Kurzgeschichte
Aus Liebe auf den Strich

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"Seine Masche ist immer die Gleiche. Und immer wieder hat er Glück damit"
Veröffentlicht am 31. März 2018, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Seine Masche ist immer die Gleiche. Und immer wieder hat er Glück damit

Aus Liebe auf den Strich

Titel

Der Blick in den Spiegel, als würde eine Fremde vor mir stehen. Das sich meine Eltern von mir abgewendet haben, kann ich sehr gut verstehen. Wobei ich mich, ehrlich gesagt, frage, ob sie wirklich nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, oder… Als ich noch Kind war, mussten wir an einer bestimmten Straße vorbeifahren, um zu meinen Großeltern zu kommen. Irgendwann hatte ich meine Eltern gefragt, was das für Menschen sind und was die dort machen. „Sie bieten sich Männern an. Hätten sie damals besser in der Schule

aufgepasst,...“, sagte mein Vater. Ich hatte nicht weiter zugehört, weil mein Interesse plötzlich etwas Anderem galt. Nämlich einer alten Lady und ihrem Hund, der straff an der Leine zog und sie zum Umfallen brachte. Ich musste unwillkürlich lachen. Meine Großeltern sind in der Zwischenzeit verstorben. Erst meine Oma und kurz darauf mein Opa. Es muss wahre Liebe gewesen sein. Denn es waren nur wenige Stunden gewesen, bis mein Opa meiner Oma gefolgt war. Damals hatte es sehr wehgetan. Jetzt bin ich ganz froh, das sie das Elend ihrer Enkelin nicht mit erleben müssen. Das hätte sie garantiert

umgebracht. Mit ungefähr zwölf Jahren hatte ich meinen Busen bekommen. Ich war die Erste, in unserer Klasse, die Kurven hatte und daher die Blicke der Jungs bekam. Doch schon ein halbes Jahr später zogen die anderen nach und ich war wieder die, die ich vorher war. Ein unscheinbares Mauerblümchen, für das sich kein Junge interessierte. Und dann kam Peter. Da war ich aber schon sechzehn. Peter sah heiß aus. Kein Wunder, das er von allen Mädchen angehimmelt wurde. Seine Haut war leicht angebräunt und makellos. Er hatte einen muskulösen Oberkörper und ein traumhaftes Lächeln,

das seine blendend weißen Zähne zum Vorschein brachte. Und ausgerechnet mich machte er zu seiner Freundin. Sehr zum Verdruss der anderen, die es sich nicht nehmen ließen, mir ihre Missgunst zu zeigen. In den Hofpausen stellte er sich zu mich und machte mir Komplimente über mein Aussehen und meine Art. Ich dusselige Kuh war darauf hereingefallen und verknallte mich daraufhin in ihn. Auch meine Eltern waren von ihm begeistert. Obwohl er schon einmal sitzengeblieben und zwei Jahre älter war, als ich, sprach mein Vater nur gut über ihn. „Er gibt eben nicht gleich auf, so wie andere.“, sagte er und dachte dabei an

seinen Bruder, der die Abschlussprüfung nicht bestanden hatte und sich seit dem als Hilfsarbeiter durchs Leben schlägt. „Immerhin sorgt er selbst für sein Lebensunterhalt und bettelt nicht Vater Staat an.“ Peters Charme sorgte dafür, das er alles bekam, was er wollte. Zum Beispiel: Vertrauen. Meine Eltern vertrauten ihm voll und ganz. Auch ich vertraute ihm zu hundert Prozent. Glaubte ganz fest, das er mich wirklich liebte. Deshalb gab ich mich ihm auch freiwillig hin, als er mich fragte, ob ich mit ihm schlafen möchte. Danach ging es steil bergab. Er hatte es geschafft, das ich ihm völlig hörig geworden war. Ich zog bei meinen

Eltern aus und bei ihm ein. Kurz darauf kam er mir mit einer völlig konfusen Geschichte, die damals vollkommen plausibel und logisch klang. Er hatte Geldsorgen und bat mich darum, mit einem seiner Freunde zu schlafen. Zuerst hatte ich Einwende, aber die nahm er mir, mit seinem treuen Hundeblick. Ich weiß, es war dumm von mir, das zu tun. Doch damals war ich Hals über Kopf verliebt gewesen. Und ihm hörig. Alles hätte ich für ihn getan. Sogar einen Mord hätte ich für ihn begangen. Wahrscheinlich hätte ich sogar meine Eltern umgebracht, wenn er mich darum gebeten hätte. Erschreckend, aber wahr. Gestern wurde ich achtzehn. Anstatt groß

zu feiern, lag ich Stunde um Stunde vollgedröhnt auf dem Rücken. Ließ mich von jedem vögeln, während ich auf einer Woge der Glückseligkeit dahinschwebte. Die wunderbare Welt der Drogen, ohne die ich pausenlos schreien würde. Unzählige Male habe ich versucht abzuhauen. Doch Peter und seine Freunde waren bisher immer schneller, als ich. Mehrfach habe ich versucht mich umzubringen. Aber jedes Mal kam irgendwer und „rettete“ mir das Leben. Ich habe mir die Pulsadern aufgeschnitten, meinen Hals zugedrückt, stand auf dem Dach,… Wir alle, die hier stehen, waren auf seinen Charme, oder den Charme eines

anderen, hereingefallen. Jede war erst von ihm entjungfert und dann auf den Strich geschickt worden. Und fast wöchentlich stößt neues Blut zu uns. Darunter sind Mädchen, die gerade erst in die Pubertät gekommen sind. Viele von denen sehe ich nur einmal und dann nie wieder. Ich weiß nicht, was mit ihnen ist. Wir erfahren nichts. Wenn ich jetzt zurückdenke, an die Fahrt zu meinen Großeltern, habe ich ein ganz anderes Bild von den Frauen, die in der bestimmten Straße stehen. Auch sie waren auf den Charme eines gut aussehenden Mannes hereingefallen. Ebenso hatte er ihnen erzählt, das er Geld braucht und sie ihm helfen könnte,

indem sie mit einem anderen schläft. Und so wie wir, waren sie so dumm gewesen, es zu tun. Weder brauche ich Mitleid, noch möchte ich welches haben. Ich möchte einfach nur zu verstehen geben, das es Gründe und Hintergründe gibt, warum manche auf den Strich gehen. Die einen tun es, weil sie damit schnelles Geld machen, ohne sich großartig anstrengen zu müssen. Andere sind reingeraten, weil sie vertraut hatten. Typen, wie Peter, gibt es überall. Ebenso Mädchen, wie ich eines war; Mauerblümchen mit mangelnden Selbstbewusstsein. Ich sehe für mich keine Zukunft. Bis zum ende meiner Tage werde ich vollgedröhnt

auf den Rücken liegen und mich von jedem vögeln lassen, anstatt Mutter zweier Kinder zu sein, wie ich einst geträumt hatte.

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Lorenzoni tolles Buch! Was macht man nicht alles aus Liebe?
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