DAS GLÜCK STEHT IN DEN STERNEN
Dank der Sterne sind Sie
hochmotiviert und aktiv.
Was Sie wirklich wollen,
können Sie nun auch erreichen.
Das hört sich aber mal gut an, denkt sich Heini Hobelbein. Endlich mal ein
Wochenhoroskop das ihm so richtig in den Kram passt. Besser konnte es kaum kommen. Äußerst glücklich und sehr zufrieden muss er diese wahrhaft fabelhafte Prognose jedem der ihm über den Weg läuft erzählen. Und selbstverständlich hält er jedem noch so kleinen Zweifler das abgegriffene Stück Papier unter die rümpfende Nase. Da steht es nämlich drauf. Schwarz auf Weiß! Kein vertun möglich. Das ist so gut wie amtlich!
Doch wie zu erwarten erntet Heini die üblichen Vorbehalte gegenüber seinen handfesten Beweisen:
„Schieb ab Du Doofkopp!“
„Geh mir bloß weg mit dem Scheiß,
Trottel!“
„Komm mir nich mit so nem Blödsinn!“
„Werd erwachsen, Du Spacken!“
Nun, diese recht heftig vorgebrachten rohen Worte seiner Schicksalsgenossen beim täglichen Hofgang erschrecken ihn ein wenig. Aber nur kurz.
Was wissen die denn schon, denkt Heini, sind eben allesamt ungebildete Torfköppe. Ignorante Blödmänner und uneinsichtige Blindgänger. Haben eben so überhaupt keinen Schimmer von den Wundern die über uns wachen und unser Geschick leiten.
Doch Heini weiß Bescheid. Er hat die Sterne studiert; ihre Bahnen, die Konstellationen, die Geheimnisse die sie
dem Gläubigen offenbaren, die wundervollen Bestimmungen, die sie für jeden bereit halten, der ihnen seine Seele öffnet.
Gewiss, der Anfang war alles andere als leicht. Allein die vielen fremden Bezeichnungen, die unbekannten Worte, brachten ihn oft an den Rand des Aufgebens. Doch dann legte er sich selbst die Karten, erforschte seine Handlinien. Und alles sagte ihm: Mach weiter.
Zwei ganze Jahre plagte er sich durch unzählige Unterlagen mit Berechnungen über Planetenbahnen, mögliche Konstellationen, Tierkreiszeichen und ihre untrüglichen Eigenschaften.
Außerdem lernte er viel über Astralkulte, Persönlichkeitsmerkmale, und die optimale Vermarktung seiner neu erworbenen Fähigkeiten.
Denn was würde es nützen wenn er nicht die Chance ergriff, möglichst einen ansehnlichen Profit aus seinen neu erworbenen Fähigkeiten zu ziehen...? Genau! Nichts!
Deshalb auch die recht umfänglich gestalteten Ratschläge in Sachen Marketing. Diese begannen klassisch: Man machte sich einfach selbstständig. Doch als niedergelassener Astrologe, Handleser und Lebensberater konnte es eine gewisse frustrierend lange Zeit dauern bis sich ein ansehnlicher
Kundenstamm entwickelt hatte. Da brauchte es Geduld.
Doch es gibt Wege die schneller ans Ziel führen, denn schließlich leben wir in modernen Zeiten. Astrologische Lebensberatung via Fernsehen oder Internet erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Live - Chats mit verzweifelten Hausfrauen, die die Liebe ihres Lebens suchen sind eine sichere Einkommensquelle. Ebenso die telefonische Erstellung unterschiedlichster Horoskope. Da wird minütlich abgerechnet.
Und abgerechnet wird immer.
Solange es Menschen gibt die aus unterschiedlichsten Gründen ihr Leben
nicht selbst in die Hand nehmen, sondern es vorziehen auf eine unklare überirdische Macht zu vertrauen die ihr Dasein lenkt, solange wird es auch Kundschaft geben die bereitwillig ist dafür zu zahlen das man ihnen ihr Schicksal offenbart. Solange es recht positiv ausfällt.
Denn selbstverständlich war ja auch sein Studium nicht für umsonst. Das hatte schon ein hübsches Sümmchen gekostet. Das gesamte Geld das er in der Anstaltseigenen Werkstatt verdient hatte war dafür drauf gegangen. Und noch ein erheblicher Teil seiner privaten Ersparnisse. Das Wissen um die magische Kraft der Sterne hat nun mal
seinen Preis.
Auch wenn man ihn davor gewarnt hatte; ihm vehement von diesem Studium abgeraten hat. Alles Hokuspokus, haben sie gesagt, Totaler Schwindel, keine exakte Wissenschaft. Und noch einiges mehr. Er hatte an sich geglaubt, immer. Und die Sterne standen günstig für ihn - wie ihm dieses Institut ständig glaubhaft versicherte.
Also nahm er ein Fernstudium auf. Einmal monatlich schickte man ihm Lehrmaterial. Er lernte fleißig, sandte dann seine Antworten immer pünktlich zurück. Zugegeben, die Adresse dieser Akademie für angewandte Astrologie irgendwo abseits im rumänischen
Riesengebirge, konnte einen etwas obskuren Eindruck machen. - doch nach zwei lehrreichen Jahren bekam er ein hübsch gestaltetes Diplom. Die Schrift konnte er zwar nicht lesen, aber das war letzten Endes auch egal. Es wirkte offiziell und durchaus glaubhaft. Richtig professionell. Mehr wollte er ja gar nicht. Denn er hatte ja einen Entschluss gefasst: Solide wollte er werden! Endlich Schluss machen mit den kleinen Gaunereien, dem Betrug, Heiratsschwindel und Hochstapelei. Jawohl. Das brachte einem am Ende doch nur wütende Opfer, stinksaure Ex - Frauen und Gefängnis ein.
Jetzt hatte er noch zwei von ehemals
sechs Jahren abzusitzen. Mit guter Führung sicher weniger. Heini ist sich sicher: Die Sterne würden günstig stehen.
Text: harryaltona(2019)
Cover: Pixabay