Krimis & Thriller
Zwischen Tod und Leben - 3

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"Zwischen Tod und Leben - 3"
Veröffentlicht am 07. Oktober 2018, 20 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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http://www.mystorys.de

Über den Autor:

19 Jahre, Möchtegern-Schriftstellerin
Zwischen Tod und Leben - 3

Zwischen Tod und Leben - 3

Mats öffnete als Erster den Mund und sprang auf. „Ich melde mich freiwillig.“ „Sind wir jetzt bei den Tributen von Panem angekommen, oder was?“ Ich erhob mich ebenfalls und stemmte die Hände in die Hüfte. „Halt doch einfach mal die verdammte Klappe!“, schrie Püppchen mich auf einmal an. „Für dich ist das wohl alles ein Scherz. Leute werden sterben, sterben, verstehst du?“ „Ja. Und deine Anfälle tragen besonders zu unsere Rettung bei.“ Anna legte mir einen Arm auf die Schulter. „Lass gut sein.“ Da sie Anna war, rutschte ich resigniert an der Wand nach unten und schlug mit der Faust auf

den Boden, anstatt die Gemüter der Anderen weiter zu reizen. „Du brauchst dich nicht freiwillig melden, solange du nicht weißt, was sie mit dir anstellen. Sie könnten den Auserwählten genauso gut laufen lassen“, erklärte Cora und versteckte die zitternden Hände in den Hosentaschen. Jetzt meldete sich auch James zu Wort. „Warum sollten sie das tun? Die Typen sind ganz klar kaltblütige Mörder, denen rinnt das Blut doch förmlich aus den Augen.“ Die Metapher fand ich unpassend. Trotzdem erstaunlich, wie viel Geschwafel sich doch aus dem Mund des Kerls drängen konnte.

„Sie wollen doch, dass wir glauben, der von uns Erwählte landet auf dem Leichenhaufen vor der Tür. „Das bedeutet nicht, dass dies nicht der Fall sein wird.“ Wie konnte Anna mir nur so in den Rücken fallen. „Egal, was davon der Fall sein sollte, wir müssen eine Entscheidung treffen“, meldete Cora sich wieder zu Wort. „Ich sage, wir stimmen ab“, erklang James' Stimme. Sämtliches Blut wich aus meinem Gesicht, ich konnte förmlich spüren, wie es mir als heiße Panik durch den Körper floss. „Find ich auch“, sagte Cora. „Aber

anonym.“ Mein Atem ging schneller, genau wie mein Herz. „Ich halte das für äußert unangemessen. Wer sind wir schon, die wir über ein anderes Leben bestimmen sollen?“ Alle Blicke waren mir zugewandt. „Lasst uns abstimmen“, quietschte Püppchen. Na sie konnte sich zumindest sicher sein, dass James nicht sie wählen würde. Hilfesuchend sah ich mich zu Anna um, ich spürte, wie ihr Blick unruhig durch den Raum wanderte, jedes Detail ins Auge fassend. Nur meinen Blick vermied sie. Schwarze Punkte tanzten mir vor den

Augen, wenn mich das Nichts jetzt überwältigte, würde ich meinen eigenen Tod nicht einmal miterleben können. Nein, das durfte es nicht sein. Ich wollte es sehen, den Übergang erleben. Nein, ich wollte keinen Übergang erleben. Warum ich? Warum hier, warum jetzt? Cora fischte ein Blatt Papier und einen Stift aus der Hosentasche. „Jeder nominiert einen Namen.“ „Und wenn ich den Namen nicht mehr weiß?“, fragte James. „Dann nominierst du dich selbst“, murmelte ich kaum hörbar und hätte mich dafür gerne erwürgt. Sie alle taten, als hätten sie nichts gehört. „Dann schreibst du so was wie „Der mit

der Brille.““ Cora war gerade im Begriff, die ersten todbringenden Buchstaben auf dem Fetzen Papier zu verewigen, da hielt sie inne. „Ist irgendjemand unter uns Sanitäter, Psychologe oder Ähnliches?“ Bestürzt starrte Mats sie an. „Du willst doch nicht den Wert eines Individuums daran fest machen...“ „Ich möchte überleben. Meine beste Chance besteht darin, mich mit kompetenten Leuten zu umgeben. Also?“ „Ich stimmte Mats zu! Jeder von uns sollte die gleichen Chancen haben, ungeachtet seiner Kompetenzen“, warf ich ein. „Und ich habe Psychologie gewählt, ich werde nach den Ferien

damit beginnen, habe aber schon den einen oder anderen Blick ins Buch geworden.“ „Ähm ja...“ „Ich bin ausgebildete Sanitäterin!“. Anna die Verräterin. „Ich bin stark. Ich kann sicher einen von euch tragen“, gab James preis. „Mein Vater ist Arzt!“, kam es von Püppchen. „Ich war in der vierten Klasse Streitschlichter. Vielleicht hilft das bei den Verhandlungen mit den Entführern“, versuchte ich es erneut. Cora unterband weitere sinnfreie Kommentare der Anderen und brachte den ersten Namen zu Papier. Wie sorglos sie das weiße

Blatt faltete, immerhin bestimmte es über ein Leben. Ein Leben. Alles, was ein Mensch besaß. Der Stift machte die Runde. Ich versuchte einen Blick auf das zu erhaschen, was Anna niederschrieb, doch sie verbarg es sorgfältig. Wie konnten sie sich nur innerhalb von Sekunden entscheiden? Mein Blick schweifte durch den Raum und auf einmal wurde mir die richtige Wahl bewusst. Der grünäugige Junge! So wie er aussah, war er sowieso zu mindestens drei Vierteln tot. Er musste also sowieso sterben, wie sollte er die Zeit hier ohne medizinische Versorgung überleben? Vielleicht half ihm ein

schneller Tod, etwa durch ein Gewehr sogar. Und wenn sie ihn frei ließen, umso besser! Dann hatte ich sein eben gerettet. Alle Zettel wanderten in die Mitte. Bruchteile von Sekunden später hielt Cora bereits den ersten in der Hand. „Lotta.“ Es war, als würden tausend Schellen auf einmal in meinem Kopf losgehen. Das konnte es doch nicht sein, ich wollte nicht, sie hatten nicht das Recht... „Mats. Verletzter Junge. Er mit den grünen Augen, wer...?“ Anna deutete auf den sichtlich bewusstlosen Jungen. Sie nickte. „Klara.“ Nicht einmal auf ihren Namen

zeigte das Mädchen eine Regung. Sie war bereits vor Stunden zu Eis erstarrt. „Lotta.“ Ich wollte schreien, doch meine Lungen versagten, ich wollte weinen, doch mein Körper gab mir das Wasser nicht. Wieso versagte er bereits jetzt, noch lebte ich. Noch gab es eine Chance. „Mats“. Wir waren also zu dritt. Drei von uns, die um ihre Leben bangten. Obwohl... vermutlich bangte nur ich. Mats hatte sich sicherlich selbst nominiert und im grüne-Augen-Jungen war nicht genug Leben, als dass er etwas von dem Vorgehen mitbekommen hätte. Noch ein Name, ein letzter Name und mein Schicksal wäre besiegelt. Einer von uns dreien musste es werden. Oder es

gäbe eine Neuwahl. In jedem Fall würde einer von uns diesen Raum allzu bald verlassen. Einer von uns würde das Gebäude verlassen. Ob lebendig oder steif in einem Leichensack, das war die Frage. „Der Verletzte.“ Ein allzu erleichterter Seufzer entfuhr meiner Kehle. Selbst Mats war verstummt. So riesengroß war sein Todeswunsch dann wohl doch nicht. Ich ertrug es nicht und zog noch einmal das Smartphone hervor und wählte die 110. Belegt. Ich wählte eine andere Nummer. „Bist du bescheuert?“, fuhr Cora mich an. „Sie können jeden Moment...“ Eine Stimme am anderen Ende der

Leitung antwortete. „Jonas?“ „Oh Gott sei dank, Jonas hör zu, du musst die Polizei verständigen. Ruf sie nicht an, es ist hoffnungslos. Ja, ich bin mittendrin... nein, ich bin unverletzt, hör zu, das tut jetzt nichts zur Sache. Sag der Polizei wir werden festgehalten... Ein Lagerraum... hier sind Bücher, kein Fenster... zwischen der Pizzeria und dem Buchladen... ja... nein...“ „Lotta“, zischte Anna. „Scheiße!“ Ich ließ das Handy blitzschnell in meinem BH verschwinden, als die Tür auch schon aufgerissen wurde. „Also? Wer ist der Glückliche?“ Spiele mir mein nicht mehr ganz

zurechnungsfähiger Verstand einen Streich oder schlich sich ein erwartungsfreudiges Lächeln auf seine Lippen? Keiner von uns wollte derjenige sein, der das Schicksal eines Menschen besiegeln sollte. Voldemort richtete den Gewehrlauf auf James. „Er ist, er soll, er...“, stammelte der und fuchtelte unkoordiniert mit dem Zeigefinger durch die Luft, bis seine Fingerspitze in etwa auf den Grünäugigen zeigte. „Na ihr macht es euch aber besonders leicht“, behauptete Voldemort. Sein Kollege hievte sich den Jungen mit demselben steinstarren Gesicht über die Schulter, das er von Anfang an

aufgesetzt hatte. Ein Stöhnen, das mein Herz zerriss entfuhr seiner Kehle und irgendjemand hielt Mats am Arm fest. Jetzt also doch, oder wie? Doch es war zu spät für Heldentum. In der Erwartung, dass sie den Raum verlassen würden, streckte ich die Hand bereits wieder in Richtung des Handys aus. Was in den nächsten Sekunden geschah, sollte unser aller Leben verändern. Der leblose Körper der Jungen prallte auf den Boden. Sein Gesicht war zu uns gewandt, als der Schmerz ihn dazu veranlasste aufzujaulen. Die grünen Augen sperrangelweit geöffnet. Ich konnte nicht anders, als darin zu versinken. Wir alle sahen hin, als ruhigere unserer Entführer

das Gewehr hob. Ein Knall. Die Augen, seine Augen, sie weiteten sich und wurden glasig. Alles Leben wich aus ihnen, als würde es sich den Weg aus dem Körper hinaus bahnen. Irgendjemand schrie. Jemand anders würgte. Und ich... ich konnte meinen Blick nicht von dem Grauen, das aus dem Kopf des Körpers floss, lösen. Ströme von Blut, die sich in einem dunkelroten See zu Füßen des Mörders sammelten. „Eins“, sagte der Große. Als ich genug Kraft gesammelt hatte, um dem Tod den Rücken zuzukehren, sank Lucy bewusstlos in den Armen ihres Bruders zusammen, der es nicht einmal wahrzunehmen schien. Sein Blick war

starr auf die weiße Wand geheftet. Zumindest den Teil, der noch weiß war. Wem wohl die Aufgabe zufallen würde, den Raum vom Blut toter Teenager zu säubern? Mats hingegen reagierte, indem er uns Einblick in sein Mittagessen gewährte. James wich nicht zurück. Püppchen kauerte wimmernd am Boden, den Kopf eingezogen, als könnte irgendetwas auf dieser Welt sie vor dem sicheren Tod bewahren. Cora blinzelte mehrmals hintereinander, als wollte sie die Realität zugunsten einer anderen, einer erträglicheren wegblinzeln. Der Rest von uns tat einfach gar nichts. Rein gar nichts. Was war auch die richtige Art, zu

reagieren? Siebzehn Jahre umgeben von Hollywood filmen, die immer wieder dieselben Themen umkreisten, hatten mich hierauf nicht vorbereitet. Also schloss ich einfach die Augen. Sofort drängte sich ein Körper in mein Blickfeld, im eigenen Blut ertrinkend. So leblos. So absolut tot. Töter als ich es mir je ausgemalt hatte. Was gab dem Lebensende das Recht, einen Menschen so zuzurichten? Alle Würde – und die Würde des Menschen war doch das wichtigste Gut- zunichte gemacht. Die Augen leere Gewässer, aufgerissen vor Schreck. Die Angst würde sein Gesicht von nun an für immer zieren, bis Würmer an den Lippen, die nie mehr ein Lächeln

spiegeln würden, nagten. Und es war unsere Schuld. Meine Schuld.

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Leah2000
19 Jahre, Möchtegern-Schriftstellerin

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Bluesky Sehr schön verfasster Text. Sehr gut gemacht.
Vor langer Zeit - Antworten
Nereus schöner Start !
lieben gruss
markus
Vor langer Zeit - Antworten
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