Nach Jahrhunderten der Expansion scheint die Welt für das Imperium Cantons fast grenzenlos. Doch die letzte verbleibende Stadt der einstmals unbeugsamen freien Königreiche, Xihuitzin, würde nicht einfach fallen. Regiert von mächtigen Magierpriestern und beschützt durch magische Anima und Mauern und die Unterstützung jener, die der Herrschaft des Kaisers noch entgegenstehen, beginnt eine Schlacht, deren Ausgang niemand vorhersehen kann. Und während die Legionen des Kaisers um die Stadt ringen offenbart
sich in den Ruinen ihres Schlachtfelds langsam aber sicher eine tiefere Wahrheit über den vermeintlichen Herrscher der Welt, die geeignet ist, das Machtgefüge des ganzen Landes zu erschüttern. Und alle Seiten haben ihre eigenen Pläne für die Aschen von Xihuitzin und die Zukunft.
Eine Stadt brennt.
Ein Königreich fällt.
Ein Kaiser stirbt.
Bildquelle: pixabay EntretenimientoIV
Das letzte was er heute gebrauchen konnte, war sich mit dem Orden auseinander zu setzen. Den Mann im Auge behaltend, legte er seine leere Schale beiseite und machte Anstalten aufzustehen. Bevor er jedoch dazu kam, mehr als einen Schritt zu machen, hob der Fremde eine Hand um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Cyrus überlegte kurz, einfach zu verschwinden So wie der Mann aussah, könnte er kaum zu ihm aufholen, wenn er jetzt einfach zwischen den Zelten verschwand. Auf der anderen Seite… Der Umhang des Zaubrers war
jetzt deutlich zu erkennen, genauso wie das goldene Abzeichen eines Blutstropfens darauf. Er hatte sich also auch nicht getäuscht. Der Mann gehörte auf jeden Fall zum Orden. Vor einem Magier davon zu rennen und wenn er aussah, als wäre er in einen Eimer Farbe gefallen, war keine gute Idee. Und selbst wenn er davon kam, würde das Fragen aufwerfen. Das ganze Lager war angespannt, durch die ständigen Angriffe. Cyrus seufzte. Dem Mann zu entkommen, war es dann doch nicht wert, sich eine Kugel einzufangen. Aber nur fast, dachte er und ließ sich auf den Stein zurück fallen, während der Mann über die Wiese auf ihn zu stakste und
stolperte. Als er Cyrus schließlich erreichte, war der Schlamm von seinen Stiefeln schon über seine Hosenbeine hinauf gewandert. „Verzeiht…“ Der Fremde stützte die Arme auf den Knien ab und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Er war jung, wie Cyrus feststellte, das Gesicht unter dem breiten Hut mit der Pfauenfeder wirkte weich und das paar blauer Augen wach und intelligent. Einige Strähnen hellen Haares ragten unter der Kappe hervor und die Enden eines langen Schnurrbarts fielen ihm bis fast zum Kinn. „ Ihr gehört nicht zufällig zur Goldenen Garde?“ Die Stimme des Mannes klang dünn und hoch. Cyrus
erinnerte es ein wenig an das Piepsen einer Maus. Der Wolf wusste nicht, was er erwartet hatte, aber die Frage sicher nicht. „Goldene Garde?“ Er sah zu der Gruppe Ritter, die nach wie vor in der Sonne saßen. Lediglich der Mann mit dem Drachensymbol im Haar sah einmal zu ihnen herüber, der Rest schien sie hingegen bisher nicht einmal bemerkt zu haben. „Sind das die Männer dort im Feld? Dann fürchte ich, ist die Antwort nein.“ Cyrus musterte sein gegenüber nun etwas genauer. Der Mann wirkte wirklich nicht wie einer der typischen Magier des Ordens. Jung und in keiner Weise
bedrohlich… Gehörte er wirklich zum Orden? „Zu schade. Ich hatte wirklich gehofft, mit einem von ihnen alleine reden zu können. Ja doch, es wäre wirklich wichtig für… nun, meinen Bericht.“ Er zog eine kleine Schreibfeder mit metallener Spitze aus seinem Gürtel und tippte sich damit gegen die Stirn. Und zu Cyrus erstaunen manifestierte sich ein Tintenfässchen direkt vor ihm in der Luft. Die Umgebung schien einen Moment wie statisch aufgeladen. Cyrus Füße kribbelten als wären sie eingeschlafen und das Fell an seinen Armen stellte sich auf. Also doch ein Magier… „Ich bin übrigens Anselm von
Ansim. Sehr erfreut.“ Er nahm einen der schweren Lederhandschuhe ab, die er trug und streckte Cyrus eine Hand hin. Was soll man davon halten? fragte dieser sich stumm. Nach wie vor hatte er keine Ahnung, wie er den Mann einschätzen sollte. Eine Bedrohung war er jedenfalls nicht. Oder doch? Immerhin war er ein Magier. Nun er konnte schlicht den ganzen Tag hier herumstehen und darauf warten, das er es herausfand. Cyrus gab sich einen Ruck und nahm die Angebotene Hand. „Cyrus.“ , erwiderte er knapp. „Und warum geht ihr nicht einfach zu ihnen herüber wenn ihr mit ihnen reden wollt?“
Und euch so schnell wieder loswerden? fügte er in Gedanken hinzu. „Nun… ähm. Ich muss doch zugeben das… Also ich bin vielleicht ein wenig…“ Er sah einen Moment zu der Gruppe hinüber. „Eingeschüchtert.“ Cyrus lachte. Er konnte sich nicht helfen und einen Moment war er sich fast sicher, dass Anselm das als Beleidigung auffassen musste. „ Ihr seid ein Magier.“, erwiderte er schließlich, als er sich wieder gefangen hatte.“ Wovor bitte habt ihr Angst? Einer von euch ist für die Offiziere so viel Wert wie eine ganze verdammte Kompanie. Wenn diese Männer auch nur daran denken Hand an euch zu legen lässt der Kaiser sie
vermutlich Hängen und Vierteilen. Also, wer bitte sind diese Leute, das sie euch Angst machen?“ Einen Moment lang erwiderte Anselm nichts. „Also…“ r räusperte sich. „ Erst einmal, bin ich kein vollwertiger Zauberer. Nun das stimmt vielleicht nicht ganz aber… Meine Schule ist äußerst…speziell. Und vom Kaiser persönlich abgesegnet.“ „Was ihr lasst Tintenfässer aus Luft entstehe?“ Er kratzte sich einen Moment am Kopf. „Teils. Ich... Ich demonstriere es euch. Wartet einen Augenblick.“ Anselm schien sich wieder zu fangen und begann in einer Gürteltasche zu kramen, bis er
schließlich einen großen Bogen Pergament zu Tage förderte. Einen Moment drehte er das Blatt Papier zwischen den Händen, als versuche er es auszurichten, dann schien er schließlich den gewünschten Winkel gefunden zu haben. „ Bewegt euch einen Augenblick nicht.“ , wies er Cyrus an und bevor dieser auch nur dazu kam zu fragen, was vor sich ging, löste sich ein Lichtblitz aus den Fingerspitzen des Zauberers. Es war grell genug um ihn einen Augenblick zu blenden, dann war es auch schon vorbei. Cyrus blinzelte. „Was war das?“ „Nun also der Orden nennt es Luxomantie und ich habe auch noch ganz
andere Namen dafür gehört, beispielsweise die nutzloseste magische Schule, aber…“ Er drehte das Pergamentblatt um und hielt es Cyrus hin. „Ich habe darauf nie viel gegeben.“ Anselm lächelte zum ersten Mal, während der Wolf sich das Pergament besah. Es war nicht etwa leer sondern zeigte in genaustem Detail ein Bild von ihm selbst, so wie er noch vor wenigen Augenblicken dagestanden hatte, zusammen mit seiner Umgebung und den Zelten im Hintergrund. Selbst ein Teil er Schüssel, die er auf einem Felsen zurück gelassen hatte, war zu erkennen. Und es war nicht nur ein bloßes Bild, wie ihm klar wurde. Es war absolut perfekt, bis
ins kleinste Detail. Die feinen, schwarzen Linien auf dem Papier wirkten nicht wie Tinte, sondern wie Kohlepulver, als hätte sie etwas in das Material eingebrannt. Es war… beeindruckend, dachte Cyrus bei sich. Schön. Beeindruckende Dinge gab es hier ohne Ende… aber nur wenig Schönes. „Nettes Kunststück.“ , meinte er, bevor er Anselm das Blatt zurück gab, aber die Faszination in seinen Augen war dem Magier wohl nicht entgangen. „Es ist nicht bloß ein Kunststück. Es ist meine Arbeit.“ , erwiderte dieser mit sichtlichem Stolz. „Ich bin hier um diese Kampagne für den Kaiser und die Menschen des Reichs zu
dokumentieren.“ Cyrus zog eine Augenbraue hoch. „Ich würde sagen, dann hätte der Kaiser jemanden schicken sollen, der keine Angst vor seinen Männern hat.“ „Es sind nicht seine Männer, die mir Unbehagen bereiten, Sir.“, erwiderte Anselm und sah ihn dabei herausfordernd an, wie um seinen Punkt zu unterstreichen. „Nicht?“ Cyrus grinste und ließ dabei ein paar scharfer Zähne sehen. Falls das den Schreiberling beunruhigte so musste er ihm zugestehen, dass er es sich zumindest nicht anmerken ließ. „Aber die goldene Garde tut es?“ „Die goldene Garde gehört auch nicht
dem Kaiser. Oder… nun ja, sie tut es schon nur nicht offiziell. Es ist… kompliziert.“ „Dachte ich mir.“ Das Drachenwappen, dachte Cyrus. Das Wappen war nach wie vor falsch. „ Tragen sie deshalb das Wappen der alten Kaiser?“ „Ich hätte nicht gedacht, dass ihr euch mit Geschichte auskennt.“ „Nun ich stecke voller Überraschungen. Also, was ist los mit dieser… goldenen Garde?“ „Wie gesagt, das ist eine komplizierte Geschichte.“ Anselm räusperte sich. „ Euch ist ja bereits aufgefallen, dass sie das Wappen der Ordeal-Kaiser tragen. Ist euch der Name Macon Ordeal
geläufig?“ „Sollte er?“ Der Name klang auf eine Weise vertraut, dachte Cyrus. Trotzdem schien er sich nicht erinnern zu können.“ Irgendetwas mit Pferden…“ Nun war es an Anselm zu lachen. „Das dürfte die größte Untertreibung sein, die ich je gehört habe. Macon Ordeal war der Begründer dessen, was heute die goldene Garde ist. Ursprünglich die Überreste eines Kavallerie-Regiments, das sich mit ihm gegen seinen Vater stellte, zusammen mit einigen Kosaken aus Hasparen. Diese Männer führten die ersten Rebellion gegen die Ordeal-Kaiser. Später nahm Macon den Thron natürlich für sich in Anspruch aber seine
Männer blieben und vermischten sich mit den Reiterstämmen Hasparens. Die Ordeal-Kaiser nach Macon rekrutierten ihre Elite-Kavallerie aus diesen Stämmen und diese Tradition blieb bestehen bis zu Simon Belfares großer Rebellion und dem Fall der Ordeal-Dynastie. Danach wurden die ehemaligen Regimenter der Ordeal-Kaiser aufgelöst, zusammen mit der Prätorianer-Garde und später zur kaiserlichen Garde umgeformt. Oder zumindest fast alle. Die goldene Garde bekämpfte Simon Belfare noch ein Jahrzehnt nachdem er den ´bernsteinthron für sich gesichert hatte und als man sie schließlich stellte… nun Simon Belfare war kein gnädiger Mann.
Er stellte der goldenen Garde ein Ultimatum. Entweder sie würden sich ergeben und genau wie die restlichen Loyalisten entwaffnen lassen oder sterben. Die Antwort der Garde war… eindeutig.“ „Ich vermute einmal sie haben sich nicht ergeben.“ Anselm sah einen Moment ein wenig verlegen drein. „Sie haben ihn wissen lassen, sie würden darüber nachdenken, wenn er die Hintern ihrer Pferde küsst. Er ließ sie wissen, dass er ihre Pferde schlachten und ihnen vorsetzen würde. Am Ende der Schlacht waren nur noch etwa vierzig von ihnen am Leben. Allerdings hatte es den Kaiser fast alle
seine Männer in Hasparen gekostet und die goldene Garde hatte mehr als nur ein paar Verbündete unter den Reiterstämmen und Pferdezüchtern der Provinz. Er hatte einen Sieg errungen der drohte ihm die gesamte Region zu kosten.“ „Er hat sie also begnadigt.“ „Richtig.“ Anselm nickte und zuckte mit den Schultern. „Auch wenn er nicht wirklich eine Wahl hatte und die Überlebenden der goldenen Garde wussten das. Also konnten sie die Bedingungen zu einem gewissen Grad diktieren. Sie würden sich dem Kaiser unterordnen, aber nicht ihre Waffen ablegen. Stattdessen würden sie ihre
Rolle weiterhin ausführen und unter dem neuen Herrscher als Kavallerie-Einheit dienen. Sie haben ihn allerdings nie wirklich als Kaiser anerkannt und ziehen bis heute unter dem Banner der Ordeal-Kaiser in die Schlacht. Offenbar war es keinem von Simons Nachfolgern die Mühe wert, ihnen das auszutreiben und dabei zu riskieren, ganz Hasparen in einen kostspieligen Bürgerkrieg zu stürzen… wegen eines Stücks Stoffs. Man kann von den Belfare sagen was man will, aber sie sind Pragmatiker.“ „Und was? Ihr traut euch nicht zu ihnen zu gehen weil ihr ihnen nicht mit der Autorität des Kaisers drohen könnt?“ Der Magier, oder was er sonst sein
mochte, sah einen Augenblick verlegen drein, antwortete jedoch nicht. Cyrus seufzte. Er hatte nur seine Ruhe gewollt. Einen Moment überlegte er erneut, sich einfach davon zu stehlen. Anselm konnte wenig tun um ihn aufzuhalten, wenn er ihm sagte, dass das wirklich nicht sein Problem war. Aber irgendwie… Er hatte wirklich keine Lust für den Mann den Aufpasser zu spielen. Die Sache war nur…der Mann war ihm sympathisch. Vielleicht weil er ihn ein wenig zu sehr an ihn selbst erinnerte. Nicht verbraucht oder resigniert wie zu viele andere hier. Und scheinbar fasziniert aber auch eingeschüchtert von allem hier. Er atmete tief durch. War es ihm nicht ähnlich
gegangen? Die erste Gelegenheit aus den Kasernen heraus zu kommen. Wieder das offene Land vor sich zu haben, statt vergitterter Fenster und schwerer Eichentore. Kaum zu glauben, dass das erst wenige Monate her war. Er fühlte sich alt, dachte Cyrus, dabei war Anselm an Jahren gemessen vielleicht sogar der Ältere von ihnen. Aber nicht an Erfahrung. „Und wenn ich mit euch hingehe?“ Er versuchte freundlich zu klingen. Es gelang ihm scheinbar nicht ganz und einen Moment war er sich sicher, dass Anselm ablehnen würde. „Das würdet ihr tun?“ „Ich sage es mal so. Es ist euer
Begräbnis. Entweder ihr geht hin oder ich schleife euch.“ Wenn er schon nichts dagegen tun konnte, den Mann zu mögen, würde er jetzt garantiert nicht zulassen, dass er einen Rückzieher machte. „Eure Entscheidung. Aber wenn ihr vor ein paar Männern in Rüstung Angst habt…“ Anselm lächelte lediglich einen Moment. „Ich hatte eigentlich gedacht, ich störe euch, wisst ihr.“ „Oh, glaubt mir, ihr wisst nicht wie ich mit Leuten umgehe, die mir wirklich missfallen. Der letzte hat ein Messer in die Brust bekommen.“ DasLächeln des Magiers verschwand so schnell wieder, wie es gekommen war. Nach einem letzten Moment des Zögerns
setzte er sich schließlich in Bewegung, Cyrus vorausgehend über das Feld und zu der kleinen Gruppe aus Männern der goldenen Garde.