Journalismus & Glosse
Mangelware graue Zellen

MANGELWARE GRAUE ZELLEN

Gestern morgen, so zwischen Kaffee, Zigarette und einem frischen Käsebrötchen, fiel mir doch noch aus der ansonsten öden Zeitung etwas lesenswertes in die Augen. Zwischen alltäglichen Katastrophen, Kriegen und Korruption fand ich höchst interessantes:

INSASSEN WERDEN IMMER ÄLTER1

DIE ZAHL DER HÄFTLINGE ÜBER 60

JAHRE HAT SICH SEIT 1995 VERDREIFACHT!

GEEIGNETE HAFT, - UND KRANKEN - RÄUME FEHLEN; EBENSO EINE ANGEMESSENE

PFLEGE UND BETREUUNG.

Der Verfasser dieser kargen Zeilen erging sich noch in allerlei Spekulationen darüber, warum, wieso und weshalb es denn nun so sei. Dieser deutsche Vaterstaat und Mutterland tue doch so allerhand um seine verdienstvollen Bürger, die ihr Leben lang hart gearbeitet, Kinder gezeugt und

Häuser gebaut haben, mit der nötigen Sorgfalt und Pflege zu versorgen. Die Renten seien weiterhin sicher und...

Ab hier wurde der Artikel zu einer peinlichen Lobhudelei auf unser Sozialsystem. Und diese Senior Kriminellen zu einer Art leicht Verführbarer, die durch übermäßigen Medienkonsum auf das falsche Lebensgleis geführt wurden.

Einfach lächerlich, dachte ich mir so bei meiner zweiten Zigarette.

Oma und Opa werden sicher nicht kriminell wenn sie mal zu viel in die Glotze geguckt haben. Sicher nicht. Das würde dann ja eher in der Selbstmordrate

Ausdruck finden.

Die Sache ist doch wohl viel einfacher zu erklären:

Das liebe Geld fehlt!

Nicht nur hier und da ein bisschen. Nein, überhaupt und überall.

Wer das Pech hat in einer Mietwohnung in der Stadt zu leben, der kann so einiges über Mieterhöhungen die ins unermessliche steigen erzählen. Dazu kommen Energiekosten die auch nicht weniger werden. Lebenshaltungskosten ebenso. Die Medikamente aus der Apotheke. Ein angemessener Platz im Pflegeheim ist ohne soziale Bezuschussung kaum finanzierbar. Und so weiter...

Und die Rente? Die wohlverdiente?

Eine lächerlich geringe Summe im Vergleich zur Lebensleistung. Ich hab gute Freunde die haben 40 Jahre Straßenbau hinter sich, und kommen gerade mal auf knapp Tausend mickriger Euros. - Und das sind noch die vergleichsweise hohen Bezüge.

Tausende windschiefer Trauergestalten schlurfen mit noch geringeren Summen durch unsere Suppenküchen, den Tafeln und Kleiderkammern. Wer sich nach dem wöchentlichen Besuch bei seinen Lieben auf dem Friedhof dann noch nicht mal eine Tasse Kaffee Plus Gebäck leisten kann, weil der Vermieter mal wieder eine saftige Erhöhung angekündigt hat, oder

die Waschmaschine hinüber ist, der Fernseher kaputt, der kann schon mal auf dumme Gedanken kommen um sich seine karge Rente aufzubessern. Wer am Monatsende nur noch von Zwieback, Tüten - Suppen und dünnem Tee lebt; wer sich nicht mehr vor die Tür traut, weil alles so teuer geworden ist, der überlegt sich verständlicherweise was, um seine finanzielle Situation rapide und nachhaltig zu verbessern.

Und da legale Nebenjobs ziemlich rar sind, die Konkurrenz jedoch groß, werden beizeiten abenteuerliche Aktionen geplant.

Fast alles außer brutalem Mord ist dabei. Diebstahl, Raub, Betrug, Einbruch,

Hehlerei, Heiratsschwindel, Mundraub und Schwarzfahren. Und wenn man blöderweise mal erwischt wird geht man eben in den Bau. Auch nicht das schlechteste. Man hat n Dach über ´m Kopf, ein warmes Bett, geregelte Mahlzeiten Beschäftigung und Zeit zum lesen.

Ich finde solch Verfahrensweisen durchaus verständlich. Ich persönlich habe ja noch wenige Jahre Zeit bis zum Ruhestand Doch wenn ich mir jetzt mal meinen letzten Rentenbescheid anschaue, bin ich mir überaus sicher das es jetzt schon Zeit für mich wird etwas solides und Gewinnbringendes auszubaldowern.

Gute Tipps sind willkommen und werden

prozentual vergütet.

Text: harryaltona

Cover: Geklaut natürlich