Jugendbücher
Wenn du dein Herz brechen hörst...

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"Mein eigene Geschichte als Ermutigung an meine Leser"
Veröffentlicht am 07. April 2018, 54 Seiten
Kategorie Jugendbücher
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Über den Autor:

Mein Name "Carolin Falke" ist nicht mein echter Name, sondern ein Deckname bzw. Künstername da ich gerne (erstmal) anonym bleiben würde :) . Geschichten geschrieben habe ich schon immer. Ich bin sogar schon in der Grundschule immer mit einem Heft rumgerannt und habe mir irgendetwas ausgedacht. Meine Mutter schreibt auch, also habe ich das wohl von ihr. Inzwischen bin ich fast 17 Jahre alt und freue mich, bereits erste Werke öffentlich gemacht ...
Mein eigene Geschichte als Ermutigung an meine Leser

Wenn du dein Herz brechen hörst...

Einleitung

Es gibt keine einfache Lösung für dieses Problem. Es gibt keinen Kuchen, auf dem steht „Hallo! Iss mich und es geht dir besser!“ Man kann nicht zum Arzt gehen und sich ein Schmerzmittel verabreichen lassen. Es gibt auch kein YouTube-Video mit einer Step-by-Step Anleitung. Es ist nicht „easy“, wie ich es formulieren würde. Und ja, es ist auch nicht fair. Denn das Leben ist nicht fair. Diejenigen, die immer gut sind, bekommen nichts zurück. Und diejenigen, die anderen weh tun, sind glücklich. Aber die Person, die dir weh getan hat… denkst du, sie ist wirklich so glücklich wie sie tut? Wenn es dir wie mir geht, zeigt sie dir, wie egal es ihr doch ist, dass du betrunken in deiner Ecke sitzt und weinst. Im schlimmsten Fall ist es ihr wirklich egal. Aber glaubst du, es ist ihr auch egal, dass eurer beider Freunde jetzt bei dir sind? Vergiss das

nicht! Diese Person kennt die Leute, die jetzt bei dir sind und sich umdich kümmern. Und wenn deine Situation anders aussieht, wird es irgendetwas geben, dass du nicht über diese Person weißt. Gibt es denn jemanden, der wirklich rundum glücklich ist? Wenn ich dich nun fragen würde, wie ich auf dich wirke… Vielleicht wirke ich glücklich? Ich weiß sogar, dass es oft genau so ist. Ich wirke glücklich nach außen, aber das bin ich nicht. Ich bin schwach und zerbrechlich. Und die Person, die dir weh getan hat, trägt auch ihre Lasten mit sich. Ich will nun wirklich nicht die Person sein, die alles schön redet und dir sagt „Oh, er (oder sie) weiß einfach nicht, was er (oder sie) tun soll, er (oder sie) ist nur überfordert mit der Situation.“ Ich will dir nicht mal sagen „Das wird schon wieder“ – Natürlich wird es das, aber das ist einfach nicht das, was man in dieser Situation hören will. Diese Person, die dich dazu bringt

zu weinen… Ich bin stinksauer auf sie. Glaub mir, ich würde jetzt gerne zu ihr gehen und sie einfach schlagen. Darin bin ich besser, als man denkt. Was ich versuche zu sagen, ist… ich weiß, wie es sich anfühlt.

Meine Geschichte

Wie lange waren wir miteinander befreundet gewesen? Ein halbes Jahr, ein Jahr, eineinhalb Jahre? Wie lange war der Wiener Walzer her, bei dem wir uns kennen gelernt hatten und der den Wiener Walzer für immer zu unserem Tanz gemacht hatte? Ich wusste es nicht mehr. Wir hatten uns nach und nach immer mehr ange-freundet und es gab eine Zeit, in der kein Tag vergehen konnte, ohne dass ich mindestens zwei Stunden mit ihm Kontakt hatte. Ich habe vieles in ihm gesehen. Und ich habe schon immer mehr in ihm gesehen als er in mir. „Das ist Gabriel, mein bester Freund.“ „Mein bester Freund? Das ist leicht. Gabriel.“ Worüber ich mir nicht klar war… ich war nie seine beste Freundin. Es gab kein Thema, über das wir nicht reden konnten… sei es emotional oder peinlich oder einfach unangenehm… wir kamen klar und es machte Spaß, aber das bedeutete nicht, dass er mich als

seine beste Freundin betrachtete. Oder als eine Gute. Und trotzdem gab er mir so ein starkes Gefühl von Nähe, dass es sogar eine Zeit gab, in der ich manchmal dachte, er wäre in mich verliebt. Wenn ich mir dieses Szenario vor-stellte, bekam ich Angst. Angst, ihm weh tun zu müssen, denn damals hatte ich nie das Gefühl, wir würden zueinander gehören. Aber vielleicht lag das gar nicht an ihm, sondern daran, dass es eine andere Person in meinem Leben gab, die danach schrie, verarbeitet zu werden. Und so sehr auch alle um mich (oder uns) herum mehr in uns sahen, war ich nie davon zu überzeugen, ihn mehr als nur als meinen besten Freund zu mögen. Doch irgendwann kam der Tag, ab dem alles schief lief. Nachdem unserer beider besten Freunde in der Tanzschule, aus der wir uns kannten, einen Kurs anfingen und wir sie dorthin begleiteten, sahen

wir uns deutlich häufiger als sonst in persona, statt einmal im Monat bei einer Tanzparty, jede Woche im Kurs seines besten Freundes und meiner besten Freundin. Vielleicht war das der ausschlaggebende Grund dafür, dass ich etwas Neues in mir entdeckte. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass dieser andere Junge auch da war und ich nach einem Jahr endlich die Chance bekam, mich wieder mit ihm zu verstehen. Vielleicht wurde so der nötige Platz für das Offensichtliche in meinem Herzen geschaffen. Ich weiß nicht genau, wann es kam und wodurch es kam. Aber ich hatte mich verliebt. Wenn ich das Gefühl hatte, es allen anderen und mir selbst gegenüber zu leugnen würde etwas bringen, hatte ich mich in mehr als nur einer Hinsicht selbst angelogen. Ich erinnere mich an eine Party, bei der ich zum ersten mal betrunken (eher angetrunken – ich erinnere mich immerhin noch dran) war und ich ihm bei einem Tanz sagte: „Es denken immer noch alle, dass ich in

dich verliebt wäre. Ich auch manchmal.“ Ich erinnere mich an den Schock in seinen Augen, als hätte ich die Stimme in seinem Kopf hören können Sag nichts Falsches. – Nein, mach dir keine Sorgen, es ist der Alkohol, nicht sie. Genau das hab ich ihm wenige Tage später auch erzählt. Aber ich habe mich angelogen, nicht ihn. Ich hätte ihn niemals anlügen können. Statt es ihm direkt zu sagen, schrieb ich das Schlimmste, was mir durch den Kopf ging in Briefen an ihn auf. Auch wenn ich sie ihm niemals geben wollte – das würde viel zu viel zerstören – war es gut, etwas zu haben, auf das ich mich konzentrieren konnte. Etwas, worin ich mich mitteilen konnte. Wenn du dich fragst, wieso ich es ihm nicht einfach gesagt habe, weil ich doch vorher sowieso dachte, er würde mich auch mögen… Bis ich eingesehen hatte, dass es wahr war, was alle schon vor mir gewusst hatten, wusste ich bereits, dass er verliebt war… und in wen er verliebt war und das war

nicht ich. Leider sollte mir genau dieses Wissen zum Verhängnis werden. Bei einer Tanzparty, bei der er nicht da war, aber eine gemeinsame Freundin von uns schon, erwähnte ich ihr gegenüber, dass ich endlich den Namen des Mädchens, dass er mochte, aus ihm herausbekommen hatte, in der Annahme, sie wüsste auch Bescheid. Aber er hatte es nur mir gesagt, vermutlich war das etwas Gutes, wo es doch bedeuten musste, dass er mir ein be-sonderes Vertrauen schenkte und das musste heißen, ich war ihm wichtiger als es manchmal wirkte. Auf jeden Fall löcherte sie mich darauf-hin mit Fragen, welche ich brav mit Ja oder Nein oder dementsprechenden Blicken be-antwortete.

Zugegeben ich hätte mir mehr Mühe in Sachen Geheimhaltung geben können, aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass er auch sehr gerne mit Jessica (dieser Freundin) über alle meine Geheimnisse sprach – genau genommen

hatte ich sie erst dadurch näher kennen (und lieben) gelernt, da er sie mir als einen weiteren Geheimnisträger aufgedrückt hatte. Bevor er von ihr überrascht wurde, dass sie seine Geliebte nun auch kannte, beichtete ich es ihm lieber selbst. Das war kurz nach Weihnachten. Er ließ mich allein. „Tut mir leid! Tut mir leid, das war meine Schuld! Ich bin eine schreckliche Freundin… Ich bin ein schrecklicher Mensch.“ „Ja, bist du.“ Ein einfaches ‚Autsch’ beschreibt längst nicht den Schmerz, den ich in dem Mo-ment empfand, als ich diese drei Worte las. Drei Worte. Aber sie sagten mir genug, damit ich entschied, den größten Fehler meines Lebens zu begehen. Oh ja, ich hatte ewig davor gebangt, es ihm zu sagen. Die Angst, ich könnte ihn verlieren, hatte mich zurück gehalten, mich vorsichtig werden lassen. Und jetzt hatte ich ihn verloren. Ich hatte einen Fehler gemacht und er war fort. Deshalb spielte es für mich

keine Rolle mehr und er sollte es wissen. Ich glaube, es gab eine kleine Stimme in mir, die darauf pochte, dass ich seine Gefühle ändern könnte, wenn er über meine Bescheid wüsste. Er antwortete mir. „Wieso sagst du mir das jetzt, obwohl du weißt, dass ich eine Andere liebe?“ Das änderte die Sachlage. Er war nicht in sie verliebt. Er liebte sie. „Ich habe nichts mehr zu verlieren. Du hasst mich schon. Ich wollte dir nicht den Tag versauen, tut mir leid, ich gehe schon… Und noch alles Gute… du verdienst sie.“ Ich sagte ihm sogar, dass ich Briefe geschrieben hatte. „Ich hoffe, ich bereite dir nicht all zu viele Schmerzen. Falls doch, tut es mir leid. Und ich hasse dich nicht deswegen.“ Nicht deswegen? Was war mit dem anderen Grund? Ich hatte sein Geheimnis munter ausgeplaudert. Hasste er mich vielleicht deswegen? Oder tat er es gar nicht… wozu hatte ich denn dann die Katze aus dem Sack gelassen?

Statt dieser stellte ich eine ganz andere Frage: „Wenn ich dich vorher nicht so wütend gemacht hätte, hättest du genau so reagiert, richtig? Ich will nur wissen, dass es nicht meine Schuld ist?“ Denn die Stimme sprach weiter. Vielleicht, wenn ich es ihm unter anderen Umständen gesagt hätte, hätte er etwas Anderes, etwas Schöneres darauf geantwortet. Er tat mir einen Gefallen und löschte auch diesen Hoffnungs-schrei „Ich hätte das Gleiche geschrieben. Und ich war nicht wütend, nur enttäuscht.“ Die Enttäuschungskarte. Das bedeutete, er hasste mich nicht. Es bedeutete, ich war ihm wichtig. Das ging mir zu schnell, meine Gedanken konnten der Situation kaum folgen. Was hatte ich getan? Was zur Hölle hatte ich getan?! Das hätten wir auch anders regeln können! Ich hatte ihm alles gesagt, alle dunklen Geheimnisse, alles! Einfach so… für nichts und wieder nichts. Und jetzt… was sollte jetzt aus uns werden? Aus dieser wundervollen, verrückten

Freund-schaft. Aus der besten Junge-Mädchen Beziehung, die es jemals auf dieser Erde gegeben hatte und um die ich so oft beneidet wurde… was hatte ich daraus gemacht? Hatte ich sie gerade wirklich weggeschmissen – einfach so? Es dauerte ein paar Tage, bis ich es wagte, ihm wieder etwas zu schreiben, bis dahin hatte ich ihm aufgetragen, die Feiertage zu genießen. Aber ich konnte das neue Jahr nicht beginnen, solange ich nicht wusste, was zwischen uns passiert war. „Ich könnte dir doch einfach erzählen, ich hätte Wahrheit oder Pflicht gespielt… dann könnte ich aufhören mich zu hassen“, schlug ich aus dem Nichts vor. „Du solltest dich deswegen nicht hassen.“ Süß. Nicht hilfreich, aber süß. „Ich will nur nicht, dass alles komisch wird. Ich will, dass es bleibt, wie es war, ohne

Kompro-misse.“ „Genau dasselbe will ich auch. Ich hoffe einfach, dass es bleibt wie bisher.“ Mehr brauchte er mir nicht zu sagen, um mich rundum glücklich zu machen. Es war nur das Jahr 2017 das vorbei war und nicht Unseres, wie ich befürchtet hatte. Aber so sehr ich auch hoffte, es würde sich nichts ändern. So sehr auch die Logik sagte, dass sich gar nichts ändern musste, weil wir doch beide dasselbe wollten… fünf Tage später stellte ich immer noch fest… etwas war anders. Die Freundschaft, für die ich vor einer Woche noch mein ganzes Leben geopfert hätte, erschien mir plötzlich wertlos, denn er hatte sich verändert. Er reagierte nicht mehr, auf das was ich sagte beziehungsweise schrieb. Er wurde ignorant. Wünsche nach einem privaten Treffen (also außerhalb der Tanzschule, zum Beispiel ein Bier trinken gehen, Ski fahren…), welche er selbst früher geäußert hatte, schlug er

aus. Es war stumpf. Unfreundschaftlich. Lieblos. Meine Trauer über diesen plötzlichen Umschwung hielt sich in Grenzen. Ich war eher wütend. Er ging mit mir um wie mit Dreck. Ich hatte mehrere Tage damit verbracht, darüber nach zu denken und für mich hatte sich eine Entscheidung ergeben, von der ich glaubte, sie würde mich auf lange Sicht glücklicher machen. Diese Entscheidung bedeutete nicht, dass ich keine Zeit mit ihm verbringen wollte, aber der Kontakt zu ihm war nicht gut für mich… er war mir dafür viel zu wichtig. Als ich ihn nach Ende der Ferien wieder im Kurs meiner besten Freundin sah und er plötzlich fragte, ob meine Narbe (kleine OP) weh tat, nachdem er ewig nicht darauf reagiert hatte, als ich ihm ein Bild über WhatsApp geschickt hatte, wollte ich ihm nicht antworten. Ich wollte nicht mit ihm reden. Es gab eine Narbe, die mir plötzlich weh tat, aber das war nicht die an meinem Schlüsselbein. Etwas in

meinem Herzen war aufgerissen, sobald er versuchte, mit mir zu reden. Wie konnte er es wagen, so… so normal zu sein? Hatte er denn gar nichts mitgekriegt? Ja, meine Weigerung ihm eine normale Antwort zu geben, mag stur erscheinen, aber er hatte mir durch sein furcht-bares unfreundschaftliches Verhalten weh getan. Er hatte zugelassen, dass ich meine ganze Zeit damit vergeudet hatte, zu überlegen, was ich tun sollte, weil er offenbar keinen Wert mehr in unserer Freundschaft sah. Weil er offenbar keinerlei Interesse daran hatte, sich wie ein Freund zu benehmen. Und jetzt hatte ich ent-schieden, ihn aufzugeben und er kam zu mir und… und war wieder er? Er schmiss jede meiner Überlegungen über Bord, das war nicht fair. Absolut nicht fair. Ich würde das nicht zulassen. Meine Entscheidung war verdammt nochmal gefallen. Es gab etwas, dass ich noch nicht wusste und hätte ich es gewusst, hätte ich ihm vielleicht

nicht die eiskalte Schulter gezeigt, für mich war das doch auch nicht leicht. Man konnte mit Personen klar kommen, auch wenn man nicht befreundet war, aber in Bezug auf ihn kam das für mich nicht in Frage. Wieso sollte ich ihm seine behinderte ‚Tun-wir-mal-so-als-hätte-ich-nichts-getan’-Haltung durchgehen lassen? Es gab keinen Grund dafür. Ich musste meine beste Freundin nicht zu ihrem Kurs begleiten. Um sie zu treffen, gab es andere Möglichkeiten, also musste ich ihn sowieso wenn überhaupt nur einmal im Monat bei den Partys sehen. Keine häufigen Treffen… keine Anstrengung in der Ignoranz… kein Schmerz. Dachte ich zu-mindest. Ewige Zeiten von Freundschaft. Ewige Zeiten von Glück. Und genau jetzt… jetzt, wo das Unglück über mich hergefallen war und die Realität mir meinen besten Freund wegge-nommen und mir stattdessen ein gebündeltes

Packet aus Schmerz zur Seite gestellt hatte… würde genau dieses Paket in meinen Kurs wechseln. Was auch immer diese Aussicht mit mir anstellte… ich glaube, am besten lässt es sich beschreiben mit… Angst. Wovor genau ich wirklich Angst hatte, sollte mir aber erst bei der nächsten Party (20. Januar) bewusst werden, der letzten bevor er in meinen Kurs kommen würde. Sie ist immer noch eine meiner schlimmsten Erinnerungen. Der Tag, an dem die Trauer, die ich so sorgfältig eingesperrt hatte, sich befreite. Ich habe noch in keiner Weise angefangen zu beschreiben, was passiert ist, aber der Gedanke daran reist mir beinahe das Herz aus der Brust. Kurz vor diesem Tanzabend habe ich Malin, einer Freundin aus meinem Kurs, von meinen Schwierigkeiten mit Gabriel erzählt (die Schwierigkeiten auf der freundschaftlichen Ebene). Sie hatte nie etwas mit ihm zu tun, gerade deshalb erschien sie mir vielleicht als Ansprechpartner passend. Mit jemandem über

das ‚falsche’ Verhalten einer Person zu reden, wenn sie diese Person gut kennt… das ist deutlich schwieriger. Auf jeden Fall weiß ich nicht wieso sie das getan hat… das ist alles was ich gerne wissen würde, aber sie kann es mir nicht sagen, sie weiß ja selber nicht wieso… das kommt dabei rum, wenn Menschen nicht denken. Und dafür, dass der Mensch sich von Tieren durch seine Fähigkeit zu Reflektieren abheben soll, kommt das viel zu häufig vor. Aber an diesem Abend… stand sie auf, unge-achtet meines ihr folgenden, starren, still-gestandenen Blickes, ging zu ihm und forderte ihn zum ersten mal in ihrem Leben auf. Wiener Walzer. Meinen Wiener Walzer. Genau den Wiener Walzer, den ich zum ersten mal seit ich Gabriel kannte, nicht an einem Tanzabend kriegen sollte. Genau den nahm sie sich. Und dann machte ich falsch, was ich falsch machen konnte. Einmal hatte er mir geholfen. Ich war lustig

geworden. Diesmal passierte das nicht. Ich war schon immer anfällig für Alkohol gewesen. Naja, ich hatte auch vorher nie sonderlich viel getrunken. Und plötzlich saß ich da und konnte mich kaum aufrecht halten, weil mir so schlecht war. Es gab so viele Menschen, denen ich wichtig war. Die nicht wollten, dass ich weinte. Die zu mir kamen und mich fragten, ob alles in Ordnung sei. Und das hätte mich eigentlich so glücklich machen sollen. Aber sie waren mir geradezu lästig. „Wieso interessiert es ihn nicht?“ – ich schrie meine Frage jedem der zu mir kam entgegen. Ganz egal, was sie wissen wollten, sie bekamen nur das als Antwort. Und ich weinte unerbittlich.

Dann sah er zu mir. Und ich hörte auf zu weinen. Ich liebte dieses Gesicht. Es war alles, was ich den Rest des Tages ansehen wollte. Ich wollte, dass er zu mir kam und mich fragte, ob alles in Ordnung sei. Genau in dem Moment wäre es das gewesen. Doch das tat er nicht. Er

sah mich genau an. Sah durch mich durch auf mein Leid. Und… drehte sich wieder weg. Ich wusste jetzt, wovor ich Angst hatte. Er würde mir meine Freunde wegnehmen. Oder… sie ihn mir? Ganz egal, am Ende würde ich wieder diejenige sein, die alleine da stand. Und mir wurde klar, dass ich das nicht konnte. Wenn ich so eine Angst davor hatte, dass er mir weggenommen wurde? Dann war es doch ganz einfach. Dann war ich nicht bereit ihn aufzu-geben. Ich war nicht bereit, ihn gehen zu lassen. Ich musste das Gleichgewicht zwischen uns wieder herstellen, denn mein Freund, mit dem ich über alles reden konnte, fehlte mir viel zu sehr.

Deshalb blieb ich am folgenden Donnerstag (Tag meines Tanzkurses) normal ihm gegenüber und machte nicht dicht. Und das war auch der Grund, wieso ich ihn lesen lies. Die Briefe waren an ihn gerichtet und ich hatte nicht das Recht sie ihm zu verwehren. Ja, ihre Inhalte

waren drastisch und von ein paar Dingen war es mir lieber, er würde sie nicht erfahren. Aber es stand mir nicht zu, ihm die Entscheidung, ob er sie lesen will oder nicht, zu nehmen. Ich weiß, dass er welche gelesen hat. Nicht alle, aber ungefähr die Hälfte. Die Wichtigsten. Darüber gesprochen haben wir nie. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorging. Aber einmal passierte etwas merkwürdig Schönes. Wie jeden morgen war das erste was ich tat voller Hoffnung mein Handy zu checken. Es war eine lästige Angewohnheit. Es gehört zu den schönsten Dingen auf dieser Welt, morgens eine Nachricht von einer geliebten Person zu be-kommen und ich wollte immer eine Nachricht von ihm haben, aber es passierte nie. Aber an diesem Tag stand mir der Schock ins Gesicht geschrieben. Im ersten Moment sprang ich zu-rück auf mein Bett, bevor ich mich vorsichtig zurück an mein Handy tastete und die Nachricht öffnete.

„Hey, ich wollte noch danke sagen, dass wir uns am Donnerstag normal unterhalten konnten.“ Was war das? Es war süß. Und gleichzeitig be-ängstigend. Es machte mich glücklich… und traurig. Hatte er so Angst vor mir gehabt… oder war das etwa sein lange ausgebliebener Ver-such, sich wie ein Freund zu benehmen? Tat er das für sich… oder für mich? Und am Wichtig-sten… was sollte ich darauf antworten? Letzendlich ergriff meine ironische Seite die Oberhand: „Naja, wütend anschweigen gefällt uns beiden nicht besonders gut, oder?“ „Ja.“ Die neue Nummer eins meiner Sammlung von seltsamen Unterhaltungen. Die Zeit, in der unser Verhalten genauso blieb, wie dieses Gespräch, schien ewig anzuhalten. Wir trauten uns nicht. Ich traute mich nicht. Und obwohl wir nach außen wirkten, als wäre bei uns alles wieder in bester Ordnung, machte

ihn anzusehen mir unsagbare Angst. Auf einer Klassenfahrt, bei der man ausgelassen und glücklich sein kann, kam genau das in mir durch: Der Wunsch nach Glück. Und es gab kein Glück für mich außer ihm. Die ewige Zeit des verrückten Schweigens sollte enden, deshalb schrieb ich ihn an. Und ich schrieb genau das. Es machte mich glücklich ihn anzuschreiben, deshalb wollte ich das wieder tun. Er war dem nicht abgeneigt. Es war meine verdammte Ironie, die dem ein schnelles Ende setzte… nur einen… vielleicht zwei Tage später. „Du bist ohne mich Ski gefahren?“ – etwas, das wir… als alles noch einfach war, uns schon ewig vorgenommen hatten. „Ja, aber wir müssen trotzdem irgendwann zusammen Ski fahren“ – sagte er das für sein Gewissen oder für sein Herz? „Jetzt komm mir nicht so. Also ich fahre

Dienstag Ski…. Ohne dich.“ – Ich konnte nicht ernsthaft sauer sein, denn ich hatte dasselbe vor. „Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“ – jetzt war er sicher abgenervt. „Ist nicht so ernst gemeint, du kannst es mir im Moment nicht recht machen, aber versuch es ruhig weiter.“ – Ironie. Verdammte, verdammte Ironie. „Dann lasse ich es lieber gleich sein und verwende meine Energie für was Anderes.“ – Autsch. Ein furchtbares, lautes… Autsch. Ein sehr detailliertes Beispiel von Anfang Februar. So was kam immer wieder vor. Wenn ich noch wüsste, wie wir es immer wieder geschafft haben, uns zusammenzuraufen… und uns dann doch wieder zu zerstreiten. Alles war anders – wir hatten etwas verloren, was diese Freundschaft so besonders gemacht hatte… unsere Freiheit. Nein, wir waren nicht frei. Vieles blieb ungesagt und dennoch waren unsere

Gespräche geprägt von Missverständnissen. Aber ich wollte davon überzeugt bleiben, dass wir es schaffen konnten. Um das … um ihn wurde ich beneidet und ich würde ihn niemals aufgeben. Das Einzige, was uns noch im Wege stand, waren nichts als Missverständnisse. Wenn wir sie ausräumten, würde alles wieder werden wie es war. Also bat ich ihn, zu einer Zeit in der wir uns über belanglose Dinge unterhielten und uns dadurch angeblich verstanden, dass ich mir eine ehrliche Aussprache wünschte. Es gab so vieles, was ich ihm sagen wollte. Wie verwirrt ich war, weil ich nach so langer Zeit plötzlich diese Gefühle hatte, sie aber trotzdem nicht meine Denkweise über unsere Freund-schaft beeinflussten. Wie leicht es für ihn war, mich zu verletzen. Wie unglaublich wichtig er mir geworden war. Wie sehr ich mir doch pri-vate Treffen wünschte, die aber überhaupt nichts mit einem Date zu tun haben mussten.

Und es gab so vieles, was ich wissen wollte oder besser gesagt musste. Hatte er denn jemals eine Freundin in mir gesehen? Wie wichtig war ich ihm überhaupt… kam es auch nur annähernd an meine Sichtweise über uns heran? Und un-glaublich wichtig war mir… was war mit Malin? Sie war mir so ähnlich… nur besser. Sie könnte mich sofort ersetzen. War es das, was er suchte? War es für ihn so leicht? Seine Reaktion war die Antwort auf all meine Fragen: „Ja, das sollten wir wirklich mal machen. Mach dir keine Sorgen, du zwingst mich zu nichts. Wenn du das brauchst, mache ich das gerne. Können uns ja mal in ein Café setzen oder so.“ Und plötzlich erschien mir das ganze Treffen absolut überflüssig. Ich musste ihm nichts sagen und er musste mir nichts sagen. So viel ich auch in letzter Zeit geweint hatte und so sehr ich auch dachte, mein Körper müsste schon längst

verdursten, meine Augen quollen über vor Glück. Ich war jetzt schon fest davon überzeugt, dass es auf der Welt kein glücklicheres Mäd-chen als mich geben konnte. Doch genau jetzt, wo ich die Chance auf ein privates Treffen hatte, sagte ich, es wäre nicht nötig. Was genau dabei in meinem Kopf vor-ging, kann ich nicht sagen. Vielleicht hatte ich zu viel Angst ihn zu bedrängen… vielleicht hatte ich auch zu viel Angst vor der Reaktion von meinen Freunden, weil zusammen ins Café gehen so ein Date-Flair hatte. Aber ich sagte ihm, dass mir ein Telefonat reichen würde. Und es ging nicht. Alles, was ich sagen, alles, was ich fragen wollte … soviel es auch war, es ging nicht. Die einzigen neuen Erkenntnisse zu denen ich mich doch durchringen konnte, waren, dass er mich nicht durch Malin ersetzen wollte und dass er mich ‚als eine Freundin, aber eben nicht als mehr’ sah. Das schloss auch mein ‚bester Freund’ – Gefühl aus und es hätte

eigentlich enttäuschend sein müssen, aber ich war nicht enttäuscht. Ich war nicht mal dazu in der Lage ernst zu bleiben und ein wahres Gespräch zu führen. Denn ich konnte nicht traurig sein, solange er mich ansah. Ich konnte nicht über schreckliche Themen sprechen, solange er freiwillig seine Zeit mit mir ver-brachte. Mit mir. Allein der Gedanke daran zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht, wo es doch nichts Schöneres gibt, als das Interesse der Person zu haben, die man liebt (obwohl es sich dabei größtenteils nicht mal um romantische Liebe handelt). Er gab mir plötzlich das Gefühl, etwas wert zu sein. Es war meine Art, mir schnell Sorgen zu machen. Ich suchte Fehler in meinem Verhalten, auch wenn es keine gab, zum Beispiel wenn jemand mir nicht sofort antwortete. Aber er war im Schulstress und er beruhigte mich: „Du denkst nur zu viel. Können gleich nochmal

telefonieren.“ Er war für mich da. Deshalb dachte ich mir nicht allzu viel dabei, wenn er nicht immer gleich antwortete… vielleicht wäre es dieses eine mal richtig gewesen, mir meine Sorgen genauer anzuhören. Einzelheiten unserer Freiheit tauchten wieder auf. Wie der perverse Emoji mit dem verschmizten Grinsen auf WhatsApp… wir gaben ihm keine tiefere angst-einflössende Bedeutung mehr, sondern er kam einfach zurück, so wie er früher da gewesen war. Und einmal im Tanzkurs legte er seinen Arm auf meine Schulter, während wir auf den nächsten Tanz warteten. Einen Monat war es auf diese Art gut gegangen, mehr als gut, es wurde immer besser. Denn diese Gesten bedeuteten mir so endlos viel. Sie bedeuteten für mich, dass er keine Angst mehr hatte, mir wehzutun. Und wenn er mich behandelte, als müsste er sich keine Sorgen um mich machen, hatte er auch automatisch absolut keinen Grund mehr dazu. Wir fanden unser Gleichgewicht. Doch es war

genau dieser Tag. Dieser Tag, an dem er mir mit dieser kleinen, nach außen so unbedeutenden, Geste zeigte, dass wir es schaffen konnten… an dem meine Welt – unsere Welt – auseinander-brach. Erneut. Ein letztes und endgültiges mal. In unserem Tanzkurs haben wir feste Partner für den jeweils ersten Tanz des gesamten Kurses und nach der Pause. Doch ich bat ihn, diese ungeschriebene Regel zu brechen und statt seiner Schwester mir den ersten Tanz nach der Pause zu schenken. Ein freiwilliger Tanz war soviel schöner, als einer, der durch zufällige Wechsel zustande kam. – „Können wir. Mir egal.“ Mir egal war nicht unbedingt gut, aber auch nicht schlecht. Wenn er es nicht wollte, würde er es sagen. Das sah mein Bruder alias mein Tanzpartner offenbar genauso, denn er hatte das ganze mitgekriegt und daraufhin Elena, eine Freundin von uns aus Kindergarten-zeiten, aufgefordert. Doch es kam nicht so. Seine Schwester bestand auf ihn. Und sein

„Egal“ machte daraus eine mehr als nur pein-liche Situation, bis ich schließlich nachgab. Ich wollte wütend auf ihn sein. Vorallem als er beim nächsten Tanz zu mir kam und sagte „Das hätte jetzt zuviel durcheinander gebracht“. Ich hatte den ersten Tanz nicht mit meinem Bruder getanzt. Wegen seinem „Egal, egal“ und noch-mal egal. Es war schon längst durcheinander gewesen. Doch dann kam Wiener Walzer, er zog mich näher und sagte: „Komm schon, Wiener Walzer, Tradition“ und ich wurde weich.

Wie konnte ich wegen so einer Kleinigkeit wütend auf jemanden sein, mit dem ich eine eigene Geschichte hatte? Mit dem ich so viel mehr hatte als nur den ersten Tanz nach der Pause. Also öffnete ich die Tür, lies seine Worte zu mir durch dringen, lies ihn zu mir durch dringen. Was machten schon seine Fehler, wenn er hier bei mir war? Die Antwort darauf fiel mir wieder ein, sobald er nicht mehr bei mir war. Diese Augen, dieses

Gesicht, dieser Junge… er berauschte mich. Ich vergaß alles, wenn er sich mir zuwandte. Da ich einerseits keine Lust hatte, wieder einen un-nützen Streit vom Zaun zu brechen, er aber andererseits wissen sollte, dass die Aktion von ihm alles andere als okay war, schrieb ich ihn nochmal ohne böse Absicht an: „Ich verstehe im Nachhinein null, wie ich dir das durchgehen lassen konnte. Hast du irgendeinen geheimen Gabriel-Charme benutzt? Es wäre einfach besser gewesen, du hättest von Anfang an gesagt ‚es bringt zuviel durcheinander’, denn so war es das schon längst.“ Aber er verstand mich nicht. Und er verstand meine Ironie nicht. Und er tat etwas altes, typisches, von dem ich gehofft hatte, er hätte diese Gewohnheit endlich abgelegt. Er bezog alles auf meine Gefühle zurück. In seiner Welt war das ‚durcheinanderbringend’ kein Wort mehr, dass er selbst in dieser Situation gesagt hatte, sondern mich brachte es durcheinander,

dass er meine Gefühle nicht erwiderte. Er warf mir vor, ich würde es immer noch bei ihm versuchen. Ich wusste nicht, was es sein konnte, dass ihn störte. Ich wusste nicht, wie und wann ich ihn bedrängte. Und ich wusste nicht, mit wem ich gerade schrieb. Ich wünschte mir, es wäre nicht er, der sein Handy in der Hand hatte. Aber die Gespräche waren zu sehr von Details geprägt, als dass es jemand anderes sein könnte. Ich kannte ihn nicht. Ich erkannte ihn nicht. Was ich auch sagte, im angestrengten Versuch, ihn – uns nicht zu verlieren… er reagierte nicht darauf. Ich merkte, dass er es nicht hören wollte. Und so sehr ich auch versuchte, mich über ihn aufzuregen, weil er so sinnlose Sachen von sich gab. So sehr ich auch denken wollte, dass er es war, der den Verstand verloren hatte, in mir war nichts als Trauer und das würde er mir sehr bald, schmerzhafter als ich es ihm jemals zugetraut hätte, bewusst

machen. Ich war so glücklich. Ein neues Kleid, meine beste Freundin und so viele nette, liebe andere Menschen um mich herum und er schien ganz egal. Auch wenn er da saß mit der Krawatte farblich abgestimmt auf das Ballkleid seiner Geliebten. Ich bemerkte es, aber es war nicht wichtig. Ich bemerkte auch, dass er dasselbe tat wie immer: Wenn wir uns Angesicht zu An-gesicht gegenüberstanden war ihm unser Chat-verlauf egal und er tat so, als wäre nie etwas vorgefallen… und ich wollte gerne angesichts dieser Tatsache vor Wut kochen, aber auf wundersame Weise gelang es mir, ihn zu ignorieren und das war ein großartiges Gefühl. Ich war durch mit der Sache. Er verdiente mich nicht. Er verdiente meine Zuneigung nicht. Und er verdiente meine Tränen nicht. Ich rede noch mit der Freundin, die mir das angetan hat, aber ich wünschte, ich würde es

nicht tun. Jeder in der Tanzschule wusste, wie sehr er mein Herz berührt hatte… es genommen hatte… auch wenn ich nicht darüber sprach. Es war ein offenes Geheimnis. Elena – ja, die Freundin, die mich kannte, seit wir zusammen im Kindergarten gewesen waren – forderte ihn auf. Wie Malin. Nur anders… schlimmer. Sein Blick traf meinen nicht. Er suchte ihn. Gabriel suchte nach mir. Diesen Blick werde ich nie-mals vergessen. Eis. Kälte. Ich würde erfrieren. Ich würde von innen heraus erfrieren.

Angefangen mit meinem Herzen. Das alles sah ich in seinen Augen. Abscheu und… Triumph. Ich will Elena hassen, weil sie ihm diese Gelegenheit geboten hat. Die Gelegenheit, stärker zu sein als ich… die Gelegenheit, mich zum zerbersten zu bringen. Aber in einem Herzen, das so von Trauer überwältigt wird, ist kein Platz für Hass.

Schluss

Ich weiß nicht, was als nächstes passieren wird. Es sind Osterferien und deshalb habe ich Gab-riel seit diesem Tanzabend nicht mehr gese-hen… Es tat gut, alles was uns verbunden hat, aufzuschreiben. Es tat gut, mir selbst darüber klar zu werden, wer er ist und wen er aus mir gemacht hat. Er ist so vieles: Ein guter Tänzer, ein guter Zuhörer, ein Idiot und ein Arschloch. Eines ist er sicher nicht: Ein guter Freund. Ja, wir hatten unsere Momente, ja, wir hatten Spaß, ja, er telefonierte mit mir, weil ich ihn darum bat. Aber letztendlich hörte er doch nur hin, aber nicht zu. Denn alles, was ich ihm ge-sagt und alles, was ich ihm geschrieben habe, fand keine Bedeutung. Er versprach… doch weiter kam er nie. Ich habe keine Fehler gemacht. Und falls du doch welche gefunden hast, vergiss sie. Wenn ich ihm niemals gesagt hätte, dass ich in ihn

verliebt war, wäre das alles nie passiert… Wenn ich nicht ironisch gewesen wäre, hätte es auf-gehört… Wenn ich ihm nichts vorgeworfen hätte, hätte auch er mir nichts vorwürfen müssen… Aber dann wäre ich noch immer mit einer Person befreundet, der nichts an mir liegt. Ich werde abschließen. Ich schreibe den Schluss. Unsere Geschichte endet hier. Nicht weil mich jemand dazu zwingt, sondern weil ich es entscheide. Nein, ich habe das alles nicht mit einem geheimen Zaubertrick, den ich dir verraten könnte, verarbeitet. Und ja, es wird weh tun – sehr sogar. Und nein, ich fühle mich in keiner Weise bereit, ihm gegenüber zu treten, aber das werde ich sein, weil ich es sein werden muss. Was ich mit dieser Geschichte erreichen will ist, dass du siehst, dass du nicht alleine bist. Ich will dich daran erinnern, dass du stark bist. Die Liebe tut weh, ich weiß das. Aber schließ

sie deswegen nicht aus. Schließ uns nicht aus! Du. Bist. Stark. Gerade weil du liebst. Du kannst lieben. Jemand, der dir mit Absicht solche Schmerzen zufügt, wird niemals wissen, was dieses Wort wirklich bedeutet und das macht sie zu einer schwachen, bemitleidens-werten Person. Ganz im Gegensatz zu dir. Ich danke dir, weil du mir zugehört hast und für mich da warst.

Anhang

Brief vom Dezember vor Weihnachten, bevor ich mich gezwungen fühlte, es ihm doch zu sagen. Er wurde ihm gegeben, aber nicht gelesen. Gabriel… Ich weiß wirklich nicht, wie ich anfangen soll. Ich habe so etwas noch nie gemacht. Normalerweise war ich immer so offen mit meinen Gefühlen, dass ich sie wenn überhaupt direkt der Person mitgeteilt hab. Ich weiß schon vorher, dass du das hier niemals lesen wirst. Wieso sollte ich das denn auch wollen? Wozu? Damit du mich hasst? Damit du nie wieder mit mir sprichst? Ich weiß gar nicht was besser wäre… nicht mit dir zu reden, aber dafür zu wissen, dass du weißt, was mit mir los ist oder mit Schmerz in der Augen mit dir befreundet zu sein. Selbst wenn du das jetzt lesen solltest, verstehst

du es sicher nicht… das tu ich selber nicht mal. Aber wahrscheinlich weiß es wieder jeder… bis auf mich selbst. Gabriel, ich… ich habe dir immer und immer wieder gesagt, dass du dir keine Sorgen machen musst. Ich habe dir gesagt, dass ich mir keine Sorgen mache. Und dass ich nicht in dich verliebt bin. Ich war davon überzeugt. Ich habe dir nicht einfach etwas vorgemacht, etwas Falsches geantwortet, damit du zufrieden bist, ich habe es selbst geglaubt. Es tut mir leid, dass ich in der Vergangenheitsform schreibe. Es ist so… wenn ich nicht verliebt bin… dann verstehe ich nicht, dass es so weh tut. Ich wusste immer, dass es jemanden gibt, in den du verliebt bist. Aber seit ich weiß, wer sie ist… ich kenne sie nicht – also nur vom Sehen – und sie war mir schon immer egal, aber jetzt… jetzt hasse ich sie. Ich hasse sie. Manchmal denke ich „Hey, was zur Hölle stimmt eigentlich nicht mit dir? Das kann doch

nicht dein Ernst sein.“ Weil ich nicht verstehe, dass ich solche Gefühle habe… für jemanden den ich schon gefühlt ewig kenne und für den ich niemals auch nur den Ansatz eines Gefühls hatte. Weißt du eigentlich, wie unsympathisch du mir warst, als wir uns noch nur vom Sehen kannten? Ich konnte mir nie etwas vorstellen und wenn ich ehrlich bin, stolpere ich immer noch über manche Fantasien (denk jetzt nicht falsch von mir, nichts Versautes). Und dann denke ich „Okay… ist doch alles in Ordnung. Ich kann nicht verliebt sein, nicht in ihn.“ Und doch muss ich mir jeden Abend – wirklich jeden – immer und immer wieder sagen „Hör endlich auf zu Weinen. Wein nicht – nicht wegen ihm.“ Aber ich tu es. Die Diskussion in meinem Kopf dreht sich im Kreis, es geht jeden Tag von vorne los. „Ich glaube… ich glaube, ich habe mich verliebt.“

„Und jetzt? Was erwartest du davon?“ „Liebe kann mir Glück bringen. Er kann mir Glück bringen.“ „Hast du nicht etwas vergessen?“ „Was vergessen? Er hat keine Freundin oder so…“ „Ja, aber er ist verliebt. Und zwar schon lange. Und nicht in dich.“ „Aber ich… vielleicht…“ „Vielleicht was? Du glaubst doch wohl nicht du könntest das ändern? Du kleiner Träumer. Gib ihn auf.“ „Er mag mich.“ „Sicher. Aber du bist und bleibst nur eine Freundin.“ Sie ist wie ein Echo – die Stimme in meinem Hirn, meine Vernunft meine ich. „Er ist verliebt. Und zwar schon lange. Und nicht in dich. Nicht in dich. Nicht. In. Dich. Du bist und bleibst nur eine Freundin. Nur. Eine. Freundin.“

Ich will das trotzdem nicht verlieren. Versteh mich nicht falsch. Aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich hab keine Ahnung. Und wenn ihr wirklich in meinen Kurs kommt, wie ich letztens gehört hab, krieg ich einen Anfall. Nicht, weil ich dich jede Woche sehe. Das wäre eigentlich echt toll. Eigentlich. Aber wie soll ich dir dabei zusehen, wie du ihr schöne Augen machst? By the way hast du echt schöne Augen. Eindringlich… man kann sich darin verlieren. Entschuldige, aber im Ernst… das würde ich nicht aushalten. Ich würde ihr gegenüber bestimmt wahnsinnig unfreundlich sein. Ich meine… wieso steht ihr einfach so zu, was ich mir sehnlichst wünsche? Andererseits… wieso sollte es mir auch zustehen? Was habe ich schon jemals für dich getan? Was habe ich schon jemals für mein eigenes Glück

getan? Es tut mir leid, dass ich so ehrlich geworden bin. Und es tut mir auch leid, dass ich mich ständig entschuldige. Gefühle zu zeigen ist für mich etwas Falsches. Wir sehen uns bald und du wirst von nichts wissen. Genau wie es sein soll. Gedicht von der Klassenfahrt im Februar, kurz bevor ich entschied, ihn erneut anzuschreiben: Titel: „Alleine“ Eine Träne, durchs Gesicht, eine Träne, nur für dich, eine Träne, für den

Schmerz, einTräne, für dein Herz. Geb’s einen Blick, der mir reicht, geb’s einen Blick, wär’s so leicht, geb’s einen Blick, nur für mich, geb’s einen Blick, hätt’ ich dich. Nur Eins wünsch ich, dich bei mir, nur Eins wünsch ich, Eins von dir. Versagt bleibt mir, genau das Eine, drum bleibe

ich, ohne dich… Alleine. Brief von Anfang März, nach unserem ersten gescheitertem Versuch uns auszusprechen.

Er wurde ihm nie gegeben. Gabriel, Ich weiß, was los ist. Auch wenn ich am Tag ein Sonnenschein bin. Auch wenn ich da bin und tanze und lache und strahle… Am Abend bin ich ein anderer Mensch. Und ich wünschte, du könntest mich auch mal so sehen, weil es doch das ist, worum es geht. Ich muss befürchten, dass du mir nicht glaubst. Es ist ja auch nicht glaubwürdig, wenn ein augenscheinlicher Sonnenschein wie ich erzählt, er wäre depressiv. Aber Gabriel, bitte sieh mich an. Denn für mein Lachen – das Einzige, was du von mir zu sehen

bekommst – gibt es nur einen Grund und der bist du. Aber nicht ich. Mein Lachen heißt nicht, dass ich lache. Es heißt nicht, dass ich glücklich bin. Sieh dir nicht das Spiegelbild deiner Handlungen an, sondern mich. Denn ich weine. Ich weine. Und ich kenne den Grund. Oh Gabriel. Du bist ein beliebter Junge. Du hast hier und dort und überall Freunde. Das Wort ist bedeutungslos. Es dauert ewig, bis ich jemanden einen Freund nenne. Und du hast es trotzdem geschafft, dass ich dich einen guten Freund nenne. Oder… den besten unter den männlichen. Schon lange bevor das Drama ausgebrochen ist, hattest du so einen hohen Wert für mich. Solltest du mich nicht verstehen, sage ich es noch einmal gerade heraus: Ich will ein Teil deines Lebens sein. Es gelingt mir nicht, bei der geringen Bedeutung des Wortes ‚Freund’ ein ‚gut’ mit

davor zu setzen. Ich kann nicht eine von vielen sein. Das werde ich einfach nicht schaffen. Ich fordere so viele, so miese Dinge… Aber das sind die Dinge, die mich wach halten und ich weiß mir nicht anders zu helfen als mit Ehrlichkeit. Ich weiß nicht, was ich mir davon erhoffe. Du wirst mich nicht plötzlich mehr mögen bzw. mich als mehr bezeichnen, nur weil ich dies schreibe, aber vielleicht wirst du mich verstehen. P.S: Es gibt noch andere Briefe, welche er gelesen hat, welche aber für den Verlauf der Geschichte, für die Weise, wie ich sie wiedergegeben habe, nicht wichtiger sind, als die zwei Beispiele, die ich genannt habe, auch wenn diese ungelesen geblieben sind. Die Geschichte ist durch und durch wahr, es

wurde nichts hinzugefügt, nur einige Details sind natürlich dadurch, dass es sich um eine Kurzgeschichte handeln sollte, verloren gegangen. Die Briefe sind original und unverändert. Die Namen wurden verändert. Titelbild von the drawn legend Danke, dass du so schnell eingesprungen bist!

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Über den Autor

CaroFalke
Mein Name "Carolin Falke" ist nicht mein echter Name, sondern ein Deckname bzw. Künstername da ich gerne (erstmal) anonym bleiben würde :) .
Geschichten geschrieben habe ich schon immer. Ich bin sogar schon in der Grundschule immer mit einem Heft rumgerannt und habe mir irgendetwas ausgedacht. Meine Mutter schreibt auch, also habe ich das wohl von ihr. Inzwischen bin ich fast 17 Jahre alt und freue mich, bereits erste Werke öffentlich gemacht zu haben!
Ich suche mit meinen Geschichten keinen Ruhm, sondern versuche mich selbst auszudrücken, mich zu finden und anderen dabei zu helfen, es mir gleichzutun.

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Feedre Meiner Meinung nach eine sehr einseitige
Freundschaft...gut dass du Abstand genommen hast.
Liebe und Zuneigung kann man nun mal nicht
erzwingen.
Gut geschrieben!
LgF
Vor langer Zeit - Antworten
CaroFalke Danke!
Ja, gerade zum Ende hin habe ich immer mehr bemerkt, dass ich sagen kann was ich will und nie zu ihm durchdringen werde, weil er es letztendlich nicht verstehen will.
Darum bin ich umso glücklicher, wenn andere erkennen, wo das Problem liegt und mich unterstützen :-).
Vor langer Zeit - Antworten
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