Neulich war ich in Leipzig, ist ja nur ein Katzensprung von Dresden aus. Ja, in der Tat, da ist viel Neues entstanden, aber ihre gepflegte Aussprache haben die braven Leipziger beibehalten. Ich schaute, erfreute mich am schönen Wetter und ging, mit mir und der Welt zufrieden, die Straße entlang. Dann fiel mir auf, dass mich hin und wieder Leute anstarrten, tuschelten und sich, als mein Blick auf sie fiel, wie ertappte Sünder wegdrehten. Manche fummelten sogar an ihren Handys herum.
Zum Kuckuck!an mir war nichts Auffälliges; ich trug Jeans, einen schwarzen Pulli, ohne dämliche Aufschriften und der Reißverschluss vom
Hosenstall war, wie ich mich überzeugte, geschlossen, wie es sich gehört. Frisch rasiert war ich auch und mein Kurzhaarschnitt, hatte mich vor wenigen Tagen 17 Euro gekostet. Was also gab es da zu gaffen!?
Vor einem großen Schaufenster drehte ich mich sicherheitshalber, um einen Blick auf meine Hinterfront zu werfen. Nein, das war alles okay; kein Spaßvogel hatte mir auf den Rücken einen Zettel - mit solchen sinnigen Aufschriften wie; 'Ich bin ein dummes Schwein!' oder gar 'F...... ist wunderschön!'- angebracht.
Sie haben gut lachen, aber solche Idioten haben wir in Dresden.
Einen, alten klapprigem Opa hatten sie
ein solches Papier auf den Rücken geklebt. Was darauf stand, verschweige ich besser. Als ich den Opa bat stehenzubleiben, dass ich ihn das Schild abmachen konnte, brüllte er: » Geh mir aus der Sonne, verdammter Langfinger!« und versuchte mir mit seinem Krückstock eins überzubraten.
Zum Glück bemerkten ein paar Passanten worum es ging und beruhigten den Opa. Ja, Hilfeleistungen in der heutigen Zeit, können arg ins Auge gehen. Ich habe da Sachen gehört, aber Schwamm drüber, das gehört in ein anderes Ressort.
Ich ging also weiter bummeln und kam auf einen größeren Platz, der ringsum mit Bäumen bestückt
war.
Mittig stand etwas, woraus Wasser, wie die Milch beim Affen, in Fontänen hoch-spritzte. Aha, dachte ich; ein Springbrunnen, obwohl ich, wären die Fontänen nicht gewesen, angenommen hätte, Handwerker hätten hier kurzzeitig ihren Metallschrott deponiert.
Moderne Kunst eben... Ringsum luden Holzbänke zum Sitzen ein. Der Einladung widerstand ich auch nicht und ließ mich nieder, um eine Zigarette zu rauchen. Was soll man auch sonst mit einer Zigarette machen - außer; sie vielleicht wegwerfen und mit dem Gequalme aufhören.
Seitlich meiner Bank, nur ein paar
Schritte entfernt, saß eine ältere Frau und ein vielleicht vierjähriger Junge, der mit einem Ball spielte.
Der rollte dann zu mir herüber und der Kleine tippelte ihm nach, um ihn zurückzuholen. Die alte Dame sah auf, dann in meine Richtung, sprang wie von einer Tarantel gestochen auf, kam mit angst- verzerrtem Gesicht auf mich zu, zog das Kind, das gerade seinen Ball aufnahm. gewaltsam fort und ein paar Minuten später waren sie in der Schar der Fußgänger verschwunden.
Wer weiß, was in die alte Dame gefahren oder vielleicht vorgefallen ist, dachte ich und rauchte in aller Ruhe zu ende.
Ich spazierte dann noch eine Weile
umher, dass mich Angestarre nahm seinen Verlauf und, wie man sich denken kann, stieg langsam Ärger in mir hoch. Ich war ordentlich angezogen, lief wie ein normaler Mensch eben läuft. Ich will nicht behaupten, dass ich aufs Gesicht bezogen, ein besonders gutaussehender, charismatischer Mann bin, auch wenn das meine Freundin, wenn sie besonders gut gelaunt ist, behauptet.
Kurzum ein normaler Durchschnittsmensch, an dem die Leute eigentlich sonst vorbeigehen ohne ihn blöd anzugaffen.
Vielleicht war ich bis zur Hälfte unsichtbar und die guten Leuten staunten und wunderten sich, wie etwas ohne Kopf
und Oberteil so fröhlich durch die Stadt marschieren konnte. Wenn ich den Büchern und Filmen glaube, können solche Dinge durchaus geschehen. Eine Freundin, meiner Freundin, hat wiederum eine Freundin, die Reki-Fern-Heilerin ist. Von der erzählen sie die tollsten Sachen.
Sie heilt per Telefon oder übers Web kleinere Beschwerden, wie Kopfweh, Regelschmerzen Heuschnupfen u. ä. Ich bin ihr mal in einem Café, wo sich meine Freundin einmal in der Woche mit ihren Freundinnen trifft, vorgestellt worden.
Ich saß kaum am Tisch, hatte nur ein paar freundlich belanglose Worte mit der fulminanten Geistesheilerin gewechselt,
als sie aufstand und mit den Worten ging: »Wie eine Wolke sei plötzlich negative Energie im Raum und sie müsse gehen, da diese ihre Aura anzapfe.«
Als sie dann glücklich weg war, hackte der Rest am Tisch auf mir herum; ich hätte sie mit meinen dummen Äußerungen über die Reki-Heilkraft gekränkt und sei überhaupt ein sehr taktloser Mensch.
Ich hatte genug von dem Gekeife und marschierte nach Hause. Mit dem Resultat, dass meine Freundin mit mir tagelang schmollte. Wenn ich sie anrief, sich nicht meldete, denn auf ihren verdammten Handy, kann sie sehen wer anruft. Sie würde schon wieder
aus-schnappen, dachte ich, aber so ganz sicher war ich keinesfalls.
Um mir den Kopf frei zu machen, fuhr ich, wie anfangs gesagt, solo nach Leipzig, das schon der alte Goethe lobte und sogar einer dortigen Kneipe in seinem Monumentalwerk „Faust“ ein Denkmal setzte.
Ich kann nun wie sein Titelheld lamentieren: "Da steh ich nun, ich armer Tor und bin nicht klüger als zuvor!"
Ja, ich weiß, ihr Erbsenzähler, der Vers geht anders; 'Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.' muss es heißen.
Goethe falsch zitieren, dass ist für euch ein fast so gewaltiges Vergehen, wie
einen dunkelhäutigen Menschen „Neger“ zu nennen.
Großer Gott! Ihr könnt mich alle mal….
Fakt ist, dass ich noch immer nicht herausbekommen hatte, was an mir so Sehenswertes sein sollte. Ich hatte natürlich Vermutungen, dass die Gaffer mich mit irgendjemanden verwechselten, dem ich ähnlich sah. Etwas Kriminelles konnte es nicht sein, da hätte längst jemand die Bullen benachrichtigt und geht es um steckbrieflich Gesuchte, lassen die nicht lange auf sich warten.
Während ich weiter grübelte, fiel mir ein, dass ich bei Facebook ein Avatar (Passfoto von mir) hochgeladen hatte, aber sollten alle, die mich da beäugt
hatten….
Nein, auch das schied mit hoch und höchster Wahrscheinlichkeit aus. Inzwischen war es schon 11 Uhr geworden; Zeit irgendwo Mittag zu essen. An einem normalen Tag hätte ich das sicher getan, aber jetzt war mir alle Lust dazu vergangen. Da fiel mein Blick auf einen Taxistand und sofort war mir klar, was ich zu tun hatte.
Diesen für mich so idiotischen Messestadtbesuch abzubrechen, ins Taxi zu steigen und mich zum Bahnhof fahren zu lassen. Dann mit dem Zug oder Bus nach Dresden, um dort meinen Seelenfrieden wiederzufinden.
Dann verlief alles planmäßig, der
Taxifahrer schenkte mir kaum einen Blick, aber maulte auch nicht herum, dass der kurze Weg zum Bahnhof kein lohnendes Geschäft für ihn sei. Ein Zug fuhr in 90 Minuten und so schlenderte ich zur Fernbushaltestelle, die unweit des Bahnhofs, direkt am Anfang des Parks Schwanensee, gegenüber dem Novohotel. Ich hatte Glück; wie auf Abruf stand dort ein Bus nach Dresden bereit…
So war ich kurz nach 14 Uhr schon wieder in Dresden. Meine Einraumwohnung, liegt keine 10 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt und meine gute Laune stellte sich auch wieder ein. Dem Tiefkühlfach entnahm ich ein
Fertiggericht, das bloß noch im Herd erhitzt werden musste. Ich aß, trank dann Kaffee und überlegte wie ich den so ungünstig begonnenen Tag zu Ende bringen könnte. Wie in Leipzig, war auch Dresden voller Sonne und beschloss mit dem Rad zu Oma Melbert in den Garten zu fahren.
Oma ist zwar nicht da, sondern in Begleitung von Freund Erwin ein paar Tage zu ihrer Schwester nach Binz gefahren. Da Freund Phil auch irgendwo hingefahren ist, treffe ich also höchstens Gartennachbar Wilhelm. Dessen bessere Hälfte ist auf Kur und da wird er vermutlich in der Kantine zusammen mit anderen am Stammtisch sitzen und seinen
geliebten Skat spielen.
Also fuhr ich , in der Kolonie angelangt, sofort zur Gaststätte, die mit Blick auf die Dresdner Heide, auch für sonstige Gäste geöffnet ist und sich regen Zuspruchs erfreut.
Wie geahnt, Nachbar Wilhelm saß mit ein paar Gartenfreunden am Stammtisch, aber sie spielten keinen Skat, sondern unterhielten sich über „weiß gott was“.
Ich klopfte, wie man das tut, mit der Faust auf den Tisch und setzte mich zu der Runde. Der dicke Ebo grinste mich an und sagte zu Wilhelm: »Nun guck mal, wie dem aus dem Gesicht geschnitten oder!? Und du wolltest es nicht glauben.
«
Wilhelm war mir ein prüfenden Blick zu, nickte: »Du hast recht, Ebo, die beiden könnten Zwillinge sein.« Alle am Tisch lachten und schienen sich über mich köstlich zu amüsieren.
Mir dämmerte natürlich, dass ihr Benehmen, mit dem Leipziger Gaffern zu tun haben könnte. Wilhelm schubste mich an: »Sei nicht eingeschnappt, du kannst nicht wissen, warum wir lachen; du siehst ja, außer Fußball nie Fernsehen.«
»Ja, und was hat das mit euren kindischen Benehmen zu tun?, fragte ich, immer noch leicht verärgert über den
Empfang.
Wieder grinste die ganze Runde saublöd daher. Der dicke Ebo, den es vor Lachen schüttelte, dass er mich an einen Wackelpudding erinnerte, erklärte mir, immer von Lachsalven unterbrochen:
»Im Fernsehen sei am Wochenende ein amerikanischer Film namens „Die Teufelsfratze von Soho“ gezeigt worden. Der Hauptdarsteller des Films, der einen geisteskranken Frauen- und Kindermörder spielte, hätte wie ein Zwillingsbruder von mir ausgeschaut, aber super gespielt. Er hätte fast wie ein normaler Mensch ausgesehen und keiner hätte gedacht, dass er der fiese
Mordbube sein könnte.
Was soll ich der Geschichte noch zufügen, alles klaro.
Es bleibt nur zu hoffen, dass meine Freundin, die noch immer mit mir schmollt, den Film nicht gesehen hat und die Dresdner diesen Sch...film, samt Darsteller möglichst schnell vergessen.
Ja und Leipzig kann mir für einige Zeit gestohlen bleiben….