Kurzgeschichte
Ab acht wird gelacht - Kurzgeschichte zur Schreibparty 73

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"Ab acht wird gelacht - Kurzgeschichte zur Schreibparty 73"
Veröffentlicht am 30. Januar 2019, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Privat
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und ...
Ab acht wird gelacht - Kurzgeschichte zur Schreibparty 73

Ab acht wird gelacht - Kurzgeschichte zur Schreibparty 73

Vorwort:


In den ersten Jahren nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs hatten die Menschen in Deutschland nicht viel zu lachen. Während sie tagsüber noch die Trümmer wegräumten und ums Überleben rackerten, waren sie am Abend froh um jede Zerstreuung. Die Rundfunksender stellten sich darauf ein und boten viel Humoristisches; so auch der Süddeutsche Rundfunk vor allem mit seiner Samstagabend-Sendung „Ab acht wird gelacht“, in der beliebte schwäbische Volksschauspieler ihre Sketche und Witze einem dankbaren und beifallfreudigen Publikum darboten.

Ab acht wird gelacht Mein Großvater mochte diese Sendungen über alles. Noch heute sehe ich ihn lachend in seinem durchgesessenen Polstersessel vor mir, den er wegen seiner halbtauben Ohren direkt neben das Radio geschoben hatte. Jedesmal, wenn vielstimmiges Gelächter aus dem Radio schallte, wurde er von seinem leisen, heiseren und fast stimmlosen Lachen durchgeschüttelt. Ich selbst war damals noch viel zu klein zum Mitlachen und verstand nicht, warum alle so lustig waren, aber es freute mich immer, meinen Opa lachen zu sehen. Manchmal musste ich allerdings heimlich über ihn

lachen, vor allem wenn er - nachdem ich mal wieder an den Drehknöpfen herumgespielt hatte - das Radio einschaltete und fürchterlich fluchte, weil er anfangs nur ein hässliches Krächzen und Kratzen hörte. Auf der Suche nach seinem Lieblingssender drehte er dann an allen Knöpfen herum, doch statt seiner geliebten Blasmusik und den Lachnummern ertönten meist die komischsten Geräusche aus dem Radio, wie Pfeifen, Kreischen und Glucksen. Und je länger er suchen musste, desto wütender und wortreicher wurden seine Flüche und desto fröhlicher dann auch mein Gelächter, das ich oft nicht mehr zurückhalten konnte. Da kam es leider

öfters vor, dass ihm explosiv die Hand ausrutschte und an meinem Kopf landete. Seine Watschen taten sehr weh, weil mein Opa nicht mehr so gut traf und weil seine arthritische Hand steif wie ein Stück Holz wirkte, das ich dann schmerzhaft irgendwo am Schädel verspürte. Die Watschen meiner Mama dagegen taten wegen ihrer weicheren Hand und besseren Treffsicherheit nicht so sehr weh, klatschten dafür aber wesentlich lauter gegen meine Wange. Mama sprach daher stets von „schallenden Ohrfeigen“, die ihr angeblich wesentlich mehr weh taten als mir. Und ich hätte ohnehin noch viel mehr solcher Ohrfeigen verdient oder zur

Strafe in den Keller gesperrt gehört, weil ich nicht so brav war, wie sie es sich wünschte. Ähnlich laut klang es, wenn mich mein Papa abwatschte, was aber wegen seiner kräftigeren Hand viel mehr weh tat. Gottlob war er jedoch wegen seiner Arbeit nicht so oft zu Hause und ich war froh, nicht so viele Watschen kassieren zu müssen wie mein Freund Peterle aus der Nachbarwohnung, dessen Papa fast den ganzen Tag daheim war. Da schallte viel öfter ein knallendes Klatschen bis zu uns herüber und verriet, dass das Peterle mal wieder was ausgefressen hatte. Oder auch nicht. Bei mir daheim knallte es glücklicherweise nicht jeden Tag, beileibe nicht. Es wurde

auch viel gelacht, besonders wenn abends „Ab acht wird gelacht“ gesendet wurde und ich ausnahmsweise so lange aufbleiben durfte. Da schallte stets lautes Lachen und Klatschen aus dem Radio, und neben dem Opa lachten dann auch meine Eltern mit. Nur ich konnte nicht lachen. Im Gegenteil, ich wurde mit jedem Geklatsche immer trauriger. Warum ich so traurig aussehe, wollte meine Mutter einmal wissen, nachdem sie sich Lachtränen aus den Augen gewischt hatte und mich wie ein schweigendes Häufchen Elend dasitzen sah. Als Papa meinte, ich wäre ja noch viel zu klein, um solche Witze zu begreifen, sagte meine Mama, dass sie

dies ja selber wisse. Aber sie könne nicht verstehen, warum der Bub dann immer noch trauriger wird, je lustiger und lauter sich die Leute im Radio aufführen. Schau, jetzt fängt er gleich an zu weinen, sagte sie voller Mitgefühl und nahm mich in die Arme. Sie streichelte mir übers Haar und fragte mich, was mich immer so traurig macht. Weil … weil ich nicht verstehen kann, sagte ich stockend, warum alle Leute im Radio so fröhlich lachen können, wenn sie nebenher auch noch ihre Kinder verdreschen. Meiner Mama blieb vor Verblüffung fast der Atem stehen bevor sie mich konsterniert fragte, wie ich denn auf solch eine dumme Idee käme.

Da sagte ich ihr, dass ich dies doch aus dem lautem Klatschen heraus höre, das nach jedem Gelächter aus dem Radio kommt, und dass es zum Schluss der Sendung besonders schlimm wird, wenn man kein Lachen mehr, sondern nur noch dieses rauschende Klatschen hört. Dann stelle ich mir halt vor, wie ganz viele Eltern im Kindergarten oder sonst wo sitzen, ihre Kinder versohlen und aus lauter Spaß auch noch miteinander darüber lachen. Papa und Opa lachten jetzt noch lauter, dann wurden sie aber von meiner Mama ausgeschimpft: Wie soll der Bub denn wissen, woher dieses Klatschen kommt? Zuhause gibt es ja kaum etwas zu beklatschen, und in den

Kindergarten kommt er erst nächstes Jahr! Dann tröstete sie mich, selber fast schon den Tränen nahe, und erklärte mir, warum die Leute im Radio so viel klatschen: Sie schlagen niemanden und tun niemand weh, sondern sie klatschen ihre Hände fest gegeneinander, wenn sie sich freuen und damit ihre Freude zeigen wollen. Mama machte es mir vor und lächelte mich fröhlich an. Dann lachte ich mit, weil ich so froh und erleichtert war, denn die vielen armen Kinder im Radio hatten mir immer so sehr leid getan. Nun klatschte auch ich immer fröhlich mit, wenn Beifallstürme aus dem Radio schallten, obwohl ich die Witze noch lange nicht verstand.

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Nachwort:


Thema der Schreibparty 73: Verräterische Geräusche Vorgabewörter (die hier verwendeten fett hervorgehoben):


Kratzen Keller Leise Spiel Handy Glucksen Atem Explosiv Taub

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Hörbuch

Über den Autor

Friedemann
"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und Mitschüler ihre Opfer waren) eine Vorliebe habe. Gemäß meinem Motto - Humor ist das Knopfloch, mit dem wir verhindern können, dass uns der Kragen platzt - kommt hierbei allerdings der Humor (meistens) nicht zu kurz.

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welpenweste Kinder sind doch so unheimlich logisch, dass es Erwachsene kaum noch verstehen!
Prima Erzählung aus Kindertagen. Hat mir wieder prima gefallen, wie immer.
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Hallo Günter,
Du hast Recht, auch Kinder denken logisch. Doch wenn ihnen aufgrund mangelnder Information ein Baustein beim Aufbau ihrer Logik fehlt, weicht sie dann logischerweise auch von der Erwachsenen-Logik ab (wie auch das Beispiel der ramponierten Metallsäge zeigt).

Liebe Grüße und hab Dank für die Fütterung meines Sparschweinchens,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Lieber Friedemann -
ja die Erinnerungen - Gefühle - Bilder die da hoch kommen,
bei Deiner gut erzählten Geschichte - die ein Lächeln dem
Leser/in schenkt.
Aber - wenn wir "nur" brav gewesen wären - wäre es für alle Seiten fad gewesen.....grins
Vielen DANK
Liebe Grüße
Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
Gast 
Ja, liebe Loraine,
es klingt zwar makaber, doch im Rückblick betrachtet hat es in der Tat einen hohen Unterhaltungswert. Allerdings nicht nur als Stoff für eine Kurzgeschichte, sondern damals schon, wenn wir einige Jahre später bei Feiern im erweiterten Familienkreis unsere Jugendstreiche wieder aufleben ließen und darüber lachten.

Liebe Grüße und ein herzliches Dankeschön für Dein umfangreiches Geschenkpaket,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
… mein Gast bin ich selbst.
Vor langer Zeit - Antworten
AnneSchrettler 
oh je, da musst aber allerhand ausgefressen haben,
dass du so viele Watschen bekommen hast ...

Ich kann mich nur an eine einzige Ohrfeige meiner Mutter erinnern,
da war ich so unglücklich, dass ich sterben wollte,
weil ich mich einfach ungerecht behandelt fühlte.
Mein Vater hat mir zwar einmal den Hintern versohlt, da hab ich mich vor Angst in die Hosen gemacht :)
Aber eine Ohrfeige gabs nie von ihm.

Hab mich köstlich amüsiert. Ein schöner Beitrag zur Schreibparty :)

Lieber Gruß
Anne
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Anne,
an das, was ich in diesem frühen Kindesalter alles ausgefressen hatte, kann ich mich kaum mehr erinnern. Eine Ausnahme: Als ich im Werkzeug meines Opas herumkramte, fiel mir eine Säge auf, die anders aussah als alle anderen. Auf meine Frage sagte er mir, dass dies eine Metallsäge ist. Da ich aus andere Quelle wusste, dass Metall härter als Holz und alle anderen Werkstoff sei, sägte ich einige Tage später mit ihr an einem Backstein herum, bis ich von hinten Opas damals noch kräftige Hand an meinem Ohr spürte. Immerhin weiß ich seitdem, dass Stein härter als Eisen ist.

Liebe Grüße und ein herzliches Dankeschön für Deine lobenden Worte,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Lieber Friedemann,
Eine entzückende Geschichte. Ich habe sie mit viel Schmunzeln gelesen. Sie hat einige Erinnerungen bei mir geweckt, aber keine an Ohrfeigen und Co. sondern an meinen Opa, den ich vonHerzen liebte.
Vielen Dank für diese tolle Geschichte.
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Heidemarie,
und ich danke Dir herzlich für Dein Lob und auch dafür, dass Du diese alte Geschichte ausgegraben und mich neugierig gemacht hast. Ich las sie nochmals durch und erinnerte mich an weitere Episoden vor allem mit meinem Großvater, wenn er sein riesiges Repertoire an Flüchen auspackte. Dann schimpfte ihn meine Mutter, wahrend der Vater grinste. Eine Episode ist besonders erzählenswert, in der uns eine Tante meiner Mutter besuchte, eine fromme Ordensschwester. Da bat mein Vater den Opa, irgendetwas im Nebenzimmer zu reparieren und schickte die Tante hinterher, um ihm zu helfen. Es dauerte nicht lange, bis der Opa laut fluchte und die Tante ihn laut schimpfte, während mein Vater sich zurückhalten musste, um nicht laut zu lachen. Das wiederholte sich sich öfters, bis die Tante mit rotem Kopf herauskam und in ihrem Zimmer verschwand.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Einen Opa hatte ich nicht, aber eine Oma, vor der ich mehr Respekt hatte, also vor meiner Mutter. Wenn meine Oma ihre "strengen Augen" rausdrehte, die mir dann so groß, wie Untertassen erschienen, brauchte sie nicht zu "klatschen", da wußte ich von ganz alleine, dass ich was falsch genacht hatte.
Nette Geschichte aus Deiner Kinderzeit "?", hab sie mit Schmunzeln gelesen.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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