Eine lange Tour nach Berlin
Kurz vor halb sechs zottelt die S7 von Babelsberg in Richtung Wannsee.
Mein Gegenüber lässt mich an seinem Telefonat teilhaben. Eigentlich stört er meine Gedanken.
Nebenan verfällt eine Frau nach ihrem ausgiebigen Talk mit einer Freundin am Handy ins Französische. Offenbar ist ihr Begleiter aus RF.
Halt in Griebnitzsee. Neue Fahrgäste steigen zu. Warum wundere ich mich noch, wenn einer nicht sofort das Smartphone zückt und darauf herum
wischt?
Die S1 ab Wannsee ist trotz Feierabend übersichtlich gefüllt. Draußen neigt sich der Tag seinem Ende und die Lichter an der Straße vis a vis gehen an.
Ich spüre gern diese Weite der Stadt und sehe mich an der wechselnden Bebauung satt.
Ein Plakat wirbt mit dem ALDI – Logo und dem Slogan „Unverschämt gut“.
Welchen Genuss bietet ein „Kaffee to go“ frage ich mich, während ein Neuzusteiger etwas trinkt, dass hellbraun und halb kalt aussieht. Ab und an stört mich die Kopfnote eines Deos oder Parfüms, welches das Abteil durchweht.
In Lichterfelde – West steht immer eine
Verschiebelok auf dem Abstellgleis. Sicher hat sie auch Feierabend. Ein kleiner Junge hinter mir bedenkt die Lok mit englischem Slang als „Lokomotiv“.
Wenig später merke ich, dass sein Vater mit ihm in zwei Sprachen übt und ihm bestimmte Wörter vorgibt. Als beide aussteigen sehe ich, der Knirps ist maximal 4 Jahre alt.
„21. Juli – Botanische Nacht“ - im Botanischen Garten. Wieder ein mannshohes Plakat. Was mögen diese Formate pro Stück kosten?
In Steglitz steigt eine nette Frau ein und zückt – welch Wunder - ein elektronisches Lesebuch.
Dann passiert doch noch etwas
Aufregendes. Die U7 ab Yorkstraße fährt eine Station bis Möckernbrücke und dann ist Ende. Ab hier ist Schienenersatzverkehr und ich weiß nicht wohin. Der Bahnhof ist weitläufig und unübersichtlich und Personal ist nicht in Sicht. Einmal fahre ich falsch nach ganz oben, drehe um und frage in einem Kiosk. Der fremdländisch aussehende Mann kann fließend deutsch und sagt mir, wo es weiter geht. Der Bus vor dem Bahnhof hat nur hinten eine offene Tür, so kann man den Fahrer auch nicht mit einer Frage nach dem „Wohin“ belästigen.
Dann touren wir mit einem aufgeregten Fahrgast am Yorkschlösschen, meinem
Ziel, vorbei, passieren die Kreuzung und ich werde auf der Höhe Mehringdamm entlassen..
So lernt man Berlin kennen.
JFW 21.03.2018