Romane & Erzählungen
Das Brot von Daniels #6

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"Das Brot von Daniels #6"
Veröffentlicht am 30. Januar 2019, 12 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Das Brot von Daniels #6

Das Brot von Daniels #6

Bobby schlich sich aus dem Haus. Leise schloss er die Haustür hinter sich. Er durfte seine Eltern nicht aufwecken. Der Mond tauchte den Vorgarten in ein seltsames, irgendwie unheimliches Licht, das Bobbys Unbehagen noch verstärkte. Bisher war er nie Nachts draußen gewesen - Jedenfalls nicht alleine. Nur einmal hatte er auf Klassenfahrt an einer Nachtwanderung teilgenommen. Das war anders gewesen, als sich alleine im Dunkeln raus zu schleichen. Aber es musste sein. Was Harry ihm erzählte hatte, ließ ihm keine Ruhe - Er musste es mit eigenen Augen sehen. Und vielleicht würde er noch mehr rausfinden. Hoffentlich erschien Oliver am verabredeten Treffpunkt. Wenn Oliver ihn im Stich lassen würde, musste er die Sache abblasen. Alleine würde er sicher nicht nachts zu Daniels gehen. Fallmount wirkte seltsam zu dieser Stunde, fand Bobby. Es war so still, dass jeder Schritt für ihn zu laut klang. Die Straßenbeleuchtung war

spärlich. Wie zufällig stand hier und da eine Lampe, deren trübes Licht nicht weit trug und ganze Passagen waren völlig unbeleuchtet. Vielleicht war es sogar besser so, da ihn niemand sehen konnte. Er wollte niemandem begegnen, den er kannte. Was sollte er sagen, wenn ihn jemand fragen würde, weshalb er nachts um zwei alleine durch die Gegend spazierte? Lieber nicht entdeckt werden. Es waren nur noch ein paar hundert Meter bis zum Treffpunkt, Bobby konnte ihn schon von weitem erahnen. Sie hatten sich an dem alten Denkmal verabredet, das am Rand der Einkaufspassage von Fallmount lag. Dort gab es keine Lampe, was Bobby begrüßte. Er konnte noch nicht erkennen, ob Oliver erschienen war. Er zweifelte eigentlich nicht wirklich daran; auf Oliver konnte er sich verlassen. Und wer konnte schon widerstehen, so Etwas gruseliges zu sehen, wie einen Mann, der nachts regungslos im Laden

stand? Bobby näherte sich dem Denkmal und versuchte, in der Dunkelheit Etwas zu erkennen. Da bewegte sich was, sah er. Als er das Denkmal erreichte, erkannte er Oliver. "Endlich", sagte Oliver. "Ist voll gruselig hier." Bobby grinste. "Schon." Die beiden Jungen gingen los in Richtung von Daniels' Bäckerei. Außer ihnen war zu dieser Zeit niemand unterwegs. "Und was, wenn er gefährlich ist?", sagte Oliver. Bobby zuckte mit den Schultern. Daran wollte er nicht denken. "Wenn er so ein Verrückter ist, wie in den Horrorfilmen?" "Ich weiß nicht", sagte Bobby. Oliver schwieg. Sie erreichten die Einkaufspassage. Ein paar Neonreklamen blinkten in der spärlich beleuchteten Straße. Sie gingen schweigend auf

die Bäckerei zu. Als sie den Laden erreichten, blickten sie sich ernst an. Bobby ging zum Fenster und spähte hinein. Zuerst konnte nicht wirklich etwas erkennen, dann gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis. Oliver kam zu ihm. Und Bobby erstarrte. Harry hatte ihm zwar davon erzählt, doch es selbst zu sehen ... das war anders. Es war gespenstisch. Daniels stand tatsächlich regungslos hinter der Theke, so, als würde er nicht leben, als wäre er nur ein Puppe ... Oliver sah es nun auch. "Abgefahren", sagte Bobby. "Das kannst du laut sagen." "Lieber nicht." In der Ferne bellte ein Hund. Es klang eher ängstlich als wütend. "Und nun?", sagte Oliver. "Ich weiß nicht." "Dann gehen wir wieder nach Hause." Das wollte Bobby nicht. Wenn er schon einmal

hier war, dann wollte er der Sache auf den Grund gehen. Er ging zur Tür. "Was hast du vor?", sagte Oliver. Bobby erfasste die Klinke, drückte sie und .... die Tür ging auf. Das war komisch, fand Bobby. Er öffnete die Tür weiter und trat ein. Oliver folgte zögernd. Daniels stand noch immer regungslos hinter der Theke. Was immer er war, nachts schien er sozusagen inaktiv zu sein. Bobby ging auf Daniels zu und blieb vor der Theke stehen. Er musterte ihn. In der Dunkelheit wirkte Daniels unwirklich. Bobby wusste nicht, was er nun tun sollte; die Situation kam ihm surreal vor. Also stand er eine Weile untätig da. Daniels sieht aus, wie eine Wachsfigur, dachte er. Kaum zu glauben, dass Daniels tagsüber lebendig war und Kunden bediente. Oliver zupfte ihm am T-Shirt und er drehte sich um. Der ängstliche Ausdruck in Olivers Gesicht

hätte in einer anderen Situation komisch gewirkt, doch Bobby war nicht nach Lachen zumute. Es war offensichtlich, dass Oliver schnell von hier weg wollte. Doch Bobby wollte endlich wissen, was hier los war. Er hatte sich nie als einen mutigen Jungen empfunden, doch momentan verspürte er keine Angst. Die Situation war für ihn zu unwirklich, zu absurd, und seine Neugier war zu groß. Er fragte sich, was passierten würde, wenn er Daniels anspräche. Ob Daniels reagieren würde? Es gab nur eine Möglichkeit, es rauszufinden. "Ihr Brot ist körnig und köstlich", sagte Bobby. Es klang seltsam in dem großen, fast leeren Raum. Oliver schaute ihn mit aufgerissenen Augen an. Daniels reagierte nicht. Er zuckte nicht einmal. "Hören Sie mich?" Oliver zog an ihm. Bobby achtete nicht darauf. Anscheinend war Daniels Nachts tatsächlich inaktiv, was auch immer der Grund dafür war;

es drohte also keine Gefahr. "Sie sind ein Idiot" Er drehte sich zu Oliver um und grinste. "Das ist verdammt gruselig", sagte Oliver. Und das stimmte, fand Bobby. Aber er war auch wütend. Wütend darüber, dass seine Eltern sich verändert hatten, wütend über das ständige Gerede vom körnigen und köstlichen Brot. Er trat hinter die Theke, wo Daniels stand. Zögernd berühte er ihn und zog die Hand wieder zurück. Daniels reagierte nicht. Inaktiv. Olivers flehenden Blick beachtete Bobby nicht. Er schubbste Daniels. Das war nicht einfach. Daniels schien zweihundert Kilo zu wiegen - jedenfalls bewegte er sich keinen Millimeter. Was war hier los? "Lass den Scheiß!", sagte Oliver. Er klang nun wirklich panisch. Bobby ging zurück zu ihm. "Hauen wir ab", sagte Oliver. Bobby nickte. Anscheinend hatte es keinen

Sinn, hier länger zu verweilen. Die Beiden gingen zur Tür. Als Oliver die Tür öffnete, drehte sich Bobby zur Theke um. In diesem Moment bewegte Daniels den Kopf. "Lauf!", schrie Bobby. Keuchend erreichten sie Olivers Haus und ließen sich auf den Rasen fallen. Sie waren ohne Pause gerannt und Bobby hatte sich ständig umgeschaut, ob Daniels ihnen gefolgt war. Zum Glück war niemand ihnen gefolgt. Als Oliver langsam wieder zu Atem kam, sagte er: "Was ist denn passiert?" Er keuchte ein paar Mal. "Was hat er gemacht?" "Er hat den Kopf bewegt." "Und dann?" "Dann bin ich los gerannt." Der Mond war wirklich hell heute Nacht. Oliver richtete sich auf. "Wieso hat er nichts gemacht, als du ihn geschubbst hast?", sagte er. "Weiß

nicht." "Ich finde das echt total merkwürdig. Das alles." Bobby schnaubte. "Echt?" "Ist nicht lustig." Bobby stützte sich auf die Arme. "Find ich ja eigentlich auch nicht. Aber es ist einfach total bescheuert." Oliver nickte. "Ziemlich." Eine Weile schwiegen sie. Irgendwo raschelte es in einem Gebüsch. Schließlich sagte Oliver: "Und was machen wir nun?" "Weiß nicht." "Ich auch nicht." "Aber irgendwas müssen wir wohl tun", sagte Bobby. "Meine Eltern verhalten sich immer bescheuerter und ich weiß einfach, dass es mit Daniels zusammenhängt." Oliver rieb sich den Kopf und nickte. Dann ließ er sich zurück auf den Rasen fallen und schaute

zu den Sternen. "Vielleicht ist er ein Außerirdischer", sagte er. Das klang für Bobby nicht so lächerlich, wie es eigentlich hätte klingen müssen. Es kam ihm sogar ... plausibel vor.

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