Gedichte
Dichter Blick ins Jenseits

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"Dichter Blick ins Jenseits"
Veröffentlicht am 24. Oktober 2018, 190 Seiten
Kategorie Gedichte
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Über den Autor:

Gedichte der Autoren Gruppe : Die ARMEN POETEN
Dichter Blick ins Jenseits

Dichter Blick ins Jenseits

Prolog



Es sind nicht starke Mauern oder Stahlwände, die uns von Zeiten & Welten trennen, auch nicht übergroße Entfernung - zwischen uns und dem Jenseitigen liegt ja nur ein Schleier"... <(:-I











einleitung









Dieses Lesebuch ist eine Zusammenstellung von Gedichten und Kurzprosa, die verschiedene Dichter einer Facebookgruppe, genannt "Die Armen Poeten" zum vorgegebenen Thema "Blick ins Jenseits" beigetragen haben.



Es wurde erstellt zum besseren Nachlesen und zur reinen Freude aller, mehr oder weniger ... oder ?







Bilder sind meist eigene, collagen oder frei verwendbare aus dem Web. Da dies noch ein non profit book ist, ist dieser Punkt auch momentan nebensächlich.


Walli Mio Madicken Administratorin der Gruppe

mitwirkende


ALEXANDER ABS DANIEL ASPLUND RAINER DOERING INGRID HERTA DREWING NADJA FELSCHER ANNE FITSCH LEONARD LEO GRAESSLI PETRA RUTH GRÖGER HANS DIETER HEUN RONALD JOACHIm




ULLI KARP MANFRED KEITEL WOLFGANG LOOK WALLI M. MADICKEN FRANK MAY RAMSENTHALER RUPPRECHT MATTHIAS RUDE ENRICO SCHMIDT RICHARD URBAN GÖDEHARD VON DER ROLLE UDO WAGENBACH


Hinein tasten ins Nichts

Ich denke ....

Leonhard Leo Graessli


ich denke

das Jenseits

jenseits von diesseits Werden wir aufwärts fallen - wenn wir

nicht schweben können ? Werden wir Engel- trotz allem ? Soll man sich plagen mit Fragen und Antworten die Fragen sind






Traumwelt Nadja Felscher


Ich schwebte über Wasser hin

in trübem Spiegel Schaume, doch Tränentropfen nährten wund erloschenen Lebens Zaume. Ich schwamm durch Lüfte saumbeseelt, empfing dein Liebgeraune. Umragt von Laubesdienern - bin ich frei in Samtes Daune. Odemstod - die Welt verstummt, Posaunen sind verklungen. Diesen Ort ich hab berührt, durch dich im Traum besungen.










Traum und Sein

Ronald Joachim


Neblig war’s, als nur ein Hauch Fahlen Mondlichts war zu seh’n Und es roch nach kaltem Rauch Beißend im Vorübergeh’n. Hörte meine Tritte kaum, Fühlt‘ mich einsam und allein, Ahnte weder Zeit noch Raum, Unterschied nicht Traum und Sein.

War mein Weg nur Illusion,

Gar ein Schattenspiel die Welt?

Bin ich hier gewesen schon, Gibt es etwas, das mich hält? Wer hat mich als Gast bestellt, Fremd und wiederum vertraut, Wartend bis der Schleier fällt? Hätt‘ gern hinter ihn geschaut.

Dabei ist es ganz egal,

Wann der Vorhang sich dann hebt. Durchlass gibt es nur einmal, Doch was soll’s: Man geht und lebt



Mein Jenseits, Sterben und Wiedergeburt

Ulli Karp

Auf einer Lichtung Mitten im Wald lag ich unter Farnwedeln und schaute auf das Spiel der Sonnenstrahlen die durch das Nadeldach der die Lichtung umrahmenden Kiefern flimmerten. Ich lauschte dem Rascheln der Blätter und dem Säuseln des Windes und erträumte mir den Anfang meines Lebens. Während ich im Traum begann Zellen zu bilden, spürte ich, das mein Körper immer tiefer in dem Waldboden versank. Meine ersten Zellen teilten sich, der Waldboden unter mir verlor seine Zusammenhangskraft, ich schien zu schweben,

langsam wie eine Spinne am Faden bewegte ich mich abwärts. Meine Zellen formten sich, nahmen Gestalt an, die Gestalt eines menschlichen Fötus. Inzwischen war ich soweit Richtung Erdmittelpunkt gesunken, das mir das Sonnenlicht nicht mehr folgen konnte, es wurde dunkel und warm. Mein Verstand begann sich aufzulösen, das Denken fiel mir so schwer, das ich nicht mehr ich, sondern es war. Ein letzter Blick versuchte das umgebende Dunkel zu durchdringen, dann war es vorbei - aus – nichts - ... Ich war reif und wollte raus. Meine Geburt war mein Neubeginn, mein erster Schrei befreite mich vom letzten Rest des Vergangenen.




Gib es ein Leben....

Richard Urban Gib es ein Leben nach dem Ableben, Ist es wichtig das zu wissen? Oder sollte man nach der Antwort gar nicht streben, Und einfach die Unwissenheit genießen? Warum macht das Leben daraus ein Geheimnis, Was hat es zu verbergen? Wäre das für ihn ein Wagnis, Stürzte eine Offenbarung alles ins Verderben? Hätte das Leben seine Macht verloren? Würde seine Herschafft infrage gestellt? Ja, dann würde nichts mehr so sein wie vorher,


Nichts mehr hätte vor dem Leben Respekt. Der Absolutismus wäre nur noch eine Farce, Es herrschte Chaos und Willkür.

Nichts liefe mehr nach irgendeinem Plan,

Das Leben wäre nicht mehr glücklich. Alles lebte nach eigener Vorstellung, Beherrscht von Anarchie. Keine Handlung bedeutete Anstrengung, Frei von jeglicher Philosophie. Jede Neugier wäre ausgelöscht, Keine Bestrebung irgendwas wert. Jeder Grund zur Freude wäre verfälscht, Keine Zukunftsvision unversehrt. Was bliebe dann noch übrig? Eigentlich gar nichts mehr. Jede Handlung hätte sich erübrigt, Sinnloses Vegetieren, in einer sinnfreien Welt.




Diesseits

Leonhard Leo Graessli


....sehe zurück : Niederung in Nebeldämmerung verschwommene Wahrnehmung Wir taumeln dahin stolpern fallen Glauben zu Wissen nie ist es genug immer tiefer in den Selbstbetrug Poetische Wirklichkeit abheben schweben

gleiten steigen Wolkenschloss Ein schöner Traum kaum unwahr Und Sinken fallen stürze

Das Diesseits ist nicht wirklich fassbar nachdenken ist möglich Das Jenseits Niemand kam zurück erzählte davon Das Paradies Der Garten Eden Der Baum der Erkenntnis Der Sündenfall Mehr nicht Darüber nachdenken . . .

Andere Welt // Ingrid-Herta Drewing

War es ein Märchen, war’s ein Traum zugleich, der mich entrückt‘, in eine andre Welt gehoben, wo mir mein Leben licht, an Farben reich, geheimnisvoll erschien, ward neu verwoben? Ich fand mich dort auf einer großen Wiese, die eines dunklen Waldes Lichtung glich. Ein Blumenleuchten in dem grünen Vliese erstrahlte farbenfroh und inniglich. Es lugten aus den Blüten kleine Wesen, die sangen lieblich, zart im Sommerwind. Vielleicht sind es die Elfen auch gewesen, von denen man mir einst erzählt als Kind.


Ich lauschte, wie gebannt, den Melodien, doch sie verstummten plötzlich mit dem Takt, und jenseits dieser schönen Harmonien erschallt‘ es laut, als würde Holz gehackt. Und tosend dröhnten Sägen, heulend‘ Surren, bis endlich dann der Höllenlärm erstarb, und aus dem Walde drang ein wütend‘ Knurren, als ob zur Jagd ein Wolf den andern warb. Doch als vor Furcht ich mich verbergen wollte, erschien die weiße Wölfin sanft im Licht, die mir zunächst hier kaum Beachtung zollte. Ich war erleichtert, dacht‘: „Sie sieht mich nicht.“ Da wandte sie sich um, trat auf mich zu und sprach: „ Was suchst du hier in meiner Welt, gehörst du auch zu jenen, die im Nu, Natur zerstören, achtlos, Wald und Feld?


Bist du auch ein solch tückisch‘ dummes Wesen, das auf der Erde frönt dem Plastikwahn, der meiner Seegeschwister Tod gewesen, weil Menschen Meer als Abfallgrube sah’n? Ich hoffe nicht; ich sah, wie du die Blüten, des Lebens Kinder, ließest ungepflückt, als schätztest du ein zärtliches Behüten und seist von ihrer Schönheit still entzückt.“ Betreten stand ich, wagte kaum sprechen, gestand, dass ich auch Plastiktand erwarb, weil sorglos ich verkannt‘, dass sich musst rächen, wenn es als Müll den Lebensraum verdarb. Die Wölfin, weise, wollte mich nicht strafen (vielleicht hat meine Reue sie gerührt), sprach: „Komm, die Blumen wollen schlafen!“ und hat mich in ihr Zauberreich geführt.

Dort sah ich Seen, wasserklar, auch Flüsse, in unberührten Wäldern Pflanzen, grün, als ob man gar nichts von uns Menschen wisse, Natur sich üb‘ alleine im Erblüh’n. Da sprach die Wölfin: „ Ja, so war ’s auf Erden, so mancher nannte es ein Paradies, bis unachtsam der Mensch mit seinen Herden, das Land verschandelte, ein grau Verlies. Ihr müsst euch ändern, so darf das nicht bleiben,


sonst folgt der Menschheit Tod bald auch dem Tier. Natur lässt sich auf Dauer nicht vertreiben, sie war und ist schon lange vor euch hier!“ Was ich noch sah, gehört, hab‘ ich vergessen, wie’s oft geschieht nach einem langen Traum. Doch eines weiß ich, falsch sind die Interessen, die die Natur missachten, schätzen kaum!





Einmal Jenseits und zurück

Richard Urban

Sollt´ ich dereinst doch ableben, (Manch behauptet es wird geben) Schweb´ ich keinesfalls nach oben, Weiß ich selbst, das wär´ verlogen. Ich werd´ flattern um die Erde, Über Täler und die Berge. Werde baumeln nur herum, Schau mich hier und da mal um. Finde ich ´ne schöne Lage, Für die alle nächsten Tage, Lass mich dort reinkarnieren, Ist egal, als was auch immer







Dunkle Jenseitswege .... Wolfgang Look Dunkele Jenseitswege des Lebens Kometen ohne Treu sind in der Liebe Welten wir Durch Sphären hoher Berge funkelnd Hundertfeuer - Ein Brand aus Aufruhr, flammend Ungeheuer. Der Weltallstürme irrend Lichtertor - Wir reisen fern…

Wenn in uns auch die dunklen Sterne Das Schwert von Strafen sehen, schändend



Friedenswonne Führt unser Weg, wie Ikarus, zur Sonne, Mit einem Mantel mit den Winden, mit dem Flammenborne.



Doch seltsam - sie berührend - fort Flieht unser Lauf: aus Sonnen wieder in die Nacht - Auf Parabolenpfaden in die ew’ge Unumkehrbarkeit… Und einen Geist der Frechheit führet eine blinde Fehde, Ins Purpurdunkel ewig dämmernder Dämmerzeit… Verschlossen sind des Orbits uns vertraute Pfade!



Die Diesseitigen Leonard Leo Graessli Die Diesseitigen suchen nach diesen Seiten wo man aus jenen Seiten das JENSEITS von DIESSEITS aus sehen kann Doch wo sind diese und jene ? Der Mensch hat im Diesseits unendliche Seiten Im jenseits zählt die Seele Seele ?



Was aber ist die Seele ? Ich kenne die Seele als übersinnliche gütige Kraft Wenn die Diesseitigen zugleich Jenseitig sind manche denken das- oder erhoffen - Gratis- Eintritt ? Oder Vorzugspreis ? Durch Vorleistungen ? Frömmigkeit ? Meine Vorstellung dass Menschen. die Mitmenschen Gutes tun - Vielleicht ? EWIGE Fragen



Die Grenzen sind fliessend


Staunend blickte ich empor

Zu dem großen Sternentor Zu fremden Welten beginnt der Weg Auf metallisch klirrenden Steg Auf! Wir wollen das All bereisen Wohin genau? Das wird sich weisen..


Udo Wagenbach





Du und ich Nadja Felscher Du und ich das halbierte Paar, das die Brücken zwischen Erden- und Himmels-Weh bewohnt. G e m e i n s a m fern dieser Welt, a l l e i n zurückgelassen im Spiel der Natur, aus dem das Sehnen in den Rausch des Zerrissen s e i n s führt.

Jenseits? Diesseits ? Natur ? Leonhard Leo Graessli Noch grau ...Und es ist früh Kaltes Gras - schwärzlich blau Unbelebt In Schleiern .. eingelagert der Sonnenschein Ärmlich .. Alles wie erstarrt Gebannte Geräusche Klamme Bewegungen - Herbstzeichen

und dahinter schon Winter Der Winter scheint des Lebens Tod- Säfte Samen sammeln Kräfte Im Frühling wieder erweckt




Lange ausgeblutet … Matthias Rude Lange ausgeblutet, ausgestopft, erstarrt zu Stein, verharrt euer Gebein hinter Glas – schweigend in den alten Gesten.


Eingestaubt und eures alten Schreckens längst beraubt, steht ihr zwecklos da: Zwischen leeren Altären. Um euch: Leise Trauerzüge, welche prozessieren und noch immer - heimlich – Messen zelebrieren und die Köpfe senken wie zum Totengedenken, wenn sie eure Namen nennen.


Voll Wut erhebe ich die Hände gegen euch, zerschlage die Wände aus Glas, die uns trennen; voll Blut lasse ich sie langsam sinken – Was blickt mich an? Bin ich es selbst? Seid ihr in mir und lebt dort fort? Hinter Glas gebannt, hatte ich nicht erkannt:


Man kann euch gar nicht aus sich verbannen, da eure Mythen unser ganzes Sein umspannen; erst dies macht mich ganz: Vor mir eure toten Körper, in mir: Euer Geistertanz.




Der Blick ins Jenseits Hans Dieter Heun



Es war einmal eine Dame aus Norddeutschland, die hatte mitten im Bayrischen Wald beim ersten Abendnebel einen furchtbaren Autounfall: kreischende Reifen, sich verwindendes Blech, splitternde Scheiben. Schwerst verletzt lag die Dame allein am Straßenrand.



Da, da öffnete sich der Dunst, und, Jesus ähnlich, ging ein echter Niederbayer gemessenen Schrittes auf die Dame zu und sprach mit gütiger Stimme: „Alles wird gut.“ Da, da gingen der Dame die Augen über, sie bekam Schnappatmung und betrat auf der Stelle das Jenseits. Da, da wurde wahrhaft alles gut. Denn immerhin hatten die Augen der Dame noch einen echten Niederbayer erblicken dürfen. Und solches ist nicht allen norddeutschen Damen bei ihrem Ableben vergönnt.




WEGE INS PARADIES 1-3 Ramsenthaler Rupprecht

I. Ich bin das Krokodil der Sünde, ein Scheusal der Abscheulichkeit. Ich fresse gerne kleine Kinder, auch zwischendurch ’ne Frau im Kleid. Wenn’s hoch kommt, sechs bis sieben Rinder –








So bleib ich kräftig und gescheit. Mit meinem Schwanz kann ich dich töten!

Drum rat ich dir: Bleib fern von mir! Geh ins Konzert, lausche den Flöten

und trinke hinterher ein Bier. Halte dich lieber an die Kröten, denn ich, ich muss dich töten! Du findest das wohl ziemlich fies? Doch nein! Du kommst dann gleich ins Paradies.









II Der Bus fährt heute pünktlich ab, er fährt direkt ins Grab, und dann sofort ins Fegefeuer, dort ist es nicht geheuer. Geht’s dann nach oben, (das wär’ zu loben) oder in die Höll’ hinab? Das hängt von deinem Leben ab.


III



Dicke Kazicke Kazinke,

wenn ich mich abends betrinke, dann trink’ ich einen Schnaps, zwei, drei, dann ist mir alles einerlei. Einerlei hallotrio, das mache ich jeden Abend so. Das ist sehr schön! Das ist nicht fies! So komm’ ich schneller in Paradies

WARTESCHLEIFE

Ingrid-Herta Drewing Nein Tod, ich mag nicht in die erste Reihe, obwohl ich sehe, vor mir wird es licht. So viele gingen, gehen jetzt; verzeihe, noch lockt das Leben hier mich in die Sicht. Schön wäre es, du wartest noch Jahrzehnte, bis du mich holen kommst, bringst aus dem Tritt!


Der Erde helles Leben, das ersehnte, es lockt noch immer mich und nimmt mich mit. So lass mich bitte hier die Zeit noch bleiben, erbeben in der Jahreszeiten Spur, um in Gedichten, Bildern zu beschreiben die schönen, kleinen Wunder der Natur! Ich weiß, anmaßend klingt sie, diese Bitte: Lass mich verweilen, zähl‘ nicht meine Schritte!







GRENZGÄNGER Petra Ruth Gröger Einst schien der Welten Raum unendlich fern und in dessen Fremdheit einzigartig leuchtende Sternkonstellationen boten eine sichere Orientierungshilfe beim Überqueren der Erde zu Land und Wasser

und stützten den Glauben an einer sich selbst offenbarenden Gottnatur Gewiss eine geistige Bereicherung in jenem Zeitalter wo sich einst am Himmel noch Götter und Menschen trafen in lebendigem Dialog vereint Gefräßiger als die Zeit der Mensch in seinem Denken auf der Suche nach Beständigkeit sich selbst zu überleben holt er das Jenseits ins Hier und Jetzt Beengt den Horizont mit edlen Idealen formt nach eigenem Ermessen die Welt der Tiere und Pflanzen

den Boden und das Gestein bewertet kostbares Wasser



nach kaufmännischem Kalkül Gerechtigkeit prangt nicht einfach so am sichtbaren Himmel noch in der bedingungslos verknüpften Natur das Geben und Nehmen mit diesem Ideal verschafft er sich einen Ausgleich nur und beruhigt sein eigenes Befremden über die ihm anhaftende Gewaltkultur




Seelenfänger oder... ...Der Tod und das Peter-Prinzip Ulli Karp, alias Cal Vados


Mit schweren, schlurfenden Schritten schleppte sich der alte Unbekannte durch den Sand. Es wehte ihm ein leichter heißer Wind ins Gesicht, und doch er hatte das Gefühl, dass dieser ihm die letzte Kraft raubte.


Er fror trotz der lauen Luft und die müden Knochen taten ihm weh. Er vermisste seine frühere Spannkraft, die ihm erlaubte, lange Strandspaziergänge zu machen, ihm erlaubte, jugendlich auf Andere zu wirken. Vorbei, offensichtlich, alt und verbraucht fühlte er sich. Er ging auf eine Landzunge hinaus, die schmal und leicht gebogen ins Meer hinaus führte. Die tiefrote, untergehende Sonne zog ihn magisch an, mit dem dumpfen Gefühl, das dies sein letzter Weg ist und er den Rückweg nicht mehr berücksichtigen durfte. Tief in seinem Innersten wusste er das, und umso bedeutungsschwerer

kam ihm dieser Gang vor. Je weiter er sich gebeugt fortbewegte, um so mehr schlief der Wind ein. Die Luft, wie auch das Meer lagen wie Blei und lasteten auf seinem Gemüt, einen sonst so üblichen Wellenschlag konnte er nicht mehr wahrnehmen. Schwere dunkle Wolken zogen am Horizont auf, ohne jedoch die Sonne auf ihrem Weg in den Untergang, der, wie es ihm schien, auch der seine war, zu stören. Irgendwann erreichte der Unbekannte die Landspitze und bliebt gebeugt stehen, den Blick auf den glühenden Horizont gerichtet. Irgendwann glaubte er einen kleinen Lichtpunkt aus der Schwärze der

Wolken auftauchen zu sehen. Doch, auf seine Augen konnte er sich noch verlassen und so nahm er mit der Zeit gewahr, dass sich offensichtlich ein Segelboot der Landspitze näherte. Vorn am Bug war eine gelbschimmernde Lampe angebracht. Bald schon konnte er erkennen, dass es sich um eine offene Jolle handelte, deren Skipper hinten an der Ruderpinne stand, unbeweglich und still, seinen Kurs haltend. Furchtbar und furchteinflößend zugleich sah das Boot aus. Das Segel zerrissen und verschlissen, so dass das Rot der Sonne durchschimmerte, der Mast geborsten, ebenso wie viele der schwarzen,




vermoderten Planken. Der Mann am Ruder, gehüllt in ein ebenso zerschlissenes Gewand wie das Segel, die Kapuze tief in die Stirn gezogen, ließ die Ruderpinne los und kam nach vorn zum Bug. Dort blieb er stehen, bis sich der Rumpf des Bootes knirschend auf den Sand schob. Dann stieg er ruhig über die marode Reling und kam auf den Unbekannten zu.

Bild: Elke Lange

„Bist du der Poet, der mich hier erwartet, damit ich ihn zu seinen Ahnen bringe?“ Eine dumpfe Stimme kam unter der Kapuze kaum verständlich hervor.


„Na, als Poet würde ich mich nun nicht gerade bezeichnen. Klar, ich schreibe gern, aber ein Poem traue ich mir nicht zu. Da fehlt mir doch so Einiges. Eher ein kleiner Schreiberling.“ „Was, mir wurde gesagt, ich solle hier einen Dichter abholen, einer der sich auf die Kunst versteht, mit Worten Bilder voller Seelenpein, Liebesleid, Tod und Schmerz in den düstersten Farben zu gestalten!! Warum habe ich denn diese ganze Atmosphäre geschaffen. Dieses gelungene Bühnebild? Doch nur um dir entgegen zu kommen in deiner Gedankenwelt. Ich wollte dich beeindrucken, wohlfühlen solltest du dich, du

Mensch, du geringer als eine Amöbe Seiender!“ „Gehe ich recht in der Annahme, dass du der Tod bist?“ „Oh ja, entschuldige, ich vergaß mich vorzustellen: Gevatter Tod, Freunde nennen mich Pavel. Aber, bist du nun der, den ich abholen soll oder nicht? Wie heißt du denn überhaupt?“ „ Ach für viele bin ich der Unbekannte, für andere Wenige bin ich Cal Vados. Nein, ich behaupte nicht, der Dichter zu sein. Ich bin lediglich ein Schreiberling. Ein richtiger Poet wäre ein Kunstmaler, sollte es zumindest sein, ich bin da eher ein Anstreicher.“ „Kruzdietürken,“ Pavel, der Tod,

schien sauer zu sein, „was erlauben die Idioten sich denn da in der Zentrale für einen Scheiß mit mir. Ich hatte erst letzte Woche so einen Ärger mit so einem armen Schlucker. Statt der gewünschten 40 willigen Jungfrauen waren’s nur 39, und ausgerechnet die Jungfrau Maria, war beschädigt, wenn du weißt, was ich meine. Hatte angeblich früher mal was mit dem Heiligen Geist! Mann, hat der Kerl sich aufgeregt... und die Ambrosia wollte er dann auch nicht, er wollte sein Warsteiner, man, man, man... Was soll ich jetzt machen? Dich mitnehmen und wieder Ärger kriegen?“


„Von mir aus, muss des jetzt nicht sein“, flüsterte der Unbekannte. „Ach, was soll’s, Schreiberling, depperter, ich fahre zurück in die Zentrale und frage noch mal nach und du wartest hier... bis morgen um die gleiche Zeit, okay? Dein Einverständnis vorausgesetzt?“ „ Ich überleg’s mir!“ Cal spürte plötzlich seine alte Spannkraft wieder zurück in den Körper fließen. „Komm, hilf mir mal, den alten Kahn wieder ins Wasser zu schieben. Ich allein breche mir immer alle morschen Rippen dabei. Der Tod, überwand die Reling und der Unbekannte schob kräftig das Boot wieder soweit ins Wasser,





bis es aufschwamm. Er winkte dem Tod noch einmal zu, dieser zögerlich zurück: „Bis morgen... sollte ich nicht kommen, dann war ich heute in der falschen Bucht, dann hast du Spezi Glück gehabt! Ciao, bello, pfürti!!“ Der Unbekannte drehte sich um und ich erwachte in meinem Bett. Es war ein strahlend heller, sonniger Morgen, der sich da ankündigte.


Das Glaskartenspiel (Jenseits - Skizze)

Manfred Keitel


an Welt hinzugewonnen im ewigem Schlaf!

jenseits vom Jenseits ein Diesseits diesseits vom Diesseits - hier bist du der jäh uns den Herbst zu keinen Winter küsste acht Jahre hab ich nun auf das Zwielicht gelegt, auf dass sie für uns zusammen brennen Nichts schwindet was schon längst war

Ich glaub keinem, der mir sagt du bist tot Ich seh’ dich, als Sonne hinaufsteigen



weit in die Nacht hinein schwimmen Auftauchen aus den Meeren der Träume und doch, noch immer hältst du das Licht und doch, jede Wolke trägt schon dein Gesicht wieder wurde es Frühling kam ein Sommer der Herbst mit den Erinnerungen ein ankommendes Hinfortgehen hin bis zum letzten aller Fröste wir treffen uns auf der Schwelle dort, werden wir erneuert zu Licht dort, wo kein Ort mein Jeder ist Schaum sind wir und doch - nicht






ODER GLEICH HIER? Rainer Doering


Warum denn nicht? Ich glaube gern an Wunder, an Märchen, Feen, Trolle, Engelshaar, an Zauber, Kunst und Kitsch und alten Plunder, der mir im Leben von Bedeutung war.




Ich sitze gern mit Oma auf der Wolke, bin mit Vergnügen wieder kleines Kind; sie meckert, wenn ich in der Nase polke, und sich mein Wind vermischt astralem Wind, den solche Wunder nun mal mit sich bringen, es wiegt die Seele einundzwanzig Gramm – zwar wollte spät're Wägung nicht gelingen, doch bleibt es bei dem Glauben wundersam:





Im Jenseits sehen wir uns alle wieder, nach Wanderung,

nach Fluss, nach Fegefeuer –


im Himmel, wessen Seelen brav und bieder, im Höllentopf die Sänger böser Lieder, die ohne jeden Gott nach Güte streben, Vernunft, Gerechtigkeit und nach profunder Erkenntnis, die es durchaus gibt im Eben, sonst würden wir noch auf den Bäumen leben –






Doch, wie gesagt, ich glaube gern an Wunder ... Zum Beispiel, dass den Dichtern aller Zeiten dies Lied gefällt, bezettwè frei heraus sie mir erzählen ohne dummes Streiten, wie’s besser geht mit uns vorm Schlussapplaus?




Mysterien und Göttlichkeit



DER FÄHRMANN UND DIE ARMEN SEELEN Ingrid Herta Drewing Der träge Fluss im Nebelhauch, nur trübes Licht, Novembermorgen, doch überm Fährhausdach der Rauch zeigt an, ein Mensch lebt hier geborgen. Tagaus, tagein scheut er nicht Mühe und bringt die Wandrer übern Fluss; ob abends spät, ob in der Frühe ist ’s für ihn ein gewohntes Muss.


Doch heut’ beschleicht ihn banges Ahnen, er träumte nachts, es hieße Tod ihn Charon, und mit ernstem Mahnen brächt’ er die Toten in sein Boot. Ihn graust ’s, als er zur Fähre schreitet. Man rief nach ihm, doch keiner da! Ein kaltes Schaudern ihn begleitet, als er bemerkt den Schatten nah’. Der Fährmann zögert, fühlt Gefahr, ruft rüber:" Jetzt fehlt mir die Sicht, ein wenig später, wenn es klar, werd’ ich erfüllen meine Pflicht." „ Hol über, Fährmann, will ’s dir lohnen mit Gold; so scheu das Rudern nicht;



musst heut’ dein Boot nicht ängstlich schonen, der Nebel ist nicht gar zu dicht!“ Da überwindet sich der Mann, setzt übern Fluss, und es steigt ein ein Herr, sehr vornehm, sagt sodann: „ Nimm diesen Batzen, er sei dein!“ Er nimmt den Lohn und lenkt das Boot, erleichtert; doch in Flusses Mitten senkt sich der Kahn, gerät in Not, als sei viel Volk hinein geglitten. Und er hört nun, erschrocken staunend, „ Erlöse uns von unsrer Schuld!“ Ein Wimmern, Arme Seelen raunend: „ Rett’ uns ans Ufer, üb’ Geduld!“



Dem Fährmann sträubt sich fast das Haar, doch zieht er fest die Riemen an; der Fremde, scheint’s ihm, lächelt gar! Nun rudert er, so schnell er kann. Dann endlich ist der Steg in Sicht, und sicher legt dort an der Kahn, der plötzlich strahlt in hellem Licht, als breche Sonne sich die Bahn. Und vieler Stimmen Dankesworte vernimmt der Fährmann, schaut sich um: Es ist kein Passagier vor Orte; er denkt an Wahnsinn, fühlt sich dumm. Doch das, was ihm der Herr gezollt, das will ihn dennoch überraschen:






Er findet jenen Batzen Gold ganz tief in seinen Hosentaschen. Nur dann zu Haus sein Spiegelbild blickt fremd ihn an: ein alter Mann. Das schwere Werk, das er erfüllt’, hat ihn gezeichnet also dann.






Beim Styx

Rainer Doering



Vorm Jenseits gibt es einen breiten und tiefen, dunklen Strom, den Styx. Dort nach dem Hades hinzugleiten, ist Ding des letzten Augenblicks. Ein Fährmann, Charon heißt der Junge, bringt dich am Ende übern Fluss. Drum legt man unter deine Zunge zum Zahlen einen Obolus. Ich hoff, oh Freunde und Verwandte, ihr kennt den Brauch und denkt daran, weil ich sonst von der Uferkante ins Totenreich nicht kommen kann.




Verstaut die Münze, glatt und golden,

(fünf Euro dürften reichlich sein) in meinem Mund, um zu besolden das ewig arme Griechenschwein. Ich fahr mit ihm zu Satans Wohnung, schenk Oma einen Grabesstrauß – sie reißt mir dafür zur Belohnung des Teufels goldne Haare aus. Womit ich heim ins Leben krieche, weil mich die Königstochter liebt (ich glaub ihr Name war Marieche) – muss nur drauf achten, dass der Grieche, weil ja sonst ich als Fährmann sieche ... mir nicht die Stange übergibt!



Der unbekannte Gott

Alexander Abs


Im Anfang gab es einst das Nichts und nur das Nichts. Lang hätte es so bleiben können, ganz gewiss! Doch eines Tages hat es sich gespiegelt in sich selbst.



Und nun entstand ein Gott aus diesem Nichts! Doch war er in sich selbst nicht eins. Denn beides gab´s in ihm: Die Helligkeit und auch die Dunkelheit! Ein dunkler Grund war ganz von Anfang an in ihm. Kann man von Schmerzensspur auch reden wohl? Doch das ist längst nicht alles, was man sagen muss. Ein kluger Mann hat schon vor langer Zeit bemerkt: Dass er der Gott, hat er zuerst gar nicht gewusst!



Ja, dass er´s sei, war ihm recht lang´nicht klar. In ihm war durchaus Dunkelheit- drum sagte einst ein and´rer Philosoph: Dass man ohn´ Weiteres von einem Abgrund sprechen müßt´! Das alles ist nur wenigen bekannt.- Und irgendwann entließ er denn die Welt aus sich! Und Weiß und Schwarz zeigt sich nun überall in der Natur. Nach ein´ger Zeit kam denn das Leben auch. Am Anfang war es höchlich primitiv. Gab´s hier denn keine Spur von Gott?



O doch, auch im Gestein, das keine Spur von Leben trug! Wars von Bewusstsein kläglich frei, so kannt´ es schon den Drang zurück. Die ersten Lebensformen wuchsen nun aus der Natur. Reproduktion war bald der erste Lebenszug! Mit ihrer Hilfe ging es weg vom Totkristall! Was sonst dem Leben zugehört, kam ganz allmählich nur. Sich zu ernährn´und zu bewegen auch: All dies und mehr kam nach und nach dazu. Und immer komplizierter wurden Leben


und die Formen nun. Doch Hass und Liebe und Verstand und alles, was dazu gehört: Das alles war recht lang als Schatten nur zur Hand! Doch irgendwann zeigt´sich der Geist dann doch. Denn eines Tages kam der Mensch. Wie war er ausgestattet mit Verstand! So sehnte er sich bald zurück zu Gott. Doch waren die zwei Seiten auch in ihm! Das war nun seinem Wirken anzuseh’n. Letztendlich ist der Mensch ja wie sein Gott: Auch dieser ringt mit sich, o ganz gewiss!


Derselbe Zwiespalt ist in beiden da. Ja, Hell und Dunkel, Stark und Schwach: Wir wissen, dass der Mensch es muss zusammenführ´n. Und ganz dasselbe gilt für Gott! Sein Kampf mit sich währt wohl äonenlang. Und eines Tages ist denn beides doch vereint. An fernem Punkt in Ewigkeit ist das erreicht! Gott ist dann erstmals mit sich selbst versöhnt. Es ist dies das, was er ja tun muss, und nur das!



In ferner, ferner Ewigkeit sind Hell und

Dunkel eins. An diesem Punkt ergießt sich Gott denn in die Welt! Der Gegensatz ist nicht mehr Gegensatz. Was außen war, ist innen nun! Dasselbe gilt auch vice versa. Sie beide, Gott und Welt, sind eins nun, eins. Der Weltlauf dient von Anfang an nur diesem einen Ziel! Und ist es denn erreicht, so ändert sich nichts mehr. Von diesem Punkt gibt´s nur Glückseligkeit. Und niemals kommt zurück, was dereinst dunkel war.










WMM




Himmel Kruzitürken ! - oder Gewimmel im Himmel Walli M.Madicken Nein ! Ich will nicht in den Himmel auffahren. Will nicht irgendwo, bei wem auch immer, an der Seite sitzen, wenn mich diese mies gelaunten Cherub, Seraphino, Uriel und Gabriel oder wie sie alle heißen, überhaupt reinlassen. Die werden sich bedanken, wenn ich da über die Wolken gestolpert bei ihnen hereinfalle. Was soll ich da?


Fehl am Platze. So wie ich immer irgendwo unpassend und fehl war. Unpassend angezogen, unpassend gelacht, Für die Punks zu bodenständig und für die Gesellschaft zu aufmüpfig. Den ganzen Tag nur verklärt gucken und brav sein. Dazwischen den Heiligenschein putzen, wieder lobpreisen, Arme Poeten beaufsichtigen und wahrscheinlich auch noch wegen dem, neben dem ich zu sitzen habe, jedes Wort auf die Goldwaage legen. . Und bestimmt nix Gescheites zu essen. Weil das ist ja nicht mehr kompatibel mit dem Astralleib und so... Dabei immer das Einsinken in die Kumuluswolken. Und mir graust, wen

ich da alles wiedersehen müsst. Fängt die ganze Chose mit denen wieder von Vorne an, nur dass sie jetzt ein weißes durchscheinendes Gewand anhaben, und recht abgemagert ausschauen. Bei vielen war ich froh, dass die im Jenseits waren und ich im Diesseits Noch nicht mal meine Mutter möcht' ich da sehen, dann kommt bestimmt wieder ihr großes Lamento, wie gut sie es hätte haben können, wenn sie nur gewollt hätte Und wie sie gestraft wäre mit mir, und ein Seufzer, was die anderen dumm Verklärten da jetzt von mir denken würden, und wie sie denn jetzt da

stände, mit all dem.




Viel lieber würde ich mir meinen Hund nehmen, der mir da oben schon freudig aufgeregt entgegen gesprungen kommt, und seine Arthrose ist auch weg, der da oben auf mich gewartet hat, so wie er immer überall mit grenzenloser Geduld auf mich wartete, im Auto, vor dem Laden, in der Wohnung. Ja und ich würde sagen: Komm, auf gehts! Und er prescht tollend voraus, dass das Gewölk nur so fetzt, darauf würde ich mich da oben verabschieden. Macht’s gut ihr Himmelsvolk, denn ich möchte lieber mein Jenseits unter Wotans ewigem Weltenbaum verbringen in Valhalla mit

stolzen Walküren und allen Edlen des Grals und allen Halblingen und Ganzlingen mit klaren schönen Gesichtern und mit mutige Recken.



Und mich würden sie aufnehmen und da werde ich mit denen mit meinem Wauzi um den riesigen Steintisch sitzen und zechen und erzählen, und singen und essen und prassen und lachen und wir würden uns alte Geschichten erzählen von Schand- und Heldentaten bis Thor uns wütend seinen Hammer auf den Tisch schleudert wegen Ruhestörung. Und Loki lacht den übereifrigen Bruder höhnisch aus, aber dann gesellen sich beide zu uns.



Und auf der Erde rufen sie sich gegenseitig zu: "Auweh, dieses Grollen, da kommt ein Wetter, schnell das Heu rein!" Aber das sind wir unter der Weltenesche, aus der wir gekommen sind und die aus dem Urchaos erwachsen ist, zu der wir wieder

zurückkommen in den ewigen Kreislauf des Lebens. Und Hel würde mit ihrem halbschwarzen Gesicht schön blöd gucken, weil ich nicht über die goldene Brücke, wie es für normale Tote vorgesehen ist, zu den armen Seelen gestoßen bin, sondern lieber oben mit den andern sitze, --- und da kriegt sie mich nicht weg. Da kann sie mit ihren drei Nornen drohen, wie sie will.




NICHTS ALS DIE WAHRHEIT Rainer Doering


Es sah ein Mensch auf Erden weiße Meisen. Doch hatte er sein Handy nicht zur Hand und konnte so die Sichtung nicht beweisen, weshalb es schlecht um das Vertrauen stand, das ihm die andern nicht entgegenbrachten;


er schrie sie an, dass es die Wahrheit wär, worauf sie sich ein wenig mit ihm krachten –







Und als er wieder lebte, sagte er: „Im Jenseits gibt es strahlend weiße Engel, die flogen, als ich scheintot, um mein Haupt“ – Da ward er zum verehrten Gurubengel, dem man den letzten Vogelschiss geglaubt, ob weiß, ob schwarz, ob blau, ob gelb, ob rot,

man krönte ihn mit einem Heil’genschein




als den Erlöser, als die Weltenwende zu Freiheit, Recht, Vergängnis aller Not ...



Man schwor auf seine Worte Stein und Bein wie auf die Existenz des Jenseits – Ende.








Einhorn (oder Besuch aus dem Jenseits) Wolfgang Look Unnahbar Wesen, Du, von ferner Ewigkeit, Dein weißer Rumpf glitzt in der Mondesnacht, Und wie ein Spiegel von der Mythenzeit Dein Erdenritt mit Flügelfüßen sacht, Bezaubert Himmelsseelen, die verloren, In Einsamkeit vom Gotte sind erkoren,



Die Jenseitsweihe glühend zu erhalten. Hier auf Erden wird man oftmals halten Für sonderbar sie und verschroben, Doch tief im Herzen sie voll tiefer Liebe loben, Den Schöpfer, aus des´ Geist die Welt geboren, Der uns gesandt hat dich, du Bild der Reinheit, Du Jungfrau, Abbild jener Welt Du Märchenengel schön und scheu, oh Einhorn!



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Der Schritt hinein ....

In Angst Nadja Felscher Da hämmernde Angst auf Auslöschung zielt: Schwarzes Brodeln im Sternenlos rumorender Sphäre. Der winzigste Teil im Rasenden verzweifelt ob der Nichtigkeit des Kleinsten. Vergänglichkeit stoppt allein ein Auserwählter, der die Zeiger der Zeit

in den Händen hält. Furcht. Vor mir selbst.





Blick ins Jenseits

Gödehard von der Rolle Mich fasziniert die fremde Welt, ich wollt schon immer mal dorthin, wo einzig gilt das Geld, in dieses Jammertal.




Drum geht mein Blick so sehnsuchtsvoll zur Drehtür hin geschwind, zugleich erfasst mich schwer ein Moll. Bin traurig. Menschenskind. Im Diesseits hier gilt Harmonie, im Jenseits herrschen Hass und Gier. Hier Wahn man schätzt, sprich das Genie. Drum bleibt die Drehtür zu, ich hier.









Das Lied des Sterbenden Enrico Schmidt Muss jetzt leben in dem Brunnen in den ich fiel, in meiner Jugendzeit; fühle wie sie sich drohend manifestiert die Krankheit in meinem Leib. Sie lebt nicht nur in mir. Nein auch in dir! Lass uns vergessen all das hier!



Nie mehr will ich mich essen an dieser Lebenstafel satt, denn satt hab ich das Leben, diese Krankheit die tödlich endet, diesen endlosen Kampf gegen die gnadenlose Zeit. Was weiß ein Geier von totem Aas? Was weiß die Ewigkeit von meinem Leid?


Ach Mutter, für mich haben alle trügerischen Neonlichter verloren ihren wundersamen Glanz!

Thesen an Alle Türen Leonhard Leo Graessli DIESSEITS ist -. . . wo Fragen Antworten neue Fragen sind - . . . ist bereits Jenseits von Gut und Böse . . . JENSEITS wo weder Fragen noch Antworten S I N D ,. . . das Jenseits spricht nicht

wenn ja -bin ich dort

Traumwelt Anne Fitsch

Ich schwebte über Wasser hin in trübem Spiegel Schaume, doch Tränentropfen nährten wund erloschenen Lebens Zaume. Ich schwamm durch Lüfte saumbeseelt, empfing dein Liebgeraune. Umragt von Laubesdienern - bin ich frei in Samtes Daune. Odemstod - die Welt verstummt, Posaunen sind verklungen. Diesen Ort ich hab berührt, durch dich im Traum besungen.


Nachts auf Reisen Rainer Doering

Es schlägt die Uhr zwölf mal – im Zimmer Nummer Null Fünf erscheint der Geist der weißen Frau, irrt um mein Bett und sucht und stöhnt vor Kummer – ich kenn die Sage, und ich denke: „Wow, wenn ich jetzt könnte, würde ich ihr helfen,


nur ist die Wiege lang schon weggeräumt, und auch ihr Kindchen wohnt schon bei den Elfen und Seelen, wie auch längst im Jenseits träumt der Ritter von Trossin, ihr guter Gatte, in himmlisch höchstem Glück mit ihr vermählt, bis sie von ihm die Frucht der Liebe hatte – doch waren ihre Tage dann gezählt ... Ich will ihr Trost... Da schlägt die erste Stunde,




vom Glockenturm, es flieht

der weiße Schein

der armen ruhlos Mutter Hildegunde; „warum nur schlug der Herr ihr diese Wunde?“ geht’s mir noch durch den Sinn, dann schlaf ich ein. Auf meiner Reise durch das schöne Sachsen im Herbst, im Jahr zweitausendzehnundacht ereignet – Und wer denkt, das wären Faxen, dem fehlt es wohl an Übersinn zur Nacht?










tierische nachrufe







Fridolin im Himmel

Ronald Joachim

Bei einem Unfall auf der Gasse Starb Fridolin, der blasse. Doch kaum, dass er gestorben war, Saß er an einer coolen Bar Bei hübschen Damen, rotem Licht – „So übel ist der Himmel nicht!“ Sprach Fridolin, war hochzufrieden, Dass solches Heil ihm ward beschieden. Doch eine Tür lag halbverdeckt Und als die Nas‘ er reingesteckt, Da war der Schrecken riesengroß: Es stank nach Schwefel dubios,


An Spießen zuckten rohe Leiber, Auf Scheiterhaufen brannten Weiber Und Fridolin rief leichenblass: „Herjemine! Was ist denn das?“ Darauf der Wirt der coolen Bar: „Mann, Fridolin! Ist das nicht klar? Wärst sitzen Du geblieben. Sieh! Auf der Türe steht‘s geschrieben: ‘Abteil bigotter Christen. Nur Heuchler und Papisten.‘ Da musst du gar nicht weiter fragen, Die wollen es genauso haben!“






Mein geliebter Sohn Sune

Daniel Asplund

..ich vermisse dich so - an jedem Tag, der einmal hell und dann wieder dunkel ist, ist das Werk der Trauer noch nie fertig.Krebs, dieser verdammte Krebs, hat dich von mir weg genommen. Aber du hattest sieben gute Jahre ohne die vielen schrecklichen, zehrenden Zellen, die dich von innen essen wollten. Die Hölle mag nach mir brennen, aber ich werde dich in Nangijala treffen, wenn das das Letzte ist, was ich in diesem Leben tue, wie in der nächsten und in aller Ewigkeit.

Ruh dich in Frieden aus,

Sune. Papa




Engelswesen

Walli Mio Madicken


Engels Wesen, wo magst du jetzt sein ? Jettest du durch den Orbit als fluffiger Ariel, als Genius, der übermütig herumtollt in Sternenstaub der mal hier mal da als Irrwisch Schabernack treibt ?




Winzige hauchdünne Flügel hast du,.. so schillernd, wie die eines frisch geschlüpften Falters, und dazu eine bezaubernde schimmernde Aureole, dem körperlichen Leid entronnen - runderneuert. So hübsch warst du schon immer, so auch jetzt, die Atmosphäre durchstöbernd neugierig und voller Tatendrang, wie damals als du noch jung gewesen - zu allem bereit








Schwarzer Kobold, zwischen aufstiebendem Gewölk mit deinen Freunden durch die Galaxien sausend. Komme auch manchmal zu mir, und ich denke es ist eine Fliege auf meiner Wange, aber dann weiß ich, das kannst nur du sein und eine kleine Träne zwischen meinem Lachen kann ich nicht zurückhalten.








W.M.M.

Ganz schön irdisch unterirdisch



Das (jenseitige) Universum Richard Urban Das Universum ist wie ein Blumengarten, Da darf eines nicht fehlen, ein Komposthaufen. Da werden all die toten Wesen gesammelt, Und langsam aber sicher, werden sie vergammeln.



So wird jedes Bewusstsein in kleinste Teilchen zerlegt, Für keine Erinnerung wird es zu spät. Jede Besinnung, Und jede noch so banale Erkenntnis, Finden irgendwann eine neue Bestimmung.






Alle, die beseelt ( Ulli Karp )

vom Besitz ihrer Seele sind...,

weit gefehlt, Frau, Mann und Kind: Ihr habt sie nur geliehen! Denn wenn ihr sterbt, wird sie euch fliehen, wird somit nicht vererbt wie Vermögen und Gestalt! Sie ist und bleibt die Energie, die nur zeitlich in euch wallt,

wie lang, entscheidet sie. Sie geht leise, dahin, woher sie einst gekommen war, erschöpft von langer Lebensreise, zu ihresgleichen, und dort recycelbar!





Ode an das Jenseits

Wolfgang Look


Das Erdenleben ist ein Schatten von dem Sein, Das hoch in Himmel sprudelt wie ein goldner Wein, Aus dem die Welt erquillt, wo Götter wohnen, Wo Engel ewig loben und die Schöpfermächte thronen.




In dieser Zeit wir mühen, trauern, weinen… Doch dort glänzt Schönheit, Farbenspiel, der Sphärenklang! Sterblich wir - durch Schwäche, Sünde von den Hainen Des Parnass wüst verjagt und neigen oft mit finstrem Hang Zum Bösen in der Erdenwelt und sehnen uns nach Licht, Unendlichkeit, nach Fülle, Sinn, nach ewigem Gericht!






Die Tränen dieses Leben werden dort zu Blumen Und gut es herrscht der Götter mächtig- weises Numen. Oh Jenseits, dich, ich liebe in dem Erdental verweilend Zu dir streb ich, zu dir, in deinen Schatten süß mich heilend.








Vom Leben nach dem Tod Ronald Joachim Im Kerker hat bei trock’nem Brot Der Mörder viele Fragen: „Ja, gibt’s ein Leben nach dem Tod Und wer kann mir das sagen?“ Da kommt ein Priester in die Zelle, Zu sprechen noch ein Trostgebet. „Du Schelm kommst leider in die Hölle, Für dich ist’s allemal zu spät.“





„Herr Priester sagt, was soll das heißen? Wie säh‘ es denn im Himmel aus?

Man sagt, sie würden Manna speisen, Die Höll‘ dagegen sei ein Graus.“ „Im Himmel gibt es lange Tafeln Und auf dem Thron, da sitzt der Herr“


„O Mann, hör‘ auf mit deinem Schwafeln, Ich mag nicht hör’n dein fromm‘ Geplärr!


Mir reicht ein Weib, dazu ein Bier, Zur Not tut‘s auch ‘ne Nutte. Die frommen Sprüche schiebe dir Von hinten in die Kutte, Dahin, wo nie die Sonne scheint, Man’s weder gut noch böse meint. Gibt‘s schon kein Leben ‘vor‘ dem Tod, Worauf sollt‘ ich mich freuen? Wüsst‘ ich, du Pfaff‘ wärst kein Idiot, Tät mich das Sterben reuen!“



Blicke ins Jenseits

Hans-Dieter Heun

Der unwichtige Mann stieg durch einen hellen Tunnel. Hinauf. Okay, am Ende eines Lebens gibt es immer einen Tunnel. Oder nur die Möglichkeit eines Tunnels? Oder nur den Traum von einem Tunnel? Jedenfalls stieg er – oder schwebte er, wurde magisch hochgehoben? –, bis der Unwichtige sich urplötzlich in einer riesigen Kugel mit unzählig vielen verschlossenen Türen und wenigen, unterschiedlich beleuchteten Fenstern ohne Gardinen befand. Es ärgerte ihn, dass die Fenster keine Gardinen hatten,

denn Gardinen kann man vor hängen, zu ziehen. Mit Gardinen kann man verhüllen, verbergen: ein Fenster, ein Zimmer und auch ein Geschehen. Gardinen schützen vor Einsicht. Fenster ohne Gardinen nicht. Unterschiedlich beleuchtete Fenster ohne Gardinen erlauben jedoch unterschiedlich beleuchtete Einsichten. Dennoch, eine solch riesige Kugel mit unzähligen, aber verschlossenen Türen und diesen preisgebenden Fenstern hatte er noch nie gesehen, im Leben wie im Traum. Der unnütze Mann dachte bei sich: Von einer solch riesigen Kugel mit so vielen Türen und so wenigen, verschieden beleuchteten Fenstern

habe ich noch nie geträumt. „Falsch, du träumst nicht. Du bist tot! Das ist leider so.“ „Wer spricht? Gott, bist du das?“ „Schwierig zu beantworten. Ich würde sagen, nicht ganz tot. Ein Teil lebt, etwa einundzwanzig Gramm. Nein, ich bin es, deine innere Stimme. Wenn du – oder was von dir noch übrig geblieben ist – dich noch an mich erinnerst. Also, du hast in deinem letzten Leben für viele Menschen gekocht und somit ein wahrhaft gutes Werk getan. Folglich darfst du dich auch als erlöst betrachten. Das bedeutet, du hast nun fast alles Körperliche zurückgelassen und bist für eine neue Ewigkeit von allem Ballast

befreit. Und ich ebenfalls, dem Himmel sei dafür erneut mein tief empfundener Dank! Lange genug war ich wieder in dir eingesperrt, und lange genug hast du wieder nicht auf mich gehört. Ich sage dir was, von dieser Stunde an wirst du mich nicht mehr übergehen können, wirst du dein weiteres Vorgehen mit mir abstimmen müssen.“ Der Unnütze war verwirrt. Wohin hatte es ihn verschlagen? „Bin ich … Ist diese Kugel nicht der Himmel, die jenseitige, den männlichen Sinnen unzugängliche Welt des lieben Gottes und der Gemeinschaft aller katholischen Seligen?“


„Quatsch. Du weilst höchstens in dem so genannten blauen Himmel, einem scheinbaren Gewölbe über den Männern, das in Wahrheit jedoch eine Kugel ist, die durch einen Horizont in eine obere sichtbare und eine untere unsichtbare zerlegt wird.“ „Was ist los? Träum ich oder spinn ich? Ich sehe doch die ganze Kugel.“ „Wach endlich auf, du bist tot! Das hier ist der Raum, der einzige, unendliche Raum! Und deine Zukunft.“ „Und wo steckt meine Vergangenheit, ist meine Gegenwart?“ „Gegenwart gibt es nicht. Und deine Vergangenheit liegt hinter diesen Fenstern. Die sind jedoch schalldicht.

Also, selbst wenn du besserwisserisch noch etwas ändern willst oder sogar schreien aus verständlichem Ärger, es würde nichts nützen. Die Körper, die mit dir deine Vergangenheit spielen, können dich absolut nicht verstehen.“ „Darf ich trotzdem einmal durch diese Fenster sehen?“ „Später, erst musst du Rechenschaft ablegen.“ „Beichte!“ Das Stimmchen wurde gebieterisch. „Habe nichts zu beichten.“ Der unbedeutende Mann war patzig. „Sei nicht so bockig. Jeder Mann ist von Natur aus sündig, dafür wurde gesorgt.


Also beichte.“ „Na gut, meinetwegen, ich habe Vater und Mutter geschlagen!“ Ein Lichtjahr Pause. „Was ist, wächst mir jetzt die rechte Hand aus dem Grab?“ Die Stimme schwankte: „Mag sein, deine Eltern hatten es verdient. Die schwache Möglichkeit besteht, schwache Möglichkeiten existieren immer. Augenblick, ich schau mal nach … Wo ist denn nur wieder dieses verdammte Buch?“ Wenn eine innere Stimme in einem Buch zu blättern vermag, dann blätterte sie nun in einem sehr dicken Buch. „Ja richtig, hier steht es, sie haben es verdient. Weiter, was sonst noch?“ Etwa Schamröte auf dem Gesicht des

Unwichtigen? Nicht genau zu bestimmen, aber beinahe hätte er – oder was von ihm noch übrig war – geschluchzt, bittere Tränen der Reue geweint. „Ich habe dringend Geld gebraucht für Sex, Drogen und Rock´n´Roll. Du verstehst schon, ich war abhängig und da habe ich mein angetrautes Weib auf den Strich geschickt.“ „Ehrliche Frauenarbeit schändet nicht, vor allem, wenn sie einem guten Zweck dient. Also weiter.“ Stimmchen war schwer in Ordnung, wahrhaft einsichtig. „Ich betrog mein Weib mit einer Unzahl von anderen Weibern … Mir war halt danach.“ „Nun, ein Mann braucht, was er braucht.

Kann die eigene Blume keinen Honig liefern, muss er eben seinen Stachel in fremde Blüten stecken.“ Der unbedeutende Mann – oder das, was von ihm noch übrig war – hegte den Verdacht, dass diese innere Stimme ein ziemlicher Macho sein könnte. Und dieser Verdacht wurde von seiner Inneren auch prompt bestätigt: „Frauen sind ebenfalls Möglichkeiten, unterschiedliche Wannen sexueller Erfüllung, in denen die kreativen Wünsche eines wahren Mannes allemal baden dürfen.“ Das war hart. Auf den Ort bezogen, der ihn umschwebte, schon mehr als verwunderlich. „Und das soll eine

Wahrheit des Himmels sein?“ „Des Raumes, einzig und allein eine Meinung des unendlichen Raumes. Du weißt doch, es gibt keine Wahrheit, sondern stets nur eine Meinung. Du magst alles transponsiv oder auch interprekativ betrachten und danach auszuwerten versuchen, letztendlich kommst du stes nur zu einer Meinung. Schau dir hier die unzähligen Türen an, alle verbergen Spielarten von drei dir verbleibenden Möglichkeiten in diesem besonderen Raum. Glaubst du da tatsächlich, dass es bei dem gewaltigen Angebot nur eine Wahrheit gibt?“ Der unerhebliche Mann – oder was von ihm noch übrig war – zweifelte.

Spielarten seiner drei Möglichkeiten? „Wenn das so ist, was …“ Stimmchen unterbrach auf der Stelle: „So ist das keineswegs! Selbst das war eine Meinung. Du solltest schon selbst herausfinden, welche der wahren Meinungen zu dir passen.“ Der Bedeutungslose wurde langsam sauer: „Moment einmal, ab jetzt reden wir bitte Tacheles …“ „Das ist mein wahrer Name.“ „Wirklich? In voller Wahrheit? Das ist ja geil, die Stimme in mir mit jüdischer Offenheit? Macht aber nichts, ich hegte längst den Verdacht, ein entfernter Abkömmling des gelobten Volkes zu sein. Also Tacheles, meiner Meinung

nach habe ich nun nichts mehr zu beichten, für gar nichts mehr Rechenschaft abzulegen. Darf ich jetzt bitte zu meinen Fenstern?“ „Du meinst, deiner Meinung nach? Doch meine Meinung ist, und die, nebenbei gemeint, gilt, steht auch in dem großen Buch, aus dem Er, Gott, Sich gleichfalls Seine Meinung bildet, dass sehr wohl noch etwas zu besprechen wäre. Du hast getötet!“ „Um Himmels Willen, habe ich nicht!“ Der Unwichtige war baff. „Hast du doch! Nur um zu fressen und Fressen zu kochen, hast du jede Menge tierisches und pflanzliches Leben vernichtet. Allein bis vorgestern hattest

du bereits neuntausendsiebenundzwanzig Pfund Fisch und Fleisch verzehrt, die vielen Wachteln, Tauben und Enten, die du dein Leben lang so gerne geschmatzt, gar nicht erst mitgezählt. Und dann noch der Salat, das ganze Gemüse, Berge von Obst und die vielen Kräuter. Alles Leben, von dir zerkaut, danach tot und stinkend in deinem Gedärm.“ „Und was war gestern?“ Der Belanglose vermochte sich nicht mehr zu erinnern. „Da gab es Pfannkuchen.“ „Ach ja richtig und fast schon vergessen, obwohl sie mich dermaßen gebläht. Aber gestatte mir doch die Frage, wovon hätte ich mich deiner maßgeblichen Meinung nach stattdessen ernähren sollen?

Wachsen, gedeihen, mein Leben erhalten?“ „Das weiß der Geier. Vielleicht von den radices dulces cognitii.“ „Halt, was ist das schon wieder?“ „Die süßen Wurzeln der Erkenntnis, Meinungen. Doch leider wachsen jene hinter den Türen.“ „Na dann guten Appetit! In diesem Fall würde ich es jedoch vorziehen, mich wie in meiner Vergangenheit zu verköstigen. Und, wenn du nichts dagegen hast, ich schaue jetzt durch diese Fenster.“ Der farblose Mann war mehr als neugierig und wurde enttäuscht. Vorerst. „Was ist denn das? Ich kann kaum etwas sehen, das Licht ist zu schwach. Einzig

und allen entfernte Schemen, möglicherweise ein altes Segelschiff aus Holz vor einer ziemlich dunklen Insel. Das ist doch niemals meine Vergangenheit?“ Tacheles verkündete in aller Ruhe: „Du entdeckst gerade Amerika.“ „Kolumbus, spinnst du? Ich und Kolumbus? Das muss wohl eine Verwechslung sein.“ „Im unendlichen Raum existieren keine Verwechslungen, einzig und allein die verschiedenen Spielarten der drei Möglichkeiten. Aber bitte, wenn der gnädige Herr meinen – oder das, was von ihm noch übrig ist –, ich kann ja mal nachblättern. Hier, hier steht es genau.

Es stimmt, du warst einer der Entdecker, allerdings nur der Koch. Wie immer halt, gleicher Beruf, aber in einem anderen Körper.“ „Das ist ja geil!“ „Nicht besonders originell, deine Antwort.“ Der unbedeutende Farblose ging zum nächsten Fenster. „Wenigstens ein bisschen heller. Und ein ziemlich wackeliges Gerüst. Da kniet einer, wartet der etwa auf seine Enthauptung? Ah, ich hab´s, die Französische Revolution! Vielleicht Robespierre und seine Guillotine?“ „Bockmist“, die Stimme wurde grob, „wie oft soll ich dir das noch sagen, du

warst Koch in wechselnden Körpern. Der da ist Escoffier, ein großer Küchenkünstler, schaut gerade von einem Baugerüst der berühmten Opernsängerin Melba beim Baden zu und benennt später eine Nachspeise nach ihrem Pfirsichhintern. Pass auf, gleich fällt er von der Leiter.“ „Ja leck mich doch am Arsch, also gibt es sie wirklich, die Seelenwanderung.“ Es war schon erstaunlich, was ein Mann nach seinem Tode alles erfährt, und dieses Erstaunen brauchte Ausdruck. „Einen Arsch besitzt du zwar nicht mehr, aber ansonsten geht das in Ordnung. Du bist nun wieder Seele, und du Seele warst immer die selbe Seele, und du

Seele bleibst auch ewig die selbe Seele. Der Rest waren und sind nur Körper, Modelle, die gewechselt werden.“ „So ist das also. Nun gut, doch wie steht es dann um meine jüngste Vergangenheit? Ich kann da leider gar nichts erkennen.“ Tacheles winkte ab. „Deine jüngere Vergangenheit wirf wohl nicht wichtig für die Weltgeschichte gewesen sein, deswegen bleibt dieses Fenster auch unbeleuchtet. Gehen wir zu den Türen.“ Sie gingen, der Unwichtige warf noch einen kurzen Blick zurück. „Halt, Stimmchen, jetzt flackert was!



Ein Licht … wird heller … scheint doch etwas los gewesen zu sein.“ „Lass mal sehen! Ja, tatsächlich, sie errichten dir ein Denkmal.“ „Wer errichtet mir ein Denkmal? Warum, wieso, was sind das für Leute?“ Die ungeduldige Seele zappelte, ungeduldiges Seelchen schrie sogar. „Bewohner der Stadt D, ein Denkmal mit einem großen Kochlöffel darauf. Aufschrift: IN MEMORIAM COQUUS MAGNUS.“ Die arme Seele war verwirrt: „Die überaus ehrenwerte Stadt D? Wieso kommen die Bewohner der berühmt berüchtigten Stadt D dazu, ausgerechnet mir ein Monument zu widmen? Die haben

mich zu meinen Lebzeiten doch völlig übergangen, sogar in den Ruin getrieben, mir das Geschäft und mein Zuhause genommen. Mich letztendlich auch noch vor ihre Tore geworfen. So war das und nicht anders.“ „Ist das ein Wunder? Du hast schließlich die meisten ihrer Frauen gevögelt, was deren wichtigen Männer selbstverständlich niemals öffentlich eingestehen konnten. Logisch, dass sie ärgerlich auf dich waren.“ „Tacheles, sagtest du nicht: Was ein Mann braucht, das braucht ein Mann? Aber warum dann trotzdem ein Denkmal für mich?


Ich meine, wenn sie schon sauer waren.“ „Die Frauen, ihre Frauen stecken dahinter. Es hat ganz den Anschein, als ob du sehr gut gewesen bist, wenigstens auf diesem einen bestimmten Gebiet.“ „Ein Mann ist, was ein Mann ist, und mein Ich-Trieb bleibt hoffentlich auch mein Ich-Trieb!“ „Larifari, gehen wir lieber zu den Türen und suchen deine Möglichkeiten.“ Stimmchen erneut sehr bestimmt. „Also, dir stehen nun drei Möglichkeiten zur Verfügung, oder, wenn dir das lieber ist, drei Bilder: Glaube, Hoffnung und Liebe.“ Der bedeutungslose Mann war erstaunt: „Warum nur so wenig, mein Stimmchen?

Der Raum besitzt doch unzählig viele Türen. Ich denke, da müsste sicherlich mehr angeboten werden als nur der alte kirchliche Sermon. Zum Beispiel: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit!“ „Satans Werk, igittigittigitt! Wie kannst du nur? Außerdem ist in Glaube, Hoffnung und Liebe ja schon alles erdenkliche Bedenkliche erhalten. Da braucht es nicht mehr. Weiterhin gehören die unendlich vielen Türen gleichfalls zu unendlich vielen erlösten Seelen, für die ebenso die gleichen Spielarten der drei himmlischen Wunschvorstellungen gelten. Selbst für erlöste Kommunisten oder ähnlich mindere Lebewesen. Gerade erst habe ich mich mit einer gelben Tulpe

unterhalten, sie wählte die Liebe, wollte einzig allein mit ihrem Stängel in Marylins zarten Händen liegen. Brave Tulpe, und ihr Wunsch wurde erhört.“ „Und was meinte die Monroe dazu?“ „Auch ihr gehörten selbstverständlich drei Möglichkeiten, und sie entschied sich ebenfalls für die Liebe. Nun ruhen Marylin und der Stängel in ihren Händen friedlich vereint.“ Stimmchen schwoll an: „Es reicht jetzt, dein erstes Bild, aber dalli!“! „Ich wähle, ja was wähle ich denn? An sich möchte ich erst einmal ganz unverbindlich, sozusagen mit einer Rücktrittsgarantie


eine kleine Tür des Glaubens.“ „Selbstverständlich, mit Rücktrittsgarantie. Und welche Art oder Abart von Glauben wünscht der gnädige Herr?“ „Ich dachte bisher, es gibt allein den wahren Glauben, den mit Lobpreisen zum guten Schluss, Halleluja- und Hosianna-Singen. Glaube an die rundherum strahlende himmlische Seligkeit.“ „Guter Mann – oder was von dir noch übrig ist –, du denkst zu viel. Und das meine ich absolut ernst. In diesem von dir angesagten Glauben ist Denken nicht gefragt. Aber bitte, hier ist die Tür. Halt, nur bis zum Fußabstreifer,


von wegen Rücktrittsgarantie und so.“ Farben und Töne begannen sich untereinander zu mischen. Aus den Fellen von Trommeln, geschlagen von schwarzen Riesen im lila Ornat – Taktmeister, Zuchtmeister – stiegen blaugraue Wirbel kirchlichen Staubes. Von Kränzen aus blutroten Rosen in Demut umschlungen, von Kanzelgetöse in Gehorsam durchdrungen, duckten sich weiße Seelen wie katholisch erwünscht, schrien das Preisen aus heiseren Kehlen. Und unerbittlich dröhnten die Trommeln. Zwingender Rhythmus, in dem Seelchen mit muss:



Miteinander Hosianna, Jubilate der Oblate. Halleluja, Heiliger Stuhl da. Urbi et orbi! Niemals mehr schweigen, Jauchzen im Reigen Vom Takt wild gepackt. Der Pax sei vobiscum Trotz Knacken im Bistum. Ein Seelchen ist nackt!

Der fahlblasse Mann wunderte sich: „Stimmchen, wieso ist eine Seele nackt?“ „Nur eine? Nicht mehr? Das wundert mich denn auch. Normalerweise frisst dir dieser Glaube bereits kurz nach deiner

Geburt das erste Hemd vom Leib, vom letzten nach dem Tode ganz zu schweigen.“ „Tacheles, mir gefällt es hier nicht. All diese weißen Seelen haben so einen belämmerten Ausdruck in ihren seligen Gesichtern. Verstehst du, so etwa wie Opferlamm Gottes.“ „Massensuggestion, pure Massensuggestion. Aber du – oder was von dir noch übrig ist – musst hier nicht bleiben, besitzt immer noch zwei andere Möglichkeiten.“ Und wie zur frommen Bestätigung drehte sich ein riesiger Trommler um und brüllte ein paar heilige Sprüche: „Ora et labora! Weiche, du Heide! Und mach die

Tür zu, hier zieht´s!“ Farben verblassten, Töne verstummten, die erste Tür schloss sich ernsthaft beleidigt. „Das war wohl eher nicht mein Fall, gute Stimme. Als nächstes wähle ich die Liebe, und bitte ebenfalls mit Rückfahrschein.“ Stimmchen nickte: „Also wie gehabt. Es sei, doch möchtest du die rein körperliche oder eine von sinnlicher Begierde freie, mehr geistige Liebe? Vielleicht eine in der Art, von der Brentano einst schrieb: Das mit der richtigen Liebe zu Liebende, das Liebenswerte, ist das Gute im weitesten Sinne des Wortes.“ „So rein und gut dann wiederum auch

nicht, ein unanständiges Maß an sinnlichen Körpern dürfte durchaus sein. Nun guck nicht wie ein Auto, war nur ein Scherz. Nein, in der Liebe habe ich meine Illusionen: Sie sollte ruhig und aufbrausend zugleich, erst glatt und kühl, dann wärmer, leichtgekräuselt bis hin zu heißen, stürmischen Wellen sein. Sie müsste mich durchdringen, durchströmen, mich erfüllen, ein unverzichtbarer Teil meines Wesens werden. Sie muss mein Dasein begleiten, ja, diese Liebe müsste mein Dasein sogar erhalten. Sie selbst sollte jedoch uneigennützig sein, niemals besitzergreifend auf mich fixiert. Weiterhin müsste sie meinen Körper –

oder, meinetwegen, was von ihm noch übrig ist – pflegen, ihn erfrischen, durch immerwährende Anwesenheit dafür sorgen, dass mir Verzicht nicht mitttels böser Säfte Pickel auf den Hintern zaubert. Und auch wenn ich sie im Übermaß genieße, sogar in blinder Leidenschaft durchschwimme, dürfte eine wahre Liebe nicht zerstören, mich niemals ersticken. Ja, sie sollte großmütig sein, zwar immer in Bewegung und dennoch überaus nahe.“ „Brav gebrüllt, mein Freund! Auch lautmalerisch durchaus ansprechend und in der Wortwahl wohl überlegt. Besonders das mit den Pickeln am Arsch, den du ja nicht mehr hast. Na gut, dann

werde ich dir mal deine Liebe im unendlichen Raum zeigen. Da ist die Tür, doch denke erneut an den Fußabstreifer.“ Türflügel schwangen auf, still ruhte ein See, und ein wenig lud er auch zum Bade. „Ein See, Wasser, einzig und allein Wasser? Ist das alles?“ Tacheles grinste wässrig: „Wie, ist das alles? Du hast sie doch wie Wasser beschrieben, deine Liebe. Und hier ist es, das Ruhige, die Kühle, das Kräuseln und manchmal selbst ein wildes Wogen. Hör mir zu, du wurdest nun mal dafür geschaffen, Weiber wie das Wasser zu lieben, so wie der Wind dazu erkoren ward, Wellen zu kräuseln, Wogen zu werfen … Mann, das war jetzt geradezu

genial, diesmal von mir mit Worten gemalt. Manchmal wundere ich mich fast über mich selbst, echt geil. Trotzdem, weiter im Text. Und das Wasser liebt dich auch. Schau nur in diesen See, ein Spiegel der Wahrheit, er wird dir – oder dem Rest, der von dir noch übrig ist – seine Liebe beweisen, dir sagen, wer und was du wirklich bist. Also sieh hinein und sage mir, was du erblickst.“ Hatte er das nicht sein ganzes Leben gemacht, in den Spiegel geblickt und sich gefragt, wer er eigentlich ist? Und nun erneut eine Bestandsaufnahme? Irgendein Jemand, irgendein Etwas, der oder das ihn vielleicht sogar liebte, wollte schon wieder wissen, wer er in

Wirklichkeit war. Scheiße, er wusste es doch selbst nicht. Warum also erneut ein Spiegel? Und normalerweise wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, aus diesem Trauma zu erwachen, an den See zu gehen und mal kurz hinein zu pinkeln. Er musste immer pinkeln, wenn er zu viel Wasser sah. Genauso wie nach Liebe. Aber er war in keinem Trauma, er war tot. Kein gnädiges Erwachen, nie mehr, und das drückte auf seine Stimmung. Missmutig trat er auf den Fußabstreifer der Rückfahrversicherung und starrte in den See. Der See starrte zurück. Sonst nichts. Nur nichts. Kein Bild, keine Identifikation, einfach nichts, was er auf sich beziehen konnte. Er sah allein

Wasser. „Ich sehe nur Wasser.“ „Ist wohl sonst nichts mehr übrig von dir.“ Die Stimme lachte sich einen Ast, auf dem sie fröhlich turnte. „Logisch, fünfundsechzig Prozent von dir sind Wasser. Aqua vitae, das Feuchte liegt in deiner Natur. Und wenn du ehrlich bist, ist Wasser ebenso der Urstoff jeder Liebe.“ „Wie bitte? Ich bin normalerweise durchaus für Rätsel zu haben, doch das ist mir jetzt zu hoch und zu blöd. Ich kann auf das Wasser gut verzichten, und auf die Liebe, so wie ich sie mag, werde ich es wohl müssen. Nein, mein Stimmchen, schließen wir diese Tür, ich wähle die Hoffnung.

Die Hoffnung ist grün.“ Grün ist die Hoffnung, grüne Bewegung. Wallen und Wogen, Kräuseln und Säuseln wie spielender Wind in einem frühlingsgrünen Haferfeld. Unzählige Strippen, Bänder, Schnüre und Fäden tanzten vor seiner Nase, an allen hingen hellgrüne Zettel. Der fahlblasse Unwichtige wich unwillkürlich zurück. „Was soll nun wieder dieses Strippenzeug?“ „Seidene Fäden! Hoffnungen hängen immer an seidenen Fäden.“ „Und das Gewackel?“ „Schwankende Hoffnung, die müsstest du doch kennen.“ Stimmchen wusste Bescheid, und wie er

die kannte. Zum Beispiel die schwankende Hoffnung, ob endlich einmal die Richtige käme. Derart oft gehofft und doch nie erfüllt. Dafür meistens Blondinen, ausnahmsweise glatte Schönheit und geistlose Körper, die im Alter von Fettheit gebläht. Ähnlich die Schwarzen, glühende Kohlen von knisternder Geilheit, welche sich im eigenen Feuer verzehrt. Selbstgefällige, nichts übrig für einen Partner, allerdings stolz vor einem Spiegel, dem Ort, an dem ihre Jahre vergehen. Kaum anders die Braunen, willfährige Seelchen, immer anwesend und immer um einen klebrig herum. Stets gute Laune – oftmals bis zum Kotzen –,

streichelnd, schmeichelnd, schnurrend, gurrend, nie auch nur ein bisschen murrend. Bäääääh, am Halse hängend, zum selben heraus hängend! Leider niemals gekannt die Roten – heißes Bedauern –, die Töchter des Mondes. Möchtegern-Gespielinnen in schlaflosen Nächten, schwüle Gedanken, nie erfahren Salomes Charme. Kupferrote Haare, Fahnen der Wollust, wehend getragen von Lilith, dem Weib, das lange selbst vor Eva war. Sie hatten seine Hoffnung gebildet, rothaarige Weiber, die das Wort Weib als Ehre begriffen. Grüne Augen und Sommersprossen auf heller Haut, schlanke Körper, leicht umflossen von hellgrauer Seide.

Anbetungswürdige Geschöpfe, allein diese Hoffnung blieb unerfüllt. Neben den wackelnden Aussichten auf die eine Richtige, das einzig zu ihm passende Weib, hatte es noch Hoffnung auf die Zukunft aller Kinder gegeben. Ebenfalls Zuversicht in die Macht ihrer alle Grenzen überfliegenden Musik. Gleiches Gefühl bei ihren Protesten, berechtigt aus Sorge um eine kranke Welt. Resultierend daraus sein Verständnis für die Bedürfnisse aller Heranwachsenden, gefolgt von Vertrauen, Einigkeit, Gemeinschaftsgeist und dem Willen zu gemeinsamen Lösungen selbst schwierigster Probleme. Blah, Blah, Blähungen! Weiterhin die

gleiche Scheiße, erst die Hoffnung, dann folgte bei gründlicher Sichtung die Resignation. Das alte Lied, immer und ewig der gleiche Mist: Habsucht, Neid und Missgunst. Warum hat er, was ich nicht habe? In voller Wahrheit war und ist Nehmen stets seliger denn Geben. Auf den Feldern dieser Fehler gedieh jedoch eine andere Hoffnung, eine auf die Kunst. Provokation, Anregung zum Insichgehen in Stein gemeißelt, Monumente, die Jahrtausende lang mahnen. Oder Schönheit und Versprechen mit Öl auf Leinwand gebannt. Ebenso lyrische Worte, starke Sprüche, Herzen bewegende, schwarz auf weißem Papier. Aber was hat diese Kunst letztendlich

gebracht? Wenigen Künstlern gebührendes Lob und für ihr kurzes Leben ausreichende Anerkennung. Ach ja, Denkmäler für sie, viele Denkmäler an wichtigen Plätzen: Denk mal nach! – Das ist doch schon etwas. „Tacheles, ich weiß, dass ich nicht weiß, ob ich überhaupt noch Hoffnung will.“ „Na hör mal, wer bist du denn, dass du – oder was von dir noch übrig ist –, keinerlei Hoffnung möchtest? Oder wer warst du eigentlich, dass du hier einfach Glaube, Liebe und Hoffnung verleugnest?“ „Wenn ich darauf antworten soll? Nun, nachdem ich durch viele Fenster und Türen gesehen habe, war ich nur ein

Mann, der mit allen erdenklichen Fehlern und wenig Tugenden ausgestattet war. Manchmal wurde ich in meinen verschiedenen Leben sogar fast vom Glück gestreift. Und es schien mir immer so, als wäre ich kurz davor, bedeutend zu werden.“ „Ach, du kommst zur Erkenntnis? Trotzdem darfst du nicht ohne jegliche Hoffnung sein, nicht hier im Raum der einzigen drei Möglichkeiten. Nachdem du Glaube und Liebe abgelehnt hast, wie willst du nackt im Totenreich bestehen? Also zier dich nicht und greif nach einem Zettel. Nun mach schon!“ Tacheles schien es auf einmal eilig zu haben,


Stimmchen drängte. „Okay, weil du es bist, und weil wir stets so inniglich verbunden waren. Hier habe ich einen. Holla, da hängt ja ein Würfelbecher dran? Papier und Würfel, Donnerwetter Stimmchen, damit kann ich locker im Totenreich leben, wenn vielleicht noch eine gute Flasche Wein dazu kommt.“ „Kein Sarkasmus mehr, bitte, lies lieber vor. Ach Quatsch, gib mir den Zettel, bevor ich noch vor Neugier platze. Also da steht … Monopoly! Würfle und setze alles auf die Hoffnung, dass deine Gedanken für Jedermann lesbar in dicken Büchern abgedruckt werden. Wenn du jemals aus diesem Gefängnis zur schönen

Aussicht frei kommst, gehe erneut über das Los des Lebens. Dann erhältst du unter Umständen auch eine Rote.“ Der fahlblasse, unwichtige, bedeutungslose arme Mann breitete die Arme aus: „Ich danke! Tausendmal Dank! Ein wahrer Segen des unendlichen Raumes. Ich – oder was von mir noch übrig ist – darf hoffen auf die Einzige, die zu mir passt, auf eine wunderschöne rote Blüte. Ich liebe sie schon jetzt. Aber weil wir gerade beim Thema sind, Tacheles, und in aller Offenheit, was ist denn eigentlich noch von mir übrig?“ „Einundzwanzig Gramm, die sich morgen bei Gott im Himmel vorstellen werden.“


...............ENDE.............










oder auch ....





Nachwort und Info

Alle Rechte an den Texten, die hier enthalten sind, liegen alleine bei den mitwirkenden Autoren

Zum Titelfoto:

Udo Wagenbach - Postkarte aus dem Jenseits - Liebe Grüße aus dem Jenseits sendet Euch Euer Altschrat. Mir geht es hier soweit ganz gut. Man kann hier wirklich interessante Menschen treffen. Nur über die hiesige Küche kann ich nichts sagen - wir essen hier nicht. Darum, Ihr Lieben, erfüllt mir einen Wunsch -

trinkt ein Bier für mich, esst ein Hähnchen für mich. Und küsst ein Mädchen für mich... Bis irgendwann mal, Euer

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wortverkoster
Gedichte der Autoren Gruppe :
Die ARMEN POETEN

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Willie Arm an kunstvoll gestrickten Worten sind die armen Poeten nicht. Immer gut wenn sich Menschen zusammenfinden um etwas Gemeinsames zustande zu bringen. Das hier scheint gelungen, obzwar ich bloß die ersten 10 Seiten las- der Rest (in Etappen gelesen)braucht Zeit.
b.G.
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
wortverkoster Vielen Dank im Namen aller Beteiligten,
die nächsten Etappen werden dir sicher auch gefallen
Gruß: wortverkoster
Vor langer Zeit - Antworten
Myriel Als hätte sich der Schleier schon ein bißchen erhoben, so empfinde ich dein schönes, farbenfrohes Bild.
Sonntägliche Grüße von Myriel
Vor langer Zeit - Antworten
wortverkoster Vielen lieben Dank auch im Namen aller :)
und sonntäglich ganz irdische Grüße zurück.
Vor langer Zeit - Antworten
Apollinaris Interessant illustrierter Text! :)
Vor langer Zeit - Antworten
wortverkoster Danke, lol ... kommt noch besser
Vor langer Zeit - Antworten
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