Kurzgeschichte
Wenn Männer weinen

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"Wenn Männer weinen"
Veröffentlicht am 21. Oktober 2018, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Design © Willy Rencin
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

"Manches ist in den Sand geschrieben - anderes in Stein gemeißelt"
Wenn Männer weinen

Wenn Männer weinen


 

Wenn Männer weinen,

dann sind sie entweder bescheuerte Weich-Eier oder es hat sie tatsächlich etwas so tief in der Seele getroffen, dass Tränen rollen.

He! ich spreche hier nicht von Freudentränen oder den Tränen, die manchen vor Lachen über die feisten Schweinebäckchen fließen. Gleich gar nicht von denen, die fließen, wenn du eins richtig in die Fresse bekommst. Da treibt dir der Schmerz, der rein körperliche, eventuell Tränen in die Augen. Wer mal im Boxring stand, weiß das und da schreit auch keiner aus dem

mehr oder weniger blutgeilen Publikum "Heulsuse!"

Bei Beerdigungen wird zuweilen eine Träne abgedrückt das macht sich in der Regel gut, selbst wenn es Krokodilstränen sind. Manche heulen wie die Schlosshunde im Suff oft grundlos, aber vielleicht auch, weil sie in dem Moment erkennen, was sie für ein riesengroßes Arschloch sind oder dass sie die verkehrte Frau geheiratet haben. Tränen der Reue, die am nächsten Tag vergessen sind.

Ich dachte lange Zeit, dass ich keine Tränen mehr habe; sie mir mein Vater, das brutale Schwein aus prügelte. Als er es damals geschafft hatte, geriet er noch

mehr in Wut, dass ich nicht heulte und schlug mich krankenhausreif.

Entlassen wurde ich in ein staatliches Kinderheim. Gleich am ersten Tag wollte mir ein älterer Junge zeigen, wer Herr im Hause ist. Ich habe ihn ziemlich übel zugerichtet, aber da ich  in Notwehr handelte, hatte es keine anderen Folgen für mich, als dass man mich respektierte und in Ruhe ließ.

Freunde hatte ich keine und mir stand auch nicht der Sinn nach Gemeinschaft. Es gab eine Bücherei-, in der ich Stammgast war.

Ein Erzieher, der eine andere Gruppe, als die meine leitete, war für die Ausleihe zuständig. Er unterhielt sich immer öfter

mit mir über Bücher und Schriftsteller. Er meinte, das viele Lesen könne auch dazu führen, dass man sich der menschlichen Gesellschaft zu sehr, wenn nicht vollkommen entfremdet. Dessen aber ungeachtet versorgte er mich auch mit Lesestoff aus seiner eigenen Büchersammlung.

Ich war ihm gegenüber anfangs voller Misstrauen, Freundlichkeiten und Zuwendung waren mir fremd. Zumal ich wusste, dass es Männer gab, die der sogenannten Knabenliebe huldigten. Kurz vor meinem Eintreffen im Heim war aus diesem Grund einen Erzieher gefeuert worden. Mein anfänglicher Verdacht oder mein

Misstrauen erwies sich aber als völlig unberechtigt und heute denke ich an ihn, als einen der wenigen Menschen zurück, die es tatsächlich gut mit mir meinten. (Ich kann sie an den Fingern einer Hand abzählen!) drei davon waren Frauen. Meine Mutter war nicht darunter, aber sie übergehe ich in meiner Geschichte, da sie sehr qualvoll an einem Krebsleiden gestorben sein soll. Genaues weiß ich nicht und so bösartig das klingen mag eigentlich war und ist es mir scheißegal. Gewünscht habe ich es ihr nicht und keinem sonst. Keinem auch meinem Erzeuger nicht, der ist mit 80 im Ehebett sanft neben seiner dritten Ehefrau entschlummert.

Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf! Hosianna!

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Über den Autor

Willie
"Manches ist in den Sand geschrieben - anderes in Stein gemeißelt"

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Trollmops Der "Protagonist" scheint nicht ganz "nur erfunden" zu sein, sonst könnte man an einigen Stellen nicht so gezielt ins Detail gehen.

Gruß Det
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Ich glaube ein realer Kern ist in allem was man so schreibt vorhanden. Danke und
LG
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Das Schicksal Deines Protagonisten ist schon recht drastisch beschrieben, vielleicht berührt es gerade deshalb. Sein Resümee ungeschminkt. Man glaubt ihm die Tränen.
Sehr gut geschrieben, Willie.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Danke, Kara, ich stelle hier ja nur ganz kurze Sachen ein, sie sind oft fast skizzenhaft. Manche sind auch in sich abgeschlossene Prologe zu längeren Geschichten.
LG
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Wenn Männer weinen..."
Auch wenn es nicht deine persönliche Vita betrifft,
Willi. Immerhin, recht starker Tobaco, deine Story...
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Sind ja bloß Minis, die ich hier einstelle- lange Sachen lassen sich am Bildschirm schlecht lesen und bei Fortsetzungen verliert der Leser leicht den Faden. Na ja- du kennst das ja alles …
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Wichtige, eindrucksvolle Zeichnung eines Schicksals. Dein Protagonist kommt furios, bombastisch, wie ein Tsunami herüber.
Das ist Schreibkunst!
Ich bin beeindruckt!
Herzlich
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Danke, Günther. Die Geschichte ist real und hat einen ganz traurigen Ausgang genommen. Kurz vor der Wende ist der junge Mann wegen Staatsverleumdung und Hetze gegen die Sowjetunion zu 4 Jahren Haft verurteilt worden. Kein Jahr vergangen und er war durch die Wende auf freien Fuß. Wenig später hatte er einen tödlichen Verkehrsunfall. Es gab einen Riesenskandal als herauskam, dass man seinem Leichnam heimlich als Ersatzteillager benutzt hatte.
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
Nereus ich habe es mit Entsetzen gelesen
schönen tag
markus
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Sollte dich mein Schreibstil entsetzt haben- tut mir leid, aber ich kann nicht anders und das unerfreuliche Thema- nicht autobiografisch, aber auch nicht aus der Luft gegriffen.
Gruß
W.
Vor langer Zeit - Antworten
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