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Lärm und Stille

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"Lärm und Stille"
Veröffentlicht am 13. Mai 2019, 10 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
Lärm und Stille

Lärm und Stille

Was für ein Krach, was für ein Lärm. Da hört doch jemand " die Fische miteinander Lärm anfangen, dass es in den Himmel hinaufscholl“, und zwar im Märchen vom Schlaraffenland. Der moderne Zeitgenosse wird ob eines derartigen „Lärms“ wohl nur müde lächeln. Hast du, lieber Leser, etwa schon einmal einen Tag ganz ohne „richtigen“ Lärm erlebt? Wohl kaum, denn Lärm gehört zu unserem Leben, Lärm in allen Bereichen und in allen Formen. Umgebungsgeräusche, die uns stören, bezeichnen wir im Allgemeinen als Lärm.So

hat etwa der Geheimrat Goethe einen erbitterten Zwist mit seinem Nachbarn am Frauenplan ausgefochten, weil dessen lärmende Webstühle des Meisters Muße über die Maßen inkommodierten. Und sein berühmtes Gedicht "Wandrers Nachtlied" drückt wohl neben anderen Botschaften des Meisters Sehnsucht nach Ruhe aus. „Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du

auch.“ Nun meint Goethe mit der Ruhe des Schlussverses natürlich die letzte, aber der große Mann legte halt auch Wert auf störungsfreies Arbeiten und nicht zuletzt auf seinen Mittagschlaf. Sicherlich waren besagte Webstühle laut, was zu beweisen gewesen wäre, denn Lärm ist messbar. Ob wir Geräusche als Lärm wahrnehmen, hängt von unseren Stimmungen, unserer momentanen Verfassung und nicht zuletzt von unseren individuellen Vorlieben ab. So hört der eine Musik meistens recht laut und hat auch nichts dagegen, wenn der Nachbar demselben Laster frönt. Die meisten Eltern

bleiben meist auch dann gelassen, wenn fremde Brut rumkreischt, was dagegen die Nachbarschaft an Umzug, Auswandern oder gar Mordkomplotte denken lässt. Und auch hier eine Begebenheit aus Goethes Kindheit: "Die Meinigen erzahlten gern allerlei Eulenspiegeleien. Ich führe nur einen von diesen Streichen an Es war eben Topfmarkt gewesen und man hatte nicht allein die Küche für die nächste Zeit mit solchen Waaren versorgt sondern auch uns Kindern dergleichen Geschirr im Kleinen zu spielender Beschäftigung eingekauft An einem schönen Nachmittag da alles ruhig im Hause war trieb ich im Gerams mit meinen Schüsseln und Töpfen mein Wesen und da weiter nichts

dabei heraus kommen wollte warf ich ein Geschirr auf die Straße und freute mich daß es so lustig zerbrach Die von Ochsenstein welche sahen wie ich mich daran ergetzte daß ich so gar fröhlich in die Händchen patschte riefen Noch mehr Ich säumte nicht sogleich einen Topf und auf immer fortwahrendes Rufen Noch mehr nach und nach sammtliche Schüsselchen Tiegelchen Kännchen gegen das Pflaster zu schleudern." Das Wort Lärm wird etymologisch von den Herkunfts-Wörterbüchern wie folgt erklärt: Zum einen vom romanischen Schlachtruf „All' armi!“ (italienisch), zu deutsch: „Alle zu den Waffen!“ Zum anderen aus dem Frühhochdeutschen als „Lerman oder

Larman: Lärm, Geschrei“, später zusammengezogen zu dem erwähnten alarma bzw. alerman: Alarm. Das hat vor allem damit zu tun, dass jeder Lärm auch eine subjektive Komponente hat (schon durch den Volksmund bestätigt: „Laut, das sind die anderen...“). Das heißt, Lärm wird zwar nicht unterschiedlich registriert, wohl aber unterschiedlich empfunden. Trotz aller belästigenden oder gar schädigenden Wirkung des Lärms gehört ein Mindestmaß davon zum Leben. Nichts, das nicht mit Geräuschen verbunden wäre: Gemütsregungen wie Erleichterung, Freude, aber auch Trauer, von Erschrecken oder

Warnrufen ganz zu schweigen. Kinder machen vermutlich am meisten menschlichen Lärm: Rufen, Singen, Schreien, und wahrhaftig: vielen Erwachsenen ist bereits das zu viel und kann natürlich auch eine tolerierbare Grenze überschreiten. Wo Menschen sind, da wird es laut. Doch der Mensch braucht eben genauso die Stille. Auch Goethe, welcher die „sausenden Webstühle“ des nachbarlichen Webers nur schlecht ertragen konnte. Dabei ist noch nicht einmal die Stille als Hort der Kontemplation, der innerseelischen Betrachtung und der Kreativität, der geistigen Produktivität gemeint. Doch das wäre gerade in unserer Zeit und Gesellschaft wichtiger denn je. Denn

um die Fülle an Informationen zu verarbeiten und in Wissen und sogar Weisheit zu verwandeln, braucht der Mensch die Stille. Ohne Stille kann nicht wirklich qualitativ Neues entstehen. Seelisches Wachstum und damit auch das von allen zum Zentrum unseres Lebens hochstilisierte wirtschaftliche Wachstum ist nur durch Phasen der Stille möglich: In der Selbstbesinnung, im Nachdenken in ruhiger, entspannter Atmosphäre, in der Verknüpfung von Erkenntnissen und damit geistigen Konstruktionen, die sich schließlich auch für die gesamte Gesellschaft als hilfreich und nützlich umsetzen lassen. "Leise, leise! Stille, Stille! Das ist erst das

wahre Glück." Dieser Ansicht jedenfalls ist unser Goethe… Es ist also wenig erhellend, wenn Lärm lediglich als Schall betrachtet wird, der sich mittels Messung skalieren lässt. Und nun schließ leise diese Seite, lieber Leser, und gib dich der ungetrübten Ruhe und Muße hin.

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cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

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pekaberlin Nun ja, Cassy,
dazu zwei Dichter.
Zuerst der olle Busch, der weit unterschätze:
"Musik wird oft nicht schön gefunden,
weil sie stets miit Geräusch verbunden."
Er stützt also einen Teil deiner Thesen.
Aber unser Harry ist, was den gesellschaftlichen Fortschritt betrifft, anderer Meinung. Hier:
"Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
wir weben emsig, Tag und Nacht.
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch!
Wir weben hinein den dreifachen Fluch!
Wir weben, wir weben!"
Dieser Lärm käme mir gerade Recht. Wir Deutsche scheinen viel zu ruhebedürftig! Wir brauchen Ruhe für die wichtigen Dinge wie Effizienz ....
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Da gebe ich Dir durchaus Recht... der liebe Harry hat übrigens aber auch gaaanz "leise" artikulieren können, wenn er Kritik äußerte, etwa in "Marie Antoinette":

Die Oberhofmeisterin steht dabei,
Sie fächert die Brust, die weiße,
Und in Ermanglung eines Kopfs
Lächelt sie mit dem Steiße.

Wohl durch die verhängten Fenster wirft
Die Sonne neugierige Blicke,
Doch wie sie gewahrt den alten Spuk,
Prallt sie erschrocken zurücke.
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Lärm und Stille..."
Mit Genugtung habe ich (in aller Stille versteht sich)
Euer Elaborat zum Thema: Lärm und Stille
gelesen... ...smile*
Besonders gefiel mir die Szene mit der 'kreischenden Brut'...
Da musst Ihr wohl gerade bei mir zuhause vorbeigekommen
sein, denn im Kindergarten von gegenüber, dort wird sie wohl
beheimatet sein. Nichts gegen Singen und Spielen, da kann
es gelegentlich auch mal geräuschvoll zugehen, aber permanent
die Lautstärke der eigenen Stimmbänder stets auf Kosten der
Anwohner zu testen, das scheint mir in gesundheitsschädigenden
Sondermüll in Form von umweltbelastenden Lärm auszuarten...
Mein Antrag auf Schließung dieser Kita wegen unzumutbarer
Lärmbelästigung wurde vom Berliner Senat zwar abgelehnt,
aber dafür hat die Hauptverkehrsstraße durch unser Viertel
jetzt eine neue Straßendecke mit "Flüster-Asphalt" bekommen.
Das ist doch schließlich auch was, denn zugleich konnte man
ja auch den Durchfahrtsverkehr für schwere LKW wieder freigeben...
Jetzt habe ich beim Kultusministerium den Film "My fair Lady"
zu einer schulischen Pflichtveranstaltung an allen Berliner Schulen beantragt.
Erstens lernt man dort, wie man richtig spricht und schreibt
und zweitens, dass sich sinnloses Geschrei löblicherweise
vermeiden ließe, so man sich denn mit den Eleven überhaupt
auseinandersetzen würde, was aber offensichtlich
leider nicht so gewollt ist, denn Kinder dürfen wie man weiß, bekanntlich alles...

Ergebenst
Ihr Professor Henry Higgins

Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Mach ich. Stille genießen ist ja heutzutage zu einem wahren Frevel verkommen. Produktiv muss der Mensch sein, Wachstum muss auch in Sachen Lärm verkündet werden, auch im regieren. Posaunen müssen erschallen! Je lauter desto leerer im Sinn. Da lob ich mir meine stille Bude in zweiter Reihe.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Und ich sag dir: Recht haste, lieber Harry! Wir Lärmverachter sind die neue Elite; wirst sehen, das ist bald richtig "in" !

LG
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Warum, verfluchte Hacke, müssen diese Aufsitzmäherpiloten ihre Rasenboliden stun-den-lang auf 200 qm kreiseln lassen? Wie angenehm ruhig ist doch da der Winter~~~

sinniert die verärgerte principessa, die dem Gepolter der gemeinen Plebs nichts, aber auch gar nichts abgewinnen kann
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Ach liebe Cassy... Littest Du nicht erst neulich unter Produkten der Fa. Stihl? Doch geht es nicht auch ohne schwer Gerät, genügen nicht ein Grill, dazu ein Fäßchen, oder eine Fußballspielübertragung zur lauten Daseinsbekundung? Sollen wir in Wüsten fliehn ... oder lieber unter Menschen weilen irgendwie?
Fragt sich in der Stadt immer mal
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Ha, wenn die Krachmaten sich meiner Hoheit beugten, wäre ja alles in der schönsten Ordnung! Aber sie müssen ja ihre lauten Geräte rattern und kreischen und donnern lassn.... damit man ihre Existenz überhaupt wahrnimmt.
Wie schön ist dagegen Beethovens "Eroica", Lautstärkeregler ganz oben .!!!
grinst
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
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