Kurzgeschichte
Der anuslose Reiter

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"Der anuslose Reiter"
Veröffentlicht am 08. Dezember 2018, 26 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Das Schreiben macht mir Freude
Der anuslose Reiter

Der anuslose Reiter

Sam Pooplock stieg von seinem Pferd. Bull Creek war zu dieser späten Stunde wie ausgestorben; gewöhnliche Leute wagten sich nach Sonnenuntergang nicht auf die Straßen. Sam war keiner von ihnen. Er war der anuslose Reiter. Mit geübten Griffen band er sein Pferd an einen Pfahl und marschierte entschlossen in Richtung Dorfmitte. Die Luft war heiß und trocken. Sam Pooplock hatte kein besonderes Anliegen, er war nur zufällig an diesem Dorf vorbeigekommen. Und müde war er gewesen, müde vom Reiten, müde vom stundelangen unterwegs-sein; müde genug um sich zu denken, einen Zwischenstop einzulegen in diesem gottverlassenem Ort, der sich Bull Creek schimpfte sei eine gute Idee. Als er an einem Saloon ankam, der genauso leblos wirkte wie der ganze Ort, blieb er stehen. Er hörte kein Geräusch, sah kein Licht, das aus dem Gebäude drang; doch eine innere Stimme sagte ihm, dass

der Saloon nicht so verlassen war, wie er auf den ersten Blick wirkte. Autoritär klopfte er an die Tür. Keine Antwort. "Hallo", sagte er, "ist da wer?" Seine Stimme klang wie die eines großen Tieres. Gerade als er weiter gehen wollte, wurde die Tür geöffnet. Ein kleiner, dicker Mann erschien im trüben Licht des Vollmondes. Der Kerl sah aus wie eine keimende Kartoffel. "Was wollen Sie?", sagte er. "Nichts bestimmtes." Der Kartoffelmann blickte düster drein. "Dann stören Sie mich nicht, wenn Sie selbst nicht wissen, was Sie wollen." "Halt, halt", sagte Sam. "Wenn ich es mir recht überlege, hätte ich doch ein Anliegen. Sagen Sie, gibt es hier vielleicht eine Übernachtungsmöglichkeit?" "Sie können hier schlafen, wenn sie Geld haben. Für das Abendessen ist es schon zu spät, aber ein Frühstück könnten sie

kriegen." Sam lachte. "Essen werde ich nicht brauchen. Das krieg ich sowieso nie wieder raus." Mit einer raschen Handbewegung holte er ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche. "Geld sollte kein Problem sein, denke ich." Kartoffelmanns Augen weiteten sich. Er machte eine einladene Geste mit einer Hand. "Kommen Sie rein, kommen sie rein." Sam bezahlte im Voraus. Der Saloon wirkte innen geräumiger, als Sam es gedacht hätte. Rustikal, aber gemütlich. Ein altes ramponiertes Klavier stand in einer Ecke des großen Raumes. "Ich richte Ihnen schnell ein Bett her", sagte der Mann. Und so war es. Als Sam die Decke sah, die der kartoffelige Mann angeschleppt hatte, dachte er, dass er sie nicht brauchen würde, so heiß wie es war. "Gut", sagte Sam. Zögernd ging der Mann zu einer Tür und sah

sich zu Sam um. "Nun ... eine geruhsame Nacht wünsche ich." "Die werde ich haben." Stimmen hatten ihn geweckt. Rostige Rasierklingenstimmen, die sich durch die warme Nachtluft schnitten. Sam richtete sich auf; die Stimmen klangen, als kämen sie aus dem Raum, der neben seinem Schlafplatz lag. Leise stand er auf und ging zur Tür. Er lauschte. "... viel zu riskant." Die Stimme klang schrill wie eine brünftige Katze. "Zuversicht war noch nie Deine Stärke." Eine andere Stimme; dumpf und polternd. "Wir müssen nur den richtigen Moment abpassen. Der Rest wird ein Klacks." "Ich weiß nicht ... was ist, wenn er im Gebäude ist?" Polternd lachte die dumpfe Stimme. "Dann

erschießen wir ihn." Einen Moment lang herrschte Stille. "Ich glaube, das wird nicht passieren", sagte nun eine dritte Stimme. Die stimme des Kartoffelmannes. "Er verlässt jeden Abend um zwanzig Uhr die Bank. Das wird morgen nicht anders sein. Und selbst, wenn - wie Lee schon sagte: Dann erschießen wir ihn eben." Sam hörte ein Wimmern. Er hatte genug gehört; die Sache war glasklar. Nun, dachte Sam, da haben sie die Rechnung ohne mich gemacht. Geräuschlos bahnte er sich seinen Weg zurück zum Schlafplatz. Es sollte nicht lange dauern, und er war wieder eingeschlafen. Der Kartoffelmann war gerade dabei, die Theke zu putzen, als Sam am Morgen erwachte. Sam rieb sich die Augen. Die vergangene Nacht war ihm noch präsent, doch nun wirkte sie surreal auf ihn. Er

gähnte. "Ah", sagte der Kartoffelmann. "Guten Morgen. Haben sie gut geschlafen?" Sam überlegte eine Weile. Dann stand er auf und streckte sich. "Ich denke schon." "Gut. Möchten Sie wirklich kein Frühstück?" "Nein", sagte Sam. "Essen Sie denn nie etwas?" "Nein." Der Kartoffelmann runzelte die Stirn. "Das glaube ich Ihnen nicht." Sam lächtelte. Bräsig wischte der Kartoffelmann Dreck von einem Stuhl. "Sie sind ein komischer Kauz", sagte er. "Da erzählen Sie mir nichts neues." Sam ging zum Ausgang, drehte sich um und hob seinen Hut an. "Wohl denn, es war mir eine Freude." Die Sonne brannte sadistisch vom Himmel. Beiläufig wischte Sam sich den Schweiß von

der Stirn. Er ging durch das Zentrum des Dorfes, auf der Suche nach der Bank. Lange musste er nicht suchen: da war sie. Doch wie konnte er die Zeit bis zwanzig Uhr überbrücken? An diesem Ort war auch morgens nicht viel los. Verreinzelt schlenderten Gestalten durch die Straßen; Gestalten, die aussahen wie Karikaturen nebensächlicher Charaktäre, Karikaturen, die nur dafür geschaffen worden waren, nichtssagend durch die Straßen zu schlendern. Ich sollte nach meinem Pferd sehen, dachte Sam. Dem Pferd ging es gut. Es machte einen pferdtypischen Eindruck und wimmerte nicht übermäßig. Sam tätschelte es. "Guter Junge." In der Nähe befand sich ein Brunnen. "Durstig?", sagte Sam. Das Pferd antwortete nicht. "Sicher bist Du durstig." Sam band das Pferd los und führte es zum Brunnen. Er schöpfte mit dem Eimer Wasser und

das Pferd trank gierig. "Na, na", sagte Sam, "nicht so gierig, alter Freund." Ein alter Mann, der aussah wie Dörrobst kam zum Brunnen. Er schnaufte. "Ganz schön heiß", sagte er. Sam reichte ihm den Eimer. "Durchaus." Am Abend sah Sam wie jemand das Bankgebäude verließ. Wie vorhergesehen, dachte er. Nachdem die Schritte verklangen waren, konnte er kein Geräusch mehr hören. Gespenstische Stille lag über Bull creek. Sam hockte hinter einem Busch, die Pistole in der Hand - zu allem bereit. Nach einer Weile hörte er Schritte und Stimmen; ein derber Fluch im Dunkeln, ein schrilles Lachen. Also kamen sie. Sam war angespannt, doch er hatte keinen Schiss; er hatte nie Schiss. "Psst", machte einer der Halunken. "Nicht so laut, wir wollen doch nicht die halbe Stadt

aufwecken!" Durch die Zweige des Busches hindurch sah Sam, wie sich drei Gestalten dem Bankgebäude näherten. Der Kartoffelmann ging vorran. Mit geübten Griffen machte er sich nun daran, die Eingangstüre aufzubrechen. Es gelang auf Anhieb. Das waren wohl Profis, dachte Sam. Die Halunken traten in das Gebäude, zielstrebig und mit leisen Schritten. Sam richtete sich auf. Nun war seine Zeit gekommen. Er rannte zur Tür und blieb dort stehen; er spähte in den Raum, der nun schwach erleuchtet war von einer Fackel, welche die Halunken mitgebracht hatten. "Halt!", rief Sam. Die Halunken drehten sich um. Der Kartoffelmann erkannte ihn sofort. "Sie ...", sagte er. "Sie können uns nicht aufhalten. Wir sind zu dritt." Sam lachte. "Ich bin der anuslose Reiter. Ich kann fast

alles." Entschlossen trat er in den Raum, die Pistole auf die Halunken gerichtet. "Los, an die Wand. Und keine Mätzchen." Die Halunken zögerten. "Sie machen einen schwerwiegenden Fehler", sagte eine dumpfe Stimme. Die Stimme, die der Kartoffelmann in dem Gespräch, das er belauscht hatte 'Lee" genannt hatte. "Das glaube ich kaum", sagte Sam. "Los, an die Wand. Ich sag's nicht noch einmal." Widerstrebend gehorchten die Halunken. Sam ging vorsichtig auf sie zu. Er näherte sich dem Kartoffelmann, tastete ihn ab und fand keine Waffen. Dann ging er zu dem zweiten Kerl und durchsuchte auch ihn. Nichts. Als er gerade Lee abtasten wollte, traf ihn ein Schlag von hinten. Er war sofort bewusstlos. Als Sam erwachte, fand er sich wieder in einer Gefängniszelle. Sein Schädel dröhnte. Stöhnend

rieb er sich den Kopf und seine Hand ertastete eine große Beule. Scheiße, dachte er. Mühsam stand er auf. Durch die Gitterstäbe sah er den Sheriff, der an einem Tisch saß und ein Buch las. Sam hustete. Ihm war wirklich elend zumute. Der Sheriff drehte sich um. "Ah", sagte er, "Weilen wir also wieder unter den Lebenden." "Aber ...", sagte Sam; seine Stimme klang krächzend. Er räusperte sich. "Was ist passiert?" "Das wissen Sie nicht? Zu schade. Ich hatte mir erhofft, einige Antworten von Ihnen zu erhalten." "Ich weiß nur eines: Ich sitze zu Unrecht im Gefängnis. Ich habe versucht, ein Verbrechen zu verhindern." Der Sheriff lachte. "Das letzte woran ich mich erinnere, ist dass ich versucht habe eine Bande von Halunken davon abzuhalten, die Bank auszurauben. Und

dann bin ich in dieser Zelle aufgewacht", sagte Sam. Der Sheriff legte das Buch auf den Tisch und stand auf. "So wie ich die Sache sehe haben Sie versucht die Bank auszurauben und sind von einem mutigen Bürger daran gehindert worden." Das machte keinen Sinn, dachte Sam. Wenn die Halunken ihn ausgeschaltet hatten, weshalb haben sie danach nicht die Bank ausgeraubt? Sie hatten doch freie Bahn. Und warum hatten sie ihn zum Sheriff gebracht? "Ich habe keine Ahnung, von was Sie reden", sagte Sam. "Es war so, wie ich Ihnen gesagt habe. Ich habe ein Gespräch belauscht, aus dem hervorging, dass ein paar Halunken die Bank ausrauben wollen. Und das haben sie dann auch versucht. Unter Ihnen war der Besitzer des Saloons." "Floyd?" Der Sheriff lächte; es wirkte gekünstelt. "Ausgerechnet Floyd bezichtigen Sie einer solchen Tat. Das ist lächerlich. Floyd

ist der hamloseste Mensch, dem ich ich je begegnet bin." "Anscheinend ist ihre Menschenkenntnis ähnlich gut entwickelt wie ihre kriminalistischen Fähigkeiten." "Nicht frech werden, Bursche. Ich bin seit zwanzig Jahren Sheriff und ich weiß was ich mache." Die aufgesetzte Freundlichkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. Sam lachte. "Das bezweifel ich." "Du wirst hier versauern bis zu verschrumpelt bist. Wenn der Richter nicht entscheidet, dass wir Dich hängen." Er ging zu seinem Tisch zurück und setzte sich wieder. "Essen ist vorerst gestrichen. Ich lass dich verhungern wenn du weiterhin meinst, frech werden zu können." "Ich brauch kein Essen." "Jeder braucht Essen. In zwei oder drei Tagen wirst du mich anflehen, dass ich dir etwas zu essen gebe." "Da können Sie lange

warten." Der Sheriff runzelte die Stirn. "Aber mein Pferd könnte etwas zu Essen gebrauchen", sagte Sam. "Es steht angebunden am Ortseingang." "Um Dein schäbiges Pferd haben wir uns längst gekümmert." Zwei Tage später saß Sam Pooplock noch immer in der Zelle. Er hatte viel nachgedacht, nach einem Ausweg aus seiner Lage gesucht, doch er war zu keinem Ergebnis gekommen. Es musste etwas geschehen. In der Zelle hatte er nichts gefunden, das ihm hätte nützlich sein können; es gab hier nur eine Pritsche und eine schreckliche Toilette, die er sowieso nur zum Pinkeln nutzte. Etwas zu trinken hatte ihm der Sheriff immerhin gewährt. Zum Glück. Er war zwar der anuslose Reiter, der niemals Nahrung zu sich nahm, doch ohne etwas zu trinken wäre er

gestorben. Gegen Mittag betrat eine Frau das Gebäude. Sie sah jung aus, dachte Sam, sie konnte nicht älter als zwanzig sein. Ein elegantes Kleid bedeckte ihren zierlichen Körper. Der Sheriff, der den ganzen Tag mürrisch an seinem Tisch gesessen hatte, stand abrupt auf. "Cora! Was suchst Du denn hier?" Cora blickte kurz skeptisch zu Sam und wandt den Blick dann wieder ab. "Nichts besonderes. Ich wollte nur mal schauen, was mein Vater, der große Sheriff so treibt." "Nun, mir ist sowieso langweilig", sagte der Sheriff. Cora zeigte auf Sam. "Was hat er denn verbrochen?" "Er hat versucht, eine Bank auszurauben. Doch ein mutiger Bürger hat es verhindert." Sam schnaubte. "Das stimmt nicht." "Ich erkenne einen Verbrecher, wenn ich ihn sehe", sagte der

Sheriff. Cora lachte. "Zäher Bursche", sagte der Sheriff am dritten Tag. "Hätte nicht gedacht, dass du so lange durchhälst ohne Essen." "Ich sagte doch, ich brauche es nicht", sagte Sam. Der Sheriff zog die Augenbrauen hoch, dann verließ er das Gebäude. Er hatte wohl etwas wichtiges zu tun. Sam war ein zäher Bursche. Ein paar Tage in Gefangenschaft machten ihm nicht viel aus. Doch die Aussicht, bis an sein Lebensende hier zu versauern bereitete ihm Kopfzerbrechen. Wenn er doch bloß eine Idee hätte, wie er hier rauskam. Es schien hoffnungslos. Das Geräusch einer öffnenden Tür ließ Sam aufblicken. Cora betrat den Raum und kam eilig auf ihn zu. Sam hob die Augenbrauen. "Was hast Du

vor?" "Still", sagte Cora. Sie nahm den Schlüssel, der an einem Haken an der Wand hing und schloss die Tür auf. "Komm", sagte sie. Sam verließ die Zelle und folgte Cora. "Warum hilfst du mir", sagte er, doch Cora machte ihm ein Zeichen, dass er ruhig sein sollte. Sam gehorchte. Sie verließen das Gebäude und eilten auf die Straße. Mit einer raschen Handbewegung deutete Cora ihm den Weg. Sie rannten einen Weg entlang, der von Büschen umsäumt war. Als sie an einer Scheune ankamen, blieb Cora stehen. "Hier", sagte sie, "versteck dich dort." Sam lief in die Scheune und schaute sich um. Schnell fand er einen Heuhaufen und versteckte sich dahinter. Er hörte, wie Cora davonlief. Die Sonne war schon untergegangen als Sam Geräusche von draußen hörte. Er war angespannt. Stundenlang hatte er nahezu

regungslos hinter dem Heuhaufen ausgeharrt und sich Sorgen gemacht. Seine Knochen schmerzten. Sam hörte, wie eine Person die Scheune betrat und auf ihn zu kam. "He", sagte Cora. Er enspannte sich. "Endlich." "Komm, wir hauen ab." Sein Körper heulte auf als er sich aufrichtete. "Wohin gehen wir?" "Zu Jessie", sagte Cora ungeduldig. "Jessie?" "Der Bankinhaber." Cora ging zum Ausgang. "Los, beeil dich." Sam folgte ihr. Sie liefen durch das Dorf, vorbei an Gestrüp, das im trüben Mondlicht feindlich wirkte, vorbei an Häusern und an Brunnen, vorbei an Pferden, die im Stehen schliefen, sie liefen fort von Sams Problemen, fort von unbekannten Ursachen, die Cora dazu gebracht hatten, Sam zu helfen, fort von Coras Vater, fort von einem

Schicksal, das sie nicht verdient hatten. Die Nacht war mild; Echos der Hitze des Tages waren noch zu vernehmen, sie hallten wider vom kahlen Boden, sie steckten in der schwülen Luft, die sie umwehte. Als Cora und Sam ein verfallen wirkendes Gebäude weit außerhalb des Dorfes erreichten, blieben sie stehen. Irgendwo in der Ferne heulte ein Kojote. Cora schritt auf die Eingangstüre zu und klopfte. "Ich bin's, Cora", sagte sie. Die Tür wurde geöffnet; ein blasser Mann erschien im fahlen Licht der Nacht. Er bedeutete sie, einzutreten. Der Raum, den sie betraten war spärlich möbiliert und düster. Es gab hier nur ein Bett, einen Tisch und zwei Stühle. Jessie setzte sich auf das Bett. "Was ist hier los?", sagte Sam. "Es wird verrückt klingen", sagte Jessie. Sam setzte sich auf einen der Stühle. "Mit verrückten Sachen habe ich keine Probleme. Ich

bin der anuslose Reiter. Also, schießt los." Cora und Jessie tauschten Blicke aus. "Das, was die Halunken stehlen wollten, war nicht Geld oder Gold", sagte Jessie. "Sie wollten das wertvollste stehlen, das ich besitze. Die heilige Rosette. Ich habe sie immer in einem Tresor in der Bank aufbewahrt. Davon wussten allerdings nur wenige Leute." Sam lachte. "Die heilige Rosette? Was soll das denn sein?" "Ein magisches Artefakt", sagte Cora. "Die heilige Rosette ist ein Portal in eine andere Welt." Sam runzelte die Stirn. "Und was für eine Welt soll das sein?" "Eine Welt, in der es keine zwingende Schlussfolgerungen gibt, keine Parabelhaftigkeit; eine Welt, in der Namen nichts symbolisieren, in der Zufälle regieren und Schicksal nur ein Wort ist. Es ist eine sinnlose

Welt." "Und warum wollen die Ganoven diese heilige Rosette unbedingt haben?" Jessie senkte den Blick. "Sie glauben, sie könnten in diese Welt eindringen und dort unvorstellbare Schätze finden. Schätze, die sie in unserer Welt zu Göttern machen würden. Doch sie irren sich." "Sie haben von den Mythen gehört", sagte Cora. "Es wird gesagt, dass es eine Welt jenseits von unserer gibt, in der alles, das hier geschieht bestimmt wird; eine Welt, die unsere Welt erst erschafft." Sam runzelte die Stirn. "Irgendwie müssen die Halunken herausbekommen haben, dass sich die Rosette in der Bank befunden hat. Doch Cora hat mir einen Hinweis gegeben, dass jemand versuchen würde, sie zu stehlen. Also habe ich sie an einem sicheren Ort versteckt." Sam blickte Cora an. "Woher wusstest du

davon?" Sie senkte den Blick und betrachtete ihre Hände. "Ich habe zufällig ein Gespräch meines Vaters belauscht. Er steckt mit den Halunken unter einer Decke." "Du und dein Vater mögt euch nicht besonders, oder?" "Er hatte immer eine genaue Vorstellung davon, wie eine Frau zu sein hat. Ich hatte eine andere." Sam nickte. "Aber was machen wir nun? Wir können uns ja nicht ewig hier verstecken." Jessie stand auf. "Das ist wahr. Wir sollten uns etwas einfallen lassen." Noch vor Sonnenaufgang machten sie sich auf den Weg ins Dorf. Sie waren entschlossen, die Sache zu einem guten Ende zu bringen. Sam hatte mit den anderen die halbe Nacht lang geredet, hatte diskutiert, er hatte Anregungen liefern können, die ihren Plan zur Vollendung

gebracht hatten. Sie waren davon überzeugt, dass es ein guter Plan war. Sam lief zu einem Stall, in dem sich Pferde befanden. Er band die Pferde los, eins nach dem anderen, und sah sich aufmerksam um. "Los auf in die Freiheit!" Cora und Jessie blieben in einiger Entfernung stehen. Nur langsam begriffen die Pferde, dass sie nun frei waren, dass die ganze Welt ihnen offen stand, wenn sie nur wollten; langsam, eins nach dem anderen, bewegten sie sich weg von ihren Plätzen, weg von der Knechtschaft ihrer Herren. Die Pferde trabten neugierig aus dem Stall, schauten sich um und wieherten. Nach und nach gingen sie davon, manche trabten, manche gallopierten, sie zogen los gen Ungewiss, auf dem Weg in eine Zukunft, die noch nicht geschieben war. "So", sagte Sam. "Nun zu den anderen Ställen und

Häusern." Einige Zeit später war das Werk vollbracht. Hunderte Pferde waren geflüchtet. Die Pferde, die nicht freiwillig verschwinden wollten, wurden davon überzeugt, dass es besser wäre, zu gehen. Drei Pferde waren verblieben; die Pferde, auf denen Cora, Sam und Jessie davonreiten wollten. Doch zuerst musste eine Sache erledigt werden. "Das sollte funktionieren", sagte Sam. Cora und Jessie nickten. Gemeinsam gingen sie zum Haus des Sheriffs und klopften an. Nach einer Weile wurde ihnen geöffnet. Der Sheriff stand im Türrahmen, sein Gesicht war von Verblüffung gezeichnet. "Cora?", sagte er. "Was treibst du dich herum mit diesen ... Ganoven." "Du bist der Ganove", sagte Cora. "Ihr werdet die Rosette niemals bekommen." Der Sheriff runzelte die Stirn. "Cora, was redest du

..." "Ich sage die Warheit. Ich bin hergekommen, um dir zu sagen, dass du mich am Arsch lecken kannst, Vater. Und ich liebe Sam Pooplock." Sam schaute sie erstaunt an. "Aber ...", begann der Sheriff. Doch er sollte keine Gelegenheit bekommen, den Satz zu vollenden. Sie gingen zu ihren Pferden. Jessie schnallte die Rosette fest auf den Rücken seines Pferdes, vergewisserte sich, dass sie nicht herunterfallen konnte, und sprang auf. "Los, hauen wir ab." Cora und Sam stiegen auf. Die Halunken würden ihnen nicht folgen können. "Auf geht's", sagte Sam. Heroisch ritt der anuslose Reiter mit seinen Kumpanen gen Sonnenuntergang. "Ich muss dir etwas gestehen", sagte Cora während sie ritten. "Ich habe keine Vagina."

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Drollibaer
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tooshytowrite Mein Lieblingswestern!
lg
tooshytowrite
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Drollibaer Danke
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