Kurzgeschichte
Es kostet Überwindung

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"Es kostet Überwindung"
Veröffentlicht am 23. Januar 2019, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Es kostet Überwindung

Es kostet Überwindung

Der wütende Mann mit dem Schwert betrat die Kleingartenlage. Er ging zügig und ihm folgten Schaulustige. Ein Rasenmähermotor dröhnte. Der wütende Mann passierte Gärten; er folgte dem Geräusch. Die Rasenflächen waren gepflegt. Der wütende Mann erreichte den Garten, aus dem das Geräusch dröhnte. Er blieb stehen. Die Schaulustigen bildeten einen Pulk hinter ihm. Ein Mann mit Oberlippenbart fuhr vor ihnen auf einem Aufsitzrasenmäher. Er wendete und sah den Mann mit dem Schwert. Er runzelte die Stirn, hielt an und stellte den Motor ab. Langsam stieg er vom Rasenmäher

Er zögerte. Dann sagte er: "Hallo" Niemand antwortete ihm. Der Mann mit dem Schwert und die Schaulustigen standen nur da. "Was wollt ihr von mir?", sagte der Mann mit dem Oberlippenbart. Der wütende Mann hob sein Schwert in die Höhe. Er ließ es wieder sinken. "Ich werde Sie nun köpfen", sagte

er. "Was?", sagte der Mann mit dem Oberlippenbart. "Gute Idee", rief einer der Schaulustigen. Es war ein Jugendlicher. Eine Frau mit Sommersprossen zeigte auf das Schwert und sagte: "Mit dem Ding da?" Der wütende Mann nickte. Der Mann mit dem Oberlippenbart stand regungslos da. Seine Augen zuckten hin und her. "Meinen Sie, das schaffen sie damit?", sagte die Frau mit Sommersprossen. "Ich vermute, das ist sicher nicht einfach", sagte sie. Ein dicker Mann mit Halbglatze sagte: Is richtig." Die Frau hob eine Augenbraue. Sie schaute ihn an. "Ich hab sowas mal gemacht", sagte er. "Allerdings nicht mit 'nem Typen. Wär mir ehrlich gesagt auch zu krass. Aber ich hab mal

'n Schwein geköpft." Er zeigte auf das Schwert. "Auch mit so 'nem Ding. Fragt mich nicht wieso, ich red da echt nich gern drüber." Er rieb sich den Kopf. "Einfach is das nich, das is richtig, aber möglich isses." Vögel zwitscherten. Der wütende Mann nickte. "Leute", sagte der Mann mit dem Oberlippenbart. Seine Stimme war leise. "Ihr seid ja wahnsinnig. Ich habe doch nichts getan!" Bei den letzten Silben wurde seine Stimme lauter und schriller. Er hob die Hände abwehrend. Sie zitterten. "Doch!", sagte der wütende Mann. "Sie haben an einem Sonntagmorgen Rasen gemäht. Das ist verboten." "Und darauf steht die Todesstrafe?", sagte der Mann mit dem Oberlippenbart. "Heute schon." Der Jugendliche sagte: "Weil Sie's sind." "Hören Sie, das können Sie doch nicht machen",

sagte der Mann mit dem Oberlippenbart. "Das wäre ja hanebüchen." Eine Frau mit Brille sagte: "Nun köpfen Sie ihn schon." Sie drückte an ihrem Handy herum. "Jetzt hetzen Sie den armen Kerl doch nich so", sagte der Mann mit Halbglatze. "Er wird's schon machen, wenner soweit is." "Ich habe aber nicht ewig Zeit." Der Mann mit Halbglatze lachte und sagte: "Na, von mir aus können Sie gern gehen, wenn's ihnen zu lang dauert. Sie müssen ja nich bleib'n." "Ich gehe, wenn ich es für richtig halte." "Na, warum auch nich, is ja Ihre Sache, nichwahr?" Die Frau mit der Brille hob die Augenbrauen. Ein Mann im Anzug räusperte sich. Er sagte: "Ich finde, der Mann hat einen fairen Prozess verdient." Er blickte zu Boden und niemand antwortete ihm. Der wütende Mann stand regungslos da mit dem

Schwert in einer Hand. "Wird das heute noch was?", sagte der Jugendliche. "Ja, was stehen Sie denn untätig herum?", sagte die Frau mit Brille. Der wütende Mann reagierte nicht. "Herrgott nochmal, tun Sie doch endlich was!", sagte die Frau mit Brille. "Oder soll ich es für Sie tun? Ich würde es tun, glauben Sie mir. Damit es endlich ein Ende hat." Der Mann mit Halbglatze trat auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie schlug die Hand weg und schaute ihn wütend an. "Hör'n Sie mal, Fräulein, das is -" "Nennen Sie mich nicht Fräulein!", sagte sie. "Na denn, meine Dame. Wenn Ihnen das genehm is?" Er lächelte. "Jedenfalls, das hier is doch nichts Alltägliches. Is doch klar, dass das nich so einfach für den is. Sie tun ja grad so als würd er vor Ihnen am Fahrkartenautomat trödeln. Außerdem isses doch eh seine Sache,

nichwahr? Wenn er's sich halt anders überlegt, is das ja sein gutes Recht." "Der kann doch jetzt nicht einfach kneifen", sagte die Frau mit Brille. "Ich bin doch nicht aus Jux und Dollerei mitgekommen." "Na, von Jux und Dollerei kann ja auch keine Rede sein, das is richtig. Is ja schon mehr 'ne ernste Sache. Wissen Sie, Fräulein -" Er lächelte. "Ich meinte, meine Dame. Wissen Sie, früher war ich mal Hausmeister in 'ner Schule. Is schon 'ne Weile her, aber mir kommt's so vor, als wär's erst gestern gewesen. Wenn früher sich die Bälger auf dem Schulhof kloppen wollten, war's auch oft so, dass manche von denen gezögert hab'n. Sich nich überwinden konnten, den ersten Schlag zu mach'n. Das is doch auch normal. Da gehört ja auch schon was zu, nichwahr? Und nun, meine Dame, geht's hier ja nich nur um eine harmlose Schulhofrauferei. Das hier is ja schon was anderes. Eine andere Liga, wie man so sagt. Da is das doch

verständlich, dass ihm das nicht so leicht fällt." Die Frau mit Brille sagte nichts. Der Mann mit Halbglatze zündete sich eine Zigarette an. Danach sagte er: "Stört doch nich, wenn ich eine paffe?" "Lassen sie die Zigarette nicht auf den Rasen fallen", sagte der Mann mit dem Oberlippenbart. Er sprach leise. "Schweig!", sagte der wütende Mann. Der Mann mit dem Oberlippenbart zuckte zusammen. "Na hör'n Sie mal", sagte der Mann mit Halbglatze zu dem wütenden Mann. "So geht das nun aber auch nich." Er schüttelte den Kopf. "In diesem Ton ... ne, ne ..." Der wütende Mann sagte nichts. Eine Krähe schrie am Himmel.

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