auch auf diese Warnsignale eingegangen. Das wird aber ein umfangreiches Buch, dass ich hier nicht hochladen. Dafür werde ich aber den Link einstellen- dauert aber noch.
Ansonsten habe eine gute Woche und
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
Noxlupus Aus dem Leben gegriffen … bin gespannt wie es weitergeht. LG
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Eine noch nicht abgeschlossene Fortsetzung hat den Titel "Mit dem Krebs auf Du und Du.
bis demnächst
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ha... Wen das Pech einmal am Wickel hat...!
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Dem ist wohl leider so, lieber Freund.
Bis demnächst
Sweder
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