Fantasy & Horror
Wolfsherz - Komplettfassung

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"Wolfsherz - Komplettfassung"
Veröffentlicht am 07. März 2018, 2446 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

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Wolfsherz - Komplettfassung

Wolfsherz - Komplettfassung

einführung


Lang, lang ist´s her!

Das ist eine uralte Fanfiction aus Skyrim von mir, für die immer noch mein Herzblut schlägt. Es tut mir wirklich in der Seele weh, dass ich diese Story nicht offiziell veröffentlichen kann, da außer der Idee und ein paar der Charaktere, nichts mir gehört, sondern alles den Erfindern von Skyrim, einem wirklich phänomenalem PC-Spiel.

Doch angesichts meiner Buchveröffentlichung von "Die Wölfe von Haven" wollte ich für alle, die gerne episch lange Storys lesen, und die sich

die Wölfe nicht kaufen wollen oder können, wenigstens "Wolfsherz" wieder in Erinnerung rufen. Man muss Skyrim nicht kennen um die Story gut mitverfolgen zu können.

Es ist auch nicht lektoriert und wird so einige Fehler aufweisen, was aber den Lesefluss hoffentlich nicht weiter stören wird.

Dann wünsche ich noch allen Lesern ein paar Taschentücher zur Sicherheit, viel Spaß und gute Unterhaltung!^^

LG Terazuma

01 Auftrag in Rorikstatt

Über einem verschlafenen Nest in Himmelsrand erklomm gerade die Sonne den Horizont und brachte den Morgentau auf den Gräsern zum Glitzern. Trotz des nahenden Sommers war es morgens immer noch kalt und teilweise trat den Auerochsen beim Atmen der Dampf aus den Nüstern, was von den immer noch niedrigen Temperaturen sprach. Himmelsrand war eines der kühlsten Länder Tamriels. Es war die Heimat der Nord, die Eis und Schnee trotzten und Lobeshymnen auf die raue Schönheit ihres Landes sangen. Es war ein herbes,

zerklüftetes Fleckchen Erde, dem tatsächlich ein Charme wilder Schönheit und unberührter Landschaft anhaftete. Schroffe Felsen, klare Flüsse, dichte Wälder und selbst heiße Quellen und dampfende Moore fand man in diesem Land, das wie seine Bewohner reich an Legenden und arm an üppigem Kapital war. Eine frische Brise wehte den Berghang zu den bebauten Feldern hinab. Die Luft erwärmte sich trotz des letzten Frühlingsmonats nur sehr langsam – hier, wie auch in den dichten Wäldern, die eine Gehstunde von Rorikstatt entfernt begannen. Rorikstatt war nichts anderes als eine Ansammlung von Gehöften und

einem Wirtshaus. Ein verschlafenes Nest von Bauern, die dennoch durch harte Arbeit aus dem kargen Boden Himmelsrands nahrhaftes Gemüse und Getreide hervorbrachten. Auch ein paar Ziegen und Auerochsen wurden hier gezüchtet, was dieser Stadt doch einen zumindest geringen Wohlstand ermöglichte. Aber die Bewohner waren ängstlich und keine Kämpfer. Nach den Wirren des Bürgerkrieges und der Bedrohung der Drachen im vergangenen Jahr, begann bei ihnen vorsichtige Hoffnung auf ein wenig Ruhe und Beschaulichkeit aufzukeimen, die jetzt aber erneut zu kippen drohte. Seit einiger Zeit

verschwanden immer mehr Ziegen auf unerklärliche Weise. Man fand auch keinerlei Spuren, die auf wilde Tiere, wie Bären oder Wölfe, hingewiesen hätten. Außerdem fehlten auch von den unzähligen Hühnern, die hier völlig frei herumzulaufen pflegten, sicherlich bereits die Hälfte. Es war ein Rätsel, welches die Bauern alle wieder furchtsam im einzigen Wirtshaus der Stadt zusammenkommen ließ. Als vor zwei Tagen auch noch einer der Knechte auf unerklärliche Weise verschwunden war, begann Rorik, der Großgrundbesitzer von Rorikstatt, endlich in Aktion zu treten. Da ging etwas nicht mit rechten Dingen zu, und

er wollte dafür Sorge tragen, diese Missstände zu beseitigen. Seine Leute hatten die letzten Jahre über bereits genug gelitten. Rorik war ein umsichtiger Mann und hatte sofort eine Notiz an die Gefährten geschickt, in der er die Umstände in ihrer Stadt erläuterte. Die Gefährten – so nannte sich die berühmteste Kriegergilde von Himmelsrand – waren die einfachste Lösung für solche Probleme. Wenn er sich zuerst an Jarl Vignar oder Großkönig Ulfric gewandt hätte, wäre nur wieder unnötig Zeit vergangen, bis vielleicht die benötigten Soldaten zum Schutz geschickt worden wären. Nein, die Gefährten waren hier nicht nur

schneller, sie waren auch effizienter. Bei ihnen konnte man sicher sein, dass sie sich ohne Umschweife um die Probleme kümmerten und diese auch zur vollsten Zufriedenheit lösten. Der Großgrundbesitzer strich sich über seinen Bauch. Er hatte gerade sein Früh Mahl verspeist, das er diesmal wieder in entspannter Weise vornehmen hatte können. Die Vertreter der Gefährten waren vor zwei Stunden bei ihm angekommen und hatten sich nochmals den Sachverhalt erklären lassen. Sie waren große Nord-Männer, die nicht viele Worte machten. Rorik hatte zuvor noch nie mit den Gefährten zu tun gehabt, sondern nur Anerkennendes über

sie gehört. Jetzt sah er sie und ja, sie verstanden es wirklich zu beeindrucken. Offensichtlich handelte es sich bei den beiden Männern, die so groß waren, dass sie sich sogar bücken mussten um durch die Tür zu kommen, um Zwillinge. Die Ähnlichkeit war erstaunlich, obwohl der Schweigsamere der beiden sogar noch gewaltiger wirkte als der Sprecher. Ihr Anblick allein ließ Rorik sämtliche Sorgen vergessen und ihr Preis war fair. Himmelsrand konnte sich wirklich glücklich schätzen, so eine Vereinigung ehrenhafter Kämpfer – dieser Ruf eilte ihnen voraus – zu besitzen. Während ihre Pferde von einem Knecht versorgt wurden, schüttelten die beiden

ihre Umhänge aus und setzten sich zu Rorik an den Tisch. Zuvorkommend lud er sie zu einem einfachen Mahl ein, was sie auch dankend annahmen. Ihr gesegneter Appetit ließ Rorik zwar kurz um seine Lebensmittel bangen, doch nachdem wie sie aussahen, wandelten sie die Nahrung wohl in direkte Muskelkraft um. Dass sie so früh hier angekommen waren, konnte nur bedeuten, dass sie die ganze Nacht durchgeritten waren. Sie wirkten dennoch nicht müde oder ausgelaugt. Die hellen Augen des Sprechers der beiden waren während ihrer Unterhaltung unverwandt auf Rorik gerichtet. Der Großgrundbesitzer fühlte sich unter

diesem Blick der außergewöhnlich hellen Augen wie gebannt. Doch dieser Krieger fragte einfach nur präzise nach den Umständen. Es lag keine Drohung in seinem Blick, aber auch keine übermäßige Freundlichkeit. Für diesen Mann zählten wohl nur Fakten. Sein scharfer Verstand, der sich unverkennbar in seinem klaren Blick wiederspiegelte, nahm alles sofort auf und schien sich auch jedes noch so kleine Detail einzuprägen. Der andere wirkte ein wenig lockerer als sein Zwilling und seine Augen hatten auch nicht diesen bohrenden und alles erfassenden Blick. Dennoch, dessen war sich Rorik sicher, sollte man auch ihn nicht unterschätzen.

Zumindest aß er für drei. Jedenfalls, nachdem die beiden Kämpfer Rorikstatt verlassen hatten, um sich ihres Problem anzunehmen, fühlte sich der Großgrundbesitzer wieder entspannt. Er hatte sichtlich das Richtige getan. ***** Der Schweiß tropfte Vilkas in die Augen. Das hier wurde härter als sie gedacht hatten. Noch waren sie nicht bis auf das Äußerste gefordert, aber er spürte, dass nicht mehr viel dazu fehlen würde. Mit einem gekonnten Hieb seines Zweihänders entledigte er sich gerade eines weiteren Gegners, als er Farkas

Rufe hörte. Das Klirren der Waffen übertönte die Worte seines Bruders. Doch Vilkas hatte den Bogenschützen, auf den Farkas hinweisen wollte, ebenfalls ausgemacht. Versteckt hinter dem dicken Stamm eines Baumes konnte er ungehindert seine Pfeile auf sie abschießen und da Vilkas näher an ihm dran war, würde es auch an ihm liegen, ihn auszuschalten. Mit einer Finte lenkte er seinen unmittelbaren Gegner ab und stieß dem Mann dahinter sein Schwert in die Brust. Dann rollte er ab, sprang auf und während er sich dabei um die eigene Achse drehte, ließ er seinen Zweihänder mit voller Wucht auf den

Abgeschworenen nieder, der sich bereits von seiner Finte erholt hatte. Sein gespaltener Schädel machte jede weitere Absicht von ihm nutzlos und er brach vor dem Krieger der Gefährten zusammen. So schnell er konnte zückte Vilkas jetzt seinen Bogen und visierte den Schützen an, der unaufhörlich seine Pfeile auf sie abschoss. Vilkas war zwar kein ausgezeichneter Bogenschütze, doch auf diese Entfernung reichten auch seine Künste. Seine durchtrainierten Muskeln ließen ihn den schweren Bogen mit Leichtigkeit spannen. Der Pfeil schnellte von der Sehne und Vilkas sah wie der Schütze seine Arme hochwarf, bevor er zusammenbrach. „Der ist erledigt“,

murmelte er und verstaute wieder seinen Bogen. Ein erstickter Schmerzenslaut, den sein feines Gehör in dem Moment aufschnappte, ließ ihn kurz innehalten. Gebannt lauschte er, doch es war nichts mehr zu hören. Ohne weiter darüber nachzudenken stürzte er sich erneut in das Kampfgeschehen. Farkas und er waren wie Anfänger in den Hinterhalt der Abgeschworenen gestolpert. Für diesen Auftrag hätten sie wohl noch einen weiteren ihrer Kameraden mitnehmen sollen. Doch mit dieser großen Anzahl der eigentümlichen Ureinwohner Himmelsrands hatte niemand von ihnen gerechnet. Die Bewohner von Rorikstatt

hatten die Gefährten angeheuert sich um Bedrohungen zu kümmern, die ihren ruhigen Ort heimsuchten. Gestohlenes Vieh und verschwundene Bewohner waren nur einige der Dinge, welche die Leute in Panik versetzten. Als Vilkas den Schilderungen des Großgrundbesitzers von Rorikstatt gelauscht hatte, hatte er bereits den Verdacht, dass sich eine Gruppe Abgeschworener in der Nähe der beschaulichen Stadt eingenistet haben musste. Diese ‚Ureinwohner‘ wie sie sich selber nannten, lebten fast noch wie vor tausend Jahren. Sie lehnten feste Häuser ab und ernährten sich ausschließlich von Wild, welches sie erjagten. Dazu

vollzogen sie die uralten Traditionen, durch die ihr Anführer – das sogenannte ‚Dornenherz‘ – eine Art unerschöpflicher Quell für die Wiederbelebung toter Krieger wurde. Die Kräfte, die so einem ‚Dornenherz‘ inne wohnten, waren gefürchtet. Doch bis jetzt hatten es die beiden Gefährten nur mit den einfachen Kriegern dieses Stammes zu tun bekommen. Das ‚Dornenherz‘ mussten sie noch unbedingt finden. Ein weiterer Angreifer stürzte sich auf Vilkas. Der Mann war ein erprobter Kämpfer der durch sein entbehrungsreiches Leben in der Wildnis gestählt war. Doch Vilkas machte mit ihm kurzen Prozess. Seine Wut, dass sie

wie Anfänger in diesen Hinterhalt gestolpert waren, half ihm dabei. Voller Angriffslust sah er sich um. Aber es waren nicht mehr viele ihrer Widersacher übrig. Ein Blick auf Farkas zeigte ihm, dass sein Bruder die Situation mit dem Rest voll im Griff hatte. Etwas anderes hatte er auch nicht von ihm erwartet. Es gab wohl keinen stärkeren Kämpfer als seinen Zwilling. Da drang erneut ein erstickter Schmerzenslaut an seine feinen Ohren. Es klang nach jemandem in höchster Not und Vilkas folgte den verhaltenen Schreien. Mit gezücktem Schwert brach er durch das Unterholz des Waldes. Er hätte wohl mit allem gerechnet, nur nicht mit dem, was er vor

sich sah, als er zum Ursprung der unterdrückten Schmerzlaute vorgedrungen war. Da saß oder viel mehr lag ein junges Mädchen mit blutigem Kleid und schmerzverzerrtem Gesicht gekrümmt auf der Seite. Ihre Hände hatte sie fest um ihren Leib geschlungen. Als Vilkas mit einem alles entschlossenen Gesichtsausdruck und erhobenen Schwert durch die Büsche sprang erschrak sie so heftig, dass sie mit einem kurzen Schrei ihre Hände vor ihr Gesicht warf. „Oh nein, nein!“, rief Vilkas. „Ich tu Euch nichts. Ich dachte Ihr seid in Not!“ Suchend blickte er sich um, doch kein Gegner war zu erkennen. „Wo ist Euer

Peiniger?“, fragte er irritiert. Das Mädchen hatte sich von ihrem Schock erholt. „Ich verstehe nicht was Ihr meint“, sagte sie, nur um danach heftig Luft zu holen. „Aber… Ich hörte doch Eure Schmerzenslaute, als würdet Ihr gequält werden und Ihr seid verletzt! Euer Kleid ist blutig!“, zeigte Vilkas auf die dunklen Flecken in ihrem Schoß. Da krümmte sich das Mädchen erneut zusammen und presste ihre Hände auf ihren Leib. Sie biss sich auf die Lippen, dennoch entkam ihr ein gequältes Stöhnen. „Bei den Neun! Es soll aufhören! Macht dass es aufhört, bitte!“, flehte sie.

Vilkas begann langsam zu ahnen, was da vor sich ging. Die Frau vor ihm war gerade dabei zu gebären – und das mitten im Abgeschworenen Gebiet! Mit einem Sprung war er bei ihr und drückte ihr seine Hand auf den Mund. „Bei Talos, seid leise!“, zischte er. Heftig nickte sie. Vilkas konnte ihren Schweiß unter seinen Händen spüren und die konvulsivischen Zuckungen ihres Leibes. Das brachte auch ihm den kalten Schweiß auf die Stirn. Er war gewiss ein guter Kämpfer, aber sicherlich kein guter Geburtshelfer. Und das Mädchen vor ihm sah so aus, als wäre sie bereits jenseits des Erduldbaren angelangt.

Gepeinigt richtete sie sich auf und fasste seine Hand, die sie so fest zusammendrückte, dass Vilkas seine Finger bereits absterben sah. „Nein“, hauchte sie und öffnete ihren Mund zu einem Schrei. Vilkas fasste mit seiner zweiten Hand nach, doch es war zu spät. Voller Pein gellte ihr Laut durch den Wald. Wenigstens ließ sie jetzt seinen Arm los, doch nur um ihre Hände noch fester auf ihren Leib zu drücken. Dunkel quoll das Blut zwischen ihren Schenkeln hervor und heftige Atemzüge leiteten wohl die letzte Phase der Geburt ein. Das Kleid war ihr bereits hochgerutscht und ihre überaus schlanken Beine stachen wie

weiße Zähne aus dem dunklen Grün des Waldbodens hervor. Vilkas kam nicht mehr dazu ihr weiter zu helfen. Wie erwartet hatte ihr Laut Krieger der Abgeschworenen herbeigerufen. Es waren nur drei Gegner, aber diese forderten Vilkas, da der Platz nur begrenzt war und er auch auf die Gebärende achten musste. So versuchte er die Abgeschworenen von ihr fern zu halten. Im Hintergrund hörte er die Schmerzenslaute der jungen Frau. Ihre in immer kürzer werdenden Zeitabständen folgenden, verhaltenen Schreie, machten ihm zu schaffen. Nach einem besonders qualvollen Laut beging er sogar einen Fehler, der ihm einen Schlag in die Hüfte

einbrachte. Ärgerlich versuchte er das Mädchen aus seinen Sinnen zu bannen und kämpfte weiter. Schließlich lagen seine Gegner tot auf dem Boden und er eilte wieder auf die Gebärende zu, die sich bleich und zitternd vor ihm wand. „Ihr müsst aufhören Euch zu winden!“, rief er und versuchte sie in eine bequemere Lage zu bringen. Er hatte zwar keine Ahnung davon, aber das kam ihm logisch vor. Vorsichtig lehnte er die Gebärende mit ihrem Rücken gegen einen glatten Felsen. Das Mädchen war sehr jung. Beinahe ebenfalls noch ein Kind. Hier hatte er es sicherlich mit einer Erstgebärenden zu tun und wahrscheinlich lief auch nicht alles glatt,

denn sie krümmte sich wieder und presste schreiend die Hände gegen ihren Leib. Verschwitzt hingen ihr die dunklen Haare ins Gesicht und heftig atmete sie ein und aus. Vilkas kniete sich zu ihr und versuchte sie zu stützen. Scheinbar war es wieder so weit. Sie krallte sich in seinen Arm und ihr gequälter, langanhaltender Schrei ließ ihm beinahe das Blut in den Adern gefrieren. Dabei hatte Vilkas schon viele Verletzungen gesehen und auch selbst erlitten. Doch hier war selbst jeder Heiltrank wirkungslos. Als die Verkrampfung das Mädchen verließ und sein Arm wieder etwas Blut bekam, zückte er seinen

Dolch und schnitt ihr die blutige Hose vom Leib. Soviel er wusste, brauchte ein Kind Platz, wenn es aus dem Körper austrat. Das Mädchen selbst war zu sehr im Schmerz gefangen, als dass sie irgendetwas anderes noch mitbekommen würde. Vilkas überlegte wie er ihr die Geburt nur irgendwie erleichtern könnte, als eilige Schritte ihn alarmiert hochfahren ließen. Doch es war nur Farkas, der durch die Büsche brach. Sein Bruder hatte ein ebenso empfindliches Gehör wie er. Das lag an ihrem Fluch, der sie unter anderem zwar mit besonderen Sinneswahrnehmungen segnete, dafür langsam aber sicher ihre Seele fraß.

„Was…“, fragte Farkas erstaunt und sein Gesichtsausdruck verriet, dass er versuchte diese Szene irgendwie zu erfassen. „Komm und hilf mir, Bruder!“, rief Vilkas. „Stütze sie hier im Rücken. Damit kann ich ihr vielleicht anders helfen.“ Doch ein dumpfer Schlag war alles was von Farkas übrig blieb. Als das Mädchen in ihrer Not ihre Beine anzog, einen gepressten Schrei ausstieß und ein Schwall Blut sich aus ihrem Schoß über den Waldboden ergoss, kippte er einfach um. Vilkas blieb keine Zeit mehr sich um seinen Zwilling zu kümmern. Das

Mädchen wurde schon rot im Gesicht doch der Krampf hörte nicht auf. Verzweifelt bemühte er sich ihren aufbäumenden Körper im Rücken zu stützen, während er mit der anderen Hand versuchte eines ihrer Beine noch weiter anzuziehen. Mit einem Schrei und heftigsten Atemzügen warf sie den Kopf zurück. Dann krampfte sie sich erneut zusammen und presste mit aller Kraft. Vilkas begann im Stillen zu fluchen. Außer sie zu stützen und ihre Beine zu halten, fiel ihm nichts anderes ein um ihr zu helfen. „Bitte…“, begann sie zu keuchen. „Ich kann nicht mehr!“ Ein markerschütternder Schrei folgte und

Vilkas spürte wie ihm ebenfalls beinahe das Blut entwich. Doch er wollte nicht wie Farkas enden. Beherzt holte er tief Luft und begab sich zwischen ihre Beine. Der Kopf des Kindes war während einer Presswehe tatsächlich schon leicht zu sehen. Wenigstens bedeutete das, dass kein Blut mehr nachkommen würde. Farkas rappelte sich neben ihm gerade auf. „Los, stütz sie endlich!“, fuhr er seinen Bruder an, der tatsächlich hoch taumelte und das Mädchen von hinten umfasste. Erneut krampfte sie sich zusammen und der Kopf des Kindes tauchte noch ein wenig weiter auf, doch dann blieb er stecken. Es ging nichts weiter. Auch nicht nach weiteren

Presswehen. Das würde das Mädchen nicht länger durchhalten können. Vilkas war kein Heiler, aber so viel war zu erkennen. Sie lag jetzt schon völlig fertig in Farkas Armen, der Vilkas hilfesuchend ansah. Eine erneute Wehe erfasste sie, doch sie hatte kaum noch Kraft. Vilkas setzte alles auf eine Karte. Entweder sie würde überleben, oder sie starb sowieso. „Los, presse!“, schrie er sie an und klatschte ihr hart seine Hand ins Gesicht. „Was tust du?“, fuhr Farkas auf, doch Vilkas ignorierte ihn. Stattdessen lehnte er sich mit seinem ganzen Gewicht auf den geschwollenen Leib des Mädchens und drückte ihn

hinunter, während er ihre Beine packte und hochzog. Die junge Frau unter ihm bäumte sich gequält auf und ein weiterer markerschütternder Schrei hallte durch die Wälder. Schließlich ging ein Ruck durch sie und mit einem Schwall Blut erblickte das Neugeborene auf dem kalten Waldboden das Licht der Welt. Ein erbärmliches, dünnes Quäken ertönte, und Vilkas rutschte vom Leib der Frau herunter um den kleinen Jungen, der ziellos mit seinen Ärmchen fuchtelte, vom Waldboden zu heben. Mit seinem scharfen Dolch durchtrennte er die Nabelschnur. „Sie ist bewusstlos“, meldete sich Farkas zu

Wort. „Lebt sie noch?“, fragte Vilkas kalt. Nach dem was sie durchgemacht hatte, würde es ihn wundern. Aber der Säugling war zumindest am Leben. „Ja.“ Damit stand Farkas auf und hob die junge Frau hoch, die völlig entkräftet und zitternd in seinen Armen lag. Jetzt schlug sie ihre Augen auf. „Mein Kind! Was ist mit meinem Kind?“ „Mein Bruder hat es.“, murmelte Farkas ihr zu. „Der Kleine ist wohlauf.“ Als wären das die befreienden Worte gewesen, sackte das junge Mädchen zusammen. „Und was jetzt?“, fragte Farkas an Vilkas gewandt. „Halt kurz.“ Damit legte er der

bewusstlosen Frau das nackte Kind auf den blutigen Schoß. Schnell schnallte er sich die Rüstung ab, zog sein Unterhemd aus und wickelte den Säugling darin ein. Es war trotz des wolkenlosen Wetters kalt genug um einem unbekleideten Neugeborenen den sicheren Tod zu bringen. Himmelsrand, das Land der Nord, war nicht gerade für sein mildes Klima berühmt. „Diese Wahnsinnige hatte nichts bei sich! Wie konnte sie nur glauben hier zu überleben?“ Rasch zog sich Vilkas wieder seine Rüstung über. „Vielleicht war sie auf der Flucht?“, mutmaßte Farkas. „Was auch immer. Wir haben jetzt eine verletzte Frau und ein Neugeborenes am

Hals. Und das mitten in der Wildnis. Ich gratuliere…“ „Wozu? Die Abgeschworenen sind noch nicht besiegt. Du weißt, dass wir ihr Dornenherz finden müssen. Ansonsten werden sie immer wieder aufs Neue zum Leben erweckt.“ „Ich weiß!“, fuhr Vilkas ihn an. „Deshalb bin ich auch so aufgebracht! Los, gehen wir.“ Es war nicht weit bis zu ihrem Lager, an dem sie ihre Pferde zurück gelassen hatten. Sie schafften es gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit und Vilkas errichtete sofort ein wärmendes Feuer. Farkas hatte das immer noch bewusstlose Mädchen mitsamt ihrem Baby in die

Felle gewickelt, die im Gepäck der Pferde waren. Das war alles was sie im Moment tun konnten. „Hast du gesehen?“, fragte er dabei an Vilkas gerichtet. „Sie hat Striemen an den Handgelenken und blaue Flecken im Gesicht. Die Arme ist misshandelt worden! Wer bringt es fertig eine Schwangere zu schlagen?“ „Mehr Leute, als du vermuten würdest.“ „Was machen wir jetzt? Wir haben das Dornenherz noch nicht gefunden. Vorher ist unser Auftrag nicht erledigt.“ „Ich weiß!“, grollte Vilkas ärgerlich und fuhr herum. Farkas sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich weiß“, antwortete Vilkas ruhiger. Die

Situation überforderte ihn. Sie mussten sich um ihren Auftrag kümmern, dennoch konnten sie das bewusstlose, von der schweren Geburt gezeichnete Mädchen, nicht im Stich lassen. „Gib ihr etwas von unserem Heiltrank.“ „Den hab ich schon vorbereitet“, sagte Farkas. „Doch sie ist noch immer ohne Bewusstsein. Trink du einen Schluck davon. Deine Hüfte ist voller Blut.“ Vilkas nahm einen Schluck zu sich. Den Rest ließ er für das Mädchen übrig. Im Schein des Feuers sah er sie genauer an. Sie konnte nicht älter als sechzehn sein. Ihre Misshandlungen waren nun deutlich zu sehen und sein Herz zog sich zusammen. Genauso wie sein Bruder

konnte er es nicht fassen, dass es Leute gab, die es sogar fertig brachten Kinder, schwangere Frauen oder andere Schutzbefohlene zu quälen und auch zu töten. Das Mädchen hatte wohl Glück gehabt ihren Peinigern zu entkommen, und von ihm und seinem Bruder gefunden worden zu sein. Sie dagegen hatten jetzt ein Problem. Vilkas setzte sich zu seinem Bruder, der inzwischen begonnen hatte, etwas Brot und Trockenfleisch zu essen. Wortlos hielt Farkas ihm etwas davon hin, welches er dankbar annahm. „Wir müssen uns aufteilen“, überlegte Vilkas. „Wenn wir das Mädchen zuerst in die Stadt bringen, damit ihr geholfen

werden kann, werden die Hexen der Abgeschworenen die getöteten Krieger wieder zum Leben erwecken. Solange wir nicht das Dornenherz töten, können sie das immer wieder tun.“ Farkas nickte und kaute weiter. „Du bleibst hier und kümmerst dich um die Kleine und ihr Kind. Ich werde das Lager der Abgeschworenen suchen und sie erledigen.“ „Dasch…“ Farkas schluckte den Bissen herunter. „Das kannst du nicht alleine! Außer du wechselst die Form. Du weißt, was dich das kostet!“ „Ja“, knirschte Vilkas und schloss kurz die Augen. Er kannte den Preis. Das war ihre Macht und gleichzeitig auch ihr

Risiko. Sie waren Werwölfe. Mächtige Biester, die beinahe unbesiegbar waren. Man sagte sich, dass vielleicht nur Drachen noch stärker wären. Aber diese Macht hatte auch einen hohen Preis: ihre Seele. Und das Risiko, sich in der Form zu verlieren, nicht mehr zu sich zu kommen. „Deshalb möchte ich nicht, dass du dieses Wagnis eingehst, Kleiner.“ „Nenn mich nicht so!“, erboste sich Farkas. „Nur weil du angeblich 10 Minuten älter bist als ich!“ Dann schüttelte er den Kopf. „Ich bin nicht einverstanden! Gemeinsam können wir sie ohne das Biest zu wecken besiegen!“ „Willst du das Mädchen wirklich hier

alleine lassen?“, fragte Vilkas ungeduldig, während er auf sie deutete. „Mit einem Säugling, der jederzeit zum Schreien anfangen und wer weiß was anlocken kann?“ „Warum bleibst du nicht hier? Ich kann das genauso gut erledigen, wenn nicht sogar noch besser!“, warf Farkas ein. „Du bist bereits verletzt und ich bin sowieso der Kräftigere von uns beiden. Pfeif auf die 10 Minuten, die du älter bist!“ Damit sprang er auf und verließ das Lager. „Farkas!“, rief Vilkas ihm nach. „Farkas!“ Doch sein Bruder wandte sich nicht mehr um. Dagegen rührte sich stöhnend das Mädchen und der Säugling

begann zu quäken. Vilkas war sauer, auch wenn Farkas Recht hatte. Sein Bruder hatte seine Taktik durchschaut und ihn einfach ausgespielt. Er wäre lieber in den Kampf gezogen, auch wenn er den Werwolf beschwören hätte müssen, als sich um ein erschöpftes und wahrscheinlich auch verletztes Mädchen und dessen Neugeborenes zu kümmern. Langsam ging er zu dem Fellbündel, das sich zu bewegen begann. Er musste sich in das Unvermeidliche fügen und sich um die Kleine kümmern. Mühsam versuchte sich das Mädchen aus dem Fell zu schälen, in das Farkas sie eingeschlagen hatte. „Braucht Ihr Hilfe?“, fragte Vilkas und sie zuckte

zusammen, als sie seine Stimme hörte. Doch als sie ihn sah, entspannte sie sich. Vilkas half ihr aus den Fellen. Sie war immer noch bleich von den Strapazen der Geburt, doch liebevoll und vorsichtig drückte sie zitternd das Neugeborene an sich. Der Kleine sah völlig zerknittert aus und verzog das Gesichtchen wie im Schmerz. „Er… er ist wundervoll!“, sagte das Mädchen und strich vorsichtig über das Köpfchen des Säuglings. Dann wallten Tränen aus ihren Augen und sie legte sanft ihren Kopf auf das Kind. Ihr ganzer Körper bebte, aber der Kleine hörte tatsächlich mit dem Greinen auf. „Hier…“ Vilkas hielt ihr den Heiltrank

hin. Verständnislos sah sie zu ihm auf. „Nehmt den Heiltrank, Ihr braucht ihn. Ihr habt viel Blut verloren. Jetzt nickte sie und nahm dankbar den Trank von Vilkas entgegen. „Danke“, murmelte sie. „Auch… auch für Eure Hilfe…“ Verschämt drückte sie erneut ihren Kopf in Vilkas Unterhemd, in das das Neugeborene gewickelt war. „Wer seid Ihr?“, fragte Vilkas. „Und wie kommt es, dass Ihr hier alleine umherstreift?“ „Ich bin Hana.“ Unsicher blickte sie ihn an. „Und… ich bin geflohen. Sie… sie haben mich… haben mich…“ „Wer?“, fragte Vilkas lauter als beabsichtigt. „Wer hat Euch das

angetan?“ Anklagend deutete er auf die Striemen an ihren Händen und die Flecken in ihrem Gesicht. „Banditen…“ Sie sah sich furchtsam um. „Seid unbesorgt“, versuchte Vilkas sie zu trösten. „Aber… Ihr kennt sie nicht!“, rief sie. „Sie sind zu allem fähig!“ „Wir auch.“ Geschockt sah sie ihn an. „Nein. Nicht so wie Ihr denkt“, verbesserte sich Vilkas sofort. „Vor uns habt Ihr nichts zu fürchten.“ Hana lächelte ihn erleichtert an. „Das hätte ich mir eigentlich denken müssen. Verzeiht. Sonst hättet Ihr mir wohl kaum geholfen.“ Mit klarem Blick sah sie zu

ihm. Ihr schmales Gesicht war bleich und ihre Augen dunkel. Eindeutig eine Kaiserliche. Während er sie noch studierte beugte sie sich zu dem Säugling und entblößte ihre Brust. Hektisch begann der Kleine seinen Kopf hin und her zu bewegen, bis sich sein Mund endlich um die ersehnte Brustwarze schloss. Gierig begann er zu saugen und Vilkas konnte den Blick nicht abwenden. ‚Erst ein paar Stunden alt und doch schon so perfekt‘, dachte er bei sich. Das Bild hatte etwas Faszinierendes. Ein schmerzender Stich traf ihn im Herzen. Auf das würde er wohl immer verzichten müssen. Eine Frau und Kinder würde er niemals haben können. Der

Werwolf-Fluch, unter dem sie litten, und Hircines Verfolgung, hatte all das zunichte gemacht. Am meisten tat es ihm Leid wegen seines Bruders. Farkas liebte Kinder über alles. Vilkas seufzte und ertappte sich dabei immer noch auf das Mädchen zu starren, das vor ihm ihr Kind säugte. Das kam ihm ungebührlich vor diese Intimität zwischen Mutter und Kind zu begaffen. So machte er sich am Feuer zu schaffen. „Wenn Euch kalt ist, so rückt näher an das Feuer“, sagte er zu ihr. „Wir haben leider nicht mehr zu bieten als ein wenig zu essen und die Felle.“ Verbunden lächelte sie ihn an. „Danke. Vielleicht nur ein wenig zu trinken. Mir

geht es noch nicht so gut.“ Vilkas sah, wie sie im Sitzen zu schwanken begann und eilte herbei um sie zu stützen. Das Neugeborene war bereits eingeschlafen, als hätte ihn die Nahrungsaufnahme über die Gebühren erschöpft. Verschämt zupfte Hana ihr Kleid wieder über ihre Brust. Vilkas half ihr sich gegen einen Felsen zu lehnen. Dann holte er die Wasserflasche, die er ihr an die Lippen hielt. Sie konnte sich kaum noch aufrecht halten, trank aber begierig das Wasser. Entkräftet sackte sie in seinen Armen ein. „Tut… tut mir leid… dass ich Euch so viele… Umstände… mache“, flüsterte sie. Ein Zittern lief durch sie und Vilkas

griff an ihre Stirn. Sie glühte im Fieber. Das bisschen Heiltrank war wohl nicht genug gewesen. Vilkas schlug wieder eng die Felle über sie zusammen und warf seinen Umhang noch über Mutter und Kind. Dann zog er sie ein wenig näher zum Feuer. Er selbst setzte sich so hinter sie, dass sie mit ihrem Kopf auf seinem Schenkel ruhte. So döste er ebenfalls ein wenig ein. Fester Schlaf war ihm durch sein Bestienblut nicht vergönnt. Er brauchte somit keine Angst zu haben, von etwaigen Bedrohungen oder Feinden überrascht zu werden. So war es auch. Es dürfte vielleicht eine Stunde vergangen sein, als leise geflüsterte Stimmen an seine

empfindlichen Ohren drangen und ihn die Augen aufschlagen ließen. Entgegen seiner sonst so auffälligen, extrem hellen Augen, blickten sie nun gelblich glühend in die Dunkelheit. Die Bestie in ihm war dabei sich zu regen. Wenn sie sich rührte bedeutete das höchste Gefahr. Seine Sinne spannten sich aufs Äußerste. Mittlerweile konnte er nicht nur die einzelnen Stimmen ausmachen, die sich ihnen vorsichtig näherten, er witterte auch ihre Ausdünstungen, die auf eine größere Gruppe schlecht gepflegter Leute schließen ließ. „Leise jetzt! Ich sehe einen Feuerschein. Scheint als wäre unser Kleinod irgendwo untergeschlüpft!“, hörte Vilkas eine

kratzige Männerstimme raunen. „Warum müssen wir sie unbedingt wieder finden? Dieses Gör ist eine Plage“, fragte ein anderer. „Weil wir eine Unsumme an Gold bekommen, wenn wir ihren Balg abliefern! Darum!“, antwortete der Mann mit der kratzigen Stimme. In Vilkas spannte sich alles an. Diese Bastarde! Ein tiefes Grollen stieg aus seiner Kehle. Er konnte es nicht verhindern. Vorsichtig zog er sein Bein unter Hanas Kopf hervor und bettete ihn achtsam auf das spärliche Gras. Dabei versuchte er das Fell unter ihr ein wenig höher zu ziehen, damit ihr Kopf nicht auf dem Boden zu liegen kam. Es war bereits

empfindlich kalt geworden. Er merkte das besonders, da sein Unterhemd ihn nicht mehr wärmte sondern einem Säugling nun als Wickel diente. Behutsam schlich er sich zum Rand des Lagers. Die Ausdünstungen wurden schärfer. Das hieß, dass sie sich noch weiter genähert hatten. Gebannt lauschte er. Sechs, nein sieben verschiedene Bewegungen konnte er ausmachen. Eine ganz schöne Überzahl. Er würde sie überraschen müssen, um ihren Vorteil wett zu machen und die Frau samt ihrem Kind zu schützen. Vielleicht würde es ihm damit sogar gelingen sie auszuschalten, ohne sich zu verwandeln. Leise zückte er seinen Dolch und schlich

ihnen entgegen. Er hatte zwar noch seine menschliche Form, doch seine Nachtsicht zeigte Viklas, dass sein Bestienblut in ihm bereits auf seinen vollen Einsatz wartete. Wenn es sich verhindern lassen könnte, würde Vilkas lieber nicht als Werwolf kämpfen. Er behielt währenddessen zwar die geistige Kontrolle, doch fühlte er sich dabei immer dumpf und langsam. Nicht in den Bewegungen, sondern im Denken. Das störte ihn am meisten an den Verwandlungen. Das, und die Einflüsterungen Hircines, des Daedrafürsten, dem sie diese Macht zu verdanken hatten. In der Wolfs-Form konnten sie der lockenden Stimme

Hircines nicht mehr entgehen. Mit aller Gewalt versuchte der Daedra sie damit auf seine Seite zu ziehen. Er brauchte nicht weit zu huschen. Direkt vor ihm tauchten zwei Gestalten auf, die sich hinter einem Busch zusammen kauerten. Dem Ersten hieb Vilkas den Dolchknauf so ins Genick, sodass er bewusstlos zusammensackte. Bevor der andere noch schreien konnte hielt er ihm den Mund zu und schnitt ihm die Kehle auf. Den, den er zuerst bewusstlos geschlagen hatte, trieb er nun den scharfen Dolch ins Herz, das augenblicklich zu schlagen aufhörte. Ohne sich weiter umzusehen, schlich Vilkas weiter.

Auf diese Weise tötete er noch zwei weitere Banditen. Als Assassine hätte er auch ohne Probleme sein Geld verdienen können. Doch er kämpfte lieber auf die direkte Art und so wie es Tradition der Gefährten war: Ehrenvoll. Das hier war ein notwendiges Übel, auf das er nur zurückgriff um sich und eine ihm durch das Schicksal anvertraute Frau, zu verteidigen. Gerade als er mit seinen gelben Wolfsaugen weiter nach dem räuberischen Gesindel Ausschau hielt, ließ ihn Hanas Schrei auffahren. Ohne nachzudenken wechselte Vilkas die Form. Alles was er am Körper trug, wurde mit verwandelt und er preschte

zurück zum Lager. Das Bild, das sich ihm bot, ließ ihn kurz in seinen Bewegungen inne halten. Die Männer hatten ihn noch nicht bemerkt. Einer von ihnen hielt gerade triumphierend den Säugling hoch, während ein anderer das Mädchen an ihren schwarzen Haaren hochgezerrt hatte. „Na so ein Glück!“, ätzte der Mann. „Die Kleine hat das Kind bereits bekommen! Was ist, Dillinger? Du hattest doch an ihr einen Narren gefressen! Willst du dich noch mit ihr vergnügen, oder kann ich sie töten?“ „Mach sie kalt und dann nichts wie weg!“ Mit einem mordlüsternen Glitzern in den

Augen hob der grobschlächtige Mann, der Hana an den Haaren hochhielt, seine Axt. Zu mehr kam er jedoch nicht. Ein gewaltiger Schatten sprang auf ihn zu und zerfetzte ihm mit einem Prankenhieb Teile seines Kopfes und seines Gesichtes. Schreiend ließ der Mann das Mädchen los und schlug sich die Hände vor die fleischige Masse, die einmal ein Antlitz gewesen war. Vilkas beachtete den Sterbenden nicht weiter, sondern sprang schnell auf den anderen Mann zu. Panikartig ließ dieser den Säugling fallen, dessen Sturz gerade noch von einer Pranke aufgefangen werden konnte. Sanft legte Vilkas das Neugeborene, das hektisch zu schreien begonnen hatte, auf

den Boden. Dann setzte er dem Fliehenden nach. Viel blieb von dem Mann nicht übrig, als er endlich mit ihm fertig war. Witternd und lauschend hob Vilkas seinen Wolfsschädel. Doch es waren keine verdächtigen Geräusche mehr zu hören. Entspannt glitt er wieder in seine Menschenform und drehte sich zu Hana um, die ihr Kind an sich genommen hatte und wankend vor ihm stand. Ihre Augen hatte sie weit aufgerissen und ihr Mund bewegte sich in unausgesprochenen Worten. Dann brach sie zusammen und Vilkas kam gerade noch rechtzeitig um sie aufzufangen, bevor sie mit ihrem Kind auf dem steinigen Untergrund

aufprallte.

02 das mädchen und das kin

„Was für ein Kampf!“ Genüsslich streckte Farkas seine langen Beine und lehnte sich zurück. „Das Dornenherz wird nicht umsonst gefürchtet. Außerdem waren die Hexen bei ihm. Diese widerlichen Magierinnen der Abgeschworenen. Sie hatten die Leichen geholt und wollten die ersten davon schon wiederbeleben. Du hattest Recht. Viel später hätte ich nicht kommen dürfen. Dann wären mir wohl alle Krieger wieder entgegen gekommen. Naja, eine von den Hexen erwischte ich voll im Rücken, bevor mich das

Dornenherz mit seiner magischen Macht niederzuringen begann.“ Lässig warf Farkas dieses besagte ‚Dornenherz‘ in seiner Hand auf und ab. Nachdem er alle besiegt hatte, hatte er dem Mann genau dieses Herz aus der Brust gerissen. Es war ein mächtiges Artefakt, das von Magiern und Alchemisten hoch geschätzt wurde. Keiner wusste, wie die Hexen der Abgeschworenen an dieses Artefakt kamen. Es sah genauso aus wie es hieß: Ein aus Dornen geformtes Herz, das eingesetzt in die Brust eines Mannes, diesem die Macht gab, mit Hilfe der Hexen seine Leute wieder zu beleben und auch andere mächtige Magie zu wirken. Damit war er beinahe unverwundbar.

Farkas trank ein paar Schlucke von der Wasserflasche und blinzelte träge auf das fiebernde Mädchen, das er mit weiteren Fellen zugedeckt hatte. Sein Bruder saß neben ihm und hatte sich in seinen Umhang gehüllt. Farkas lächelte. Nachdem er das Problem der Abgeschworenen gelöst hatte, hatte er notgedrungener Weise ihr Lager geplündert. Ein paar Felle, jedenfalls diejenigen, die noch nicht so abgewetzt aussahen, waren seine Ausbeute gewesen. „Der Werwolf kam jedenfalls ohne mein Zutun hervor, als das Dornenherz mich angriff und erledigte ihn mit nur einem Schlag!“, fuhr er fort

seinen Kampf zu schildern. „Die zweite Hexe zertrat ich unter meinen Pranken. Weißt du“, geduldig nahm er noch einen Schluck aus der Flasche, „ich glaube die Kontrolle über die Bestie wird langsam immer schwieriger.“ „Ja“, warf Vilkas ein. „Ich habe ebenfalls die Form gewechselt sobald die Gefahr zu groß wurde. Hircine lauert auf einen Fehler von uns. Das kann ich spüren. Aber noch hat er uns nicht.“ Farkas nickte und fuhr mit seinen Fingerspitzen gedankenverloren dem Säugling über das Köpfchen, das leicht aus den Fellen herauslugte. Dann zog er das Fell ein wenig weiter über ihn. Sie hatten einfach Pech gehabt, wie man

so schön sagte. Hircine, der Daedrafürst der Jagd, hatte den Gefährten zu früheren Zeiten einen Gefallen getan – oder wie immer man dazu sagen wollte. Im Austausch für ihre Seele, gab er ihnen die Macht des Werwolfs. Eines Werwolfs, der nach der Verwandlung aber sein Bewusstsein behielt. Damit wurden die Krieger beinahe unverwundbar und sie setzten ihre Gabe, ganz nach dem Ehrenkodex der Gefährten, auch immer zum Wohle der Bevölkerung Himmelsrands ein. Nach einem sehr langen ehrenhaften Leben gingen ihre Seelen dann in die ewigen Jagdgründe Hircines ein. Für viele Gefährten war das wünschenswert. Sie haderten nicht mit

dem Schicksal, sondern sahen ihrem Ableben oft mit Freude entgegen. Kodlak, ihr letzter Rudelführer oder Herold, wie sie es nannten, hatte dagegen mit voranschreitendem Alter Bedenken bekommen. Schließlich siegte sein Wunsch nach seinem Ableben in die heiligen Hallen Shors in Sovengarde einzutreten. Etwas, das der Fluch verhinderte. Farkas seufzte und nahm einen weiteren Schluck Wasser. Vilkas und er hatten Kodlaks Sicht der Dinge geteilt. Vielleicht auch deshalb, weil sie nie eine Wahl gehabt hatten. Ihr Vater hatte sie zu Werwölfen gemacht, als sie noch halbe Kinder waren. Zuerst waren sie über

diese Macht begeistert gewesen, aber bald schon kam die Ernüchterung. „Woran denkst du?“, fragte ihn Vilkas unvermittelt. Farkas zuckte die Schultern und ächzte. „Über unser Pech und Hircines Wut, mit der er uns verfolgt.“ „Lass es“, antwortete ihm sein Bruder.“ Wir werden ihm noch ein Weilchen hinhalten können. Und wer weiß, vielleicht wird er sich noch einmal wünschen uns nicht in seinen Jagdgründen zu haben!“ Farkas trompetete laut auf vor Lachen. Dann hielt er sich mit einem Blick auf das Mädchen sofort wieder zurück. „Na, wenigstens konnten wir Kodlak von

seinem Fluch befreien. Möge sein Seele sich an Shors Tafel nun gütlich tun!“ „Aber dafür hasst uns Hircine jetzt. Wir haben ihn um eine Seele gebracht.“ Vilkas legte weiteres Holz ins Feuer. Farkas musste seinem Bruder Recht geben. So war es auch. Kodlak fand heraus wie der Fluch zu brechen war. Dafür musste der Kopf einer besonders mächtigen Hexe in ein rituelles Feuer geworfen werden. Ihr Pech war aber, dass nur mehr eine dieser Hexen am Leben war- Sie war sie die Letzte ihrer Art, was bedeutete, dass er und Vilkas nun unwiderruflich mit ihrem Fluch leben mussten. Aber wenigstens konnten sie Kodlak, ihren alten Herold, von dem

seinen erlösen. Doch Hircine, der Daedrafürst ließ sich das nicht gefallen. Er erschien ihnen und versprach, dass die Brüder keine ruhige Minute mehr haben würden. Er würde dafür sorgen, dass sie schneller als alle anderen zu ihm überwechseln würden. Jeder weitere Formwechsel würde ein Stückchen mehr von ihrer menschlichen Seele nehmen. Vielleicht waren ihnen noch ein oder zwei Lebensjahre vergönnt, mehr aber sicher nicht. Das war hart, aber es half nichts darüber zu jammern. Sein Bruder Vilkas war dazu auch noch der neue Herold der Gefährten geworden. Farkas wusste aber, dass er sich bereits unter den jungen Kämpfern um einen

Nachfolger umsah. „Rorikstatt ist ein verschlafenes Bauernnest“, unterbrach Vilkas Farkas Gedankengänge. „Vielleicht können wir bei Rorik sauberes Gewand für das Mädchen eintauschen.“ Farkas hielt das durchnässte Hemd von Vilkas hoch. „Nicht nur das Mädchen braucht saubere Wäsche. Der Kleine hat dein Hemd bereits tüchtig durchgenässt.“ Vilkas ging nicht auf Farkas schrägen Humor ein. Zu sehr plagte ihn ihre Hilflosigkeit. In Rorikstatt würden sie sicherlich keine Heiltränke für Hana bekommen. Ihr Fieber sagte ihm, dass sie aber dringend welche brauchen würde. Außerdem hatte sie ihn in seiner Wolf

Form gesehen. Es war noch völlig offen, wie sie dazu stehen würde. Wenn sie denn wirklich die nächsten Tage überleben sollte. Wenn nicht, müssten sie für den Kleinen eine Amme finden. Sie konnten wohl schlecht einen Säugling bei den Gefährten aufnehmen. Obwohl ihm Farkas Blicke zu dem Kleinen genau diesen Wunsch in ihm erkennen ließen. „Komm, lass uns ein wenig schlafen“, sagte er schließlich zu Farkas. „Auch wenn unser Geist keine Ruhe bekommt, unsere Körper brauchen Erholung.“ Farkas stimmte zu. Vilkas hatte nichts anderes erwartet. Beschützend legten sie sich links und rechts neben Hana. So schliefen sie, bis sie kurz vor dem

Morgengrauen von dem leisen Greinen des Säuglings geweckt wurden. ***** Rorik wurde durch ungeduldiges Schlagen aus seinem Schlaf gerissen. Jemand hämmerte so heftig gegen seine Türe, dass er schon glaubte, sie würde aus den Angeln gehoben. „Ich komm ja schon!“, rief er schlaftrunken und taumelte hoch. Sein Knecht war schneller. Unsicher hielt er eine Harke in der Hand, als er die Türe öffnete. Falls er sich damit verteidigen hätte wollen, wäre er sicherlich nicht dazu gekommen. Rorik sah wie seine Tür mit einem Schlag aufschwang und der Gefährte mit den kalten Augen in sein Heim stürmte.

In seinen Armen trug er ein Fellbündel. „Schnell!“, rief er. „Habt Ihr einen Heiltrank? Die Frau hat hohes Fieber!“ Ohne Umschweife trug er sei zum nächsten Bett, auf dem er sie ablegte und aus den Fellen schälte. Hervor kam ein junges Mädchen mit blassem Gesicht und dunklen Ringen unter den Augen. Sie sah aus, als würde der Tod bereits seine gierigen Finger nach ihr ausstrecken. „Äh… nein…“, stotterte Rorik. Dann kam endlich Bewegung in ihn. „Aber mein Freund ist Heiler!“ So schnell er konnte drehte sich der Großgrundbesitzer um und lief in einen Nebenraum. Hastig gewechselte Worte erklangen, dann schob sich auch schon ein älterer Mann hinter

Rorik aus dem Raum. Er hatte wie er selbst nur ein Schlafhemd an, aber das störte im Moment niemanden. Sofort widmete er sich der Kranken und fuhr mit seinen leuchtenden Händen über das Mädchen. „Was ist mit ihr geschehen?“, fragte er verwundert. „Sie ist geschwächt, unterernährt und hat eine Menge Blut verloren. Außerdem ist die vordere Fuge ihres Beckens gebrochen! So etwas habe ich nur einmal bei einer schweren Geburt erlebt.“ „Genauso war es. Ich fand sie im Wald, als sie gerade dabei war ein Kind zu gebären“, antwortete ihm der große Mann. Rorik blickte ungläubig von einem

zum anderen. Dann sah er den anderen Zwilling, der in seinen Händen ein winziges Bündel hielt, aus dem leise greinende Laute zu hören waren. „Dem Kind geht es unseres Wissens nach gut, außer, dass es vielleicht Hunger hat“, sagte er noch, als er Roriks Blicke sah. Der Großgrundbesitzer setzte sich auf einen seiner Stühle und wies den Gefährten mit dem Baby an es ihm gleich zu tun. Krachend protestierte der Stuhl unter dem Gewicht des Hünen. Der Mann war ein einziges Muskelpaket und dennoch hielt er den Säugling behutsam auf seinen Armen. „Greift ruhig zu“, sagte Rorik zu ihm, als er seinen hungrigen Blick sah, den er über den

Tisch schweifen ließ. Brot, Käse und auch Obst standen auf Tellern bereit. „Wie ist Euer Name?“, fragte Rorik interessiert, als er zusah wie der Mann den Säugling in eine Hand bugsierte und mit der anderen ein ganzes Stück Käse zum Mund führte und sich dann noch etwas Brot nachschob. „Farkas“, murmelte der Mann und aß weiter. Aus dem würde Rorik nicht viel heraus bekommen. Aber er war neugierig und sein Zwilling wich nicht von der Seite der jungen Frau. Also hob er erneut zu einer Frage an: „Und die Bedrohungen für unser Dorf?“ „Erledigt.“ Damit holte der Mann etwas

aus einer Tasche, die er um die Hüfte trug und zeigte es ihm. Rorik zuckte zusammen und starrte auf den Knäuel voller Dornen, der wie ein Herz geformt war. Voller Ekel schüttelte es ihn. „Es waren Abgeschworene“, nuschelte der Gefährte mit vollem Mund. „Sie hatten sich ungefähr zwei Stunden von Eurer Stadt entfernt ein Lager errichtet.“ „U… und?“, stotterte Rorik fragend. „Ich sagte doch schon: Erledigt!“ Der Hüne starrte Rorik an, als könne dieser nicht bis drei zählen. „Euer Ort ist wieder sicher.“ „Oh… danke“, erwiderte Rorik. Ungerührt aß der Mann, der sich Farkas nannte, weiter. Der Großgrundbesitzer

hätte noch gerne nach dem Namen seines Zwillings gefragt, verbiss es sich aber. Dafür hob der Hüne jetzt an: „Habt Ihr vielleicht Wäsche, die Ihr erübrigen könnt? Der Kleine hat bereits das Hemd meines Bruders durchnässt. Wir sind wohl nicht ganz auf Säuglinge eingestellt.“ „Äh… nun…“, stotterte Rorik erneut. Dieser Mann machte ihn nervös. Obwohl er der Freundlichere der Zwillinge zu sein schien, hatte er eine dermaßen einschüchternde Präsenz, dass es den armen Mann nur so durchschüttelte. Zum Glück kam ihm sein Freund zu Hilfe. „Wir können Euch einstweilen saubere Laken geben“, sagte er zu Farkas. „Die

junge Mutter wird sich bald wieder um ihr Kind kümmern können. Sie muss nur noch ein paar Stunden schlafen und dann ein ausgiebiges Mahl zu sich nehmen. Alsdann könnt Ihr wieder aufbrechen.“ Sofort sprang Farkas auf und blickte zu dem Bett, auf dem das Mädchen lag. Ihr Gesicht bekam bereits wieder ein wenig Farbe und sie schien nun wirklich tief zu schlafen. „Wie habt Ihr das gemacht?“, fragte er verwundert, erwartete aber eigentlich keine Antwort. Fasziniert sah er auf seinen Bruder, der gedankenverloren neben dem Mädchen stand und ihre Haare aus dem Gesicht strich. So etwas hatte Farkas bei ihm noch nie gesehen. Nach außen hin war

Vilkas immer kalt und beherrscht. Dass er jetzt in diesem Raum, noch dazu mit Fremden, sich solche Gesten zugestand, konnte er kaum fassen. Wie als hätte sein Bruder seinen Blick gespürt zuckte seine Hand zurück und er kam auf die Männer zu. Rorik lud auch ihn ein sich zu stärken, während er und sein Freund sich ankleiden würden. Zufrieden sah der Großgrundbesitzer wie er nickte und sich an den Tisch setzte. Der Gefährte mit dem Neugeborenen am Arm folgte ihm und begann erneut zu essen. Das Kind dürfe, nachdem es kurz knallrot geworden war, wieder eingeschlafen sein. Dennoch hielt der Mann es

plötzlich ein wenig von sich weg und rümpfte die Nase. „Werte Herren! Die Laken bitte!“ ***** Leise Stimmen drangen an Hanas Ohr und ein Wärmegefühl auf ihrem Bauch ließ sie die Augen aufschlagen. Sie lag in einem fremden Bett und ein glatzköpfiger, älterer Mann saß neben ihr. Seine Hände hielt er in einer eigentümlichen Haltung über ihren Schoß. ‚Ein Heiler!‘, dachte sie sofort, als sie das goldene Leuchten sah, das seinen Handflächen entströmte. Die Heilkraft die von ihm ausging tat unheimlich gut und nahm ihr alle

Schmerzen, die noch in ihr getobt hatten. Sie wollte sich gerade noch mehr in diese Wärme fallen lassen, als sie geschockt auffuhr. „Mein Kind!“, rief sie. Ein anderer, älterer Mann, drückte sie wieder sanft auf das Bett. „Farkas dort“, er deutete zu einem Hünen, der zurückgelehnt auf einer Bank saß und ein kleines Bündel in den Armen hielt, „kümmert sich um ihn. Seid unbesorgt. Mein Freund hier ist Heiler. Der beste Heiler in ganz Himmelsrand. Außerdem bin ich Rorik. Ihr seid in meinem Haus in Rorikstatt. Die beiden Gefährten haben Euch heute Früh zu mir gebracht.“ Sie erinnerte sich wieder. Der Hüne mit ihrem Kind im Arm war

derjenige, der etwas später dazugekommen war. Hana sah sich suchend um. Der andere Mann, der ihr im Wald geholfen hatte, war aber nirgendwo zu sehen. „Falls ihr Vilkas, Euren Geburtshelfer sucht, muss ich Euch enttäuschen“, meldete sich wieder der ältere Mann, der an ihrem Bett stand. „Der badet wahrscheinlich irgendwo im Fluss.“ Hana sah, wie Rorik sich allein schon bei diesem Gedanken abschüttelte. „Apropos Bad. Wenn Ihr möchtet, meine Teure, dann kann Euch mein Knecht einen Bottich voll warmen Wassers herrichten. Ihr seht aus, als könntet Ihr das brauchen.“ Entsetzt hielt der Mann inne.

„Äh… ich meine natürlich, dass es Euch sicherlich gut tun würde!“ Hana musste lächeln. „Ich danke Euch“, sagte sie zu Rorik. Errötend fuhr sie fort: „Ihr habt völlig Recht! Ich habe schon seit Wochen kein richtiges Bad mehr genossen. Aber ich kann Euch Eure Hilfsbereitschaft nicht entlohnen.“ Verlegen sah sie ihn an. „Das tut doch nichts zur Sache!“, rief Rorik. „Die Gefährten haben Euch zu mir gebracht. Sie haben unserem Dorf einen bedeutenden Dienst erwiesen. Doch nicht nur deswegen. Ich sehe es auch als meine Menschenpflicht an, einer jungen Frau in Not zu helfen!“ Hana schossen sofort die Tränen in die

Augen. Sie hatte schon aufgegeben an das Gute in den Menschen zu glauben. Ihre Flucht war ein Verzweiflungsakt gewesen. Der letzte Funke ihres Lebenswillens. Dass sich dadurch ihr Schicksal, dessen Unerbittlichkeit sie sogar schon gewillt war anzunehmen, gewendet hatte, damit hatte sie gar nicht mehr zu rechnen gewagt. „Na kommt schon, mein Kind.“ Jouane der Heiler half ihr sich aufzusetzen. „Es gibt nicht nur Schlechtes auf dieser Welt. Ihr werdet Euch erholen und wieder Mut fassen. Ihr seid jung, habt ein gesundes Kind und bereits zwei gute Freunde, die eine junge Mutter nicht ihrem Schicksal überlassen

haben.“ Rorik sah mitleidig auf das junge Mädchen. Sie lehnte nun weinend an Jouane, dessen Worte sie wohl noch mehr erschüttert hatten. Sie hatte sicherlich Schreckliches durchgemacht. Ihr Körper war übersäht mit Blutergüssen. Jouane hatte ihm berichtet, dass er auch eitrige Striemen auf ihrem Rücken geheilt hatte. In welche Fänge war so ein liebreizendes, und – so wie ihre Ausdrucksweise war – wohl auch gut erzogenes Mädchen, da nur hinein geraten? Fürsorglich sprach sein Freund noch weiter auf sie ein. Er strich ihr dabei begütigend über ihren Rücken. „Ich

konnte all Eure Verletzungen heilten. Dennoch müsst Ihr noch vorsichtig sein beim Sitzen. Die vordere Fuge Eures Beckens wurde bei der Geburt gesprengt. Ihr wart einfach zu schmal und Euer Kind zu groß. Eine erfahrene Hebamme hätte Euch vielleicht besser helfen können. Aber der junge Mann war zumindest geistesgegenwärtig genug um Euch und Eurem Kind das Leben zu retten. Alleine wärt Ihr gestorben.“ „Ich weiß“, schniefte sie. „Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet.“ „Nun, nun…“, beruhigte sie Jouane weiter. „Seht Ihr? Alles ist gut! Die nächste Zeit solltet Ihr Euch noch schonen und vor allem nicht reiten. Dann

säugt jetzt einmal Euer Kind. Inzwischen richten wir Euch ein Bad.“ Rorik sah ergriffen, wie sie nun glücklich lächelnd ihre Arme Farkas entgegenstreckte, der mit dem Kleinen am Arm zu ihr schlurfte. Ihr Gesicht war noch tränennass, doch der gesunde Knabe, der bereits eine kräftige Stimme zu entwickeln schien, dürfte sie für alles was sie wohl durchgemacht hatte entschädigen. Enttäuschter Protest war gerade von dem Säugling zu hören, als er Farkas kleinen Finger, der ihm hingehalten wurde und an dem wer wohl gierig und erfolglos gesaugt hatte, ausspuckte. Der Großgrundbesitzer seufzte. Bei ihm

war es schon so lange her, als er seinen Sohn in den Armen gehalten hatte. Mittlerweile hatte er bereits Enkel, die lärmend herumtobten. Er konnte sich aber nicht erinnern, dass er sich die Zeit genommen hatte, sich intensiv mit den eigenen Kindern zu beschäftigen. Etwas, das ihm nun Leid tat. Aber was sollte es. Sie waren groß geworden und hatten ihr eigenes Leben angefangen. „Na, komm schon, alter Freund!“ Jouane holte ihn aus seinen Gedanken. „Richten wir ein Bad für die junge Mutter her. Vielleicht gibst du ihr auch ein Kleid deiner verstorbenen Frau. Ihres ist ein einziger Fetzen.“ Rorik nickte. Er hatte wohl noch zwei oder drei Kleider von ihr

übrig. Eines davon würde er ihr geben können. Fasziniert sah er noch zu wie der Kleine endlich zufrieden an ihrer Brust lag. Dann drehte er sich um und ging um seinen Knecht zu suchen. Die Sonne stieg langsam dem Zenit entgegen, während Vilkas das Bad im kalten Fluten genoss. Farkas hatte sich nicht dazu durchringen können den Kleinen aus den Händen zu geben. Er hatte sogar selbst die frischen Laken um den Säugling gewickelt. Wahrscheinlich sehr unprofessionell, aber Rorik hatte gesagt, dass alle Frauen momentan auf den Feldern waren. Vilkas musste lachen. Er lag in dem klaren Fluss und ließ das

kalte Wasser über seinen muskulösen Körper strömen. Etwas intensiver wusch er sich unter den Achseln und zwischen seinen Beinen, doch für den Rest genügte das einfache Wasser. Noch immer lächelnd erinnerte er sich an das Gesicht seines Bruders, als er den Kleinen aus seinem Hemd wickelte, in das er eingeschlagen war. Der Geruch alleine hätte sie warnen müssen. Das Hemd war eindeutig unbrauchbar. Es war nicht nur durchnässt, sondern auch von einer gelblich-braunen, kotigen Substanz völlig verschmiert. „Wie gibt es das?“, hatte Farkas verwundert gefragt. „Der hat doch bis auf drei Schlucke noch nichts gegessen?

Wie kann er dann bereits in mein Hemd kacken?“ Die junge Mutter musste wirklich fest in ihrem Heilschlaf gelegen haben, dass sie das darauffolgende dröhnende Lachen von ihm, Rorik und dem Heiler nicht gehört hatte. Aber es war ja wirklich unglaublich. Schließlich hatte sich Farkas mit dem Schicksal seines Hemdes abgefunden und den Säugling mit den sauberen Resten davon gereinigt. Das Dumme war nur, dass es kein Ersatzhemd für Farkas gab. Vilkas konnte sich in ein Hemd von Roriks Sohn hineinzwängen, aber Farkas hätte es eindeutig gesprengt. Immer noch lächelnd entstieg Vilkas den Fluten. Ein erschrockener Ausruf ließ ihn

Flussaufwärts blicken, wo eine ältere Frau gerade einen Eimer Wasser schöpfen wollte und nun aber schnell davon eilte. Vilkas war andere Reaktionen gewöhnt, vor allem von Seiten seiner Gespielinnen. Aber wer wusste schon, was in den Köpfen von Frauen, insbesondere älteren Frauen, beim Anblick junger nackter Männer durch eben diesen ging. In Jorrvaskr, dem Heim der Gefährten, war es allein schon durch das Zusammenleben auf engstem Raum oft nicht zu vermeiden, sich entblößt zu begegnen. Vilkas hatte somit keine Probleme mit seiner Nacktheit. Andere vielleicht schon. Also beeilte er sich an das Ufer zu kommen

und sich notdürftig mit einer Decke abzutrocknen. Dann schlüpfte er in das alte Hemd von Roriks Sohn, das dieser ihm freundlicher Weise überlassen hatte und zog sich auch seinen Lendenschurz und die Hosen wieder an. Seine Rüstung wie auch seine Stiefel lagen in Roriks Haus. Sein eigenes Hemd, das der Säugling zum Glück nur durchnässt hatte, dümpelte im seichten Wasser. Kurz seifte Vilkas es ein und spülte es gründlich durch. Dann ging er den Weg zurück zu Roriks Haus und warf das ausgewrungene Hemd auf eine Leine, die im Hinterhof zu diesem Zwecke aufgespannt war. Wenn sein Hemd trocken war, was bei dem frischen Wind

wohl bald der Fall sein müsste, konnte Farkas ja dieses anziehen. Das müsste ihm passen. Frisch und einigermaßen guter Dinge, für Vilkas Verhältnisse bedeutete das, dass er einmal nicht an den Fluch oder die Probleme in Jorrvaskr – dem Heim der Gefährten – dachte, trat er in Roriks Haus. Das Bild das sich ihm bot brachte ihn einerseits zum Lachen, andererseits hatte er das aus tiefster Seele befürchtet: Farkas hielt das kleine, in frische Laken gehüllte Baby an sein Gesicht und prustete ihm ganz leicht in den Bauch. Dann zog er es liebevoll an sich. Erst als die Türe hinter Vilkas leise ins Schloss fiel drehte er sich um. Leicht verlegen

setzte er sich mit dem Kind auf den Arm wieder auf die Bank. Ein kurzer Blick genügte Vilkas um zu sehen, dass Hana nicht mehr im Bett lag und auch die beiden älteren Männer sich woanders aufhielten. Wenigstens konnte er ungestört mit seinem Bruder reden. Er seufzte. „Was soll das, Farkas? Wir wissen nichts über das Mädchen, oder was sie nun vorhat. Binde dich nicht zu sehr an den Kleinen. Auch wenn du es dir noch so wünschst.“ „Sie kommt mit uns mit nach Jorrvaskr!“, beeilte sich Farkas zu erklären. „Ihr Mann ist gestorben und andere Verwandte hat sich nicht mehr. Ihr kleines Haus in Morthal ist

abgebrannt. Sie wird auch arbeiten und Tilma helfen. Wir haben das alles schon besprochen!“ Wütend zog sich Vilkas einen Stuhl heran und ließ sich darauf plumpsen. „Freut mich“, ätzte er. „Dann bist du also zum neuen Herold geworden, während ich gebadet habe.“ Eindringlich sah er seinen Bruder an. „Wir können sie nicht mit uns nehmen! Ich hatte gehofft, dass sie irgendwo noch Verwandte hat, zu denen wir sie bringen können. Da diese Option ausfällt müssen wir Rorik fragen, ob er sich ihrer nicht annehmen kann.“ Farkas Mine hatte sich während seiner letzten Worte immer mehr verfinstert.

„Was bist du nur für ein kalter Bastard geworden!“, rief er aufgebracht. „Kodlak hätte niemals eine mittellose Frau im Stich gelassen!“ „Ich lasse sie nicht im Stich!“ Vilkas hatte diese Auseinandersetzung kommen sehen. Die Sehnsucht seines Bruders nach einer Familie und Kindern war einfach zu groß. Aber sie konnten sich diese Bürde nicht auch noch aufhalsen. Wie lange würden sie Hircine noch widerstehen können? Ein Jahr? Zwei Jahre? Wohl kaum. Wie sollte es dann weitergehen? Würden die anderen Gefährten Hana in Jorrvaskr weiter dulden, wenn sie nicht mehr wären? An all das dachte Farkas nicht. „Aber sie

kann nicht mit uns kommen!“, betonte Vilkas. „Mit einem Säugling kann sie nicht arbeiten. Sie wird Tilma mehr zur Last fallen, als dass sie ihr helfen wird können“, versuchte er logisch zu argumentieren. „Wird sie nicht und das weißt du!“, fuhr Farkas auf. „Es ist ein anderer Grund, wieso du sie nicht zu uns nehmen willst. Du willst dich ja nur selbst schützen. Ich habe dich gesehen! Du lässt niemanden an dich heran. Bei ihr würdest du aber schwach werden und das willst du nicht riskieren!“ Vilkas sprang auf und baute sich drohend vor seinem Bruder auf. „Das wird niemals geschehen! Du hast nicht diese

Last, diese Schuld, die ich zusätzlich zu Hircines Fluch und der Verantwortung für Jorrvaskr noch in mir trage. Ich bin doppelt verflucht, also versuch erst gar nicht mir irgendetwas anderes einreden zu wollen!“ „Streitet Ihr wegen mir?“, fragte eine schüchterne Stimme. Vilkas fuhr herum. Das junge Mädchen stand in einem frischen Kleid, das ihr viel zu groß war, in der Tür zum Wohnraum. Ihre langen Haare waren noch feucht und hingen ihr über den halben Rücken. Mit einem verletzten Ausdruck sah sie ihn an. „Ich will mich nicht aufdrängen, aber Euer Bruder sagte, dass ich bei Euch arbeiten könnte. Ich kann ein wenig Alchemie und

bin mir auch nicht zu schade um zu putzen. Aber… aber wenn ich Euch dennoch zur Last falle, dann bringt mich einfach nur in die nächste größere Stadt. Dort finde ich dann schon Arbeit. Wenn das nicht zu viel verlangt ist.“ Vilkas war das überhaupt nicht recht, dass sie sein Gespräch mit Farkas mitangehört hatte. Es war ja nicht so, dass er sie nicht mochte, oder ihr nicht helfen wollte. Aber er musste an mehr denken als nur an ihr Wohl. „Es ist nicht zu viel verlangt. Wir werden Euch gerne in eine Stadt Eurer Wahl begleiten und auch darauf schauen, dass Ihr gut unterkommt.“ Farkas stieß ärgerlich die Luft aus, doch Vilkas ignorierte ihn.

Enttäuscht blickte Hana ihn an. „Ihr wollt mich also nicht bei Euch haben, weil Ihr denkt, dass ich nicht arbeiten kann mit dem Kleinen, nicht wahr?“ „Nein, das allein ist es nicht“, sagte Vilkas. „Glaubt mir, Ihr seid woanders besser aufgehoben als bei uns. Jorrvaskr ist eine Vereinigung von Kriegern. Die Sitten sind rau und nichts für ein offensichtlich feines Fräulein wie Ihr es seid.“ „Ich bin kein feines Fräulein“, warf Hana ein. „Nicht mehr… Schon lange nicht mehr. Aber wie ich schon sagte, ich will mich nicht aufdrängen.“ Sie sah Vilkas mit einem unschuldigen Blick an. „Ich

dachte nur… ich meine, ich fühlte mich sicher bei Euch. Und… ich würde gerne bei Euch bleiben.“ „Hast du nicht gehört, Vilkas?“, mischte sich Farkas ein. „Sie ist Alchemistin! Wir nehmen sie mit nach Weißlauf. Arcadia hat keinen Lehrling. Sie wird sie sicher aufnehmen. Dann müssen wir nicht einmal einen Umweg machen, um sie in eine andere Stadt zu bringen.“ Farkas spielte ihn schon wieder aus! Vilkas spürte wie sich alles in ihm sträubte. Er konnte es nicht erklären, aber das Mädchen roch nach Gefahr. Sein Bruder müsste das doch auch spüren können! Wie konnte er das nur ignorieren! Aber wie sie so dastand: Ein

halbes Kind noch, gerade der Willkür der Banditen entronnen, die sie geschlagen und wahrscheinlich auch vergewaltigt hatten. Sie hatte alles in ihrem Leben verloren und erhoffte sich wohl nun Schutz bei den Männern, die sie gerettet hatten. Er sah ihre Bitte in den dunklen Augen und musste sich abwenden. Er wusste, dass er es bitter bereuen würde, wenn er jetzt nicht hart blieb. Aber er konnte diesen Augen und seinem Bruder einfach nichts abschlagen. „Meinen Segen hast du nicht, Farkas!“, blaffte er. Dann schlupfte er in seine Stiefel, griff sich seine Rüstung und stürmte aus dem Haus. Verlegene Stille war alles was übrig

blieb. Farkas sah wie Hana sich die Tränen aus den Augen wischte. Im Nu war er bei ihr. „Nicht weinen!“, rief er. „Ihr kommt mit uns mit nach Jorrvaskr! Seid wegen Vilkas nicht enttäuscht. Er nimmt alles nur viel zu ernst.“ Farkas seufzte im Stillen. Er wusste, dass sein Bruder Recht hatte, doch er konnte nicht anders. Hana gehörte zu ihnen. Ihr Kind gehörte zu ihnen. Vor allem für Vilkas war sie eine Chance. Das spürte er aus der tiefsten Tiefe seiner Seele. Die Gefahr, die von ihr ausging roch er genauso wie sein Bruder. Das Mädchen hatte ihnen sicherlich nicht die ganze Wahrheit gesagt. Sie würde aber wohl ihre Gründe dafür haben.

„Aber… er sagte doch, dass er Euch seinen Segen nicht gibt“, warf sie ein. „Glaubt mir“, sprach Farkas. „Ich kenne Vilkas länger als Ihr und das war in seiner Sprache ein ‚Ja‘.“ „Meint Ihr?“, fragte sie unsicher nach. Farkas grinste breit und reichte ihr das Kind, das sich in seinen Armen leicht zu krümmen begann. „Ja, das meine ich.“

03 Begegnung im moor

Ohne egliches Farbenspiel schlich sich die Dämmerung über das Moor. Wabernde Nebel erhoben sich aus den blubbernden Sümpfen und tauchten das verfaulende Unterholz in eine graue Suppe, aus der die vereinzelten Pflanzen wie Gebilde aus einer anderen Welt herausstachen. Es war eine trügerische Stille, die diesen Teil des Moores umgab. Eine Stille, die nur von saugenden und schmatzenden Sumpfgeräuschen unterbrochen wurde. Fax das Wiesel trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. Das saugende

Geräusch des Matsches war nicht gerade einladend. Dieser Ort hier ließ Schauer über seinen Rücken rieseln. Dazu das immerwährend feuchte Holz, dessen Verrottungsgestank zusätzlich zu den nicht gerade einladenden Gerüchen des Moores das Unwohlsein anhob. Ein unschöner Ort für einen Unterschlupf. Doch wer war er schon, um diese Tatsache zu bekritteln? Er war nur ein windiger Bandit, der angewiesen worden war hier zu warten. Wo immer dieses ‚Hier‘ auch sein mochte. Es war seiner Gruppe nicht gestattet worden ohne Erlaubnis den Unterschupf zu betreten. Der ‚dunkle Meister‘, wie sich ihr Auftraggeber nannte, wollte

keine unnötigen Zeugen. Es war sozusagen schon ein Zugeständnis gewesen, dass sie in der Nähe des verborgenen Lagers überhaupt warten durften. „Seltsame Brut“, echauffierte sich Fax. „Hier hole ich mir noch das Sumpffieber, wenn die nicht bald auftauchen…“ Das Ganze war ihm sowieso mehr als suspekt. Wenn nicht die Aussicht auf einen lukrativen Goldregen gewesen wäre, hätte sich Fax das Wiesel nicht einmal mehr die Mühe gemacht hier aufzukreuzen. Aber er wusste, er hatte etwas entdeckt, das bestimmt noch mehr Wert war, als die eigentliche Summe, die ausgehandelt worden war. Doch das

Warten ging ihm auf die Nerven. „Verstehe nicht, wie das überhaupt funktionieren soll…“, murmelte er skeptisch. Der gluckernde, schmatzende Sumpf und die Kälte, die mit der Dämmerung einfiel, zermürbten ihn. „Wenn Ihr etwas mit uns zu besprechen habt, so wartet einfach hier. Wir werden kommen, sobald es uns genehm ist“, äffte Fax den ‚dunklen Meister‘ nach. „Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank gehabt!“ Er wartete bereits seit einer Stunde und sein Magen knurrte mittlerweile ziemlich heftig. Kurz überlegte er, ob er nicht alles vergessen sollte und sich irgendwo einer anderen Banditenbande anschließen sollte. Jetzt,

nachdem alle außer ihm tot waren. Aber die Aussicht auf das viele Geld ließ ihn dann doch weiter ausharren. Warum Dillinger, ihr Boss, auch unbedingt darauf bestehen musste diesen Auftrag anzunehmen! Das konnte nur an dieser Frau gelegen haben. Sinnierend erinnerte sich Fax noch an die schöne, dunkelhaarige Person, die damals an sie herangetreten war. Sie saßen in der heruntergekommenen Spelunke in Morthal und Dillinger war gerade dabei das Geld ihres letzten Beutezugs unter ihnen aufzuteilen, als die geheimnisvolle Fremde sie ansprach. „Ihr seht mir nach Leuten aus, die eine gute Gelegenheit zu nutzen

wissen.“ „So ist es, schönes Fräulein!“, bellte Dillinger und lehnte sich zurück, wobei er sie anzüglich betrachtete. Die Frau ging nicht auf seine aufreizende Gestik ein. Fax das Wiesel beobachtete wie sich ihr Boss daraufhin aufrichtete. Er war in guter Stimmung. Ihre letzte Beschäftigung hatte ihnen neben einigem Gold auch willige Huren eingebracht. Er war somit entspannt genug sich nicht sofort aufzuregen. Umständlich räusperte er sich. „Hättet Ihr vielleicht etwas für uns?“, fragte er nun etwas geschäftlicher. Die Frau hatte die ganze Zeit über ihre Augenbrauen hochgezogen. Jetzt entspannte sie sich etwas. „Nun, ja.

Wenn ihr nicht gerade zimperlich seid, könnten wir ins Geschäft kommen.“ Dillinger ließ seine flache Hand auf die Tischplatte klatschen. „Da könnt ihr Gift drauf nehmen“, lachte er laut. „Wir sind alles andere als zimperlich, oder was sagt ihr?“, wandte er sich fragend an Fax und die anderen Kumpane. Grölend lachten sie und schlugen ihre Humpen auf den Tisch, dass der Met teilweise überschwappte. Die Wirtin schnalzte missbilligend mit der Zunge, aber das beachtete niemand. Ihr Boss lehnte sich nun ein wenig nach vorne und sah die Frau von unten herauf an. „Wenn der Preis stimmt, scheuen wir vor nichts zurück“, murmelte er ihr verschwörerisch

zu und fuhr auf eindeutige Weise mit seinem Daumen quer über seine Kehle. Die Frau warf sich den Umhang über die Schulter. „Gut, dann sind wir im Geschäft“, sagte sie kühl. „500 Goldstücke bekommt ihr sofort und 2000 Goldstücke sobald ihr uns das gewünschte Paket abliefert. Folgt mir. Genaueres werdet ihr im Unterschlupf erfahren.“ Ja, so war das damals. Fax zog seinen Umhang ein wenig fester um sich. Er war ein Kaiserlicher, aber in seinem Heimatland Cyrodiil wurde er wegen Mordes gesucht, so musste er eben in Himmelsrand die kalten Temperaturen ertragen. Die Sonne war seit geraumer

Zeit untergegangen und er hatte sich mit seinen letzten magischen Artefakten ein wärmendes Feuer gemacht. In dieser ungesunden Feuchte des Sumpfes würde sonst nichts anderes zu brennen beginnen. Er konnte sich zwar nicht erinnern, dass sie damals auch so lange warten mussten, bis der ‚Meister‘ kam. Im Grunde seines Herzens, oder dem, was davon noch übrig war, war es Fax egal wer ihnen ihre Aufträge gab. Schwarzmagier, Totenbeschwörer, was auch immer. Aber eines war ihm von Anfang an klar gewesen: Dillinger hatte sich hier mit noch übleren Figuren eingelassen, als sie selbst es waren. Doch Fax das Wiesel hatte niemals

Fragen gestellt. Wenn das Geld für Met und Huren stimmte, war er der Letzte der klagen würde. Er wärmte sich gerade seine Hände über dem magischen Feuer, als er einen Hauch im Nacken spürte, der ihm sämtliche Haare, so er denn noch welche gehabt hätte, zu Berge stehen ließ. Die wabernden Sumpfnebel kamen in Bewegung und wogten vor dem Feuer in Wellen auf und ab. „Wieso kommt Ihr alleine? Sagt bloß, Ihr habt Euch von einer schwangeren Frau übertölpeln lassen!“ Die hohle Stimme ließ ihn zusammenzucken. Er wagte es nicht sich zu rühren. Da trat aber bereits der

unheimliche Mann, dieser ‚Meister‘, in den Schein des Feuers. Die graue Suppe der wabernden Nebel umspielte dabei seine Kutte und wirbelte in seltsamsten Mustern um seine Robe. „Sie…sie hatte unerwartete Hilfe bekommen. Ich war der Einzige, der überlebte“, brachte Fax schließlich heraus. „Wieso seid Ihr dann hergekommen, wenn Euer Auftrag nicht erfüllt wurde?“, fragte der Mann, dessen Kapuze tief in seinem Gesicht hing. Fax entging nicht der drohende Unterton. Nervös leckte er sich über seine trockenen Lippen. „Weil ich etwas gesehen habe, das Euch vielleicht interessieren würde.“ Endlich hatte er die volle

Aufmerksamkeit seines Gegenübers. Die rot glühenden Augen waren unverwandt auf ihn gerichtet. „Erzählt mir alles. Ich werde dann entscheiden wie wichtig Eure Beobachtung wirklich ist!“ „Dieses Mädchen… Ihr wisst ja… die Schwangere… wir haben sie schließlich in Markhart aufgespürt, wo sie sich im Dibella-Tempel verkrochen hatte. Aber Ihr kennt ja Dillinger. Der spürt jede Ratte auf. Mit genügend Bestechungsgeld konnte er die Wachen dazu bringen sie herauszulocken. Der Rest war ein Kinderspiel. Wir waren gerade auf dem Weg zu Euch, als sie uns aber entkam. Sie muss ihre Fesseln durchgebissen haben. Jedenfalls, als wir ihre Spur

wieder fanden, hatte sie das Kind bereits bekommen!“ „Das Kind! Wo ist es?“, fragte der Mann ungeduldig dazwischen. „Dazu komme ich gleich!“, beeilte sich Fax zu sagen. „Wir verfolgten sie und spürten sie schließlich in einem fremden Lager auf. Sie schlief alleine beim Feuer. Dillinger und Frost haben sie gestellt. Mich ließen sie in den Büschen warten. Das war mein Glück. Jedenfalls hatten sie gerade das Kind an sich genommen und Frost wollte das Mädchen töten, als alles ganz schnell ging.“ „Was ist geschehen?“, fragte der unheimliche Mann vor ihm. Fax hörte die Ungeduld in der Stimme. Doch er genoss

es die Anspannung des ‚dunklen Meisters‘ zu spüren. Er wusste, das Warten hatte sich ausgezahlt. Er würde sicherlich entlohnt werden für die Information, die er ihm jetzt mitteilen würde. „Ein Werwolf half ihr!“ „Ihr habt einen Werwolf gesehen und überlebt?“ Ein hohles Lachen erklang. „Das kann ich nicht glauben! Außerdem, wieso sollte ein Werwolf einer Frau…“ Der Mann unterbrach sich. „Interessant! Also gibt es doch noch Werwölfe dieser Art! Hiricines Brut wurde also doch noch nicht völlig ausgelöscht. Los, sprecht weiter“, fuhr er Fax an. Fax sonnte sich in seiner Wichtigkeit. Es

hatte sich tatsächlich bezahlt gemacht so lange zu warten. Dass er dabei mit dem Teufel persönlich einen Handel abschließen wollte, soweit reichte sein Denken nicht. „Es brach in das Lager ein, schneller als sie reagieren konnten. Frost wollte das Mädchen gerade umbringen, da sprang dieses Monster über ihn und zerfleischte ihm einfach Kopf und Gesicht.“ Selbst Fax das Wiesel musste schlucken, als er an die blutige Masse dachte, aus der Frost immer noch zu schreien imstande war, bevor er schließlich starb. Er war gewiss kein zimperlicher Mann, doch das was dann folgte war noch weit grauenhafter als alles andere. „Ich konnte es nicht

glauben. Dillinger ließ den Säugling fallen und ich dachte schon diese Bestie wollte das Kind mit einem Schlag zerfetzen, mit so einem gewaltigen Sprung war er heran. Doch nichts dergleichen geschah! Stattdessen fing er das Kind auf und ließ es sanft auf den Boden gleiten.“ „Hircines Wirken ist das! Keine Frage! Doch sprecht weiter…“ „Was das Monstrum dann mit Dillinger aufführte war dagegen… naja… Er weidete ihn regelrecht aus. Ich glaube die blutige Masse die von ihm übrig blieb, war kaum mehr als Mensch zu erkennen.“ „Schön und gut, doch wie habt Ihr

überlebt? Dieses Biest hätte sicherlich keinen von euch davonkommen lassen.“ Fax knetete nervös seine Finger. „Ja. Ich dachte auch, dass es jetzt aus ist mit mir. Ich hockte völlig steif und reglos in dem Gebüsch, als er seinen Wolfsschädel in die Höhe streckte und angestrengt nach allen Richtungen zu lauschen und wittern schien. Ich wagte nicht einmal zu atmen. Aber der Pestbusch in dem ich steckte, war wohl meine Rettung. Der Gestank dieser Beeren, besonders wenn sie aufplatzen, ist nicht nur widerlich, er ist penetrant und zieht sich in jede Pore. Er konnte mich wohl nicht wahrnehmen.“ Der Mann vor ihm warf seinen Kopf zurück und lachte. Schaurig hohl klang

das Lachen an, nur um von dem alles verdeckenden Nebel wieder verschluckt zu werden. Schließlich erholte er sich von seinem Heiterkeitsausbruch und fixierte Fax mit seinen glühenden Augen. „Ihr habt in der Tat gut gehandelt mir all das zu sagen.“ Fax fühlte, wie diese Augen ihn taxierten. „Ihr scheint ein cleverer Bursche zu sein. Dafür haben wir immer Verwendung. Wir brauchen auch menschliche Diener und Ihr scheint mir der Richtige zu sein. Kommt mit.“ Damit wandte er sich um und ging voran. Fax das Wiesel löschte das magische Feuer und folgte ihm mit einem breiten Grinsen. Es war immer gut sich den richtigen Herren zu suchen. Wenn er es

nur halbwegs geschickt anstellte, sollte es ihm wohl für den Rest seines Lebens an nichts mehr mangeln. ***** Die knirschenden Geräusche der Pferdehufe klangen beinahe einschläfernd in dem langsamen Rhythmus, indem sie dahinschritten. Der Weg, dem die Gefährten folgten, führte durch ein breiteres Tal, in dem keine menschliche Siedlung die Eintönigkeit der kargen Landschaft unterbrach. Ein steiniges, ausgetrocknetes Flussbett zeugte wohl von einer einstigen, üppigeren Vegetation, die aber in

Ermangelung des Wassers wohl zu den spärlichen Überresten geführt hatte, die nun dieses Tal bewuchsen. Etwas abseits des Weges begannen schroffere Felsformationen und auch einige der zähen Nordtannen hatten wohl genug Boden und Feuchtigkeit gefunden, um sich zu verwurzeln. Es war ein menschenleeres und abweisendes Gebiet durch das sie hindurchzogen. Missmutig blickte Vilkas zum Horizont. Die Sonne war gerade noch eine Handbreit darüber zu sehen, was bedeutete, dass sie bald nach einem geeigneten Nachlager Ausschau halten müssten. Da Hana nicht reiten sollte, war ihr Vorwärtskommen mehr als

schleichend. Vilkas hätte es lieber gehabt, wenn sie noch vor Einbruch der Dunkelheit in das Wirtshaus zum Geiereck gekommen wären, das gleich nach dieser Einöde lag. Doch damit war wohl nicht mehr zu rechnen. Rorik und Jouane hatten sie noch überreden wollen dem Mädchen zuliebe eine Nacht bei ihnen zu verbringen, doch Hana beteuerte, dass es ihr gut ging. Somit gab es nichts, was Vilkas noch länger in Rorikstatt hielt. Farkas hatte ihn zwar mit seinen Blicken erdolcht, doch Vilkas bestand darauf nach dem Mittagessen aufzubrechen. In seinem präzisen Denken hätten sie damit genügend Zeit haben müssen, rechtzeitig die Gaststätte zu erreichen.

Dass das leider nicht der Fall war, lag seiner Ansicht nach sicherlich nicht daran, dass er anscheinend seine Schrittlänge als Maß genommen hatte sondern daran, dass sie – seiner Meinung nach – bereits die mindestens zehnte Rast gemacht hatten, in der das Kind gesäugt werden musste und das Mädchen noch schnell austreten musste. Farkas übernahm dazu nur zu gerne den Kleinen, während sie hinter den Felsen verschwand. Am liebsten wäre Vilkas ihr nachgeeilt oder hätte seinen Bruder nachgeschickt. Falsche Scham konnten sie sich hier nicht leisten. Hana hätte es eben aushalten müssen, dass einer von

ihnen dabei bei ihr blieb, während sie sich erleichterte. Sie hätten beide den Anstand gehabt ihr dabei den Rücken zuzukehren und ihr ihre Privatsphäre zu lassen. Doch irgendwie hatte Vilkas sich wieder einmal nicht durchsetzen können. Gerade als er ihr folgen wollte, hatte Farkas ihn aufgehalten und ihm zu gezischt: „Sie ist doch nur hinter den Felsen gehuscht. Was soll da schon passieren?“ „Du hast nicht gehört was die Banditen sprachen!“, erwiderte er daraufhin. „Die wollten das Kind! Wer weiß, wer noch hinter ihr her ist. Ich glaube nicht das Märchen vom einfachen Mädchen aus

Morthal.“ Farkas blieb völlig gelassen. „Seit wann bist du noch paranoider als sonst?“, fragte er ungerührt. Entspannt lehnte er an einem Felsen, während die Pferde sich an den kargen Grashalmen labten, die am Wegrand ihr kümmerliches Dasein fristeten. Die Gegend, durch die sie gerade kamen, war die menschleerste der gesamten Provinz und damit auch die brachliegendste. Farkas bugsierte den Säugling gegen seine Schulter und sah sich genauer um. Seinen Bruder, der nervös auf und abzugehen begann, versuchte er gekonnt auszublenden. Das hier könnte ein genauso fruchtbarer Landstrich werden wie bei Rorikstatt. Es

müssten dazu nur Brunnen gegraben werden. Wenn sie zurück in Weißlauf wären, würde er mit Jarl Vignar, dem Vorsteher dieser Provinz, über diesen Umstand sprechen. Vielleicht wusste er von Bauern, die gewillt waren, sich hier anzusiedeln. „Wie kannst du dagegen nur so ruhig bleiben?“, fragte sein Bruder aufgebracht. „Das hier ist noch dazu Troll Land! Das weißt du!“ Farkas drehte sich langsam zu ihm. Seine Überlegungen beschäftigten sich immer noch mit dem kargen Land. Dass hier in den nahen Bergen die Trolle hausten war bekannt. Aber nichts, womit sie nicht fertig werden würden. Eine kurze, gut

bezahlte Säuberungsaktion für die Gefährten, und schon könnten die Bauern mit ihrem Werk beginnen. Nachdem Vilkas nun beinahe schon schnaubte, ließ sich Farkas endlich auf dessen Überlegungen ein. „Die kommen nicht so dicht zum Weg. Aber folge Hana, wenn du dich dann besser fühlst“, murmelte er. „Schließlich gibt es nichts an ihr, was du nicht schon gesehen hättest.“ Dann wechselte er das Thema. „Was war das noch mit den Banditen? Sie wollten den Kleinen? Wozu? Menschenhandel?“ Vilkas war beinahe schon losgeeilt, doch die Worte seines Bruders brachten ihn zur Vernunft. Es stimmte. So nahe an die

Straße wagten sich die Trolle nicht. Sie fielen nur über unvorsichtige Jäger her, die allein und zu weit in ihr Gebiet vordrangen. „Menschenhandel?“, fragte er sich ebenfalls. „Nein, das glaube ich nicht. Aber einer von ihnen sprach von einer großen Summe Gold, das sie für das Kind bekommen würden. Die Frau war ihnen egal.“ Jetzt war Farkas hellwach. „Was? Die wollten Hana umbringen? Was waren das nur für Leute?“ „Banditen eben!“, zuckte Vilkas die Schultern. „Was erwartest du? Die hatten das Mädchen gefoltert, geschlagen und vielleicht sogar vergewaltigt.“ Verächtlich spuckte er auf den Boden.

„Vergiss nicht, unsere Arbeit wäre nicht so gefragt, wenn alles friedlich wäre. Das Kaiserreich ist gut darin unangenehme Personen aus Cyrodiil in die selbstständigen Länder wie Himmelsrand abzuschieben.“ Nervös begann sich Vilkas umzusehen. „Das dauert mir jetzt aber wirklich zu lange. Ich gehe nachsehen, was mit ihr los ist!“ Sein Bruder grinste, sagte aber nichts. Er lehnte sich nur noch bequemer an den Fels und tätschelte den kleinen Körper des Buben, der in einem großen Tuch eingeschlagen war. Vilkas lief um den Felsen und suchte mit seinen scharfen Augen rasch die Gegend ab. Als sein feines Gehör das schmerzvolle und

ungeduldige Zischen von Hana hörte, eilte er sofort in die Richtung, aus der es kam. So wie es aussah, war sie ein paar Felsen hochgeklettert. Wieso Frauen immer das Bedürfnis hatten sich besonders gut für ihr ‚Geschäft‘ zu verstecken, würde er wohl nie verstehen. Er musste auch erst ein paar Felsen umrunden, bis er sie sehen konnte. Da blieb er aber auch schon erstaunt stehen. Hana hatte ihn noch nicht bemerkt. Sie war mit ihrem Fuß zwischen zwei Felsen geraten und steckte jetzt fest. Und was tat sie? Anstatt ihn zu rufen versuchte sie selbst aus ihrer misslichen Lage zu kommen. Dass konnte doch ein Blinder sehen, dass das nicht funktionieren

würde. Mit jeder weiteren Bewegung kam sie noch tiefer zwischen die Felsen. Und sie tat noch immer nichts um ihn zu rufen! „Hör auf!“, fuhr Vilkas sie an und stürzte auf Hana zu, die sofort erschrocken inne hielt. „Du verletzt dich noch, wenn du nicht damit einhältst dich weiter zu bewegen!“ Dass er sie in der Schnelle duzte, fiel ihm gar nicht auf. Als sie sah, wer auf sie zukam, entspannte sie sich sofort wieder. „Aber ich stecke fest!“, rief sie. „Ich versuche mich doch nur zu befreien!“ „Warum hast mich nicht gleich gerufen?“ Inzwischen war er heran und packte ihren Knöchel um sie am weiteren

Herumzappeln zu hindern. „Weil ich fürchtete, dass Ihr wieder ärgerlich reagieren würdet“, verteidigte sie sich. „Und ich… ich wollte doch keine Umstände machen. Nachdem Ihr schon so dagegen wart mich mitzunehmen.“ Vilkas verdrehte die Augen. „Ich bin immer ärgerlich. Das hat nichts mit dir zu tun. Frag Farkas. Der kann dir das bestätigen.“ Hana sah ihn mit großen Augen an. Dunklen Augen voller Wärme, die in Vilkas Erinnerungen weckten, an die er lieber nie wieder gerührt hätte. „Das… das tut mir leid“, meinte sie leise. „Was hat Euch nur so verletzt, dass Ihr Euch

so schützen müsst?“ mitfühlend sah sie ihn an. Brüsk wandte Vilkas sich ab. „Nichts. Vor allem nichts, was Euch etwas angehen würde.“ Vilkas wechselte auch wieder in die Höflichkeitsform, obwohl das was er sagte, alles andere als höflich war. Dann packte er ihren Fuß, drehte ihn ein wenig in die richtige Richtung und zog ihn schließlich aus dem Stiefel. Ihr Fuß war klein und zierlich. Wie der eines Kindes. Dazu hatte sie auch noch ein Goldkettchen um ihren Knöchel gewickelt, was nur cyrodiilische Frauen aus gutem Hause zu tragen pflegten. Vilkas staunte wie leicht er mit seiner Hand ihren Knöchel umfassen konnte.

Fasziniert hielt er ihn fest. „Wie alt bist du eigentlich wirklich?“, fragte er perplex. Hana führte ihre Hand zu der seinen, die immer noch ihren Knöchel umfasste, und legte sie darauf. Ihre zarte Hand verlor sich beinahe auf seiner großen, sehnigen. Sie war schmal und langgliedrig, aber ohne Zweifel die Hand einer ausgewachsenen Frau. Beeindruckt starrte er sie an. „Ihr Nord seid ein großes Volk, Vilkas“, sagte sie. „Und du bist selbst für dein Volk sehr groß. Du kannst getrost sein, ich bin kein Kind mehr. Ich wurde vor einem halben Jahr bereits achtzehn. Mit siebzehn habe ich geheiratet und bin meinem Mann nach

Himmelsrand gefolgt.“ Vilkas kam wieder zu sich, ließ ihren Fuß los und widmete sich dem Stiefel, der immer noch im Felsspalt steckte. „Da magst du Recht haben. Aber dennoch wirkst du nicht älter als sechzehn“, meinte er. Mit ein wenig Geziehe und Gezerre hatte er dann auch den Stiefel befreit und Hana schlüpfte mit ihrem Fuß wieder hinein. „Danke“, sagte sie leise und blickte ihn mit ihren weichen Augen an. Er war nahe bei ihr und da sie erhöht stand, konnte er sie direkt ansehen. Ihre vollen Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln und ihre kleine Nase ragte ein wenig vorwitzig zum Himmel. Sie war nicht

das, was man eine klassische Schönheit nennen würde, aber sie hatte ein ausgesprochen hübsches Gesicht und ein herzliches Lächeln. Ihr langes dunkles Haar hatte sie hochgesteckt, von wo aus es nun nicht mehr ganz bis zu den Schultern herunter fiel. Jetzt glaubte Vilkas auch zu wissen, warum sie so jung aussah. Das lag sicherlich an ihrem unschuldigen Blick und an ihrer Stupsnase. Bevor er noch etwas sagen konnte sprach sie schnell weiter: „Und auch für deine Hilfe im Wald. Jouane hat mir gesagt, dass ich ohne deine Hilfe nicht mehr am Leben wäre. Und mein Kind wohl auch nicht mehr. Danke.“ Sie sah ihm dabei klar in die Augen, ohne zu

blinzeln. Es war schließlich an Vilkas wegzusehen. Außer Farkas konnte niemand seinem Blick lange standhalten. Bei Hana war das anders. Das erstaunte ihn. „Na dann“, meinte er und packte sie um ihre Hüften um sie vom Felsen zu heben. So ging es auf jeden Fall schneller, als wenn er sie von selbst wieder herunterklettern ließ. „Gehen wir zurück. Wir müssen jetzt ein Nachtlager finden. Bis zur nächsten Gastwirtschaft schaffen wir es leider nicht mehr.“ „Da seid ihr ja endlich!“, begrüßte sie Farkas und reichte Hana den Säugling. Sie schlang sich auch sofort wieder das

Tuch quer um ihre Brust, das Jouane ihr zum Abschied gegeben hatte, und legte ihr Kind hinein. Eine übliche Trageweise für Säuglinge. Manchmal sogar auch für Kleinkinder, damit ihre Mütter beide Hände frei hatten. Bei Bäuerinnen war das oft zu sehen während sie am Feld arbeiteten. Kleinkinder hockten dabei aber meist am Rücken. So ausgerüstet gingen sie weiter und Vilkas bog bald vom Weg ab, als er eine geeignete Nische bemerkte, die für ein Nachtlager passend war. Hana half diesmal fleißig mit und übernahm auch die Verteilung der Vorräte. Lachend biss sie in ein Stück Brot. „Also, wisst ihr, das was für

normale Leute drei Tage reichen würde, ist für euch wohl nur eine Jause! Mit solchen Appetit habe ich selten jemanden essen gesehen!“ Sie war ebenfalls auf die einfache Du-Form übergegangen. Farkas schlang seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie kurz an sich. „Naja, du kennst unsere Kameraden noch nicht. Bei uns in Jorrvaskr wird Essen und Trinken eben groß geschrieben!“ Hana lächelte und blickte zu Vilkas. Doch der aß nur still für sich und sah dabei in eine andere Richtung. Seine ganze Haltung drückte Verschlossenheit aus. Da war diesmal nichts zu machen. Hana seufzte und zog sich wieder ihr Kleid von der Brust. Völlig

enthusiastisch begann der Kleine bereits nach seiner Nahrungsquelle zu suchen. „Wow!“ Irritiert blickte Hana auf und sah Farkas Augen, die ungeniert auf ihre Brüste starrten. „Bilde ich mir das ein, oder sind die Dinger gewachsen?“ Hana musste lachen. Da sie doch schon eine Zeit lang in Himmelsrand lebte, wusste sie, dass den Menschen hier eine erfrischende Natürlichkeit zu eigen war. Und scheinbar war das bei den Gefährten noch deutlicher ausgeprägt. „Dabei dachte ich, dass du das kennen müsstest“, antwortete sie ihm. „Ich war mir sicher, dass du bereits Vater bist, so gekonnt wie du dich immer um Varis kümmerst.“ Dann verstummte sie abrupt.

Farkas war doch tatsächlich bleich geworden und Vilkas ruckte seinen Kopf alarmiert zu ihnen herum. „Oh“, meinte sie verlegen. „Tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe.“ „Nein, nein“, beeilte sich Farkas zu sagen. Dann sah er jedoch brütend ins Feuer, was seine Worte aber sehr wohl Lügen strafte. Dafür wandte sich Vilkas nun an sie. Gekonnt lenkte er vom Thema ab. „Varis? Du hast ihm bereits einen Namen gegeben?“ Dankbar, dass Vilkas die Situation gerettet hatte, antwortete sie: „Ja. Er soll so heißen wie mein Vater.“ Liebevoll blickte sie ihren Sohn an, der an ihrer

Brust saugte und dabei angestrengt zu schnaufen begann. „Mein Vater war einer der rechtschaffensten Männer die ich kenne.“ „War?“ Die Dämmerung war inzwischen der Nacht gewichen und das Feuer die einzige Lichtquelle, die flackernd die Umgebung erhellte. Friedlich stampften die Pferde in ihrer Nähe. Hana sah wie Vilkas sich zurecht setzte, sodass er sie voll ansehen konnte. Seine Haltung war erstaunlicherweise entspannt und in seinem klaren, scharfen Blick lag wahres Interesse. „Ja“, sagte sie. Sie entschied sich doch ein wenig mehr von sich preiszugeben. Obwohl sie nicht sagen

konnte warum, fühlte sie sich in Vilkas Gegenwart nicht nur sicher und behütet sondern auch wertgeschätzt. Selbst wenn er öfters brüsk war, oder sie einfach gekonnt ignorierte. „Er war der oberste Schatzmeister des Kaisers“, begann sie zu erzählen. „Doch es wurde gegen ihn intrigiert.“ Sie schloss die Augen, als die Erinnerungen voll auf sie einstürzten. Das beruhigende Saugen ihres Sohnes half ihr aber ihre Fassung zu bewahren. „Er war unschuldig. Das weiß ich. Doch sein Widersacher war raffiniert und als man eines der wertvollen Schmuckstücke der Kaiserin in unserem Haus fand, wurde er nach einem kurzen Prozess verurteilt und

öffentlich hingerichtet.“ Etwas leiser fügte sie an: „Und ich wurde gezwungen dieser Urteilsvollstreckung beizuwohnen.“ Vilkas Augenbrauen wanderten erstaunt in die Höhe. Scheinbar hatte er das nicht erwartet. Wahrscheinlich erzählte sie darum auch mehr als sie anfangs vorhatte. „Es wurde ihm natürlich untergeschoben, doch niemand glaubte ihm. Als ich später über alles nachdenken konnte, wurde mir bewusst, wie abgefeimt sein Gegner vorgegangen war. Zu der Zeit waren alle Freunde meines Vaters mit speziellen Aufgaben außer Landes geschickt worden. Von anderen, vermeintlichen Freunden, weiß

ich, dass sie bestochen wurden. Und diejenigen, die nicht fortgeschickt wurden und ihm wohl die Treue gehalten hatten, von denen hörte man nie wieder etwas. Ich nehme an, dass sie inzwischen in irgendwelchen Kerkern verstorben sind.“ Jetzt traten doch Tränen in ihre Augen. Sie konnte nicht anders. Diese schreckliche Zeit hatte sich unauslöschlich in ihr eingebrannt. Nicht nur, dass sie ihren geliebten Vater auf so eine Weise verloren hatte, sie wurde damit auch von einem Tag auf den anderen, von einer aussichtsreichen jungen Frau, zu einer Geächteten. Und sie lernte auf schmerzlichste Weise kennen, wie viele ‚wahre‘ Freunde sie

unter den Adligen ihres Standes hatte. Nämlich keine! Ihre einfache Dienerin und Heimkar, ein Söldner aus Himmelsrand, waren die Einzigen, die sich ihrer noch angenommen hatten. Verschämt wischte sie sich mit dem Handballen ihrer freien Hand die Tränen aus dem Gesicht. Als sie eine Hand an ihrem Bein spürte, sah sie auf. Farkas hatte sich wieder dem Gespräch zugewandt und mitfühlend zu ihr gegriffen. „Wie alt warst du, als das geschah?“, fragte Vilkas in die Stille hinein. „Siebzehn“, antwortete Hana, die sich langsam wieder fasste. Dann legte sie Varis kurz an ihre Schulter. Der Kleine

war erneut erschöpft eingeschlafen, nachdem er sich vollgetrunken hatte. Sie zog sich auch ihr Kleid wieder über ihre Brüste, die wirklich um vieles größer geworden waren, was wohl am Appetit ihres Sohnes zu liegen schien. „Was passierte weiter?“, fragte Vilkas nach. Farkas dagegen hatte sie um die Schulter genommen und tröstend an sich gedrückt. „Unser Besitz wurde beschlagnahmt“, fuhr Hana fort. „Ich war wohl noch zu unerfahren um dagegen etwas tun zu können. Meine Mutter starb einige Jahre zuvor und so war ich von einem Tag auf den anderen eine arme Frau. Mein Verlobter, ein Adliger aus bestem Kreise,

löste jegliche Verbindung zu mir. Man legte mir auch nahe Cyrodiil zu verlassen, oder ein Schicksal in bewachtem Frondienst anzunehmen.“ „Ich konnte die Kaiserlichen noch nie leiden!“, knurrte Farkas. „Nichts gegen dich, Hana, aber die meisten sind ängstliche Speichellecker!“ „Ja. Und jeder, der anders ist, wie mein Vater, wird gnadenlos zerstört.“ Farkas drückte sie nochmals an sich, dann ließ er sie los. Hana legte den kleinen Varis wieder in sein Tuch, band es sich fest um den Körper und zog ihre Beine ein wenig an, nur um ihre Hände um ihre Knie zu schlingen. Dabei achtete sie genau darauf den Kleinen nicht zu sehr zu beengen.

Aber diese Haltung gab ihr ein wenig Sicherheit. „Und du hast dich dazu entschlossen nach Himmelsrand zu gehen?“, fragte Vilkas nach. Seine durchdringenden, hellen Augen ruhten unverwandt auf ihr. Sie sah ihm an, dass er sichtlich mehr erfahren wollte. Die junge Frau schüttelte den Kopf. „Nein. Ich packte einfach meine Sachen. Zumindest das Wenige, das sie mir zugestanden.“ Sie lachte freudlos. „Mehr als zwei Kleider und meine alchemistischen Aufzeichnungen waren es sowieso nicht. Dann wollte ich eigentlich nach Hammerfell. Doch es kam anders.“ Vilkas Augen fixierten sie

immer noch mit unvermindertem Interesse. Seiner Mine konnte sie dagegen keine Regung entnehmen. Aber sie fühlte sich wieder einigermaßen gefestigt um weiter zu erzählen. „Heimkar trat an mich heran“, fuhr sie fort. „Er war Söldner in der kaiserlichen Armee und hatte gerade seinen Dienst beendet. Er kannte mich, da er öfter bei meinem Vater in den Schatzkammern Wache hatte. Er sagte mir, dass er sich schon seit langem in mich verliebt hatte und ob ich nicht mit ihm, als seine Frau, nach Himmelsrand gehen wolle.“ Sie blickte wehmütig lächelnd in die Runde. „Nun, so kam ich hierher.“ Vilkas schnaubte unzufrieden. Das war

alles tragisch, aber es erklärte in keiner Weise, warum die Banditen hinter ihrem Sohn her waren. „Wer war dein Vater? Außer, dass er ein glückloser Schatzmeister war?“, bohrte er daher weiter nach. „Was meinst du?“, fragte Hana verwundert. „Die Banditen waren hinter deinem Kind her“, erklärte Vilkas. „Und ich frage mich schon die ganze Zeit, ob du uns in allem wohl die Wahrheit gesagt hast. Wer war also dein Vater? Wer hätte einen Vorteil, wenn er dein Kind in die Hände bekommen würde?“ Hana begann zu zittern. Voller Schreck weiteten sich ihre Augen und unbewusst

drückte sie Varis ein wenig fester an sich. „Das… das weiß ich nicht!“, stotterte sie. „Ich habe wirklich keine Ahnung!“ „Vilkas!“, zischte Farkas. „Hör auf ihr Angst zu machen!“ „Wie sollen wir sie schützen, wenn wir nicht über alles Bescheid wissen?“, fragte Vilkas zornig. „Ich bin mir sicher, da liegt mehr dahinter!“ „Nein, ganz sicher nicht!“, rief Hana. „Mein Vater war nichts weiter als der oberverantwortliche Schatzmeister. Er hatte Pech, dass ein anderer wohl mit aller Gewalt seinen Posten wollte. Wir sind mit der kaiserlichen Familie nicht verwandt, wenn du darauf

anspielst!“ Vilkas sah sie beharrlich an. Sie hatte einen wachen Geist, denn genau daran hatte er gedacht. Schließlich zuckte er die Schultern. So wie sie beinahe schon panisch aussah, würde er nicht viel mehr aus ihr herausbekommen. Außerdem funkelte Farkas ihn bereits kampflustig an. Dass sein Bruder auch immer so weich sein musste! Er wollte sie ja auch nicht quälen. Aber er spürte förmlich, dass das was sie gesagt hatte, nicht alles war. „Schon gut“, meinte er abschließend. „Gehen wir schlafen, damit wir morgen ausgeruht sind.“ Sie richteten sich für die Nacht ein und Farkas legte fürsorglich die Felle um

Hana und ihren Sohn. So wie letzte Nacht nahmen sie das Mädchen zwischen sich und legten sich zu ihr. Wie üblich konnte Vilkas nicht schlafen. Das war nichts Neues, mit ihrem Fluch. Doch ein wenig seichtes Dösen, hätte er schon gerne gehabt. Daraus wurde aber nichts. Er lag am Rücken neben Hana und als er die Augen schloss, sah er nochmals Hanas kleinen Fuß in seiner Hand, ihre warmen Augen und die Erinnerung, die dabei aufblitzte, drängte sich ungewollt wieder herauf. Erinnerungen an eine Zeit vor acht Jahren, als er in dem zarten Alter von Hana war, oder sogar noch jünger. Eine Zeit, in der er noch offen und bereit war für das Leben. Seine

Eingeweide knoteten sich zusammen, als Lavinias Bild wieder vor seinem geistigen Auge auftauchte. Wie sie nach Weißlauf kam, schüchtern an der Seite ihrer Schwester Lydia, die ihre Dienste bei Balgruuf, dem damaligen Jarl von Weißlauf, antrat. Vilkas krümmte sich bei dem Gedanken an diese Zeit. Farkas und er waren schon mit dem Werwolf-Fluch gezeichnet gewesen. Doch das war nicht der Grund, für die Ereignisse, welche die Begegnung mit Lavinia ausgelöst hatte. Der große Mann drehte sich auf die Seite und blickte jetzt in Hana‘s Richtung. Er musste auf andere Gedanken kommen, sonst würde er morgen völlig

ungenießbar und unansprechbar sein. Jedenfalls ungenießbarer und unansprechbarer, als er es sonst immer war. Hana schlief tief und fest. Ihr Kopf ruhte auf einer ihrer Hände, während sie mit der anderen den kleinen Varis, selbst im Schlaf, liebevoll an sich drückte. Vilkas lächelte. Nein, Hana war nicht Lavinia. Hana war trotz ihres zerbrechlichen Körperbaus und ihres kindlichen Aussehens, mit einer inneren Stärke ausgestattet. Sie würde allen Unbill, der auf sie noch warten würde, wohl meistern können. Jetzt, wo niemand ihn sah, gestattete er es sich, ihre langen Haare zurück zu streichen. Dabei

berührte er ihre Wange. Sie war weich. Genauso weich, wie er es sich vorgestellt hatte. Vilkas seufzte. Sein Bruder kannte ihn viel zu gut. Hana war genau sein Typ. Dieses süße, unschuldige Mädchen könnte sein Herz erweichen, wenn, ja, wenn nicht Hircines Fluch wäre. Doch nicht nur dieser lastete auf ihm. Ein noch weitaus ärgeres Verderben drückte auf seine Seele und hatte ihn gebrandmarkt für den Rest seines Lebens. Während er noch versonnen auf seine große, sehnige Hand starrte, die soeben ihr feines Gesicht berührt hatte, bemerkte Vilkas wie leichter Nebel aufzog. Verwundert beobachtete er die Schwaden, die immer dichter wurden und

langsam zwischen ihm, Farkas und Hana hindurchzogen. Er konnte sich nicht erinnern, hier in dieser Gegend jemals solchen Nebel beobachtet zu haben. Dazu gab es hier eindeutig zu wenig Gewässer. Alarmiert begann er seine Sinne zu schärfen, doch es gab nichts, das sein ungutes Gefühl bestätigt hätte. Nicht einmal der Werwolf in ihm rührte sich. Der Nebel hingegen wurde immer dichter. Vilkas richtete sich auf. Das war ihm jetzt eindeutig zu bedrohlich. Vorsichtig versuchte er zu wittern, doch es gab nichts Ungewöhnliches, außer einem etwas sumpfigen Geruch. Zu hören war überhaupt nichts. Nicht einmal mehr die kleinen Nagetiere, die er zuvor noch

hinter ihrem Lager herumwieseln gehört hatte. So als würde die Natur schweigen. Der Nebel war inzwischen so dicht geworden, dass Vilkas nicht einmal mehr zu Farkas sehen konnte. Der Geruch nach Sumpf wurde noch penetranter und ein leichter Schwindel zog durch seinen Kopf. Nein, hier stimmte eindeutig etwas nicht. Doch als er aufspringen wollte, war es ihm nicht mehr möglich. Seine Glieder gehorchten ihm nicht mehr und der Sumpf-Geruch drang jetzt mit dem Nebel direkt in alle seine Körperöffnungen. Er konnte nicht verhindern ihn einzuatmen. Das Letzte, das er noch mitbekam war, wie er wie gelähmt auf dem Boden

aufschlug.

04 lavinia

Die Luft war klirrend kalt. Wie immer, an einem klaren Wintertag in Himmelsrand. Das Fürstentum Weißlauf war zwar von den Witterungen her eine der angenehmsten Provinzen des Landes, doch trotz des Sonnenscheins an diesem Tag, konnte man schon den Geruch des kommenden Schnees wahrnehmen, der bereits in der Luft lag. Inmitten eines breiten Tales und angelehnt an ein gewaltiges Felsmassiv, lag die gleichnamige Stadt Weißlauf. Der Fluss, der ihr den Namen gab und der beinahe durch die gesamte Provinz zog,

entsprang einer Quelle in dem Felsmassiv, über welchem die Burg Drachenfeste gebaut wurde. Wie ein Adlerhorst thronte diese Feste auf einem Felsplateau, als wäre sie direkt aus dem Berg selbst gehauen worden. Darüber lagen dichte Wälder, die nur über einen geheimen, schmalen Pfad neben den glatten Mauern der Burg zu erreichen waren, bis auch diese sich im ewigen Eis und Fels des Berges verloren. Liebevoll angelegt, mit einem künstlichen Bachbett für den jungen Fluss, breitete sich die Stadt in mehreren Ebenen unterhalb dieser Feste aus. Ein riesenhafter Baum war das Kernstück des Wolkenbezirks, so wurde die obere Ebene

der Stadt genannt, in der auch Jorrvaskr, die berühmte Halle der Gefährten lag. Für die Nord galt das Kriegshandwerk immer noch als das ehrbarste Handwerk, neben der Schmiedekunst, dem man angehören konnte. Und ein Krieger, der zu den Gefährten gehörte, genoss den untadeligsten und besten Ruf, den man sich vorstellen konnte. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass Väter, besonders Väter die diesen Beruf ebenfalls ausübten, von ihren Kindern nichts anderes erwarteten, als in ihre Fußstapfen zu treten. Mit welchen Mitteln auch immer sie das zu erreichen versuchten. An eben einem dieser klirrend kalten,

klaren Wintertage, eilten die Bewohner der Stadt Weißlauf wie gewohnt geschäftig durch die Straßen, oder arbeiteten wie Adrianna an ihrem Tagewerk. Gleich hinter dem großen Tor der Stadtmauer lag ihre Schmiede, die sie mit ihrem Mann Ulfgerd gemeinsam bewirtschaftete. Während er sich vorwiegend um den Verkauf kümmerte, lag es an ihr den berühmten Nordstahl zu schmieden, oder hochwertige Lederrüstungen herzustellen. Adrianna wusste selbst, dass sie gegen den großen Eorlund Grau-Mähne, den bekanntesten Schmied Himmelsrands und Besitzer der legendären Himmelsschmiede im Wolkenbezirk, keine ernsthafte

Konkurrenz darstellte. Doch das störte sie nicht. Es gab Arbeit genug. Die hochwertigen Stahllegierungen und der ausgezeichnete Ruf der nordischen Schmiedekunst, überhäuften sowohl Eorlund als auch sie selbst mit Aufträgen. Es gab Edelmänner in Cyrodiil, die für ein einfaches nordisches Schwert bereit waren das Doppelte, als hier üblich, zu zahlen. Ein lukratives Geschäft, das sogar einem dritten Schmied ein gutes Einkommen gewährt hätte, so denn einer gewillt gewesen wäre, sich hier ebenfalls niederzulassen. Adrianna schmolz gerade die hochwertigen Eisenerze, als das Nerv tötende Waffengeklirr erneut erklang.

Direkt hinter ihrer Schmiede lag das kleine Haus von Jörgen, einem Mitglied der Gefährten, und seinen Söhnen. Adrianna hätte sich einen besseren Platz für ihre Schmiede aussuchen sollen. Aber andererseits, wenn sie an ihren Schwertern und Rüstungen arbeitete, war das wohl auch nicht gerade leise. Nur, oft vergaßen die Burschen wo sie waren und fegten in ihrer Kampfleidenschaft auch durch ihre Schmiede. Einmal hatten sie sogar ihre Gerbständer umgerissen. Da war Adrianna fuchsteufelswild geworden! Doch die Burschen, die sie trotz ihrer erst achtzehn Jahre bereits um Haupteslänge überragten, waren kleinlaut geworden und hatten ihr hektisch

geholfen den Schaden wieder in Ordnung zu bringen. Ihre ängstliche Frage, ob Adrianna darüber wohl Stillschweigen bewahren würde, wunderte sie zwar, aber sie hatte sich achselzuckend darauf eingelassen. Heute waren die Brüder wieder einmal voll konzentriert in ihre Waffenübungen, dass sie erneut mitten in ihrer Schmiede ihre Kämpfe austrugen. „Hey!“, rief Adrianna. Es war schwierig für sie die Zwillinge auseinander zu halten, doch einer von ihnen, Farkas hieß er, wirkte ein wenig ausladender als der andere. Dieser Farkas hörte auch ihren Ruf und hielt inne. Sein Bruder allerdings bekam es eindeutig nicht mit.

Mit voller Wucht prallte er auf Farkas und schaffte es gerade noch sein Schwert hinweg zu reißen, um nicht eine Verletzung zu verursachen. Der Schwung ließ ihn aber stolpern und nun durch Adriannas gesamte Schmiede rollen, bis er kurz vor der Hauptstraße zum Liegen kam. Fluchend rappelte er sich auf. „Was soll das, du Feigling!“, schrie er und wandte sich schwungvoll um. Adrianna sah nur mehr, wie der Bursche mitten in der Bewegung erstarrte. Gerade noch rechtzeitig um nicht die Kriegerin nieder zu stoßen, die soeben durch die Stadttore von Weißlauf getreten war. Adrianna hob anerkennend die Augenbrauen. Sie hätte darauf gewettet,

dass das schiefgehen würde. Doch die Reflexe dieses Milchbarts waren beinahe schon unerklärlich. Dann jedoch blieb er stehen und glotzte, als könnte er nicht bis drei zählen. Schließlich trottete sein Bruder zu ihm und legte ihm seine Hand auf die Schulter. Vilkas hatte das Gefühl seinen Augen nicht trauen zu können. Die Kriegerin, die er beinahe umgestoßen hätte, sah beeindruckend aus. Ihre ganze Haltung drückte Stolz und Kraft aus. Während ihre Augen ihn missbilligend musterten, verzogen sich ihre Lippen zu einem kalten Lächeln. Aber trotz ihrer ansehnlichen Erscheinung war es nicht diese Frau, die Vilkas Aufmerksamkeit

erregte sondern das Mädchen hinter ihr. Die Kleine wirkte wie eine jüngere und viel sanftere Ausgabe der Kämpferin. Dunkle Augen blickten ihn schüchtern an, während ein zaghaftes Lächeln sich über ihren kleinen Schmollmund legte. Ihre dunklen Haare trug sie schulterlang und offen. Ein wollener Umhang und eine große Tasche vervollständigte ihre Erscheinung. „Ha… Hallo“, stotterte Vilkas und konnte einfach nicht seine Augen von ihr nehmen, was sie noch verlegener machte. „Ihr seid neu hier, in Weißlauf. Habt Ihr ein bestimmtes Ziel, oder sucht Ihr eine Unterkunft? Da können wir nur die ‚Beflaggte Mähre‘ empfehlen. Übrigens,

ich heiße Vilkas und das ist mein Zwillingsbruder Farkas.“ Dabei rempelte er mit dem Ellbogen gegen Farkas Brustpanzer. „Das ist ja nun wirklich nicht schwer zu erkennen, dass ihr Zwillinge seid, oder?“ Erstaunt blickte Vilkas die Kaiserliche in der Kampfrüstung an, die das Wort an ihn gerichtet hatte. Die Kriegerin hatte er völlig vergessen, so gebannt war er von dem schönen Mädchen hinter ihr. „Aber vielleicht könnt ihr uns helfen“, fuhr die Kämpferin fort. „Wir suchen den schnellsten Weg zur Drachenfeste.“ „Aber natürlich!“ Farkas lümmelte an Vilkas Schulter und übernahm das Gespräch mit der Kriegerin. „Ihr möchtet

also zum Jarl? Der sucht ja schon seit langem eine Verstärkung für seine Leibgarde. Kommt nur mit. Wir führen Euch hinauf.“ Die Kriegerin überlegte kurz, dann nickte sie. „Gut, machen wir es so.“ Und während sein Bruder die stolze Frau in ein Gespräch verwickelte, konnte Vilkas sich ganz dem Mädchen widmen, dessen Erscheinung ihn wie der Blitz getroffen hatte. „Wie heißt Ihr?“, fragte er sofort nach und nahm ihr galant die schwere Tasche ab. „Lavinia. Mein Name ist Lavinia. Ich begleite meine Schwester und werde in der Küche Eures Jarls ein wenig arbeiten können.“ Dann blickte sie Vilkas unter

ihren langen Wimpern verlegen an. „Danke“, murmelte sie. Fragend sah er sie an. „Dass Ihr mir die Tasche abnehmt“, erklärte sie errötend. „Ihr werdet sie schon lange genug getragen haben“, antwortete Vilkas; erfreut, dass er ihr damit wohl einen Dienst erweisen konnte. „Außerdem sind es recht viele Stufen, bis man oben in der Burg ist.“ „Ihr seid sehr nett!“, meinte Lavina. „Ich dachte eigentlich, Ihr Nord seid alle grob und unzivilisiert.“ Erschrocken hielt sie inne, doch Vilkas begann lauthals zu lachen. Die Kleine gefiel ihm immer besser. Sie war also nicht nur die Lieblichkeit in Person, sondern auch

geradheraus ehrlich. Eine Eigenschaft, die er ganz besonders schätzte. „Naja, jedenfalls habt Ihr diesen Ruf in der Kaiserstadt…“, fügte Lavinia noch entschuldigend an. Dann hob sie die Schultern und zog sich den Umhang enger um den Körper. „Wie haltet Ihr hier nur diese Kälte aus?“, fragte sie, während sie warme Dampfschwaden ausstieß. „Ach, die Sommer können selbst bei uns ganz angenehm werden. Und im Winter halten wir uns mit Kampfübungen warm.“ Charmant lächelte Vilkas Lavinia an. „Und wir sind nicht nur nett, wir haben auch noch feurige Herzen, die unser Blut erhitzen.“ Das Mädchen an

seiner Seite wusste sofort was er damit meinte und errötete heftig. Schweigend gingen sie nebeneinander her, während Vilkas sie eingehend betrachtete. Das was er jetzt aus der Nähe sah, ließ ihn noch mehr dem Liebreiz dieses Geschöpfes verfallen. Lavinia war eine Schönheit mit ihren dunklen Augen und den langen Wimpern. Ihr kleiner Schmollmund, an dem sie jetzt nervös herumzunagen begann, ließen sofort Sehnsüchte in Vilkas aufsteigen, die für einen Burschen seines Alters völlig normal waren. Ein kurzer Blick nach vorne zeigte ihm, dass sie bereits den Wolkenbezirk erreicht hatten. Lavinia sah sich erstaunt

um. „Das ist der Güldengrünbaum“, erklärte er ihr. „Eines unserer Wahrzeichen. Und dort auf der rechten Seite, das was beinahe aussieht wie ein verkehrtes Schiff, ist Jorrvaskr, die Halle der Gefährten. Das sind die berühmtesten Krieger von ganz Himmelsrand. Mein Bruder und ich werden im kommenden Frühjahr dort unsere Anwärterprüfung ablegen.“ Lavinia, die aus dem Staunen nicht herauskam und überall gleichzeitig hinschauen wollte, stolperte und wäre wohl gefallen, wenn Vilkas sie nicht geistesgegenwärtig aufgefangen hätte. Das Mädchen errötete wieder heftig und Vilkas spürte, wie er auf diese Nähe zu

reagieren begann. Abrupt stellte er sie auf die Beine und ließ sie los. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein paar Burschen – Jon Kampf-Geborener war wie üblich unter ihnen, in einiger Entfernung stehen geblieben waren, obszöne Bewegungen machten und gackernd zum Lachen anfingen. Schnell packte er Lavinia am Arm und zog sie etwas rascher die weiteren Stufen hinauf, an deren oberen Ende Farkas mit der Kriegerin bereits angekommen war. „Wenn Ihr wollt, könnte ich Euch heute Nachmittag die Stadt zeigen“, begann Vilkas und hoffte inständig damit nicht über das Ziel hinauszuschießen. Aber andererseits, musste man das Eisen

schmieden, solange es noch glühte. „Der Jarl wird Euch sicherlich nicht zu hart drannehmen am ersten Tag.“ „Das wäre wirklich wunderbar. Vilkas, war der Name, nicht?“, fragte sie nach. „Holt Ihr mich dazu ab? Denn ich weiß nicht, wann ich von meiner Arbeit weggehen kann.“ Ein warmer, verlegener Blick hinter langen Wimpern traf ihn dabei. Vilkas strahlte über das ganze Gesicht. „Abgemacht! In ein paar Stunden lernt Ihr Weißlauf kennen!“ Viel zu schnell waren die letzten Stufen überwunden und sie wurden oben an der hölzernen Brücke, welche den Weißlaufquell überquerte, bereits von

Lavinias Schwester erwartet. Gleich hinter der Brücke waren die großen Torflügel der beeindruckenden Burg zu sehen. „Ich danke Euch“, sprach die Kriegerin und nahm Vilkas die Tasche ab. „Von hier finden wir alleine hinein.“ Damit waren sie entlassen. Vilkas blieb aber noch stehen, bis sich die Türen der Feste öffneten. Bevor die Frauen hineinhuschten, drehte sich Lavinia doch tatsächlich nochmals um und winkte ihm. Sein Herz tat einen Sprung, der größer nicht sein konnte. Er wurde erst von seiner Hochstimmung heruntergeholt als Farkas ihm einen rüden Schlag auf die Schulter gab und ihn wieder zu den Stufen drängte. „Hey! Das ist ja nicht zu

ertragen wie es dich erwischt hat. Dabei hat das Mädchen nicht einmal was an den Rippen!“ „Halt den Rand, Kleiner“, blaffte Vilkas. „Ich steh eben nicht auf üppige Weiber!“ „Nenn mich nicht Kleiner!“, zischte Farkas böse. Das war ihr ewiger Streitpunkt, denn obwohl Farkas der eindeutig Breitere und Stärkere von ihnen war, war er dennoch der Jüngere der Zwillinge. Und Vilkas ließ keine Gelegenheit aus, das immer wieder zu betonen. Es waren zwar nur zehn Minuten, die sie zeitlich voneinander trennten, aber diese waren wichtig und legten die Rangordnung fest. Außerdem fühlte sich Vilkas schon von kleinauf

verantwortlich für seinen Bruder. Scherzend und sich stoßend polterten sie in ihrem jugendlichen Übermut schließlich die Treppen hinunter, bis sich Jon Kampf-Geborener ihnen in den Weg stellte. Er war in ihrem Alter, gehörte aber zu den wohlhabenden Familien im oberen Bezirk der Stadt. Dieses Privileg ließ er sie spüren, wann immer sie aufeinander trafen. Er war es auch, der stets lauthals verkündete, dass er niemals zu den Gefährten gehen würde, wenn diese solches Pack – damit waren sein Bruder und er gemeint – bei sich aufnehmen würden. „Was wollt ihr hier im Wolkenbezirk?“ Abfällig tropften die Worte aus Jons

blasiertem Gesicht. „Bleibt gefälligst bei euresgleichen unten und verpestet hier oben nicht unsere Luft!“ Farkas Hand legte sich sofort beschwichtigend auf Vilkas Arm. Keine Sekunde zu früh, denn reizbar wie er war hätte er seine Faust nur zu gerne in Jons anmaßende Visage gehauen. Vilkas hasste Jon, seitdem sie sich zum ersten Mal vor vier Jahren begegnet waren. Das war jene Zeit, als ihr Vater Jörgen sie zu sich nach Weißlauf geholt hatte. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt und Jörgen ließ sie voller Gram darüber bei ihrer Großmutter in Rift zurück. Keinen einzigen Tag hatte er sich bei ihnen ansehen lassen, bis er sie kommentarlos

zu sich holte, als sie gestorben war. Das war der Beginn jenes leidvollen Lebensabschnittes, den Vilkas nur ertrug, weil Farkas bei ihm war. Es schweißte aber auch die Bindung, die er und sein Zwilling schon immer hatten, noch enger zusammen. „Nicht!“, zischte Farkas und zog ihn zurück. „Du kennst Vater! Er schlägt uns halb tot, wenn wir uns prügeln!“ Mit einem Ruck befreite sich Vilkas aus dem Griff seines Bruders und strebte mit langen Schritten an Jon vorbei. „Seht nur wie sie rennen, die Feiglinge!“, rief dessen gehässige Stimme ihnen nach, während Vilkas knallrot vor Zorn die große Treppe in den unteren Bezirk

hinunter lief. „Eines Tages bringe ich ihn dafür noch um“, murmelte er dabei erstickt voller Hass und Wut. Das Treffen mit Lavinia am späten Nachmittag war dafür ein weitaus erfreulicheres Erlebnis gewesen, als die Begegnung mit Jon. Vilkas schwebte förmlich zurück zu ihrem kleinen Haus, das hinter Adriannas Schmiede lag. Sein Bruder hatte es übernommen das gesamte Holz zu hacken, das ihr Vater ihnen aufgetragen hatte. Wie so oft, war Vilkas ihm etwas schuldig. Der Schweiß gefror Farkas beinahe auf dem nackten Oberkörper, so kalt wurde die Luft in den Abendstunden. Unermüdlich hackte

er weiter. Wenn sie das Pensum nicht erfüllten, wäre wieder einmal Strafe fällig, auf die niemand von ihnen Lust hatte. Vilkas gesellte sich zu ihm und half ihm mit dem restlichen Holz. „Und wie war´s?“, fragte Farkas zwischen zwei Schlägen mit der Axt. „Hast du mit ihr schon rummachen können?“ „Idiot“, lächelte Vilkas selig und spaltete nun seinerseits auf dem Nebenpflock einen besonders dicken Stamm. „Jetzt sag schon“, bohrte Farkas weiter nach. „Das ist das mindeste was du tun kannst, wenn ich mich schon für uns beide abplage.“ „Wir haben uns geküsst“, ließ Vilkas

endlich etwas aus. „Und?“, fragte Farkas neugierig. Sie hatten beide noch nie das Vergnügen gehabt ein Mädchen zu küssen. Bis jetzt. Vilkas war ihm da nun etwas voraus. Doch Farkas liebte seinen Bruder so glühend, dass so etwas wie Eifersucht nicht einmal aufkam. Nur unsagbare Neugierde. Der Drill ihres Vaters war derart unbarmherzig, dass sie es bis jetzt nicht gewagt hatten seinen Anordnungen zuwider zu handeln. Es grenzte schon an ein Wunder, dass Vilkas sich wenigstens diese kurze Stunde mit Lavinia herausschlagen konnte. „Es ist der Wahnsinn!“, schwärmte Vilkas. „Wir müssen auch ein Mädchen

für dich finden. Vater hat Unrecht. Der Werwolf rührt sich dabei überhaupt nicht und es ist einfach nur: der WAHNSINN!“ Farkas hielt in seiner schweißtreibenden Arbeit inne und blickte sehnsüchtig in die Ferne. „Die kleine Alfhild gefällt mir.“ „Was? Jons Schwester?“, Vilkas fiel beinahe die Axt aus den Händen. „Die ist ganz anders als die übrige Sippe!“ Farkas holte sich den nächsten Scheit und spaltete ihn fachmännisch. „Nur weil sie uns einmal zugelächelt hat? Pah!“ Vilkas verdrehte die Augen und arbeitete ebenfalls schnell weiter. „Die sind alle gleich, dort oben. Vergiss sie, Farkas. Denk lieber an Huldas

Tochter. Die verschlingt dich doch jedes Mal mit ihren Augen, wenn du nur in ihre Nähe kommst.“ „Tatsächlich?“ „Du erkennst manchmal wirklich nicht den Wald vor lauter Bäumen, was?“, lächelte Vilkas und legte Farkas seinen Arm um die Schulter. „Geh rein und wasch dich, Kleiner. Ich mach hier fertig. Das schaff ich schon.“ „Nenn mich nicht ‚Kleiner‘!“, erboste sich Farkas, tat aber wie geheißen. Die anstrengende Arbeit ließ bereits seine Muskeln zittern, hatte er doch beinahe das doppelte Pensum geschafft. Erleichtert räumte er die Axt beiseite und schlurfte ins Haus, während Vilkas

den Rest erledigte, wobei das selige Lächeln sein Gesicht nicht mehr verließ. „Was gibt’s da so blöd zu grinsen?“ Die verhasste Stimme seines Vaters ließ Vilkas zusammenzucken. So früh hatten sie ihn noch nicht zurück erwartet. Schnell bückte er sich um einen weiteren Scheit. „Naja, etwas anderes von euch zu erwarten wäre sowieso sinnlos.“ Sarkasmus troff aus jedem von Jörgens Worten. „Wo ist eigentlich der Trottel von deinem Bruder? Und schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“ In Vilkas zog sich alles zusammen. Nicht genug, dass Jörgen an ihnen zu jeder sich bietenden Gelegenheit seine Wut ausließ,

machte er sie auch noch nieder wo er nur konnte. Besonders Farkas einfaches, ehrliches Gemüt war ihm ein Dorn im Auge. Wenigstens schien er heute aber noch nicht allzu betrunken zu sein. Vilkas bog seinen Rücken durch und sah Jörgen an. Sein Vater maß zwei Meter und war dazu breit wie ein Kleiderschrank. Seine Kraft war legendär, selbst unter den Gefährten. Gegen ihn hatten sie nicht einmal zu zweit eine Chance. Jörgens blonde, schüttere Haare hingen ihm wirr in sein breites Gesicht und sein struppiger Bart wirkte ungepflegt. Zum Glück hatten die Brüder das ansehnliche Aussehen und die brünetten Haare ihrer Mutter geerbt.

Gerade an den kalten, hellgrauen Augen, die auch er und Farkas hatten, konnte Vilkas erkennen, dass Jörgen wohl doch zweifellos ihr Vater war. Ungeduldig stand dieser vor ihm. Seine Rüstung sah fleckig und verschmiert aus. Wahrscheinlich war er deswegen so früh zu Hause. Normalerweise reinigte er sich nach Aufträgen in Jorrvaskr und aß dort mit den anderen Gefährten, bis er zu ihnen kam. Wieso er heute von dieser Gewohnheit abwich, war im Moment für Vilkas nicht ersichtlich. „Er war mit seinem Teil schon fertig“, antwortete er. „Dann soll er es sich bloß nicht zu gemütlich machen. Wir werden heute

noch jagen gehen!“ Glühend blitzten Jörgens Augen auf. Vilkas wusste was das bedeutete. Sie würden wohl die ganze Nacht als Werwölfe unterwegs sein. „Beende rasch deine Arbeit, wir haben noch einen weiten Weg.“ Damit wollte er ins Haus gegen, zögerte aber, als er an Vilkas vorbei kam. „Was ist das für ein Geruch?“ Schnüffelnd kam er näher und Vilkas wurde blass. Er hatte gedacht, dass er noch Zeit hätte sich zu waschen, bevor Jörgen nach Hause kam. So aber entging dem feinen Sinn eines Werwolfs natürlich Lavinias Geruch nicht, den er wohl nach den intensiven Umarmungen an sich hatte. Grob packte ihn sein Vater und drückte ihn gegen die

Hauswand. „Hast du dich mit einem Mädchen getroffen? Obwohl ich es euch eindrücklich untersagt habe?“ Drohend drückte er kurz zu. „Nein!“, rief Vilkas. „Ich habe der neuen Leibwache unseres Jarls und ihrer Schwester den Weg zur Burg gezeigt. Sie stolperte dabei und ich fing sie auf. Das war alles!“ Abrupt ließ Jörgen ihn los. „Euch ist doch klar was passiert, wenn ihr mit Frauen euer Lager teilt. Ihr wisst die Gabe des Werwolfs noch nicht zu beherrschen. Außerdem beschneide ich euch lieber, als dass ich es zuließe, dass ihr eine Frau schwängert. So etwas wie euresgleichen darf sich nicht

vermehren!“ Wie Peitschenhiebe trafen seine gemeinen Worte ihr Ziel. Vilkas knirschte mit den Zähnen und sah hasserfüllt seinem Vater nach, wie er ins Haus ging. „Wieso hast du uns dann gezeugt, du widerlicher Arsch!“, knurrte er. Dieser Mann schaffte es jegliche Lebensfreude aus ihnen heraus zu ziehen. Lange hatten Farkas und er versucht ihm alles Recht zu machen, regelrecht um seine Liebe gebuhlt, um am Ende doch nur einzusehen, dass er sie verabscheute. Er gab ihnen die Schuld an Kathreens Tod, der einzigen Frau, die er jemals geliebt hatte. Dass man sein eigen Fleisch und Blut derart verachten konnte, wollte Vilkas lange nicht wahrhaben.

Doch es gab keinen Zweifel. Jörgen hatte sie wohl zu sich geholt um sich an ihnen zu rächen und nicht, wie sie anfangs noch dachten, um endlich seine Söhne um sich zu haben. Das tat weh, aber es war nicht zu ändern. Der junge Nord rappelte sich schnell auf. Er musste sich wirklich beeilen, denn er wollte Farkas keine Sekunde länger mit Jörgen alleine lassen, als unbedingt nötig. In seiner Verachtung war ihr Vater zu allem fähig. Doch es war umsonst. Vilkas war noch nicht einmal bei der Hälfte angelangt, als er bereits die Schläge hörte, die wieder einmal auf Farkas niedergingen. Gequält schloss er die Augen und machte weiter so schnell

er konnte. Die Nacht wich im Osten bereits ganz langsam der Dämmerung. Sie hatten in den dichten Wäldern nahe den Valtheiner-Türmen gejagt. Ihre Beute war reichlich und Jörgen in guter Stimmung. Die zwei Bären die sie erlegt hatten, hatten sie schon gehäutet und das Fleisch in die richtigen Portionen geteilt. Ihr Vater würde es mit nach Jorrvaskr nehmen. Das Fell würden die Burschen an Adrianna verkaufen können. Ein paar Septime brachte das ebenfalls ein. Kam es ihnen zuerst noch wie ein Privileg vor, so begannen die Brüder bereits nach kurzer Zeit ‚die Gabe‘ wie ihr Vater es nannte, zu verwünschen.

Wahrscheinlich lag es auch daran, dass Jörgen seine Werwolf-Form in vollen Zügen genoss. Vilkas fand die Kraft und die Möglichkeiten, die sie damit hatten berauschend, doch die Aussicht, mit ihrem Vater bis in alle Ewigkeit in Hircines Jagdgründen zu verweilen, bekam immer mehr etwas Alptraumhaftes für ihn. „Ihr müsst diese Gnade erkennen!“, rief ihr Vater ihnen zu, als sie sich zurückverwandelt hatten. Nach einer erfolgreichen Jagd als Werwolf war er sogar so etwas wie ‚nett‘ zu ihnen. „Der Daedrafürst Hircine hat uns Gefährten ein Geschenk gemacht! Wir können uns verwandeln, ohne dass wir unser

Bewusstsein verlieren! Wir werden keine mordenden Bestien, wie die dort oben in Solsthein, sondern können diese Gabe zum Wohle Himmelsrands einsetzen. Und das, bis in ein unermesslich hohes Alter hinein!“ Als er die unbeteiligten Minen von den Zwillingen sah, verdüsterte sich sein Blick sofort. Missbilligend sah er sie an. „Besonders ihr solltet das schätzen. Ihr müsst noch viel ableisten um das wieder gut zu machen, was ihr mir und Kathreen angetan habt! Für die Gefährten zu arbeiten ist dabei noch ein zu gutes Los für euch.“ Vilkas konnte nicht mehr an sich halten. Ständig Jörgens Anschuldigungen hören zu müssen reichte ihm. „Für uns war

Kathreens Tod ebenso schrecklich wie für dich. Wir mussten ohne Mutter aufwachsen! Uns traf keine Schuld!“, blaffte er ihn wider besseren Wissens an. Ohne Vorwarnung schlug ihm Jörgen seine Faust mitten ins Gesicht. Kurz verlor Vilkas die Besinnung. „Ihr wisst wohl immer noch nicht wo euer Platz ist“, knurrte ihr Vater. „Eure Großmutter hat euch nur verhätschelt! Dabei habt ihr ihre einzige Tochter auf dem Gewissen. Schert euch aus meinen Augen!“, schrie er. „Und übt bis euch die Knochen brechen, wenn ihr Abends etwas zum Essen wollt!“ Damit packte er das ganze Fleisch und verließ er sie. Vilkas rappelte sich mühsam auf. Sein

Schädel dröhnte. Ihr Vater könnte einen schwächeren Mann wohl mit einem Schlag töten, dessen war er sich sicher. Da spürte er schon kräftige Arme, die ihm hoch halfen. „Komm“, meinte Farkas zu ihm. „Wir fangen uns noch ein paar Kaninchen. Vater hat die gesamte Beute zu den Gefährten mitgenommen. Und wenn er seine Drohung wahrmacht, kann ich bald kein Schwert mehr heben.“ Vilkas musste lächeln, obwohl ihn sein Gesicht schmerzte. Sein Bruder hatte eine sorgenfreie, einfache Art. Ein gutes Essen – und die Probleme waren für ihn vergessen. Im Grunde seines Herzens beneidete er Farkas um diese

Einstellung. Andererseits würde Vilkas alles dafür tun um seinem Bruder wenigstens diese Unschuld bewahren zu können. Es gab keinen gutmütigeren Menschen als Farkas und er liebte ihn wie keinen anderen. *** Drei Wochen später, an einem wunderschönen, strahlend schönen Tag, konnte man helles Lachen und keuchendes Gerangel hören, das aus den dichten Wäldern oberhalb der Drachenfeste kam. Aber auch nur dann, wenn man sich ebenfalls in der Nähe dieser Lärmquelle aufhielt, denn viel zu gut schluckten die schneebedeckten Bäume jeden Ton, der dort oben

ausgestoßen wurde. Das war auch ganz in Vilkas Sinn, denn niemand sollte von seinem und Lavinias Geheimnis erfahren. Zu wertvoll waren ihm die wenigen Stunden, die sie füreinander dort oben erübrigen konnten. Eine Zeit lang waren die Geräusche nun bereits schon verstummt, denn die beiden Jugendlichen waren längst zu einer anderen Beschäftigung übergegangen. Einer viel interessanteren und ihren Hormonen entsprechenderen Beschäftigung… Lavinias Küsse brachten Vilkas Blut in Wallung. Seit drei Wochen waren sie nun schon zusammen und trafen sich zu jeder freien Stunde, die sie erübrigen konnten.

Heute war dazu ein warmer, sonniger Wintertag. Gerade ein paar Grad nur unter Null. Das waren beinahe schon Frühlingstemperaturen! So ein Tag musste ausgenutzt werden und da sie beide Zeit hatten, trafen sie sich wieder an ihrer geheimen Stelle im Wald oberhalb der Drachenfeste. Sie hatten eine halbwegs schneefreie Fläche neben einem ausladenden Baum gefunden und Vilkas war gerade dabei Lavinia unter den Rock zu greifen, als diese quietschend seine Hand fest hielt. „Nicht hier, Vilkas! Da kann doch jederzeit wer kommen!“, rief sie. Lavinia sah zum Anbeißen aus. Ihre Wangen waren zart gerötet und der

Ausschnitt ihres Kleides hing freizügig über ihre halbe Brust. Verschämt zupfte sie ihn jetzt zurecht. „Aber, was tust du da?“, fragte Vilkas enttäuscht. „Hierher kommt niemand. Das hab ich dir doch schon gesagt! Es gibt kaum Leute welche den schmalen Weg an der Mauer entlang überhaupt kennen, geschweige denn bis hier herauf kommen. Du kannst unbesorgt sein! Außerdem ist es hier windgeschützt und nicht so kalt wie sonst wo.“ Verlangend beugte er sich wieder über sie und küsste sie erneut. Ihre vollen Lippen öffneten sich sofort bereitwillig und Vilkas Hände begannen abermals ihren tastenden Weg über ihre Brüste und unter ihren Rock. Das würde

er wirklich nicht mehr lange durchhalten. Er wollte sie hier und jetzt und zwar sofort. Doch wieder zog sich Lavinia nach heftigem gegenseitigem Berühren und weiteren heißen Küssen verschämt vor ihm zurück. „Bitte, Vilkas! Ich hab noch nie mit einem Mann etwas gehabt. Das… das geht mir zu schnell. Ich liebe dich, doch bitte…“ Treuherzig sah sie ihn unter ihren langen Wimpern hinweg an. Verzweifelt griff Vilkas in den Schnee, der neben dem ausgebreiteten Fell sich auftürmte. Doch es war wie ein Tropfen auf einem heißen Stein. Seine Leidenschaft kühlte damit kein bisschen ab. „Außerdem muss ich zurück. Lydia

hat es herausgefunden“, fügte sie noch entschuldigend an. „Und?“, fragte Vilkas angespannt. „Sie ist nicht begeistert“, antwortete Lavinia und strich ihm liebevoll über seinen beginnenden Bartwuchs. „Weil ich von unten komme?“, fragte Vilkas sofort lauernd. Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Was meinst du mit unten? Den Marktbezirk? Also nein, nicht deswegen. Sie hat was gegen Männer und junge Burschen generell.“ Das ließ Vilkas jetzt stutzen. „Warum? Begehrt deine Schwester vielleicht Frauen?“ Lavinia begann herzlich zu lachen und

gab ihm einen Klaps. „Aber nein! Sie warnte mich davor, dass ihr alle nur das Eine im Sinn habt – nämlich uns an die Wäsche zu kommen.“ Vilkas errötete aufs Heftigste. Er fühlte sich ertappt. „Aber… das ist es nicht allein. Ich liebe dich, Lavinia und es ist nur natürlich, dass Mann und Frau auf diese Weise zusammen kommen.“ Dann blickte er ihr tief in die Augen. „Außerdem machst du mich wild.“ Begehrlich zog er ihren Kopf zu sich und küsste sie. Sie verloren sich erneut in ihrer Leidenschaft, bis sie sich dennoch keuchend, mit rotem Kopf und vom Küssen aufgequollenen Lippen, zurückzog.

Hastig schnürte sie ihren Ausschnitt zu. „Ich muss wirklich gehen, Vilkas. Lydia verbietet mir sonst mich weiter mit dir zu treffen.“ Schnell küsste sie ihn auf seine bebenden Lippen und schlug seine genießerisch tastende Hand weg. „Und das würde ich nicht aushalten!“ „Lavinia! Lass mich nicht so zurück!“, beschwerte sich Vilkas, der seine schmerzende Erektion kaum noch zügeln konnte. Doch sie raffte ihre Röcke, zog sich den Umhang fest und drückte ihm noch einen heißen Kuss auf die Lippen. Dann lief sie den schmalen Weg zurück zur Drachenfeste. „Sei vorsichtig!“, rief Vilkas ihr noch nach, aber sie war schon

außer Hörweite. Aufseufzend warf er sich zurück. So nah war er schon dran gewesen sein erstes Mal mit einer Frau zu erleben. So nah! Und dann musste ihm diese alte Schnepfe Lydia einen Strich durch die Rechnung machen. Gerade heute war Jörgen zu einem längeren Auftrag unterwegs. Wütend schlug Vilkas seine Faust gegen den Baumstamm, neben dem sie ihr Fell ausgebreitet hatten. Der Schnee, der durch die Erschütterung auf ihn herabfiel, konnte seine Hitze aber auch nicht kühlen. Fluchend öffnete er seine Hose. Es nutzte alles nichts. Mit so einem Ständer könnte er nicht zurück nach Weißlauf. Da half nur mehr selbst

Hand anzulegen. Stöhnend warf er sich zurück. Er brauchte sich Lavinia nur vorzustellen und alles in ihm kochte. Ihr Geruch, ihre weichen Brüste… allein seine Gedanken daran ließen noch mehr Blut zwischen seine Beine strömen. Schnell bewegten sich seine Hände auf und ab. Und erst was er zwischen ihren Schenkeln spüren durfte! Die Erinnerung daran genügte um ihm die ersehnte Ekstase zu bescheren. „Bei Talos, Lavinia!“, keuchte er. „Das darfst du mir nicht nochmal antun! Noch einmal halte ich das nicht aus, dich nicht zu bekommen.“ Mit erfahrenen Bewegungen reinigte er sich und zog sich an. Dann rollte er das

Fell ein und packte es in seine Tasche, die er über seine Schulter hing. „So ein Jammer! Farkas wird enttäuscht sein, wenn ich ihm wieder nichts schildern kann. Der Junge brennt fast noch heißer darauf als ich!“ Glucksend lachte Vilkas. Sie beide waren schon etwas Besonders. Was der eine erlebte, erlebte scheinbar der andere gleich mit. Aber was sollte es. Ihre Verbindung gab ihnen Kraft Jörgens Verachtung und seine Gewalt, die er weidlich an ihnen auslebte, zu ertragen, ohne daran zu zerbrechen. Zwei Tage später hatte Lavinia wieder einem Treffen zugesagt. Das Wetter meinte es erneut gut mit ihnen und auch

Jörgen hatte sich den ganzen Tag abgemeldet. „Ich habe zu tun“, hatte er in der Früh geblafft. „Wartet nicht mit dem Essen auf mich und trainiert. Morgen werde ich eure Fähigkeiten prüfen.“ Dann rauschte er ab. Brav erfüllten sie ihre Waffenübungen und Farkas versprach sich um das Essen zu kümmern, während Vilkas wieder freudig dem Wald zustrebte. Der schmale Pfad an der Mauer der Drachenfeste, der in den Wald hinauf führte, war durch das ständige Hin und Her von ihnen bereits komplett eisig geworden. Sie hätten wohl den Schnee entfernen sollen und nicht festtreten. Jetzt musste man noch mehr aufpassen wohin man stapfte und sich an

der rauen Mauer festhalten um nicht hinab zu stürzen. Doch die Aussicht Lavinia zu treffen machte jedes Risiko wert. Kurz sorgte sich Vilkas um ihr Wohlergehen bei diesem rutschigen Weg, doch sie war weitaus schmaler und leichter als er. Sie fand auf dem engen Pfad sicher viel besser Halt als er. Als er sie zwischen den Stämmen der Bäume an ihrem Platz bereits warten sah, vergaß Vilkas sofort alle Sorgen und Gedanken. In seinen Augen war sie schöner denn je. Mit fliegenden Röcken kam sie ihm entgegen und schlang jauchzend ihre Arme um seinen Nacken. Aufgeregt küssten sie sich. „Lydia hat heute Dienst!“, rief sie

entzückt. „Ich habe Zeit bis es dunkel wird. Und du?“ Vilkas konnte sein Glück kaum fassen. Verführerisch blickte sie ihn unter ihren langen Wimpern an. „…“ Er schluckte, dann erst brachte er heiser hervor: „Bis es dunkel wird…“ Mehr Zeit nahmen sie sich nicht mehr. Sofort versanken sie in einen leidenschaftlichen Kuss und Vilkas drängte sie zurück zu ihrem bereits durchgelegenen Platz neben dem großen Baum. „Ich liebe dich…“, murmelte er belegt. „Und ich bin verrückt nach dir, du grober Nord!“, keuchte Lavinia und quietschte, als Vilkas ihr sanft in den Hals biss. Dann blickte sie ihm tief in die Augen.

„Ich liebe dich“, sagte sie ernst, dann trat sie einen Schritt von ihm zurück, öffnete den Knopf ihres Umhangs und lockerte die Verschnürungen an ihrem Ausschnitt. „Ich will dasselbe wie du“, hauchte sie. Vilkas nestelte nervös an der Tasche, doch er konnte sie in seiner Aufregung nicht sofort von der Schulter ziehen. Lavinia lachte ihr glockenhelles Lachen und näherte sich um ihm zu helfen, da wurden ihre Augen Teller groß als sie hinter Vilkas blickte. Sofort gefror sie in ihrer Bewegung. „Nein!“, hauchte sie entsetzt. Vilkas fuhr herum und erbleichte. Jörgen stand vor ihnen und sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.

„So also befolgst du meine Befehle?“ Seine Stimme war heiser vor unterdrückter Wut. „Mein Geruchssinn hat mich also nicht getäuscht, als ich das letzte Mal hier oben nach dem Rechten sah.“ Er wirkte wie die Ausgeburt eines Berserkers und sein Antlitz lief immer röter an. Dann packte er Vilkas und schleuderte ihn brutal gegen einen Felsen. Lavinia schrie auf. „Und du“, wandte sich Jörgen an das Mädchen, während er sie mit seinen betrunkenen, blutunterlaufenen Augen ansah, „Verschwinde! Oder willst du unbedingt Zeuge werden, wie ich meinem Sohn Gehorsam lehre? Außerdem habe ich keine Skrupel auch Dirnen wie dich zu

züchtigen.“ Lavinia war starr vor Schreck. Vilkas wollte sich schützend vor sie stellen, da traf ihn nochmals ein Schlag seines Vaters. Genau in die Brust. Sämtliche Luft wurde aus seinen Lungen gedrückt. „Lauf!“, gurgelte er mit der letzten austretenden Luft an sie gewandt. Jörgen roch nach Met. Wer wusste schon wie lange er hier gewartet hatte um ihn auf frischer Tat zu ertappen? Er war betrunken und das ließ Vilkas das Schlimmste fürchten. Da raffte Lavinia endlich ihre Röcke und lief wie von Furien gehetzt den Weg zurück zur Drachenfeste. Danach wurde für Vilkas alles rot. Rot vor Blut, das aus seinen

Wunden floss, als ein Vater ihn mit seinem Kopf gegen den Felsen schmetterte. Und grell vor Schmerzen, als Jörgens Schläge und Tritte auf ihn nieder prasselten. „Ich bringe dich um, du wertloses Stück Dreck!“, keuchte der Hüne. Das war alles, was er während den Schlägen immer wieder wiederholte. Vilkas schloss schon mit seinem Leben ab. Das Einzige, das ihm Leid tat war, dass er sich nicht mehr um seinen Bruder würde kümmern können. Wenn er starb, war Farkas allein der Willkür Jörgens ausgeliefert. Stöhnend lag Vilkas in seinem Blut, als sein Vater endlich von ihm abließ. Ob er genug hatte, oder ob

die fernen Rufe, die bis hinauf in die Wälder drangen, der Grund dafür waren, wusste er nicht. Er wollte nur sterben. Es gab wohl keinen Knochen in seinem Körper, der nicht gebrochen war. Nur mühsam bekam er Luft und er erbrach Blut und Schleim. Vielleicht war sein Körper schon abgehärtet von den vielen Schlägen, die er bereits einstecken musste. Es grenzte für ihn an ein Wunder, dass er nach dieser Raserei Jörgens noch lebte. Brutal wurde er an seinen Haaren hochgerissen. Ein gequälter Schrei entkam ihm, als Jörgen dabei an seinem gebrochenen Kiefer ankam. Rücksichtslos hielt ihm sein Vater eine

Flüssigkeit an die Lippen. „Trink!“, schnauzte er ihn an. „So kannst du nicht zurück nach Weißlauf.“ Am liebsten hätte Vilkas ihm den Heiltrank entgegen gespuckt, doch sein Überlebenswille war wohl stärker. Gehorsam schluckte er. Das war wohl einer der teuren. Die Wirkung setzte sofort ein. Die Blutungen stoppten und die Schwellungen und Schmerzen gingen zurück. Sein Kiefer renkte sich ein und auch sein Magen beruhigte sich. Er hörte auf Blut zu erbrechen. Er sah aber wohl immer noch schlimm aus, da Jörgen ihm einen Umhang überwarf und befahl sich die Kapuze tief ins Gesicht zu ziehen. Vilkas folgte einfach automatisch. Auch als sein Vater den

Weg hinunter einschlug. Erst als Jörgen abrupt stehen blieb, blickte Vilkas auf. Jetzt hörte auch er die aufgeregten Rufe. Irgendetwas musste geschehen sein. Neugierig trat er neben seinen Vater, der an der Mauer entlang hinunter sah. Dort stand bereits eine kleine Menschenmenge, deren gewechselte Worte nicht zu verstehen waren. Nur die entsetzten Rufe und Lydias Schreie drangen klar zu ihnen hinauf. Erst da begann das Unfassliche in Vilkas Gestalt anzunehmen. Und plötzlich konnte er auch hören, was Lydia schrie. Es war Lavinias Name, deren zerschmetterter Körper neben der Befestigungsmauer von Weißlauf lag.

05 die höhlen unter dem moor

Die Schmerzen in seinen Armen ließen Vilkas stöhnen. Aber es war für ihn leichter die Schmerzen auf sich zu nehmen, als den Gedanken an Lavinias toten Körper und an seinen Vater zu ertragen. Sofort brandete erneut unbändiger Hass in ihm hoch. Hass auf Jörgen. Hass auf sich selbst! Er hätte Lavinia nicht wegschicken dürfen! Sein Vater hätte nur ihn verprügelt, nicht sie. Soviel Beherrschung hätte der Alte gehabt. Doch Vilkas wollte Lavinia diese Brutalität ersparen. Und dafür musste sie sterben. Am liebsten hätte er sich auf die

Seite gerollt und zusammengekrümmt. Er wollte nicht mehr daran denken. Doch irgendetwas hinderte ihn daran. Vilkas konnte sich nicht rühren. Aber er müsste sich doch wenigstens bewegen können! Jörgen hatte ihm einen Heiltrank gegeben und dann in den Keller gesperrt. Er lag jetzt sicher auf der Holzpritsche, der einzigen Einrichtung in dem stickigen Kellerloch, das ihnen so oft schon als ‚Bestrafungsraum‘ gedient hatte. Krampfhaft begann Vilkas an seinen Armen zu zerren, die bereits unerträglich schmerzten. Doch sie reagierten nicht. Als nächstes versuchte er seine Augen zu öffnen. Irgendwie gelang es ihm nicht. Seine Lider waren schwer wie Blei. Und

der seltsame Geruch, der ihm in die Nase stieg, irritierte ihn. „Was ist hier nur los?“, brummte er. Seine Stimme kam ihm heiser und viel tiefer vor, als er sie in Erinnerung hatte. Außerdem drangen leise Worte an sein feines Gehör, die nicht hierher gehörten. Das klang nicht nach Jörgen und Farkas. Wer war sonst noch im Haus? War Skjor wieder einmal vorbei gekommen? Skjor war ein Gefährte aus Jorrvaskr. Ihr Vater hatte ihm zwar unmissverständlich klar gemacht, dass er seine Söhne selbst unterrichten und auf die Gefährten vorbereiten wollte, dennoch sah dieser Kämpfer immer wieder bei ihnen vorbei. Es schien Vilkas beinahe so, als würde er

Jörgen nicht über den Weg trauen. Doch ihr Vater fand stets plausible Erklärungen für ihre Blessuren, oder ihre Abwesenheit, wenn sie wieder einmal im Keller ihre schwereren Verletzungen ausheilen oder einfach nur strafweise bei Wasser und einem kleinen Stück Brot dort verbringen mussten. Die Stimmen, die jetzt aber immer fordernder an seine Ohren drangen, waren Vilkas dagegen völlig unbekannt. Bis auf eine. Eine helle Frauenstimme, die zu flehen schien. Das löste etwas in ihm aus. Sein Verstand war immer noch verwirrt und vernebelt, aber der verzweifelte Klang brachte ihn endlich in das Hier und Jetzt. Hana! Es ging um

Hana und nicht um Lavinia! Dieses Geschehen lag schon viele Jahre zurück! Er wusste gar nicht wie lange er nicht mehr an seine erste Liebe gedacht hatte. Sicherlich einige Jahre. Dass er ausgerechnet jetzt daran erinnert wurde, lag bestimmt an diesem Mädchen, das so unvorhergesehen in seine und Farkas Obhut gekommen war. Keine andere Frau hatte seit Lavinia so tief zu ihm vordringen können. Zu gut hatte er sein Herz und seine Gefühle mit einem undurchdringlichen Panzer geschützt. Warum hatte er diesmal versagt? Wann war er so unvorsichtig gewesen? Als er ihren kleinen Fuß in seiner Hand hatte? Oder als ihn ihr Blick aus den großen,

dunklen Augen mit seiner Wärme in seinen Bann zog? Vilkas seufzte. Es hatte sowieso nichts zu bedeuten, denn er würde sich niemals auf eine ernsthafte Beziehung einlassen können. Also, warum verdammt, hatte er sich von diesem Mädchen nur so bezaubern lassen? Stöhnend wollte er sich über den Kopf fahren, doch seine Arme gehorchten ihm immer noch nicht. Dazu kam der sumpfige Geruch, der in seinem Bewusstsein nun endlich die richtigen Schalter umlegte. Mit einem Schrei riss Vilkas die Augen auf und wollte sich aufbäumen. Doch das ging nicht. Seine Hände waren gebunden und er hing wie ein Stück Trockenfleisch von

der Decke. Aber er war jetzt wach und was er nun erblickte, ließ ihn in der Aussichtslosigkeit der Situation, in der er sich befand, nochmals einen heißeren Schrei ausstoßen. Sie waren in einer Höhle. Die rauen Felswände zeigten das unmissverständlich. Fackeln an den Wänden und Kohlebecken in ausgeschlagenen Nischen beleuchteten den großen Raum, in dem sich auch zwei Gefängniszellen befanden, die aber leer waren. Von der Decke hingen brennende Öl Gefäße, die ebenfalls für Licht sorgten. Ein schwerer Tisch mit Sesseln stand in der Mitte und auf der gegenüberliegenden Seite der Käfige

waren Regale mit vielen Zutaten und Gefäßen. Neben ihnen führte eine Tür in einen anderen Raum, die aber geschlossen war. Weitere Tische befanden sich zwischen den Regalen, auf denen Papiere, Tränke, Becher und andere Gegenstände herumlagen. Und seltsame Gefäße, die eine dunkle Flüssigkeit beherbergten. Doch das Widerlichste von allen war ein Kohlebecken, aus dem dampfender Nebel stieg, der den eigenartigen, sumpfigen Geruch verströmte, von dem Vilkas immer noch übel wurde. „Verdammte Scheiße!“, fluchte er, als er sich auch die Vorrichtung ansah, in die er selbst eingespannt war. Klirrend

versuchte er dagegen anzukämpfen. Doch die Ketten waren aus massivem Silber. „Die kennen sich mit Werwölfen aus! Wer sind diese Bastarde?“, keuchte Vilkas, als er ergebnislos inne halten musste. Das Einzige, was er tun konnte war, dass er den Zug auf seine Arme ein wenig verringerte, indem er begann das Gewicht auf seine Füße zu verlagern, was seine zittrigen Beine endlich langsam zuließen. Dieses verdammte sumpfige Gift, das weiterhin beständig aus dem Becken strömte, beeinträchtigte ihn noch immer. Als Vilkas an sich herab sehen wollte, musste er erkennen, dass sein Kopf ebenfalls festgebunden war. Diese Bastarde hatten ihn mit massiven,

breiten Silbermanschetten an Armen, Beinen und Hals gebunden und diese mit Ketten in die Felsen über und hinter ihm befestigt. An dem kühlen Luftzug überall auf seiner Haut konnte er spüren, dass er nackt war. Das waren Foltermethoden der Hochelfen! Kein Nord, der etwas auf sich hielt, würde zu solch schändlichen Mitteln greifen, die Opfer auch noch mit ihrer eigenen Blöße zu entwürdigen! Mühsam gelang es ihm den Kopf zu drehen. Direkt neben ihm baumelte Farkas. Er war ebenfalls nackt und hing in seiner Bewusstlosigkeit mit dem ganzen Gewicht an seinen Armen. „Farkas!“, rief er, doch sein Bruder rührte sich nicht. Schlaff hing er in den

Ketten. Da ließ ihn der verzweifelte Schrei Hanas, der durch die geschlossene Türe zu hören war, inne halten. Wie verrückt begann er an den Ketten zu zerren. „Hana!“, rief er. „HANA!“ Sein Ruf schaffte es wenigstens Farkas aufzuwecken. Sein Bruder war zwar noch benebelt, doch als auch er das Schluchzen und die Rufe des Mädchens hörte, begann er genauso wild an den silbernen Ketten zu reißen. Der Radau, den sie machten, schien wenigstens eine Reaktion hervor zu rufen. Die geschlossene Türe öffnete sich und eine schöne, bleiche Frau trat in den großen Raum. Doch sie war nicht alleine.

Hinter ihr schritt, oder besser gesagt ‚glitt‘ eine große Gestalt durch die Öffnung, die in einen dunklen Kapuzenmantel gehüllt war. Der kalte Raum schien noch um einige Grade kühler zu werden. Vilkas spürte förmlich den Luftzug, der seine Haut streifte, als die gespenstische Figur näher kam. Ein Schauer durchfuhr ihn. Er konnte es nicht verhindern. Eine kleine Gestalt strebte ebenfalls herbei. Ein windiges Verbrechergesicht schob sich vor Vilkas Gesichtsfeld. Der Mann war kahl und sein verschlagenes Grinsen zog von Ohr zu Ohr. „Uh!“, rief er. „Das Wölfchen ist aufgewacht!“ Dann

strich er bewundernd über die blauen, ornamentartigen Muster, die über Vilkas linkem Oberarm und Brust in breiten Streifen gezeichnet waren. „Und ein Assassine ist er auch noch!“ Vilkas knirschte mit den Zähnen und fuhr mit seinem Kopf ruckartig vor, doch die Ketten hinderten ihn daran dem Kerl vor sich einen schmerzhaften Stoß zu verpassen. Mit einem hechelnden Lachen verzog sich der Bursche wieder. Nicht bevor ihn die schöne Frau mit einem scharfen Ruf zur Raison rief. Jetzt kamen noch zwei weitere Kapuzengestalten durch die Tür. Sie waren ebenfalls hochgewachsen, aber ihr Erscheinen brachte nicht so viel Kälte

mit sich wie die erste Gestalt, die sich vor Vilkas aufgebaut hatte. Glühende, rote Augen erfassten und fixierten ihn. Die dunkle Magie, die von ihnen ausging war körperlich spürbar. Dieses Wesen, Mann oder Frau, oder wer immer es war, war kein normaler Gegner. Eine Macht strömte aus ihm wie Wellen, die alles Gute, das vielleicht noch in diesem Raum gewesen sein mochte, augenblicklich verdunkelte. „Wer bist du nur?“, flüsterte Vilkas mehr zu sich selbst, als zu dieser Gestalt. Da wehte ihm, einer weiteren Welle gleich, der unverkennbare Geruch entgegen, der ihn augenblicklich würgen ließ. Das massive Silber und der betäubende Nebel hatten Vilkas feine

Sinne eingeschränkt, sodass er es nicht gleich begriffen hatte. „Nein!“, grollte er. „Ihr seid vertrieben worden! Himmelsrand ist frei von euch!“ Farkas Flüche und das wilde Rasseln der Ketten, das daraufhin einsetzte, zeigten ihm, dass sein Bruder ebenfalls erkannt hatte, wem sie hier in die Falle gegangen waren. „Nicht mehr, Wolf“, hallte eine schauerliche Stimme aus der Kapuze. „Wir sind zurückgekommen, denn ihr seid schwächer geworden.“ Farkas Schrei dröhnte von den Wänden reflektiert auf sie nieder. Oder war es sein eigener? Wilder Hass, der aus der Urtiefe der Wolfsbestie selbst auftauchte,

ließ Vilkas zittern und beben. Er konnte sich kaum beherrschen, doch der Wolfsgeist war in ihm eingesperrt und ausgeschaltet. In seiner Agonie bekam er nur mehr am Rande mit, dass noch weitere Personen den Raum betraten. Ein junger, hohlwangiger Mann, der sich gleich an die Seite der schönen Frau stellte. Und schließlich ein hochgewachsener, blonder Nord, der die kreidebleiche Hana mit sich in den Raum zerrte. Sofort war Vilkas wieder hellwach. Alles in ihm krampfte sich zusammen, als er ihren verängstigten Blick sah und die hilflose Geste, mit der sie das Tuch mit dem kleinen Varis an sich drückte.

„Verdammte Bastarde“, knurrte er ohnmächtig vor Wut. „Lasst sofort die Finger von ihr!“, rief Farkas wild. „Oder was?“, fragte der Nord, der sie gepackt hielt. „Ihr seid nicht gerade in der Lage uns zu drohen, oder?“ Die dunkle Kapuzen-Gestalt vor Vilkas begann unheimlich zu lachen. Dann hob sie die Hände die so alt und grau wirkten, als hätten sie einen Dunkelelfen vor sich. Doch Vilkas wusste es besser. Als der Mann die Kapuze zurückschlug hätte er sich dennoch beinahe übergeben, so scharf drang der Geruch des Vampirs auf ihn ein. „Nein. Diese Wölfe können uns nichts mehr anhaben“, sagte der

Blutsauger. Seine Stimme, die sich aus dem Mund und den papierdünnen Lippen herausschälte, hatte nichts Menschliches mehr an sich. Seine roten Augen fixierten Vilkas. „Wir haben Vorkehrungen für euch getroffen.“ Mit einer ausladenden Geste deutete er auf die Ketten und das nebelartige, sumpfig stinkende Dampfen, das weiter aus dem Becken strömte. „Ihr seid in unsere Falle getappt. Wie schmeckt dir das, Wolf?“ Vilkas erwiderte nichts. Er wollte diesem ‚Ding‘ vor sich nicht noch mehr Triumph gönnen. „Hircines letztes Bollwerk in meinen Fängen!“, prahlte der alte Vampir. „Dabei glaubten wir schon es gäbe gar

keine Werwölfe mehr. Die letzte Wölfin, die hier an eurer statt hing, hat uns das zumindest glaubhaft eingeredet.“ Vilkas konnte hören, wie Farkas heftig einatmete. Erinnerungen an Aela wurden sofort wach, doch er konnte sich nicht weiter um seinen Bruder kümmern, denn gierig streckte der Vampir seine zu Krallen geformten Finger nach ihm aus. Beinahe liebevoll fuhren sie über Vilkas pochende Halsschlagader. Das durstige Hecheln der übrigen Vampire echote durch den Raum und der Alte zog seine Finger zurück, drehte sich mit einer Geschwindigkeit um, die ihm wohl niemand mehr zugetraut hätte und fauchte die anderen an.

„Niemand rührt sie an bevor ich es sage!“, herrschte er die übrigen an, dann wandte er sich wieder an die Zwillinge. „Nun“, meinte der alte Vampir gönnerhaft. „Es scheint, als wäre eure glorreiche Zeit in Himmelsrand endgültig vorüber. Man nennt mich Movarth oder einfach nur ‚Meister‘. Wir kamen vor einigen Jahren hierher und fanden in den Sümpfen von Morthal den passenden Unterschlupf mit all den natürlichen Ressourcen, die unsere Anwesenheit vor euch Werwölfen verschleierte!“ Er nickte mit seinem Kopf zu dem Kohlebecken, aus dem immer noch der dampfende Nebel stieg. „Natürliches Silbernitrat,

das mit dem Methan der Sumpfgase dieses wunderbare Betäubungsmittel ergibt!“ Mit seinen roten Augen blickte er wie liebkosend auf Vilkas Halsschlagader. „Oh ja! Hier wird die neue Dynastie meines Clans ihren Siegeszug durch ganz Himmelsrand antreten. Und ihr werdet es nicht nur mitansehen müssen, ihr werdet uns dabei sogar noch helfen!“ Mit schier irrem Gelächter warf Movarth seinen Kopf zurück. Dröhnend fielen die anderen ein. Mit geifernden Mündern blickten sie dabei auf ihn und Farkas, dass Vilkas Magen erneut rebellierte. Der Gestank ihrer Ausdünstungen traf ihn mit voller Wucht. Nicht einmal der sumpfige

Geruch, der im Raum hing, konnte das mehr verschleiern. Hana hatte das Gefühl, sie würde nun endgültig den Boden unter ihren Füßen verlieren. Das bisschen Hoffnung, welches sie noch gehabt hatte, zerschlug sich als sie sah, wie ihre Retter nackt an den Silberketten hingen. Vor allem Vilkas wilder Blick, mit dem er sich gegen sein Schicksal auflehnte erschütterte sie zutiefst. Noch dazu gab sie sich die Schuld für diese Misere. Diese Monster wollten sie und ihr Kind. Nur weil Vilkas und Farkas ihr geholfen hatten, waren sie jetzt in dieser hoffnungslosen Situation. Dass die Männer, denen sie ihr Leben

verdankte, Werwölfe waren, entsetzte sie weniger. Wenn es Vampire gab, warum dann nicht auch Werwölfe. Der große Unterschied bestand darin, dass die einen sie töten wollten, die anderen dagegen ihr Leben für sie einsetzten. Wenigstens wusste sie jetzt, dass das, was sie als Fieberwahn abgetan hatte, doch Realität war. Vilkas hatte sich tatsächlich in einen Werwolf verwandelt als er die Banditen daran hinderte sie zu töten. Auch das Bild, als er mit seiner großen Pranke ihr Baby auffing und sanft auf den Boden gleiten ließ, war damit keine Einbildung gewesen. Jetzt verstand sie auch, warum die Silbernitrat-Methanmischung die

Zwillinge stärker außer Gefecht gesetzt hatte als sie. Silber lähmte die Bestie in ihnen. Darum natürlich auch die Silbermanschetten. Ihre Situation schien tatsächlich aussichtslos. Trotz ihrer Angst, die ihr beinahe die Luft zum Atmen nahm, blickte sie um sich. Es musste doch irgendeinen Ausweg geben! Sie war nicht umsonst Alchemistin und hier wimmelte es nur von Kräutern und sämtlichen Zutaten. Aus welchem Grund auch immer. Gerade als ihr Blick auf einem Büschel harmlosen Zinnkrautes hängen blieb, packte sie der Nord neben ihr an ihren Haaren und zog sie zu sich. „Du läufst mir nicht noch einmal davon, Mäuschen!“, raunte er ihr dabei zu. „Sieh

dich also gar nicht erst um“ Hana ekelte sich seine Berührung zu spüren. Doch im Moment war es klüger sich zu fügen. Sie nickte und rückte an seine Seite. Dennoch konnte sie nicht verhindern Vilkas einen flehenden Blick zuzuwerfen. „Gut so, Mäuschen!“, flüsterte der blonde Mann und zog sie noch fester an sich. Das allgemeine Getümmel verstummte schließlich. Mit einer herrischen Geste hatte Movarth seine Leute zum Schweigen gebracht. Vilkas riss sich von Hanas Anblick los und fixierte den Vampir vor sich. Movarth streckte seine hohe Gestalt und trat ein wenig zurück. Seine Haut war zwar eingefallen und

grau dennoch hatte Vilkas das Gefühl dass dieses hochgewachsene Monster kein Dunkelelf war. Er musste einmal ein Hochelf gewesen sein. Der schmale Kopf und der hohe Wuchs deuteten darauf hin. Doch angesichts des augenscheinlichen Alters dieses Vampirs, war die einstige Rasse, der er abstammte, sowieso bedeutungslos. Er musste einer dieser legendären Ur-Vampire sein. Vilkas konnte die Macht die von ihm ausging spüren. Sie war so massiv, dass er sogar Bedenken hatte, diesem Vampir als Werwolf gewachsen zu sein. Ein Gefühl, das beinahe ebenso furchtbar war, wie Hanas hilfesuchenden Blick auf sich zu spüren und ihr im Moment nicht helfen

zu können. Wie als hinge ein besonders Stück Zuchtvieh vor ihm, leckte sich der alte Vampir über die spröden Lippen, als er die Brüder von Kopf bis Fuß musterte. „Ihr müsst wissen“, betonte er, „euer Blut wird uns ein unerschöpflicher Nahrungsquell sein, denn egal wie oft wir euch beißen, ihr werdet euch nicht verwandeln!“ Erneut erklang sein hohles Lachen, das unangenehm von den Felswänden zurück zu hallen schien. „Und es wird uns kräftigen, besser als es normales Vieh tun könnte! Ein wahrer Glücksgriff, den wir nur Fax hier zu verdanken haben.“ Damit deutete er auf den Menschen, der aus dem Hintergrund

herangetreten war. „Und natürlich eurer eigenen Unaufmerksamkeit!“ Der Spott ließ Vilkas innerlich zusammenzucken und er nahm den schmächtigen Menschen genauer in Augenschein. Doch er konnte sich nicht erinnern ihm jemals begegnet zu sein. Fragend blickte er auf. Der Ur-Vampir vor ihm verzog seine Lippen. Gelb-schwarze Zähne kamen zum Vorschein und blanke, spitze Eckzähne. „Oh ja! In eurer Überheblichkeit habt ihr diesen Mann übersehen, als ihr die Banditen niedergemetzelt habt.“ „Das ist unmöglich!“, ließ Vilkas sich endlich vernehmen. Ein ungeheurer Verdacht tat sich in ihm auf. Er hatte

also doch sieben Banditen gehört und nicht nur die sechs, die er getötet hatte. Aber als er sie alle getötet hatte, war weder etwas zu riechen noch zu hören gewesen. Seinen Sinnen war noch nie etwas entgangen. Schon gar nicht so ein widerlicher Bursche, der sichtlich nach ungewaschener Haut und Met stank. Wie konnte das also möglich sein? Der uralte Vampir hatte sichtliches Vergnügen daran seine Überlegenheit auszuspielen. Gönnerhaft schlug er dem kleinen Mann seine knochige Hand auf die Schulter. „Sagt euch vielleicht ‚Pestbusch‘ etwas?“ Vilkas erbleichte. Das war tatsächlich ein fataler Fehler von ihm, wenn er diese Büsche übersehen

hatte! Movarth lachte, dass es unheimlich von den Felswänden widerhallte. „Wie auch immer, euer Pech, mein Glück! Fax hier, hatte sich in einem solchen versteckt und damit hat er es sich verdient mein menschlicher Diener zu werden.“ Kurz krallten sich seine Finger in die schmächtige Schulter des Mannes. Sein Blick wurde wieder glühend und Vilkas hatte das Gefühl erneut seinen Geifer spüren zu können mit dem dieses uralte Monster schließlich weiter sprach. „Denn mit seinen Informationen habe ich nicht nur euch überwältigen können, sondern auch das Kind bekommen, das mehr Wert für uns hat, als ihr es euch mit eurem

beschränkten Tiergehirn auch nur vorstellen könnt!“ „Lasst die Frau und das Kind in Ruhe!“, brüllte Farkas. „Was kann Euch so ein Baby schon an Blut liefern?“ Vilkas konnte wegen der Halsketten zwar nur erschwert zu seinem Bruder neben ihm sehen, doch er empfand sein unterdrücktes Zittern beinahe wie einen elektrischen Schlag. Farkas war zum Zerreißen angespannt. Der Ur-Vampir feixte. „Es ist nicht die Menge, sondern die Qualität des Blutes! Doch zuerst muss das noch geprüft werden.“ Damit wandte er sich an die Frau und den jungen Vampir. „Alva, Hroggar! Bereitet den Tisch für die

Probe vor.“ Die beiden verneigten sich bestätigend und verschwanden in den hinteren Teil des Raumes. „Und jetzt genug geredet!“, verkündete Movarth. „Ihr rührt die Werwölfe nicht an“, sagte er zu seinen Leuten. „Zuerst werde ich allein mich überzeugen.“ Und ohne dass eine Bewegung wahrzunehmen gewesen wäre, war der Blutsauger plötzlich an Vilkas heran, krallte seine knochige Hand in sein Haar und riss seinen Kopf nach hinten. Brutal schlug er ihm seine Zähne in die Halsschlagader oberhalb des silbernen Halsringes und begann saugend zu schmatzen. Hanas Schrei und Farkas Gebrüll drangen zu Vilkas vor doch er konnte sich nicht

wehren. Das lähmende Gift aus dem Speichel des Vampirs ließ ihn bewegungslos in den Ketten hängen. Ihm wurde beinahe schwarz vor Augen so tobte seine Wut und der Wolfsgeist in seinem Inneren. Er hatte sich noch nie mit der Bestie in sich so verbunden gefühlt wie in diesem Augenblick. ‚Du stirbst durch meine Hand, Vampir‘, schwor er sich in dem Moment rasend vor Zorn. ‚Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!‘ Doch der Vampir ließ nicht locker. Vilkas schwanden bereits die Sinne. Es wurde eine zur Schau Stellung von Movarths Macht. Er wollte allen zeigen, dass er Gewalt selbst über den ärgsten

Feind hatte. Nackt und ohne Gegenwehr hing Vilkas da. Es war das Beschämendste, das er je erdulden musste. Geifernd blickten die anderen Vampire auf ihn. Ihre zügellose Gier stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Einzig ihre Furcht oder ihr Respekt vor ihrem ‚Meister‘ hielt sie davon ab sich ebenfalls nach vorne zu stürzen und sich ihrem Blutrausch hinzugeben. Nach schier endloser Zeit schien der Alte genug zu haben und er trat zurück. Vilkas Blut klebte am gesamten Unterkiefer des Vampirs und rann aus den Mundwinkeln bis über den dürren Hals. Dann trat der Clanführer nochmals heran, doch diesmal biss er nicht zu,

sondern strich mit seinem dreckigen Nagel über die pulsierende Ader, die weiter warmes Blut aus Vilkas Körper pumpte. Ein paar gemurmelte Worte von ihm und sofort stockte die Blutung. Die Lähmung verließ Vilkas Körper ebenfalls und trotz seiner Schwäche brach sich der ganze aufgestaute Zorn Bahn. Selbst der Meister-Vampir zuckte zurück als sich Vilkas in seiner Rage mit einem Schrei aufbäumte und mit aller Gewalt gegen die Ketten stemmte. Mit so einer Reaktion hatte der Clanführer wohl nicht gerechnet. Die Silberketten waren im Moment das Einzige, das den Blutsauger vor Vilkas schützte. Doch der Blutverlust forderte seinen Tribut. Seine Muskeln

versagten ihren Dienst und wie ein gefällter Baum klappte Vilkas zusammen. Kraftlos hing er in den Ketten. Ihm schwindelte vom Blutverlust. Sich wieder sicher fühlend ging Movarth zu ihm und strich über die Kruste, die sich an Vilkas Hals bereits bildete. „Keine Sorge“, meinte er im Plauderton mit seiner unheimlich hohlen Stimme. „Euer Bestien-Blut sorgt dafür, dass ihr euch rasch erholen werdet. Schließlich sollt ihr doch uns alle ernähren!“ Schaurig echote sein Lachen durch den Raum und Vilkas sah aus den Augenwinkeln wie Hana sich losriss um zu ihm zu gelangen, doch der blonde Nord fasste sie brutal an

der Schulter und zog sie ruckartig zurück. Es gelang ihr gerade noch schützend ihren Arm um das Tuch zu legen, dann fiel sie hin. „Auch wenn es dir nicht passt, du bist immer noch mit mir verheiratet!“, herrschte sie der blonde Nord an, der sie festgehalten hatte. Vilkas erstarrte. So war das also! Hanas Mann lebte doch noch und er war einer von ihnen. Er hatte gewusst, dass Hana ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte! Das junge Mädchen rappelte sich auf und stützte sich dabei am großen Tisch ab. Sie zitterte am ganzen Leib. Vilkas verfluchte erneut ihre Lage. Doch es half nichts. Er hing nackt und blutbesudelt

von der Decke herab und konnte sich vor Schwäche kaum mehr rühren. Noch dazu musste er mit sich kämpfen, durch den Blutverlust nicht die Besinnung zu verlieren. „Heimkar“, tadelte da die schöne Vampirfrau den blonden Nord. „Deine Frau bekommt doch noch blaue Flecken. Eine Zeit lang brauchen wir sie noch für deinen Sohn, oder?“ Spöttisch erklang ihr Lachen und sie sah Hana mit unverhohlener Bösartigkeit an. „Ihr seid eine niederträchtige Frau, Alva“, rief Hana aufgebracht. Ihre Empörung siegte wohl über ihre Ängste. Angewidert hob sie die Schultern und drehte sich weg.

Die Beschuldigte zog nur belustigt ihre Augenbrauen hoch. „Was kann ich denn dafür, wenn eure Männer lieber zu mir kommen, als bei euch biederen Frauen zu bleiben!“ Triumphierend lachte sie Hana an und räkelte ihren dünn bekleideten Körper. „Dein Mann war wirklich ein kleiner Leckerbissen. Und bevor er dir einen Sohn machte, hatte er bereits mit mir geschlafen und mir von seinem Blut gegeben. Er war so hingerissen von mir, dass er das nicht einmal mitbekam!“ Alva lachte irre. „Er war bereits infiziert, als er zu dir ins Bett stieg! Nur darum ist dein Bastard etwas Wert für uns. Nur darum!“ Hana zuckte zusammen

und drückte Varis mit einer Hand an sich. Die andere schlug sie vor ihre Augen. Ihr kummervolles Schluchzen, das dabei aufbrandete, fraß sich direkt in Vilkas Seele. „Alva!“, rief Movarth die Frau zur Raison. Geifernd fuhr sie zu ihm herum. „Ihr habt es mir versprochen Meister!“, rief sie. „Ich darf diese Frau töten und ausweiden wie ich will, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hat! Und Heimkar wird mir dabei zusehen!“ „Sie gehört dir. Doch zuerst wird der Knabe getestet.“ Mit einem Blick fixierte der alte Vampir den blonden Nord. „Heimkar, bring deinen Sohn zu mir.“

Die herrische Stimme duldete keinen Widerspruch. Sofort machte sich Hanas Mann daran, ihr in das Tuch zu fassen, was sie fauchend und wild um sich schlagend verhindern wollte. Vilkas sah rot. Erneut versuchte er sich in die Ketten zu werfen. Sein einziger Gedanke galt dem Mädchen, doch er war zu schwach und die Befestigungen zu stark. Sein Bruder neben ihm gebärdete sich wie wild und kurz kam es Vilkas so vor, als hätte er die Verankerungen knirschen gehört. Doch das könnte auch eine Täuschung gewesen sein. Ein Schrei ließ Vilkas aufblicken. Hana hatte Heimkar tief in den Arm gebissen. Die Wunde blutete stark und half ihr ein

wenig Raum zu bekommen. Dabei verlegte sich Hana wieder auf das Flehen. „Bei den Göttern, Heimkar!“, weinte sie. „Varis ist dein Sohn! Du kannst ihn doch nicht diesen Monstern überlassen! Bitte! Heimkar! Nimm Vernunft an!“ Vilkas konnte aber sehen, dass dieser Mann bereits zu tief von der Infektion befallen war. Das Menschliche, das er einmal wohl gehabt hatte, war dahin. Wahrscheinlich hatte er vom Blut des Meisters zu trinken bekommen, denn er wirkte nicht wie ein Vampir-Sklave. Dennoch würde er genau das tun, was Movarth, sein Clanführer, ihm befahl. Familienbande gab es für ihn keine mehr

und so verpasste er Hana einen heftigen Schlag ins Gesicht, was Alva glücklich jauchzen und Vilkas vor Zorn tief grollen ließ. Dann fasste Heimkar rücksichtslos das Tuch und riss es Hana mitsamt dem Knaben herab. Durch den heftigen Zug stolperte das Mädchen und fiel mit dem Kopf voran auf den rauen Boden. Das Baby fing in den Armen seines Vaters hektisch zu schreien an. Vilkas bäumte sich wieder auf und riss an den Ketten. Farkas tat es ihm gleich und fluchte auch noch was das Zeug hielt, doch es war zwecklos. „Komm, leg das Kind endlich auf den Tisch hier“, befahl der Ur-Vampir gereizt. Das Getue dauerte ihm wohl zu

lange. Hana hatte sich mittlerweile aufgerafft und lief zu dem schreienden Varis. Ihr Gesicht war blutüberströmt. In Vilkas krampfte sich alles zusammen. Er sah es kommen, doch er konnte den Schlag Heimkars nicht verhindern, der Hana stoppte und erneut zu Boden gehen ließ. So hilflos zusehen zu müssen, ohne etwas dagegen tun zu können, hielt er überhaupt nicht aus. Ein unmenschlicher Schrei entkam seiner Kehle, was die Vampire vor Freude grinsen ließ. Entkräftet und aufgewühlt baumelte er nach all der Anstrengung wieder von der Decke und auch Farkas hatte kurzzeitig die sinnlosen Mühen, sich zu befreien, aufgegeben.

„Seht es endlich ein.“ Movarth ließ sich herab ihnen nochmals seinen Spott zukommen zu lassen, bevor er sich dem schreienden Kind widmete. „Ihr seid mir ausgeliefert. Mit all der Kraft die euch gegeben wurde, könnt ihr mir dennoch nichts anhaben. Unter meiner Führung werden die Vampire Himmelsrand überrennen. Und ihr könnt nichts dagegen tun. Gar nichts!“ Dann beugte er sich über das bereits nur mehr wimmernde und in der kalten Luft zitternde Baby. „Und wenn dieser Knabe das infizierte Blut in sich hat, ohne gebissen worden zu sein, dann können uns nicht einmal die Götter aufhalten

ganz Tamriel unter unsere Macht zu zwingen!“ Hanas schriller Schrei echote von den Felswänden, als sie mitansehen musste wie der alte Vampir mit seinem dreckigen, spitzen Nagel den Unterarm ihres Sohnes aufschlitzte. Varis dünne Stimme hob nochmals an, doch niemand kam um ihn in den Arm zu nehmen, ihm Wärme, Trost oder Liebe zu geben. Alle standen rund um den Tisch, während Movarth das Blut des Kindes in ein kleines Gefäß sickern ließ. Heimkar hielt die sich windende und sträubende Hana so fest, dass ihr Gesicht bereits rot anlief. Mit seiner großen Hand hielt er ihr Mund und Nase zu um sie am

Schreien zu hindern. Trotz besseren Wissens bäumte sich Vilkas erneut auf. Seine eigene Schwäche durch den Blutverlust, die Hilflosigkeit, mit der sie das alles mitansehen mussten und Farkas wildes, sinnloses Reißen an den Ketten, machte es ihm unerträglich. Doch es nutzte alles nichts. Der Vampir war erst zufrieden, als das kleine Gefäß mit dem Blut des Knaben angefüllt war. Dann reichte er es an die beiden verhüllten Vampire hinter sich. „Geht und untersucht es.“ Die beiden nickten beflissen und huschten mit dem kostbaren Gefäß durch den Gang am Ende des Raumes hinaus, während Movarth erneut mit seinem Nagel über

die Wunde des Knaben strich. Murmelnde Worte erklangen und die Wunde schloss sich. Fast teilnahmslos lag das Baby da. Auf einen Wink des Meisters ließ Heimkar schließlich Hana los, die sofort zu Varis stürzte, den Kleinen fest einwickelte und an ihren Körper drückte. Vilkas stieß erleichtert die Luft aus, als er das leise Weinen des Kindes wieder hörte, das sich in den Armen seiner Mutter wohl langsam zu erholen schien. Er hatte gar nicht gewusst, dass er vor Anspannung die Luft angehalten hatte. „Sperr sie in deinen Raum, Heimkar“, meinte der alte Vampir. „Sie kann sich auch dort um das Kind kümmern.“ Mit einem breiten Grinsen kam der Nord dem

Befehl nach und Vilkas konnte sich bereits ausmalen, was er mit seiner Frau wohl noch vorhatte. Ein Gedanke, der ihn rasend machte. So hatte er noch nie empfunden. Der Vampir-Frau erging es wohl ähnlich. Alvas eifersüchtiger Protest wurde von Movarth herrisch zum Schweigen gebracht. Zum Glück war Hana im Moment so mit Varis beschäftigt, dass sie nichts von all dem mitbekam und beinahe willenlos hinter Heimkar her stolperte. Ganz kurz hob sie ihren Blick und starrte Vilkas durchdringend an. Dass sie dabei unbemerkt etwas in das Kohlebecken fallen ließ, das immer noch den betäubenden Silbernitrat-Nebel

ausströmte, bemerkte außer ihm niemand. Sie war also gar nicht so teilnahmslos wie sie tat! Er änderte seine Taktik um noch weiter abzulenken. „Und wenn das Blut des Kindes nicht infiziert ist?“, fragte er den Meistervampir. Movarth war nicht abgeneigt Informationen weiter zu geben. Er sonnte sich scheinbar darin über seine Pläne zu sprechen. „Das wäre ein Jammer, aber nicht zu ändern.“ Bedauernd hob Movarth die hageren Schultern. „So eine Gelegenheit gibt es wohl nur alle hundert Jahre.“ „Was genau, macht das Kind so besonders?“, hakte Vilkas nach. „Ihr könnt doch jederzeit andere Kinder mit

nicht infizierten Frauen zeugen!“ Movarth lachte. Hohl drang es von allen Seiten auf sie ein. „Unwissender Narr!“, keifte der Alte. „Ist der Vampirismus einmal voll ausgebrochen, so sind wir unfruchtbar! Das heißt, wir können infizierte Kinder nur dann zeugen, wenn wir selbst infiziert sind, der Vampirismus aber noch heilbar ist. Ihr seht, dass das nur äußerst selten vorkommt.“ „Und was ist dann das Besondere an so einem Kind?“, fragte Farkas. Movarth bog sich beinahe vor Vergnügen. „Ihr seid wirklich ungebildete Wilde!“ Dennoch ließ der Vampir sich herab seine Überlegenheit vor ihnen zu demonstrieren. Seine rotglühenden

Augen fixierten abwechselnd Vilkas, dann wieder Farkas. „Ich erzähle euch das nur, weil es sowieso keine Konsequenzen für euch hat, außer, dass ihr euch winden könnt in eurer Unzulänglichkeit etwas dagegen tun zu können.“ Nochmals lachte er und auch Alva und Hroggar fielen mit ein. Heimkar dirigierte Hana inzwischen zur Tür, doch sie stolperte und hielt sich an den Gitterstäben der leeren Käfige fest. Es sah so aus als wäre sie in ihrem Taumel ungeschickt dagegen gerannt. Doch sie wollte nur Zeit schinden und hören was diese Monster planten. Sie wollte endlich wissen, warum sie und ihr Kind so gejagt wurden. Lange musste sie

nicht darauf waren. „Ist er infiziert, so hat der Knabe alle Attribute unserer Stärke, ohne aber unsere Schwächen in sich zu tragen!“, erläuterte der alte Vampir. „Er ist kein Untoter. Er ist ein lebender Vampir, der auch die Sonne nicht zu fürchten braucht! Niemand sieht ihm seine Infektion an. Genügt euch das? Solche Kinder werden zwar meistens nicht älter als fünf oder sechs Jahre, bevor sich ihr eigenes Blut gegen sie wendet. Doch bis dahin wird sein Lebenssaft auch uns langsam aber sicher immunisiert haben!“ Hana unterdrückte den leisen Schrei der Verzweiflung, der sich ihr aufdrängte. Das Schicksal ihres Kindes, wenn

Movarths Verdacht zutraf, war sogar noch grausamer, als sie sich jemals ausgemalt hatte. Es kostete sie alle Kraft weiterhin so zu tun, als würde sie nichts mitbekommen. Dazu tat sie so, als hätte sie sich ihren Fuß verstaucht, als sie stolperte. Heimkar blieb kurz stehen, dann drängte er sie weiter. Hana ließ es zu. Sie hatte genug gehört. Vilkas erschauerte. Wenn dieses Monster die Wahrheit sprach, dann gab es bald wohl nichts mehr, was diese Vampire aufhalten würde können. Eine Zukunft, welche die drohende Herrschaft der Drachen von vor einem Jahr beinahe noch in den Schatten stellte. „Ich sehe dir an, dass du langsam verstehst, Wolf.

Doch wie schon gesagt. Es hat keine Konsequenz.“ Damit drehte Movarth sich um und glitt hinter seinen Brüdern her, die schon vor längerer Zeit mit dem Blut des Knaben diesen Raum verlassen hatten. Hana strauchelte beinahe blind hinter Heimkar her. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr unterdrücken. Sie gingen durch einen kurzen Gang und kamen in den kleinen Raum, in dem sie zuvor schon mit Heimkar und Movarth an einem Tisch gesessen hatte. Es gab auch hier viele Regale mit etlichen Zutaten und sogar einen Alchemie-Tisch. Entweder gab es unter den Vampiren

einen Tränke-Brauer, oder der Unterschlupf gehörte früher einer anderen Organisation. Vier Türen führten jedenfalls von diesem Raum weiter. In eine davon lenkte sie ihr Mann hinein. Sie folgte Heimkar ohne weiter zu zögern, während sie ihr Kind wiegte. In dem kleinen Raum standen ein Bett, ein kleiner Tisch mit Sessel, eine Truhe und ein ganzer Stapel Felle. Hana setzte sich sofort auf das Bett und begann Varis zu säugen. Ihr zu einem Vampir gewordener Mann fiel auf einen der Stühle und sah ihr aufdringlich zu. Doch Hana ignorierte ihn. Sie kümmerte sich nur um ihr Kind. Der Kleine brauchte eine Weile um zu trinken. Dazwischen schüttelte es ihn

immer wieder. Doch langsam beruhigte er sich und schlief schließlich erschöpft ein. Hana wollte ihn gerade wieder in das Tuch einschlagen, als Heimkar ihr dazwischen fuhr. Irritiert blickte sie auf. Ihren Mann hatte sie völlig ausgeblendet gehabt. Jetzt sah sie in sein grinsendes Gesicht. „Ihm geht es wieder gut“, meinte er. „Du kannst das Kind dort auf die Felle legen.“ Dabei deutete er auf ein den Stapel, der neben der Truhe in der Ecke lag. „Warum sollte ich das tun?“ Sie stellte zwar die Frage, hatte aber den sechsten Sinn einer Frau, welche die Absichten des Mannes vor sich klar erkennen konnte. Da packte Heimkar aber schon

das Baby und legte es auf die Felle. Varis war so fertig, dass er davon nicht einmal aufwachte. Voller Grauen wich Hana zurück. „Was soll das?“, fragte Heimkar. „Früher hast du es genossen, mit mir das Bett zu teilen!“ „Da warst du auch noch kein Monster!“, rief Hana. „Schon gar nicht eines, das sogar das eigene Kind diesen Bestien überlässt!“ „Ach, ich bin also ein Monster?“, fragte Heimkar gedehnt. „Und was glaubst du, was deine neuen Begleiter sind? Im Gegensatz zu ihnen zerfleischen wir unsere Opfer nicht.“ „Im Gegensatz zu euch haben sie sich

aber ihre Menschlichkeit bewahrt!“, rief sie. Verächtlich sah Heimkar auf sie. „Als würde das einen Unterschied machen!“ Dann ruckte er vor und hob ihr Kinn an. „Ich habe deinen Blick wahrgenommen, mit dem du den einen von ihnen angesehen hast! Doch ich sage dir eines Weib: vergiss ihn. Du bist meine Frau. Außerdem wird er sowieso bald nur mehr ein ausgesaugtes Stückchen Haut sein!“ Hana wurde übel. Inzwischen kniete Heimkar bereits mit einem Fuß auf dem Bett, während er ihr mit der Hand die Haare aus dem Gesicht strich. Sie war nie in Heimkar verliebt gewesen. Aber er hatte ihr gefallen und sie schätzte ihn.

Vor allem bot er ihr eine neue Heimat, als sie ihre alte verloren hatte. Sie hätte in dem einfachen Leben hier in Morthal – einem eher ärmlichen Fürstentum von Himmelsrand – sogar glücklich werden können. Doch seit er sich langsam immer mehr verändert hatte, graute ihr vor seinen Berührungen. Es dauerte sowieso viel zu lange, bis sie endlich herausgefunden hatte was aus ihm geworden war und vor allem, wer ihn dazu gemacht hatte. Dieser Alva war überhaupt nichts heilig gewesen! „Lass mich!“, schrie sie auf und klatschte seine zudringliche Hand auf die Seite. „Ich will nie wieder von dir berührt werden!“ Dann schluchzte sie

auf. „Du warst einmal ein guter Mann, doch dann bist du dieser Vampir-Frau verfallen. Geh doch zu ihr und lass mich in Frieden!“ Brutal wurde sie zurück gestoßen. „Du bist mit mir verheiratet. Ich will es jetzt von dir. So wie in den alten Zeiten!“ Hana schrie und wehrte sich, doch Heimkar drückte sie auf das Bett. „Außerdem, wenn du brav bist, lege ich ein Wort für dich bei Movarth ein. Dann macht er dich vielleicht auch zum Vampir und Alva hat das Nachsehen.“ „Lieber sterbe ich!“, schrie Hana und schlug Heimkar in das Gesicht. Als er zurückfuhr trat sie ihm in den Schritt. Heimkar knickte stöhnend zusammen.

Doch ihr Tritt war zu ungenau gewesen. Er erholte sich viel zu schnell wieder. Dafür kannte sein Zorn keine Grenzen mehr. Brutal schlug er Hana, dass ihre Platzwunde auf der Stirn wieder aufging und ihr das Blut in die Augen lief. Heimkars Blick bekam einen gierigen Glanz. Sein Kopf fuhr vor und genüsslich leckte er ihr das Blut ab. Sie schrie und hob schützend die Arme vor ihr Gesicht. Doch nichts konnte ihren Mann mehr aufhalten. Grob bog er ihr mit einer Hand die Arme über ihren Kopf und drückte sie auf das Bett. Kurz saugte er noch an ihrer Wunde, dann fuhr er mit seiner anderen Hand hinunter und zerrte ihr Kleid hinauf. Mit seinen Knien

drückte er Hanas Schenkel auseinander. Wild bäumte sie sich auf, doch das schien Heimkar nur noch mehr zu gefallen. „Mach ruhig weiter so, Mäuschen“, murmelte er heiser und begann seine Hose hinab zu zerren. Dann drang er rücksichtslos in sie ein. Hana schrie gequält auf. Ihr gesamter Unterkörper war noch wund von der Geburt und glühende Schmerzen zogen von dem gerade geheilten Spalt in ihrem Becken ihren gesamten Körper hinauf. „NEIN! Bitte!“, weinte Hana. Und wie durch ein Wunder wurde der Schmerz plötzlich erträglicher und Heimkars Gewicht verließ sie. Bebend

krümmte sie sich zur Seite und zog ihr Kleid über ihren blutenden Unterleib. Da wurde sie aber bereits wieder hochgerissen.

06 farkas rag

Die plötzliche Stille die einsetzte war unheimlich. Das leise Knistern der Fackeln war alles, was den Raum nicht in völlige Geräuschlosigkeit fallen ließ. Sogar die Temperatur schien sich wieder ein wenig gehoben zu haben, seitdem der Meister-Vampir hinausgeglitten war. Hroggar und der windige Mensch hatte sich ihm angeschlossen. Nur Alva war noch geblieben. Sie trat mit wiegenden Schritten an Vilkas und Farkas heran. Vilkas beobachtete das alles nur am Rande. Sein Körper protestierte immer noch gegen den Blutverlust. Außerdem

konzentrierte er sich auf das Becken vor ihm, dessen wabernde Nebel zu versiegen schienen. Was immer Hana hineingeworfen hatte, es schien zu wirken. Mit dem Verschwinden des Nebels, ließ auch der betäubende Geruch nach. Und obwohl er immer noch Schwindel verspürte, fühlte Vilkas, wie seine Kräfte langsam zurückkamen. Der Wolf in ihm war durch die Silbermanschetten weiterhin gebändigt, aber die normalen, menschlichen Kräfte kehrten Schritt für Schritt wieder. „Verdammter Blutverlust!“, fluchte Vilkas im Stillen. Aber vielleicht wäre Farkas in der Lage die neue Situation zu ihren Gunsten zu

verändern? Er konnte zwar nur schwer zu seinem Bruder spähen, doch Alvas aufreizende Stellung ließen Vilkas nun alarmiert all seine Aufmerksamkeit der Vampirin zukommen. Voller Bewunderung fuhr sie ihnen mit ihren spitzen Fingernägeln die Innenseiten ihrer nach oben gestreckten Oberarmmuskeln nach. Vilkas beschloss diese Person zu ignorieren. Farkas sog zischend die Luft ein, als Alva ihnen schließlich über ihre definierten Bauchmuskeln strich. „Was für ein Männer“, hauchte sie. „Wirklich jammerschade, dass wir euch nicht verwandeln können.“ „Lass das, Weib!“, herrschte Farkas sie

an. „Warum? Sag bloß, das gefällt dir nicht!“, fragte sie, wobei sie ihre Aufmerksamkeit nun ganz ihm zuwandte und ihre Finger aufreizend über sein Gemächt führen ließ, das sich unweigerlich aufzurichten begann. „Da sehe ich aber etwas ganz anderes!“ Farkas riss an den Ketten. „Dich töte ich mit bloßen Händen!“, knurrte er sie an, was sie schallend zum Lachen brachte. Zumindest ließ sie von seiner Männlichkeit ab. „Du scheinst deine Situation zu verkennen“, rügte sie ihn in gespieltem Tadel und wackelte drohend mit dem Finger, als würde sie ein kleines Kind

ermahnen. „Aus diesen Fesseln kannst selbst du dich nicht befreien. Nicht einmal mehr auf die Weise, wie die Wölfin vor dir!“ „Was habt ihr mit ihr gemacht!“, schrie Farkas und stemmte sich gegen die Verankerungen. „Oh!“, rief Alva. „Da wird aber jemand wütend! War das vielleicht deine kleine Freundin?“ Dann lachte sie erneut und ließ ihren Blick bewundernd über seinen Körper gleiten. „Kann ich ihr nicht verdenken!“ Es schien ihr unglaubliches Vergnügen zu bereiten. Farkas riss erneut an den Ketten und Vilkas hätte schwören können wieder ein verräterisches Knacken aus dem Felsen über ihnen

gehört zu haben. Dazu rieselte Staub von der Decke. Farkas hatte das sichtlich auch mitbekommen. Das war ihm anzusehen. Zumindest Vilkas sah es, er kannte seinen Zwilling wie kein anderer. Die Vampirin schien dagegen nichts davon mitzubekommen. Auch nicht, dass das Kohlebecken mittlerweile nicht mehr dampfte und der Geruch nicht mehr im Raum hing. Vilkas dachte sich schon, dass für die Vampire die betäubenden Gase keinerlei Wirkung hatten. Als wäre nichts geschehen plauderte Alva weiter: „Die Wölfin hatte also ein Männchen. Dabei tat sie, als wäre sie die Einzige, die von Hircines Werwölfen noch übrig geblieben war. Eine Woche hielt sie

durch.“ „Ihr habt sie getötet!“ Farkas Stimme war nur mehr ein heiseres Flüstern. Vilkas spürte, wie sein Bruder kurz vor dem völligen Ausrasten stand. Doch Farkas war ein stoischer Mann. Sein Zorn wurde zu Eis. Nicht einmal in seiner unbändigsten Wut hatte Vilkas jemals erlebt, dass er wie von Sinnen getobt hätte. Dagegen mobilisierte er langsam immer mehr seine Kräfte. Alva hatte sich ihm wieder genähert und fuhr jetzt mit beiden Händen über seinen Körper. Bewundernd zeichnete sie mit ihren langen Nägeln seine Brustmuskulatur nach. „Da täuscht du dich, mein Lieber“, antwortete sie ihm.

Leckend fuhr sie sich mit ihrer Zungenspitze über die Lippen, als sie ihre Finger über seine Halsschlagader gleiten ließ. Farkas dagegen begann trotz ihrer ständigen, aufreizenden Berührungen seinen Körper zu lockern und Vilkas hielt die Luft an. Doch Alva bekam nichts mit. Sie sprach einfach weiter: „Die Wölfin nahm sich selbst das Leben. Sie biss ihre eigenen Pulsadern auf. Deshalb haben wir die Halsringe hinzugefügt. Damit ist euch selbst diese Option nicht mehr möglich! Gar nichts ist euch mehr möglich!“ Mit einem fiesen Grinsen sah sie Farkas an, während sie ihre Hände wieder in die unteren Regionen seines Körpers gleiten

ließ. „Wir haben deine Freundin schließlich zu all den anderen Kadavern geworfen, die uns als Nahrung gedient hatten.“ Ihre Schultern zuckten desinteressiert. „Viel wird von ihr nicht mehr übrig sein, nach all der Zeit. Aber du könntest ja mit mir inzwischen Vorlieb nehmen.“ Ihre Stimme wurde heiser vor Erregung. So bekam sie nicht mit, wie Farkas bleich vor unbändigem Zorn wurde. Bleich und eiskalt. Dann legte sich ein völlig anderer Ausdruck auf sein Gesicht. Farkas wurde immer ruhiger und seine Atemzüge lang und tief, während er seine Augen in völliger Konzentration schloss. Vilkas kannte das. Ein wildes Lächeln

legte sich über seine Züge. „Ihr habt verloren“, flüsterte er leise, da zerriss auch schon der unmenschliche Schrei seines Bruders die Stille. Er übertönte sogar das Bersten der Ketten, als er aus seiner Konzentration plötzlich auffuhr und seine Arme ruckartig herab schnellen ließ. Skjor war ein einzigartiger Lehrmeister gewesen. Der Gefährte, der sich nach dem Tod ihres Vaters um sie gekümmert hatte, lehrte sie die Konzentrationsübungen einer kleinen, verschworenen Priesterschaft aus einem abgelegenen Teil Tamriels. Zuerst hielten sie seine Übungen für Humbug und ergötzen sich an den eigenartigen

Körperhaltungen, die sie dafür einnehmen mussten. Sie waren dumme Jungs gewesen. Doch nachdem Skjor den kräftigen Farkas nach einer solchen Übung einfach mit einem Schlag gegen den Brustkorb mehrere Meter von sich schleudern konnte, begannen sie anders darüber zu denken. Zumindest Farkas. Vilkas brauchte dazu ein wenig länger. Nach dem Schlag prallte sein Bruder krachend gegen die Mauer von Weißlaufs äußerer Befestigungsanlage. Wahrscheinlich wäre er noch weiter geflogen, wenn diese nicht gewesen wäre. Verwundert und mit offenem Mund hatte Vilkas damals dagestanden. Sein Bruder

richtete sich taumelnd auf und tastete über seinen bloßen Oberkörper. Er konnte nicht glauben, dass alles an ihm noch heil war. „Es ist ganz einfach“, hatte Skjor ihnen damals erklärt. „Ihr müsst nur lernen, eure Kräfte auf einen Punkt in eurem Körper zu konzentrieren.“ „Kann man dazu nicht eine andere Haltung einnehmen?“, fragte Vilkas respektlos. „Es sah aus, als hättest du in die Hosen gemacht, so wie du dagestanden hast!“ „Versuch es doch, Grünschnabel“, konterte Skjor. Dann ging er wieder ein wenig in die Hocke und begann tief ein und aus zu atmen. Dabei hob und senkte

er im Rhythmus seiner Atmung die Arme in beinahe kreisenden Bewegungen. Vilkas schüttelte den Kopf. Die frischen, eingeätzten Ornamente auf seinem linken Oberarm zuckten im Spiel seiner Muskeln. Seit Jörgens Tod und allem, was dazu geführt hatte, hätte er sich beinahe als gedungener Meuchelmörder in der dunklen Bruderschaft verloren. Doch er kam mehr oder weniger noch rechtzeitig zur Vernunft. Seit diesen Erlebnissen war er nicht mehr derselbe. Und er konnte sich immer noch nicht überwinden, diese seltsamen Übungen von Skjor mitzumachen. Farkas dagegen hatte sich zu Skjor gestellt und tat es ihm

nach. „Ach was!“, entfuhr es Vilkas. „Ihr seht beschissen aus! Hört ihr: beschissen!“ Ohne Rücksicht auf wen oder was, ließ Vilkas damals seine Aggressionen ungehindert frei. Nicht einmal seinen Bruder verschonte er damit. Dass die anderen ihn zu der Zeit überhaupt ertragen hatten, wunderte ihn noch nachträglich. Aber sie ignorierten ihn einfach und ließen ihn austoben. Einige Tage später hatte Vilkas seinen Widerstand aufgegeben und ebenfalls mit den Übungen begonnen. Farkas allerdings war ihm bereits weit voraus. Seitdem konnte Vilkas ihn nicht mehr besiegen. Bei keiner einzigen ihrer

Waffenübungen mehr. Das ärgerte ihn und er begann wie ein Besessener zu trainieren. Er erreichte viel, doch Farkas holte er nicht mehr ein. Nicht in dieser Disziplin. Sein Bruder war ein Naturtalent. Er konnte sich einfach in seinen sowieso schon ungeheuer kräftigen Körper fallen lassen. Er musste sich dazu nicht einmal mehr sonderlich konzentrieren. Es schien, als wäre er ein Mensch, der sowieso immer in seiner Mitte war und daraus jederzeit die ihm schier unerschöpfliche Kraft bündeln konnte. Vilkas schaffte erst wieder einen Ausgleich zwischen ihnen, als er sich auf seine Waffenübungen mit dem

Zweihänder konzentrierte. Er übte so lange, bis er für sich sogar neue Techniken entwickelte, die ihn mit Farkas wieder gleichziehen ließen. Ihre Trainingskämpfe waren seitdem wieder ausgeglichen. Und noch einen Effekt hatten all diese Übungen auf ihn gehabt: er wurde langsam wieder ruhiger. So hatte jeder von ihnen besondere Fähigkeiten perfektionieren können. Und Farkas schier unglaubliche Kraft und gebündelte Konzentration derselben, war ihnen nun der Vampirhöhle zu Gute gekommen. Alva wusste nicht wie ihr geschah. Von einer Sekunde auf die andere hatte sich die Situation komplett gewandelt. Der

große Mann mit der wilden, halblangen Frisur und dem ansehnlichen Geschlechtsteil war nun nicht mehr ihrer Willkür ausgesetzt, sondern sie fand sich plötzlich hilflos in seinen Händen baumelnd wieder. Das war unmöglich! Kein normaler Mann hätte diese Ketten sprengen können! Doch genau das war geschehen. Seine Hände waren frei und unbarmherzig zog er sie nun um ihren Hals zusammen. Sie bekam keine Luft mehr und der Blutfluss zu ihrem Kopf wurde ebenfalls unterbrochen, so fest drückte er zu. Kein Laut, nicht einmal das leiseste Stöhnen entkam ihr. „Ich sagte dir doch, ich töte dich mit meinen bloßen Händen, verfluchtes Monster!“,

raunte er dabei mit seiner tiefen Stimme. Farkas Muskeln spannten sich immer mehr an, umso fester er zudrückte. Alvas Beine begannen zu zappeln und ihre Bewegungen wurden ruckartiger. Krampfhaft versuchte sie mit ihren Händen seine Finger von ihrem Hals zu lösen. Ein widersinniges und nutzloses Unterfangen. Farkas war unbarmherzig in seiner kalten Rage. Es war ein grauenhafter Tod, jemanden auf diese Weise langsam ersticken zu lassen, doch im Moment hatte er nur Aelas Ende vor Augen. Er hörte nicht einmal auf die Frau vor ihm zu würgen, als ihre Augäpfel bereits aus ihren Höhlen traten und auch ihre Zunge immer mehr

anschwoll. Die letzten Zuckungen ihrer Beine hatten schon vor einiger Zeit aufgehört und auch ihre Hände hingen bereits schlaff an ihrer Seite herunter. „Farkas! Es reicht! Sie ist tot!“ Langsam sickerte Vilkas Stimme zu ihm durch. Ganz konnte er die Bedeutung seiner Worte noch nicht aufnehmen. „Sie haben Aela auf dem Gewissen!“, rief er. Nochmals verstärkte er den Druck seiner Hände. „Sie haben mein Weib und unser Ungeborenes getötet und auf den Abfall geworfen! Ich töte sie alle! ALLE!“ „Farkas!“ Eindringlich drangen die Worte seines Bruders auf ihn ein. „Wir werden gemeinsam Rache nehmen! Dazu

müssen wir aber zuerst diese Ketten loswerden!“ Ein Ruck ging durch Farkas. Mit schierem Ekel lockerte er seine Hände um den Hals der Getöteten und warf sie von sich. Ein weiterer unmenschlicher Schrei löste sich aus seiner Kehle. Sein gesamter Körper zitterte vor Grauen und Trauer. Langsam atmete er ein und aus. Er musste sich zusammenreißen und auch noch die anderen Ketten aus der Verankerung ziehen, sonst hätten sie gar nichts gewonnen. Aela musste warten. Aber die Stunde der Rache würde unweigerlich kommen. Farkas neigte seinen Kopf zurück, soweit es die Ketten zuließen und konzentrierte sich erneut.

Skjors Techniken eigneten sich auch hervorragend dazu, um sich zu sammeln und zur Ruhe zu kommen. Als er sich wieder gemäßigt hatte, blickte er zu seinem Bruder. Hey, Vil!“, raunte er seinem Zwilling zu. „Geht’s noch?“ „Frag nicht so blöd, beeil dich lieber!“, schnauzte Vilkas. „Dir geht’s wieder gut“, meinte Farkas, dann legte er seine Hände an die Kette, die seinen Hals mit der Wand hinter ihm verankert hatte. Kurz konzentrierte er sich und lenkte die Kraft in andere Muskelgruppen seines Körpers. Als er das Brennen spürte, das immer einsetzte, wann er die maximale Kraft erreicht

hatte, riss er seinen Kopf nach vorne und zog gleichzeitig mit seinen Händen an der Kette. Diese Verankerung löste sich sogar noch leichter, als bei den Armen. Wahrscheinlich, weil er nun beide Hände zu Hilfe nehmen konnte. Gerade wollte er seine Beine auf dieselbe Weise befreien, als Schritte zu vernehmen waren und die Stimme von Fax, dem Banditen, der Alvas Namen rief. So schnell er konnte, richtete sich Farkas auf und streckte die Arme in die Höhe. Bei dem dämmrigen Licht würde die Täuschung wohl nicht so schnell auffliegen. „Hey!“, schrie Vilkas, als der schmächtige Mann in den Raum trat und

zog an den Ketten, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Endlich kommt jemand um den Mist hier wegzuräumen.“ „Wa…?“, fragte der glatzköpfige Mann und rannte näher. Das war ihr Glück, dass er niemanden rief, sondern sofort zu ihnen eilte. „Alva? Was ist nur mit ihr geschehen?“ „Sie hat die Gebote eures Meisters übertreten und mich ebenfalls gebissen!“, log Vilkas. „Sein Fluch traf sie sofort.“ Fax schien diese Worte nicht in Zweifel zu ziehen. Rasch glitt er über die leblose Frau und wollte sich gerade nach ihr bücken, als Farkas Hände nach vorne

fuhren, Fax‘s Kopf und Oberkörper fassten, und ihm mit einem scheußlichen Geräusch die Halswirbel brach. „Ein viel zu schneller Tod für diesen Abschaum!“, grollte er. Dabei ließ er den erschlafften Körper nicht los, sondern begann in den Taschen zu wühlen. „Was tust du?“, rief Vilkas aufs Höchste aufgebracht. „Lass den Kerl und mach weiter!“ Farkas ignorierte ihn. Die Zeit war zu kostbar um sie mit Erklärungen zu verschwenden. Er verprasste sowieso wertvolle Sekunden damit, dass er an den falschen Stellen suchte. Fündig wurde er erst, als er dem Toten das Hemd öffnete. Da hing das Kleinod! „Ich wusste es!“,

triumphierte er, riss das Schließwerkzeug an sich und ließ die Leiche achtlos fallen. „Woher nur?“, fragte Vilkas atemlos. Farkas zuckte die Schultern. „Intuition.“ Schnell schloss er seine Beinmanschetten auf, dann befreite er Vilkas linken Arm und wollte ihm den Schüssel überlassen, während er sich anschickte hinauszueilen. „Verdammt! Warte!“, rief Vilkas, der sah, wie die Silberketten an Farkas Armen und Hals noch hinunter baumelten. „So kannst du den Wolf nicht beschwören!“ „Dann gib schon her!“ Ohne zu überlegen riss Farkas Vilkas den

Schlüssel wieder aus der Hand um die Silbermanschetten am Arm zu lösen. Bei der am Hals hatte er Schwierigkeiten, weil er mit den tastenden Händen allein den Schließmechanismus nicht fand. Ungeduldig riss er einfach nur die Kette ab und warf Vilkas den Schlüssel wieder zu. „Das muss eben warten!“, rief er und wandte sich der Türe zu, hinter der der Ur-Vampir verschwunden war. Keine Sekunde zu früh, denn sie sprang bereits auf und die Kälte strömte in den Raum, noch bevor Movarth herein glitt. Nur mit der silbernen Halsmanschette an seinem Körper, spürte Farkas dennoch seinen Wolfsgeist hervorbrechen. Zwar nicht vollständig und nur geschwächt,

doch darum kümmerte er sich nicht. Es wurde Zeit mit den Mördern Aelas aufzuräumen. Noch im Laufen stieß er sich ab und sprang dem Vampir entgegen. Doch er schnellte ins Nichts. Dort, wo Movarth noch einige Sekunden zuvor gestanden hatte, war niemand mehr. Mit einem enttäuschten Heulen sprang Farkas Wolfs-Form ihm nach. Vilkas nahm sich nicht die Zeit das Geschehen weiter zu verfolgen. So schnell er konnte schloss er auch die rechte Armmanschette auf. Die Befestigung am Hals machte ihm ebenso Schwierigkeiten, doch er musste den Mechanismus mit seinen tastenden Fingern finden. Anders würde er nicht

loskommen. Seine Kette hing noch komplett befestigt im Felsen. Als er schon überlegte, ob er nicht auch mit Hilfe von Skjors Konzentrationsübungen die Silberkette aus der Verankerung herausreißen sollte, wurde er fündig. Mit einem leisen ‚klick‘ öffnete sich auch der silberne Halsring und Vilkas konnte sich endlich bücken um auch seine Beine zu befreien. Sofort lief er in die Richtung, die Heimkar mit Hana eingeschlagen hatte. Es gab für ihn keine Frage für diese Entscheidung. In dem Raum, von dem die vier Türen ausgingen konnte er Hanas gepeinigte Schreie bereits so laut hören, als wäre sie direkt neben ihm. Seine feinen

Werwolf-Sinne waren also ebenfalls schon zurückgekehrt, doch Vilkas ignorierte alles. Seine scharfen Augen erblickten einen schmalen Dolch auf einem der Tische. Noch im Vorbeilaufen schnappte er ihn und sprang zu der Tür hinter der das Mädchen gequält wurde. Der Anblick der sich ihm bot, als er in den Raum lief, ließ ihm das wenige Blut, das noch in seinen Adern war, gefrieren. Der blonde Nord kniete auf dem Bett zwischen ihren weißen Beinen, die er mit seinen Schenkeln auseinander spreizte. Sie wehrte sich heftig, hatte aber keine Chance gegen seine brutale Kraft, mit der er ihre Arme festhielt und gewaltvoll in sie stieß.

Eine Hasswelle stieg in Vilkas hoch, die ihn beinahe erstickte. Er hätte Heimkar am liebsten in Stücke gerissen. Der Wolf in ihm wollte mit aller Gewalt hervor brechen, doch er hatte sich soweit unter Kontrolle, dass er Hana nicht mit dem Blut ihres Mannes tränken wollte. Das Mädchen war auch so schon geschockt genug. Vilkas stürzte vor, riss Heimkar von Hana herunter und schlitzte ihm mit einem einzigen geschmeidigen Streich die Kehle auf. Am liebsten hätte er ihm sofort den Kopf von den Schultern geschlagen, doch eine bessere Waffe, als den Dolch, gab es im Moment nicht. Das Mädchen hatte sich weinend auf die

Seite gerollt und mit zitternden Händen ihr Kleid wieder herabgezogen. Sie musste Schmerzen haben, so grob wie ihr Mann sie genommen hatte. Vilkas sprang zu ihr und hob sie hoch. Schreiend wehrte sie ihn ab. „Schsch!“, rief er. „Ich bin es. Ich bin es!“ Sie riss ihre Augen auf und als sie ihn erblickte stürzte sie in seine Arme und barg weinend ihren Kopf an seiner Brust. „Vilkas!“, rief sie. Mehr brachte sie nicht heraus. Mit beiden Armen drückte er Hana an sich. Dann strich er über ihr wirres Haar, das wieder wild in ihr Gesicht hing. Einige ihrer kürzeren Strähnen hatten

sich mit dem Blut aus ihrer Platzwunde verklebt, die er ihr nun vorsichtig ablöste und zurück schob. „Alles in Ordnung mit dir?“ Sie nickte weinend. „Er… er hat erst angefangen…“ „Der Bastard ist tot.“ Einmal strich Vilkas noch über ihre Haare, dann löste er sich von ihr. „Such nach Heiltränken. Ich muss zu Farkas!“ Schnell blickte er sich um, bis seine Augen den kleinen Varis auf dem Fellstapel erspähten. Dem Kind schien es wieder gut zu gehen. Anders als seiner Mutter. Er sah, wie sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufsetzte. Doch Vilkas konnte nicht bleiben, eine innere Stimme rief ihn zu

seinem Bruder. Mit einem letzten Blick auf das bleiche Mädchen sprang er auf. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, ließ er die tobende Wolfsbestie in sich endlich frei. Die Verwandlung geschah augenblicklich. Das unterschied sie ebenfalls von den einfachen, mit Lykanthropie befallenen Wesen, die vor allem in Solstheim, einer weit im Norden gelegenen Insel Tamriels, hausten. Diese Krankheit war wahrlich ein Fluch. Die Männer und Frauen waren nach der Umformung nichts weiter als Tiere. Sie hatten kein Bewusstsein mehr und das Bestienblut wütete ohne Sinn für Gut und Böse. Kinder, Greise, Tiere, Adlige,

Bettler – was immer ihren Weg kreuzte – fiel ihnen zum Opfer. Kein Wunder, dass es Organisationen gab, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Werwölfe unerbittlich zu jagen. Jeden Werwolf. Sie machten keinen Unterschied zwischen den Bestien ohne menschliches Bewusstsein und den magischen Geschöpfen, die Hircine aus den Gefährten gemacht hatte. Skjor, ihr weiser Lehrmeister, und Kodlak, ihr alter Herold, fielen einer solchen Gruppe zum Opfer. Und obwohl sein Bruder, er und Aela, ihre Kameraden rächten und die silberne Hand, wie sich diese Organisation nannte, bis auf den letzten Mann ausgerottet hatten, machte es ihre

Gefährten auch nicht mehr lebendig. Das Einzige, das sie tun konnten war, dass sie Kodlak seinen letzten Wunsch noch erfüllten und ihn von seinem Bündnis mit Hircine befreiten. Seitdem lebten sie auf Kriegsfuß mit dem Daedra-Fürsten der Jagd. Vilkas schüttelte unwillig den Kopf. Jetzt musste er schon zu Beginn einer Verwandlung an Hircine denken! Sofort blockte er alles ab. Mit machtvollen Sprüngen lief er zurück zu dem Raum der ihr Gefängnis war und weiter darüber hinaus. Ein fürchterliches Heulen zeigte ihm den Weg und er wurde noch schneller. In seiner Wildheit riss er die Türen aus den Angeln, stieß Regale und

Tische um, nur um keine Zeit zu verlieren. Auf allen vieren hetzte er durch den Gang bis zu einer saalartigen Höhle, in dem der Kampf bereits voll im Gange war. Er kam gerade noch rechtzeitig um den beschworenen Deadra daran zu hindern, Farkas sein Schwert in den Rücken zu stoßen. Also hatten sie es nicht nur mit einem Ur-Vampir zu tun, sondern auch mit einem Meister-Magier. Nur Magier der höchsten Stufe waren in der Lage Daedra, die sogenannten Höllenkrieger, zu beschwören, damit diese dann für kurze Zeit an ihrer Seite kämpften. Mit einem tiefen Grollen sprang Vilkas die letzten Meter zu dem gepanzerten

Kämpfer der Hölle und spaltete ihm mit seinen Pranken die Rüstung. Danach trieb er ihm seine Klauen ins Fleisch und riss das Herz heraus, das er mit einem einfachen Druck mühelos zerquetschte. Farkas war inzwischen in die Knie gegangen. Neben ihm lagen die Körper der beiden anderen alten Vampire am Boden. Er hatte bereits grausige Saat unter ihnen gehalten. Einer der Leichen war die Kapuze vom Kopf gerutscht. Es zeigte das vom Alter gezeichnete, ausgemergelte Gesicht einer Hochelfe, deren Augen im Entsetzen des letzten Augenblicks weit aufgerissen in die Leere starrten. Ihre Kutte war zerrissen und in ihrer Brust klaffte ein Loch. Ihr

Herz, das Farkas herausgerissen hatte, lag noch zuckend neben ihrem Leichnam. Er hatte sich nicht die Zeit genommen es in seiner Pranke zu zermalmen. Der andere Vampir lag irrwitzig verrenkt da. Sein Kopf war beinahe ganz vom Rumpf getrennt und hing in einem unnatürlichen Winkel von seinem Hals. Dennoch bewegte er den dünnlippigen Mund in seinem grauen, uralten und eingefallenen Gesicht. Das unheilige Leben war noch nicht ganz aus ihm gewichen. Eine Gefahr ging von diesem Sterbenden allerdings nicht mehr aus. Farkas musste unter sie gefahren sein, wie der Deadra-Fürst der Jagd höchstpersönlich. Und das alles, obwohl das Silber des Halsringes

den Wolf sehr schwächen musste. Der Kampf mit ihnen war an Farkas aber nicht spurlos vorüber gegangen. Eine Blutlache bildete sich bereits unter ihm, während Movarth ihm nun mit magischen Waffen zusetzte. „Ihr seid mir nicht einmal als Monster gewachsen!“, rief er triumphierend. Mit einem Schlenker seines Armes beschwor er einen weiteren Daedra. Farkas warf sich ihm entgegen wobei die Reste einer fleischigen Masse unter ihm hervorkamen, die einst wohl Hroggar gewesen waren. Vilkas zögerte nicht und stürzte sich mit wütendem Grollen auf den Ur-Vampir, der scheinbar ununterbrochen und endlos Magie wirken konnte. Doch schallendes

Lachen war alles, was an der Stelle zurückblieb, an der zuvor noch der Blutsauger stand. Davon ließ sich Vilkas nicht beeindrucken. Sein Körper war zwar vom Blutverlust geschwächt, aber die Wolfsbestie in ihm war ohne Silberketten mit all ihren Fähigkeiten wieder da. Er warf sich sofort herum und hechtete nach links. Der Instinkt der Bestie war untrüglich. Movarth taumelte überrascht zurück als der mächtige Werwolf wieder vor ihm auftauchte. So etwas wie Unglauben zeigte sich in seinen verwitterten Zügen, dann verschwand er erneut. Vilkas sprang mit mächtigen Sätzen in den entferntesten Winkel dieser hallenartigen Höhle.

Movarth erschien nur kurz vor ihm an dieser Stelle. Sofort schleuderte ihm der Vampir seine Magie entgegen, welcher er mit einem schnellen Haken gerade noch entging. Ein Blick in Farkas Richtung zeigte ihm, dass sein Bruder in immer ärgere Bedrängnis kam. Seine Wunden ließen ihn taumeln, während der Daedra ihm sein Schwert in die Seite hieb. Farkas Heulen echote von den Felswänden wieder. Es sah schlimm aus, doch Vilkas war zu weit weg. Er würde auf jeden Fall zu spät kommen. Wenn er aber blieb, hätte er dafür eine reale Chance gegen Movarth. Vilkas fällte seine Entscheidung in Sekundenbruchteilen.

Voll ohnmächtiger Wut holte er aus und schlug dem Blutsauger seine Pranken entgegen. Vilkas hätte schwören können, dass er Fleisch unter einer davon gespürt hatte, doch der Vampir warf ihn mit einer Schockwelle zurück. Die magischen Kräfte dieses Wesens waren übermächtig. Vilkas verfluchte die Schwäche seines Körpers, den nicht einmal die Wolfsbestie wettmachen konnte. Selbst als Wolf spürte er, wie es ihn nach schnellen Bewegungen schwindelte. „Du willst also mehr von meiner Kraft? Dann lass mich tiefer in dich hinein! Ich kann dir Kraft geben. Viel mehr Kraft. Du musst mich nur gewähren

lassen!“ Das fehlte ihm noch. Ausgerechnet jetzt versuchte Hircine ihn wieder zu betören und ihn in sein Reich zu führen. Noch nie war Vilkas so versucht gewesen dieser Stimme nachzugeben, wie in diesem Moment. Der Ur-Vampir hätte gegen den Daedrafürsten der Jagd keine Chance gehabt. Es wäre so leicht gewesen. So leicht! Er müsste nur nachgeben und Hircine würde sich ausdehnen können, seinen Geist übernehmen können. Vilkas spürte, wie es ihn hinzog, wie er am liebsten nachgeben würde. „Na, komm schon. Du weißt, ich kann dir helfen. Dir und deinem Bruder. Diese

Vampire würden zu Staub zerfallen unter meiner Macht. Lass mich einfach nur gewähren, Vilkas. Komm, lass mich gewähren…“ „Vilkas!“ Eine weiche Stimme drang an sein Ohr und warme Hände umfassten ihn. Hana! Das Mädchen und ihr Kind würden ohne ihn kaum Überlebenschancen haben. Mit einem Schrei befreite sich Vilkas von allen Einflüsterungen des Daedra. Hircines Stimme und Hanas Bild verschwanden aus seinem Geist. Das ganze dauerte nur Sekundenbruchteile. Dennoch war Vilkas entsetzt, dass er um ein Haar auf die Beeinflussungen des Daedrafürsten hereingefallen wäre.

Mit einem tiefen Grollen stieß er sich vom Boden ab und hechtete Movarth entgegen. Zum ersten Mal sah er kurz so etwas sie Entsetzen in den roten Augen aufglühen. Die magische Schockwelle hatte also auch diesem Vampir Kraft gekostet. Er konnte nicht mehr so schnell reagieren. Vilkas spürte nochmals wie seine Pranken auf festes Fleisch trafen, dann verschwand Movarth unter ihm. Noch bevor er reagieren konnte tauchte der Blutsauger neben einem mit unzähligen Apparaturen vollgestopften Tisch auf, schnappte sich ein kleines Gefäß und verschwand erneut. Wild heulte Vilkas auf. Sein Instinkt ließ

ihn sofort zurück hetzen. Hana und das Kind! Er spürte was dieses Monster im Sinn hatte und er würde unweigerlich zu spät kommen! So schnell er auch war, er hatte keine Teleportmagie zur Verfügung. Vilkas legte alle Kraft die ihm noch verblieben war in seine Gliedmaßen. Als er in den Raum kam, in dem er und Farkas angekettet waren, sah er den Vampir über Alva gebeugt stehen. Der Blutsauger hatte sich aufhalten lassen! Diese Chance musste Vilkas nutzen. Als Movarth ihn sah zuckte er zusammen. Er schien seinen Fehler erkannt zu haben. Doch Vilkas ließ sich nicht ablenken. Er kannte das wahre Ziel des Vampirs. Nochmals steigerte er sein Tempo und

galoppierte auf allen Vieren weiter. Hana stand mit dem in das Tuch eingeschlagenen Varis neben dem Alchemietisch im kleinen Raum, von dem die vielen Türen abgingen. Sie fuhr mit einem Schrei zusammen, als sie den Werwolf auf sich zustürzen sah und noch mehr, als Movarth neben ihr aus dem Nichts auftauchte und seine gierigen Hände nach ihr ausstreckte. Mit einem wahren Hechtsprung stieß sich Vilkas ab und warf sich zwischen Hana und den Vampir. Schmerzhaft fuhren Movarths dreckige, zu Krallen gebogene Finger in sein Fell und unter seine Haut. Vilkas spürte die Magie, die von ihnen ausging. Sie hätte die kleine Hana sofort

gelähmt und willenlos gemacht. Ihn schwächte sie nur und mit einem Prankenhieb schlug er Movarths Arme weg. Der Vampir sprang zurück. Seine Augen glühten ihn an, doch er musste wohl erkennen, dass er an Vilkas nicht vorbeikommen würde. Scheinbar hatten sich seine magischen Kräfte doch noch erschöpft. Es traf Vilkas keine Schockwelle mehr, mit der Movarth ihn von Hana wegschleudern hätte können. Der Blutsauger ließ sein unheimliches, hohles Lachen ertönen. Dann wurde er schlagartig ernst. „Es ist noch nicht vorbei, Wolf“, drohte er. Vilkas ignorierte sein Gebrabbel und fuhr mit seinem Wolfsschädel vor. Ein Biss und

die Kehle des Vampirs wäre unrettbar zerfleischt worden. Doch der Ur-Vampir hatte seine Kraft gut eingeteilt. Er verschwand erneut. Und obwohl Vilkas fühlte, dass er bei Alva wieder auftauchen würde, wollte er Hana und das Kind nicht mehr ungeschützt zurück lassen. Die Teleportmagie war unberechenbar. So viel Glück wie vorhin würde er wohl kein zweites Mal mehr haben. Noch dazu stand Hana zitternd mit ihrem Kopf an seinen Rücken gepresst hinter ihm und hatte ihre Hände in sein Fell gekrallt. So ließ Vilkas den Ur-Vampir gewähren. Es war wie eine Patt-Situation zwischen ihnen. Er behielt Hana und den Kleinen,

während Movarth die Leichen seiner Mitstreiter mit sich nahm. Zumindest die, die nicht allzu zugerichtet waren. Langsam ließ die Anspannung in Vilkas nach. Er spürte, dass der Ur-Vampir den Unterschlupf verlassen hatte. Sein Wolfsgeist konnte ihn hier unten nicht mehr wahrnehmen. Es war vorbei. Zumindest für den Moment. Mit der Anspannung verließ ihn auch das letzte bisschen Kraft und er stützte eine seiner Pranken rasch am Tisch ab, um nicht zu taumeln. Sanft fuhr er mit der anderen Pranke nach hinten um Hana von seinem Rücken zu lösen. Wenn er sich jetzt zurückverwandeln würde, hätte er

mangels einer Bekleidung ihre Hände in sein Fleisch gekrallt, so verkrampft hielt sie sich an seinem Fell fest. Zum Glück schien sie ihn sofort zu verstehen. Sie ließ zitternd los und Vilkas nahm wieder seine normale Gestalt an. Bleich und bebend stand sie vor ihm. Eine ihrer Hände hatte sie schützend um ihr Baby gelegt. Tränen liefen über ihre Wangen, aber sie versuchte tapfer zu lächeln und strich sich mit ihrer anderen Hand ihre wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Hast du Heiltränke gefunden?“, fragte Vilkas gleich nach. Hana schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich habe einen sehr einfachen hier

zubereiten können.“ Sie zeigte auf den Alchemietisch, auf dem ein großes Gefäß stand, das halbvoll war. „Kannst du noch mehr machen?“, fragte Vilkas. „Auch stärkere?“ Hana sah ihn mit großen Augen an. „Ja. Aber das geht nicht so schnell und die Zutaten dafür sind – wenn überhaupt – im anderen Raum.“ „Das spielt jetzt keine Rolle mehr“, meinte Vilkas. „Die unmittelbare Gefahr ist vorbei. Der Vampir hat die Höhle verlassen. Wir haben Zeit. Es ist nur wichtig, dass wir etwas bekommen. Farkas wird viel davon brauchen.“ Das Mädchen blickte ihn entsetzt an. „Oh nein!“, rief sie. Dann fing sie sich

wieder. „Im anderen Raum gibt es sehr wohl einen Heiltrank. Ich wagte nur nicht dort hinein zu gehen.“ Vilkas strich ihr über die Wange. „Kluges Mädchen“, lächelte er sie an, was sie unter diesem unerwarteten Lob sofort erröten ließ. Als er das sah ging ein Ruck durch ihn und er nahm sofort die Hand von ihrem Gesicht. Abrupt drehte er sich um. „Ich muss zu Farkas“, blaffte er, als könnte sie etwas dafür, dass er sich so vergessen hatte. „Sammle alle starken Heiltränke die du finden kannst und folge mir.“ In einem Regal an der Wand lagen ein paar zusammengelegte Kutten. Vilkas nahm zwei davon an sich, stülpte sich

sofort eine davon über und rannte zurück in den großen Höhlensaal, in dem Farkas liegen musste. Die halbvolle Flasche Heiltrank nahm er mit. Er sah sich dabei kein einziges Mal mehr nach dem Mädchen um.

07 hircines angebot

Wie klamme Finger kroch die Angst ihren Rücken hoch. Furchtsam sah sie sich um und drückte den kleinen Varis noch fester an sich, bis er schließlich leise zu protestieren begann. Die Bedrohung des Vampirs, seine unersättliche Gier, mit der er ihrer habhaft werden wollte und die nur an Vilkas gescheitert war, ließ Hana jetzt noch das blanke Entsetzen verspüren. Sie vertraute dem dunklen Nord, doch die Panik, dass dieser grauenhafte Ur-Vampir erneut auftauchen und sie und Varis oder noch schlimmer: nur Varis, mit sich

nehmen könnte, war nicht so schnell los zu werden. Der Schreck saß so tief, dass sie sich kaum beruhigen konnte. Dass Vilkas sie so brüsk verlassen hatte verunsicherte sie obendrein noch. Hilflos sah sie ihm nach. Kaum, dass so etwas wie Nähe zwischen ihnen aufkam, blockte er sofort ab. Er hatte etwas an sich, das sie faszinierte und wie magisch anzog. So etwas hatte sie noch nie bei einem Mann empfunden. Es beunruhigte sie und brachte sie gleichzeitig zum Vibrieren. Dazu kam dieses Gefühl der Geborgenheit, welches sie zuvor nur bei ihrem Vater in dieser Tiefe gespürt hatte. Nicht einmal Heimkar, als er noch normal war, konnte ihr diese Sicherheit

geben, obwohl er früher alles dafür getan hatte. Und jetzt lag sein Körper mit aufgeschlitzter Kehle im Raum nebenan. Die Erinnerung an ihn ließ das Mädchen nochmals die Grausamkeit und Unerbittlichkeit der Vampire verspüren. Als Vilkas sie mit Heimkars Leiche alleine gelassen hatte, war sie so schnell sie konnte aus der Kammer geeilt. Sie brachte es nicht fertig den Toten anzusehen. Dabei hatte Vilkas ihn nicht einmal so zugerichtet wie die Banditen im Lager. Hana spürte wie Tränen über ihre Wangen glitten. Heimkar war ein guter Mann gewesen, bevor er diesen Vampiren zum Opfer gefallen war. Sie konnte ihn nicht hassen, nicht einmal

jetzt, nachdem er ihr Gewalt angetan hatte und es auch durchgezogen hätte, wenn Vilkas nicht dazwischen gefahren wäre. Das war nicht mehr Heimkar gewesen. Für sie war ihr Mann damals gestorben, als er zum Vampir wurde. Hana schauerte. Sie wagte vor Furcht kaum einen Schritt vor den anderen zu setzen. Doch sie musste Vilkas nachgehen und die starken Heiltränke zu Farkas bringen. Der große Mann brauchte jetzt ihre Hilfe. Und alles war besser, als alleine in diesem Raum zu bleiben, in dem immer noch die bösartige Kälte dieses Ur-Vampirs zu hängen schien. Hana gab sich einen Ruck und stieß sich vom Alchemie-Tisch ab. Das Gehen

bereitete ihr stechende Schmerzen im Unterleib, doch sie versuchte dennoch so schnell wie möglich in den Raum zu gelangen, in dem die Zwillinge angekettet gewesen waren. Sie wusste, dass in einem der Regale dort ein starker Heiltrank stand. Als sie sich vorhin umgesehen hatte, war ihr die Flasche sofort aufgefallen. Mit diesem Ziel vor Augen strebte sie so gut sie konnte in die große Höhle hinein. Als sie dabei beinahe über die Leiche des glatzköpfigen Mannes stolperte, der vor den silbernen Halterungen lag, entfuhr ihr ein Schreckensruf. Der Mann tat ihr zwar nicht leid, dazu hatte er, wie alle anderen der Banditen, keine Gelegenheit

gescheut sie zu schlagen oder sogar zu treten. Dass sie von den Männern nicht auch noch vergewaltigt wurde, lag wohl nur an deren Furcht vor diesem Ur-Vampir, der das ungeborene Kind unbedingt unbeschadet bekommen wollte. Doch sonst nahmen sie keinerlei Rücksicht auf sie. Bei ihrem ersten Fluchtversuch war es sogar dieser Glatzkopf gewesen, der sie fand und an den Haaren wieder zurück geschleift hatte. Die Peitschenhiebe, die sie dafür über den nackten Rücken gezogen bekam, quittierte er wie alle anderen nur mit höhnischem Gelächter. Er war ein eiskalter, verrohter Kerl gewesen. Doch die unnatürliche Haltung

des Kopfes, wie er beinahe komplett auf den Rücken gedreht war und sie nun mit gebrochenen Augen anstarrte, ließ sie vor Grauen den Blick abwenden. Es sah aus, als würde er sie noch im Tod dafür anklagen, dass sie geflohen war und sich nicht gefügt hatte, wie sie es hätte tun sollen. Zum Glück stand der Heiltrank auf der anderen Seite des Raumes. Sie musste somit nicht über die Leiche steigen um zu ihm zu gelangen. So schnell sie es zusammenbrachte holte sie die Flasche und quälte sich mehr schlecht als recht weiter, um Farkas das benötigte Getränk zu bringen. Unbeweglich lag Farkas mitten unter den

Toten. Auch er hatte wieder seine normale Gestalt angenommen, konnte sich aber scheinbar nicht mehr alleine aufrichten. Seine Wunden waren zu tief. In Vilkas krampfte sich alles zusammen. Diese Monster hatten ganze Arbeit geleistet. Sie waren mächtig. Ungeheuer mächtig. Und der silberne Hals-Ring hatte den Wolf in Farkas doch zu sehr geschwächt. Als Farkas seinen Bruder auf sich zueilen sah streckte er seinen Arm nach ihm aus. „Aela!“, rief er in Agonie, als wäre ihre Kameradin hier. „Ich bin es!“, brummte Vilkas und kniete sich zu ihm, während er Farkas den Heiltrank an die Lippen hielt. Dessen

ganze linke Seite sah durch den Eiszauber wie verbrannt aus. Das Fleisch hing ihm stellenweise in Fetzen herab und aus den tiefen Wunden an Brust und Seite, rann das Blut ungehindert aus ihm heraus. Gehorsam schluckte Farkas und die Wunden hörten langsam auf zu bluten. Da kam bereits Hana hereingehumpelt. Sie ging gekrümmt, als hätte sie starke Schmerzen. In Vilkas zog sich alles zusammen, als er das sah, doch er konnte sich nur um einen nach dem anderen kümmern. Kurz stockte das Mädchen vor Grauen, als es die Leichen und Farkas Zustand sah. Vilkas glaubte auch ein Würgen an ihr wahrgenommen zu haben, aber tapfer

schluckte sie ihr Entsetzen herunter und kam auf ihn zu. „Hier!“, rief sie und reichte Vilkas ein kleines Fläschchen mit einem hochprozentigen Heiltrank. „Gib Farkas von diesem hier!“ Vilkas tat wie geheißen. Der Trank war wirklich ein kleines Wunder. Farkas Wunden begannen sich zu schließen, selbst die Fleischfetzen an seinem Arm und seiner linken Seite fielen von ihm ab und eine neue Haut bildete sich langsam über dem rohen Fleisch. Es heilte nicht alles zu, aber Farkas war außer Gefahr und konnte sich aufsetzen. „Danke“, murmelte er und stülpte sich die Kutte über, die Vilkas ihm hinhielt. Es bereitete ihm sichtlich Mühe, doch er

schaffte es. „Ihr seht nicht gerade wie Sieger aus!“ Eine Stimme, wie aus dem Höllenschlund persönlich, hallte durch die Höhle. „Wozu habe ich euch nur diese Macht gegeben?“ Hana zuckte mit einem Schrei zusammen und taumelte ein paar Schritte rückwärts, als plötzlich die halbnackte, große – nur in ein grobes Fell gehüllte – Männergestalt mit einem Hirschkopf und einem riesigen Geweih, neben den Zwillingen auftauchte. „Verschwinde Hircine!“, brüllte Vilkas und sprang alarmiert auf. „Hmm“, überlegte der Daedra-Fürst und sah sich um. „Es stimmt also. Molag Bal hat nicht übertrieben. Seine Brut will

sich tatsächlich in meinem Territorium ausbreiten.“ Wütend sah er die Zwillinge an. „Wie konnte das nur geschehen? Wie konntet ihr Molag Bals kranke Kreaturen nur in Himmelsrand eindringen lassen?“ Plötzlich dehnte sich seine Gestalt aus und er wurde mindestens um zwei Köpfe größer. „Wahrscheinlich nur, weil ihr – meine eigenen Schöpfungen – euch gegen mich gestellt habt!“ Die letzten Worte sprach er laut und dröhnend. „Ich sagte bereits: VERSCHWINDE!“, rief Vilkas drohend. „Noch bekommst du uns nicht!“ Hircines Gestalt schrumpfte wieder zu normaler Größe, die immer noch beachtlich war. Ungeduldig schlug er

seinen Langbogen gegen seinen nackten Oberschenkel. „Und wenn ich euch gar nicht mehr so schnell in meinen Jagdgründen haben will?“ Seine Stimme klang beinahe angeekelt. „Ihr seid alles, was von meiner Meute in dieser Welt noch übrig ist. Vilkas sah ihn misstrauisch an. „Was soll das heißen?“ Der Fürst der Jagd verzog sein Hirschgesicht. „Ihr seid die letzten Werwölfe in Himmelsrand, die Einzigen, die gegen Vampire etwas ausrichten können. Vielleicht nehme ich euch unter bestimmten Umständen wieder in meinen Gnaden auf. Wie auch immer. Ihr wisst, wo ihr mich finden könnt“, schloss er.

Und genauso schnell wie er aufgetaucht war, verschwand er auch wieder. Allein eine Art Lüftchen, das von Wald und frischem Wind erfüllt zu sein schien, schwebte noch kurze Zeit in der Höhle, bis auch dieses sich verflüchtigte. „Was wollte dieser Höllenhund von uns?“, fragte Farkas. „Keine Ahnung. Vergiss ihn“, blaffte Vilkas. „Wir haben im Moment andere Probleme. Ich werde erst über ihn nachdenken, wenn ich wieder die Zeit dazu habe.“ „Wie du meinst“, sprach Farkas versöhnlich. Er hatte im Moment sowieso keine Kraft mehr sich mit irgendetwas anderem außer ihrer bloßen Existenz zu

beschäftigen. Das einfache Überleben war im Moment das Dringlichste. „Hast du die anderen erwischt?“, fragte er seinen Bruder. „Heimkar? Ja. Movarth? Nein.“ Vilkas durchsuchte inzwischen die Leichen der Vampire. „Du hast dieses Monster entkommen lassen?“ Farkas Stimme überschlug sich beinahe. „Wie war das möglich?“ Mühsam stemmte er sich hoch. Dann gab er einer der Leichen einen Fußtritt, der den verrenkten Kopf endgültig abreißen und über den Boden kullern ließ. Hana schrie auf als der abgerissene Vampirkopf über ihre Füße rollte. Voller Grauen versuchte sie ihn abzuschütteln

und wäre unweigerlich gestolpert, wenn Vilkas nicht geistesgegenwärtig zu ihr gesprungen und sie aufgefangen hätte. „Er wollte Hana und das Kind mitnehmen“, erklärte er. „Ich konnte nicht mehr von ihrer Seite weichen. Hätte ich es getan, hätte er sie mit seiner Teleportmagie in seine Gewalt bringen können. Und er war zu klug um mir nahe zu kommen.“ „Es ist also noch nicht vorbei“, murmelte Farkas. Vilkas schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. Dann wandte er sich an das Mädchen, das er immer noch stützte. Sie war bleich vor Angst, aber dennoch gefasst. „Gibt es noch mehr Heiltränke?“, fragte er sie.

„Du brauchst auch unbedingt einen. Dein Mann hat dich verletzt, nicht wahr?“ Hana blickte ihn an und nickte. „Ja“, sagte sie verlegen. Es war ihr sichtlich unangenehm. „Aber es gibt keine Heiltränke mehr. Und auch nicht alle Zutaten um weitere zu brauen. Es… es muss so heilen.“ Vilkas führte sie zu einem Sessel und ließ sie dann los. „Verdammt!“, fluchte er. Dann ging er wieder zu den Leichen und begann in ihrer Kleidung herum zu kramen. Außer zwei Säcken mit Goldstücken, war nichts zu finden. Einen steckte er ein, den anderen warf er Farkas zu. „Außer dem hier, haben sie nichts Brauchbares eingesteckt.“

Aufmerksam sah er sich um. Doch es gab nichts, was sie sonst noch verwenden könnten. Als sein Blick auf den Tisch mit den Flaschen fiel, in denen einen dunkle Flüssigkeit, die ganz nach Blut aussah, war, murmelte er: „Ich glaube auch, dass der Blutsauger das kleine Gefäß mit Varis Blut mitgenommen hat. Und Alva. Ich sah ihre Leiche nicht mehr.“ „Was sollte er denn mit einer Leiche anfangen wollen?“, fragte Farkas. „Das sind Vampire. Die können ihre Toten wieder erwecken. Ähnlich wie die Abgeschworenen. Außer, man reißt ihnen das Herz heraus oder köpft sie.“ Vilkas erstarrte. Dann rannte er zurück bis in

den Raum, in dem er Hana von der Gewalt Heimkars gerettet hatte. Der Raum war leer. „Verdammte Vampirbrut!“, schrie er aufgebracht. Er hätte Heimkar wenigstens das Herz herausreißen sollen, wenn er ihm schon nicht den Kopf abhacken konnte! Movarth hatte also auch ihn mitgenommen. Mit langen Schritten strebte er aus dem Zimmer und ließ sich an dem großen Tisch in einen Sessel fallen und stützte den Kopf in seine Hände. Farkas und Hana kamen nur kurze Zeit später und setzten sich zu ihm. Beiden ging es schlecht, doch keiner von ihnen hätte auch nur ein Sterbenswörtchen erwähnt.

Vilkas konnte Hana kaum in die Augen sehen. „Heimkar ist ebenfalls verschwunden“, gestand er dann. „Es würde mich nicht wundern, wenn wir ihm noch einmal begegnen werden. Tut mir leid.“ Hana legte ihre Hand auf seinen Arm. Es sollte wohl eine beschwichtigende Gebärde sein, doch das Zittern, von dem diese Geste begleitet wurde, sprach etwas ganz anderes. Sie hatte Angst. Als er ihr in die aufgerissenen Augen blickte, sah er den Horror in ihnen, den die Befürchtung über eine neue Begegnung mit Heimkar oder dem Meister-Vampir, in ihr auslösten. Vilkas stand auf und holte ein Tuch, das er in

einen Krug Wasser tauchte, der auf dem Tisch stand. Es war eine hilflose Geste, doch er versuchte ein wenig Hanas blutverkrustetes Gesicht zu reinigen. Ihr Haar, das in leichten Wellen um sie fiel, strich er dabei zurück. Farkas saß da und lächelte wissend. Das machte Vilkas rasend. Doch im Moment war es wichtig, dem Mädchen etwas die Angst zu nehmen. Mochte Farkas denken was er wollte! „Wir müssen überlegen, wie es jetzt weiter geht“, sagte er dabei. „Ich möchte keine Sekunde länger hier bleiben als unbedingt nötig ist.“ Hana hielt die Augen geschlossen und ließ Vilkas gewähren. Kurz zuckte sie

zusammen, als er an ihrer Platzwunde ankam. Dabei wiegte sie unentwegt das Baby, das jedoch völlig friedlich schlummerte. Aber ihr selbst tat dieses Wippen gut. Und natürlich Vilkas Fürsorge. Am liebsten hätte sie sich noch mehr in seine Berührung hineingelehnt. Es war so verwunderlich. Sie hatte gesehen mit welcher Kraft und Wildheit er kämpfte. Dass seine rauen Hände dabei aber auch so sanft sein konnten, war kaum zu glauben, obwohl sie es im Geheimen gehofft hatte. „Ich werde Aela suchen gehen!“, sagte Farkas plötzlich bestimmt. „Jetzt, wo ich endlich weiß wo ihre Überreste sind, gehe ich nicht fort, bevor ich sie nicht

gefunden habe. Das ist das Mindeste was ich ihr schuldig bin.“ Hart mahlten seine Kiefer aufeinander. Hana spürte, wie sehr Farkas das zusetzte, auch wenn sie nicht ganz folgen konnte, was es mit ihr auf sich hatte. Vilkas nickte. „Ich würde dir gerne helfen. Aber ich glaube, wir werden nach Einsamkeit müssen. Diese Stadt liegt neben Morthal den Sümpfen am nächsten und hat auch einen Tempel.“ Hana öffnete leicht die Augen und sah in zwei helle, graue Pupillen, die besorgt auf sie blickten. Als Vilkas ihren Blick bemerkte, wandte er sich schnell wieder ab. „Warum nach Einsamkeit?“, fragte

Farkas übel gelaunt. „Wir müssen endlich zurück nach Jorrvaskr. In Weißlauf gibt es sogar zwei Tempel. Dort können wir Aelas Überresten auch die nötige Ehre erweisen und heilen können wir dort alle. Du brauchst ebenfalls Ruhe. Deine Wangen sind eingefallen und beinahe schon weiß. Dieser Vampir hat dir kaum genügend Blut übrig gelassen um überhaupt gerade gehen zu können. Weiß Sheogorath allein, wieso du immer noch stehen kannst!“ Vilkas ignorierte Farkas Litanei. Er brauchte seinen Bruder nicht dazu um zu wissen, wie es um ihn stand. Stattdessen führte er seinen Gedankengang weiter aus: „Weil wir Varis dort im Tempel der

Neun vielleicht noch heilen können. Weißlauf ist dazu zu weit entfernt.“ „WAAAS?“, riefen Hana und Farkas gleichzeitig. „Du… du meinst, es könnte noch eine Heilung für ihn geben?“, fuhr Hana stockend fort. Vilkas nickte. „Soviel ich weiß, dauert es ungefähr drei Tage vom Beginn der Ansteckung bis zum völligen Ausbruch des Vampirismus. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste es mitten in der Nacht sein. Das heißt, Varis wird morgen erst drei Tage alt. Bis nach Einsamkeit könnten wir es schaffen.“ „Glaubst du ernsthaft, dass er infiziert ist?“, fragte

Farkas. „Warum sonst hätte Movarth alles daran gesetzt Hana und ihn in seine Gewalt zu bringen.“ Aus den Augenwinkeln sah er, dass Hana schützend ihre Hände um ihren Körper schlang, der wieder zu zittern anfing. „Außerdem hat sie Heimkar blutig gebissen. Sie ist auf jeden Fall infiziert.“ Das Mädchen wurde schneeweiß. Aber tapfer hielt sie sich aufrecht. „Worauf wartest du dann?“, polterte Farkas los. „Ich schätze wir sind mitten in den Sümpfen und Pferde werden die hier auch nicht haben. Also bleibt euch nicht viel Zeit! Ich kann nicht helfen. Meine Wunden sind allein schon auf dem

Weg hierher wieder aufgeplatzt.“ „Ich weiß!“, herrschte Vilkas ihn an. „Wir haben nicht mehr allzu viele Möglichkeiten. Dennoch müssen wir es versuchen!“ „Hat… hat sich Varis nicht schon infiziert, als er bereits gezeugt wurde?“, fragte Hana nach. Vilkas zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wir dürfen nichts unversucht lassen. Irgendwo habe ich einmal gehört, dass Kinder, bis zu ihrer Geburt, noch völlig eins sind mit der Mutter.“ „Dann bitte!“, flehte Hana. Der große Nord-Krieger sah sie durchdringend an. „Ohne Pferde kann nur

der Werwolf rechtzeitig nach Einsamkeit kommen.“ Das Mädchen erbleichte. „Hast du Angst davor?“, fragte Vilkas nach. Ein Schauer fuhr durch Hana. Dann richtete sie sich auf und obwohl sie immer noch weiß um ihre Nasenspitze herum war, blickte sie ihn fest an. „Ja“, sagte sie. „Aber noch mehr Angst habe ich davor ein Vampir zu werden. Oder mein Kind seinem Schicksal zu überlassen.“ „Dann lass uns keine Zeit mehr verlieren.“ Vilkas sprang auf und sah noch einmal zu Farkas. „Du kommst zurecht, Kleiner?“ „Verdammt!“, schimpfte Farkas. „Wenn

du mich nicht immer so nennen würdest, wäre es wesentlich leichter! Jetzt haut schon ab. Wir sehen uns in Jorrvaskr.“ Damit stand Farkas auf und humpelte auf eine der Türen zu. „Aela nehme ich mit.“ „Pass auf dich auf!“, murmelte Vilkas. Er vertraute seinem Bruder wie keinem anderen. Dennoch ließ er ihn nur ungern verletzt zurück. Er ließ ihn überhaupt nur ungern zurück – verletzt oder nicht verletzt. Einmal in seinem Leben hatte er seinen Bruder alleine gelassen. Diesen Fehler bereute er zutiefst und er hatte sich geschworen, dass er das nie wieder tun würde. Nur damals war Farkas dagegen gewesen. Jetzt war es anders. Doch Vilkas hatte sich selbst noch nicht

verziehen. Und solange würde er seinem Bruder wohl auf die Nerven gehen. „Und vergiss nicht auch den Hals-Ring zu entfernen. Der Schlüssel liegt bei den Ketten.“ „Ja, ja… Mama…“, blaffte Farkas. Dann verschwand er hinter einer der Türen. Vilkas sah das Mädchen an. Sie war inzwischen aufgestanden und hielt sich ein wenig gekrümmt aufrecht. „Du hast Schmerzen. Komm.“ Er ging zu ihr und stützte sie. Langsam strebten sie auf diese Weise zum Ausgang des Unterschlupfs. Vilkas hoffte, dass sie in den anderen Gängen und Räumen vielleicht noch etwas Nützliches finden könnten. Vielleicht auch ihre Rüstungen

und Waffen. Doch außer unzähligen, mit Blut gefüllten Gefäßen, war nichts zu sehen. Erst nahe dem Ausgang fand Vilkas die Überreste ihres Gewandes und ihrer Rüstungen. Die Vampire hatten ihre Sachen einfach in eine alte Feuerstelle geworfen und angezündet. Der blanke Stahl war das Einzige was davon noch rußgeschwärzt hervor sah. Es war völlig unbrauchbar geworden. „Sieh nur!“, meinte Hana und deutete auf eine dunkle Ecke in der eine Kiste und ein Sack Mehl stand. Als Vilkas genauer hinsah, erkannte er den Goldbeutel, den sie von Rorik als Lohn bekommen hatten. Zumindest das konnten sie noch mitnehmen. Vilkas hätte gerne noch

irgendeine brauchbare Waffe gefunden, doch der Dolch, den er vorhin schon an sich genommen hatte, war alles, was er auftreiben konnte. Als sie endlich die Vampir-Höhlen verließen, war es tatsächlich noch tiefe Nacht. Hana keuchte vor Schmerzen und Vilkas spürte, dass ihr Kleid nass wurde und Blutgeruch stieg zu ihm auf. Wild fluchte er, doch das würde auch nichts nutzen. Sie mussten einfach rechtzeitig nach Einsamkeit. „Bist du bereit?“, fragte er das Mädchen. Ernst nickte sie und legte einen Arm schützend um ihr Kind. Vilkas verlor keine Zeit mehr. Er verwandelte sich und nahm sie mit seinen Pranken hoch. Hana

schluchzte furchtsam auf, krallte sich aber mit ihrer freien Hand in sein Fell. Dann ging es los. Da er sie trug, würde er nicht auf allen vieren vorwärts hechten können. Das machte sie zwar langsamer, aber immer noch schnell genug um vor dem Morgengrauen nach Einsamkeit zu kommen. Mit seinen kräftigen Hinterläufen sprang Vilkas auch querfeldein und verkürzte so rasch die Entfernung. Nach einiger Zeit fing der Kleine zu greinen an, aber im Moment konnten sie nicht stehen bleiben um ihn zu füttern. Hana hatte ihren krampfhaften Griff aufgegeben, hielt sich aber immer noch fest. Seine Nachtsicht machte es Vilkas leicht

den Weg zu finden – auch mitten durch die Wildnis. Mit der Zeit spürte er aber, wie seine Läufe immer tauber und sein Atem immer gehetzter wurde. Auch der Schwindel nahm zu. Der Blutverlust, die Kämpfe, das alles forderte seinen Tribut. Verzweifelt blickte Vilkas durch die Nacht. Die Silhouette von Einsamkeit schälte sich langsam gegen die beginnende Dämmerung ab. Es war nicht mehr weit! Sein Schwindel ließ ihn kaum mehr den Weg richtig sehen. Einmal stolperte er so jäh, dass er sich gerade noch fangen konnte. Dieser Zwischenfall kostete ihn weitere Kraft, welche er ohnehin kaum mehr zur Verfügung hatte. Es wurde nicht nur für

Hana ein Höllentrip, sondern auch für ihn. Bei einem großen Baum musste Vilkas stehen bleiben. Er wäre sonst zusammengebrochen. Hechelnd lehnte er an der trockenen Borke. Noch war es dunkel, aber das beginnende Licht des Tages kroch immer deutlicher zwischen die Bäume. Lange würde er nicht mehr als Werwolf laufen können. Als Mensch würde er sowieso keinen Schritt mehr machen können. Er war nur mehr einen Hauch von der totalen Erschöpfung entfernt. „Vilkas?“, fragte ihn Hanas Stimme besorgt direkt aus seinem Brustfell heraus. „Das letzte Stück werde ich gehen können. Lass mich herunter,

bitte!“ Verbissen schüttelte er den Kopf. Er roch immer noch ihr Blut. Ihre Verletzungen waren wohl schlimmer als gedacht. Mit letzter Kraft stemmte er sich vom Baumstamm ab und taumelte weiter. Das Gewicht ihres Körpers, das unter normalen Umständen für ihn kaum der Rede wert gewesen wäre, hing sich wie ein Mammut in seine Arme. Sie schmerzten unerträglich, genau wie seine Beine, die ihn kaum mehr aufrecht halten konnten. Von seinem Kopf ganz zu schweigen. Das dröhnende Pochen, das mit jedem Schritt zunahm, ließ ihn beinahe wahnsinnig werden. Dazu kam das Gefühl, als würde der Boden unter

ihm nachgeben, nicht mehr fest genug sein, um ihn und seine kostbare Fracht, zu tragen. Sein Bewusstsein wurde immer trüber und er dankte den Göttern, dass Hircine im Moment wohl anderweitig beschäftigt war. In diesem Augenblick hätte Vilkas ihm nichts mehr entgegen zu setzen gehabt. Krampfhaft verstärkte er seinen Griff um Hana. Die Ställe von Einsamkeit kamen näher. Der Geruch der Pferde zog sich wie der verheißungsvollste Duft des Paradieses in seine Schnauze. Da seine Sicht immer schlechter wurde und teilweise sogar totaler Schwärze wich, konnte sich Vilkas fast nur mehr ausschließlich nach seinem Geruchs- und

Gehörsinn orientieren. Bei einem weiteren breiten Baumstamm hielt er erneut an. Seine Schwäche drohte ihm nun endgültig die Besinnung zu rauben. „Wie ich es immer sagte! Ihr taugt nichts!“ Die Stimme seines Vaters riss Vilkas aus seiner Benebelung. Er begann also schon zu halluzinieren! Er musste so schnell wie möglich die Form wechseln, sonst würde ein ausgewachsener Werwolf ohnmächtig im Licht der aufgehenden Sonne vor den Toren von Einsamkeit liegen! Mühsam öffnete Vilkas seine Augen. Doch er sah nichts mehr. Auch seine anderen Sinne ließen nach. Er hörte zwar noch das Hana etwas zu ihm sagte, oder

schrie sie sogar? Er konnte es nicht mehr unterscheiden. Mit der allerletzten Kraft versuchte er das Mädchen auf ihre Beine zu stellen und sich zurück zu verwandeln. Ob ihm das gelang, wusste er nicht mehr. Sein Vater, der ihn höhnisch in seiner Schwäche auslachte war alles, was ihn in seine todesähnliche Erschöpfung hinüber führte.

08 farkas erinnerungen

Die Luft wurde immer stickiger und trockener. Farkas hatte dank seiner feinen Nase die richtige Tür erwischt. Dahinter befand sich ein Gang, der unentwegt abwärts führte und schließlich in einem Raum endete, in dem unzählige Leichen aufgestapelt waren. Er hielt sich seine schmerzende Seite, aus der wieder etwas Blut sickerte, dennoch strebte er weiter vorwärts. Nur ein minimaler Verwesungsgeruch hing in der Luft, was wohl an dem trockenen Raum lag, an dessen Wänden, Boden und Decke, Salzkristalle

glitzerten. Auch auf der Haut und dem Gewand der Toten glitzerte das Salz. Zumindest auf denen, die wohl schon länger hier lagen. Sie wurden durch die natürlichen Gegebenheiten dieser Höhle sofort mumifiziert. Mit einem erstickten Laut lief Farkas in den hinteren Teil dieser Kammer. Es war beinahe ein Jahr her, seit Aela verschwunden war. Wenn, dann würde er sie wohl unter den älteren Leichen finden. Wie unbarmherzige Aldmeri-Elfen stiegen die Erinnerungen in Farkas auf. Die Freude, das Leid, das Entsetzen, der Tod – das alles lag vor einem Jahr so dicht bei einander. Die Ereignisse

schienen sich zu überstürzen und nichts, keine Macht der Welt, hätte sie aufhalten können, so unbarmherzig sie auch über sie hereingebrochen waren. Das ganze Land ächzte unter dem Bürgerkrieg, den Ulfric in einer letzten, alles entscheidenden Schlacht schließlich für sich gewinnen konnte. Die Krieger der Gefährten waren bei den Auseinandersetzungen neutral geblieben. Dennoch spürten sie die Auswirkungen des Leides, das die Bevölkerung erdulden musste. Sie hatten mehr denn je zu tun, um in dem aufgerüttelten Land die brandschatzenden und plündernden Söldner beider Seiten so gut es ging in Schach zu halten. Vielleicht waren sie

dabei unvorsichtig geworden. Jedenfalls begannen zu der Zeit auch die Verfolgungen der silbernen Hand – der Organisation, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle an Lykanthropie Erkrankten, aufzuspüren und zu ermorden. Was immer der Grund war, der sie zum Ziel dieser Leute gemacht hatte, war nicht mehr nachzuvollziehen. Der Bürgerkrieg war zu Ende, dafür aber sahen sie sich den selbsternannten Werwolf-Jägern gegenüber, die keinen Unterschied gelten ließen. Auch nicht den Umstand, dass die Gefährten das Biest beherrschten und es zum Wohle der Leute einsetzten. Der Erste, der dieser

Organisation zum Opfer fiel war Skjor. Ihr weiser Lehrmeister. Für die Zwillinge starb damit der Mann, der ihnen mehr Vater war, als es der ihre jemals zu sein versuchte. Vilkas rastete damals völlig aus. Wenn jemand ihres Wolfs-Rudels – oder Zirkels, wie sie auch noch dazu sagten – starb, gab ihr Wolfsgeist einen plötzlichen Verlustschmerz kund. Das war so heftig, dass jeder sofort Bescheid wusste, dass der Tod sich einen von ihnen wieder geholt hatte. Da außer Skjor alle in Jorrvaskr anwesend waren, wussten sie sofort, um wen es sich bei dem Toten ihres Rudels handelte. Sogleich nahmen die Zwillinge seine Spur auf und konnten

Skjor dank ihres Geruchsinns in einem Lager der ‚silbernen Hand‘ entdecken. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Sein auf übelste Weise zugerichteter Leichnam hing gefesselt in den Silberketten, als sie ihn fanden. Er war von den Mitgliedern dieser Organisation langsam zu Tode gequält worden. Farkas dankte den Göttern, dass es Aela durch die Schwangerschaft so schlecht ging, dass sie in Jorrvaskr geblieben war. Ihm drehte sich der Magen um, als er den geschundenen Körper seines Mentors sah. Doch bevor er noch reagieren konnte, hatte Vilkas den ersten Mann, der ihm vor seinen Zweihänder lief, mit Brachialgewalt in zwei Hälften geteilt.

Einfach so. Sein Racheschrei dröhnte durch das Lager, bis er in schauriges Heulen überging – denn den Rest der Gruppe erledigte er als Werwolf. Er vernichtete beinahe im Alleingang das gesamte Lager. Es wurde ein Blutbad. Das, was von den Leichen übrig geblieben war, ließen sie für die wilden Tiere liegen. Nur Skjor nahmen sie mit. Behutsam eingehüllt in seinen alten Mantel, den sie zu diesem Zweck gleich mitgenommen hatten. Noch immer wütend, stürmte Vilkas nach dem Kampf durch die großen Doppeltüren Jorrvaskrs und knallte seinen Zweihänder auf den Tisch in der Met-Halle. Klirrend wurde das Geschirr

samt Inhalt auf den Boden gefegt. Kodlak, ihr Herold zog erstaunt seine Augenbrauen hoch, dann hob er die Waffe vom Tisch und reichte sie dem aufgebrachten jungen Mann. „Du solltest sie wenigstens reinigen“, meinte er ruhig. „Das Blut unserer Feinde auf unserem Tisch bringt Unglück.“ „Die bringen niemandem mehr Unglück! Wir haben sie gerichtet!“ „Ist dir jetzt leichter?“, fragte Kodlak. „Ja!“, rief Vilkas wild und funkelte ihn an. „Ich hätte auf Skjors Totenfeier nicht lachen können, wenn noch einer von ihnen gelebt hätte!“ Rasch ging er zu seinem Waffenständer und nahm die danebenliegenden Tücher zu Hand um

sein Tötungswerkzeug vom Blut der Gefallenen zu reinigen. Farkas, der nur ein wenig später die Halle betreten hatte, tat es ihm nach. Er hatte zuvor noch Skjors Leichnam, in der Ritualkammer des Zirkels, aufgebahrt. „Dann ist es ja gut“, antwortete Kodlak dem immer noch aufgebrachten Krieger und setzte sich wieder. Der alte Mann kannte Vilkas hitziges Gemüt, dem man nur mit Ruhe begegnen konnte. Alles andere hieße nur Öl auf das Feuer zu gießen. Auch wenn sich der schwierige, junge Mann bereits sehr gebessert hatte, waren in ihm immer noch Hass, Schuldgefühle und übertriebenes Verantwortungsgefühl da,

das ihn oft viel heftiger reagieren ließ, als es angebracht wäre. Doch Kodlak wäre nicht so alt geworden, wenn er die Leute um sich nicht so gut einschätzen hätte können. Er wusste immer, welches Juwel in den Zwillingen schlummerte. In jedem von ihnen. Der eine loyal, besonnen und stoisch, der andere scharfsinnig, direkt und beharrlich. Nicht umsonst war er mit Skjor einer Meinung gewesen, Vilkas, trotz seiner kurzen Assassinen-Laufbahn, in ihren Reihen wieder aufzunehmen. Die Leidenschaften, die in ihm brannten und alles, was er bereits durchgemacht hatte, waren wie die Esse und der Hammer, die besonders guten Stahl hervorbrachten,

wenn dieses wertvolle Rohmaterial bereit dazu war, sich auch unter widrigsten Umständen schmieden zu lassen. Außerdem hatte er seinen Bruder an seiner Seite, den er als einzigen Menschen an sich heran ließ. Nicht einmal die Annäherungen der hübschen Aela, welche beide Brüder eine Zeit lang spielerisch umgarnte, konnte Vilkas Eispanzer zum Schmelzen bringen. Stattdessen hatte sie sich dann ganz Farkas zugewandt, der die junge Frau mit beiden Armen auffing. Trotz der widrigen Umstände musste Kodlak lächeln, als er sah, wie das rothaarige Mädchen soeben aus den Unterkünften hochgelaufen kam und sich an Farkas

Brust warf. Das Entsetzen über Skjors Tod und die Dankbarkeit ihren Mann nach diesem Racheakt wieder wohlbehalten hier zu haben, konnte man in ihrem Gesicht ablesen, wie in einem offenen Buch. Kodlak war sich sicher: für die junge Frau war der Ruhigere der Zwillinge, eindeutig die bessere Wahl. Sie selbst war feurig genug. Da tat ihr Farkas Besonnenheit gut. Vilkas stete Unrast und Unzufriedenheit hätten sie früher oder später zermürbt. Zumindest war die Liebe der beiden und das freudige Ereignis, dem sie entgegen sahen, ein Lichtblick in der momentan schweren Zeit, die durch Skjors Tod nur noch düsterer wurde. Kodlak war

erfahren genug, um zu wissen, dass die Bedrohung durch die Werwolf-Jäger, mit der Vernichtung des einen Lagers, nicht aus der Welt geschafft war. Und er wusste auch, dass Vilkas klug genug war, das ebenfalls zu erkennen. Jedenfalls sobald er sich wieder beruhigt hatte. Das andere Problem war, dass Skjor sein Nachfolger hätte werden sollen. Ein erfahrener Herold, der die Gefährten in den schwierigen Zeiten gut zusammen halten hätte können. Kodlaks Lebenszeit war beinahe abgelaufen. Das konnte er spüren. Nicht nur durch die Bestie in ihm. Auch sein menschlicher Anteil war erfahren genug um zu wissen, dass es langsam dem Ende zuging. Der Einzige,

der Gefährten, der noch kundig genug war, war Athis, der Dunkelelf. Doch Kodlak wusste, dass außer Torvar und den Zwillingen, niemand einen Dunmer als Herold akzeptieren würde. Athis wusste das ebenso. Es war bereits eine Woche seit Skjors Feuerbestattung vergangen, als die beiden älteren Männer bei einem Gespräch in Kodlaks Räumen zusammen saßen. „Vilkas ist der Fähigste für deine Nachfolge, Kodlak“, hob Athis an. Er bestätigte damit nur Kodlaks eigene Gedanken zu diesem Thema. „Er ist noch sehr jung und hat eine ganze Reihe von inneren Dämonen, die ihn quälen. Aber

er ist wachsam und wird damit fertig werden. Du wirst sehen, alter Freund.“ Alte Freunde, ja, das waren sie. Obwohl der Elf nicht so aussah, hatte er dennoch mindestens dasselbe Alter wie Kodlak. Allein ihre Langlebigkeit ließ die Elfenrassigen oft jünger wirken, als sie in Wirklichkeit waren. „Außerdem ist er ein Werwolf und bis jetzt war immer noch ein Werwolf der Herold der Gefährten“, fügte der Dunkelelf noch an. „Warum weigerst du dich dann von unserem Blut zu trinken, um einer von uns zu werden?“ Kodlak meinte diese Worte nicht im Ernst. Er kannte Athis Beweggründe nur zu gut und wünschte

sich einmal mehr, dass er in seiner Jugend das Angebot, ein Mitglied des Rudels zu werden, ebenfalls abgelehnt hätte. Denn es gab keinen Zwang. Jeder konnte sich selbst für den Weg entscheiden ein einfacher Gefährte zu bleiben, oder in den Kreis des Zirkels aufgenommen zu werden. Und wie man sah, war Athis nicht der Einzige, der abgelehnt hatte. Torvar, ein blonder Nord mittleren Alters, hatte sich ebenfalls dagegen entschieden. Ebenso wie Njada Steinarm. Sie war in Torvars Alter, wirkte aber mehr wie ein Mann mit Brüsten, denn wie eine Frau. Während Torvar der Gedanke, dass er sich als Werwolf nicht mehr vollkommen

betrinken könnte, dermaßen abstieß, wollte Njada eine echte Nord bleiben. Ihr Weg würde sie direkt nach Sovngarde führen. Für nichts anderes lebte sie. Die übrigen Gefährten waren noch nicht lange genug dabei, um über den Zirkel aufgeklärt zu werden. Ria, eine junge Kaiserliche kam vor einem halben Jahr zu ihnen. Sie war geschickt im Umgang mit dem Schwert und verfügte auch über ein paar nützliche Wiederherstellungszauber. Dann war da noch Jon Kampfgeborener. Er kam zur selben Zeit wie Ria zu ihnen. Seine Kampfkraft war ein wahrer Gewinn für die Gefährten, doch seine offen zur Schau gestellte Konkurrenz zu Vilkas,

schaffte oft eine unangenehme Spannung in der Gemeinschaft. Thorald Grau-Mähne war erst vor zwei Wochen zu ihnen gestoßen. Er hatte im Bürgerkrieg an der Seite von Ulfric Sturmmantel gekämpft. Zurück in seiner Heimatstadt, schloss er sich den Gefährten an und begann sich gerade einzuleben. Kodlak seufzte. „Nimm es nicht so tragisch.“ Aufmunternd klopfte ihm Athis auf die Schulter. „Vilkas wird seine Sache gut machen. Wenn der sich einmal so richtig in etwas verbeißt, lässt er nicht locker.“ „Wer lässt nicht locker?“ Vilkas schroffe Stimme unterbrach Athis gutgemeinte Worte.

„Immer der, der fragt“, sagte der Elf kryptisch und eilte aus Kodlaks Gemächern. Kopfschüttelnd sah der junge Mann ihm nach, dann wandte er sich an seinen Herold. „Du wolltest mich sprechen, Kodlak?“ Der alte Mann bot ihm einen Stuhl an und setzte sich ebenfalls. Der große Nord-Krieger nahm ihm gegenüber in einer steifen Haltung Platz. Vilkas war klug, es würde nichts bringen, lange um den heißen Brei herum zu reden. „Es geht um meine Nachfolge“, begann Kodlak. Vilkas nickte, als hätte er sich das schon gedacht. „Ich würde es gerne

sehen, wenn du nach mir das Amt des Herolds übernehmen würdest.“ „Das habe ich mir auch schon überlegt“, warf Vilkas ohne falsche Bescheidenheit ihm gegenüber ein. Kodlak sah ihm tief in die Augen. Sie blickten ihn klar und ohne zu zucken fest an. Es war deutlich, dass sich dieser junge Mann seiner Fähigkeiten voll bewusst war und wohl auch seiner Schwächen. Das bestätigte er auch sogleich. „Farkas wäre zwar ruhiger und besonnener als ich“, fuhr Vilkas fort. „Doch er würde dieses Amt nicht übernehmen wollen. Schon gar nicht jetzt, wo die beiden ein Kind erwarten.

Und, ja, ich bin bereit dazu deine Nachfolge anzutreten. Wenn es soweit einmal sein sollte.“ Kodlak schnaubte kurz. „Du bist sehr direkt. Aber das warst du schon immer.“ Dann schob er ihm ein Glas Wein hin und lehnte sich zurück. „Entspann dich, trink. Es gibt noch ein Anliegen, das ich an dich habe.“ Vilkas tat ihm endlich den Gefallen. Er saß zwar in seiner vollen Rüstungsmontur vor ihm, wahrscheinlich würde er gleich danach zu einem Auftrag aufbrechen, dennoch rückte er den Stuhl heran, nahm sich den Wein und lehnte sich ebenfalls zurück. „Du kennst meinen Wunsch mich von

dem Fluch zu befreien“, fuhr Kodlak fort. Vilkas nickte und sah ihn weiter aufmerksam an. Dazu nahm er einen Schluck des roten, gegorenen Traubensaftes. „Die Fragmente von Wuuthrad haben wir bereits in unserem Besitz. Jetzt fehlt nur noch der Kopf einer Schluchtweiherhexe und wir können das Ritual in Ysgramors Grab ausführen.“ „Das wird kein Problem werden, Kodlak. Farkas und ich haben auch bereits den Unterschlupf der Hexen in Erfahrung bringen können. Wir werden nur den heutigen Auftrag erledigen, dann können wir aufbrechen.“ „Sehr gut!“ Kodlak spürte, wie ihm ein

Stein vom Herzen fiel. Er hatte in seiner Jugend nur zu gerne den Handel mit Hircine geschlossen, doch jetzt, im Alter, siegte sein Nordblut und er wollte alles daran setzten um nach seinem Ableben nach Sovngarde zu kommen, um mit allen anderen ehrbaren Nord in Shors Halle an der ewigen Tafel teil zu haben. „Habt ihr es euch auch schon überlegt?“, fragte er nach. „Ja.“ Vilkas nahm noch einen Schluck und stellte das leere Glas wieder auf den Tisch. „Wenn wir können, werden auch wir uns aus Hircines Pakt lösen. Wie du weißt, war es nie unsere Entscheidung. Jörgen hat uns sein Blut zu trinken gegeben, als wir gerade vierzehn Jahre

alt waren.“ Kodlaks Stirn runzelte sich streng. Der Vater der Zwillinge war ein Kämpfer gewesen, der seinesgleichen suchte. Doch er hatte sich zu viele Freiheiten heraus genommen. „Skjor hat es mir damals mitgeteilt“, knurrte er verstimmt. „Er sagte, Jörgen wollte euch damit zu Männern machen. Er hatte Sorge, dass ihr bei eurer Großmutter zu sehr verweichlicht wurdet. Aber damit hat er gegen den Kodex der Gefährten verstoßen. Hätten wir davon gewusst, wäre er zur Verantwortung gezogen worden. Leider starb er, bevor er sich seiner Schuld stellen konnte.“ „Ich weiß.“ Vilkas Ausdruck wurde hart

und abweisend. „Sprechen wir nicht mehr davon. Das ist Vergangenheit.“ „Wie du meinst, mein Sohn“, lenkte Kodlak ein und bot Vilkas noch einen Schluck Wein an, den dieser diesmal aber ablehnte. „Wir müssen jetzt los, Herold. Teile auch den anderen deine Entscheidung mit. Morgen brechen wir dann zu Ysgramors Grab auf.“ Damit erhob sich Vilkas geschmeidig und verließ Kodlaks Räumlichkeiten. Der alte Mann blickte ihm noch eine Weile nach, dann zog ein Lächeln über seine Züge und mit dem Gefühl, das Richtige getan zu haben, lehnte er sich entspannt zurück.

Farkas starrte sinnend in die Flammen, die sich an den aufgeschichteten Holzscheiten langsam aufwärts fraßen. Dieses Gespräch seines Bruders mit Kodlak war erst vor fünf Tagen gewesen. Heute dagegen standen sie vor dem glühenden Scheiterhaufen, in dem die sterblichen Überreste ihres Herolds, seiner letzten Bestimmung zugeführt wurden. Keine zwei Wochen war es her, seit sie Skjor dieselbe Ehre erwiesen hatten. Die Betroffenheit, die sie alle erfasste, hätte nicht schlimmer sein können. Niemand, nicht einmal Thorald, der erst so kurz bei ihnen war, konnte

sich dem entziehen. Außerdem war Farkas Bruder mit einem Schlag der neue Herold geworden. Und obwohl er davon wusste, traf ihn die Schnelligkeit, mit der die Ereignisse eintraten, völlig überraschend. Es war noch am gleichen Tag gewesen, als Vilkas ihm alles mitgeteilt hatte und sie auf dem Heimweg von ihrem Auftrag waren. Sie spürten es beide gleichzeitig. Dieses Ziehen in der Brust, das Aufheulen der Wolfsbestie in ihnen, das ihnen sagte, dass wieder einer ihres Wolfsrudels soeben von ihnen gegangen war. Farkas hatte das Gefühl, dass ihm das Herz stehen bleiben würde. Seine Angst, dass es Aela war, schnürte ihm

die Kehle zu. Ein Blick auf seinen Bruder genügte um zu sehen, dass Vilkas dieselben Befürchtungen hegte. Wie von Sinnen spornten sie ihre Pferde an, die letzten Kilometer bis nach Weißlauf in vollem Galopp durch zu preschen. Sie nahmen sich nicht einmal die Zeit die Pferde in die Ställe zu führen, sondern warfen dem Stallburschen ein paar Münzen zu. So rasch sie konnten liefen sie weiter nach Jorrvaskr, aber das Unglück war bereits geschehen. Kodlaks Leiche lag auf den Stufen, umringt von den sterbenden Überresten der drei Kämpfer der silbernen Hand. Aela saß verwundet und mit leerem Blick daneben. Von ihrem Schwert tropfte Blut, aber ihr

Beistand war scheinbar nicht ausreichend gewesen um Kodlak zu retten. Wenigstens sich selbst hatte sie verteidigen können. Farkas spürte Trauer und Erleichterung in einem Atemzug. Trauer um Kodlaks Tod und Erleichterung, dass es nicht auch Aela getroffen hatte. Ihre Verletzungen waren nicht schwer gewesen und dem Ungeborenen ging es weiterhin gut. Die andere Sache war Vilkas gewesen. Zum Glück kamen langsam auch ihre anderen Kameraden von ihren Aufträgen zurück. Mit vereinten Kräften konnten sie ihm Einhalt gebieten und zur Vernunft bringen. Die Met-Halle war danach

jedoch schwer reparaturbedürftig. Als sein Bruder wieder bei klarem Verstand war, setzte er sich in ein Eck mit sämtlichen Plänen und Aufzeichnungen, die sie von der Organisation der silbernen Hand bis dahin zusammengetragen hatten. Nach einer Stunde kam er wieder hervor und teilte ihnen seine Strategie mit, mit deren Hilfe sie innerhalb der nächsten drei Tage diese Organisation bis auf den letzten Mann auslöschen konnten. Vilkas war ein brillanter Denker, der nichts dem Zufall überließ. Sie teilten sich nach seinen Angaben auf, auch Aela ließ es sich diesmal absolut nicht nehmen mitzumachen, und griffen an allen Orten

gleichzeitig an. Sie hätten Kodlak nicht einäschern können, bevor sie die Wolfsjäger nicht vernichtet hätten. Das stillte zwar ihre Rachegelüste, machte aber Skjor und Kodlak auch nicht wieder lebendig. So waren sie innerhalb kürzester Zeit wieder dabei einen ihrer Kameraden, noch dazu ihren Herold, die letzte Ehre zu erweisen. Mit Aela in seinen Armen stand Farkas in einer Reihe mit den Gefährten und sah zu wie die Flammen an Kodlaks Totenhemd zerrten, bis sie immer höher schlugen und mit einem letzten Seufzer der verbrannte Holzstoß in sich zusammenfiel. Einzelne Flammenzungen und Glutnester waren

das Letzte, das noch vor sich hin schwelte. Wenn die Asche kalt genug war, würden sie Kodlaks Urne im Todestempel in die Reihe der anderen stellen. Wahrscheinlich direkt neben die von Skjor. Ein letztes Mal blickte sich Farkas um, dann zog er Aela, die immer noch leise schluchzte, mit sich und führte sie wieder in die Met-Halle, wo nun die Totenfeier beginnen würde. Am Abend kam sie dann in ihr gemeinsames Bett gekrochen und schmiegte sich eng an seine Brust. Der Duft ihres Haares strömte Farkas in die Nase und ihre festen Brüste drückten sich gegen seine Haut. Er umarmte sie und spendete ihr den Trost, den sie im

Moment brauchte. Dennoch konnte er nichts dagegen tun, dass ihre Wirkung auf ihn immer deutlicher spürbar wurde. „Du solltest nicht nackt zu mir ins Bett steigen!“, murrte Farkas. „Du kennst deine Wirkung, Schatz!“ Aela lachte glucksend. „Genau!“, wisperte sie und sah ihn mit einem Augenaufschlag an. Dann jedoch juchzte sie auf, als Farkas das Fell zur Seite warf und sich über sie drehte. Enthusiastisch schlang sie ihre Arme um ihn und zog ihn noch näher zu sich. „Ich brauch dich jetzt“, flüsterte sie ihm mit erregter Stimme ins Ohr. Das ließ sich Farkas nicht zweimal sagen. Ihre Leidenschaft hatte selbst

durch die Schwangerschaft nicht gelitten, auch wenn er versuchte immer vorsichtig zu sein. Zumindest solange, bis Aela ungeduldig zu zischen anfing und sich auffordernd gegen sein Becken drückte. Ihre Begeisterung und Lebenslust, die sich in jeder ihrer Bewegungen deutlich machte, brachte ihn schier um den Verstand. Schließlich drückte sie Farkas auf den Rücken und schob sich geschmeidig auf ihn. Tief ließ sie seinen erigierten Penis in sich eindringen. Aufreizend bewegte sie dabei ihre Hüften. „Du nimmst dich viel zu sehr zurück, seit ich schwanger bin!“, keuchte sie und richtete sich leicht auf um ihn in der Abwärtsbewegung erneut tief in sich

aufzunehmen. Farkas stöhnte auf. „Ich bin kein Zuckerpüppchen!“, betonte sie. Nochmals richtete sie sich auf und sah ihm dabei bedeutungsvoll in die Augen. „Und dein Kind genauso wenig!“ Dann ließ sie sich wieder auf seinen Schoß sinken und rieb sich betörend an seinem Becken. Farkas blieb die Luft weg. „Talos!“, keuchte er. Dann kannte er keine Hemmung mehr. Er packte seine feurige Aela an den Hüften, und ließ gleichzeitig sein Becken in rhythmischen Bewegungen auf und nieder schnellen. Aela schrie auf und warf ihren Kopf zurück. „Ja!“, rief sie und feuerte ihn bei jedem weiteren seiner Stöße an. Dann

bog sie ihren Körper weit nach hinten, fuhr mit ihren Händen in ihre Haare und streckte ihre Arme über ihren Kopf. Dabei öffnete sie ihre Lippen zu den kleinen, heiseren Schreien, die immer ihren Höhepunkt begleiteten. Farkas spürte wie ihn alleine schon ihr Anblick über die Klippe führte. Sie war eine Göttin. Seine Göttin! Und mit einem tiefen Grollen fuhr er weiter in sie, während er sich konvulsivisch in ihr ergoss. Mit einem glücklichen Lachen küsste Aela die Schweißtropfen von seiner Brust. „Jetzt haben wir der Totenfeier ein würdiges Ende gegeben!“, meinte sie frech.

„Und den anderen eine schlaflose Nacht!“ Wohlig rekelte sich Farkas in den Fellen und drückte Aela an sich, die ebenfalls leicht von ihrer vorangegangenen Aktivität schwitzte. Sein rothaariger Wirbelwind winkte ab. „Skjors Kammer ist leer und der Einzige, der sein Schlafgemach jetzt noch nahe genug bei uns hat, ist Vilkas. Und der geht einfach zu seinen Weibern.“ „Bist du ihm immer noch böse, dass er dich nicht an sich heranließ?“, fragte Farkas unschuldig. Für ihn war es immer noch ein Rätsel, warum die schöne Frau ausgerechnet ihn gewählt hatte und nicht seinen Bruder. Er mochte Aela von

Anfang an und Vilkas gefiel sie ebenfalls. Doch sein Zwilling war schwierig und er zeigte der rothaarigen Frau natürlich nicht seine Gefühle. Außerdem hatte Vilkas immer noch die fixe Idee, er verdiene kein Glück. Dass sich Aela schlussendlich für ihn entschieden hatte, machte Farkas einfach nur selig. Es war immer schon sein Wunsch einmal eine Familie zu haben. Eine Frau und viele Kinder. Er liebte Kinder über alles. Doch der Werwolf-Fluch machte das beinahe unmöglich. Welches Mädchen würde schon ein Monster an ihrer Seite akzeptieren? Und die Auswahl an weiblichen Werwölfen, oder jungen Frauen, die über den Fluch

Bescheid wussten und damit leben konnten, war ausgesprochen gering. „Idiot!“, rief Aela aufgebracht. „Eine Zeit lang hatten wir alle unseren Spaß miteinander. Doch in dich habe ich mich verliebt. So einfach ist das!“ „Ja“, sagte Farkas und beließ dieses Thema. Sanft begann er über ihren Bauch zu streichen, der sich bereits ordentlich hervorwölbte. Aela war sehr schlank doch man sah ihr die Schwangerschaft im Moment nur an, wenn sie nackt war. Obwohl sie sich bereits beschwerte, dass ihr ihre Rüstung nicht mehr so richtig passte. Sie hatte den Gurt bereits auf die weiteste Einstellung geben müssen. „Hat es sich eigentlich schon bewegt?“,

fragte er neugierig und legte horchend sein Ohr an ihren Bauch. Aela kicherte. „Ich habe ihre Bewegungen schon gespürt.“ „Ihre?“, fragte Farkas. „Wieso glaubst du, dass unser Kind ein Mädchen wird?“ „Weil wir immer Mädchen bekommen.“ Dann lachte sie, als sie Farkas ungläubiges Gesicht sah. „Ich stamme aus einem Geschlecht von Jägerinnen ab! Meine Großmutter hatte fünf Mädchen, meine Mutter drei. Warum sollte es bei mir anders sein?“ Glücklich legte Farkas sein Ohr wieder auf ihren Bauch. „Was auch immer, mein Schatz! Ich liebe die Kleine jetzt schon!“ Da spürte er wie Aela sanft ihre Finger

durch sein halblanges Haar gleiten ließ. „Und ich liebe dich“, murmelte sie, „den wunderbarsten Mann in ganz Himmelsrand!“ Farkas wollte schon etwas erwidern, da spürte er einen leichten Stoß an seiner Wange. „Aela!“, rief er. „Die Kleine hat sich bewegt! Sie hat ihren Daddy geknufft!“ Glücklich lachte die rothaarige Frau und zog Farkas wieder zu sich hoch. „Sie liebt dich eben, genau wie ich!“ Da wurde Farkas mit einem Mal ganz ernst. „Auch wenn wir die silberne Hand jetzt besiegt haben, versprich mir, dass du dich schonen wirst und nichts Unüberlegtes machst. Du bist mir zu

kostbar um dich auch noch zu verlieren!“ Dann küsste er sie und spürte wie sein rothaariger Wirbelwind ganz weich wurde. „Ich verspreche es“, sagte Aela. „Ich werde nur nach Einsamkeit fahren um meine Großmutter zu besuchen, während du mit Vilkas Schluchtweiherhexen jagen gehst.“ „Aber du wirst nicht reiten, oder?“ Besorgt blickte er sie an. „Nein.“ Aela seufzte und verdrehte die Augen. Dann schmatzte sie ihrem besorgten Mann einen Kuss auf die Lippen. „Ich nehme brav die Kutsche und werde in jeder größeren Stadt ausruhen. Aber ich habe Granny Virana schon so

lange nicht mehr besucht. Von unserem Clan sind auch nur mehr meine kleine Schwester Evva und ich übrig. Zwei meiner Tanten hat es nach Windhelm verschlagen, wo sie bei irgendwelchen Männern hängen geblieben sind. Sie haben die Jagd aufgegeben. Der Rest meiner Familie ist gestorben. Ich muss Granny die freudige Botschaft überbringen, dass unser Clan weiter bestehen wird!“ „Dann bin ich beruhigt“, seufzte Farkas. „Außerdem ist Jorrvaskr auch nicht sicher, wie wir gesehen haben. Und dich zu Ysgramors Grab mitzunehmen, zu unserem Stammvater, das irgendwo in den Eisfeldern hoch im Norden liegt,

will ich auch nicht. Das ist auch viel zu anstrengend. Da ist mir deine Großmutter schon lieber.“ Liebevoll drückte er seine Frau an sich. „Es wird auch nicht lange dauern“, meinte Aela versichernd. „Wahrscheinlich zwei oder drei Wochen. Bis dahin werdet ihr ebenfalls von eurer Mission wieder zurück sein.“ Dann schmiegte sie sich eng an Farkas und war binnen kürzester Zeit eingeschlafen. Gedankenverloren strich er über ihre flammenden Haare. Auch wenn der Bürgerkrieg das Land zerrüttet hatte, Alduin mit seiner Bedrohung für Angst und Schrecken sorgte und sie in letzter Zeit so schwere Verluste in den eigenen

Reihen hatten, so fühlte er sich im Moment dennoch als der glücklichste Mann. Morgen würde er mit Vilkas aufbrechen um ihr Versprechen Kodlak gegenüber einzulösen. Und vielleicht auch um ihren eigenen Fluch zu brechen. Auch wenn Aela eine begeisterte Jägerin und Werwöflin war, er würde ihr Sovngarde schon noch schmackhaft machen. Mit diesen Gedanken und einem leichten Lächeln auf den Lippen, schlief auch Farkas endlich ein. Sie waren ziemlich lange unterwegs zu Ysgramors Grab in den Eisfeldern. Erneut war Farkas froh, dass er seine Frau nicht mitgenommen hatte. Der Weg

war selbst für einen Nord eisig und entbehrungsreich. Doch sie waren schließlich angekommen und drangen bis in die Krypta des legendären Gründungsvaters der Gefährten vor. Er war es auch, der den Pakt mit Hircine geschlossen hatte, um den Gefährten noch mehr Kraft und Macht zu geben. Kein Wunder, dass sie auch nur hier diesen Pakt würden lösen können. In der Krypta stand das durch Eisenstäbe geschützte Grabmal Ysgramors. Davor schwelte ein riesiges Kohlebecken im ewigen, magischen Licht. Genau hier konnten sie Kodlaks Geist aus der Höllenebene der ewigen Jagdgründe mit Hilfe von uralten Aufzeichnungen wieder

herbei beschwören. Zuvor hatten sie den Kopf der letzten, lebenden Schluchtweiherhexe besorgt, den sie nun in dem magischen, alten Ritualkohlebecken opferten. Leider hatte es nur mehr eine dieser Hexen gegeben, was bedeutete, dass Vilkas und er weiterhin mit dem Werwolf-Fluch leben mussten. Kodlaks Wolfsgeist wurde durch dieses Ritual hervorgelockt und so konnten sie ihn bekämpfen und töten. Damit war Kodlaks Geist frei für die göttlichen Weiten von Sovngarde. Dankbar berührte sie ihr alter Herold zum Abschied, dann verschwand auch er. Sie waren wieder mit dem magischen Kohlebecken und

Ysgramors Grabmal alleine. „Was soll‘s“, meinte Farkas. „Auch wenn es für uns nicht mehr möglich ist, aber wenigstens haben wir dem Alten helfen können.“ Sein Bruder nickte und setzte sich erschöpft auf eine Steinstufe. Farkas tat es ihm nach und sinnend starrten sie in das Kohlebecken, in dem die letzten Reste des Hexenkopfes langsam verkohlten. Die Ruhe war nur von kurzer Dauer. Mit einem heftigen Windstoß, der plötzlich durch die Krypta wehte, tauchte geifernd und fauchend der Daedra-Fürst Hircine auf. Mit glühenden Augen sah er sich um und rümpfte anschließend seine

Tierschnauze. „Was habt ihr nur getan?“, fragte er donnernd und dehnte sich über die Gebühren aus, bis sein Hirschgeweih die hohe Decke der Krypta berührte. „Ihr habt mir eine meiner Seelen gestohlen!“, schrie er und fauchte aus seinen Hirschnüstern heißen Dampf in ihre Richtung. „Das werdet ihr mir büßen! Ich werde euch keine ruhige Minute mehr lassen. Ihr werdet mit jeder Verwandlung zum Werwolf ein Stückchen mehr eurer Seele einbüßen, bis ihr völlig das Bewusstsein verlieren werdet! Tumbe Tiere werdet ihr sein, wie die Lykanthropen in Solstheim. Euch wird kein langes Leben zu Teil, wie den anderen meiner Geschöpfe. Nicht mehr

als zwei Jahre werdet ihr euch noch dagegen wehren können. Und büßen werdet ihr. Hier und auch nach eurem Tod, wenn ihr zu mir kommen werdet, in meine Jagdgründe. Niemand beraubt mich einer Seele! Niemand!“ Nochmals giftete er heißen Dampf in ihre Richtung. Dann war er verschwunden. Unheimliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus. „Und wenn schon!“, schrie Vilkas in die Leere des Raumes und sprang auf. „Nimm uns ruhig zu dir, wenn du es nicht mehr erwarten kannst! Glaub aber ja nicht, dass wir es dir einfach machen werden!“ Farkas dagegen verfiel. Das merkte sein Bruder aber erst, als er sich zu ihm

umdrehte. „Oh, nein!“, rief er, als ihm die Konsequenzen bewusst wurden. Farkas würde sein Kind vielleicht ein oder zwei Jahre aufwachsen sehen, länger nicht. Aela würde auf sich allein gestellt sein. Jede noch so kleinste Hoffnung, als Werwolf vielleicht doch eine Familie gründen zu können, wurde damit völlig zu Nichte gemacht. „Aela!“, würgte Farkas hervor. „Das… das kann ich ihr doch nicht antun!“ „Wir dürfen uns eben nicht mehr verwandeln“, stellte Vilkas fest. „Dann kann er uns auch nicht so schnell zu sich holen.“ Farkas sah seinen Bruder an. „Meinst du wirklich, dass Hircine es uns so einfach

machen wird? So wie der getobt hat, wird er alles dransetzen um uns zu bekommen.“ Verzweifelt stützte er seinen Kopf in seine Arme. Da berührten ihn Vilkas raue Hände. Mitfühlend versuchte er ihn hoch zu ziehen. „Komm“, meinte er zu ihm. „Lass uns gehen. Uns wird schon etwas einfallen. Noch hat er uns nicht. Außerdem möchte ich meine Nichte ebenfalls noch eine Zeit lang genießen, bevor ich sterbe!“ Mehr schlecht als recht folgte Farkas seinem Bruder aus dem Grabmal wieder hinaus ins Freie. Auch auf ihrer Reise zurück war er noch sehr bedrückt, während Vilkas bereits Pläne schmiedete, wie sie Hircine austricksen könnten. „Ich

habe mir gerade überlegt, ob es vielleicht nicht doch noch irgendwo Schluchtweiherhexen geben könnte“, meinte er eines Abends zu ihm, als sie nur mehr zwei Tagesreisen von Jorrvaskr entfernt an ihrem Lagerfeuer saßen. „Diese hier war zwar die Letzte von Himmelsrand, aber vielleicht gibt es noch andernorts welche. Wir werden in sämtlichen Bibliotheken Nachforschungen dazu anstellen. Hircine hat noch lange nicht gewonnen!“ Farkas Stimmung hatte sich von Vilkas Zuversicht anstecken lassen. „Das ist eine gute Idee“, warf er ein. „Es wird sicher einen Weg geben. Die Göttlichen werden uns schon

beistehen!“ „Du sagst es!“ Vilkas stand gerade auf um weiteres Holz auf das niederbrennende Feuer zu legen, als Farkas plötzlich ein Ziehen in der Brust spürte. Fahrig fuhr er sich über sein Herz, als er auch schon die Bestie in sich aufheulen fühlte. Das konnte nur eines bedeuten: ihr Rudel war wieder dezimiert worden. Wild blickte er auf, nur um in Vilkas mit Horror erfülltes Gesicht zu sehen. Er hatte es also auch gespürt. „Nein“, flüsterte Farkas. „Das kann nicht sein.“ Bettelnd sah er zu seinem Bruder, als ob dieser ihm die Gewissheit noch ausreden könnte. „Farkas!“, rief Vilkas, dann war er auch

schon bei ihm. Doch der Schmerz überwältigte Farkas. Mit einem unmenschlichen Schrei schleuderte er seinen Zwilling von sich und sprang auf. „AELA!!!“ Sein Schrei echote von den Felsen wider. Dann rannte er los. Ohne nachzudenken. Einfach nur los. Was auch immer geschehen war, was auch immer Schuld an ihrem Tod hatte, es war der einzige Grund, warum ihr Wolfsgeist so aufschrie. Der Schmerz drohte ihm die Besinnung zu rauben. Er hatte seine Frau verloren und sein ungeborenes Kind. In seiner Verzweiflung merkte Farkas gar nicht, wie er sich verwandelt hatte. Mühelos überwand er Felsen, Brücken,

Wege, Schluchten. Immer weiter rannte er, bis er nicht mehr konnte. Er wusste nicht mehr wo er war. Erschöpft fiel er in sich zusammen. Das erbärmliche Heulen, das aus seiner Kehle drang, machte ihn endlich darauf aufmerksam, dass er sich verwandelt hatte. Mit einem Ruck seiner Gedanken, drängte er seinen Wolfsgeist zurück. Als einfacher Mann lehnte er schließlich an dem Felsen und gab sich seinen Tränen hin. Seine Frau war tot. Und mit ihr sein Kind. Er glaubte zu ersticken, doch nichts gab es, das ihm seine Trauer nahm. Nicht einmal seine Wut. Er wusste nicht gegen wen er diese Wut richten sollte. Wer war schuld an ihrem

Tod? „Farkas!“ Die abgehetzte Stimme seines Bruders ließ ihn aufblicken. Vilkas musste sich ebenfalls verwandelt haben, ansonsten hätte er ihn nicht so schnell einholen können. „Ich will wissen, wer sie auf dem Gewissen hat!“ Anklagend erhob Farkas seine Stimme. „Ich werde nicht ruhen können, bevor ich es nicht herausgefunden habe!“ „Wir werden das aufklären.“ Vilkas klang, als wäre er ebenfalls den Tränen nahe. Etwas, das Farkas zuletzt erleben durfte, als ihre Großmutter starb. Er hatte Aela sicherlich auch auf seine

Weise geliebt. Dessen war sich Farkas sicher. „Ich werde ebenfalls nicht ruhen können“, sprach Vilkas weiter. „Komm, lass uns jetzt nach Hause gehen. Vielleicht wissen unsere Freunde etwas.“ Leider war dem nicht so. Doch in den zwei Tagen, die sie noch bis nach Weißlauf brauchten, legte sich zumindest der allerärgste Schmerz, von dem Farkas glaubte, er würde ihm den Verstand rauben. Zurück blieben die Trauer und ein dumpfes Pochen im Herzen, das ihn unentwegt an seinen Verlust erinnerte. In Jorrvaskr war alles beim Alten. Bis auf die Tatsache, dass sich Jon und Thorald in die Haare bekommen und ihre Köpfe blutig geschlagen hatten. Sie

lebten die alte Fehde ihrer Familien nun auch hier aus. Und das, obwohl der Bürgerkrieg bereits beendet war. Persönliche Fehden wurden bei den Gefährten nicht geduldet. Man konnte sich im Zweikampf messen, aber kleinliche Scharmützel auszutragen, wie bei einer Wirtshausschlägerei, war ein Tabu. Vilkas schien diese Übertretung gerade Recht zu kommen. Er kannte nichts. Geladen mit all dem Druck und Schmerz, den Hircines Drohung einerseits und Aelas Tod andererseits in ihm ausgelöst hatten, machte er beide fertig. So richtig fertig. Farkas war noch zu sehr in seiner Trauer gefangen um dem viel Aufmerksamkeit beimessen zu

können. Doch als Herold war es Vilkas Pflicht für Ordnung in Jorrvaskr zu sorgen. Zumindest hatte er seinem Ruf als eiskalter, überlegener Kämpfer, noch eines drauf gegeben. Nachdem ihr Blut über dem gesamten Übungsplatz verteilt war, verdonnerte er beide zum Aufräumen desselben. Natürlich, wenn sie wieder genesen waren von ihren Verletzungen, die er ihnen zugefügt hatte. Und das waren nicht gerade wenige gewesen. Njada bekam den Auftrag dafür zu sorgen, dass sie das auch durchführten und sich vertrugen. Ansonsten dürfte sie auf ihre Art für Ordnung sorgen. Das war für die herbe Nord-Kriegerin ein gefundenes

Fressen. Mit einem über alles erhabenen, zufriedenen Lächeln, sah sie auf die beiden Streithähne, deren Blicke sich voller Horror trafen. Farkas bewunderte Vilkas für seine Umsicht. Gegen Njadas aufblitzende Gemeinheit, die kurz in ihren Zügen erschien, war plötzlich zwischen Jon und Thorald eine Gemeinsamkeit zu spüren, die sie verband. Dieser Walküre wollten sie auf keinen Fall entgegentreten, da vertrugen sie sich lieber. Farkas und Vilkas blieben noch über Nacht und stärkten sich, dann brachen sie auf um Aela oder besser gesagt ihren toten Körper zu finden. Oder zumindest etwas über ihren Verbleib heraus zu

finden. Dafür ritten sie so schnell sie konnten nach Einsamkeit zu Aelas Großmutter Virana. Die alte Frau war mehr als erstaunt, als die beiden großen Nord-Männer plötzlich auf ihrer Türschwelle standen. Sie hatte zwar Aelas Nachricht bekommen, dass ihre Enkelin sie besuchen wollte, doch sie war nie bei ihr angekommen. Aelas kleine Schwester Evva kam schüchtern herein. Sie hatte sich gefreut ihre Schwester wieder zu sehen, doch dass stattdessen finstere Nord-Männer hereinkamen, die nach ihr suchten und bereits ihren Tod verspürt hatten, war ihr unheimlich. Unverrichteter Dinge verließen die

Zwillinge die alte Jägerin, die immer noch tätig war und ihr Auslangen durch Fallen und den Verkauf von Kleintierpelzen fand. Zumindest war klar, dass Aela noch auf dem Weg nach Einsamkeit etwas zugestoßen sein musste. Sie musste also mindestens zwei Wochen lang irgendwo gewesen sein. Verletzt, gefangen, gequält. Sie dachten sofort an Überlebende der ‚silbernen Hand‘, aber durch nichts konnten sie diesen Verdacht bestätigt bekommen. Während der Nacht verwandelten sie sich sogar in Werwölfe um ihre Spur zu finden, doch es war schon zu viel Zeit vergangen. Sie fragten auch bei allen Wirtshäusern nach, an

denen sie Station gemacht haben könnte. Doch niemand erinnerte sich an eine rothaarige Frau. Nur im ‚Geiereck‘ konnte sich der Wirt an die junge Jägerin erinnern. Und dieses Gasthaus musste ihre erste Station auf der Reise gewesen sein. Der Wirt erinnerte sich deshalb so gut an sie, weil er sich noch wunderte, warum eine so offensichtlich kampferprobte und in eine taugliche Rüstung gehüllte Frau, nur mit einem Wagen unterwegs war. Nach seinen Worten stieg sie aber völlig gesund und guter Dinge am nächsten Morgen in die Kutsche nach Morthal ein. Doch die kam niemals dort an. Nachdem sie intensiv gesucht hatten,

fanden sie tatsächlich die ausgebrannten Reste der Kutsche in einer Schlucht kurz vor Morthal. Von einem der Pferde war nur mehr das Gerippe übrig. Das andere Tier fanden sie ebenfalls bis auf die Knochen abgenagt etwas weiter entfernt. Wilde Tiere hatten sich wohl an ihnen gestärkt. Von dem Kutscher jedoch und Aela oder anderen Fahrgästen, fehlte jede Spur. Sie war auch für die Werwölfe nach so langer Zeit nicht mehr aufzufinden. Dabei durchkämmten sie das ganze Gebiet. Sogar bis in die Sümpfe drangen sie vor. Irgendwer oder Irgendwas musste sie mit sich genommen haben. Noch immer dachten sie an einen Racheakt eines letzten Überlebenden der

‚silbernen Hand‘. Niemand sonst hätte gewusst, wie man einen Werwolf bändigt. Doch sie fanden nichts und mussten schließlich unverrichteter Dinge aufgeben. Das war für Farkas das Schlimmste. Nicht nur, dass er seine Frau und sein ungeborenes Kind verloren hatte, er wusste nicht einmal, was ihnen zugestoßen war. Bis jetzt. Fast ein Jahr war seitdem vergangen. Und ausgerechnet hier, in den Katakomben dieser Monster fand er seine Frau, oder besser gesagt das, was von ihr übrig geblieben war. Trocken schluchzte Farkas auf, als er

ihren Leichnam fand. Er lag begraben unter vielen anderen, doch der durch das Salz und die Trockenheit mumifizierte Arm, der leicht herauslugte und an dem die Kette noch hing, die er ihr geschenkt hatte, erkannte er sie wieder. Er zog sie nicht einfach hervor, sondern stapelte die anderen Leichen von ihr herunter, bis sie endlich vor ihm lag. An ihrem eingetrockneten Hals waren die vielen Male der Bisswunden zu sehen, welche ihr die Blutsauger zugefügt hatten. Weinend strich Farkas darüber. Und auch über die schrecklichen Wunden an ihren Armen, die sie sich selbst zugefügt hatte, als sie wohl keine Hoffnung mehr hatte, dass er sie hier

finden würde. „Es tut mir so leid, Kleines!“, murmelte er erstickt. „So unendlich leid.“ Dann hüllte er sie in Leinentücher und hob sie hoch. „Du sollst wenigstens eine Bestattung in allen Ehren bekommen. Dafür kann ich zumindest noch sorgen.“ Ihr Leichnam war durch die Mumifizierung extrem leicht geworden. Unter den Teilen ihrer Rüstung spürte er auch jetzt noch die Wölbung ihres Leibes, welche sein nun niemals geborenes Kind war. Aber wenigstens konnte er seine Familie nun mit sich mitnehmen. Unter heftigem Schluchzen nahm er die in Tüchern eingepackte Aela mit sich mit. Es graute bereits der Tag,

als er den Unterschlupf mit ihr verließ. „Sie werden alle noch dafür zahlen, Liebes“, versprach er ihr. „Sie werden dafür zahlen. Und wenn es das Letzte ist, was ich noch in diesem Körper und mit diesem Wolfsgeist tue.“

09 hana in einsamkei

Mit mühsam-fahlem Licht, begann der Morgen zu grauen – so als ob er weiterhin verbergen wollte, was im Licht des Tages nicht gesehen werden sollte. Es war bereits spät im Frühjahr, doch die Nächte waren immer noch kühl und bevor die Sonne höher stieg, hing über dem Hafen und den angrenzenden Niederungen der schwere Nebel, der sich nur langsam auflöste und die Stimmung noch mehr drückte. Alle Laute verstummten, selbst die Rufe der Nacht, während das beginnende Treiben des Tages noch nicht eingesetzt hatte. Nicht

einmal im Hafen von Einsamkeit. Auch die Vögel, welche normalerweise im ersten Morgengrauen ihre Stimmen erschallen ließen, besonders im Frühling, blieben stumm. Als hätte der Nebel alles verschluckt. Diese beinahe schon unnatürliche Stille in den Morgenstunden war das Unheimlichste an den Nachtwachen, fand Questus. Besonders, da er selbst kaum mehr die Augen offen halten konnte. Aber er war zu lange schon Soldat um nicht zu wissen, dass es genau diese Zeit war, in der am ehesten mit Angriffen zu rechnen war. Das war auch der Grund, der ihn weiterhin wachsam hielt. Der Krieg war zwar vorbei, doch diese Unruhe blieb in

ihm. Dabei hatte er, wie viele andere auch, Glück gehabt, fand er. Jarl Ulfric, der Urheber des Bürgerkrieges hatte allen, die nach seinem Sieg ihm und Himmelsrand die Treue schworen, verschont und an ihren Posten belassen. Er tauschte nur die Befehlshaber aus. General Tullius war gefallen, aber sein Hauptmann und dessen Adjutant durften – mit einem Angebot des gemeinsamen Aufstandes gegen den Aldmeri-Bund – zurück nach Cyrodiil. Mit ihm natürlich auch alle, die sich einem selbstständigen Himmelsrand nicht unterordnen wollten. Es waren nicht viele gewesen. Im Grunde des Herzens war Questus auch auf der

Seite des Usurpators gewesen. Es galt sich gegen das Joch der Thalmor-Hochelfen zu wehren, die selbst den Kaiser Titus Mede II in Cyrodiil in der Hand gehabt hatten. Eigentlich hatten sie mit ihrer Arroganz und ihren magischen Fähigkeiten, den gesamten Kontinent Tamriel in ihren Händen. Wenn Questus daran dachte spürte er wie die Scham in ihm hochkroch. Er liebte sein Land Cyrodiil. Aber so wie ihr Kaiser es an die Hochelfen, die im Hintergrund alle Fäden zogen, verschachert hatte, war Scham alles, was ihm noch blieb, wenn er an seine Heimat dachte. Da waren ihm die Nord Himmelsrands, mit ihrer beinahe schon

derben Geradlinigkeit, noch weitaus lieber. Und, wenn er ehrlich war, so hatte er das Gefühl, dass es mit den Thalmor-Hochelfen und ihrem Aldmeri-Bund langsam aber sicher bergab ging. Nicht einmal die Ermordung Titus Medes II vor ein paar Monaten, welche man ihnen ebenfalls anlastete, hatte Cyrodiil zerfallen lassen. Bis die Ansprüche eines neuen Kaisers geltend gemacht werden konnten, regierte der Ältestenrat, der schon immer erfolgreich die Herrscher aller Generationen unterstützt hatte. Gerüchten zufolge sollten sie auf der Suche nach einem Erben der Septim-Dynastie sein. Die alte Dynastie, die seit Tiber Septim, dem ersten Herrscher der

Tamriel unter sich einte und die während der Oblivion-Krise ausgelöscht wurde, sollte doch noch einen unbekannten Zweig hervorgebracht haben. Aber das war alles hohe Politik, mit der Questus nichts zu tun haben wollte. Er war einfach froh, dass er weiter in Einsamkeit seinen Dienst verrichten durfte. Außerdem würde er in spätestens einer Stunde aus dem Nachtdienst abgelöst werden und nach Hause zu seiner Familie gehen können. Zu einer Zeit, in der die Sonne den Nebel bereits aufgelöst haben würde, genau wie die unheimliche Morgenstimmung. Noch einmal drehte er sich um und spähte in die grauen, flutenden Nebenschwaden.

Dann nahm er seinen Gang, um die vordere Wehrmauer, wieder auf. Doch er kam nicht weit. Eine helle, dünne Stimme drang durch den Nebel. „Hilfe! Hilfe! Bitte so helft mir doch!“ So schnell Questus in der Lage war schlug er Alarm. Die Männer in den Wachunterkünften mussten eben schon eine Stunde früher aufstehen. Da kannte er kein Erbarmen. Völlig zerknittert und sich die Rüstung noch umschnallend liefen zwei Männer und eine Frau des Wachdienstes aus dem Wachturm, als Questus die Stufen hinunter eilte. Mit einem finalen Sprung kam er vor ihnen auf. „Ihr zwei folgt mir!“, rief er und winkte

die ersten beiden zu sich. „Du übernimmst einstweilen die Wache“, sagte er noch zum Dritten, der sich mit einem kurzen Kopfnicken aufmachte die Wehrmauer zu erklimmen. Questus lief inzwischen mit den anderen beiden aus den Stadttoren hinaus. Hana zitterte und fror. Ohne Vilkas warmes Fell, an welches sie seine Pranken gedrückt hatten, spürte sie die Kälte wie mit Eisnadeln auf sie einstechen. Sie hatte nur das einfache Kleid an, das sie von Rorik bekommen hatte. Der kleine Varis schrie ebenfalls in dem dünnen Tuch, dem sie mit ihren Armen wenigstens ein bisschen Wärme

und Schutz geben wollte. Er hatte es auch schon völlig durchnässt. Diese Nässe ging ebenfalls bis auf Hana´s Haut durch und hatte wahrscheinlich auch Vilkas Fell durchtränkt. Die provisorischen Leinentücher, die sie dem Baby umgewickelt hatten, konnten wahrscheinlich nicht mehr Flüssigkeit aufsaugen, was zu weiterem Ungemach für den Kleinen führte. Und wahrscheinlich hatte er auch schon schrecklichen Hunger. Verzweifelt stolperte sie voran. Sie sah nur den wabernden Nebel vor sich, doch der Geruch von Pferden hing in der Luft. Der Weg, den sie entlang humpelte musste sie direkt zur Stadt führen, auch wenn sie

keine Ahnung hatte, wie weit es noch war. An Vilkas bleiche, kaum mehr atmende Gestalt durfte sie gar nicht denken. Er hatte sie auf die Beine gestellt, sich verwandelt und war dann vor ihr zusammen gebrochen. Seine Augen hatten dabei dunkel und leer in die Ferne geblickt. „Hilfe!“, schrie sie erneut. Dann blieb Hana keuchend stehen. Ein weiterer schmerzhafter Stich in ihrem Unterleib zwang sie dazu. Sie krümmte sich zusammen und schaffte es gerade noch nicht nieder zu fallen. „Hilfe!“, versuchte sie es wieder. „Hört mich denn niemand?“ Da spürte sie aber schon kräftige Arme, die sie umfingen und ihr

halfen sich aufzurichten. Ihr erster Blick fiel auf die typischen Stiefel einer kaiserlichen Wache. Als sie mit seiner Hilfe wieder halbwegs gerade stand, folgte ihr Blick in das bärtige Gesicht eines Kaiserlichen, der sie entsetzt ansah. „Bei den Göttern!“, rief seine kräftige Männerstimme. „Was ist nur mit Euch geschehen?“ Hana schluchzte auf. Sie musste wirklich schrecklich aussehen. Das grün und blau geschlagene Gesicht von den vorangegangenen Misshandlungen, die Platzwunde über ihrem Auge, ihre zitternde, nasse, unterernährte Gestalt, das blutige Kleid – sie konnte das

Entsetzen des Wachmanns gut verstehen. Hinter ihm sah sie zwei weitere Soldaten, die eilig näher kamen. Dahinter schälte sich auch langsam das offene Tor der Stadt Einsamkeit aus dem Nebel heraus, der sich doch langsam aufzulösen begann. Mittlerweile kam auch der Pferdeknecht aus den Ställen herausgelaufen. Die Erlösung war tatsächlich nahe! „Bitte helft mir!“, rief Hana nochmals. Dann deutete sie die Straße hinunter. „Ich muss so schnell wie möglich in den Tempel der Neun und Vilkas“, sie begann erneut hinunter zu zeigen, „liegt besinnungslos neben der Straße! Er hat mich bis hierher getragen. Dann brach er

zusammen. Bitte…“ „So beruhigt Euch doch!“ Die kaiserliche Wache gab seinem Mann einen Wink, der rasch näher kam. Hana schlotterte vor Kälte und Varis schrie. „Ich bin Questus und werde mich um Euren Mann kümmern. Habt ihr eine Unterkunft in Einsamkeit?“ Hana schüttelte den Kopf. „Könnt Ihr Euch ein Zimmer leisten?“, fragte Questus nach. Jetzt nickte Hana, die mittlerweile von der anderen Wache hochgehoben wurde. „Kommandant Questus!“, rief der Mann drängend. „Sie ist voller Blut!“ „Dann verliert keine Zeit mehr!“, blaffte der Offizier. „Bringt sie zum Tempel.“

Hana wehrte sich. „Vilkas!“, rief sie und wollte sich wieder aus dem Griff der Wache befreien. „Seid ruhig, Frau. Ihr gehört behandelt.“ Dann wandte er sich wieder an den Mann, der sie auf seinen Armen hielt. „Lauft. Wir kümmern uns um den Rest.“ Mehr konnte Hana nicht tun. Der Soldat hielt sie fest und rannte mit ihr zum Stadttor hinauf. Sie konnte aber noch sehen, wie sich der Offizier mit der anderen Wache aufmachte den Weg hinunter zu eilen, den sie heraufgehumpelt war. Der Nebel war schon so weit gelichtet, dass Hana jetzt auch die leblose Gestalt von Vilkas

erkennen konnte, der durch die Kutte wie ein gefällter Baumstamm am Rand des Weges lag. Zumindest liefen die beiden Wachen auf ihn zu. Das war das Letzte was sie sah, da der Wachmann mit ihr bereits durch das Stadttor hetzte. Es war nicht weit bis zum Tempel. Aber Hana spürte, dass sie ebenfalls am Rande einer Erschöpfung war. Der Wachsoldat lief so schnell mit ihr, dass er bereits keuchte, als er Hana in den Tempel hinein trug und abstellte. Sie taumelte, fing sich aber wieder und hielt sich an den Sitzbänken fest, die vor der Kuppel der Schreine aufgestellt waren. Und obwohl es noch so früh am Morgen war, kam sofort ein Priester aus dem

Nebentrakt heraus. Hana war schon in vielen Tempeln. Allein in der Kaiserstadt gab es unzählige. Dennoch spürte sie hier eine heilige Macht, die ihresgleichen suchte. Ehrfürchtig näherte sie sich den Schreinen, während der Wachsoldat und der Priester bei den Holzbänken stehen blieben und sie gewähren ließen. Es waren neun Schreine, die in einem Halbkreis angeordnet waren. Jeder Schrein hatte eine eigene Nische, an die man treten und um den Segen des jeweiligen Gottes bitten konnte. Hana wollte eigentlich zum Schrein Kynareths. Doch etwas ließ sie inne halten. Es schien, als würde das Licht in der Kuppel, in der die Schreine

standen, immer heller werden. Verwundert blickte sie sich um, während der Priester hinter ihr einen erstaunten Ausruf tätigte. Das Licht kam weder von den Kerzen, noch von den Kohlebecken und auch nicht von den hohen Fenstern, durch welche der beginnende Tag bereits herein lugte. Es kam aus den Schreinen selbst und verstärkte sich mit jedem Strahl bis es sich genau in der Mitte des Halbkreises zu einem gleißenden Lichtschein vereinigte. Wie gebannt strebte Hana darauf zu. Es zog sie magisch an. Selbst Varis schien etwas zu spüren, denn sein Weinen hatte abrupt aufgehört. Hana zitterte zwar am

ganzen Leib, doch schließlich trat sie in die Mitte des Lichtes und spürte wie sie hochgehoben wurde. Zumindest fühlte es sich so an. Sie betete voller Inbrunst um Gesundheit, Gnade, Heilung für sich und ihr Kind vom Vampirismus und auch um Vilkas und seines Bruders Genesung. Die Wärme die sie nun erfasste, ließ sie noch mehr zittern. Es schien ihr, als würden aus ihrem Inneren selbst das Licht und die Glut aufsteigen, die alles aus ihr heraus brannte. Und ein besonderes Geburtsmal, das sie an ihrer rechten Schulter hatte, fühlte sich an, als würde es in ihr Fleisch gebrannt werden. Selbst ihr Unterleib wurde durchströmt von Hitze. Stärker, als jede Heilkraft, die

sie von Jouane in Rorikstatt gespürt hatte. Nur langsam ließ die Hitze nach und auch das Licht versiegte. Als Hana ihre Augen aufschlug, musste sie erkennen, dass sie immer noch in der Mitte der neun Schreine stand, dass aber das Licht, das sie so magisch angezogen hatte, nicht mehr da war. Allein die hellen Reflexe, die von den Fensterscheiben kamen und den beginnenden Tag kennzeichneten, waren es, welche die Kuppel des Tempels, erhellten. Das magische Licht war verschwunden. Doch sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Aller Schmerz und jegliches Kältegefühl hatten sie verlassen. Selbst

ihre Müdigkeit war wie weggeblasen. Allein ihr Mal an der Schulter tobte noch immer. „So etwas habe ich erst einmal erlebt!“ Die fassungslose Stimme des Priesters drang an Hanas Ohr. „Damals kam das Drachenblut, um den Segen der Götter für seinen Kampf gegen Alduin zu erbitten. Das war das einzige Mal, dass sich alle Neun vereinten und gleichzeitig ihren Segen gaben.“ Vorsichtig drehte sich Hana um. Doch der Schmerz in ihrem Unterleib blieb aus. Besorgt blickte sie auf Varis, der zwar immer noch durch und durch nass, aber dennoch zufrieden wieder eingeschlummert war.

„Bin ich… geheilt?“, wagte Hana den Priester vor sich zu fragen, dem sie nun zum ersten Mal in die Augen sah. Der betagte Mann musterte sie. „Ich weiß nicht was Euch gefehlt hat, meine Liebe, aber nach allem, was ich bisher erlebt habe, war das der mächtigste Heilzauber, den ich je sehen durfte. Und er schien von allen Göttlichen gleichzeitig gekommen zu sein.“ Noch immer sah er sie an, als könnte er es nicht glauben. „Das ist eigentlich unmöglich. Wie gesagt, nur das Drachenblut hat bis jetzt einen solchen neunfachen Segen erhalten. Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte,

würde ich es nicht glauben.“ „Dann bin ich geheilt und mein Kind wohl ebenso!“ Hana spürte, wie sie eine Erleichterung erfasste, die sie taumeln ließ. „Was fehlte Euch?“, fragte der Priester erneut. Hana sah ihn lächelnd an. Der Wachsoldat, der sie hierher getragen hatte, wirkte ebenfalls, als hätte er ein Wunder gesehen. Mit offenem Mund starrte der Mann sie an. Hana entschied sich gerade mal die halbe Wahrheit zu erzählen. „Ich wurde vor ungefähr einem Tag von einem Vampir gebissen“, erklärte sie. „Und ich hatte eine schwere Geburt. Die

Blutungen hörten einfach nicht auf“, fügte sie ebenfalls noch an, als sie die kritischen Blicke der Männer auf ihren blutigen Schoß sah. „Dann könnt Ihr sicher sein, dass Ihr geheilt seid“, antwortete der Priester. „Jeder Segen, der gewährt wird, wird mit einem leuchtenden Licht begleitet. Und Ihr hattet mindestens neun Segen gleichzeitig – soweit ich das beurteilen kann.“ Neugierig blickte der Mann auf ihren Sohn. „Und Euer Kind?“, fragte er. „Wurde es auch gebissen?“ Hana entschied sich die Wahrheit zu erzählen. Schließlich wollte sie Gewissheit haben, was Varis anging. „Nein“, meinte sie. „Er wurde von einem

Infizierten gezeugt. Angeblich soll er die Krankheit in sich haben, ohne aber die negativen Auswirkungen davon.“ „Davon höre ich zum ersten Mal!“, erstaunte sich der Priester. „Ich kann Euch ehrlich nicht sagen was es für eine Bewandtnis damit hat und ob er geheilt ist oder nicht. So ein Fall ist mir völlig unbekannt.“ Hana erbleichte. Als der Priester das sah, beeilte er sich noch zu sagen: „Ihr müsst abwarten, meine Liebe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Euer Kind etwas in sich trägt, das durch diesen neunfachen Segen nicht wieder in Ordnung gebracht werden konnte.“ „Ich danke Euch, werter…?“, fragend sah Hana ihn an.

„Rorlund. Mein Name ist Rorlund“, beeilte sich der Priester zu sagen. Dann lief er in den Nebentrakt des Tempels und winkte Hana zu sich. „Kommt mit mir. Ich gebe euch trockene Gewänder. Auch wenn Ihr geheilt wurdet, so könntet Ihr Euch noch immer erkälten, wenn Ihr weiter die nassen Sachen auf Eurem Leibe tragt.“ Dankbar eilte Hana ihm hinterher und zog sich um. Es war eine einfache Kutte, die er ihr hinhielt, aber sie war trocken und Varis konnte sie ebenfalls in trockene Laken hüllen. Das war eine Wohltat. Die nassen Sachen stopfte der Priester in einen Sack, den sie mitnehmen würde können. Inzwischen

konnte sie sogar Varis säugen, der endlich seinen Hunger stillen konnte. Fasziniert sah die Stadtwache, die sie in den Tempel getragen hatte, zu. Lautes Gepolter ließ Hana und die beiden Männer zum Tempelportal blicken. Questus war soeben hereingekommen und schritt energisch auf sie zu. „Wir haben Euren Mann im Gasthaus abgeladen. Das war vielleicht ein Stück Arbeit! Vor allem, als er sich gewehrt hatte. Er dachte wohl, er würde von einem gewissen ‚Jörgen‘ bedroht werden und versuchte gegen uns zu kämpfen.“ Entschuldigend sah er sie an. „Es tut mir leid, aber ich musste ihm einen Schlag gegen den Kopf verpassen, sonst hätten

wir ihn nicht weiter tragen können. Euer Gatte war auch so schon schwer genug.“ Hana wollte die Sachlage mit Vilkas als ihrem Ehemann richtig stellen, doch irgendetwas hielt sie davon ab. Es würde einfacher sein, wenn die Leute glaubten, dass sie eine Familie wären. „Geht es ihm gut?“, fragte sie stattdessen besorgt. Sie sah immer noch sein bleiches, völlig verausgabtes Gesicht vor sich und den erstarrten Ausdruck, mit dem er schließlich zusammenbrach. Questus blies seine Backen auf. „Der hat eine Konstitution wie ein Ochse. Auch wenn er Euch einen weiten Weg getragen hat, wird er nach ein paar Stunden Schlaf bald wieder bei Kräften sein. Ihr könnt

unbesorgt sein.“ Dann sah er sie bewundernd an. Sie musste wohl halbwegs ihr altes Aussehen wieder erlangt haben. Das feine, herzförmige Gesichtchen mit den vollen Lippen und den großen Augen ohne die wundgeschlagenen Schwellungen und Blessuren. „Aber ich kann verstehen, dass er sich bei einer Frau wie Euch so verausgabt hat. Hätte ich ebenfalls getan.“ Hana wurde verlegen. Doch der Offizier fuhr nahtlos fort ohne auf ihre Befangenheit einzugehen. „Vielleicht zahlt ihr dem Wirt gleich einmal einen gewissen Betrag, denn er wollte Euren Gemahl zuerst gar nicht bei sich aufnehmen. Ich versicherte ihm, dass Ihr

ihm die Aufwendungen gleich begleichen werdet.“ „Danke“, meinte Hana schlicht. „Für all Eure Hilfe.“ Dann zeigte sie auf die einfache Kutte in der sie nun steckte. „Gibt es hier auch einen Laden um neue Gewänder zu kaufen?“ „Aber ja!“, rief der Offizier. „Natürlich haben wir hier in Einsamkeit einen Laden für Gewänder. Sogar einen besonders Guten.“ Questus strahlte sie an. „Gleich gegenüber von Eurem Gasthof. Sagt den Schwestern dort, dass ich Euch schicke. Die Besitzerinnen des Ladens sind etwas eigenwillige Hochelfen-Damen. Doch sie sind harmlos. Und mit meinem Namen geben

sie Euch Prozente. Bei den Preisen kann man das brauchen!“ Daraufhin klapste er dem Wachsoldaten neben sich auf die Schulter. „Na, kommt. Euer Dienst beginnt und meiner endet. Lasst uns die Formalitäten erledigen, damit ich mich endlich aufs Ohr hauen kann.“ Mit einem letzten Gruß zu Hana verabschiedete er sich und verschwand mit dem anderen Mann aus dem Tempel. Die junge Frau sah ihnen noch nach und fragte sich gerade, wie sie deren Hilfsbereitschaft wohl vergelten würde können. Sie seufzte. Wenigstens dem Tempel konnte sie eine Spende zukommen lassen. Hana erhob sich und ging zu Rorlund,

der in einer Nische eine Weihung zu machen schien. Vilkas hatte ihr den Goldbeutel von Rorik an ihren Gürtel gehängt, in dem sie nun kramte und eine hohe Summe heraus nahm. „Hier“, meinte sie und ließ die Münzen in die Hände des Priesters gleiten. „Mein bescheidener Dank an die Götter.“ „Der Segen der Götter begleitet Euch, werte Dame!“, murmelte der Priester, dessen Augen bei der Höhe der Summer immer größer wurden. Hana lächelte und verabschiedete sich. Dann schlug sie die Richtung zur Herberge ein, die gleich hinter den Stadttoren lag und genoss es ihren Körper frei von Schmerzen zu spüren.

Das Einzige, das jetzt noch sehr unangenehm war, waren die groben Gewänder. Kälte verspürte sie keine mehr, da die Sonne bereits aufgegangen war. So schnell sie konnte eilte Hana die kleine Anhöhe, auf der der Tempel der Neun stand, hinab. Sie kam dabei an einer Schmiede vorbei, dessen Besitzer bereits fleißig ihrem Tagwerk nachgingen. Lächelnd winkte ihr der Geselle zu und freundlich erwiderte sie seinen Gruß. Der junge Mann strahlte sofort vor Freude und Hana beeilte sich weiter zu kommen. Mit anderen Männern anbandeln war jetzt das Letzte, das sie wollte. Da es nicht weit war, sah sie bald das

Wirtshaus und die Geschäfte dieses Viertels unter sich. Schräg gegenüber der Gastwirtschaft prangte ein blankes, vielversprechendes Schild über einem Eingang, das die besten Stoffe und Gewänder von ganz Himmelsrand feilbot. Zielstrebig ging sie zu dem Laden, als plötzlich eine Gestalt auf sie zuhielt und sie um ein paar Septime bat. Ein alter, einarmiger Kriegsveteran wollte bei ihr sein Glück versuchen. Dem Mädchen tat der Mann Leid und sie gab ihm ein wenig von ihrem Gold, bevor sie in das Geschäft der Schneiderinnen trat. Sie hätte es nicht übers Herz gebracht sich teures Gewand zu kaufen, während ein offensichtlich armer Mensch vielleicht

Hunger leiden müsste. Es war schon erstaunlich, wie schnell selbst so ein prall gefüllter Geldbeutel, leer wurde. Obwohl sie die Empfehlung von Questus erwähnte war ihr Gold bereits um mehr als zwei Drittel weniger geworden. Waren es doch ziemlich viele und vor allem hochwertige Gewänder geworden, die sie erstanden hatte. Eine neue Hose mit Hemd für Vilkas, ein neues Kleid für sich, zwei Mäntel für Vilkas und sie, ein großes, dickes, wollenes Tuch für Varis, dazu noch viele kleine, bereits zurecht geschnittene Leinentücher und ein paar weitere wollene Tücher, in welche man Säuglinge und Kleinkinder einzuschlagen pflegte.

Da Vilkas keine Stiefel hatte und ihre ebenfalls zerrissen und durchgescheuert waren, musste sie auch diese erstehen. Es war schließlich so viel geworden, dass ein Diener der zickigen Ladenbesitzerinnen ihr schließlich half, die Einkäufe bis hinauf in das Zimmer zu bringen, in welches der Offizier Vilkas bereits getragen hatte. Hana war bester Dinge, als sie in die Wirtsstube trat, die gemütlich und gut ausgestattet wirkte. Sogar einige Blumen und Heilpflanzen in dafür bereitgestellten Trögen, erfreuten das Auge des Eintretenden. Dazu lag der Duft gebratenen Fleisches im Raum, der Hana sofort das Wasser im Mund

zusammenlaufen ließ. Als der Wirt ihrer ansichtig wurde, schien eine Erleichterung durch ihn zu fahren. „Seid Ihr die Gemahlin des bewusstlosen Mannes, den Questus anschleppte und der in einem meiner Zimmer bereits ruht?“, fragte er sie sofort. Hana bejahte und griff in den Geldbeutel, der schon sehr schmal wirkte. Es reichte aber um das Zimmer mitsamt Verpflegung und heißem Wasser für ein Bad zu bezahlen. „Vielen Dank, werte Dame!“, beeilte sich der Wirt zu sagen. „Ich lasse Euch sofort die gewünschten Bottiche mit heißem Wasser, samt sauberen Laken bereitstellen. Es soll Euch an nichts

mangeln. Geht nur dort die Treppen hinauf. Die zweite Türe rechts führt Euch direkt in unser bestes Zimmer und zu Eurem Gemahl.“ Dankend entfernte sich Hana und beeilte sich die Stufen hinauf. Der Diener, mit dem Packen neuen Gewandes auf den Armen, kam kaum nach. Auch wenn Questus Worte, was Vilkas betraf, Hana beruhigt hatten, wollte sie dennoch so schnell wie möglich zu ihm gelangen und sich mit eigenen Augen von seinem Wohlergehen überzeugen. So schnell sie konnte lief sie in die Kammer, die wirklich groß und geräumig wirkte. Das Doppelbett, auf dem Vilkas lag, war ebenfalls riesig und würde genügend

Platz für alle bieten. Schnell trat sie näher und blickte in Vilkas Antlitz. Er war sehr bleich und seine Atmung ging rasselnd, als würde er noch immer schnell laufen. Scharf stach seine schmale Nase aus seinem kantigen Gesicht hervor. Er lag auf dem Rücken und eine blutunterlaufene Stelle an seiner rechten Schläfe zeigte ihr, dass Questus nicht übertrieben hatte, als er sagte, dass er Vilkas außer Gefecht setzen musste. Rasch hatte Hana ihre Entscheidung gefällt. Eine ernste Gefahr schien für den großen Mann wirklich nicht mehr zu bestehen, aber sie wollte es ihm dennoch angenehmer machen. Mit einer fließenden Bewegung drehte sie

sich um und wandte sich an den Diener, der den Stapel neuen Gewandes mittlerweile auf eine Kommode gelegt hatte. „Wollt Ihr Euch ein wenig Gold dazu verdienen?“, fragte sie ihn unverblümt. Der einfache Mann nickte lächelnd. Er schien nicht gerade viel bei den Schwestern zu verdienen. „Dann holt mir bitte eine Engelswurz aus dem Alchemieladen nebenan. Danach helft mir meinen Mann zu reinigen und umzuziehen.“ Hana kramte wieder in dem Geldbeutel und gab dem Diener 10 Goldtaler. Das war viel mehr, als er für das Kraut ausgeben müsste. „Den Rest könnt ihr behalten und ich gebe Euch

weitere 10 Septimen, wenn Ihr mir mit meinem Mann geholfen habt.“ Freudig nickte der Diener und war sofort verschwunden. Hana legte den dick eingepackten, schlafenden Varis auf ein paar Felle, die auf einer breiten Bank lagen. Sanft strich sie ihm über seine Backen und hauchte einen Kuss auf seine weiche Haut, als sie merkte, wie Vilkas hinter ihr immer unruhiger wurde. Sie ließ das Baby liegen und lief auf die Seite des Bettes, um zu schauen, was dem großen Mann fehlte. Vilkas wand sich und warf seinen Kopf hin und her. Sein Atem ging immer hektischer, bis er schließlich die Augen aufriss, sich aufbäumte und

aufschrie. „Hör auf! Lass ihn los! Lass ihn sofort los!“, brüllte er aus Leibeskräften. Hana prallte entsetzt zurück, sah aber, dass Vilkas nicht bei Besinnung war. Seine Augen waren aufgerissen und starrten dunkel ins Leere. Dabei verzog sich sein Gesicht wie unter einer immensen Anspannung. Seine Adern traten dick hervor und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Hana bekam es mit der Angst zu tun. Vilkas Gesicht wurde hochrot und er stöhnte wie in höchster Not. Schnell und japsend ging sein Atem und heftigste Wellen durchschüttelten seinen Körper. Dann schrie er gequält auf.

Trotz ihrer Angst sprang Hana so schnell sie konnte zu Vilkas und nahm sein hochrotes Gesicht in ihre kühlen Hände. „Vilkas!“, rief sie. „Wir sind in Sicherheit! Wir haben es geschafft! Hörst du, Vilkas! Alles ist gut!“ Eindringlich versuchte sie auf den großen Mann einzureden. Sie hatte nicht das Gefühl, dass er sie gehört oder verstanden hatte. Doch sein Körper entspannte sich dennoch langsam. Die Röte seines Gesichtes wich. „Vilkas!“ Sanft drückte sie seinen Kopf gegen ihre Brust. „Alles ist gut“, flüsterte sie nochmals, dann drückte sie ihn wieder von sich ab und blickte besorgt auf ihn.

Und mit einem Blinzeln erschien kurz Vilkas normaler Blick, der sie verstört ansah. „Hana?“, fragte er heiser. Dann entspannte er sich mit einem dankbaren Seufzer, als er ihrer ansichtig wurde und sackte zusammen. Zum Glück saß er auf dem Bett, denn Hana konnte den schweren Körper des Kriegers nicht halten. Sie schaffte es gerade ihn ein wenig zu stützen, damit er nicht völlig ungebremst auf der Liegestatt aufprallte. Zumindest schien sich aber sein Zustand gebessert zu haben. Vilkas Atmung ging jetzt völlig ruhig und auch sein Gesicht wirkte gelöst und nicht mehr so gehetzt. Liebevoll strich Hana über seine

schweißnasse Stirn, bis hinunter zu seinen Lippen und über sein kantiges, mit Bartstoppeln übersätes Kinn. „Ich weiß eigentlich gar nichts von dir“, flüsterte sie dabei. „Außer, dass du ein Werwolf bist…“ kurz stockte sie. Dann fuhr sie ihm zärtlich über seinen halboffenen Mund und errötete. „Dennoch fühle ich mich zu dir so hingezogen, wie zu sonst niemanden. Auch wenn ich mich damit zur Idiotin mache…“ Hana biss sich auf die Lippen. Dann fuhr sie ruckartig auf. Der Diener kam mit dem Engelswurz hereingestürmt. Sie nahm dem einfachen Mann das Kraut ab, brach es an den Stielen entzwei und ließ den Saft daraus auf Vilkas Wunde

tröpfeln. Sanft rieb sie damit die blutunterlaufene Stelle ein. Mittlerweile kam eine Bedienstete des Gasthofs herein und brachte zwei hölzerne Waschbottiche, welche sie auf der großen freien Fläche vor dem Bett aufstellte. Als sie die ersten Kübel heißen Wassers hineingoss, begann Hana mit Hilfe des Dieners Vilkas auszuziehen. Der Diener keuchte vor Anstrengung, als er den großen Gefährten ein wenig aufrecht hielt, damit Hana ihn schließlich mit einem nassen Tuch reinigen konnte. Vilkas war noch jung, vielleicht Mitte Zwanzig, schätzte Hana. Dennoch zogen sich bereits viele Narben über seinen Körper. Ihr Mann, Heimkar, war Soldat

und bereits über Dreißig gewesen, als sie ihn geheiratet hatte. Doch sein Körper wies bei weitem nicht so viele Wundmale auf wie Vilkas. Das krampfte Hanas Herz zusammen. „Was musstest du bloß schon alles durchmachen?“, fragte sie ganz leise, sodass nicht einmal der Diener sie gehört haben konnte. Vilkas Verschlossenheit und seine brüske Abwehrhaltung, wiesen ebenfalls auf eine sehr traumatische Zeit hin, die der große Mann durchlebt haben musste. „Und diese seltsamen Muster?“ Hana strich mit dem feuchten Tuch auch Vilkas Ornamente nach, die wie kräftige, ineinander verschlungene Wege über seinem linken Oberarm und seiner linken

Brust gezogen waren. Dann riss sie sich zusammen. Sie wollte sich nicht so gehen lassen. Schon gar nicht wenn Vilkas bewusstlos war. Dennoch konnte sie nicht umhin, seinen kraftvollen, gut gebauten Körper zu bewundern. Auch das dunkle Band der Behaarung, das schmal von seinem Nabel bis zu seinem Schritt hinunterführte und sich dort erst in die dunkle Schambehaarung ausdehnte. Dass sie dabei rot wurde, beschämte sie und sie beendete so schnell sie konnte die Reinigung. Seinen Unterkörper ließ sie aus. Das konnte er selbst erledigen, wenn er sich wieder erholt haben würde. Mit Hilfe des Dieners zog sie Vilkas das

frische Gewand an. An seinem Schritt ließ sie die Hose offen. Mochte der Diener noch so seltsam schauen, warum sie ihrem ‚Ehemann’ dort nicht anfassen wollte. Die Bedienstete des Gasthofs war ebenfalls fertig und beide Bottiche standen nun gut gefüllt mit dampfendem Wasser im Raum. „Braucht Ihr mich noch, Herrin?“, fragte der Diener, als sie mit Vilkas fertig waren. „Nein, danke“, antwortete sie ihm. „Ihr habt mir sehr geholfen. Ich hoffe, Ihr bekommt keine Schwierigkeiten, weil Ihr solange fort wart.“ Der Mann winkte ab. „Keine Sorge, Herrin. Die Schwestern haben kein

Zeit-Gefühl!“ Er verbeugte sich noch kurz vor Hana, dann war er draußen. Die junge Frau zog eine Decke über Vilkas, der jetzt wirklich erschöpft zu schlafen schien, dann blickte sie auf ihr Kind. Varis war durch Vilkas Schreie aufgewacht und hatte zu Greinen begonnen. Mittlerweile hatte er sich aber beruhig und wie es schien, wurden seine Äugelein wieder schwer. Hana ging zu ihm und schälte ihn aus seinen Tüchern. Dann badete sie den Kleinen, säugte ihn und wickelte ihn erneut in frische Laken. Sauber und satt schlief Varis sofort wieder ein. Dieses Mal legte sie den Kleinen direkt neben Vilkas auf das Bett. Dann wandte sie sich dem Sack mit dem

schmutzigen Gewand zu. Sie warf alles in einen der Bottiche und begann die Wäsche zu waschen. Das Zimmer war wirklich gut ausgestattet, denn es gab einige gespannte Leinen, auf die sie die sauberen Wäschestücke zum Trocknen hängen konnte. Als all das erledigt war seufzte das Mädchen und schälte sich aus der groben Kutte, die ihr der Priester gegeben hatte. Dann ließ sie sich in den anderen Bottich gleiten, dessen Wasser immer noch sehr warm war, lehnte sich zurück und schloss in tiefster Entspannung die Augen.

10 vilkas schuld

„Ihr taugt nichts! Und ihr werdet nie zu etwas taugen!“ Schrill klang Jörgens Stimme in Vilkas Ohren. Voller Zorn sah er sich um, doch er konnte niemanden sehen. Er konnte überhaupt nichts sehen. Alles wirkte grau und leer. „Wo bist du!“, schrie er. „Du bist doch tot!“ „Das hättest du wohl gerne!“ Emotionslos und leise ertönte Jörgens Stimme dicht an seinem Ohr. Vilkas stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Er konnte seinen Vater spüren, wie er in seiner bulligen,

breitschultrigen Gestalt direkt hinter ihm stand. „Mach dich lieber an die Arbeit, bevor ich mich vergesse!“, schnauzte Jörgen noch und versetze ihm einen derben Schlag, ehe er ihre gemeinsame Hütte verließ, um zu den Gefährten nach Jorrvaskr zu gehen. Vilkas fühlte sich verwirrt. Wo vorhin noch alles grau und leer gewirkt hatte, war jetzt die unordentliche Küche, in der das schmutzige Geschirr, teilweise zerbrochen, sowie ein Haufen leerer Krüge auf dem Boden herum kullerten. Irgendwie kam es ihm vor, das alles schon erlebt zu haben, doch diese Gedankenfetzen verschwanden so

schnell, wie sie gekommen waren. „Hey, Vil!“, rief Farkas ihn leise an. „Ist der Alte schon draußen?“ Vilkas nickte und begann das Chaos in der Küche ein wenig aufzuräumen. „Wie ist denn das bloß passiert?“, fragte er seinen Bruder, der leicht humpelnd in sein Blickfeld trat. „Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr, wie er mich gestern Abend hier verprügelt hat. Und alles nur, weil ich ihm nicht schnell genug den Weg frei gemacht habe.“ Farkas hob einen der Krüge auf. „Er war so betrunken, wie schon lange nicht mehr. Seit er dich fast totgeschlagen hat, säuft er ohne

Unterlass.“ Vilkas stapelte die schmutzigen Teller, die noch intakt waren, zusammen. Viele waren es nicht mehr. Farkas Worte brachten wieder die Erinnerungen an Lavinia hervor und an die drei Tage danach, die er im Keller die allerschwersten Verletzungen auskurierte. Trotz des hochprozentigen Heiltranks brauchten seine Knochen, um wieder gänzlich zu gesunden. Zumindest konnte er Lavinias Begräbnis beiwohnen. Lydia hatte ihn dabei mit ihren Blicken erdolcht, doch Jörgen sagte allen, dass Vilkas mit ihm an jenem Tag jagen gewesen und dabei von einem hohen Felsen herab gestürzt war.

Das war vor drei Wochen gewesen. Mittlerweile konnte Vilkas wieder normales Kampftraining machen und auch seine uneingeschränkte Beweglichkeit war wieder da. Dafür hatte Farkas gestern Abend so einiges abbekommen. Vilkas war zu dieser Zeit unterwegs, um aus der beflaggten Mähre Abendessen für sie zu besorgen. Als er wieder kam, saß Farkas mit blutiger Nase, zugeschwollenem Auge und aufgeschlagenem Knie neben dem Feuer, während Jörgen mit stierem Blick den nächsten Met in sich hinein goss. Vilkas setzte seinem Vater schweigend das Essen vor. Dann sahen sie gebannt zu,

wie er die Portionen verschlang und sich danach in sein Bett fallen ließ, das er in einer extra Kammer hatte. Erst dann kümmerte sich Vilkas um seinen Bruder und wusch ihm die Wunden aus. Leise unterhielten sie sich dabei, um Jörgen nicht aufzuwecken. Anschließend aßen sie die Reste und legten sich ebenfalls schlafen. Heute hatten sie den Auftrag bekommen, sämtliche Waffen Jörgens zu schärfen und zu verbessern. Auch seine Rüstung sollten sie ausbeulen und mit einer neuen Schicht Stahl aufwerten. Eorlund Grau-Mähne, der sich eigentlich um die Rüstungsbelange der Gefährten kümmerte, hatte im Moment so viel zu

tun, dass Jörgen eine Woche hätte warten müssen. Doch er wollte bereits für seinen morgigen Auftrag, die Verbesserungen an seiner Ausrüstung haben. Es war für die Burschen somit mehr als genug zu tun und Adrianna ließ sie dafür ihre Schmiede benutzen. Sie arbeiteten den ganzen Tag im Schweiße ihres Angesichts. Jörgens Waffen waren aus einem besonders harten Ebenerzmaterial, das zwar das Beste und Härteste war, sich darum aber auch nur sehr schwer bearbeiten ließ. Unermüdlich werkten sie, wobei Adrianna ihnen anbot, sie sofort als Lehrlinge einzustellen, sollten sie sich das mit den Gefährten noch einmal

überlegen. Sie seien die kräftigsten und gewandtesten Burschen, die ihr seit langem in diesem Handwerk untergekommen wären. Und während die Brüder hämmerten und schliffen, sah sie ihnen zu oder gerbte Felle, um daraus Lederrüstungen zu fertigen. Vilkas war gerade beschäftigt Jörgens Brustpanzer neu zu überziehen, als Farkas erschrockener Ruf ihn inne halten ließ. „Was ist geschehen?“, fragte er nach. Doch Farkas starrte nur entsetzt auf die beiden Schwerhälften, die rechts und links vom Amboss lagen. „Dafür bringt er mich um!“, murmelte er bleich, riss sich aber sofort wieder zusammen, als Adrianna auf sie zukam.

Wenn durchsickern würde, wie Jörgen sie behandelte, würde es nur noch mehr Prügel setzen. „Du hast enorme Kräfte, Farkas!“, lachte sie, als sie das Unglück sah. „Du musst nur lernen sie richtig einzusetzen.“ Dann schüttelte sie den Kopf und hob das zerbrochene Ebenerzschwert hoch. „So etwas habe ich auch noch nie gesehen. Ist wenigstens mein Hammer noch heil?“ Farkas starrte betroffen auf das Werkzeug. Doch der Schmiedehammer war in Ordnung. Vilkas beeilte sich mit der Rüstung und packte alles zusammen. „Komm“, meinte er zu Farkas. „Wir haben alles erledigt. Vater wird etwas zum Essen wollen, wenn er heim

kommt.“ Wie betäubt stand Farkas auf und nahm das zerbrochene Schwert in die Hände. Dann stolperte er hinter Vilkas nach. „Vielen Dank für alles Adrianna!“, bedankte sich Vilkas und zog Farkas zur Hütte. Fieberhaft suchte er dabei nach einer Lösung. Vielleicht könnten sie schnell ein neues Schwert kaufen? Doch so viele Septime, was ein Schwert dieser Güte kostete, hatten sie beide nicht. Oder würde Adrianna ihnen etwas vorstrecken, das sie dann abarbeiten könnten? Vilkas entschloss sich gleich nochmals zur Schmiedin zu gehen und ihr diesen Vorschlag zu unterbreiten, als bereits Jörgens angeheiterte Stimme hinter ihm

ertönte: „Ihr könnt doch noch nicht mit all der Arbeit fertig sein? Nicht einmal Eorlund schafft so viele Waffen an einem Tag!“, grölte er. Vilkas schob Farkas schnell durch die Tür hindurch. Sein Bruder begann unkontrolliert zu beben. Sofort setzte er ihn auf einen Stuhl und begann den Kessel über das Feuer zu hängen. Mit den Füßen versuchte er dagegen die Waffen unter die Bank zu schieben. Vielleicht könnten sie Jörgen noch ablenken, bevor er die Katastrophe bemerken würde. Doch sein Vater war ein Werwolf. Er konnte die Angst riechen, die Farkas in

seiner Panik buchstäblich ausschwitzte. Selbst in seinem angetrunkenen Zustand. Mit verengten Augen begann er sich umzusehen. „Was hast du nun schon wieder angestellt, du Taugenichts?“, brüllte er Vilkas an und gab ihm einen Rempler, der ihn vom Kessel zurück taumeln ließ. Da sprang Farkas auf. „Ich war es!“, rief er. „Ich habe dein Schwert zerbrochen!“ Vilkas hätte ihm am liebsten den Mund zugehalten, doch er war zu weit weg und es war bereits zu spät. Jörgen stierte ungläubig auf seinen kräftigen Sohn, der beinahe schon seine Größe erreicht hatte. „Du hast was?“, fragte er, dann blickte er sich wieder um,

bis er die Bruchstücke seiner Ebenerzklinge unter der Bank liegen sah. Sein Gesicht wurde weiß. Dann wandte er sich ganz langsam wieder zu Farkas. „Ihr wisst doch, dass ich von Söldnern großgezogen wurde. Es gab täglich Schläge. Damit wir abhärten, hieß es. Selbst wenn wir alles richtig gemacht hatten, wurden wir geschlagen. Da wussten wir, dass alles in Ordnung war. Wisst ihr eigentlich, was die Soldaten mit Kindern machten, die einmal etwas nicht richtig gemacht hatten? Wie zum Beispiel ihre Schwerter unbrauchbar zu machen?“ Jörgen sprach noch beherrscht, doch seine Augen waren bereits Blut unterlaufen, so sehr regte er sich auf.

Vilkas wurde übel. Das verhieß nichts Gutes. Alles an ihm spannte sich an, doch Jörgen war noch nicht fertig. „Sie haben ihnen die Arme gebrochen. Einem nach dem anderen. Und dann haben sie ihnen die bloßen Füße über das Feuer gehalten. Wenn sie dabei schrien, lachten sie nur und hielten ihre Füße noch tiefer in die Glut. Schließlich stachen sie mit den abgebrochenen Schwertern so lange auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührten. Dabei beeilten sie sich nicht. Sie suchten sich auch die Stellen aus, die nicht sofort tödlich waren.“ Mit stierem Blick sah er sie beide an. „Einmal haben wir das miterlebt. Der Junge brauchte drei Tage, bis er starb. Danach haben wir

die Waffen der Söldner wie Juwelen behandelt.“ Vilkas hätte sich am liebsten übergeben. So eine Kindheit war die Hölle. Daran gemessen ging es ihnen wunderbar. Viel hatte Jörgen ihnen nie davon erzählt, nur, dass er, wie auch die anderen Kinder der Huren, welche die Kriegszüge oft begleiteten, eine harte Schule durchgemacht hatte. Von zehn Kindern überlebte gerade mal eines. Jörgen war ein solches. Und er war überzeugt davon, so brutal und scheiße es auch war, es hatte ihn zu dem unbesiegbaren Kämpfer gemacht, der er eben war. Und genauso wollte er auch aus ihnen ‚richtige Männer‘ machen. Vilkas spannte alles an.

Er wappnete sich so gut es ging auf das, was Jörgen ihnen jetzt wohl an Prügel zukommen lassen würde. Doch mit dem, was geschah, hatte er nicht gerechnet. Mit einer ruckartigen Bewegung schnellte Jörgen vor, packte Farkas rechten Arm, zog ihn zu sich und trat ihm gleichzeitig mit dem Knie dagegen. Mit einem knackenden Geräusch brach der Knochen direkt über dem Ellenbogen. Farkas Schrei gellte durch die Hütte, was Jörgen ihm sofort einen Schlag gegen die Brust geben ließ. Die Luft wurde Farkas aus den Lungen gepresst und er kippte vom Stuhl. Sein Schrei erstarb sofort durch den Luftmangel. Röchelnd versuchte er wieder zu Atem zu kommen.

„Ihr Memmen! Mit jedem Schmerzenslaut, breche ich euch einen weiteren Knochen!“, rief Jörgen und stierte auf den am Boden liegenden Farkas, der beinahe schon blau im Gesicht wurde. Vilkas sprang vor. Sein Vater war wahnsinnig geworden! Er würde diese Strafe doch wohl nicht an Farkas ebenfalls statuieren wollen! „Hör auf!“, schrie Vilkas. Da drehte Jörgen sich um und schleuderte ihn mit einem Schlag seines Ellbogens durch den Raum. Der große, bullige Mann war zu kräftig und durchtrainiert, als dass sie eine Chance gegen ihn gehabt hätten. „Du bekommst auch noch, was du

verdienst. Doch noch bin ich nicht fertig mit dem da!“ Sein Kopf deutete zu Farkas. Vilkas rappelte sich auf so schnell er konnte. Farkas war halb besinnungslos vor Schmerz und kniete vor Jörgen. Sein rechter Arm hing wie leblos herab. Ihr Vater lachte nur gemein und packte nun auch seinen linken Arm. Farkas war in seiner Agonie nicht fähig sich zu wehren. Hilflos schnappte er nach Luft. Vilkas sah rot. „Hör auf!“, brüllte er. „Lass ihn los! Lass ihn sofort los!“ Doch Jörgen lachte nur. Wie ihm Wahnsinn zog er an Farkas linken Arm und holte bereist Schwung mit seinem Bein, um seinem Sohn auch diesen Arm

zu brechen. In Vilkas setzte in diesem Moment alles aus. Er wusste nicht wie er so schnell an den Dolch kam, doch als er den kühlen Schaft in seiner Hand spürte, dachte er nicht eine Sekunde nach. Mit voller Wucht schleuderte er den Dolch auf Jörgen und sprang vor, um ihn von seinem Bruder weg zu stoßen. Vilkas hatte ohne Zweifel großes Talent im Umgang mit Dolchen und Wurfmessern. Ohne, dass er das jemals geübt hatte, drang die Klinge tief in Jörgens Brust ein. Mit einem erstaunten Blick sah Jörgen auf seinen Sohn, da war dieser schon heran, stemmte sich am Tisch ab und stieß ihm mit voller Wucht seine Füße gegen die Brust.

Mit einem ‚Umpf‘ fiel Jörgens mächtiger Körper um wie ein Stück Holz und prallte gegen die Steinstufe am Eingang. Dort blieb er auch liegen. Vilkas war zwar erstaunt, denn seinen Vater konnte normaler Weise nichts umwerfen, doch er nahm sich nicht die Zeit, um nach ihm zu sehen. Viel mehr lief er zu seinem Bruder, der mit großen Augen noch immer an derselben Stelle kniete und seine gesunde Hand auf sein Herz drückte. Vilkas spürte ebenfalls einen Druck auf der Brust und einen Schrei in seinem Inneren, als würde dieser von der Wolfsbestie selbst kommen, die den Tod eines Rudelmitglieds beklagte. Doch er

ignorierte das. Viel wichtiger war ihm jetzt sein Bruder. „Farkas!“, rief er und versuchte diesen aufzurichten. Dabei kam er wohl an seinem gebrochenen Arm an, was seinen Bruder voller Schmerz aufschreien ließ. „Es tut mir leid“, beeilte sich Vilkas zu rufen. Dann begann er hektisch nach dem Sack Gold zu suchen, den sie in der Küche stehen hatten. Er musste sofort zu Arcadia, um einen Heiltrank für Farkas zu holen. Doch er kam nicht soweit. Gerade als er mit dem Gold – das er endlich gefunden hatte – zur Tür stürmen wollte, wurde diese aufgerissen und Skjor stand mit gezogener Waffe vor ihnen.

Mit einem Blick erfasste er die Situation und kniete sich zu Jörgen, dem er die starren Augen schloss. Vilkas verstand nicht was das sollte. Sein Verstand weigerte sich in diesem Moment die Tatsachen zu erkennen. Er wollte nur so schnell er konnte einen Heiltrank für seinen Bruder besorgen. Dass die Blutlache unter seines Vaters Kopf immer größer wurde und ein Dolch bis zum Heft in seinem Herzen steckte, sah er sehr wohl, doch die Konsequenz daraus bekam er irgendwie nicht so ganz mit. Er war wie ein Schutz, den sein Verstand um ihn gewoben hatte. Erst als Skjor ihn am Handgelenk packte

und ihm den Beutel aus den Fingern zog, nahm er von Skjor Notiz. „Lass mich!“, rief er. „Ich muss schnell einen Heiltrank holen gehen!“ „Vilkas!“ Ruhig und eindringlich versuchte Skjor auf ihn einzureden, während Farkas noch immer bebend auf dem Steinboden kniete. „Hier hilft kein Heiltrank mehr!“ „Aber doch nicht für Jörgen! Farkas ist schwer verletzt! Der alte Scheißkerl hat ihm den Arm gebrochen.“ Vilkas versuchte gegen Skjors Griff anzukommen. „Er wollte ihm auch noch den anderen Arm brechen und seine bloßen Füße in die Glut drücken!“ „Vilkas!“, versuchte Skjor es nochmals.

„Farkas wird sich erholen. Jörgen dagegen ist tot!“ „Ein Schweinehund weniger!“, rief Vilkas. „Lass mich los! Ich muss zu Arcadia!“ „Vilkas!“ Skjor brüllte jetzt seinen Namen. Oder rief ihn jemand anderer? Vilkas hielt inne und versuchte auf die Stimme zu lauschen. Da hörte er es noch einmal ganz leise und fern. Doch das war nicht Skjor. Die Stimme, die seinen Namen jetzt rief, würde er unter tausenden wieder erkennen. „Hana?“, fragte er und versuchte sich zu konzentrieren. Da konnte er ihre kühlen Hände spüren, die sanft auf seinem Gesicht lagen und ihre warmen Augen

erkennen, die mit besorgtem Ausdruck auf ihm ruhten. Da fiel plötzlich alles von ihm ab. Sein Vater, dessen Willkür, alles. Er war hier. Er war kein Junge mehr. Er war ein Mann und Hana war bei ihm. Hana, die all die Dunkelheit vertrieb, die solange schon sein Begleiter war. Vilkas spürte wie ihn all der Druck und der Alptraum seiner Vergangenheit verließ, dann wurde ihm erneut schwarz vor Augen. *** Leises Plätschern drang an sein Ohr. Tiefer Schlaf war ihm nicht mehr vergönnt, doch die Erschöpfung hatte

wohl zu etwas Ähnlichem geführt. Kurz orientierte sich Vilkas, doch es war ihm bald klar, dass er in einem Gästezimmer eines Wirtshauses liegen musste. Noch dazu kannte er dieses Zimmer. Er war nicht zum ersten Mal Gast hier. Der kleine Varis lag schlummernd in dicke Wolltücher gehüllt neben ihm. Sein Gesichtchen war rosig und frisch, wie nach einem warmen Bad, und er schlief tief und fest. Unwillkürlich musste Vilkas lächeln. Der kleine Bursche hatte schon viel durchgemacht. Nicht nur seine Geburt war traumatisch, auch die anschließenden Tage. Doch das schien ihn nicht wirklich zu beeindrucken. Er wirkte satt und zufrieden.

Wahrscheinlich brachte dieses Kind schon ganz besondere Fähigkeiten mit. Gerade als Vilkas seine Hand ausstrecken wollte um die rosige Wange des Knaben zu streicheln, hörte er das leise Plätschern erneut. Seine Wolfssinne waren wieder uneingeschränkt verfügbar. So stieg ihm Hanas Geruch, vermischt mit Seife, voll in die Nase. Sie badete! So leise er konnte, drehte er sich im Bett um. Das was er dann zu sehen bekam, verschlug ihm die Sprache. Hana saß in einem Holzbottich mit warmen Wasser. Es dampfte noch. Überhaupt war die Luft im Zimmer

ziemlich feucht, was wohl an der gewaschenen Wäsche liegen musste, die überall auf gespannten Leinen hing. Selbst die alte Kutte hatte sie gewaschen. Vilkas sah kurz an sich herab. Er roch auch so, als hätte ihn jemand gereinigt und frisches Gewand angezogen. Das konnte sie doch nicht alleine geschafft haben? Bevor er sich noch weiter wundern konnte, lenkte ihn ihre Bewegung ab, die er aus den Augenwinkeln sehen konnte und er blickte wieder gebannt auf sie. Sie saß mit dem Rücken zu ihm, gerade ein wenig gedreht, dass er ihre linke Brust sehen konnte, wenn sie den Arm hob. Die Peitschennarben auf ihrer hellen

Haut waren, trotz der Heilung im Tempel, immer noch deutlich zu sehen. Wie Furchen zogen sich die drei Striemen quer über ihren Rücken. Und an ihrer rechten Schulter hatte sie ein eigenartiges Mal, das beinahe wie eine Rune wirkte. Ansonsten war ihre weiße Haut makellos und glatt. Ihre langen, gewellten Haare hatte sie hochgesteckt. Nur eine vorwitzige Strähne hing ihr über den Rücken herab. Spiralförmig gelockt durch die Nässe. Ihr langer, schlanker Hals bog sich geschmeidig zur Seite, während sie mit der Hand den Schwamm vom Arm über ihren Hals zog. Vilkas sah ansatzweise ihr Profil, wie sie genießend ihre Augen geschlossen hielt

und den Schwamm nun über ihre Brüste bis zu ihrem Bauch hinunter zog. Steil hatten sich die Spitzen ihres großen, weichen Busens aufgestellt, als der Schwamm darüber fuhr. Vilkas starrte. Hanas Geruch, ihre anmutigen Bewegungen, ihr schlanker, weißer Hals, ihre Brüste, das alles hatte Auswirkungen auf ihn. Und was für welche auch noch! Da das Mädchen ihm zwar neue Gewänder angezogen hatte, aber die Hose in seinem Schritt nicht geschlossen hatte, fand seine Erektion sofort den Weg ins Freie. Doch Vilkas konnte seinen Blick nicht abwenden. Nicht einmal als Hana innehielt, den Schwamm sinken ließ und sich halb zu

ihm umwandte. Sie hatte seinen brennenden Blick bemerkt. Eine heftige Röte zog über ihr Gesicht, doch sie verhüllte ihren bloßen Körper nicht vor ihm. Auch sie begann ihn mit einem Ausdruck anzusehen, der Vilkas bei anderen Frauen sofort in Aktion gebracht hätte. Doch nicht bei ihr. Sein gesamtes Sein wollte dieses Mädchen, das ihn nicht nur durch ihren Liebreiz bezaubert hatte, sondern die auch seine fest verschlossenen Gefühle in Aufruhr brachte. Sie hatte etwas an sich, das sich, ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, sofort in sein vereistes Herz geschlichen hatte. An ihr zersplitterte seine Dunkelheit.

Das brachte sofort wieder Jörgen in seine Gedanken. Verächtlich schnaubte er innerlich. Was glaubte er eigentlich? Dass dieses Mädchen auf einen Vatermörder wie ihn gewartet hatte? Auch wenn sie den Werwolf akzeptierte, wenn sie das andere wüsste, würde sie schreiend vor ihm flüchten. Ganz zu schweigen davon, was er danach noch auf sein Gewissen geladen hatte. Ruckartig stand er auf. Hanas Blick, der kurz auf seiner bereits wieder abschwellenden Erektion hängen blieb, bevor sie ihn schamhaft senkte, entging ihm nicht. Ein Gedanke an seinen Vater reichte aus, um Vilkas sämtliche

Lustgefühle auszutreiben. Schnell band er sich die Hose zu und schlüpfte in die Stiefel, die Hana neben dem Bett bereitgestellt hatte. Sie selbst wusch sich rasch weiter. Die Tränen die ihr dabei herunter liefen, entgingen Vilkas jedoch. Hana schämte sich wie noch nie in ihrem Leben. Sie hatte sich noch nie so offenherzig einem Mann gezeigt wie Vilkas. Heimkar war der erste und einzige Mann in ihrem Leben gewesen. Sie war sehr schüchtern und er hatte sie erst ganz langsam an die Liebe und auch an die Geheimnisse, die sich zwischen Mann und Frau im Bett zutrugen, gewöhnen müssen. Sie hätte schwören können, dass Vilkas sie wollte, doch so

wie er schließlich reagiert hatte, musste er triftige Gründe haben, sie abzulehnen. Sie wusste ja nichts von ihm. Wahrscheinlich hatte er Frau und Kinder, die schon sehnsüchtig auf ihn warteten, während er immer noch damit beschäftigt war, eine ihm fremde Frau zu unterstützen. „Du bist so eine Idiotin!“, schimpfte sie leise mit sich. „Warum sagst du das?“ Entsetzt hielt Hana inne. Vilkas feines Gehör hatte sie ganz vergessen. Sie spürte wie sein Blick unbarmherzig auf ihren Rücken brannte und versuchte sich noch kleiner zu machen in ihrer Scham. Dann hörte sie wie er ergeben seufzte und mit einem trockenen Laken hinter sie

trat. „Komm heraus“, meinte Vilkas. „Du hast doch schon gar keine Haut mehr auf den Knochen, so wie du darüber scheuerst.“ Hana stand zögerlich auf, da spürte sie, wie er ihr das trockene Laken um die Schultern legte. „Außerdem…“, Vilkas zögerte, dann fuhr er entschlossen fort. „Du bist eine wunderbare Frau. Du hast etwas Besseres verdient, als einen kaltblütigen Mörder, wie mich. Vergiss am besten, was du gesehen hast. Ich bin auch nur ein Mann.“ Dann hob er sie mitsamt dem Laken aus dem Wasser. „Dann… ist es nicht, weil du verheiratet bist?“, fragte Hana schüchtern. Sie hatte

das Laken fest um sich geschlungen und wandte sich nun zu Vilkas um. Seine hellen Augen ruhten auf ihr, doch sein Gesicht hatte wieder den verschlossenen Ausdruck angenommen, den sie so gut schon kannte. Verächtlich prustete er, dann lachte er freudlos. „Ich bin ein Werwolf! Ein Monster. Welches vernünftige Mädchen würde sich in jemanden wie mich verlieben?“ Hana wurde tief rot. Als Vilkas das sah zuckte kurz so etwas wie Bedauern in ihm auf, dann verschlossen sich seine Züge erneut. „Du wirst auch noch draufkommen. Außerdem habe ich Dinge getan, die so unverzeihlich sind, dass nicht einmal Hircines Höllengründe mich

aufnehmen werden.“ Seine Augen wurden eisig. „Oder glaubst du etwa, dass ein Vatermörder Gnade verdient?“ Hana zuckte zusammen als hätte er sie geschlagen. Sie traute Vilkas vieles zu, doch niemals, dass er ein kaltblütiger Mörder sei. Da musste mehr dahinter stecken. Vielleicht lag genau darin Vilkas Dorn, den er sich selbstanklagend immer tiefer in das eigene Fleisch stieß. „Du selbst glaubst nicht, dass du Gnade verdienst und damit gibst du niemand anderem eine Chance“, antwortete sie und begann sich abzutrocknen. Vilkas kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was musste er dem Mädchen noch an den Kopf werfen, damit sie sich

angewidert von ihm abwenden würde? Ärgerlich fuhr er sich durch die Haare. Im Moment war er zu aufgewühlt, um richtig denken zu können. „Ich gehe in die Gaststube um etwas zu essen. Komm nach, wenn du fertig bist. Du brauchst dringend etwas zwischen die Rippen, so dünn und ausgemergelt wie du bist.“ Er brauchte nicht zu ihr zu sehen, um zu wissen, dass seine Worte sie getroffen hatten. Doch er wollte wieder Abstand zwischen sich und ihr schaffen. Er durfte sich mit ihr nichts anfangen, auch wenn sie ihm noch so gefiel und nicht nur sein Körper, sondern auch seine ganze Seele sich nach ihr verzehrte. Das war einfach besser so. Für sie beide.

Vilkas aß bereits seine zweite Portion. In der normalen Kleidung hatte ihn der Wirt endlich erkannt und sich wortreich dafür entschuldigt, dass er seine Frau – Vilkas krümmte sich erneut bei diesem Gedanken – dazu genötigt hatte, bereits für das Zimmer und alle weiteren Aufwendungen zu zahlen. Es wunderte ihn nicht, dass er in einer dreckigen Kutte nicht erkannt wurde, obwohl er in Einsamkeit schon einige Aufträge im Namen der Gefährten erledigt hatte. Auch mit der einfachen Kleidung war es sicherlich schwer, denn er reiste immer in schwerer Rüstung und guter Bewaffnung. Kurz versuchte der

Wirt ihn auszufragen, doch Vilkas blockte ab. Er war nicht in der Stimmung dazu. Noch immer quälten ihn seine Begierden nach Hana und seine innere Vernunft, die ihm das ausreden wollte. Es verging eine ziemlich lange Zeit, bis das Mädchen herunter kam. Ihr Anblick traf Vilkas wieder einmal mitten ins Herz. Ohne ihre Blessuren im Gesicht strahlte ihre natürliche Schönheit, die durch ihr sanftes Lächeln noch untermalt wurde, durch den ganzen Raum. Selbst Lisette, die hübsche Bardin, verblasste gegen Hanas unschuldige Weiblichkeit. Vilkas stöhnte auf. Er hatte gewusst, dass es eine schlechte Idee war das Mädchen mitzunehmen. Nicht nur wegen

der Gefahr, die er instinktiv an ihr bemerkt hatte und die sich dann auch in Form der Vampire, als eine wirklich große Bedrohung herausgestellt hatte. Nein, er hatte auch gespürt, dass dieses hübsche, feinfühlige Mädchen, seinen Eispanzer zu Fall bringen konnte. Und er wusste, dass Farkas das genauso gesehen hatte. Er verwünschte seinen kupplerischen Bruder. Das würde dieser noch bereuen, wenn sie wieder aufeinander treffen würden. Er schickte Vilkas durch die Hölle! Und das jetzt schon! Dabei wusste er wie kein anderer, dass sich Vilkas nie und nimmer auf eine wahre Beziehung einlassen könnte – als der Mörder, der er war. Nicht zu

vergessen, dass sie mit Hircines Bedrohung im Hintergrund, das sowieso nicht mehr tun konnten. Unbehelligt von Vilkas dunklen Gedanken, schritt Hana anmutig zu seinem Tisch. Die begehrlichen Blicke der Männer, trotz ihres Neugeborenen, den sie in üblicher Weise am Körper trug, schien sie dabei nicht zu bemerken. Vilkas grollte und schnell blickten die Kerle in eine andere Richtung. Der Wirt, der einen weiteren Teller an seinem Tisch abstellte, schlug ihm gutmütig auf die Schulter. „Lasst sie doch“, meinte er versöhnlich. „Sie schauen doch nur. Und ganz unter uns: Eure Frau ist wahrlich eine Augenweide!“

Vilkas verkrampfte sich. Doch er kam nicht mehr dazu etwas zu erwidern. Hana war bereits bei ihm und setzte sich mit einem herzlichen Lächeln auf den Lippen an seine Seite. Sie schien ihm nicht einmal seine beleidigenden Worte mehr übel zu nehmen. Das gab Vilkas noch mehr Grund sich über sich selbst zu ärgern. Sie war wohl eine genauso gutmütige Seele wie Farkas. Zum Glück ging ihr Gespräch bei Tisch in eine andere Richtung. Hana berichtete ihm über die Vorkommnisse im Tempel und auch darüber, dass der Priester nicht sagen konnte, ob Varis wirklich geheilt war oder nicht. Das belastete sie sehr,

doch sie sprang schnell zu einem anderen Thema. Neugierig, wie wohl alle Frauen waren, wollte sie etwas über Aela erfahren. Sie hatte nur am Rande mitbekommen, dass sie wohl Farkas Frau gewesen war. Als Vilkas ihr die Geschichte schließlich erzählte, rollten ihr doch tatsächlich Tränen des Mitgefühls über ihre Wangen. „Bei den Neun!“, rief sie völlig aufgelöst. „Das ist ja schrecklich. Und ich dumme Kuh fragte Farkas auch noch, ob er schon Vater sei! Das tut mir so leid!“ „Du wusstest doch nichts davon. Wenigstens kann er nun seiner Frau und seinem Ungeborenen eine richtige

Bestattung ermöglichen. Die Ungewissheit über ihr Schicksal, war das Schlimmste. Ich hoffe für Farkas, dass er bereits auf dem Weg nach Hause ist. Apropos…“ Eindringlich sah er Hana an. „Du musst doch noch das Geld haben, das ich dir umgehängt habe. Ich werde es brauchen um eine passende Rüstung und Waffen zu besorgen.“ Das Mädchen blickte ihn unschuldig an. „Davon ist nicht mehr viel übrig.“ Dann kramte sie an ihrem Gürtel und stellte den nur mehr notdürftig gefüllten Beutel auf den Tisch. Vilkas fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Wie gibt es das? Das waren 2000 Septime, die wir von Rorik bekommen

haben!“ Entweder konnte er nicht mehr rechnen, aber so viel waren die Sachen, die sie gekauft hatte doch nicht wert gewesen. Seine Stimme war wohl etwas schärfer geworden, als er beabsichtigt hatte, denn Hana zuckte schuldbewusst zusammen. „Es… es tut mir leid, Vilkas. Aber… aber ich musste doch dem Tempel eine Spende für die Heilung überlassen und einem alten, hungernden Kriegsveteranen habe ich auch etwas gegeben.“ Vilkas konnte fühlen, wie seine Beherrschung an ihre Grenzen kam. Diese Frau hatte in ihrer Unschuld beinahe 2000 Septime ausgegeben! Einfach so! „Außerdem waren die Stoffe bei den Schwestern

ziemlich teuer. Auch die Mäntel und deine Stiefel.“ „Du hast bei den Hochelfen-Halsabschneiderinnen eingekauft?“ Vilkas spürte wie seine Adern vor Ärger anschwollen. Er holte auch noch den Geldbeutel hervor, den sie von den Vampiren mitgehen ließen. Doch darin waren nur 100 Septime. Vilkas versuchte sich zu beruhigen. Er gab Hana nicht die Schuld, auch wenn ihn ihre unbedarfte Art mit Gold umzugehen, doch ein wenig ärgerlich machte. „Hana“, begann er beherrscht. „Die Gefahr ist noch nicht vorüber. Du weißt das. Ich brauche unbedingt eine Rüstung und Waffen um dich zu schützen. Um uns zu schützen.“

Ihr ungläubiger Blick ließ ihn seufzen. Leise fuhr er fort: „Ich kann mich nicht mehr oft verwandeln. Den Grund dafür erkläre ich dir ein anderes Mal. Fest steht jedoch, dass ich etwas brauche, um mich auszurüsten.“ „Das… das wusste ich nicht“, stotterte sie ergriffen. „Es tut mir leid, Vilkas. Ich werde dir alles zurückzahlen, sobald ich etwas erarbeitet habe. Ich schwöre es dir!“ Er ergriff ihre ausgestreckte Hand, die sie ihm über den Tisch entgegenstreckte und drückte sie leicht. „Darum geht es doch nicht.“ Er sah wie sie sich Vorwürfe machte und das wollte er auf keinen Fall. Dass er sie dabei liebevoll ansprach,

entging ihm. Es rutschte einfach aus ihm heraus, wenn er nicht absichtlich versuchte seine unnahbare Wand zwischen ihnen aufzuziehen. „Mach dir keine Sorgen. Es gibt hier jemanden, der mir noch etwas schuldig ist.“ Er seufzte. „Ich wollte es zwar vermeiden, aber der Weg wird mir wohl nicht erspart bleiben.“ „Gibt es nicht noch eine andere Möglichkeit?“, fragte Hana. Ihre Wangen hatten ein zartes Rot aufgezogen, was wohl sein liebevolles Wort und seine Berührung mit sich gebracht hatte. Da Vilkas in Gedanken aber schon bei seinem nächsten Ziel war, entging ihm der Zusammenhang. Er fand nur, dass sie

mit der zarten Röte noch lieblicher aussah. „Nein“, meinte Vilkas und stand rasch auf. Wenn er so recht überlegte, war das eigentlich sogar eine gute Idee, diesen Weg einzuschlagen. „Keine Sorge. Es ist nicht wirklich schlimm. Es wird nur ein wenig dauern. Warte hier und verlasse den Gasthof nicht. Ich komme wieder, sobald ich alles habe.“ Beim Hinausgehen sah Hana, wie Vilkas sich zu einem wild aussehenden Mann herabbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Dann wechselte der Beutel mit den 100 Septimen seinen Besitzer und der Mann stand auf und ging zu ihr. Krachend ließ er sich auf einen Stuhl fallen. Vilkas

hatte ihn wohl angeheuert auf sie aufzupassen, solange er weg war. *** Ihr erregtes Keuchen ließ Vilkas weiter sanft über ihre Brüste streichen, während seine Lippen fordernd über ihre Halsbeuge fuhren. Das Kleid hing ihr bereits um die Hüften und sein Hemd lag auf dem Boden. Die Hände der blonden Frau fassten zielsicher an seine Erektion. Die Frau wusste was sie tat und wie sie es tat. Vilkas hatte es noch nie bereut mit ihr zu schlafen. Bis auf das Jammern, das sie dann an den Tag legte, wenn er wieder aufbrach. Sie hätte ihn am

liebsten bei sich an ihrem Hof behalten. Doch das kam für Vilkas nie in Frage. Er wollte nicht ständig die bedrohlichen Blicke ihres früheren oder ihres jetzigen Mannes ständig zwischen seinen Schulterblättern spüren. Und schon gar nicht die neidischen und feindseligen ihres Huscarl. Doch jetzt war nicht die Zeit an ihren Hofstaat zu denken. Dafür widmete Elisif sich viel zu intensiv seiner unteren Region. Mit einem gutturalen Laut ließ Vilkas von ihren Brüsten ab und lehnte sich zurück. Oh ja! Es war eindeutig eine gute Idee gewesen, hierher zu kommen! Sie standen in einer Nische der Rüstungskammer, in die ihn die Jarl von

Einsamkeit begleitet hatte. Doch die kühle Wand, an welche sich Vilkas nun lehnte, trug nicht dazu bei, dass seine Begierde geringer wurde. Dazu wusste Elisif viel zu sehr, was ihm gefiel. Und nicht nur ihm, nahm er stark an. Elisif sah ihn herausfordernd an. Dabei hörten ihre Hände nicht auf, über sein erigiertes Glied zu streichen. Der große Mann stöhnte unterdrückt. „Eigentlich sollte ich böse sein!“, nörgelte die Fürstin von Einsamkeit. „Schon seit Monaten hast du dich nicht mehr bei mir sehen lassen!“ „Du bist wieder verheiratet!“ Vilkas beugte sich vor, um ihre bebenden Lippen zu küssen und ihr das Kleid

endgültig herabzuziehen. Dabei ließ er seine Hände über ihre weichen Rundungen und bis in ihren Schritt gleiten. Gewandt fuhren seine Finger unter ihr Höschen. Elisif stöhnte auf und der Geruch ihrer Erregung stieg Vilkas in die Nase. Sein Verlangen steigerte sich dabei ins Unermessliche. Die feinen Werwolf-Sinne, die selbst in menschlicher Gestalt ausgeprägt waren, hatten ihn zumindest an diesem Aspekt des Wolfsgeistes immer zutiefst Gefallen finden lassen. „Das hat dich früher auch nicht aufgehalten“, meinte Elisif keuchend und presste sich seinen Fingern entgegen, bis sie atemlos inne hielt. Dann drückte sie

Vilkas von sich weg und mit einem lüsternen Blick auf ihn, ging sie in die Hocke. „Vielleicht muss ich dich mehr stimulieren, damit du wieder öfter deinen Weg zu mir findest.“ Vilkas stieß mit seinen Kopf gegen die Wand. Doch das half auch nichts. Elisif wusste einfach zu gut, wie sie einen Mann betören konnte. Nicht, dass er das nicht wollte. Doch die Jarl war ein zweischneidiges Schwert. Das hatte er früher schon erkannt. Sie änderte ihre Meinung, wie es ihr gerade in den Sinn kam. Dass sie ihn nach Monate langer Abwesenheit wieder so feurig aufnahm, wunderte ihn. Aber vielleicht hatte ihr jetziger Mann im Moment andere

Probleme, als seine Frau im Bett zu beglücken. Und Elisif hatte diesbezüglich einen enormen Appetit. Auch das kannte er von früher. Aber wer war er schon, um sich darüber zu beschweren? Er kam auf seine Kosten und etwas anderes, außer einem kurzen Zwischenspiel, hatte er früher sowieso nie im Sinn gehabt. Und heute? Kam es ihm gerade Recht, um ihm zu zeigen, was er verdiente. Einen schnellen Zeitvertreib, sonst nichts. Elisifs heißer Atem schlug ihm gegen seinen erigierten Penis. Ihr Mund und ihre Zunge führten kleine Kunststücke auf, die Vilkas den Puls noch höher trieben und ihm auch die düsteren

Gedanken verscheuchten. Mit einem beinahe bedauernden Seufzer holte er sie schließlich zu sich hoch. Elisif wäre wohl sehr enttäuscht von ihm, als Liebhaber, wenn er sich jetzt gehen ließe und ihr nicht das gab, worum es ihr in Wirklichkeit ging. „Nun, habe ich es geschafft, dich zu überzeugen?“, fragte sie gurrend. Doch Vilkas knurrte nur tief aus seiner Kehle und hob sie mit seinen kräftigen Armen hoch. Begehrlich schlang Elisif ihre Beine um seine Hüften und rieb sich an seiner Erektion. Es war deutlich was sie wollte. Mit einem Griff zog er ihr Höschen beiseite und drang in sie ein. Mit einer Hand unterstützte er sie, mit

der anderen stemmte er sich an der Wand ab, als er sich rhythmisch in ihr zu bewegen begann. Elisif biss ihm in den Hals, dann warf sie den Kopf zurück und drückte sich seinen Bewegungen entgegen. Ihren Rücken stütze sie ebenfalls an der Wand ab. Vilkas hörte wie ihr Atem immer hektischer wurde und ihre Bewegungen immer fordernder. Er lachte, dann küsste er sie. Er wollte nicht noch mehr Bisse an seinem Hals haben. Schließlich schrie sie in ihrem Höhepunkt auf und Vilkas hielt sich nun nicht mehr zurück, was sie noch lauter in ihren Nachwellen werden ließ, bis er schließlich ebenfalls Erleichterung in ihr fand.

Langsam ließ er Elisif von sich herab. Ihre sanften Küsse erwiderte er gerade so weit, um sie nicht zu beleidigen. Doch sie kannte ihn gut genug. Seufzend ließ sie endlich von ihm ab. „Schon gut!“, meinte sie. „Allein, dass du zu mir gekommen bist, obwohl du bereits Frau und Kind hast, rechne ich dir hoch an. Du weißt, dass du jederzeit bei mir einen Platz hättest.“ Vilkas wollte zuerst lachen, dann stockte er. „Woher weißt du…“ „Meine Spione habe ich überall und dich kennt man eben, mein Lieber.“ Beleidigt schürzte sie ihre Lippen, als sie ihr Kleid wieder überstreifte. „Du hast mir nie von

ihr erzählt. Du hast immer deine Arbeit bei den Gefährten hervorgehoben, die dir keine Zeit für etwas anderes lässt.“ „Genau. Und jetzt bin ich auch noch ihr Herold, Elisif. Außerdem ist die Kleine nicht meine Frau. Ihr helfe ihr nur.“ „Ach. Erzähl mir nichts. Du hast dich verändert.“ Aufreizend strich sie ihm über seinen Schritt, den er bereits wieder geschlossen hatte. „Nicht als Liebhaber. Da bist du nach wie vor nicht zu überbieten.“ Elisif seufzte bedauernd. „Das werde ich wirklich vermissen, Vilkas. Aber, wer weiß, vielleicht findest du wieder einmal deinen Weg zu mir. Und nicht nur, weil du eine Rüstung brauchst.“ Die Jarl wandte sie sich um

und deutete auf die Waffen und Harnische im Raum. „Also bitte. Nimm dir, was du willst.“ Dann begannen ihre Schultern zu beben. Mit einer schnellen Bewegung war sie wieder bei ihm und küsste ihn tief. „Ich beneide sie!“, rief sie leidenschaftlich. „Du hast mir nie etwas versprochen. Aber ich glaube, ich war immer ein klein wenig in dich verliebt. Vergiss das nie, Krieger!“ Elisif riss sich schließlich los und mit einem letzten Blick auf ihn, rauschte sie aus der Rüstungskammer, die sie vorher noch aufschloss. Sie konnte es sich nicht leisten ertappt zu werden, auch wenn jeder wusste, einschließlich ihres Mannes, wer im Moment ihr Favorit war.

Vilkas hatte diese kleinen amourösen Abenteuer mit ihr bereits seit fünf Jahren. Es war nie etwas Ernstes. Immer nur ein kurzes Zwischenspiel, sobald er in Einsamkeit war. Farkas warnte ihn davor sich mit ihr einzulassen. Er konnte Elisif nicht leiden. Sie hätte auch ihn am liebsten in die Liste ihrer Liebhaber hinzugefügt. Am liebsten mit Vilkas zusammen. Doch Farkas war unerbittlich in seiner Ablehnung. Er war zu geradlinig und ehrlich für sie. Vilkas erheiterte sich. Er dagegen passte gut zu Elisifs Verruchtheit. Von wegen: Er und Hana! Das war ja, als würde sich ein Dämon für einen Engel interessieren. Nein. So wie

sein Leben war, war es gut. Außerdem, würde es – Dank Hircine – sowieso nicht mehr lange währen…

11 farkas, trolle und das drachenblut

Obwohl es noch eine Zeit lang hell sein würde, schläferte ihn das Rumpeln der Kutsche beinahe ein. Doch wenigstens befand er sich endlich in einer. Farkas saß bis am Abend in Morthal fest. Die einzige Kutsche, die am Morgen nach Weißlauf aufgebrochen war, hatte er versäumt. Die nächste Kutsche, die ebenfalls in diese Richtung fuhr, kam erst am Abend. Zu dieser Stunde war der Kutscher aber nicht mehr bereit aufzubrechen. Und mit Aelas Leichnam war Farkas sogar gezwungen, außerhalb der Gastwirtschaft zu nächtigen. Die

Wirtin weigerte sich ihn mit seiner toten Fracht einzulassen. Weitere Heiltränke konnte er sich ebenfalls nicht leisten, wenn er die Fahrt bezahlen wollte. Somit war die Nacht nicht sehr erholsam gewesen. Andererseits, er hätte Aelas Leichnam nicht irgendwo liegen lassen wollen. Außer in seiner Nähe. Farkas streckte sich. Aber nicht weit. Das schmerzhafte Reißen in seiner Seite, ließ ihn augenblicklich inne halten. Doch es war zu spät. Seine Wunden, die sich bereits infiziert hatten, waren wieder aufgeplatzt. Warm sickerte das Blut heraus und er versuchte es mit einem Leinentuch und ein wenig Druck, wieder zum Versiegen zu bringen.

„Diese verdammten Vampire!“, dachte er verstimmt. Doch es nutzte nichts. Er musste zuerst nach Jorrvaskr kommen, um sich ordentlich zu heilen. Das Geld, das sie in den Vampirhöhlen gefunden hatten, reichte gerade für die Kutschenfahrt und eine Übernachtung. Wenigstens hatte er seine Frau gefunden und konnte sie nun nach Hause bringen. Auch wenn der Kutscher zuerst getobt hatte und ihn nicht mit der Leiche transportieren wollte, schaffte es Farkas mit ‚handfester‘ Überzeugungskraft, dass der Mann sich doch dazu bereit erklärte. „Wenigstens hat der Jammerlappen zum Lästern aufgehört!“, dachte sich Farkas

und versuchte sich wieder zu entspannen, was mit all den Wunden nicht ganz so leicht war. Träge blickte er sich um. Sie waren wieder im Troll Land. Der einsame, verlassene Landstrich, durch den sie schon mit Hana gewandert waren. Eine unwirtliche Gegend, aber eine Abkürzung, wenn man nach Weißlauf wollte. „HEY!“, hörte er da die unfreundliche Stimme seines Kutschers. „Macht gefälligst den Weg frei, ihr Gesindel!“ Dazu knallte er mit seiner Peitsche. Farkas Müdigkeit war mit einem Schlag verflogen. Neugierig beugte er sich vor, um etwas zu sehen. Das hätte er lieber sein lassen sollen. Denn vergessen waren

die Schmerzen. So schnell er konnte, riss er dem Kutscher die Peitsche aus den Händen und sprang vom Wagen. „Seid Ihr von Sinnen!“, rief er zornig zu dem derben Mann auf dem Kutschbock. „Vielleicht sollte ich Euch einmal von Eurer eigenen Kost geben. Damit Ihr Euch vorher überlegt, auf wem Ihr die Peitsche tanzen lasst.“ Dann beugte er sich zu einer zitternden, sichtlich kranken Frau herab, um ihr auf zu helfen. Sie hatte ein einfaches Kleid an, das an einigen Stellen schon zerschlissen war. Es hatte eindeutig schon bessere Zeiten gesehen. Blonde, kinnlange Haare umrahmten ein schmales, bleiches Gesicht, aus dem die Augen dunkel

umrandet hervor stachen. Sie war eindeutig krank. „Danke, mein Herr!“, flüsterte die Frau und hustete. Dann sah sie sich erschrocken um, nur um erleichtert auszuatmen, als ein kleines Mädchen hinter einem Felsen hervor kam. Die Kleine hatte sich wohl dahinter versteckt, als der Kutscher nach der Frau schlug. „Mama!“, rief sie und drängte sich an die Frau heran. „Schon gut, Kleines!“, versuchte die entkräftete Frau ihr Kind zu beruhigen. „Was macht Ihr hier, in dieser einsamen, gefährlichen Gegend?“, fragte Farkas. „Noch dazu ohne Reittiere oder

Schutz?“ „Ich bin unterwegs nach Weißlauf“, antwortete die Frau. „Dort habe ich Verwandte, an die ich mich wenden möchte.“ Farkas zögerte nicht lange. „Dann kommt mit. Ich habe denselben Weg.“ „Das kommt nicht in Frage!“, tobte da der Kutscher von oben. „Da kann ich mein Geschäft ja gleich zumachen, wenn ich jeden Dahergelaufenen einfach so mitnehme!“ „Jetzt macht nicht so einen Krach! Wenn Ihr wollt, zahle ich Euch den Preis für die Frau und ihr Kind.“ Mit Verachtung warf er dem Mann die letzten Münzen hin, die er noch besaß. Dann wandte er

sich zu der Mutter. „Kommt, ich helfe Euch hinauf.“ „Danke!“, sagte sie und setzte sich mit ihrem Kind auf Farkas gegenüberliegende Seite. Erschöpft schloss sie die Augen. Das kleine Mädchen kuschelte sich sofort bei ihr ein und sah mit großen Augen auf Farkas. Die beiden hatten nicht einmal einen Mantel, der sie in der Nacht vor der Kälte schützte. Ein einfaches Bündel, das die Frau in den Händen hielt, schien ihre einzige Habe zu sein. Und so wie sie aussahen, hatten sie auch schon länger nichts Richtiges mehr zum Essen gehabt. Farkas begann in seinem Beutel zu kramen, den er aus der Vampirhöhle

mitgenommen hatte. Darin befanden sich die silbernen Hand- und Fußmanschetten mit ihren Ketten, die er um seine Gelenke getragen hatte. Sie hatten ihn auf eine Idee gebracht, die er unbedingt mit Eorlund besprechen wollte. Doch es gab noch andere Sachen in seinem Beutel. Er hatte sich in Morthal mit ein wenig Proviant eingedeckt, aber seine Verletzungen hatten ihn appetitlos gemacht. Endlich fanden seine sondierenden Finger das Gesuchte. Mit einem freundlichen Lächeln bot er dem Kind von dem Brot und dem Käse an, den er aus dem Beutel gezogen hatte. Das Kind blickte kurz zu seiner Mutter und als diese nickte, griff es schnell vor

und schnappte sich das Essen. Beinahe gierig biss es in das Brot und Farkas kramte erneut in seiner Tasche. Nochmals wurde er fündig und er bot der Frau den Apfel an, der sich vor seinen suchenden Fingern nicht mehr verstecken konnte. „Ihr seid zu gütig, danke!“, sagte sie erschöpft, nahm aber das Obst und biss hinein. „Ihr seid krank“, meinte Farkas unverblümt zu ihr. „Gab es keine Heilung? Dort, von wo ihr herkommt?“ Sie begann zu lachen. „Die muss man sich erst leisten können.“ Dann wurde sie ernst. „Nein. Die Alchemistin von Markarth – von dort kommen wir her –

hatte nichts dagegen gefunden. Und selbst in den Tempeln schaffte der Segen der Götter nur kurzweilige Besserung.“ „Was fehlt Euch?“, fragte Farkas. „Das konnte mir niemand sagen.“ Die Frau schloss kurz die Augen, dann sprach sie weiter. „Ich dachte, ich sei wieder schwanger, doch das war es nicht. Da ist etwas in meinem Bauch, das wächst. Doch es ist kein Kind, es frisst mich langsam von innen her auf. Ich nehme ab und werde auch immer schwächer.“ „Wir haben eine gute Alchemistin in Weißlauf“, bemerkte Farkas. „Und der Tempel von Kynareth ist bekannt für seine Heilungen.“ Die Frau lächelte müde. „Danke für Eure

Bemühungen, aber ich glaube, dazu ist es bereits zu spät. Ich habe nicht mehr lange zu leben. Ich hoffe nur, ich schaffe es noch, meine Kleine zu meiner Schwester zu bringen. Sonst bliebe ihr nur mehr ein Heim, denn mein Mann starb im Bürgerkrieg.“ „Ihr dürft nicht so schnell aufgeben. Euer Kind braucht Euch. Wie alt ist sie überhaupt?“ „Sie ist vier Jahre alt und heißt Madi. Ich bin übrigens Setha.“ Madi starrte Farkas die gesamte Zeit über an, während sie sich mit dem Brot vollstopfte. „Und Ihr?“, fragte Setha den Krieger. „Ihr seht auch nicht ganz gesund aus. Vor allem nicht das frische Blut an Eurer

Seite.“ Farkas zog erstaunt seine Augenbrauen hoch. „Ihr seid eine gute Beobachterin. Es stimmt. Mein Name ist Farkas. Ich wurde im Kampf schwer verletzt und meine gesamte Rüstung wurde unbrauchbar gemacht. Dafür fand ich meine verstorbene Frau, die ich jetzt endlich nach Hause bringen kann. Ich hoffe, Ihr stört Euch nicht daran.“ Setha blickte auf das Bündel, das unterhalb von Farkas Bank lag. Bedauern blitzte in ihren Augen auf. „Ihr habt wohl auch viel Leid erfahren“, sprach sie. „Aber mich stört das keinesfalls.“ Sie begann Farkas zu studieren. „Dann seid Ihr ein

Krieger?“ „Ja. Ich gehöre zu den Gefährten, wenn Ihr davon schon einmal gehört habt.“ Die Frau nickte. „Ich glaube, ich kann mich sogar an Euch erinnern. Ihr habt einen Zwillingsbruder, nicht wahr?“ Farkas blickte sie erstaunt an. Doch sie lächelte nur. „Kein Wunder, dass Ihr Euch meiner nicht entsinnt. Ich war Köchin, Magd und Mädchen für alles, im Dienst von Thonar Silber-Blut. Ihr beide wart einmal bei ihm, und habt ihn wegen der Abgeschworenen ausgefragt. Kurz darauf wurde er von deren Anführer getötet und ich verlor meine Stelle.“ In Farkas blitzte Erkennen auf. „Ihr wart die hübsche, kleine Magd, die uns die

Tür öffnete! Das war vor ein paar Monaten.“ Dann schüttelte er den Kopf. „Schon seltsam, wie die Götter unsere Schicksalswege wieder kreuzen.“ „Ihr wart beeindruckend und furchteinflößend in Euren Monturen. Ihr wirkt auch jetzt, trotz der Kutte, immer noch einschüchternd.“ Farkas lachte. „Ja, wie ein monströser Priester, der seine Bestimmung verloren hat!“ Setha fiel in sein Lachen ein, bis ein ohrenbetäubendes Brüllen das Pferd zum Scheuen brachte. Dem Kutscher gelang es gerade noch den alten Klepper vom Durchgehen abzuhalten. Da war der Troll bereits heran und riss einen Teil der Kutschenrückwand herunter. Setha

schrie auf und drückte ihr Kind schützend an sich. Farkas verfluchte den Umstand, so völlig ohne Waffen zu sein. Nicht einmal einen Dolch besaß er und die Peitsche hatte er liegen gelassen. Dennoch sprang er dem Troll entgegen und schlug ihm seine Beine in die Brust, was das Untier nach hinten fallen ließ. „Wie kommen diese Biester nur bis hier herunter?“, fragte er sich. „Das haben sie noch nie gemacht!“ Er wusste, dass sie sich im Troll Land befanden. Kurz vor der Gastwirtschaft ‚Geiereck‘. So seltsam es war, aber es war in etwa die Stelle, an der sie vor zwei Tagen von den Vampiren überwältigt worden waren. Farkas fackelte nicht lange. So schnell er

konnte, hob er einen großen, spitzen Stein hoch und schmetterte ihn dem Troll gegen den Schädel. Dank seiner Kraft konnte er sogar einen Trollschädel spalten. Der Stein war zum Glück spitz und hart genug gewesen. „Los Kutscher!“, rief Farkas, der sich wieder auf den Wagen schwang. „Fahrt weiter!“ Doch er sprach zu einem leeren Kutschbock. Ein weiterer Troll war hinter den Felsen, neben der Straße, hervorgeschnellt und hatte den Mann mit einem Hieb vom Bock geschlagen. Das Pferd kannte nun kein Halten mehr und stob davon. Farkas verlor ebenfalls den Griff, als der Gaul so plötzlich los

galoppierte und fiel vom Wagen. Setha und Madi schrien auf, doch Farkas konnte ihnen nicht einmal nachstürzen, da der Troll sich bereits siegessicher über ihn beugte. Der Kutscher kroch jammernd auf die Seite, als ein dritter Troll hervorsprang und ihn am Fußgelenk packte. Sein panischer Schrei hallte mehrfach von den Felsen wieder, als er wie Vieh von dem Untier davongezogen wurde. Farkas versuchte den Griffen des Trolls auszuweichen, der sich über ihn gebeugt hatte, doch es war vergebens. Das Biest packte ihn an der Kutte und riss ihn zu sich hoch. Dann brüllte er ihm seinen übelriechenden Atem entgegen, was

Farkas ausnutzte und ihm einen mächtigen Tritt in den Unterleib gab. Augenblicklich wurde er losgelassen. Hart prallte der große Mann auf die steinige Straße. Genau auf die rechte Seite, die vom Magiestrahl des Vampirs so in Mitleidenschaft gezogen worden war. Der Schmerz, der ihn durchfuhr, ließ Farkas kurz schwarz vor Augen werden, doch seine linke Hand suchte schon fieberhaft nach einem passenden Stein. Der faulige Atem des Trolls traf bereits wieder seine Wange, als seine Finger endlich fündig wurden. Schützend hielt Farkas seinen rechten, verwundeten Arm vor sein Gesicht, in den der Troll sich sofort verbiss. Der Schmerz ließ

Farkas aufschreien, doch er schlug dem Biest den Stein, den er mit seiner Linken fest umschlossen hielt, dennoch unbarmherzig gegen die Schläfe. Er zertrümmerte zwar nicht dessen Schädel, dennoch erreichte er, dass der Troll kurz von ihm abließ. Farkas sprang auf und setzte sofort nach. Diesmal trieb er dem Biest den scharfkantigen Stein durch die Schädeldecke bis ins Gehirn. Augenblicklich hörten alle Laute auf und das Untier fiel leblos auf die Straße. Keuchend und sowohl aus alten, wie auch aus neuen Wunden blutend, richtete sich Farkas auf. Da drang das unmenschliche Kreischen des Kutschers an sein Ohr. Der Mann war ein verrohter Kerl, doch

Farkas schnellte herum so schnell er konnte und lief zu den Felsen, hinter welche der dritte Troll sein Opfer gezerrt hatte. Kurz überlegte er, ob er den Beutel mit den Silbermanschetten von sich werfen sollte, denn diese behinderten eindeutig die Verwandlung in die Wolfsbestie. Vor allem, da er immer noch den Silberring um seinen Hals trug. Doch Farkas verwarf diese Idee. Irgendwie wusste er instinktiv, dass diese Verwandlung wohl seine letzte wäre. Hircines Drängen war bereits so laut und übermächtig, dass er dem nichts mehr entgegenzusetzen gehabt hätte. Als Werwolf ohne Bewusstsein, wäre er aber für die Leute auch keine Hilfe mehr,

sondern eine weitere Gefahr. Und ein klein wenig hing er doch noch an seinem Leben. Zumindest solange, bis er Aela beerdigt haben würde. So sprintete er los, nur um in Grauen zu erstarren. Er hatte schon vieles gesehen, doch wie der Kutscher kreischend zwischen zwei Trollen hing, die sich um ihn stritten und der eine ihm mit einem Ruck schließlich den Arm ausriss, war etwas, das selbst Farkas Blut gefrieren ließ. Der Mann schrie immer noch, als der Troll, der ihn am Fuß gepackt hatte, ihn weiter hinter sich her schliff und wieder tiefer zwischen den Felsen verschwinden wollte. Farkas brüllte ihm hinterher und schleuderte den spitzen

Stein gegen seinen Schädel, sodass der Troll knurrend inne hielt. Zumindest ließ er den Kutscher los und wandte sich zu Farkas um. Der Mann schrie immer noch, während sein Blut unaufhörlich aus der grauenhaften Wunde floss. Der andere Troll, der ihm den Arm ausgerissen und zwischen die Kiefer gesteckt hatte, schaute wieder begehrlich zum kreischenden Kutscher. Mehr konnte Farkas nicht sehen, da er seine Aufmerksamkeit ganz auf den Troll vor ihm richten musste. Er fand auch einen passenden Stein, den er als Waffe benutzen konnte, doch der Troll war etwas gewiefter, als seine Kumpane. Er

griff nicht sofort an, sondern blinzelte den Gefährten mit seinen kleinen, verschlagenen Augen an. So viel Zeit hatte Farkas aber nicht, während der Kutscher verblutete, oder noch schlimmer, von dem anderen Troll bereits weggeschleift wurde. Mit einem mächtigen Sprung stieß sich Farkas ab und wollte dem Troll den spitzen Stein wieder in den Schädel rammen, doch das Biest durchschaute ihn und schlug Farkas mit seinen Pranken in die Seite, sodass es ihn gegen den Boden katapultierte. Sämtliche Luft wurde aus seinen Lungen gedrückt und erneut landete er auf seiner wunden rechten Seite, die er nun nicht mehr spürte. Alles war taub. Schnell

umspannte er seine Steinwaffe mit der linken Hand und holte zum Schlag aus. Gerade noch rechtzeitig, denn der Troll war wieder heran und sperrte weit die Kiefer auf, um Farkas gleich den Kopf abzureißen. Das konnte der Gefährte gerade noch verhindern, doch er schaffte es nicht mehr sich aufzurichten. Mit dem tauben rechten Arm, konnte er auch nicht mehr den Beutel herunterreißen um die Wolfsbestie wenigstens zum Teil heraufzubeschwören. So fasste er den Stein mit der linken Hand noch fester und wappnete sich auf den neuerlichen Angriff, dem er nun kaum mehr etwas entgegensetzen konnte. Da war das Biest auch schon über ihm

und starrte ihn triumphierend an. Mit einer seinen Pranken stand er auf Farkas Brust, sodass dieser sich nicht weiter bewegen konnte, während er seinen mächtigen Schädel gegen Farkas Kehle schnellen ließ. Der Gefährte schlug in einem letzten Versuch gegen seine Kiefer, als er plötzlich von einem Schwall Blut überschwemmt wurde und ein dumpfer Gegenstand gegen seine Stirn prallte. Das war der Troll Schädel gewesen. Und so plötzlich alles begonnen hatte, so schnell war es auch wieder vorbei. Kein Gebrüll drang mehr an Farkas Ohren. Und selbst die Schreie des Kutschers waren verstummt. Mühsam versuchte er

sich aufzurichten, um zu sehen, was geschehen war. Da griffen bereits kräftige Arme nach ihm und er wurde hochgezogen. „Farkas!“, rief eine ihm nur zu bekannte Stimme. „Da bin ich wohl noch gerade rechtzeitig gekommen!“ Der Gefährte versuchte sich das Troll Blut vom Gesicht zu wischen, um wieder etwas sehen zu können. „Wie siehst du nur aus?“, fragte derselbe Sprecher. „Bist du während meiner Abwesenheit unter die Priester geraten, oder was?“ Endlich konnte Farkas wieder etwas erkennen. „Bei Talos, Galen!“ Seine Erleichterung kannte keine Grenzen. Vor ihm stand ein Krieger, der mit einer der

seltenen Drachenschuppenrüstungen bekleidet war. „Ich habe mich noch nie so gefreut, deine weibische Visage wieder zu sehen, wie jetzt!“, rief Farkas. Galen Drachenblut – oder Tiber Galenus Manebarba – wie er mit seinem vollen Namen hieß, lachte und ließ seine Zähne blitzen. Dann warf er seine dunkelblonden, gewellten Haare zurück, die er genauso halblang wie Farkas trug. Seine dunklen Augen, mit dem seltsamen goldenen Rand, leuchteten belustigt. Farkas konnte es noch immer nicht fassen, dass ausgerechnet Galen wieder hier war. Das legendäre Drachenblut, Drachentöter und Held Himmelsrands, war einer von

ihnen. Er war zwar kein Mitglied des Rudels, aber er hatte einen festen Platz unter den Gefährten. Auch wenn ihn seine Bestimmung, als Bezwinger der Weltengeißel Alduin, nicht oft bei ihnen weilen ließ. Noch dazu war er vor einigen Monaten aufgebrochen, um seine Familie in Cyrodiil zu besuchen. Dass er ausgerechnet jetzt wieder nach Himmelsrand gekommen war, war einerseits Farkas Rettung gewesen – andererseits zog der joviale Galen die Katastrophen an, wo immer er auch hinkam. Oder sie zogen ihn an. Das konnte man auslegen wie man wollte. Dabei konnte er gar nichts dafür – seinen Worten nach. Die Götter trieben ihr Spiel

mit ihm, er folgte ihnen nur. „Ich hätte es wissen müssen!“, seufzte Farkas. „Du musstest wieder in Himmelsrand sein, bei all den Desastern die sich über uns zusammen brauen!“ Galen verzog das Gesicht, als hätte ihn Farkas zutiefst getroffen. „Das sind übelste Verleumdungen!“, lachte er dann. „Komm, lass uns später reden, schauen wir lieber, ob wir dem anderen noch helfen können.“ Damit drehte sich der schlanke Mann, der mindestens ein halber Kopf kleiner als Farkas war, um und lief zurück zum Kutscher. Seinen blutigen Zweihänder steckte er dabei in die Scheide zurück. Als Farkas langsam näher kam, sah er gerade noch, wie sein

Freund dem Kutscher die Augen zudrückte. „Der hat es überstanden. Armer Mann…“, meinte Galen, als er auf den ausgerissenen Arm und die enorme Blutlache blickte, die sich unter dem Kutscher ausgedehnt hatte. Der Troll, der dem Mann den Arm ausgerissen hatte, lag tot daneben. Galen hatte ihm ebenfalls den Kopf abgeschlagen. Der kaiserliche Drachentöter wandte sich an Farkas. „Sag, wie kamst du nur auf die Idee, ohne Waffen gegen Trolle zu kämpfen? Und wo ist eigentlich Vilkas?“ „Ist eine lange Geschichte…“, meinte Farkas. „Doch lass uns zuerst zum Wirtshaus gehen. Vielleicht schaffen wir

es noch vor Einbruch der Dunkelheit. Hier möchte ich nicht mehr lagern. Außerdem, muss ich eine Kutsche einholen!“ „Was?“ Es schien, als würde der Mann mit den golden-geränderten Augen kein Wort verstehen. Dennoch folgte er Farkas auf die Straße hinaus, wo auch seine Pferde standen. Farkas begann sofort einen leichten Laufschritt einzuschlagen, der ihm schwerfiel, doch er musste die Kutsche unbedingt einholen. „Warte!“, rief Galen ihm nach. „Du bist zugerichtet wie noch nie! Ich habe hier noch irgendwo einen Heiltrank!“ Farkas hielt tatsächlich inne. Mit seinen

Verletzungen würde er wohl wirklich nicht weit kommen. Schließlich drehte er sich um und wartete, bis Galen mit seinen Pferden zu ihm stieß. „Hier!“, meinte das Drachenblut und hielt ihm das kleine Fläschchen hin. Farkas stürzte es hinunter und spürte sofort die Erleichterung. Das war ein starker Heiltrank, der ihm nicht nur seine tiefen Wunden in Brust und Seite verschloss, sondern auch seine rechte Seite wieder in Ordnung brachte. Tief seufzte er auf. So würde es schon besser gehen. Doch bevor er noch ansetzen konnte, der Kutsche nach zu laufen, hörte er Hufgetrappel, das immer näher kam. Schließlich bog die Kutsche, mit Setha am Kutschbock

und ihrer kleinen Tochter an der Seite, um die Kurve und hielt bei ihnen an. Farkas staunte nicht schlecht. Die todkranke Frau musste das durchgegangene Pferd gebändigt haben. Das war eine enorme Leistung. Bewundernd blickte er sie an, als sie schließlich das Tier bei ihm halten ließ. „Ich konnte immer schon gut mit Tieren umgehen“, bemerkte sie und sah sich neugierig um. „Ihr habt diese Biester alle erledigt?“, fragte sie dann mehr als erstaunt. „Und das ganz ohne Waffen?“ „Nicht ganz“, meinte Farkas. „Außerdem hat Galen mir geholfen.“ Er deutete auf seinen Begleiter, der die Frau interessiert musterte. Setha blickte zu ihm und

Erkennen blitzte in ihrem Antlitz auf. Das war aber auch nicht verwunderlich. Es gab kaum jemanden, der ihn nicht erkannte. Zumindest hier in Himmelsrand. Seit er Alduin, den mächtigsten der Drachen, besiegt hatte und die Drachen damit befriedete, war er ein Held. Dennoch konnte Farkas nicht umhin, in ihm weiterhin den Freund zu sehen, der er für die Gefährten immer war. „Galen Drachenblut?“, fragte Setha erstaunt. „Der Bezwinger Alduins?“ „Genau der, werte Dame“, verneigte sich Galen galant. Sein höfisches Benehmen, das er ab und an immer noch zur Schau stellte, ließ Farkas die Augen verdrehen.

„Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ Setha lachte auf, dann verneigte sie sich in einer linkischen Parodie zu Galens Bemühungen. „Gestatten, Setha, Magd ohne Beschäftigung!“ Dann lachte sie noch erheiterter. Doch auch in Galens Augen blitzte das Vergnügen. Er fühlte sich überhaupt nicht verspottet. „Dann bin ich ja in bester Gesellschaft“, betonte er. „Kommt, lasst uns zum Wirtshaus fahren. Ich weiß nicht wie es Euch geht, aber ich habe Hunger und außerdem, glaube ich, haben wir viel zu bereden“, sagte er zu Farkas gewandt. „Nicht wahr?“ Das Essen im ‚Geiereck‘ hatte sie alle

gestärkt. Selbst Setha, die zwar nicht viel verspeisen konnte, hatte ein wenig Farbe auf ihre eingefallenen Wangen bekommen. Und die kleine Madi sprang ausgelassen und vergnügt, wie es Kinder ihres Alters normalerweise zu tun pflegten, herum. Setha bedankte sich noch bei Farkas und Galen für die Unterstützung und das Abendmahl, dann ging sie mit Madi auf ihr Zimmer, das ebenfalls die Männer, besser gesagt Galen, für sie ausgelegt hatten. Farkas hatte dem Wirt Gurdan, einem gestandenen Ork, der es als einziger in dieser einsamen Gegend wagte einen Gasthof zu betreiben, von den Troll-Angriffen berichtet. Gurdan war ein

umsichtiger Mann. Sofort ließ er seine Sippe antreten und schickte einen seiner Söhne nach Weißlauf, damit Wachen zu ihm gesandt werden würden. Farkas versprach ihm, dass sich die Gefährten in den nächsten Tagen, um das Troll-Problem kümmern würden. Für Gurdan war das in Ordnung. Den toten Kutscher, den sie auf dem Wagen mitgenommen hatten, ließ er in Leinentücher wickeln und im Keller seiner Scheune aufbewahren. Er hatte ihn gut gekannt, da die Fahrer sämtlicher Kutschen bei seinem Hof immer wieder Halt machten. Zumindest diejenigen, die es wagten, die Abkürzung durch das Troll Land zu nehmen. Gurdan würde auch dafür

sorgen, dass dessen Familie sowohl seine Leiche, wie auch sein Pferd und den havarierten Wagen, bekommen würde. Somit hatten Fakras und Galen alles in ihrer Macht stehende getan und konnten sich nun bei einem Humpen Met ihre Geschichten erzählen. Zumindest Galen konnte erzählen. Farkas hatte ihm schon alles berichtet, als sie vorne auf dem Kutschbock gesessen hatten. Der gutaussehende Kaiserliche hatte ihm dabei mit offenem Mund zugehört. Er konnte es scheinbar kaum glauben, dass Vampire nun auch versuchten in Himmelsrand sesshaft zu werden. „Ich glaube, dass hat nur mit eurem Zwist zu tun, den ihr mit dem

Daedrafürsten Hircine austragt. Oder habt ihr die Gabe…“, beschwörend hob er die Hände, als Farkas schon auffahren wollte, „…ich sage absichtlich Gabe und nicht Fluch, an andere weiter gegeben, so wie es immer schon der Brauch war?“ „Warum sollten wir!“, knurrte Farkas verstimmt. „Du kennst doch am besten die Gründe, warum. Und sage nicht Gabe! Es ist ein Fluch! Nicht einmal du hast dich dazu entschieden den Pakt einzugehen! Wieso eigentlich nicht, wenn du es sogar als ‚Gabe‘ bezeichnest!“ „Vielleicht tu ich das noch!“, hatte Galen heftig erwidert. „Seit Alduin tot ist bin ich ja frei von meinen Verpflichtungen

den Göttern gegenüber. Ehrlich gesagt, hätte ich wirklich große Lust, mich nun den Daedra zuzuwenden! Hircine ist wirklich nicht übel. Ihr seid es, die ihn verteufelt!“ „Ein Daedra ist ein Daedra! Ein Fürst der Hölle!“, ereiferte sich Farkas. „Du vergisst, dass wir von einer Priesterin Maras großgezogen worden sind! Die Abneigung gegen diese Höllenbrut ist tief in uns verwurzelt. Es ist schlimm genug für mich, dass ich Aela nicht überzeugen konnte. Doch sie hat ihren Weg freiwillig gewählt. Das Einzige, was ich tun kann ist, ihr diesen Weg zu ebnen, indem ich ihr eine ehrenhafte Bestattung zukommen lasse.“ Farkas war

sehr verstimmt. „Wir wurden von unserer Großmutter zur Ehrenhaftigkeit und Loyalität erzogen! Ein anderer Weg, als im Einklang mit den Göttern, kam uns nie in den Sinn!“ „Schon gut, mein Freund“, lenkte Galen ein. „Aber wie du schon sagst, das sieht jeder anders. Ihr könntet die Leute selbst entscheiden lassen. Doch ihr habt niemandem mehr etwas über eure ‚Andersartigkeit‘ erzählt, nicht wahr? Glaub mir, das sorgt auch für böses Blut unter den Gefährten. Sie sind ja nicht dumm. Ich meine Ria, Jon und Thorald.“ Galen strich sein Haar zurück. „Na, wenigstens hast du deine Frau gefunden! Auch wenn es lange gedauert hat.“ Und

mit einem traurigen Blick sah er auf den eingewickelten Leichnam Aelas, der unter der Kutschbank lag. Farkas lehnte sich leidvoll zurück. Es gab wohl wirklich niemanden, den Aela mit ihrer lebenslustigen Art nicht für sich eingenommen hätte. Eine Zeit lang schwiegen die Männer auf dem Kutschbock, dann berichtete Farkas die Geschehnisse weiter. Dass Vilkas eben mit der jungen Mutter nach Einsamkeit gelaufen war, um vielleicht den Vampirismus in ihr und dem Kind noch zu heilen. „Du hast Vilkas wirklich ein Mädel aufgehalst? Ein besonders hübsches, nettes noch dazu?“ Galen lachte. „Du

bist ein böser Bube, Farkas! Der Arme wird sich quälen und winden, falls er sich tatsächlich verguckt hat. Von wegen, eure Großmutter erzog euch gottgefällig!“ „Ach, halt den Mund, Schandmaul“, fluchte Farkas und ließ das Pferd schneller traben. „Im Gegensatz zu dir, habe ich noch nicht aufgegeben, was meinen Bruder betrifft. Und die Kleine ist die Richtige! Das habe ich gesehen! Sie wird durch seine Düsternis, die er wie ein Bollwerk um sich aufgebaut hat, einfach hindurch kommen. Jörgens Einfluss wird endlich sein Ende nehmen. Vilkas hat den unseligen Geist unseres Vaters lange genug mit sich

herumgetragen. Wird Zeit, dass er ihn endlich in den Schlund der Verdammnis schickt, anstatt sich selbst die Schuld für alles zu geben!“ Das war während der Kutschfahrt gewesen. Jetzt saßen die Männer vor dem prasselnden Kaminfeuer der Wirtsstube und schlürften ihr Getränk. Farkas fühlte sich erheblich wohler als am Vortag, auch wenn seine Wunden noch lange nicht ausgeheilt waren. Doch der Heiltrank und wohl auch die angenehme Atmosphäre, taten das Ihrige, um seine Stimmung zu heben. Galen dagegen starrte in die Flammen und schien nicht reden zu wollen. Zumindest nicht freiwillig. Er wirkte zwar freundlich und

leutselig – ganz anders als Vilkas – dennoch war er in einem gewissen Sinn genauso verschlossen wie er. Außer seinem Namen, Tiber Galenus Manebarba, der schon seltsam und geschwollen genug klang, und dass er aus Cyrodiil stammte, wussten die Gefährten eigentlich nichts von ihm. „Und?“, fragte ihn Farkas nun. „Was ist mit deiner Familie? Du hast uns doch vor Monaten verlassen um nach ihr zu sehen!“ Galen drehte den Krug in seinen Händen nachdenklich hin und her. Farkas bereitete sich schon darauf vor wieder ein paar nette Worte zu hören, aber nicht das, was den Helden von Himmelsrand

wirklich bewegte. Doch er täuschte sich. „Weißt du“, begann Galen zu erzählen, „eigentlich komme ich aus einem sehr reichen, adligen Haus.“ „Wieso wundert mich das nicht?“, brummte Farkas, der Galens höfisches Getue immer besonders erheiternd fand. „Willst du meine Geschichte jetzt hören? Oder lieber deinen eigenen Mist dazu geben?“, fragte Galen ärgerlich. Endlich war er gewillt ein wenig von sich zu offenbaren, da wurde er auch schon wieder lächerlich gemacht. „Schon gut!“, meinte Farkas gutmütig, nahm einen Schluck Met und lehnte sich zurück. „Erzähl!“ „Also“, begann Galen und strich über

seinen schon vor langem abgeschnallten Harnisch, der nun völlig harmlos neben ihm ruhte. „Ich bin ein Kaiserlicher, der durch seine Geburt, die Bürde des Drachenblutes aufgehalst bekommen hatte. Warum es ausgerechnet mich traf, weiß ich bis heute noch nicht. Doch ich hatte in mir immer dieses Brennen, das mich jahrelang ruhelos umherwandern ließ. Das war auch der Grund, warum ich mein Elternhaus verlassen hatte, als ich gerade das Mannesalter erreichte. Meine Reisen führten mich durch ganz Tamriel. Ich war sogar in Alinor, der Hauptstadt der Hochelfen. Doch nirgendwo fand ich Ruhe. Es war wie ein Zwang. Erst in Himmelsrand wurde mir langsam meine

Bestimmung offenbart und ob ich jetzt wollte oder nicht, ging ich eben den Weg, den die Götter mir aufzwangen.“ „Schön und gut, Galen. Das erklärt aber nicht, wieso du deine Familie so lange Zeit nicht aufgesucht hast. Fünfzehn Jahre warst du weg, nicht wahr?“ Galen blickte Farkas an. Sie waren mittlerweile die Einzigen in der Gaststube. Selbst der Wirt hatte abgeschlossen und sich zur Ruhe gelegt. „Du kannst es nicht lassen, deinen Mist dazu zu geben, was?“, seufzte Galen. Farkas hob entschuldigend die Schultern. „Also gut, ja! Ich kam nicht dazu, sie wieder aufzusuchen. Oder sagen wir so: es war so viel zu tun und ich dachte

immer, ich hätte Zeit.“ Galen schloss verbittert die Augen. „So kann man sich täuschen, Farkas. Als ich endlich nach fünfzehn Jahren nach Hause kam, war niemand mehr am Leben. Vor über einem Jahr haben sie meinen Vater hingerichtet! Weil er angeblich einen Teil der kaiserlichen Juwelen veruntreut haben sollte!“ Das Drachenblut schüttelte verständnislos den Kopf. „Mein Vater war der rechtschaffenste Mann, den ich je gekannt habe.“ Farkas zuckte zusammen. Das hatte er doch schon von irgendwem gehört! Doch er unterbrach Galen nicht, da dieser endlich in Fahrt gekommen war. „Jetzt ist Piron, ein Hochelf,

Schatzmeister des Kaisers. Oder besser gesagt: Schatzmeister von Cyrodiil. Solange es keinen Kaiser gibt, sorgt der Ältestenrat für alle Belange.“ Wutentbrannt dreht er sich zu Farkas. „Dieser elende Elf war immer schon erpicht auf meines Vaters Posten. Er steht auch sicherlich mit den Thalmor im Bunde. Würde mich nicht wundern, wenn sie Cyrodiil damit noch weiter infiltrieren wollen! Einmal hatte Piron schon etwas angezettelt, da war ich selbst noch daheim, doch da konnten Vaters Freunde für ihn bürgen. Diesmal wurden selbst diese aus dem Weg geräumt. Verdammte Thalmor-Brut!“, fluchte Galen.

„Und der Rest deiner Familie? Du sagtest, keiner ist mehr am Leben!“ Farkas wollte sichergehen, bevor er seinen Verdacht mitteilen wollte. „Meine Mutter starb vor acht Jahren an einer schweren Krankheit. Und meine kleine Schwester, unser aller Liebling…“, hier hielt Galen kurz inne, um sich wieder zu fassen. „Weißt du, sie war etwas Besonderes. Meine Mutter glaubte schon gar nicht mehr daran noch Kinder bekommen zu können, da wurde sie schwanger. Ich war schon fünfzehn, als meine Schwester auf die Welt kam. Sie war so ein sonniges Kind…“ „Wie hieß deine Schwester?“, platzte

Farkas dazwischen. „Hana. Warum?“, fragte Galen perplex. Farkas hatte es schon vermutet, als sein Freund die Sache mit der Hinrichtung seines Vaters schilderte. Dennoch war es erstaunlich, dass Vilkas und er ausgerechnet seiner Schwester begegnet waren und ihr unter die Arme gegriffen hatten. Die Götter führten sie oft wirklich auf seltsamen Wegen. „Weil wir sie kennen!“, antwortete er dem Drachenblut. „Tatsächlich? Das kann ich mir kaum vorstellen. Es gibt mehrere Frauen mit diesem Namen. Außerdem komme ich gerade von ihrem Haus. Sie hatte sich mit Heimkar, einem Nord-Soldaten in

Morthal niedergelassen. Doch auch hier kam ich zu spät. Die Bewohner von Morthal sagten mir, dass ihr Haus vor ein paar Monaten komplett niederbrannte. Sie und ihr Mann starben wohl in dem Feuer.“ Galens leidvoller Blick traf Farkas. „Wenn ich das gewusst hätte! Sie war in Himmelsrand! So nahe bei mir!“ „Nein. Hana starb nicht“, betonte Farkas. „Sie war es, die das Feuer gelegt hat. Jedenfalls erzählte sie uns das. Und Heimkar trafen wir ebenfalls. Als Vampir.“ Das mächtige Drachenblut, der Mann, der durch seine Geburt die ‚Stimme‘ wie kein anderer beherrschte, konnte im Moment nur tonlos seinen Mund auf- und

zuklappen. „Außerdem nannte sie ihren Sohn Varis, nach ihrem Vater“, fügte Farkas noch hinzu. Das war endlich der Auslöser, der Galen wieder reagieren ließ. Kurz schnappte er nach Luft, dann sprang er auf und begann Farkas zu schütteln. Er hörte sofort damit auf, als er dessen schmerzverzerrtes Gesicht sah. „Bei den Göttern! Hana! Dass muss sie wirklich sein!“ Aufgeregt begann er auf und abzulaufen. „Und sie erzählte dieselbe Geschichte? Nannte ihren Sohn Varis, nach unserem Vater? So viele Zufälle kann es doch nicht geben! Das muss sie sein!“ Galen war völlig aufgebracht.

„Jetzt setz dich wieder!“, riet Farkas. „Natürlich ist sie es.“ Dann studierte er seinen Freund. „Trotz deiner bartlosen, weibischen Visage, ist sie dennoch bedeutend hübscher als du!“ Der Held von Himmelsrand strich sich fahrig durch die Haare, setzte sich aber wieder. Dann lächelte er sogar. „Das wundert mich nicht. Sie war schon als kleines Mädchen das süßeste Ding, das du dir vorstellen kannst!“ Mit einem Schlag wurde er Ernst. „Und sie hat bereits ein Kind? Das kann ich kaum glauben. Sie ist doch erst… erst…“ Galen schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück. „Ich sehe sie immer noch als

Kind. Ich kann es kaum fassen, dass sie bereits selbst eines hat. Und ihr Mann, Heimkar, wurde einer der Vampire, und hat womöglich meinen Neffen infiziert?“ Farkas nickte. „Das… das muss ich alles erst verkraften!“, stöhnte Galen und trank in einem Zug seinen Met aus. Dann begann er Farkas auszufragen. Er sollte ihm alles erzählen. Wie Hana aussah, wie sie war, wie das Baby aussah, wie sie all die Schicksalsschläge verkraftet hatte und ob sie wirklich niemals einen Bruder erwähnt hatte. Farkas erzählte alles was er wusste. Auch, dass Hana niemals von einem Bruder gesprochen hatte. „Aber,

vielleicht dachte sie, dass du schon längst tot bist“, mutmaßte er. „So lange, wie du dich nicht bei deiner Familie blicken hast lassen! Außerdem, wenn sie so klein war, wird sie sich kaum mehr an dich erinnern können.“ „Ja, ja… bohre nur in meinen Wunden!“, seufzte der Drachentöter. Ein leises Lächeln breitete sich schließlich über seine Züge. „Mein Sonnenschein lebt also doch noch!“ Dann sprang er erneut auf. „Jetzt kommt es mir erst!“, rief er entsetzt. „Du wolltest meine Schwester mit deinem Bruder verkuppeln? Du hast ausgerechnet meine kleine Hana dem Leitwolf überlassen?“ Seine Augen traten ihm

beinahe aus den Höhlen. „Versteh mich nicht falsch! Vilkas ist mein Freund und einer der aufrechtesten und besten Männer die ich kenne. Aber bei den Neun! Das ist Vilkas!!! Seine Sturheit ist legendär! Wenn sie sich in ihn verliebt – und glaube mir, Frauen tendieren dazu sich in ihre Retter zu verlieben – dann bricht er ihr das Herz!“ Jetzt raufte er sich die Haare. „Oh ihr Göttlichen, steht ihr bei!“ „Was soll das jetzt heißen?“, knurrte Farkas. „Dank Vilkas lebt sie noch! Er half ihr, ihren Sohn auf die Welt zu bringen!“ Galen riss die Augen auf. Dann plumpste er endgültig auf den Hocker. „Das ist ja

noch schlimmer, als ich dachte! Die Wege der Götter werden mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben…“, seufzte er. „Du hast nicht gesehen, wie Vilkas sie angesehen hatte“, rechtfertigte sich Farkas. „Er hat sich sofort in sie verliebt. Ich kenne ihn. Es wird zwar dauern, aber er wird es einsehen.“ „Und was dann?“, fragte Galen. „Das schafft eure Angelegenheit mit Hircine auch nicht aus der Welt.“ Farkas zuckte zusammen und der Kaiserliche triumphierte. „Ihr habt euch diesem Problem immer noch nicht gestellt.“ „Doch!“, verteidigte sich Farkas und deutete auf den Beutel zu seinen Füßen. „Die Vampire haben mich auf diese Idee

gebracht. Die Silbermanschetten geben uns die Möglichkeit uns nicht mehr zu verwandeln. Damit hat Hircine auch keine Macht mehr über uns.“ Zweifelnd sah Galen ihn an. „Das ist eine Möglichkeit, ja, aber keine Lösung.“ Schließlich seufzte er bedeutungsvoll. „Wir sollten schlafen gehen. Auch wenn du keine tiefe Ruhe findest, ich benötige sie auf alle Fälle!“ „Eine Frage noch!“, unterbrach ihn Farkas. „Glaubst du, hat deine Schwester ebenfalls die Gabe der ‚Stimme‘?“ „Ich denke schon“, mutmaßte Galen. „Sie hat ein ebensolches Geburtsmal wie ich auf der Schulter. Mein Vater sagte mir damals, als ich sie kurz darauf verließ,

dass unsere Familie uralte Wurzeln hätte, die uns verpflichten, den Göttern zu dienen.“ Er schüttelte sich. „Ich war ein unruhiger und widerborstiger junger Mann, früher.“ Auf einen tadelnden Seitenblick, den ihm Farkas zuwarf, warf er noch ein: „Na gut, nicht nur früher… jedenfalls ertrug ich das nicht und verließ meine Familie. Ich wollte den Göttern nicht dienen.“ Galen seufzte. „Was soll´s… Du weißt ja, wie es geendet hat. Ich beugte mich schließlich doch meinem Schicksal und kämpfte mit der Gabe meiner ‚Stimme‘ gegen Alduin.“ „Wenn, dann scheint Hana aber nichts über ihre Gabe zu wissen“, bemerkte

Farkas und rieb sich über seinen wunden Arm. Seine Verletzungen begannen wieder zu schmerzen. Es wäre wohl wirklich an der Zeit sich auszuruhen, damit sie morgen weiter nach Weißlauf fahren konnten. Galen schien dasselbe zu denken. „Wahrscheinlich“, antwortete er. „Komm, die Felle warten auf uns.“ Farkas nickte und gemeinsam begaben sie sich in das Zimmer, indem Setha und Madi bereits schliefen. Kurz stritten sie lautlos mit ihren Blicken darum, wer sich zu den Schlafenden auf das Bett legen sollte. Galen entschied es schlussendlich, indem er sich einfach auf den Strohsack warf, der auf dem Boden lag und sich in

die dort liegenden Felle einhüllte. Farkas seufzte. Andererseits war er wegen seiner Verletzungen froh, auf dem ein wenig bequemeren Bett ausruhen zu können. Und kaum, dass er seinen Kopf auf das Kissen sinken ließ, fielen ihm bereits die Augen zu. Seine Wunden forderten ja doch ihren Tribut. Und mit einem letzten Gedanken an seinen Bruder und Galens kleiner Schwester, Hana, was ihm trotzdem ein Lächeln abrang, dämmerte er in den üblichen Halbschlaf hinüber.

die suche der thalmor

Klackend schnappten die Stahlmanschetten der Stiefel zu. Ein letzter Ruck an den Armschienen, dann erklang das leicht scharrende Geräusch, als ein Zweihänder in die Rückenhalterung geschoben wurde. Es war zwar nicht das beste Stahlschwert, das Vilkas je besessen hatte, aber es würde seinen Dienst erweisen. Vor allem, fühlte er sich nun nicht mehr so nackt, als er durch Einsamkeit zu den Ställen marschierte. Die Stiefel, die Hana ihm bei den Hochelfen-Schwestern gekauft hatte, trug er an seine Seite geschnallt

mit sich. Es waren zu gute Stücke, um sie einfach stehen zu lassen. Grüßend nickten ihm manche der Leute, die ihm begegneten, zu. Einige kannte er durch vergangene Einsätze, die er ebenso begrüßte. Andere erkannten ihn, weil sie ihn mit seinem Bruder, oder anderen Gefährten, schon in Aktion erlebt hatten. Doch auch deren Grüße beantwortete er mit einem kühlen Kopfnicken. Früher hatte ihn diese Aufmerksamkeit nicht gestört, jetzt dagegen spürte er sie wie eine ständig juckende Stelle zwischen seinen Schulterblättern und am liebsten wäre er durch versteckte Gassen geschlichen, um nicht mehr in der allgemeinen Aufmerksamkeit der

Bevölkerung zu stehen. Das lag sicherlich auch an seiner Affäre mit der beliebten Fürstin von Einsamkeit, dass die Leute ihm mehr Beachtung schenkten, als einem anderen Krieger. Ihre Liebschaft war ziemlich intensiv und zumindest der halben Stadt bekannt gewesen. Früher hatte er sich wahrlich nicht darum geschert. Er kam seiner Arbeit nach und hatte dabei noch sein Vergnügen, das sowohl der verstorbene, erste Mann Elisifs hinnehmen musste, als auch der jetzige. Doch nun störte es ihn gewaltig. Vor allem, als er das Getuschel in seinem Rücken hören konnte. Das Gerücht, dass er mit Frau und Kind im Gasthof abgestiegen war, hielt sich

hartnäckig. Vilkas knirschte mit den Zähnen. Vor allem sorgte er jetzt noch mehr für Gesprächsstoff, da er mit federnden Schritten aus dem Palast gekommen war. All das Hochgefühl, das er nach seiner Interaktion mit Elisif gehabt hatte, war wieder verflogen. Der große Mann überlegte sich nun ernsthaft, doch die verborgenen Gassen aufzusuchen. Die Wortfetzen einer Dienerin Elisifs, die nichts anderes zu tun hatte, als einer Freundin zu verkünden, dass der Gefährte trotz seiner hübschen Frau und seines Kindes, seine ‚Besuche‘ bei der Jarl nicht eingestellt hatte, zwangen ihn regelrecht dazu. Dabei war seine Affäre mit Elisif schon

längst erkaltet. Er hatte sich schon Monate lang – was sie ihm auch vorgeworfen hatte – nicht mehr bei ihr blicken lassen. Jedenfalls schwor er sich, was auch kommen möge, in Einsamkeit das letzte Mal gewesen zu sein. Weitere Aufträge würde er beinhart an seine Kameraden abschieben. Er verstand auch nicht, warum ihn das so unglaublich störte, was er früher mit einem Schulterzucken abgetan hatte. Zumindest erreichte er die Stallungen nun zwar unter einigen Umwegen, dafür aber in Ruhe. Dort erwartete ihn eine neuerliche Überraschung. Der Stallbursche, ein junger Kaiserlicher, erkundigte sich doch

tatsächlich nach dem Befinden seiner Frau! Wenigstens war er über die anderen Gerüchte nicht informiert. Oder vielleicht auch nur ‚noch‘ nicht. „Woher wisst Ihr davon?“, fragte Vilkas ungehalten. Der Bursche war aber nicht so leicht einzuschüchtern. „Na, ich kam doch dazu, als Eure Frau um Hilfe rief! Sie war so außer sich vor Sorge um Euch! Eine der Wachen musste sie beinahe gewaltsam zum Tempel tragen, damit sie versorgt werden konnte.“ Der Bursche lächelte ihn breit an. „Und dann half ich Kommandant Questus Euch zum Wirtshaus zu tragen. Mit Verlaub, mein Herr, Ihr seht zwar nicht so aus, aber Ihr

wiegt eine Tonne!“ Vilkas strich sich mit einem Seufzen über die Stirn. Qestus! Er hätte es wissen müssen. Kein Wunder, dass die ganze Stadt und Elisif bereits Bescheid wusste. Er kannte den Kommandanten der Wachleute gut und schätzte den aufrechten Mann sehr, doch Questus hatte leider ein loses Mundwerk. Das Gerücht von Hana, als seiner Frau, hatte er sicherlich ihm zu verdanken! Der herzensgute Mann hatte Hanas Sorge um Vilkas falsch interpretiert und jetzt war es bereits zu spät, um noch irgendetwas klar zu stellen. Nicht einmal Elisif hatte ihm die Wahrheit abgenommen. „Es geht ihr gut“, knurrte er den

Stallburschen an. Dann riss er sich zusammen. Der Junge konnte nichts dafür, dass Vilkas in so ein Schlamassel geraten war. Dabei hatte er, als er Elisif verließ, noch das Gefühl, sein altes Leben wieder im Griff zu haben. Doch umso näher er Hana kam und umso mehr Leute ihn mit ihr zusammen brachten, umso mehr wühlte es ihn auf. Das kleine Zwischenspiel mit der Jarl, hatte außer einer Ausrüstung und einem kurzweiligen Vergnügen, nichts gebracht. Schon gar nicht einen größeren Abstand zu Hana und seinen unerfüllbaren Wünschen, was sie betraf. „Danke für Euren Beistand“, fügte er milder an. „Ich brauche übrigens zwei

Pferde aus Jarl Elisifs Besitz für morgen Früh. Stellt sie frisch gesattelt bereit und wenn es geht nehmt eine gutmütige Stute. Hier ist der Begleitbrief der Jarl.“ Der Junge las den Brief, wobei seine Augen immer größer wurden. „Ihr gehört zu den Gefährten!“, rief er dann voller Achtung. „Macht Euch nur keine Gedanken, mein Herr! Die Tiere werden zu Eurer Zufriedenheit sein!“ Vilkas klopfte ihm dankend auf die Schulter und machte sich wieder auf den Weg zur Herberge. Dabei wurden seine Schritte immer langsamer. Schließlich blieb er in einer Nische der Befestigungsmauer von Einsamkeit stehen. Tief holte er Luft und begann

diese in seinem Körper zu verteilen, wie er es von Skjor gelernt hatte. So lange, bis er wieder einen klaren Kopf bekam. Er wollte sich nichts mehr vormachen. Hana hatte es geschafft seinen Eispanzer zu durchbrechen und sein Herz zu berühren. Und das mit einer Vehemenz, die Vilkas immer noch schwindlig machte. Doch das musste noch lange nicht heißen, dass er sich davon beeinträchtigen lassen würde. Er war ein vernünftig denkender Mann und er wusste, dass zwischen ihnen niemals etwas sein könnte. Selbst wenn sie nicht nur den Werwolf und den Vatermörder akzeptierte, sondern auch die Tatsache, dass er als gedungener Assassine tätig

gewesen war, war immer noch Hircines Hetze da. Hana war einfach nur ein junges, schützenswertes Mädchen, dessen er sich angenommen hatte. Wenn er das ausnützen würde, würde er noch mehr auf sein Gewissen laden, als er ohnehin schon zu tragen hatte. Vilkas seufzte nochmals. Egal wie sehr sie ihm unter die Haut ging, er würde Hana in Weißlauf bei Arcadia abliefern und sich dann weiter um die Probleme kümmern, die zu Hauf auf ihn warteten. Dazu standen an erster Stelle die Vampire und an zweiter dann Hircine. So aufgebaut und wieder klar in seinem weiteren Vorgehen, begab sich Vilkas zur Gaststätte. Der Abend begann bereits zu

dämmern und das würzige Essen verbreitete seinen Geruch bis auf die Straße hinaus. Aus den geöffneten Fenstern konnte er auch den Lärm ausmachen, der im Innern der Wirtsstube wohl auf ihn warten würde. Das leise Grummeln seines Magens teilte ihm ebenfalls mit, dass es wohl wirklich Zeit für das Abendmahl wurde und so schritt Vilkas aus und trat durch die Türe, nur um von völliger Leere begrüßt zu werden. Einsam standen die Töpfe mit den Pflanzen im Eingangsbereich und die Wirtstheke, die einladend die eintretenden Gäste am hinteren Ende empfing, war genauso verwaist. Dennoch

kündeten der Lärm und der Gesang, der hier noch lauter zu hören war, vom ausgelassenen Betrieb der Herberge. Vilkas schwante bereits, dass ihm das, was er zu sehen bekommen würde, sicherlich nicht gefallen würde. Dennoch trieben ihn seine Schritte in Windeseile um die Ecke. Die Wirtskammer war fast nicht wieder zu erkennen. Die Tische waren zusammengeschoben worden und auf dem freien Platz stand Lisette und spielte ein fröhliches Lied, das sie mit ihrem glockenhellen Gesang noch begleitete. Dazu klopften die begeisterten Gäste im Takt und johlten, wenn sich Hanas zierliche Füße leicht zu der Musik

bewegten. Trotz des Lärms konnten Vilkas empfindliche Ohren das leise Schellen von ihren Fußkettchen hören, das im Rhythmus ihrer Bewegungen ertönte. Der Wirt stand an einem der Tische gelehnt da und klatschte begeistert, während seine Frau den kleinen Varis an sich drückte. Man sah ihr an, dass sie von dem Baby noch begeisterter war, als von der Darbietung der beiden Frauen. Die übrigen Gäste saßen völlig gebannt da und trommelten auf die Tische. Selbst der von ihm angeheuerte Veteran, den er gut kannte und der ihm des Öfteren schon gute Dienste bei anderen Aufträgen geleistet hatte, stierte

fasziniert auf das kaiserliche Mädchen, dessen offene, lange Haare, bei einer eleganten Drehung, ihm beinahe in das Gesicht wehten. „Dafür habe ich dir aber nicht die 100 Septime gegeben!“, knurrte Vilkas leise. Aber auch er war zu fasziniert, um einzuschreiten. Außerdem war an Hanas Tanz nichts Anstößiges. Vilkas hatte solche Darbietungen schon einmal gesehen. Das war in Bruma, einer Stadt in Cyrodiil, die an der Grenze zu Himmelsrand lag, gewesen. Damals war es die Tochter eines reichen Kaufmanns, die vor einer geladenen Gesellschaft, zu der auch Vilkas gehörte, diesen Tanz darbot. Nur so entzückend wie Hana, war

die Kleine nicht gewesen. Hana war in ihrem Element. Anmutig bewegte sie sich zu Lisettes Klängen. Es war eine kaiserliche Weise, nach deren Melodie sie tanzte. Ihre bloßen Füße schienen dabei kaum den Boden zu berühren. Eine ihrer Hände ließ sie elegant und doch schwungvoll vor ihrem Körper und über ihrem Kopf die vorgeschriebenen Bewegungsabläufe ausführen, während ihre andere Hand ihren Rock soweit hochhielt, dass man noch besser die fließenden Schritte ihrer Beine sehen konnte. Hana hatte darin sichtlich eine gute Ausbildung genossen und ohne Frage Talent. Vilkas war hin- und hergerissen.

Einerseits faszinierte ihn der Tanz, andererseits brachte genau dieser seine Vorsätze wieder ins Wanken. Und zu allem Übel, bemerkte er auch Questus, den Urheber der Gerüchte von Frau und Kind, wie er mit leuchtenden Augen die Darbietung ebenfalls verfolgte. Mit versteinertem Gesicht, lehnte sich Vilkas an einer Pfeiler und versuchte so unbeteiligt wie möglich das Ende des Tanzes abzuwarten. Lange dauerte es nicht. Mit einer letzten Drehung und einem Wirbeln ihrer Haare, sank Hana schließlich mit über ihrer Brust gekreuzten Armen zusammen und neigte anmutig den Kopf, während Lisette die Schlussakkorde nachhallen

ließ. „Wunderbar! Wunderbar!“ Der Wirt konnte sich in seiner Begeisterung kaum halten. Auch die anderen Gäste sprangen auf und klatschten enthusiastisch. Lobesworte erklangen und die beiden Frauen lächelten sich voller Freude an. Lisette umarmte Hana und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was sie noch mehr lachen ließ. Dann schlüpfte Hana in ihre Stiefel und wollte gerade zur Wirtin eilen, um Varis wieder an sich zu nehmen, da fiel ihr Blick auf Vilkas und ihr Gesicht lief knallrot an. Der Wirt, der das sah, fühlte sich sofort bemüßigt einzuspringen. „Vilkas!“, rief er und wälzte seinen gut genährten Leib vor das Mädchen. „Eure

Frau war so gut und hat unserem Drängen nachgegeben, uns einen Tanz aus der Kaiserstadt zu zeigen! Wir ließen nicht locker, bis wir sie überredet hatten! Das ist mir allemal ein deftiges Abendessen wert!“ Im Hintergrund hörte man bereits, wie die Tische wieder auf ihre angestammten Plätze geschoben wurden. Da war Hana schon heran und blickte mit brennenden Wangen zu Vilkas auf. Ein erleichtertes Lächeln zauberte sich auf ihr Antlitz, als sie seine Rüstung sah. Der Wirt wartete keine Antwort ab, sondern drängte Vilkas an einen Tisch heran und schob ihm einen Sessel in die Kniekehlen, dass er sich unweigerlich setzen musste.

„Nehmt Platz und genießt das Abendessen meiner Frau.“ Dabei deutete er auf seinen vorgewölbten Bauch. „Wie Ihr sehen könnt, hat sie von ihrer Kochkunst nichts verlernt.“ „Danke“, sagte Vilkas knapp und sah sich um, während Hana ein wenig atemlos bei ihm Platz nahm. Den Kleinen hatte sie sich wieder umgebunden. Dennoch sah sie Vilkas ein wenig unsicher an. „Es tut mir leid, wenn ich mit dem Tanz etwas getan habe, das uns oder dich in Schwierigkeiten bringt“, begann sie, doch Vilkas winkte ab. „Das ist es nicht“, meinte er. „Ich war

nur … überrascht. Das ist alles.“ „Warum blickst du dann so bitterböse in die Runde“, fragte sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag. „Der Wirt hatte regelrechte Schweißausbrüche vor lauter Angst, als er dich da stehen sah. Und mir wurde auch mulmig zumute.“ „Bin ich wirklich so fürchterlich?“, fragte Vilkas, jetzt doch erstaunt. Hana schüttelte den Kopf und strahlte ihn an. Da war es wieder. Dieses Lächeln, das alles hinwegschmolz. Gerade verabschiedeten sich die letzten Reste von Vilkas Eispanzer. Er seufzte tief, was sie bewog ihre zarte Hand auf die seine zu legen. „Nein. Im Gegenteil!“, rief sie. „Aber manchmal

kannst du einen mit deinen finsteren Blicken das Fürchten lehren.“ „Na? Wieder beim Turteln?“, fragte der Wirt, als er ihnen die Teller mit den dampfenden Speisen hinstellte. „Recht so. Ihr seid jung und müsst Euer Glück pflegen!“ Und, entgegen seiner Anfangs freundlichen Art, warf er Vilkas noch einen missbilligenden Seitenblick zu und verschwand wieder. Hana hatte nichts davon mitbekommen. Mit einem wohligen Seufzer machte sie sich über das Essen her. Vilkas dagegen kam nicht umhin seine Ohren zu spitzen. Und wie er es vermutet hatte, machte das Gerücht über seinen Palastbesuch auch hier die

Runde. „Ich dachte wirklich, das sei vorbei!“, hörte er die Wirtin entrüstet ihren Gedanken Luft machen. „Armes Mädchen! Ob sie darüber Bescheid weiß?“ „Natürlich nicht! Sieh sie dir an. Himmelt den Bastard auch noch an!“ Der Wirt spie förmlich diese Worte aus. „Ist doch klar, dass er die Jarl besucht“, mischte sich nun auch Questus Stimme in die Diskussion ein. „Er war schon lange nicht mehr hier. Wer sagt denn, dass zwischen den beiden immer noch was läuft?“ „Ihr seid ein unverbesserlicher Schönseher, Kommandant!“, rügte ihn

die Wirtsgattin. „Meine Freundin erzählte mir gerade, dass die Zofe der Jarl, die beiden sehr eindeutig in der Rüstungskammer gehört hat. Und die Tür war verschlossen! Da gibt es keinen Zweifel, was die da drinnen getrieben haben. Danach soll unsere Jarl auch endlich wieder einen entspannten Eindruck gemacht haben.“ „Na, wenn das so ist, hat es doch auch was Gutes!“, schmunzelte Questus. „Genau! Seid nicht so kleinkariert!“ Das war der alte Veteran, der von ihm die 100 Septime bekommen hatte. Der mischte beim Stadtklatsch also auch mit. „Welcher Mann würde nicht gerne mit ihm

tauschen?“ Vilkas ballte die Faust unter dem Tisch. Das Getuschel ging natürlich weiter. Aber er hatte genug gehört. Frustriert schaufelte er das Essen in sich hinein. Dieses Gerede ging ihm höllisch auf die Nerven. Doch jetzt irgendetwas klar stellen zu wollen war sinnlos und würde nur noch mehr Gerede bringen. Außerdem würde das Hana in Verruf bringen, wenn sie mit ihm ein Zimmer teilte, obwohl sie nicht verheiratet waren. Da war es schon besser, wenn die Leute nur ihn verteufelten. Dennoch wurde es eine unruhige Nacht für ihn. Am nächsten Tag brachen sie bereits sehr

früh auf. Hana versicherte Vilkas bereits zum zehnten Mal, dass sie reiten könnte, da sie im Tempel vollkommen geheilt wurde. Aber irgendwie war er unruhig. Noch dazu wollte Hana den Umweg über Morthal nehmen. Sie hätte ihre Alchemiebücher vergraben, bevor sie das Haus angezündet hatte. Darin waren uralte Rezepte aufgeschrieben, die es wahrscheinlich kaum mehr irgendwo gab. Diese Bücher waren für sie von unschätzbarem Wert. Natürlich willigte Vilkas ein. Es gab kaum etwas, das er ihr abschlagen konnte. Eigentlich gab es überhaupt nichts, was er ihr abschlagen konnte. Doch das würde er niemals offen zeigen.

Schlimm genug, dass sein eiserner Schutz, den er um sein Herz gelegt hatte, von einem kleinen, zarten Ding, mit großen, warmen Augen, endgültig niedergerissen worden war. Aber er verstand es wie kein anderer seine wahren Gefühle weiterhin hinter einer Mauer aus Ablehnung und Schweigen zu verbergen. So behielt er seinen düsteren Blick. Bei den Wirtsleuten fiel es ihm nicht schwer, denn sie hatten Gefallen an Hana und dem Kleinen gefunden. Sie nahmen es Vilkas zutiefst übel, dass er seine süße Frau so betrog. Mit überschwänglichen Worten verabschiedeten sie sich von Hana, steckten ihr noch einen Beutel voll

Proviant und weitere Wickeltücher für Varis zu, während der Wirt Vilkas nur mehr kühl zunickte. Dass er all die Jahre davor den Großkönig zum Hahnrei gemacht hatte, hatte die Leute nie gestört. Oder Elisifs jetzigen Mann. Das Gerede begleitete ihn auch damals immer und überall, aber meist war es neidvoll oder auch bewundernd ihm gegenüber und mit einem schadenfrohen Seitenblick auf die adligen Herren. Zu Vilkas Erstaunen, konnte Hana wirklich gut reiten. Sie kamen ordentlich voran, trotz der Pausen, in denen der Kleine gestillt und gewickelt werden musste. Das Einzige, das ihm im Moment noch Sorgen bereitete, war das Wetter,

das sich deutlich verschlechterte. Die Sonne hatte sich schon lange hinter den dicken Wolken verborgen, doch nun kam auch noch ein frischer Wind auf, der selbst durch die dicken Mäntel drang. „Wie geht es dem Kleinen?“, fragte Vilkas besorgt, als eine besonders heftige Windböe sie zum Stehenbleiben im Windschatten eines Felsens zwang. Hanas Wangen waren vom scharfen Luftzug gerötet, doch sie nickte Vilkas zu. „Die Wirtin gab mir warme Baby-Söckchen und auch ein gehäkeltes Jäckchen mit. Außerdem habe ich die wollenen Tücher. Er hat es jetzt sicher warm genug.“ Liebevoll blickte sie auf das Bündel in ihren Armen. „Ich habe in

der Schwangerschaft selbst bereits Söckchen gemacht. Doch die sind, wie alles, ebenfalls verbrannt. Und die Sachen, die ich im Dibella-Tempel vorbereitet hatte, werden jetzt wohl einem anderen Säugling zu Gute kommen.“ Vilkas nickte. „Komm, es ist nicht mehr weit bis Morthal. Dort können wir dann eine längere Rast einlegen.“ Aufmerksam hielt er inne. Er konnte zwar nichts hören, aber etwas alarmierte ihn. „Ist es noch weit, bis zu eurem Haus?“, fragte er Hana. „Du sagtest, dass es außerhalb der Stadt lag.“ „Nein.“ Sie deutete querfeldein. „Gleich hinter diesen beiden Hügeln. Die Straße

führt in einem Bogen darum herum. Auf ihr dauert es etwas länger.“ Vilkas stieg vom Pferd und deutete Hana es ihm gleich zu tun. Er wollte ihr signalisieren hier zu warten, aber das war ihm auch zu unsicher. Er kämpfte mich sich. Schließlich entschied er sich schweren Herzens sie mitzunehmen. „Folge mir ganz leise. Irgendetwas stimmt hier nicht. Die Pferde führen wir an den Zügeln hinter uns her. Wenn ich dir ein Zeichen gebe, dann gehst du sofort in Deckung und rührst dich nicht. Verstanden?“ Die Kaiserliche nickte. Sie hatte in Vilkas Augen, die bereits ein leichtes, gelbliches Glühen zeigten, die mögliche

Gefahr gesehen. Mutig versuchte sie zu nicken und ihm zu folgen. Zum Glück war Varis erst vor kurzem gestillt worden, somit müsste er ruhig bleiben. Als sie den Hügel erreicht hatten, bedeutete ihr Vilkas, dass sie sich, so leise wie möglich, zwischen zwei Felsen kauern sollte. Er würde von hier an alleine weiter gehen. „Was ist los?“, fragte sie ängstlich. „Eine Gruppe bewaffneter Männer mit Pferden sind in der Nähe. Wenn dort dein Haus lag…“ Er deutete in die Richtung aus der er die Geräusche jetzt eindeutig ausmachen konnte. „… machen sie sich genau daran zu schaffen.“ Hana wurde bleich. „Ja, dort lag unsere

Hütte. Was können die nur wollen?“ „Ich werde das herausfinden.“ Durchdringend sah der große Mann sie an. „Bleib wo du bist, hörst du.“ Sie nickte tapfer, da war er auch schon verschwunden. Vilkas bewegte sich wie ein Kahjiit. Trotz seiner schweren Rüstung konnte er beinahe lautlos schleichen. Das Wolfsblut war ihm dabei sicherlich behilflich und auch sein Talent, das ihn einst auch bei den Assassinen erfolgreich sein ließ. Immer lauter drangen die Geräusche der Gruppe an sein Ohr und seine Nase nahm auch bereits den Geruch auf. Hochelfen! Als er die einzelnen Wörter gut vernehmen konnte, hielt

Vilkas hinter einem dichten Buschwerk an. Es waren tatsächlich drei Thalmor-Elfen. Ihre hohen Gestalten waren unverkennbar und auch die goldenen Rüstungen, die sie unter Kutten zu verbergen suchten, entgingen Vilkas scharfen Augen nicht. Was hatte dieser fanatische Orden hier zu tun? Dass sie etwas suchten, war offensichtlich. Einer von ihnen stocherte ergebnislos in der Asche des niedergebrannten Hauses. „Hier gibt es tatsächlich nichts mehr“, verkündete er. „Wenn die beiden hier drinnen waren, als das Feuer ausbrach, ist von ihnen nichts mehr übrig geblieben.“ „Das ist kaum möglich!“, näselte

hochmütig der Anführer dieser Truppe. Er hielt sich auch ein wenig abseits und ließ die anderen die Arbeit erledigen. Beinahe angewidert hielt er sich ein parfümiertes Tuch vor die Nase. „Es müssen wenigstens Knochen übrig geblieben sein! Vielleicht konnten sie sich ja doch retten?“ „Die Leute von Morthal behaupten: Nein!“, sagte der Mann, der herumstocherte, bestimmt. „Sie hätten das Mädchen und ihren Mann seit dem Brand nie wieder gesehen.“ „Wir brauchen dennoch Beweise! Sucht weiter!“, herrschte der Hochmütige sie an. „Da ist aber nichts, Eure Lordschaft“,

widersprach der Thalmor. „Wir werden auch sonst nirgendwo mehr etwas von ihr finden. Sie ist tot.“ Der offensichtlich adlige Hochelf verzog das schmale Gesicht. „Piron hätte das Mädchen damals ebenfalls aus dem Weg räumen sollen. So eine Schlamperei! Und ich habe nun die Scherereien.“ Die dritte Thalmor kam hinzu. Es war eine Frau, die ihrem Anführer entgegen trat. „Titus Mede II. war noch am Leben, Eure Lordschaft. Uns waren die Hände gebunden. Es war schwer genug den Vater glaubhaft zu denunzieren.“ Dem hochgestellten Thalmor entkam ein verächtliches Schnauben. „Unser Ordensführer wird unzufrieden sein. Wir

haben nichts in der Hand. Der Sohn ist seit fünfzehn Jahren verschollen, und die Tochter höchstwahrscheinlich tot. Aber wir brauchen Beweise dafür!“ „Es gibt keine Beweise. Das Mädchen war Alchemistin“, warf der erste Mann ein. „Die Leute vermuteten, dass sie Feuersalze bei sich hatte. Wenn es besonders viele waren, kann schon eine solche Feuersbrunst entstehen, dass oft nicht einmal mehr Steine übrig bleiben.“ „Also gut!“, gab der Offizier endlich auf. „Ziehen wir uns hier zurück. Aber wir werden noch weiter unsere Augen offen halten. Vielleicht hilft uns der Zufall.“ Vilkas wartete noch, bis die Gruppe mit ihren Tieren das Haus verlassen hatte,

dann richtete er sich langsam auf und ging zu Hana zurück. Seine Gedanken wälzten sich dabei ohne Unterlass. Was immer diese Thalmor von ihr wollten, es konnte nichts Gutes sein. Wahrscheinlich war es da gar nicht einmal so schlecht, dass alle glaubten, Hana wäre seine Frau. Das würde den Verdacht vollends von ihr nehmen. Er müsste sich nur eine passende Vorgeschichte für das Mädchen einfallen lassen. Als er Hana das Gespräch der Hochelfen schilderte, zog sie sofort furchtsam ihren Mantel enger um sich und ihren Sohn. Sie konnte sich aber auch nicht vorstellen, was sie von ihr wollten. „Vielleicht hat das noch etwas mit

meinem Vater zu tun?“, mutmaßte sie. „Piron, sagtest du? Das war derjenige, der Vaters Posten bekam.“ Mit großen Augen sah sie ihn an. „Vilkas! Ich…“ Sie schluckte. Die Panik, die sie erfasste, ließ sie verstummen. Sofort war er bei ihr. „Keine Angst“, beschwichtigte er sie. „Sie werden dich nicht bekommen. Genauso wenig wie die Vampire. Sie denken ohnehin, dass du tot bist. Wir werden uns eine Geschichte für dich ausdenken. Im Moment glauben sowieso alle, dass du meine Frau bist. Das werden wir ausnutzen.“ Hana blickte ungläubig zu ihm. Zumindest war ihr Erstaunen so groß, dass sie ihre Furcht überwand. Ihren hoffnungsfrohen Blick,

versuchte Vilkas geflissentlich zu übersehen. „Wie?“, fragte sie schüchtern und mit brennenden Wangen. Ihre Augen begannen jedoch zu leuchten. „Das weiß ich noch nicht“, wehrte Vilkas ab. „Vielleicht können wir so argumentieren, dass ich dich in Markarth kennen gelernt habe und erst jetzt mit mir mitgenommen habe, nachdem unser Kind geboren war.“ „Das… das würdest du wirklich für mich tun?“, fragte Hana. Ihre Stimme zitterte. „Ich habe dabei nichts zu verlieren und von dir ist jeglicher Verdacht damit abgewendet. Das ist doch das Vernünftigste!“ Vilkas versuchte das

Ganze abzutun und drehte sich abrupt um. Das Mädchen schwieg daraufhin und stolperte ihm einfach nach. Schnell holten sie noch die Alchemie Bücher, die Hana in Tücher gehüllt vergraben hatte. Die Tücher ließ Vilkas im Loch und schaufelte es wieder zu. Die Bücher, die ein enormes Gewicht hatten, packte er in die Satteltaschen der Pferde. Dann machten sie sich wieder auf den Weg. Vilkas hätte zwar in Morthal nächtigen wollen, aber es war sicherer, wenn Hana von den Leuten nicht erkannt werden würde. Mit schneidigem Galopp umrundeten sie die Stadt und brachten sie rasch hinter sich. Das Wetter meinte es nicht gut mit

ihnen, denn zu dem scharfen Wind kam jetzt auch noch Regen dazu. Vilkas hielt bereits Ausschau nach einem Unterschlupf für die Nacht, der ihnen wenigstens ein wenig Schutz bieten könnte. Es war noch vor dem Tal, das ins Troll Land führte, als er Halt machte und mit Hana und den Pferden ein wenig abseits des Weges einen passenden Lagerplatz fand. Er lag so geschützt in einer Felsmulde, dass sie sogar Feuer machen konnten. Während Vilkas noch weiteres Holz sammelte, das noch nicht feucht war, hatte sich Hana um die Pferde gekümmert. Er zerkleinerte gerade die Äste und warf sie ins Feuer, als er

wieder gebannt zu dem Mädchen blicken musste. Sie hatte sich ein Fell über einen flachen Stein gebreitet, auf dem sie sich nun nieder ließ. den Mantel hatte sie geöffnet und ihre Brust entblößt. Varis schrie bereits protestierend, dass es so lange dauerte, bis er endlich angelegt wurde. Dann jedoch hörte man nur mehr ein zufriedenes Schnaufen von ihm, während Hana mit einem so liebevollen Blick ihr Kind herzte, dass Vilkas heiß und kalt gleichzeitig wurde. „Geht es dir nicht gut?“ Hana hatte wohl bemerkt, dass Vilkas mit dem Bündel Holz in der Hand erstarrt war. Voll offener Sorge sah sie zu ihm. Doch Vilkas knurrte nur und begann das Feuer

weiter anzuheizen. Trotz der Glut wurde es empfindlich kalt und das Mädchen beeilte sich ihrem Kind frische Wickel anzulegen und dick einzupacken. Schweigend aßen sie von dem Proviant. Hanas Versuche ein Gespräch zu beginnen, blockte Vilkas einsilbig ab. Ein paar Mal blickte das Mädchen noch unsicher auf ihn, doch er hüllte sich in hartnäckiges Schweigen. Umständlich versuchte Hana schließlich einen halbwegs bequemen Schlafplatz zu finden. Sie hatten nur zwei Felle mit, da Vilkas nicht gerechnet hatte, mit Hana außerhalb einer Herberge nächtigen zu müssen. So wurde die Kälte noch unangenehmer und Hana begann bereits

zu zittern, obwohl sie sich bemühte ganz nahe am Feuer eine Stelle zu finden. Schließlich langte es Vilkas. „Jetzt hör endlich auf zu zittern und komm schon her!“, blaffte er sie an. Das Mädchen stand mit dem einen Fell in der Hand da und blickte verständnislos auf ihn. Aber Vilkas begann sich schon aus seinem Mantel zu schälen und die Rüstung abzulegen. Dann schlüpfte er wieder in den Umhang hinein. Das eine Fell legte er über einen nahen Felsen, das andere direkt darunter am Boden und setzte sich darauf. Das Feuer prasselte ganz in der Nähe. Einladend öffnete er nun den Wollstoff. Hana wusste sofort was er ihr anbot und

zögerte keine Sekunde. „Danke!“, rief sie und wollte sich gleich zu ihm setzen, als sein Zwischenruf sie stoppte. „Zieh deinen Mantel zuerst aus!“, Hanas Augen wurden groß. Doch Vilkas schnaubte nur. „Wir werden ihn über uns beide breiten, da können wir uns gegenseitig noch besser wärmen.“ Eine dezente Röte zierte ihre Wangen, genauso wie ein leises Lächeln. Vilkas wurde bereits heiß, auch wenn der Wind nun zwischen sein Hemd fuhr, da er den Wollstoff immer noch einladend offen hielt. Doch er knurrte nur unwillig. Vor allem als Hanas schmaler Körper sich an ihn drückte. Sie hatte sich genau zwischen seine leicht aufgestellten und

gegrätschten Beine gesetzt, sodass sie mit ihrer linken Seite auf seiner Brust lag. Ihre Schenkel legte sie nun über Vilkas linkes Bein, welches er ein wenig sinken ließ, damit sie es bequemer hatte. Das andere Bein ließ er aufgestellt, damit er ihren Rücken besser unterstützen konnte. Dann schloss er seinen Wollstoff um sie beide und warf mit einem Schwung noch ihren Mantel um sie. Es war nun tatsächlich schön warm darunter und Hana lehnte ihren Kopf gegen seine Brust. Ihr glückliches Lächeln strahlte bis zu ihm herauf. Vilkas grollte. Dann legte er aber doch auch noch seine Arme um sie, um ihr noch besseren Halt und Wärme zu geben.

Hanas Geruch zog ganz fein in seine Nase und das unruhige Wetzen des Babys, das von leichten greinenden Lauten begleitet wurde, vertieften alle Empfindungen nur noch. Das Mädchen versuchte Varis zu beruhigen, der scheinbar zu gierig getrunken hatte und nun von Blähungen geplagt wurde. Schließlich ertönte ein Rülpser, der sowohl Hana, als auch Vilkas zum Lachen brachte, danach schlief der Säugling zufrieden ein. Auch Vilkas lehnte seinen Kopf zurück, um ein wenig zu dösen. Auch wenn es für ihn mehr als schlimm war, Hana so nahe bei sich zu spüren, konnte er nicht umhin die Nähe

zu genießen. Gerade, als er zufrieden die Augen schloss, da ihn durch Hanas Nähe nicht einmal mehr Jörgens gehässige Worte erreichen konnten, hörte er Hana seufzen. Dann drückte sie ihren Kopf noch fester an seine Brust. „Ich liebe dich“, wisperte sie ganz leise. So leise, dass es beinahe nicht einmal sein wölfisch geschärftes Gehör erfasst hätte. Doch da er die Vibrationen auf seiner Brust spürte, war er aufmerksam genug die Worte zu verstehen. Vilkas war geschockt. Dennoch zogen sich seine Arme enger um das Mädchen. Es war wie ein Reflex. Er konnte ihn nicht unterdrücken. Dann seufzte er. Nur diese Nacht. Diese eine Nacht, würde er

ihre Wärme genießen. Hana biss sich auf die Lippen. Sie merkte, dass Vilkas ihre leisen Worte doch irgendwie vernehmen hatte können. Gerade, als sie sich vor Peinlichkeit in sich selbst verkriechen wollte, spürte sie, wie seine Arme sich noch enger um sie schlangen. Ihr Herz begann zu rasen. Er schien sie ja doch zu mögen! Wenn er sie sogar als seine Frau und Varis als sein Kind ausgeben wollte! Was hinderte ihn dann nur, sich ihr mehr zu öffnen? Diese Frage nagte an ihr, doch sie fühlte sich im Moment viel zu wohl, um sich weiter damit zu beschäftigen. „Schlaf jetzt!“, hörte sie Vilkas murmeln. Daraufhin schloss sie Augen

und kuschelte sich noch enger an ihn, sog tief seinen maskulinen Geruch in sich ein und fühlte sich trotz der Gefahren, die sie von allen Seiten bedrohten, so sicher und behütet, wie noch nie in ihrem Leben.

13 das wirtshaus zum geiereck



Liese knirschte der Kies unter seinen Stiefeln und genauso leise knirschten die Lederschnallen seiner Rüstung. Das metallische Reiben seines Schwertes, als er es aus der Scheide zog, tönte eindeutig lauter. Aber er war ein Krieger und kein Assassine, auch wenn er im Augenblick nicht mehr so genau wusste, was er lieber wäre. Unheimlich drückte dagegen die Stille des Waldes. Gerade das Rascheln eines kleinen Tieres im Hintergrund drang unangenehm durch die Lautlosigkeit.

Nicht einmal der scharfe Wind, der bis vor kurzem noch heftig blies, war jetzt noch zu hören. Als würde alles den Atem anhalten, vor dem, was sich bereits auf den Weg machte, um in diesem einsamen Waldstück vielleicht doch noch zu erscheinen. „Verdammt! Warum kann der Kerl keinen weniger unheimlichen Erscheinungsort haben?“, flüsterte der Krieger und versuchte angestrengt durch das Buschwerk zu spähen. Doch nichts verriet die Anwesenheit des Gesuchten. Behutsam schob der Mann die Zweige vor sich auseinander, um noch besser sehen zu können. Doch die Lichtung, die sich vor ihm im Licht der beiden vollen

Monde auftat, lag völlig verwaist vor ihm. „Aber die Schriften sagten doch, dass ich ihn hier finden würde!“ Frustriert ließ der Mann seine angespannte Haltung fallen, nur um in der nächsten Sekunde vor Schreck wieder alles zusammen zu ziehen. „Hier bin ich auch“, tönte es leise hinter ihm. Heißer Atem blies in seinen Nacken und der Mann wäre am liebsten in Grund und Boden versunken, doch nun gab es kein Zurück mehr. „Warum sucht Ihr mich? Ich kenne Euch nicht. Was begehrt Ihr also, vom Fürsten der Jagd? Ihr seht nicht einmal aus, als wärt Ihr ein Jäger!“ „Ich bin einer der Gefährten. Und ich bin

gekommen, um mit Euch einen Pakt zu schließen.“ Seine Stimme zitterte, so aufgeregt war er. Der heiße Atem in seinem Nacken entfernte sich und auf der Lichtung vor ihm tauchte plötzlich ein weißer Hirsch mit einem mächtigen Geweih auf. Sein Fell glänzte im Licht der beiden Monde, die beinahe völlig rund am Nachhimmel zu sehen waren. Kein Wort war mehr zu hören. Mutig geworden trat der Gefährte auf die Lichtung hinaus. Der Hirsch erzitterte in den Flanken, dann sprang er davon. Irritiert blickte der Mann ihm nach. Endlich fiel ihm ein, dass Hircine hier war um zu jagen. Entweder selbst zu jagen, oder von

anderen gejagt zu werden. Wenn er mit ihm reden wollte, würde er ihn wohl oder übel erlegen müssen. Oder zumindest es schaffen, hinter ihm herzulaufen. Der Mann stöhnte, sprintete aber dennoch los. „Verdammt! Ich bin ein Krieger!“, keuchte er, während er hinter dem Hirsch hersprang. Die Jagd ging über mehrere Stunden. Doch es gelang dem Gefährten nicht einmal, dem weißen Hirsch auch nur nahe zu kommen. Es war ein sinnloses Unterfangen. Doch Aufgeben wollte er genauso wenig. Beinahe bis zur Erschöpfung folgte er dem Tier, das schließlich wieder auf die Lichtung sprang, wo alles seinen Anfang

genommen hatte und ihn diesmal näher kommen ließ. Einer der Monde war bereits untergegangen, doch der andere verbreitete noch sein milchiges Licht. „Ihr seid ein lausiger Jäger!“, ertönte die Stimme aus dem Hirschmaul. „Doch was soll`s, ich hatte meinen Spaß. Also, was ist Euer Begehr, Gefährte?“ Noch während der Hirsch sprach verwandelte er sich in einen großen Mann, der ein einfaches Fell um sich geschlungen hatte. Sein Schädel war allerdings immer noch der eines Hirschen. Der Krieger fackelte nicht lange. „Macht mich zu einem Werwolf! Ich bin bereit, den Preis dafür zu zahlen. Mehr als

bereit.“ Erstaunen machte sich auf den tierischen Zügen des Deadra breit. „Das ist unmöglich. Diesen Pakt habe ich mit Ysgramor geschlossen. Für ihn und seine Mannen. Das war Jahrhunderte, bevor Ihr überhaupt geboren wurdet. Das ist bindend. Ihr müsst über das Rudel zu mir finden!“ „Aber das ist ja das Problem!“, schrie der Gefährte aufgebracht. „Die nehmen niemanden mehr in das Rudel auf! Das müsst Ihr doch wissen!“ Der Deadrafürst stieß heißen Dampf aus seinen Nüstern. „Ein Pakt ist ein Pakt. Daran kann ich nichts mehr ändern. Ich kann Euch nicht zu einem des Rudels

machen. Das kann nur der Leitwolf.“ Dann begann er aber seinen großen Kopf hin und her zu wiegen. „Es sei denn…“ „Ja?“, fragte der Mann hoffnungsfroh. „Es sei denn…“ Hircine verzog sein Hirschmaul. „… Ihr übernehmt das Rudel!“ Der Mann weitete seine Augen. Hircine griff sich an eines seiner Ohren und riss sich einen kleinen Goldring aus einer ganzen Reihe von Ringen daraus heraus. Ohne Umschweife reichte er ihn weiter. „Hier. Damit könnt Ihr Euch in einen Werwolf verwandeln.“ Gierig griff der Mann zu. Der Daedrafürst betrachtete ihn eingehend. Aus seinem Antlitz konnte man nicht viel lesen. „Wenn Ihr ihn als

Werwolf im Kampf besiegt, übernehmt Ihr seinen Platz“, meinte er abschließend. „Doch versprecht Euch nicht zu viel. Der Ring funktioniert nur einmal. Und es ist der Rudelführer, mit dem Ihr Euch anlegen müsst.“ Der Mann hatte mit funkelnden Augen den Ring bereits übergestreift. „Dieser Emporkömmling war lange genug unser Herold!“, rief er. „Er ist gut, aber nicht unbesiegbar. Ich habe seine Kampftechniken lange genug studiert. Und vor allem: er ist ein Schwächling! Bestimmt unsere Einkünfte nach dem Einkommen der Auftraggeber! Wenn das so weiter geht, werden wir alle bald nur mehr für Bauern, für ein Stück Brot,

arbeiten!“ „Wie Ihr meint!“ Hircines Blick war nicht deutbar. „Eure Seele gehört mir. Ob Ihr es nun schafft, oder nicht. Und es ist wahr: egal wie es ausgeht, ich werde meinen Spaß an Eurer Auseinandersetzung haben!“ Damit verschwand der Daedra von der Lichtung, während der Mann in ein leises Lachen ausbrach, das immer lauter wurde. Zum Schluss fiel er auf die Knie, warf den Kopf zurück und lachte zu dem vollen, bereits ebenfalls untergehenden, zweiten Mond hinauf, sodass die Bäume um ihn zu wackeln begannen.

*** Varis leises Greinen weckte Hana aus ihrem Schlaf. Der Kleine hatte wahrscheinlich wieder Hunger. Noch im Halbschlaf machte sie ihre Brust frei und legte den Säugling an. Zufrieden begann er zu trinken und Hana dämmerte wieder ein wenig ein. Sie rührte sich so wenig wie möglich, denn sie wollte Vilkas nicht wecken, doch seine Bewegungen unter ihr belehrten sie eines Besseren. Vielleicht hatte er Krämpfe? So wie seine Muskeln konvulsivisch zuckten! Oder hatte sie zu schwer auf ihm

gelegen? Umständlich versuchte sie ihre Beine anzuheben und von seinem Oberschenkel zu bekommen. Auch ihren Oberkörper drückte sie ein wenig von Vilkas ab. „Liegst du nicht mehr gut?“, hörte sie seine Stimme, die noch dunkler klang als sonst. Seine Arme hatten sich ein wenig von ihr gelöst, um ihr mehr Bewegungsfreiraum zu lassen. „Nein“, murmelte sie verlegen. Ein wenig kalte Luft kam herein, da durch die Bewegung der Mantel aufklaffte. Sofort zog ihn Vilkas wieder zu. Hana richtete sich jetzt endgültig auf und blickte auf ihn. Dabei erschrak sie heftig. Seine Augen glühten. Das kannte

sie nur, wenn der Werwolf hervorbrach. „Gibt es eine Bedrohung?“, fragte sie sofort ängstlich. Vilkas versuchte sie wieder an sich zu ziehen. „Nein. Alles in Ordnung.“ So gerne Hana auch an seiner Seite lag, ließ sie sich aber diesmal nicht beschwichtigen. Irgendetwas war mit ihm und sie wollte wissen was. „Was plagt dich, Vilkas? Wenn es keine Bedrohung ist, was dann?“ Vilkas seufzte. „Es ist das Wolfsblut in mir.“ Dann deutete er mit einem Kopfnicken zum Nachthimmel. Hana sah, dass die Wolken weg waren und einen klaren Blick auf die Sterne ermöglichten – und auf die Monde Masser und

Secunda, die beide voll waren. Sie verstand. „Vollmond. Ist es das?“, fragte sie. Der große Mann nickte. Dabei spürte sie auch wie seine Arme, die er sanft um sie gelegt hatte, zum Zucken begannen. „Die Bestie lechzt danach zu jagen“, sagte er. „Umso voller die Monde werden – noch dazu, wenn die Wolken sie nicht verdecken - umso drängender wird das Blut. Doch ich sagte dir bereits. Ich kann es nicht mehr riskieren, mich zu oft zu verwandeln.“ Hana spähte in sein Antlitz. Sein Blick hatte etwas Trauriges angenommen, als er ihr dabei tief in die Augen sah. Langsam begann ihr etwas zu dämmern.

„Ist das der Fluch? Dass ihr bald sterben werdet, wenn ihr diese Macht zu oft einsetzt?“ Vilkas sah in ihr Gesicht, das sie ihm voll zuwandte. Diese halbe Nacht, die sie an seiner Brust gelegen und geschlafen hatte, war für ihn eine Wandlung gewesen. Eine Wandlung, die er gefürchtet hatte und um alles in der Welt vermeiden wollte. Doch er war zu schwach, um sie abzuwenden. Er hatte immer wieder Affären gehabt, meist mit verheirateten Frauen, die für ihn keine Gefahr bedeuteten sich binden oder öffnen zu müssen. Dabei war er ohne Frage auf seine Kosten gekommen. Körperlich. Doch niemals hatte er eine

von ihnen so nahe an sich heran gelassen, wie Hana jetzt. Er hatte oft heiße Bettgeschichten gehabt, aber niemals Nähe. Niemals dieses Gefühl, das ihn jetzt zu zerreißen drohte und das er gemieden hatte, aus Angst, so eine Verbindung wieder zuzulassen. Sich wieder so verletzlich zu machen, wie damals bei Lavinia, die ihm hinweggerissen wurde. All seine anderen Probleme oder Sünden, waren eigentlich nur eine gute Ausrede gewesen, sich nicht wieder zu verlieben. Aber nun es war zu spät. Hana war so tief in seine Seele eingedrungen, dass er nicht mehr anders konnte. Er hätte sich am liebsten geohrfeigt für seine

Dummheit. Er hatte es zugelassen, sie bis in sein Innerstes herein zu lassen. Das hatte er jetzt davon! Er liebte sie, er begehrte sie und er spürte, dass er es mit allen aufnehmen wollte, die ihn daran hindern wollten. Allen voran Hircine. Voll von überkochenden Emotionen nahm er Hanas Kopf in seine großen Hände und blickte ihr tief in die Augen. „Ja. Und das ist nur eines der Probleme, die ich mit mir trage. Ich wollte es vermeiden dich da mithinein zu ziehen. Doch ich war zu schwach. Ich…“ mehr konnte Vilkas nicht sagen. Hanas Blick, der so voller Liebe und Vertrauen auf ihm ruhte, gab ihm den Rest. Es würde ihn zerreißen, wenn er sie nicht sofort an

sich heranziehen würde, um sie zu küssen. Sachte beugte er sich vor, während sie ihm bereits entgegen kam. Als ihre Lippen sich endlich berührten, spürte Vilkas, wie sich die dunkle Wolke um ihn auflöste. Jörgen und die anderen bösen Geister, die er so unerbittlich durch seine Schuldgefühle an sich gebunden hatte, verdampften wie ein Regentropfen in der Sonne. Hanas Licht, ihr reines Herz, ihre Liebe, mit der sie ihn einfach so überhäufte, oder was immer das war, was sie an sich hatte, ließ all das von ihm abfallen. Er konnte nicht aufhören sie zu küssen. Wie ein Damm brachen all seine Vorbehalte von ihm weg und er versank in ihren weichen

Lippen, die sie ihm mehr als bereitwillig darbot. Hana glaubte zu verglühen. Sie liebte diesen großen Mann, der sie mit seiner zwar düsteren, aber mehr als aufrechten Art zutiefst berührt hatte. Heimkar war ein führsorglicher, guter Ehemann gewesen. Zumindest bis zu dem Moment, als er zum Vampir wurde. Sie mochte ihn, hätte auch das einfache Leben gut mit ihm verbringen können. Doch sie war niemals in ihn verliebt gewesen. Er hatte sie niemals auf diese Weise berührt wie Vilkas. Ihn liebte sie vorbehaltlos. Mit allem, was er mit sich herumtrug. Tief lehnte sie sich in seinen Kuss hinein, gab ihm, was immer er brauchte und nahm

sich alles was er gab. „Ich liebe dich!“, flüsterte sie nochmals, als sie den Kuss endlich gelöst hatten. Sanft fuhr er ihr durch ihr Haar und strich mit seinen Fingern über ihre Wange. „Du weißt nicht, worauf du dich da einlässt!“ Vilkas fuhr gedankenverloren weiter über ihre zarte Haut, während sein Blick liebevoll auf ihr ruhte. „Vielleicht habe ich noch ein Jahr zu leben.“ Seine Muskeln zuckten unkontrolliert und er spürte wie seine Augen glühten. Es kostete ihn alle Beherrschung die er hatte, um dem heißen Blut in ihm nicht Folge zu leisten. „Die Wolfs-Bestie wird immer fordernder. Auch wenn ich mich

nicht mehr freiwillig verwandle, ich werde das Drängen bei Vollmond nicht mehr ewig unterdrücken können!“ Hana richtete sich auf. Dabei rutschte ihr Kleid wieder über ihre Brust. Varis war inzwischen fertig mit dem Trinken. Sie würde ihm neue Wickel machen müssen, doch nicht jetzt. Beinahe mahnend sah sie Vilkas in die Augen. „Ich weiß sehr wohl auf was ich mich einlasse!“ Ihre Stimme war fest. „Ich liebe dich und Zeit spielt dabei keine Rolle! Ich würde es ewig bereuen, mich aus Angst von dir fern zu halten. Und wenn wir nur einen Monat zusammen haben, so will ich es. Außerdem gibt es das Silber, das den Wolf eindämmt. Es gibt vielleicht auch

noch andere Möglichkeiten. Ich könnte alchemistische Bibliotheken durchforsten. Irgendetwas gibt es sicher!“ Vilkas staunte nicht schlecht. In diesem weichen, lieblichen Mädchen, steckte eine Festigkeit und ein kluger Geist, der ihn beeindruckte. „Du hast recht“, begann er. Gedankenverloren strich er ihr erneut über Haare und Wange. Er konnte nicht damit aufhören, sie zu berühren. Hanas Hingabe, mit der sie ihn dabei ansah tat das Übrige, um Vilkas die sonst so verstockte Zunge zu lösen. „Eigentlich haben wir nicht wirklich nach einer Lösung zu forschen begonnen. Aelas Tod, die lange, erfolglose Suche

nach ihr, hat uns vollkommen beschäftigt. Und danach… ich weiß nicht. Wir hatten immer so viel zu tun. Außerdem fand ich, dass ich mit allem, was ich getan hatte, sowieso nichts anderes verdient habe.“ Hana fuhr auf, doch Vilkas fasste ihre Hände und zog sie wieder unter den Mantel. „Schsch…“, meinte er. „Du kennst wahrlich nicht alles, was ich auf mich lud und heute möchte ich auch nicht mehr davon reden. Ich bereue es zutiefst, dass ich diesen Weg einschlug, aber ich war ein störrischer Bursche. Ein anderes Mal werde ich es dir erzählen – dann kannst du immer noch vor mir davonlaufen.“

Das Mädchen seufzte. „Du bist unverbesserlich! Und immer noch störrisch!“ Dann lächelte sie. „Aber was soll ich tun?“ Sie fuhr nun ihrerseits mit ihren schmalen Händen zu seinem Gesicht und strich ihm über sein kantiges, mit Bartstoppeln übersätes Kinn, bis hinauf zu seinen Lippen. „Ich habe mich in dich verliebt, mit allem was du hast und bist.“ Vilkas antwortete nicht mehr. Er war zu bewegt, um etwas sagen zu können. So zog er sie nochmals zu sich und küsste sie. Ihre vollen Lippen öffneten sich bereitwillig. Sein gesamter Körper begann zu reagieren, doch er würde Hana

niemals zu etwas nötigen. Er schwor sich nur tief in seinem Inneren, dass er für dieses Mädchen alles riskieren würde. Selbst den Kampf gegen Hircine und all seine inneren Dämonen. Wenn dieses gutherzige Wesen sich für ihn entschieden hatte, dann war wohl doch noch nicht alles verloren bei ihm. Nur ungern löste er sich von ihr, doch sie drängte ihn langsam zurück. „Ich muss den Kleinen in frische Laken hüllen“, meinte sie entschuldigend. Da drangen die eindeutigen Dämpfe auch bis zu ihm hinauf. „Uh!“, rief er und versuchte seine empfindliche Nase weg zu drehen. Doch es war zu spät. Das Aroma des wohl

vollgekackten Säuglings hüllte ihn gnadenlos ein. Vilkas musste schließlich lachen, während Hana die zwei Wäschebeutel holte, die sie mit sich mitführten. Varis ließ sie in der Wärme der Mäntel zurück, genauso wie seinen Gestank, der dem Herold der Gefährten sichtlich zu schaffen machte. „Ich glaube, meine Rechnung mit dem Schicksal begleiche ich bereits, so wie du stinkst!“, flüsterte er lachend zu dem sich unwohl im eigenen Dreck windenden Säugling. „Was flüstert du ihm zu?“, fragte Hana mit von der Kälte geröteten Backen. „Dass ich dem Schicksal bereits den Preis bezahle, den es für eine Blume wie

dich wohl verlangt!“ „Nur wegen ein wenig Baby-Kacke?“ Hana huschte schnell unter den Mantel. „Das wird noch weitaus ärger werden, mein Lieber!“ „Ich wusste es“, meinte Vilkas trocken, als Hana schließlich die Wickel löste. „Dein Preis ist höher als der von Hircine!“ Hana lachte und knuffte ihn in den Magen. Es tat so unglaublich gut Vilkas ohne seine Düsternis zu erleben. Der Mann war eine Wucht. Sie hatte es immer schon geahnt. Aber sie wusste auch, dass der Kampf um ihn noch nicht vorbei war. Sie hatte eine Schlacht um sein Herz gewonnen, aber noch nicht den Krieg.

Seine Dämonen waren noch nicht besiegt. Doch sie war die Tochter eines aufrechten, bedeutenden Mannes gewesen. Sie gab nicht so leicht auf und jetzt schon gar nicht! Außerdem würde sie mit ihren Waffen kämpfen und die hießen: Liebe und Vertrauen. „Du willst die stinkenden Laken ebenfalls mitnehmen?“ In Vilkas Stimme schwang Entsetzen mit, als er sah, wie sie die Leinentücher zusammenschlug, um sie in den zweiten Wäschesack zu stopfen. „Natürlich. Das kommt doch viel zu teuer, wenn ich dem Kleinen vier oder fünfmal am Tag frische Laken umwickle, die ich dann

wegwerfe.“ Vilkas verstand die Welt nicht mehr. Auf der einen Seite gab sie das Geld mit offenen Armen aus, auf der anderen dagegen sparte sie bei solchen Kleinigkeiten. Das war wohl die berühmte Frauenlogik. „Ja, schon“, versuchte er noch zu argumentieren. „Die, die nur nass sind, sind ja in Ordnung, aber diese… diese…“ Voller Abscheu verzog sich sein Antlitz. Hana band sich das wollene Tuch mit dem frisch gewickelten und sichtlich zufriedenen Baby wieder um. Für Vilkas Seelenheil, oder besser gesagt, für seine empfindliche Nase, hatte sie den Wäschesack mit den nassen und

stinkenden Laken weit von ihnen weggelegt. „Geht es so?“, fragte sie ihn, dann gab sie sich einen Ruck und beugte sich zu ihm herab, um ihm einen Kuss auf seine Lippen zu drücken. Vilkas brummte missgestimmt, langte aber sofort nach dem Mädchen und zog es wieder in die Wärme seines Körpers und der Mäntel. Das Feuer hatte er zuvor abermals angeheizt und so suchte sich Hana wieder eine angenehme Schlafposition an seiner Brust. Die vollen Monde waren schon beinahe untergegangen, was den Jagdtrieb deutlich verminderte. Er konnte das Mädchen nun ohne die störenden Muskelzuckungen an sich ziehen. Sanft

schlossen sich seine Arme um sie und mit einem letzten gehauchten Kuss auf ihr Haupt, lehnte auch er sich zurück, um die restliche Nacht noch ein wenig Ruhe zu finden. Sie brachen erst spät am nächsten Morgen auf. Es wollte wohl keiner von beiden die nächtliche Vertrautheit und Nähe so schnell aufgeben. Doch als die Luft durch die Sonne wieder warm genug war, machten sie sich langsam auf den Weg. Vilkas wollte Hana zwar so schnell wie möglich nach Weißlauf bringen, doch das würden sie an einem Tag nicht schaffen. Da war es besser langsam zu reisen und dafür die Nacht diesmal in

einem Gasthof zu verbringen. Das ‚Geiereck‘ bot sich an und Gurdan war ein angenehmer Zeitgenosse, der den Gefährten wohl gesinnt war. Es war am späten Nachmittag, als er mit Hana in die Wirtsstube eintrat. Sie waren – wie Farkas am Vortag – in einen Troll Angriff verwickelt worden, doch für Vilkas war das wie eine Aufwärmübung nach all der Reisezeit. Seine ganze ungebändigte Kraft und aufgestaute Jagdlust, konnte er in diese Auseinandersetzungen legen. Gerade Hana machte ihm Sorgen, doch das Mädchen war tapfer und hielt sich mit den Pferden im Hintergrund, während Vilkas die Trolle erledigte. Am liebsten

wäre er ihren Spuren weiter in die Berge gefolgt, um zu sehen, was sie davon herunter trieb, doch unter diesen unsicheren Umständen wollte er Hana keine Sekunde länger als nötig alleine lassen. Auf jeden Fall war er mehr als froh, als sich endlich die Tore der Gastwirtschaft hinter ihnen schlossen und er das Mädchen mit dem Kind fürs Erste einmal in Sicherheit wusste. Trotz der neuen Bedrohung durch die Trolle, war das Gasthaus gut besucht. Der allgemeine Lärm in der Wirtsstube, sowie der unverkennbare Bratenduft orkscher Wildküche, hüllte sie sofort ein. Sanft zog Vilkas, der seinen Arm schützend um das Mädchen geschlungen

hatte, die Kleine mit sich zum Tresen. Die weitere Zeit mit ihr und der sanfte Morgen, hatte ihn noch zugänglicher für Hana gemacht. Er hatte es nicht mehr für möglich gehalten, sein altes Selbst wieder hochkommen zu spüren, doch Hana hatte dieses Kunststück fertig gebracht. Er fühlte sich wieder voller Hoffnung und Tatendrang – und das war seit Lavinias Tod nicht mehr der Fall gewesen. Während der Reise war er zwar einsilbig gewesen, doch das lag an seiner Anspannung, Hana sicher zum Wirtshaus zu bringen. Die Wärme, die durch das offene Feuer und die vielen Leute im Raum hing, ließ sie sogleich die Mäntel öffnen. Vilkas

sah fürsorglich auf das Mädchen, das wohlig seufzte, während sie die Verschnürungen des Wollstoffs löste. Der Gefährte nahm Hana sofort den schweren Mantel ab, während sie versuchte das Baby zu beruhigen. Varis strampelte bereits in den Tüchern und schrie lautstark seinen Hunger heraus. Gurdans Frau, eine etwas beleibte Ork, kam sofort um die Ecke geschossen und nahm sich Hana und des Kindes an. Dem Gefährten war bisher noch nie aufgefallen, welchen Einfluss kleine Kinder und Säuglinge auf bestimmte Frauen ausübten. Dafür ließen sie alles stehen und liegen. Nach ein paar begrüßenden Worten, führte die Orkfrau Hana mit sich hinter den Tresen und in

den Nebenraum. Vilkas blickte ihnen misstrauisch nach und erst, als er sich überzeugt hatte, dass das Mädchen und der Säugling sicher waren, gesellte er sich zu Gurdan. Der Wirt lächelte breit und wissend, als der große Mann sich endlich entspannte und zu ihm trat. Der Ork war redselig und die Männer tauschten sich ungezwungen untereinander aus. Gurdan wollte wissen, wie es um den Weg durch das Troll-Land bestellt war und schilderte seinerseits die neuesten Begebenheiten. Dabei erfuhr Vilkas auch, dass sein Bruder nun in Begleitung von Galen war. Das Drachenblut war zurück von seiner Reise, was Vilkas enorm erleichterte. Bei

all den Bedrohungen, die momentan auf Himmelsrand und die Gefährten im Besonderen niedergingen, war eine weitere hilfreiche Hand ein wahrer Segen. Gerade setzte er sich an einen der Tische, als Hana eilig an ihm vorbei lief. Das Tuch mit Varis hatte sie nicht umgehängt, was wohl bedeutete, dass sich die Orkfrau des Kleinen angenommen hatte. Dennoch war der große Nord alarmiert und stand sofort auf, um ihr zu folgen. „Gemach, gemach, mein Freund!“, polterte Gurdan, der sich mit einem Krug Met zu Vilkas an den Tisch setzen wollte. „Eure Frau wird doch sicherlich

nur etwas von den Pferden holen.“ Sein Grinsen war dabei so breit, dass Vilkas sich tatsächlich vorkam wie ein frischgebackener Ehemann und Vater. Was er ja auch zu sein vorgab. Dennoch ließ er sich von dem Ork nicht abhalten und eilte nach draußen. Die Pferde waren sicher in den Ställen untergebracht. Die Sättel lagen in einer Ecke der Box, in der die Tiere standen und von ihren Hafersäcken fraßen. Hana werkte an einem der Sättel, um den Wäschesack mit den dreckigen Laken loszubinden. Vilkas sprang hinzu und half ihr. Es stank fürchterlich, fand er. Doch wenn Hana unbedingt die Wickel säubern wollte, dann wäre er der Letzte,

der sich dagegen wehren würde. Sofort lehnte sich das Mädchen an ihn. „Danke für deine Hilfe! Aber das hätte ich schon alleine geschafft.“ Schüchtern sah sie ihn an und als sie bemerkte, dass Vilkas, trotz seiner Anspannung während der Reise, immer noch zugänglich war, stellte sie sich schnell auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Dabei zierte eine dezente Röte ihre Wangen. Vilkas nutzte die Gunst der Ruhe des Stalls und nahm sie in die Arme. „Ich möchte eben nicht, dass du ungeschützt irgendwohin gehst. Dazu sind einfach zu viele Leute hinter dir und dem Kleinen her.“

„Glaubst du, dass uns hier etwas geschehen kann? Bei diesen netten Leuten?“, fragte sie. „Man kann nicht vorsichtig genug sein“, erwiderte er. Dann zog er sie fest an sich und küsste sie. Den ganzen Tag über, war er zu konzentriert gewesen, um das zu tun. Er war zwar immer noch vorsichtig und nicht mehr so ohne Vorbehalte, wie bei seiner ersten Liebe, doch sein Sehnen nach diesem Mädchen, schien ihn alles überwinden zu lassen. Hana fürchtete schon, dass er sich wieder von ihr zurückgezogen hätte. Deshalb war sie jetzt umso stürmischer und erfreuter, dass Vilkas sie immer noch an sich heran ließ. Enthusiastisch drängte

sie sich an ihn. Ohne den Kleinen, war das diesmal sogar möglich. Sie genoss den Kuss, der immer leidenschaftlicher wurde, bis Vilkas sie schlussendlich von sich schob. „Bei Talos, Hana, der Gestank ist fürchterlich!“ Hell lachte sie auf. „Ich geh ja schon!“, neckte sie ihn und warf ihm noch einen langen Seitenblick unter ihren langen Wimpern zu, der Vilkas Blut zum Kochen brachte. Dann packte sie das Wäschebündel und wollte zur Gastwirtschaft laufen, als Vilkas sie noch einmal zurück hielt. „Höre!“, sprach er eindringlich. „Vergiss nicht, was wir ausgemacht haben. Du

kommst aus Markhart und kannst dich an deine Vergangenheit nicht genau erinnern. Und noch etwas! Du bist keine Alchemistin! Du hast im Dibella-Tempel ausgeholfen!“ Das Mädchen nickte feierlich. Dann strich sie ihm neckisch über seine Bartstoppel und lief ausgelassen zur Wirtsstube. Vilkas blieb zurück. Er wollte noch seine Gedanken ordnen und lehnte sich an die Koppel der Pferde. Es war ihm klar, dass er dem Mädchen nicht mehr widerstehen konnte. Und er wollte auch nicht. Doch nun plagten ihn andere Sorgen. Ihre Sicherheit und die Sicherheit des Säuglings lagen ihm nun noch mehr am Herzen. Gurdan hatte zu Recht so

gelacht. Er war wirklich das Sinnbild eines überbesorgten Ehemannes geworden. Aber keine andere Frau wurde im Moment so bedroht wie Hana. Vilkas musste lachen. Eigentlich passte das genau zu ihm. Er hatte sich schon wieder einmal das Schwierigste ausgesucht. Aber Hana machte ihm Hoffnung. Eine Hoffnung, die er für sich schon lange aufgegeben und begraben hatte. Dass sie an ihn glaubte, brachte in ihm wieder seinen alten Kampfgeist hervor. Den Kampfgeist, der mit seinem Vater gestorben war. Er wusste, dass er sich zu Unrecht die ganze Schuld gab. Doch er hatte nicht anders gekonnt. Lavinias tragischer Tod, seines Vaters Tod, den er

mitverschuldet hatte, die ganzen Hassgefühle, die er gegen ihn gehegt hatte, ließen ihn so reagieren. Zu dieser Zeit ließ er auch noch seinen Bruder im Stich, der ihn angefleht hatte, bei ihm zu bleiben. Aber Vilkas war so verstört und durcheinander gewesen, dass er Farkas damals verließ und sich der dunklen Bruderschaft angeschlossen hatte. Nicht dass sie zu ihm gekommen wären, nein, er hatte sie aufgesucht und alle Brücken hinter sich abgebrochen. Vilkas seufzte. Das war wirklich das dunkelste Kapitel seines Lebens gewesen. Als er sich daraus nach ein paar Monaten befreit hatte, war er so aggressiv und reizbar gewesen, dass er

nicht nur sich selbst das Leben schwer gemacht hatte. Mit Farkas und Skjors Hilfe, war es ihm schließlich gelungen, aus diesem dunkelsten Loch seiner Existenz wieder heraus zu kommen. Doch den letzten Eispanzer, den er um sein Herz aufgebaut hatte, konnten selbst sie nicht durchdringen. Aela hätte es beinahe geschafft. Doch als Vilkas bemerkte, wie Farkas sie ansah, wie sehr sein Bruder der rothaarigen Jägerin zugetan war, zog er sich sofort von ihr zurück. Ihr Tod und Hircines Hetze, beraubten ihn dann endgültig von jeglicher Hoffnung, auch den letzten Ring um sein Herz jemals zu sprengen. Und ausgerechnet jetzt, wo er

sich schon damit abgefunden hatte, wo er sich nur mehr einen würdevollen Abgang von dieser Welt wünschte, da trat Hana in sein Leben. Ob es auch so bleiben würde, wenn sie wüsste, dass er eine Zeit lang Teil der dunklen Bruderschaft gewesen war? Das war die Frage. Aber Vilkas spürte wie sein inneres Feuer wieder zu brennen begonnen hatte. Der Kampfgeist, der nichts unversucht lassen würde, um diese Frau und um ihre Liebe zu kämpfen – und um sein Leben, das er an ihrer Seite verbringen wollte. So ein Glück, wie Hanas Liebe zu ihm, war kaum zu fassen. Aber Vilkas war nicht dumm. Wenn die Göttlichen ihm so

ein reines Wesen schickten, das sich nicht einmal durch brüske Abweisung zurückschrecken ließ und seinen Eispanzer durchdrang, dann mussten sie tatsächlich noch etwas mit ihm vorhaben. Selbst wenn das bedeutete, dass er noch mehr dieser Babykacke aushalten musste. Diesen Preis zahlte er gerne! Lächelnd und voll neuer Erwartungen, stieß sich Vilkas von der Koppel ab, um zurück zum Gasthaus zu gehen. Kurz bevor er die Stalltüre erreichte, wurde diese aufgerissen und Gurdans jüngster Sohn kam mit drei Pferden herein. „Entschuldigt!“, stammelte er. „Aber ich muss die Tiere der neuen Gäste hier

versorgen.“ „Schon gut!“, murmelte Vilkas und trat zur Seite, um den Halbwüchsigen durchzulassen. Irgendetwas Vertrautes stieg dem Gefährten in die Nase, aber er konnte es nicht sogleich zuordnen. Achselzuckend wandte er sich ab und marschierte zur Wirtschaft. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt und er freute sich schon auf das Abendmahl, das er mit Hana in Ruhe genießen wollte. Als er durch die Türen trat, wusste er in einem Augenblick, was der bekannte Geruch zu bedeuten hatte. Die Thalmor waren ebenfalls in dem Gasthof abgestiegen. Doch das war nicht das

Schlimmste, was er sah. Das, was ihn sofort in höchste Aufregung versetzte, war der Anblick des Elfen Lords, der sich zu Hana hinabbeugte und sie sichtlich auszufragen schien. Vilkas konnte sich gerade noch zurückhalten, nicht sofort seine Waffe zu ziehen. Alles andere hatte er nicht mehr unter Kontrolle. Wie ein wildgewordenes Mammut stürmte er mit gewaltigen Schritten zu seinem Mädchen. Hana hatte mit Hilfe der Orkfrau sämtliche Laken reinigen können. Sie hingen nun über dem Feuer zum Trocknen und das Mädchen ging mit ihrem Baby in den großen Raum, um sich

zu einem der Tische zu setzen. Es wunderte sie, dass Vilkas noch nicht in der Stube war, aber sie suchte sich ein schönes Plätzchen, auf das sie gerade zusteuern wollte, als ihr zwei der neuen Gäste in den Weg traten. Der dritte setzte sich dagegen mit schmerzverzerrtem Gesicht an einen der Tische. „Ihr seid doch eine Kaiserliche!“, näselte der Mann hochmütig. Hana zuckte zusammen. Sie dachte sofort an Vilkas Schilderung der Thalmor, die bei ihrem alten Haus etwas gesucht hatten. Die neuen Gäste hatten zwar keine Helme der Thalmor auf, doch es waren offensichtlich Hochelfen. Das Mädchen versuchte sich nichts anmerken

zu lassen. Lächelnd sah sie zu dem arroganten Mann auf und nickte. „Zu einem Teil, mein Herr, warum?“, fragte sie völlig unschuldig. „Weil Ihr genau der Beschreibung einer Frau entsprecht, die wir suchen.“ Prüfend sah der Hochelf sie an. Ihr kommt aus Cyrodiil, nicht?“ „Nein“, log Hana ohne mit der Wimper zu zucken. „Meine Mutter war eine Dienerin Dibellas. Ich wurde in Markhart geboren und wuchs dort auf. Angeblich war mein Vater ein kaiserlicher Soldat.“ Der Elf schien immer noch seine Zweifel zu haben. „Und Ihr seid nicht mit einem Nord Namens ‚Heimkar‘ verheiratet?“ Hana lachte. „Nein. Mein Mann heißt

Vilkas.“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie dabei rot wurde. Alle anderen Lügen waren ihr locker über die Lippen gekommen, doch was Vilkas betraf, waren ihre Wünsche wohl zu offensichtlich, als dass sie unbedarfter darüber hinweg täuschen konnte. Der Elf zog seine Augenbrauen hoch. „Ach, tatsächlich?“ Sofort hatte er Verdacht geschöpft. „Ja“, sagte Hana jetzt voll errötend. Sie würde einen Angriff nach vorne wagen. Abtun konnte sie die Tatsache ihrer glühenden Wangen sowieso nicht mehr. „Wisst ihr…“, beschämt sah sie auf den Boden. „Wir sind erst auf dem Weg nach Rifton, zum Tempel Maras, obwohl der

Kleine bereits geboren wurde.“ Erleichtert sah das Mädchen, wie der Elf enttäuscht seine Lippen kräuselte. Aber ganz war sein Misstrauen noch nicht gewichen. Plötzlich bemerkte Hana, wie die Elfe auf seiner Seite bleich wurde und in Richtung Tür deutete. „Eure Lordschaft“, meinte sie stockend. Und dann, als der adlige Elf nicht sofort reagierte, wurde sie lauter und ihre hinweisenden Bewegungen hektischer. „Eure Lordschaft!“ Gleichzeitig mit dem Thalmor drehte sich Hana in Richtung Türe, da sah sie bereits wie Vilkas mit glühenden Augen und einem dermaßen finsteren Ausdruck

auf sie zustürmte, dass selbst ihr das Blut in den Adern gefror. Zuckend krümmten sich dabei seine Finger, als hätte er den Hals des Hochelfen bereits zwischen seinen Händen. Obwohl Hana vor Schreck am liebsten in sich zusammengesunken wäre, versuchte sie ihm entgegen zu lächeln. Es sah wirklich so aus, als würde er den Hochelfen mit bloßen Händen entzwei reißen wollen. „Oh, Vilkas!“, flötete sie, um das Allerschlimmste zu verhindern. Der hochgewachsene Elf ihr gegenüber wurde ebenfalls bleich, als er den großen Nord, der ihn sogar noch überragte, auf sich zukommen sah. Sofort fasste Vilkas nach Hana und zog

sie hinter sich, als er sie erreichte. Drohend neigte er sich zu dem Thalmor vor sich. „Was wollt Ihr von meiner Frau und meinem Kind?“, knurrte er während er seine Hand zur Faust ballte. Unwillkürlich wich der Hochelf zurück. In der Gaststube war es inzwischen totenstill geworden. Und während sich die Gäste unbehaglich zusammen kauerten, begann Gurdan hinter seiner Theke wohl bereits nach seinem Kriegshammer zu greifen, so wie er dahinter herumtastete. „Verzeiht!“, entwich es dem Thalmor, der noch einen Schritt zurück machte. „Wir sind auf der Suche nach einer jungen Kaiserlichen, die zufällig Eurer

Gemahlin ähnlich sieht.“ „Meine Frau stammt nicht aus Cyrodiil“, knurrte Vilkas abweisend. „Wir haben diesen Irrtum ebenfalls schon eingesehen!“, beeilte sich der Hochelf zu sagen. Dann trat ein verschlagener Ausdruck in seine Augen. „Aber vielleicht könnt ihr uns anderweitig helfen. Mein Diener ist verletzt. Eine ganze Troll Horde hat uns angegriffen. Kennt Eure Gemahlin vielleicht ein hier wachsendes Heilkraut, das ihm Linderung verschaffen könnte?“ Hana spürte wie Vilkas warnend ihre Hand drückte, die er die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte. Sie wäre doch tatsächlich darauf hereingefallen. Alleine

schon, weil ihr der verletzte Mann Leid tat. So schüttelte sie nur bedauernd den Kopf. „Es tut mir Leid Euch nicht helfen zu können. Ich verstehe nichts von Heilung oder Alchemie.“ „Das ist sehr schade.“ Enttäuschung färbte die Stimme des Thalmor. Dann nickte er ihnen mit desinteressiertem Blick unverbindlich zu und setzte sich mit seiner Begleitung zu seinem ‚Diener‘, ohne noch ein weiteres Wort an Vilkas oder Hana zu richten. Vilkas dagegen ließ Hana nicht los. Beschützend fasste er sie um ihre Schultern und führte sie zu einem der Tische in der Nähe der Theke. Seine angespannte Haltung und der furchteinflößende

Gesichtsausdruck verließen ihn während dem gesamten Essen nicht mehr. Dabei ließ er die Thalmor kein einziges Mal aus den Augen. Aber die Hochelfen blieben unauffällig, bis sie zu ihrem Raum hochstiegen. „Ich dachte schon, Ihr würdet diesem arroganten Kerl den Hals umdrehen.“ Gurdan lachte, als er sich mit zwei Krügen Met zu ihnen an den Tisch setzte und einen davon Vilkas zuschob. „Ich habe Euch immer schon für einen unerschrockenen Kerl gehalten. Aber das was Ihr heute abgeliefert habt…“ Der Ork schüttelte den Kopf. „Der Kerl wäre beinahe aus seiner goldenen Haut gehüpft.“ Sein Lachen donnerte durch

den Raum und er prostete Vilkas zu. Der Gefährte konnte dem noch nicht so locker folgen. Doch der Ork schlug ihm kräftig auf den Rücken. „Naja…“, meinte er abschließend. „Als meine Frau noch so ein zartes Püppchen war, durfte ihr auch kein anderer näher als drei Meter kommen, ohne dass ich ausgerastet wäre! Aber so einen mordlüsternen Blick wie Ihr, den hatte ich sicherlich nicht drauf.“

14 hanas story

Die Gefahr, die von den Thalmor ausging, schien fürs Erste gebannt zu sein. Als sie endlich in ihr Zimmer kamen, wollte Hana sich sofort an Vilkas wenden und all ihre ausgestandenen Ängste loswerden. Doch sein Blick brachte sie augenblicklich zum Schweigen. Wild glühten seine Augen. Er legte seinen Zeigefinger an den Mund und deutete auf die Wand. Hana verstand. Die Elfen waren neben ihnen untergebracht. Sein finsterer Blick galt nicht ihr. Sie nickte und begann zum Schein von etwas völlig Belanglosem zu

plaudern, was Vilkas zufrieden nicken ließ. Während sie den Kleinen stillte und weiter vor sich hin brabbelte, lauschte der große Mann gebannt. Dabei zog er sich langsam die Rüstung aus und lehnte auch den Zweihänder, mitsamt seiner Halterung, an die Wand. Das Zimmer war schmal und hatte nur zwei Einzelbetten, die hintereinander standen. Auf der gegenüberliegenden Wand war ein Tisch mit zwei Stühlen. Direkt neben einem der Stühle hatte Vilkas seine Ausrüstung abgelegt und konzentrierte sich auf die Worte und Geräusche im Raum nebenan. Hana beobachtete ihn, wie er Platz nahm, sich zurücklehnte und mit geschlossenen

Augen lauschte. Trotz dieser Haltung wirkte er angestrengt. Sein Hemd zeigte große Schweißflecke unter den Armen, die wahrscheinlich auch noch von der Anspannung im Wirtsraum herrührten. Hana dagegen war immer noch selig. Es war absolut unpassend, wo die Gefahr doch noch nicht gebannt war und sie nicht einmal wussten, was die Thalmor überhaupt von ihr wollten, aber sie konnte nicht anders. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie verliebt. Und zwar so sehr, dass sie bei jeder Gelegenheit mit ihren Augen an Vilkas klebte und jede Einzelheit von ihm in sich aufsog. Auch jetzt beobachtete sie ihn, ließ seine hochgewachsene Erscheinung auf sich

wirken, wie er mit leicht gegrätschten Beinen im Stuhl saß, das Hemd bis zur Brust bereits aufgeschnürt, die Atmung ruhig und dennoch hoch konzentriert. Sie bemerkte sogar die leichten Zuckungen seiner Gesichtsmuskeln. Beinahe kam es ihr so vor, als würden sich auch seine Ohren wie Wolfslauscher zu den Geräuschen hinwenden. Wieso so eine Faszination von ihm ausging, konnte sie sich nicht erklären. Es hatte sie bei Vilkas einfach wie der Blitz getroffen. Und, sobald sie an seine Küsse dachte, die er endlich mit ihr teilte, wurde ihr augenblicklich heiß und in ihrem Magen begann sich alles zu verknoten. Bei Heimkar oder ihrem Verlobten war das

ganz anders gewesen. Dabei dachte sie damals wirklich sie sei verliebt gewesen in Shamar, den Jungen aus Cyrodiil, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte. Er war im selben Alter wie sie und wenn sie sich heimlich geküsst hatten, war das für Hana schon die absolute Überschreitung aller Sittlichkeitsgebote gewesen. Als ihr Vater angeklagt wurde und Shamar sich von ihr abgewandt hatte, erkaltete schlagartig auch jegliches Gefühl ihrerseits. Das was sie bei ihm verspürt hatte, konnte damit höchstens eine gewisse Faszination und Neugier gewesen sein. Mehr nicht. Bei Heimkar waren ihre Gefühle noch kühler gewesen. Vor ihm hatte sie sogar

Furcht empfunden. War er doch beinahe doppelt so alt wie sie und von einer wahren Nord-Statur gewesen. Noch dazu wusste sie gar nichts, was sie in einer Ehe erwarten würde. Hana krümmte sich jetzt noch vor Scham, wenn sie daran zurückdachte, wie unbedarft und unaufgeklärt sie gewesen war. Wer hätte es ihr auch sagen sollen? Ihre Mutter starb, als sie zehn Jahre alt war. Von ihrem Vater wusste sie nur, dass er ihrer Hausdame die Order gegeben hatte, sie kurz vor der Hochzeit mit Shamar über die gewissen körperlichen Begleitumstände einer Ehe aufzuklären. Und das, was Shamar ihr des Öfteren darüber ins Ohr geflüstert hatte, ließ sie

vor der Hochzeitsnacht eher erzittern, als sie sehnsüchtig herbei sehnen. Selbst ihre Freundinnen konnten nur Gerüchte darüber verbreiten, die mehr als vage waren. Aber sie hatte damals keine große Wahl gehabt. Alles ging Schlag auf Schlag. Nach der Verurteilung wurde ihr Vater sofort hingerichtet. Dazu zerrte man sie zur Vollstreckung, die sie mit Horror miterleben musste. Danach wurde sie von den Wachen wieder in ihr Heim geschleift, in dem Piron sich bereits umsah, als wäre alles sein. Sie durfte sich zwei ihrer Kleider nehmen und ihre Alchemie Bücher. Sodann wäre sie zur Zwangsarbeit in irgendeine adlige

Familie gebracht worden. Wahrscheinlich nicht einmal in der Kaiserstadt, da sie hier in den höheren Kreisen jeder kannte und sicherlich niemand eine in Verruf gekommene Manebarba aufnehmen wollte. Der Hochelf selbst hatte kein Wort mit ihr gewechselt. Alles lief über einen Vermittler, der ihr die Beschlüsse des Kaisers und seines Rates mitteilte. Und bis auf die alte Köchin war auch von der Dienerschaft niemand mehr im Haus gewesen. Die alte Berthea war die Einzige, die auf die Obrigkeiten pfiff und sich vor allen anderen lautstark in ihre Schürze schnäuzte und die Hinrichtung ihres Herrn, des grundgütigen Varis Valeren Manebarba,

beklagte. Hana erinnerte sich noch, wie sie mit ihrem Bündel dastand und wartete, dass der Vermittler ihr endlich mitteilen würde, wohin sie gebracht werden würde. Sie war stocksteif vor Entsetzen, welches die Hinrichtung ihres Vaters in ihr ausgelöst hatte. Beinahe völlig weggetreten lehnte sie im eleganten Eingangsbereich ihres Hauses, das nun nicht mehr länger das ihre war, an der Wand, als der große Wachsoldat, den sie hin und wieder in den Schatzkammern gesehen hatte, mit einer versiegelten Notiz auftauchte, die er dem Beamten unter die Nase hielt. Sie bekam zuerst gar nicht mit, dass es

sich bei der beginnenden Diskussion, um ihr weiteres Wohlergehen handelte. Erst als der Soldat wutentbrannt seine Stimme erhob und auf das Siegel des Kaisers hinwies, das ihn bevollmächtigte, sie zu heiraten und als seine Frau in seine Heimat Himmelsrand mitzunehmen, wurde sie hellhörig und wandte ihren Blick dem Nordmann zu. Es war das erste Mal, dass sie Heimkar genau betrachtet hatte. Seine Gestalt war groß und breitschultrig mit einem mächtigen Brustkorb. Seine blonden Haare trug er kurzgeschnitten, gerade eine einzelne Strähne hatte er, die er hinter seinem rechten Ohr bis auf seine Schulter hinunter geflochten trug. Dazu

vervollständigte ein gestutzter Vollbart seine kraftvolle Erscheinung. Hana fühlte sich sofort eingeschüchtert, doch seine blauen Augen, die mit Lachfältchen umspannt waren, ruhten liebevoll auf ihr. Sie war noch ganz geschockt von den vorangegangenen Ereignissen, als der Beamte sie bereits vor die Wahl stellte: Zwangsarbeit oder Heirat. Hana überlegte nicht lange. Heimkars Augen waren ehrlich und so stand sie mit ihm schon in der nächsten Stunde vor dem zuständigen Priester ihres Bezirkes, der sie miteinander vermählte. Sie war nun mit einem Mann verheiratet, den sie nicht kannte und mit dem sie nicht mehr als ein paar Worte gewechselt hatte.

Doch bevor sie über all das weinen konnte, ihrem Entsetzen Luft machen konnte, wurde sie von Heimkar gepackt und auf ein Pferd gesetzt. Am selben Tag noch verließ sie die Kaiserstadt, ihr altes gewohntes Leben und war mit ihrem frisch angetrauten Ehemann auf dem Weg nach Himmelsrand, in das kälteste und unwirtlichste Land von ganz Tamriel. Und dabei wusste sie immer noch nichts von diesem ‚Geheimnis‘ zwischen Mann und Frau, das sich im Ehebett vollziehen sollte. Hana erinnerte sich, wie sie voller Angst und Grauen am Abend ihres ersten Reisetages bei der Gastwirtschaft angekommen war, die ihnen als

Nachtquartier dienen sollte. Sie war so steif vor Anspannung gewesen, dass Heimkar sie vom Pferd heben musste, da ihre Glieder ihr nicht mehr gehorchten. Das Essen in der Herberge war gut, obwohl sie kaum einen Bissen herunterbrachte. Nicht einmal, als Heimkar ihr von ihrer zukünftigen Heimat zu erzählen versuchte. Er war absolut aufmerksam und fragte sie ständig, ob es ihr an nichts mangelte. Doch sie konnte nur stumm den Kopf schütteln. Als sie dann oben in ihrem Zimmer angekommen waren, zitterte sie so heftig, dass Heimkar bestürzt stehen blieb. „Was ist los?“, fragte er, doch sie

konnte wieder nur stumm den Kopf schütteln, wobei jetzt endlich die Tränen hervor brachen, die sie bisher nicht weinen konnte. Nicht um den unrühmlichen Tod ihres Vaters, noch um die Umstände, die sie seitdem von einem Entsetzen in das Nächste katapultiert hatten. „Hey, Liebes!“, rief Heimkar alarmiert und kam auf sie zu, was Hana noch mehr zurück weichen ließ. Da endlich schien es dem ehemaligen Soldaten zu dämmern. „Hast du… etwa Angst?“, fragte er ungläubig. „Angst vor mir?“ Hana sank noch mehr in sich zusammen, nickte aber. „Bei Talos!“, rief Heimkar. „Aber… ich

tu dir noch nichts! Bei mir bist du in Sicherheit!“ Dann umarmte er sie ein wenig linkisch und versuchte sie zu beruhigen. „Armes Mädchen. Das mit deinem Vater, nimmt dich wohl sehr mit, oder?“ Hana nickte, ließ Heimkars unbeholfene Bemühungen, sie zu beschwichtigen, aber zu. „Hey“, murmelte er, während er sie an seinen Brustpanzer drückte. „Das war eine schlimme Sache. Echt übel. Die Männer redeten auch, dass das nicht mit rechten Dingen zuging. Doch du musst das vergessen. Die haben sogar die Freunde deiner Familie mundtot gemacht oder schon lange vorher versetzt.“ Hana heulte noch

mehr. „Schsch“, begann er und hob ihren Kopf an. Mit einem liebevollen Blick sah er sie an. „Das ist jetzt vorbei, mein Schatz. In Himmelsrand wirst du über alles hinweg kommen. Ich kann dir zwar keine Reichtümer bieten, aber einen sicheren Platz zum Leben.“ Als er sich mit seinen Lippen den ihren nähern wollte, zuckte sie nochmals zurück. Das erschütterte ihn. „Verabscheust du mich?“, fragte er alarmiert. Hana gelang es den Kopf zu schütteln. „Nein!“, brachte sie endlich heraus. „Ich bin dir dankbar… aber… aber…“ Hilflos hörte sie

auf. Heimkar ließ sie los. „Du bist noch Jungfrau. Ist es das?“ Ängstlich hob Hana ihren Blick. Sie musste schrecklich aussehen. Verheult und furchtsam, wie sie sich gegen die Wand neben der geschlossenen Tür ihres Zimmers drückte. Der große Nord seufzte und ließ sie los. „Es war zu erwarten gewesen. Doch ich dachte nicht, dass dich das so sehr ängstigt.“ Ein paar Schritte ging er zurück und blickte aus dem Fenster. „Talos!“, fluchte er und hieb seine Faust gegen die Wand, was Hana erneut zusammenzucken ließ. Dann stemmte er sich ab und schickte sich an, aus dem

Zimmer zu stürmen. Kurz davor blieb er nochmals bei ihr stehen. „Ich geh noch was trinken“, knurrte er. „Keine Angst. Ich rühr dich nicht an, bevor du nicht bereit dazu bist.“ Dann war er draußen. Die Tür ließ er dabei mit Schwung zufallen, dass es nur so krachte. Hana brauchte beinahe die gesamte Reise nach Himmelsrand, bis der lähmende Schock des gewaltsamen Todes ihres Vaters langsam seine schrecklichen Klauen von ihr nahm. Zu der Zeit begann sie nach und nach, die Küsse ihres Mannes schüchtern zu erwidern und auch seine Umarmungen, wenn er sich zu ihr ins Bett legte. Sobald sie aber spürte, dass er mehr wollte, wie seine Erektion

unmissverständlich Aufmerksamkeit forderte und seine Hände zwischen ihre Beine greifen wollten, fing sie so zu beben an, dass Heimkar meist frustriert aufstand und wieder in die Gaststube hinunterstürmte. In Bruma, einer Stadt nahe an der Grenze zu Himmelsrand, offenbarte er ihr schließlich, dass er noch einen Weg hätte und erst sehr spät in der Nacht in die Herberge kommen würde. Sie sollte sich einstweilen getrost zur Nachtruhe begeben. Hana wusste damals nicht, dass in Bruma ein berühmtes Freudenhaus einsame Männer einlud. Als Heimkar sich dann spät in der Nacht schließlich zufrieden und nach billigem Parfum

duftend zu ihr legte, wusste selbst sie, wo er wohl gewesen war. Verzweifelt krümmte sie sich zusammen und konnte lange nicht einschlafen, wohingegen Heimkar in tiefen Atemzügen seiner Entspannung frönte. Dabei hatte sie bereits begonnen seine Küsse und Zärtlichkeit schüchtern zu genießen. Auch wenn er anfing ihren Körper zu berühren spürte sie, dass sie langsam neugierig wurde. Aber diese Aktion jetzt, ließ sie völlig aufgelöst und in ihren Gefühlen verletzt und verwirrt zurück. Am nächsten Tag rechtfertigte sich Heimkar erbost. Er machte ihr Vorwürfe, dass er geradezu dazu genötigt wurde, dafür sogar noch – als verheirateter

Mann – Septime ausgeben zu müssen, nur weil sie so verklemmt war, wie alle anderen adligen ‚Ärsche‘ aus Cyrodiil. Hana weinte die gesamte Strecke über, die sie an diesem Tag zurücklegten. Sie waren bereits in Himmelsrand, als Heimkar ihre Pferde stoppte, sie von ihrem herab hob und sich stockend wegen seiner unbedachten Worte entschuldigte. „Bei Talos! Ich liebe dich“, murmelte er. „Ich hätte doch nicht all das auf mich genommen, wenn ich dich nicht mögen würde. Es tut mir leid. Du bist das reizendste Geschöpf das ich jemals getroffen habe.“ Als er sich herabbeugte, um sie zu küssen, war sie gern bereit

dazu. Sein Gang zu den Freudenmädchen hatte sie tiefer gekränkt als sie dachte. Sie mochte ihn. Er war ehrlich und bemüht und langsam fühlte sie sich auch immer stärker zu ihm hingezogen. Heimkar führte sie zuerst nach Rifton, in den Tempel Maras. Obwohl sie bereits verheiratet waren, war es für ihn als Nord wichtig, Maras Segen für seine Ehe zu erbitten. Dabei lernte Hana auch etwas über die Bräuche dieses Landes. Und es war wahr, in der Kaiserstadt war ihre Hochzeit eine lieblose Abhandlung gewesen. Doch hier in Himmelsrand, wo sie ebenfalls niemanden vom Tempel kannten, war es eine feierliche Zeremonie und sie wurden mit den besten

Wünschen von den Priestern und Priesterinnen entlassen. Erst jetzt fühlte sie sich wirklich verheiratet. Vielleicht war es auch das, was sie Heimkar gegenüber noch offener werden ließ. Ihr Mann selbst tat seit dem Vorfall in Bruma, der inzwischen drei Tage zurück lag, nichts mehr, was sie bedrängte. Er küsste sie, streichelte sie, gab ihr aber nie wieder das Gefühl, mehr von ihr zu wollen. Nach der Zeremonie in Maras Tempel waren sie nicht sofort aufgebrochen, sondern Heimkar wollte die Nacht in der Taverne von Rifton verbringen. Er meinte, dass die lange Reise sie beide ermüdet hätte und die Pause ihnen gut

täte. Es war an diesem Abend in ihrem Zimmer gewesen, als Hana sich verschämt gegen ihn lehnte, während er sie vorsichtig küsste. Erstaunt zog ihr Mann die Augenbrauen hoch und eine leise Hoffnung machte sich auf seinem Antlitz breit. Sie dagegen konnte nur unsicher lächeln. Es war jetzt ein wenig mehr als ein Monat seit dem Tod ihres Vaters vergangen und sie fühlte sich langsam immer wohler in der Nähe ihres Mannes. Außerdem begann eine Neugier in ihr zu brennen und auch ein seltsames Verlangen nach ‚mehr‘, wenn sie die rauen Hände ihres Ehemannes auf ihrem Körper spürte. Heimkar fackelte nicht

lange, als er ihre bange Bereitschaft sah. Da er von ihrer Unerfahrenheit wusste, war er dabei sehr langsam. Für Hana war ihre erste Vereinigung dennoch schmerzhaft, auch wenn ihr das behutsame Vorspiel sehr gefallen hatte. Heimkar war seit diesem Moment noch zuvorkommender zu ihr, auch wenn er nun beinahe jede Nacht ihre Bereitwilligkeit einforderte. Nach den ersten Malen wurde es auch für Hana langsam ein immer schöneres Erlebnis und der anfängliche Schmerz verlor sich völlig. Sie ertappte sich auch dabei, dass sie Heimkars Nähe und seinen Liebkosungen bereits erwartete, auch wenn sie nach wie vor viel zu schüchtern

war, um selbst mit Zärtlichkeiten zu beginnen. Sie war zwar nicht in ihn verliebt gewesen, aber sie lernte ihn schätzen und es entwickelte sich in ihr eine tiefe Zuneigung zu ihm. Das war auch die Zeit, in der sie wirklich dachte, sich gut in ihr neues Leben einfügen zu können. Das Leben in Morthal war zwar einfach, aber es erfasste sie darüber eine Zufriedenheit, die sie nicht erwartet hätte. Heimkar arbeitete hart und auch sie konnte mit gesammelten Kräutern und Zutaten einige Tränke brauen, die sie im Laden von Morthal verkaufen konnte. Als sie nach ein paar Monaten schließlich feststellte, dass sie schwanger war,

konnte sie ihr Glück kaum fassen. Sie freute sich auf ihr erstes gemeinsames Kind und auch Heimkar schien glücklich zu sein, auch wenn ihr zu dieser Zeit schon eine seltsame Blässe an ihm auffiel. Dennoch dauerte es lange, bis sie dahinter kam, was mit ihm geschehen war. Zuerst ließen seine Zuwendungen nach, danach wurde er schweigsamer und schließlich sogar aggressiv. Hana glaubte damals noch, es läge vielleicht an ihrer Schwangerschaft, dass er sich von ihr immer mehr zurückzog. Als sie Heimkar aber eines Tages mit Alva gemeinsam in der Stadt gesehen hatte, traf sie das zutiefst. Sie dachte aber immer noch, dass Heimkar sie nur

mit dieser aufreizenden und sicherlich nicht gehemmten Frau betrog. Nie im Leben wäre ihr eingefallen, dass ihr Mann von einem Vampir verführt worden war. Es vergingen viele Nächte, die sie alleine und weinend verbrachte. Ihr Bauch wurde langsam größer, auch wenn man unter den weiten Kleidern noch nicht viel erkennen konnte. Heimkar sprach kaum mehr mit ihr und war beinahe immer unterwegs. Seine Arbeit vernachlässigte er und Hana begann sich um ihre Vorräte zu sorgen, die langsam zur Neige gingen. Eines Abends, als Heimkar nach einigen wüsten Beschimpfungen ihr Heim wieder verließ, folgte sie ihm.

Das, was sie dann zwischen ihm und Alva belauschen konnte, ließ sie endlich die ganze Wahrheit erkennen. Ihr Leben zerschellte wieder einmal. Sie stand erneut vor dem Nichts – und, obwohl sie am liebsten zusammengekauert in Panik sitzen geblieben wäre, handelte sie sofort. Sie dachte keine Sekunde nach, ansonsten hätte die Verzweiflung die letzten Reste ihrer Kräfte aufgesogen, wie ein nimmersatter Moloch, aus dem es kein Entrinnen mehr gegeben hätte. So begann sie warme Sachen für sich zu packen und die letzten Septime zusammenzukratzen, die sie noch fand. Ihre Alchemie Bücher waren zu schwer,

um sie mitzunehmen, also vergrub sie diese. Dann setzte sie ihr Haus mit Hilfe von Feuersalzen in Brand und verschwand. Sie ging die ganze Nacht hindurch und lagerte erst am nächsten Morgen bei einer Khajiitgruppe, die auf dem Weg nach Cyrodiil war. Über viele Umwege kam sie schließlich nach Markarth, wo sie im Tempel Dibellas Unterschlupf fand. Erst dort war es ihr möglich, über den neuerlichen Schicksalsschlag zu weinen. Und als sie dann von den Banditen sogar aus diesem Hort herausgerissen worden war, war die Sorge und Liebe um ihr ungeborenes Kind das Einzige, das sie auch diese Tortur aushalten ließ. Zumindest bis zu

dem Augenblick, als auf ihrer zweiten Flucht vor diesen Männern, die Wehen einsetzten. Das war der Moment gewesen, als sie wirklich glaubte, dass nun alles aus sein würde. Dass sowohl sie, wie auch ihr Kind, in einem unbekannten Wald, völlig mittellos und verfolgt von Banditen, unter schrecklichsten Umständen, den Tod finden würden. Sie quälte sich mühsam weiter, solange sie konnte. Doch als die Wehen zu heftig wurden und sie erkennen musste, dass sie sich völlig verlaufen hatte und keine Menschenseele mehr finden würde, die ihr jetzt wohl noch helfen könnte, sackte sie völlig entkräftet zusammen. Sie glaubte die

Schmerzen würden sie zerreißen und sie konnte trotz der Gefahr, die peinvollen Schreie nicht mehr unterdrücken. Der Augenblick, als Vilkas zwischen den Büschen hervorstürzte, hochgewachsen, in voller Kampfmontur, mit erhobenem Zweihänder und wildem Blick, ließ sie so erschrecken, dass sie dachte, Oblivion selbst habe die Tore für sie und ihr Kind bereits geöffnet. Dass ausgerechnet dieser Mann ihr in ihrer schlimmsten Stunde beistand, hätte sie nie im Leben für möglich gehalten. Als Vilkas sie und Varis dann auch noch vor den Banditen rettete, sie wider besseren Wissens mitnehmen wollte und sich dann auch noch schützend vor sie, gegen diesen

schrecklichen Ur-Vampir stellte, ließ Hanas bereits bebendes Herz vollends für ihn entflammen. Seit sie Vilkas kannte, wusste sie, was es hieß, verliebt zu sein. Und genau dieser Mann saß ihr nun gegenüber. Aber nicht nur das, er schien auch ihre Gefühle zu erwidern, selbst wenn er glaubte, das nicht verdient zu haben. Die Tatsache, dass er ein Werwolf war, machte ihr eben so wenig aus, wie auch das Wissen darüber, dass er seinen Vater getötet hatte. Ganz tief in ihrem Herzen spürte sie, dass Vilkas ein so großes Ehrgefühl hatte, das er wohl berechtigte Gründe gehabt haben musste, um so eine Tat auszuführen. Sie glaubte sogar daran, dass er zutiefst darunter litt

und sich viel zu viel Schuld aufgebürdet hatte, für die er absolut nicht verantwortlich zu machen war. Nachdenklich sah Hana ihn an. Vilkas hatte die Augen immer noch geschlossen, doch sein Gesicht wirkte nicht mehr so angespannt. Das Mädchen schwor sich, dass sie seine ganze Geschichte noch herausbekommen würde. Und sie war sich sicher, dass das, was dabei zu Tage treten würde, sie sicherlich nicht in die Flucht schlagen würde. Im Gegenteil! „Sie sind weg.“ Vilkas tiefe Stimme ließ Hana aus ihren Gedanken heraus fahren. Der große Mann wirkte jetzt völlig entspannt. Er hatte auch seine Augen wieder geöffnet und blickte sie nun

unverwandt an. Sein Gesicht zierte noch dazu eines dieser seltenen, leisen Lächeln, die ihm zu Eigen waren. „Wie das?“, fragte Hana. Sie brauchte ein wenig Zeit, um sich wieder zu orientieren. Außerdem verwirrte sie Vilkas Lächeln und auch sein Blick, den er ihr zuwarf. Er wirkte wie ausgewechselt und ihr Herz begann sofort wieder Sprünge zu machen. „Sie haben Gurdan um ein größeres Zimmer gebeten.“ Vilkas richtete sich im Stuhl ein wenig auf und sah auf Hana, die Varis immer noch stillte. Sie saß dabei auf einem der Betten und hatte auch ihre Haare schon gelöst, die ihr auf einer Seite über die Schulter

herabhingen. „Außerdem haben wir sie tatsächlich täuschen können“, fügte er hinzu. „Sie hegen keinen Verdacht mehr gegen dich.“ Hana musste lächeln. „Das lag aber nicht an mir“, meinte sie und strahlte Vilkas an. „Du hast mehr als überzeugend den zu allem entschlossenen Ehemann gespielt!“ Vilkas Blick bekam einen brennenden Glanz. Leicht lehnte er sich nach vor. „Das war nicht gespielt.“ Das Mädchen errötete und senkte sofort ihre Augen. Sie konnte dennoch Vilkas intensiven Blick auf sich spüren. Ihre Gefühle spielten augenblicklich verrückt. Sie konnte nicht fassen, was er da von

sich gab. Doch Vilkas schien wirklich sämtliche Vorbehalte, was sie betraf, aufgegeben zu haben. Hana hatte das Gefühl, ihr Herz würde ihr aus der Brust springen. Es gelang ihr nur mühsam sich wieder auf den Kleinen zu konzentrieren, der endlich genug hatte. Schnell stand sie auf, wickelte ihn in frische Laken und legte ihn zurück auf das Bett. Da spürte sie schon wie Vilkas hinter sie getreten war. Zitternd richtete sie sich auf. Es war aber keine Angst, die sie zum Beben brachte. Sanft legten sich Vilkas große Hände auf ihre Schultern. Hana wagte nicht sich umzudrehen. Sie lehnte sich nur an ihn und seine Arme schlossen sich wie

selbstverständlich um ihren Oberkörper und zogen sie noch dichter an seine breite Brust. Voller Vertrauen legte Hana ihren Kopf zurück auf seine Schulter. So standen sie eine Zeit lang da, ohne sich zu rühren. Sie genoss die Wärme, die von ihm ausging. „Erschreckt dich das?“, fragte er sie sanft und berührte mit seinen Lippen beinahe ihr Ohr. Hana zitterte noch mehr. „Was meinst du?“ Sie hatte vor Aufregung völlig den Faden verloren. Vilkas Hände begannen langsam über ihre Arme zu streichen und sein warmer Atem zog über ihren Halsansatz. „Dass ich den aufgebrachten Ehemann nicht

gespielt habe.“ Verhalten schüttelte sie den Kopf. „Nein. Im Gegenteil.“ Langsam drehte sie sich zu ihm um, nur um von seinem Blick noch weichere Knie zu bekommen. „Es… es hat mir gefallen.“ Sie wurde tief rot und verwünschte gleichzeitig ihre Schüchternheit. Jetzt, wo Vilkas sich ihr endlich immer mehr zuwandte, musste sie sich immer noch wie ein unerfahrenes Mädchen benehmen! Das war so peinlich! Dabei wollte sie wirklich nichts anderes, als diesen Mann! Vilkas zog Hana in seine Arme. Er war kein Mann großer oder vieler Worte. Von der Tiefe seiner Emotionen war er selbst überrumpelt worden. Er wusste was ihm

Hana bedeutete und dass er auch bereit war, dafür zu kämpfen. Dennoch erschütterte ihn die Intensität der Wut und Entschlossenheit, die ihn übermannt hatte, als er den Hochelfen vor ihr gesehen hatte. Er hätte es auf das Äußerste ankommen lassen. Aber der Thalmor war wohl nicht auf Konfrontation aus gewesen. Und die Erleichterung, die ihn erfasst hatte, als er hören konnte, dass die Elfen Hana endgültig nicht mehr verdächtigten, ließ ihn mehr als befreit aufatmen. Alles fiel von ihm ab und als er sie so errötend vor sich sitzen sah, kannte er kein Halten mehr. In seinen Augen gehörte sie bereits zu ihm. Sie war seine

Frau. Die Frau seines Lebens, und nichts und niemand, könnte das mehr ändern. Nicht einmal seine eigene Sturheit. Als sie so weich und bebend vor ihm stand, fiel auch der letzte Rest seiner Vorbehalte von ihm ab. Sanft fuhr er ihr mit seiner großen Hand unter ihr Kinn und zog ihren Kopf zu sich hoch. Hanas Lippen öffneten sich augenblicklich und Vilkas nahm sich was sie ihm anbot. Tief versank er in dem Kuss, der sein Blut sofort zum Kochen brachte. „Bist du dir sicher, dass du das wirklich willst?“, fragte er atemlos nach, nachdem sie den nicht enden wollenden Kuss doch unterbrechen mussten. „Dass du mich wirklich willst?“ Er wusste, das war die

letzte Möglichkeit, ihn zu bremsen. Danach konnte er für nichts mehr garantieren. Doch Hana schlang ihre Arme um ihn und drückte sich an ihn. „Ich wollte nie etwas so sehr wie dich!“, flüsterte sie. „Egal was du früher getan hast! Ich liebe dich, Vilkas.“ Mit ihren großen Augen sah sie ihn völlig klar und ohne zu blinzeln an. Das war es. Sie gehörte ihm, mit allen Konsequenzen. Vilkas beugte sich zu dem bebenden Mädchen herab und küsste sie erneut. Sanft fuhr er ihr dabei über die Schultern und schob ihr das Kleid herab. Seine Lippen verließen nicht für einen Moment die ihren. Nicht einmal,

als er sein eigenes Hemd abstreifte. „Eines noch!“, keuchte er mühsam beherrscht, als er sie wieder an sich zog. Ihr weicher Busen drückte sich dabei gegen seine bloßen Rippen, was ihm vor Begehren sichtlich den Schweiß auf die Stirn trieb. „… deine schwere Geburt… sollten wir nicht noch warten?“ Er würde sterben, wenn sie ‚Ja‘ sagen würde, aber ihr Wohlergehen ging bevor. Doch Hana schüttelte vehement den Kopf und Vilkas spürte, wie die Erleichterung sich augenblicklich Luft machte, indem sie noch mehr Blut in seine unteren Regionen pumpte. „Im Tempel wurde alles geheilt“, flüsterte sie und blickte ihn von unten

herauf durch ihre langen Wimpern an. Ihre Wangen hatten wieder diese brennende Röte angenommen. „Ich bin völlig unversehrt!“ Sie wollte nicht warten. Sie wollte ihn. Auch, wenn es ihr unangenehm war, dass sie in Liebesangelegenheiten immer noch so gehemmt und unerfahren war. Vilkas war sicherlich viel selbstbewusstere Frauen gewohnt. Doch sie konnte nicht anders. Noch dazu, wo ihr ganzer Körper so vehement auf diesen großen Mann reagierte. In dieser Intensität kannte sie das nicht. Sie lehnte sich in seine Küsse, erwiderte sie mit einem Eifer, den sie an sich selbst noch nie erlebt hatte. Sachte fuhren seine Finger über ihre Brüste,

ihren Bauch und ihre Hüften, bis sie ihr Kleid schließlich ganz herabstreiften. Seine warmen Lippen zogen dabei eine Spur hinab bis zu ihrem Nabel. In Ermangelung einer anderen Möglichkeit krallte Hana ihre Hände in sein Haar, als Vilkas seine Zunge über ihren empfindlichen Bauch gleiten ließ. Das… das war nicht gut! Das war absolut nicht gut! Sie würde am liebsten schreien, vor lauter Verlangen, das er in ihr auslöste. Vilkas spürte wie sie bebte und ihre Finger durch sein Haar wühlten, seinen Kopf dabei immer wieder gegen ihren Bauch drückten. Langsam richtete er sich wieder auf. Nicht ohne dabei auch über ihre vollen Brüste zu fahren. Das

Mädchen krallte sich in seine Oberarme und zog keuchend die Luft ein. Rote Flecken hatten sich bereits auf ihrem Hals und ihrem Ausschnitt gebildet. Seine Lippen fuhren auch darüber, während er mit seinen Daumen über ihre hart abstehenden Brustspitzen strich. Hanas Lippen waren bereits rot und geschwollen, von seinen Küssen, dennoch kam sie ihm entgegen und verlangte erneut seine Lippen und seine Zunge zu spüren. Sie erwiderte enthusiastisch und Vilkas fühlte, wie ihn alleine schon ihr Zungenspiel an den Rand der Erfüllung brachte. Bei ihr würde er sich immens beherrschen müssen, um nicht zu früh zu kommen. So

eine Leidenschaft hatte er noch selten verspürt. Seine Erektion drückte bereits schmerzhaft gegen die Verschnürungen seiner Hose. Hana war wohl zu schüchtern, um ihn daraus zu befreien. Sie spürte sicherlich sein Verlangen, alleine schon deshalb, da sie so nahe beieinander standen. Vilkas hatte auch längst einen seiner kräftigen Schenkel zwischen ihre Beine geschoben und sie halb auf sich gezogen. Ihr Becken rieb dabei gegen seine Härte, was ihn beinahe den Verstand verlieren ließ. Vorsichtig zog er sein Bein wieder zurück, während Hana sich weiter an ihn drängte. Er konnte sich nur schwer von ihren

Lippen trennen. Aber er musste etwas tun, sonst würde er wie ein unreifer Bursche noch beim Vorspiel seiner Lust erliegen. Zärtlich knabberte er ihren Hals entlang und bückte sich ein wenig. Einen Arm schob er unter ihre Achseln, den anderen unter ihre Kniekehlen. So hob er sie an und trug sie zu dem leeren Bett, auf das er sie bedacht ablegte. Sie sah so sinnlich aus, wie sie dabei scheu ein wenig zur Seite rutschte und ihn dennoch errötend ansah, als sie seinen begehrlichen Blick wahrnahm. Mit schnellen Bewegungen öffnete er seine Hose und ließ sie zu Boden gleiten. Das Mädchen vor ihm auf dem Bett erglühte. Hana war – obwohl sie bereits

verheiratet war und ein Kind hatte – sichtlich noch sehr unerfahren, was Vilkas noch vorsichtiger werden ließ. Zumindest senkte sie nicht schamhaft ihren Blick vor seiner Erektion, mit der er sich ihr nun näherte. Hana konnte ihre Augen nicht von Vilkas nehmen. Nicht einmal, als er sich vor ihr völlig entkleidete. Sie errötete vor Scham und auch darüber, wie sehr sein Anblick noch mehr Hitze in ihr entfachte. Als er so auf sie zukam, spürte sie wie tausende Falter in ihren Eingeweiden aufstiegen und sie völlig bebend vor Erwartung zurück ließen. Der große Nord kniete sich mit einem Bein auf das Bett. Hanas glühende

Blicke, die zwar von schamhaftem Erröten begleitet wurden, deshalb aber nichts von ihrer Intensität einbüßten, ließ Vilkas um seine Beherrschung ringen. Sacht fuhr er mit seinen Fingerspitzen unter ihr Höschen und zog es ihr langsam über ihre Beine. Seine Lippen folgten seinen Bewegungen und liebkosten die Innenseiten ihrer weißen Schenkel, bevor er den lächerlich kleinen Teil Stoff neben das Bett gleiten ließ, wo er harmlos, wie die letzte abgelegte Unschuld Hanas, einfach liegen blieb. Vilkas Augen fuhren bewundernd über jeden Zoll ihres Körpers, der so mädchenhaft keusch und dennoch voll weiblich, vor ihm auf den Fellen lag. Da

spürte er wie Hana ihn mit ihren Händen fasste und zu sich auf die Liegestatt zog. Ihre Wangen glühten dabei in sichtlicher Befangenheit, aber sie ließ nicht locker, bis er neben ihr lag, sie umarmte und ihre Lippen erneut mit einem leidenschaftlichen Kuss teilte. Mutig geworden, strichen auch ihre Hände über seinen Körper, wobei sie aber kurz vor seiner Scham immer inne hielt. Vilkas war nicht so schüchtern. Vorsichtig tastete er sich bis zwischen ihre Beine vor, die sich seinen suchenden Fingern gegenüber öffneten. Hanas Atmung beschleunigte sich. Vilkas hatte das Gefühl zu platzen, als er spürte, wie bereit sie war. Während eines weiteren,

tiefen Kusses, legte er sich zwischen ihre Schenkel. Vilkas Blut begann in seinen Ohren zu rauschen. Er wollte unter allen Umständen achtsam sein, konnte sich aber nicht mehr beherrschen. Mit einer Hand stützte er sich über ihr ab, mit der anderen dirigierte er sein erigiertes Glied zu ihrer Vagina und stieß vorsichtig vor, immer bedacht auf ihre Reaktionen. Doch Hana zog ihre Beine weiter auseinander, um ihm noch besseren Zugang zu gewähren. Dabei klammerte sie sich mit beiden Händen an seine Oberarme. „Bei den Göttern, Hana!“, ächzte Vilkas, der sich nicht mehr zurückhalten konnte. Doch sie drückte ihm nur ihr Becken entgegen und so ließ er seinen Penis los,

stützte sich auch mit der anderen Hand neben ihr ab und begann sachte weiter in sie zu stoßen, bis er langsam immer tiefer eindrang. Ihre Enge brachte ihn beinahe um den Verstand. Hana ließ seine Arme los und krallte sich in die Felle. Ihrem Gesicht war aber nur Entzücken anzusehen. Kein Schmerz oder Abwehr. Sie biss sich in die Lippen, konnte ihr Stöhnen aber nicht mehr unterdrücken. Schon gar nicht, als Vilkas endlich ganz in sie eingedrungen war. Kurz musste er innehalten, sonst wäre er sofort gekommen. Erst als er wieder ein wenig Luft bekam, bewegte er sich in ihr weiter. Hana riss die Augen auf und warf ihre

Arme um ihn. „Vilkas!“, schrie sie auf. Der große Mann fürchtete schon ihr weggetan zu haben, doch sie war einfach nur gefangen in ihrer Ekstase. Sinnlich öffneten sich ihre Lippen und ihre Beine spreizten sich unwillkürlich noch weiter, während sie ihm ihr Becken entgegen schob. Sie schloss ihre Augen und warf ihren Kopf zurück. Dabei begann sie heftig zu atmen und zwischen ihren verzweifelten Versuchen sich auf die Lippen zu beißen, entkam ihr immer wieder ein Stöhnen. Dann bäumte sie sich auf und riss wieder ihre Augen auf. „Vilkas!“, rief sie erneut. „Vilkas!“ Ein erregtes Stöhnen entwich ihrer Kehle. „Dibella sei mir gnädig!“, schrie sie

schließlich auf und ein heftiges Zucken durchfuhr ihren Körper. Alle guten Vorsätze verließen Vilkas. Er konnte sich nicht mehr zurück halten. Seine Ekstase schoss aus ihm heraus. Hanas beginnender Höhepunkt war zu heftig, um ihn nicht mit zu reißen. „Verdammt!“, rief er heiser, als er weiter in sie stieß, um seinen Fluss gänzlich heraus zu lassen. „Verdammt, Hana! Was machst du nur mit mir?“ Stürmisch küsste er sie, was sie enthusiastisch erwiderte. Völlig ausgelaugt sank er neben sie. Dabei umarmte er sein Mädchen und zog sie an seine Brust, wo sie bebend und schluchzend liegen blieb. Entsetzt fuhr

Vilkas hoch und drückte sie von sich. „Was ist los?“, fragte er betroffen, während er in ihr aufgelöstes Gesicht blickte. „Habe ich dir wehgetan?“ Hana schüttelte den Kopf und wollte sich weinend wieder an ihn drücken, doch Vilkas blieb eisern. „Egal was es ist, sag es mir!“, sagte er streng. „Bitte“, fügte er etwas sanfter hinzu. „Das war… so heftig!“, rief sie schließlich stockend. Sie errötete wieder. „Ich habe noch nie so empfunden, während…, während ich mit Heimkar… Ich liebe dich so!“ Die letzten Worte waren kaum mehr verständlich. Zärtlich zog Vilkas das Mädchen an seine Brust, dann strich er ihr durch ihr langes

Haar. „Ja“, murmelte er. „Es war mehr als heftig!“ Hana errötete bis unter ihren Haaransatz. Sie gab sich einen Ruck und fuhr auf. Voller Leidenschaft küsste sie ihn. Dann blickte sie verlegen auf ihn. „Sind wir… sind wir jetzt ein Paar?“, fragte sie. Unsicher, wie sie das überhaupt formulieren sollte. Vilkas hatte seine Arme um sie gelegt und zog das Mädchen zu sich. „Wenn du es so ausdrücken möchtest“, meinte er. Dann küsste er sie auf ihren Scheitel. „Du gehörst zu mir. So einfach ist das für mich.“ Hana seufzte glücklich und lehnte sich an seine Brust, während Vilkas nach

einem Fell griff. Fürsorglich breitete er es über sie. Noch dichter kuschelte sie sich an ihn, als könne sie es nicht glauben, was hier soeben geschehen war. Ihre Gefühle waren in Aufruhr und nicht nur ihre Gefühle. Ihr gesamter Körper vibrierte immer noch. Vielleicht war es genau das, wovon die Frauen im Dibella-Tempel immer schwärmten. Sie hatte das nie verstanden. Bis jetzt. Verhalten kicherte sie in Vilkas Armbeuge hinein. Dann lauschte sie, aber Varis schien tief zu schlafen und sich um die amourösen Abenteuer seiner Mutter nicht zu scheren. Solange er reichlich gefüttert wurde, schien ihm alles recht zu sein. Hana drückte sich

noch enger an Vilkas. „Und du magst Varis genauso?“, fragte sie, schon leicht schläfrig werdend. „Hmmm.“ Vilkas schien ebenfalls des Redens müde geworden zu sein. „Was für eine Frage“, meinte er träge. „Bis auf das, dass er stinkt und ich mein Mädchen mit ihm wohl teilen werde müssen, finde ich ihn ganz in Ordnung.“ Hana stieß Vilkas in die Seite. „Er stinkt nicht!“, giftete sie erbost. „Und ob!“, meinte Vilkas unversöhnlich. Dann jedoch konnte er nicht mehr ernst bleiben, vor allem, als er Hanas entrüstetes Gesicht sah. Sie hatte sich halb aufgerichtet und blickte strafend auf ihn herab. Mit einer einfachen

Handbewegung zog er ihren Kopf zu sich heran und küsste sie. „Sei unbesorgt“, murmelte er ihr dann zu. „Auch wenn er nicht mein leiblicher Sohn ist, mag ich ihn. Er ist etwas Besonderes.“ Hana strahlte ihn an. Dann hauchte sie einen leichten Kuss auf Vilkas Lippen. „Ja“, meinte sie. „Er ist wirklich etwas Besonderes. Doch nicht nur er.“ Zufrieden und glücklich schlang sie ihre Arme um den großen Mann und legte ihren Kopf auf seine Brust. Nach einiger Zeit, Vilkas dachte schon, dass sie schon längst eingeschlafen war, begann Hana nochmals an seiner Seite herum zu ruckeln. „Könnten wir morgen vielleicht nochmals ein wenig ‚heftig‘

miteinander werden?“, fragte sie ziemlich leise und ziemlich verschämt in seine Halsbeuge hinein. Vilkas brauchte einige Zeit, bis er überhaupt realisiert hatte, worauf sie dabei anspielte. Er musste sie nicht ansehen, um zu wissen, dass sie sicherlich wieder hoch rot war, nach diesen Worten. Zärtlich drückte er das Mädchen an sich. „Nichts lieber als das!“, murmelte er, bevor er sie in einen tiefen Kuss verwickelte. „Noch bevor wir nach Weißlauf aufbrechen. In Jorrvaskr, sind die Leute nicht gerade diskret. Die werden uns dort kaum in Ruhe lassen!“ Hana seufzte und legte sich jetzt endgültig zu recht. „Ich freue mich schon

darauf, deine Freunde kennen zu lernen“, murmelte sie gähnend. Vilkas drehte sich ein wenig auf die Seite, damit sie noch besser liegen konnte und zog das weiche Fell um sie herum. Dann küsste er zärtlich ihre Schläfe. Im Stillen hoffte er, dass wirklich alles so gut laufen würde, wie Hana sich das ausmahlte. Aber andererseits, waren die Gefährten eine große Familie. Sie würden das Mädchen schon akzeptieren. Ihrer sonnigen Art, konnte sicherlich niemand widerstehen. Mit diesen Gedanken döste auch Vilkas, mit sich zufrieden wie schon lange nicht mehr, endlich ein.


15 bei den gefährten

Der Zenit war zwar schon überschritten, dennoch brannte an diesem Tag die Sonne warm auf Weißlauf herab und brachte die Bürger dieser Stadt dazu, ihre luftigere Kleidung anzulegen. Der Marktplatz war belebt wie immer und die Händler feilschten mit den Käufern eifrig um die besten Preise und die frischeste Ware. Vilkas schritt mit Hana die Hauptstraße entlang und zeigte ihr dabei die wichtigsten Gebäude, wie Arcadias Alchemie Laden, oder das Gasthaus der ‚beflaggten Mähre‘, das berühmt für

seine rothwardonischen, scharfen Eintöpfe und den erschwinglichen Met war. Das Mädchen an seiner Seite kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Besonders die Burg ‚Drachenfeste‘ hatte es ihr angetan, wie sie hoch über der Stadt, direkt am Felsen angebaut, thronte. Als sie die Treppen zum Wolkenbezirk hinaufstiegen, in dem auch Jorrvaskr lag, entfuhr ihr sogar ein erstaunter Ausruf, als sie den riesigen Güldengrünbaum vor sich sehen konnte. Links und rechts davon floss der Fluss, welcher der Stadt ihren Namen gab, in gelenkten Bahnen. Es war sicherlich ein ansehnlicher Anblick, der für Vilkas wohl schon zu

selbstverständlich war, als dass er die Schönheit dessen noch würdigen konnte. Ganz anders ging es da Hana. Sie riss sich sogar von ihm los, um den mächtigen Stamm mit ihren zarten Fingern zu berühren. Vilkas ließ, milde lächelnd, die Packen von seinen Schultern gleiten. Da sie die Pferde vor der Stadt in den Ställen unterbringen mussten, blieb ihm nichts anderes übrig als alles zu tragen. Auch die schweren Alchemie Bücher. Doch die waren noch das geringste Übel. Was ihm mehr zu schaffen machte, waren die beiden Wäschesäcke. Besonders derjenige, der wieder eine von Varis berühmten, stinkenden Wickeln in sich

trug. Doch was tat man nicht alles für die Geliebte, die bereits fröhlich hüpfend wieder auf ihn zukam. „Die Stadt ist wunderschön, Vilkas!“, rief sie begeistert und sah sich weiter neugierig um. Sofort blieb ihr Blick an Jorrvaskr hängen. Er hatte es ihr genau beschrieben, sodass sie es sofort erkennen konnte. Unsicher reichte sie ihm ihre Hand. „Da werden wir jetzt reingehen, nicht wahr?“ Vilkas schulterte wieder die schweren Packen und schlang seinen freien Arm um Hanas Schultern. „Das wird schon werden. Ich hab sie dir doch alle beschrieben und Farkas kennst du bereits.“ Sie nickte tapfer und folgte

ihm, blieb aber einen halben Schritt hinter ihm, als Vilkas die Tore aufstieß und eintrat. Sofort empfing sie dröhnender Kampflärm und Hana drückte sich an seine Seite. Aber es war nur Njada, die sich mit Ria duellierte. Wieso die beiden dazu nicht auf den Übungsplatz gingen, stieß Vilkas sofort sauer auf. Noch dazu war das Wetter herrlich. Sie hatten nicht einmal diese Ausrede dafür. Neben den beiden Frauen bemerkte er Athis, den Dunkelelfen, der am Tisch saß und erfreut seine Augenbrauen hochschnellen ließ, als er Vilkas erkannte. Thorald, der neben ihm saß, bekam von ihrer Ankunft nichts mit,

denn er blickte angestrengt auf die Kämpfenden. Farkas saß dagegen mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß da und schien eine hölzerne Figur vor ihren Augen auf und ab tanzen zu lassen. „Bei Talos!“, dachte sich Vilkas kopfschüttelnd. „Ich kann meinen Bruder nicht einmal drei Tage aus den Augen lassen!“ Zumindest schien es ihm wieder gut zu gehen und allein dieser Umstand erleichterte den Herold der Gefährten. Vilkas wendete seinen Blick von seinem Zwilling ab und ließ ihn weiter umherschweifen, auf der Suche nach jemand ganz Bestimmten. Tatsächlich konnte er Galen erspähen, der in

gewohnter Manier mit bloßen Füßen auf der Bank hockte und zwischen seinen Fingern seinen heißgeliebten Tabak drehte. Der Mann war eindeutig zu lange in Elsweyr gewesen. Er hatte die Angewohnheit, überall in überdachten Räumen mit bloßen Füßen zu gehen und nicht normal auf Stühlen oder Polstern zu sitzen, sondern darauf zu hocken. Dazu trug er seinen Lieblingsmantel, der ohne Ärmel, mehr wie ein Umhang, über seinem einfachen Gewand hing. In einer schwachen Stunde hatte Galen ihm einmal offenbart, dass er acht Jahre lang in Elsweyr gelebt hatte. Wahrscheinlich wäre er immer noch dort, wenn seine Frau, eine junge Khajiit, die

er wohl über alles geliebt hatte, nicht an einer Seuche gestorben wäre. Kinder hatten sie keine gehabt, dazu waren ihre Rassen zu unterschiedlich. Mit Elfen war es für Menschen möglich Kinder zu zeugen, aber nicht mit den Tierrassen. Vilkas wusste, dass Galen sehr unter diesem Verlust litt und sich seitdem auch nicht wieder gebunden hatte. Farkas war der Einzige, der ebenfalls darüber Bescheid wusste. Für die anderen waren Galens Gewohnheiten einfach Launen, die wohl seinem Drachenblut zuzuschreiben waren. Als Galen ihrer ansichtig wurde sprang er allerdings sofort von der Bank und näherte sich mit weit aufgerissenen

Augen. Doch sein Blick war nicht auf Vilkas gerichtet, sondern auf Hana, die er sichtlich einzusaugen schien. Abschirmend stellte sich Vilkas vor das Mädchen. Nicht einmal Galen durfte sie mit so einer Vehemenz anstarren, ohne dass in ihm sofort der Beschützerinstinkt erwachte. Eigentlich schon gar nicht der fesche Galen, der sämtlichen Frauen, so er es denn gewollt hätte, den Kopf verdrehen könnte. „Hana!“, rief Galen verzückt und hielt erst kurz vor ihnen an, da er erkannte, dass er das Mädchen wohl ängstigte. Vilkas legte sofort seinen Arm in eindeutiger Weise um Hana und funkelte Galen missmutig an. Der setzte ein

schiefes Grinsen auf. „Nein, das glaub ich jetzt nicht!“, murmelte er. „Du und sie? Ihr seid tatsächlich ein Paar?“ Vilkas knurrte unwillig. Er mochte Galen, aber das ging ihm jetzt zu weit. Da kramte das Drachenblut in seinen Taschen und wandte sich nach hinten. „Hey, Farkas! Hier!“ Umständlich holte er einen Lederbeutel hervor, den er Farkas, der mittlerweile herangeschlurft kam, zuwarf. „Du hast gewonnen. Ich hätte es diesem Griesgram niemals zugetraut, sich meiner kleinen Schwester zuzuwenden.“ Farkas lächelte breit und klopfte Vilkas auf die Schulter. „Ich wusste es!“, strahlte er dabei und steckte den Beutel

ein. Vilkas war endgültig verwirrt. Er hatte Galens Worte gehört, aber irgendwie kam der Sinn davon nicht so richtig bei ihm an. Der Kampflärm hatte inzwischen aufgehört und neugierig strebten alle Anwesenden heran. „Das ist also Galens Schwester?“, fragte Ria interessiert, während sie ihr Schwert wieder in die Scheide steckte. „Das ist doch wohl mehr als eindeutig!“, gab Athis seinen Senf dazu, während er seinen Blick zwischen Hana und dem Drachenblut hin und her wandern ließ. „Hahaha…“, lachte Njada. „Aber dass unser Herold doch endlich einmal eine Frau an sich heranlässt ist ein kleines

Wunder.“ Solche und noch weitere Kommentare flirrten durch den Raum, während Galen mit einem breiten, liebevollen Lächeln auf Hana blickte. Sie drückte sich noch enger an Vilkas, der seine Packen wieder fallen ließ und die Kleine nun mit beiden Armen umfasste. Dabei knurrte er in Farkas Richtung: „Auf ein Wort, Bruder!“ „Was denn?“, fragte Farkas unschuldig, während er breit grinste. „Was hast du ihnen alles erzählt?“ „Ich?“ Farkas Ausdruck war die völlige Unschuld. „Überhaupt nichts. Ehrlich!“ Dann deutete er auf das Drachenblut, das Hana immer noch nicht aus den Augen

ließ. „Galen hier konnte diesmal nicht aufhören zu schwatzen.“ Vilkas Ausdruck wurde unversöhnlich. Schön langsam reichte es ihm. Vor allem, weil er spürte, dass Hana sich mehr als unwohl fühlte und der Kleine sich bereits in den Tüchern zu winden begann. „Verdammt Galen!“, knurrte er ärgerlich. „Was soll das ganze Getue!“ „Aber… aber ich wollte doch nur meine Schwester begrüßen!“, rief er und drehte sich wieder zu Hana. „Du bist es doch?“, fragte er an sie gewandt. „Hana Alamia Manebarba!“ Vilkas spürte wie das Mädchen zusammenzuckte und interessiert an Galen herantrat. Kurz sah sie zu Vilkas,

doch da dieser ihr keinen Hinweis gab, ihren Namen geheim zu halten – den er in der vollen Länge ja nicht einmal noch kannte – und sie nur groß und ungläubig anblickte, nickte sie. Für den Herold der Gefährten begann sich alles zu drehen. Hana war eine Manebarba? Und das Drachenblut damit ihr Bruder? „Setz dich!“ Farkas große Hand legte sich auf seine Schulter und dirigierte ihn zum nächsten Stuhl, auf den sich Vilkas wirklich fallen ließ. Misstrauisch spähte er weiterhin zu den Geschwistern. „Wie ist das möglich?“, fragte er Farkas. Der zuckte nur die Schultern. „Die Götter lieben es wohl, ihre Spielchen mit

uns zu spielen.“ „Und du hast Wetten wegen mir und dem Mädchen abgeschlossen?“ Vilkas zog seine Augenbrauen zusammen. Farkas zuckte nochmals mit den Schultern und grinste. „Ich war mir einfach sicher, dass sie die Richtige für dich ist!“ „Auch, dass ich für sie sämtliche Prinzipien aufgeben würde? Und unser Fluch?“, fragte ihn Vilkas. „Du weißt, dass wir uns mit Hircine im Krieg befinden.“ „Ja“, sagte Farkas. „Aber das Leben geht weiter. Ich weiß wovon ich rede.“ Traurig ging sein Blick in Richtung Tiefenschmiede, in der Aelas sterbliche

Überreste aufgebahrt worden waren. „Wir müssen uns dem endlich stellen. Egal was du vorhast, Bruder, ich bin dabei. Hircine hat noch nicht das letzte Wort gesprochen.“ Dankbar legte Vilkas Farkas seine Hand auf den Arm. „Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Daraufhin blickte er wieder zu Hana und Galen, die sich gerade weinend in den Armen lagen. Zumindest Hana weinte. Jetzt wo er sie aus einiger Entfernung nebeneinander stehen sah, musste er selbst zugeben, dass die Ähnlichkeit unverkennbar war. Beide hatten dieses herzförmige Gesicht, das bei Galen jedoch durch männliche Kantigkeit geprägt war. Aber alleine die

Form ihrer Augen und das sanfte Lächeln, das ihnen beiden zu eigen war, sprach für sich. So gesehen fragte sich Vilkas, wo er seine Augen gehabt hatte, dass ihm das nicht schon früher aufgefallen war. Aber so war es Farkas wohl ebenfalls ergangen. Hana stürmte gerade auf ihn zu, wobei ihr Galen, der bereits seinen Neffen auf dem Arm trug, verzückt folgte. „Vilkas!“, rief sie aufgeregt, was ihn veranlasste sofort aufzuspringen. „Vilkas! Mein Bruder! Das ist mein Bruder! Dieser Galen, dieses Drachenblut… Er ist mein Bruder!“ Behutsam nahm er sie in die Arme, doch sie war viel zu aufgeregt, um sich

beruhigen zu lassen. Tränen wallten in ihren Augen wieder auf. „Ich habe wieder eine Familie!“ „Bin ich denn niemand?“, fragte er etwas ernüchtert. Hana stutzte. Dann lächelte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn vor allen Anwesenden, was ein mehrfaches Gejohle und Kommentare der Unfassbarkeit auslöste. „Du weißt, wie ich das meine!“, schmunzelte sie dabei. Vilkas antwortete nicht, sondern drückte Hana an sich und hauchte einen Kuss auf ihren Scheitel. Galen stand die ganze Zeit daneben und blickte ungläubig auf den kleinen Varis, der ihn seinerseits ernsthaft zu mustern schien. Vilkas war

noch nie aufgefallen, wann und ob der Kleine überhaupt seine Augen schon jemals geöffnet gehabt hatte. Jetzt dagegen blickten sie auf seinen Onkel. Dunkle Augen, mit einem goldenen Rand, trafen auf ebenso dunkle Augen, mit einem ebenso goldenen Rand. Es war unfassbar. „Er ist ebenfalls ein Drachenblut!“ Die Erkenntnis traf Vilkas mit voller Wucht. Galen grinste so breit, dass man meinen konnte, seine Mundwinkel reichten von einem Ohr zum anderen. „Jaaaa!“, meinte er gedehnt. „Das liegt in der Familie. Bei manchen ist es mehr ausgeprägt, bei anderen weniger. Mein Neffe scheint, genau wie ich, die volle Ladung

abbekommen zu haben.“ „Hana auch?“, fragte Vilkas zweifelnd. Das Mädchen blickte erschrocken von einem zum anderen. „Sicherlich“, meinte Galen. „Aber nur sehr schwach. Ihr Geburtsmal ist auch verhältnismäßig klein. Wenn du genau schaust, wirst du die Rune ‚FEIM‘ erkennen. Dieser Schrei ist ihr in die Wiege gelegt worden, obwohl ich glaube, dass Vater ihr davon nichts erzählt hat, so wie mir, oder?“, fragte er an Hana gewandt. Sie schüttelte völlig ratlos den Kopf. „Ist auch nicht mehr wichtig, Schwesterchen“, beruhigte sie Galen, während er Varis weiter auf seinen

Armen schaukelte. „Auch der Kleine wird nicht darunter leiden müssen. Den Part für die Götter habe ich schon erfüllt.“ Leichte Bitterkeit war aus seiner Stimme heraus zu hören. Hana legte ihm sofort mitfühlend ihre Hand auf den Arm, was Galen mit einem Lächeln quittierte. Schön langsam hatte der Kleine genug von der ganzen Aufregung, denn er begann sein Gesichtchen zu verziehen und seinen Unmut in zuerst leisen, dann immer lauter werdenden Lauten Luft zu machen. Hana kam gar nicht mehr dazu, zu ihrem Sohn zu gelangen, denn Galen war inzwischen völlig von Ria, Njada, Athis und der guten, alten Tilma

umringt, die das Baby unbedingt ebenfalls an sich nehmen wollten. Schließlich beendete Vilkas das Getue, indem er sich einfach seinen Weg durch seine Kameraden bahnte und Varis aus Galens Arme hob. Kurz drückte er das schreiende Bündel beruhigend an sich, bevor er ihn an Hana weiter gab. Sein finsterer Blick, den er in die Runde warf, ließ die Babyeuphorie in den anderen augenblicklich versiegen. „Lasst Mutter und Kind für den Augenblick in Frieden“, knurrte er. „Der Kleine hat sicher Hunger. Ihr könnt euch später noch um ihn bemühen.“ „Wer hätte das von dir gedacht?“, fragte da Thorald spöttisch. Er saß immer noch

bei Tisch und lümmelte mit einem Arm aufgestützt träge auf diesem. Dabei blickte er Vilkas von unten herauf an. „Da schlägt doch tatsächlich ein Herz in deiner Brust. Wenn schon nicht für uns, dann wenigstens für ein Baby.“ Seine grauen Haare, die typisch für seine Familie waren, standen ihm ein wenig wirr vom Kopf ab und sein Hemd wirkte völlig verknittert. Einen Humpen Met balancierte er in der freien Hand, den er nun wieder an seine Lippen führte. Vilkas stutzte. Er konnte die Aggressivität hinter Thoralds Worten genau spüren. Augenblicklich stellten sich seine Nackenhaare auf, doch er wollte nicht vor allen anderen einen

Disput anfangen. So überging er die Anspielungen. Stattdessen bat er Tilma sich der stinkenden Wäsche anzunehmen und geleitete Hana in den Wohnbereich von Jorrvaskr, der sich großräumig unterhalb der Met-Halle erstreckte. Nach Kodlaks Tod hatte er die Räume des Herolds bezogen. Eine breite, doppelte Türe führte in eine Art Vorraum, der aus vielen Bücherregalen und Schaukästen mit besonderen Waffen und Artefakten bestand. Ebenso standen einladend Tisch und Sessel im hinteren Bereich des Raumes, sowie eine Art Schreibtisch, auf dem alle wichtigen Dokumente und Belange der Gefährten bearbeitet und aufbewahrt wurden. Eine

weitere, einfache Türe führte dann in den Schlafbereich, der neben dem breiten Doppelbett und dem gediegenen Kasten, auch eine kleine Feuerstelle aufwies. Vilkas hatte sie noch nie benutzt, doch nun entzündete er das Holz, damit Hana und der Kleine es angenehm hatten. Das Mädchen strahlte, als es sich auf das mit frischen Laken bezogene Bett setzte und den Kleinen anlegte. „Das ist ja wundervoll, hier!“, rief sie begeistert. „Das gehört wirklich alles dir?“ Vilkas lächelte über ihren Eifer. „In gewisser Weise, ja. Einige der Sachen gehörten Kodlak, unserem früheren Herold. Aber stimmt, wenn ich so recht überlege, gehört das meiste wirklich mir.

Vor allem die Bücher, Waffen und Artefakte. Ich habe sie während meiner Aufträge gesammelt und einiges auch während meiner Reisen gekauft. Die Einrichtung selbst gehört zu den Gefährten.“ Als er ihr Erstaunen sah, musste er wirklich lachen. „Hast du eine Höhle erwartet, in der ich hausen würde?“ Hana wurde rot. „Nein!“, beeilte sie sich zu sagen. „Das nicht. Aber ehrlich gesagt auch nicht so eine Annehmlichkeit.“ Sie stockte. „Ich meine, für eure Verhältnisse… äh… als Nord…“ Sie unterbrach sich verlegen. Vilkas trat zu ihr und umarmte sie leicht. „Ich weiß, was du meinst. Ich bin dir

nicht böse. Für unsere Verhältnisse ist es Luxus. Farkas und ich sind viel einfacher aufgewachsen. Mir ist nur wichtig, dass du dich hier wohl fühlst.“ Sie nickte begeistert und lehnte ihren Kopf an ihn. „Ich muss wieder nach oben und ein wenig nach dem Rechten sehen“, bemerkte Vilkas und strich ihr behutsam über ihre Haare. „Wenn du müde bist, ruh dich aus. Tilma wird dir die Wäsche bringen und dir auch zeigen, wo wir uns reinigen. Du kannst dich in meinen Räumlichkeiten ganz wie zu Hause fühlen.“ Hana nickte dankbar. Vilkas beugte sich zu ihr und küsste sie.

Als er den Schlafbereich verließ, schloss er vorsichtig die Tür hinter sich. Erst jetzt ließ er es zu, dass der ganze Unmut und Ärger, der sich immer stärker in ihm aufgebaut hatte, endlich Luft machte. Augenblicklich war die Wolfs Bestie zugegen und seine Augen blitzten gelblich auf. Mit einem Blick hatte er vorhin schon erkannt, dass sein Schreibtisch durchwühlt worden war, obwohl es ein ungeschriebenes Gesetzt war, dass niemand die Zimmer des Herolds während seiner Abwesenheit betreten durfte, ausgenommen er hatte die Erlaubnis dazu. In Jorrvaskr lief im Moment scheinbar einiges nicht mehr in den richtigen

Bahnen. Mit furiosen Schritten erklomm er die Treppe hinauf in die Met-Halle. Mittlerweile waren auch Jon und Torvar von ihrem Auftrag zurückgekommen und der übliche Lärm empfing ihn. Eine kurze Weile hielt sich Vilkas im Schatten eines Pfeilers auf und beobachtete seine Leute. Das kleine Mädchen war nicht mehr im Raum. Er würde Farkas später noch über das Kind befragen. Dafür bemerkte er eine junge Frau, die mit den anderen am Tisch saß und sich angeregt mit Ria unterhielt. Sie kam ihm sehr bekannt vor mit ihren roten Haaren. Natürlich! Evva! Aelas jüngere Schwester! Sie schien sich während ihrer

Abwesenheit den Gefährten angeschlossen zu haben. Wenn sie nur halb so gut war, wie Aela, wäre Vilkas der Letzte, der etwas gegen ihre Mitgliedschaft einzuwenden hätte. „Ich sehe, dass du sie schon bemerkt hast – unseren Neuzugang.“ Athis stand halb hinter ihm und nickte mit seinem Kopf zu Evva. „Ist sie gut?“, fragte Vilkas knapp. Er war nicht über die Anwesenheit des Dunkelelfen überrascht. Seine feinen Sinne hatten ihn längst wahrgenommen. „Noch nicht so perfekt wie Aela“, meinte Athis. „Aber sie ist ohne Frage talentiert und noch sehr jung. In ein bis zwei Jahren, steht sie ihrer Schwester wohl in

nichts mehr nach.“ „Hmm… Klingt vielversprechend. Ich nehme an, du hast sie bereits getestet, oder?“ „Natürlich.“ Unwillkürlich rieb sich Athis dabei über seinen Oberarm. Vilkas lächelte grimmig. Die junge Jägerin hatte den kampferprobten Elf wohl überrascht. Das gelang wirklich nicht jedem. In Vilkas Augen hatte sie die Anwartschaft damit wahrlich bestanden. Athis langgliedrige Hand legte sich auf Vilkas Schulter. „Gut, dass du wieder da bist“, seufzte er. „Unsere jungen Mitglieder dürften von irgendwo Gerüchte über Werwölfe bei den Gefährten aufgeschnappt haben. Wissen

die Götter bloß woher! Sie sind jedenfalls empört und schüren ihren Unmut. Und nicht nur darüber.“ Vilkas knirschte mit den Zähnen. „So etwas in der Art habe ich mir schon gedacht. Ich merkte sofort, dass mein Schreibtisch durchwühlt wurde. Wenn ich herausfinde, wer das war, dann,…“ Athis seufzte nochmals. „Ich weiß, dass irgendjemand eiserne Regeln übertreten hat. Aber… bedenke… Ich war von Anfang an dagegen, euren Werwolf Status geheim zu halten.“ „Lass mich bloß damit in Frieden, Athis.“ Vilkas Stimme nahm einen harten Klang an. „Ich werde niemanden willentlich mit diesem Fluch

belegen.“ „Nicht einmal, wenn ich es wäre?“ Jetzt ruckte Vilkas Kopf herum und er blickte dem Dunkelelfen fest in die Augen. Doch dessen rote Iriden waren klar und bestimmt. „Du lügst tatsächlich nicht. Warum dieser Sinneswandel? Nach all den Jahren?“, fragte ihn Vilkas. „Ich weiß, wie es um euch steht – aber ich halte den Packt nicht für schlecht“, erklärte Athis. „Die Gefährten haben mit diesem Preis immer gelebt und viel Gutes damit getan. Ich weiß, es klingt jetzt hart, aber das Wolfsrudel darf nicht mit euch ausgelöscht werden. Was ihr auch immer für berechtigte Gründe habt, euer Schicksal so abzulehnen, ich wäre

bereit, das Rudel weiter zu führen.“ Vilkas Finger krallten sich in den Pfeiler. Athis wollte das Rudel übernehmen? Den Fluch weiterführen? Vilkas hätte von jedem anderen derartiges erwartet. Doch nie und nimmer von Athis. Er konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Das Holz knirschte unter seinen Nägeln, die sich bereits in scharfe Pranken umzuwandeln begannen. „Du sprichst, als wären wir bereits tot oder geschlagen“, knurrte er den Dunkelelfen an. Athis zuckte mit den Schultern. „Nein. Ich glaube sogar, dass du dir bereits irgendeine Lösung ausgedacht hast.“ Nachdenklich blickte er auf seinen Herold und zog seine Hand von seiner

Schulter. Er schien zu spüren, dass Vilkas aus seinen Worten eine Drohung herausgehört hatte. „Versteh doch“, argumentierte er. „Ich halte es nur nicht für richtig, den Packt völlig auszulöschen. Und ich glaube auch, dass es genügend junge Leute gibt, die für den ‚Fluch‘, wie ihr es nennt, den Preis wohl zahlen würden. Allen voran Aelas Schwester!“ Die Wucht von Vilkas Schlag gegen den Pfeiler, brachte die ganze Halle zum Beben. Einzelne Splitter aus den Deckenbalken rieselten herab. Vilkas Augen glühten und seine Fänge wuchsen in die Länge. Er hatte das Gefühl auf allen Ebenen verraten worden zu sein.

„Das berechtigt aber niemanden in meinen Sachen zu wühlen!“, rief er grollend. „Meine Räumlichkeiten und mein Schreibtisch gehen niemanden etwas an!“ Augenblicklich war es Mucksmäuschen still in der Halle. Nur das Prasseln des Feuers war noch zu hören und eine Gabel, die wohl jemanden aus den Händen geglitten war und nun klirrend auf den Boden aufschlug. Ria war es schließlich, die sich unsicher erhob. „Das… das war ich“, stotterte sie. „Es tut mir leid… Ich wollte… wollte doch nur die Liste der offenen Aufträge holen.“ Sie schluckte. „Athis war ebenfalls nicht da, den ich hätte fragen

können… und wir… wir brauchen doch das Geld. Es wird immer schwerer… und die Waffen werden immer teurer.“ „Vilkas!“ Farkas tiefe, ruhige Stimme, ließ ihn wieder zu sich kommen. Diese, und auch Rias ehrliches Entsetzen. Es war ihr anzusehen, dass sie nichts Unlauteres im Sinn hatte. Der Wolf in Vilkas zog sich zurück und seine Empörung wich eisiger Ruhe. Damit konnte er besser umgehen, als mit dem heißen Zorn, dem er nur mehr in einem hintersten Winkel seines Herzens gestattete, vor sich hinzutoben. Vilkas holte tief Luft, stemmte sich vom Pfeiler ab und schritt auf die Gefährten zu. Seine Wildheit war nun völlig in seine

eisige, abweisende Maske übergegangen. Alle starrten ihn an. Ausgenommen Galen. Der hockte unbekümmert auf seinem Stuhl und lümmelte mit seinen Armen auf seinem hochgestellten Knie. Dabei kaute er genüsslich und blickte bereits wieder über die Tafel nach einer weiteren Delikatesse, die er sich in den Mund schieben könnte. Doch Vilkas hatte momentan keinen Blick für seinen neugewonnenen Schwager übrig. „Wo liegt das Problem?“, fragte er barsch in die Runde. „Glaubt ihr wirklich, dass wir verhungern? Wir haben mehr als genug zum Leben! Wir sind eine Kriegergilde zum Schutz von Himmelsrand. Wir kämpfen nicht, um uns

zu bereichern. Wer immer das glaubt, ist bei uns fehl am Platz!“ Scharf sah er sich um, doch niemand wagte es, seinem Blick zu begegnen. „Glaubt ihr das?“, rief Vilkas nochmals und griff mit seinen stahlbeschienten Armen auf die Sessellehne vor ihm. Thorald erhob sich nun. „Nein. Doch wir arbeiten weit unter unserem Wert!“ „Unter unserem Wert?“ Ungläubig blickte Vilkas ihn an. Njada, die neben ihm am Tisch saß, tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn und langte kopfschüttelnd nach einem neuen Stück Fleisch. Doch Jon nickte bestätigend zu Thoralds Worten. Er schien wohl derselben Meinung zu sein. Diese

Anmaßung stachelte Vilkas weiter an. Hatten sie denn nichts verstanden? Wo war ihre Kriegerehre? Doch er wollte sich nicht wieder aus der Reserve locken lassen. Schon gar nicht von den neuesten Mitgliedern der Gefährten. „Du bist heute nicht bei Sinnen, Thorald“, antwortete er ihm deshalb. „Deinen Worten nach, wärst du bei der Diebesgilde wohl besser aufgehoben, als bei uns.“ Eorlunds Sohn leerte seinen Met-Krug. „Krieger sollten auch wie Krieger bezahlt werden! Das hat nichts mit Diebstahl zu tun“, lärmte er, als er seinen Krug laut auf den Tisch knallte. „Außerdem könnte es nicht schaden, ein

wenig mehr auf unseren Ruf zu achten. Vielleicht sind die Leute dann gewillt, uns mehr Respekt zu zollen und das auch in einer großzügigeren Entlohnung auszudrücken!“ Vilkas traute seinen Ohren nicht. „Unseren Ruf?“ Sein Gesicht wurde weiß vor Wut. „Hast du dich vielleicht schon gefragt, ob das nicht an dir liegen könnte, Frischling?“ Farkas sprang auf. „Ich möchte euch daran erinnern, dass wir heute, wo wir alle wieder versammelt sind, Aelas Begräbnisritual vollziehen wollen.“ Mit seiner ruhigen, tiefen Stimme, versuchte sein Zwilling die Eskalation, die spürbar in der Luft lag, zu verhindern.

Thorald verzog seine Lippen zu einem Lächeln und hob begütigend die Hände. „An mir soll es nicht scheitern. Unser Herold ist derjenige, der keine Kritik verträgt, wie wir sehen können.“ Mit einem lauten Zischen fuhr Ria auf und zog Eorlunds Sohn hinunter auf den Sessel. „Es reicht jetzt, Thorald!“, rief sie. „Aber wo er Recht hat, hat er Recht“, meldete sich nun auch Jon zu Wort und blickte Vilkas herausfordernd an. „Noch dazu glaube ich nicht, dass ausgerechnet du – als ehemaliger Assassine – das Ansehen der Gefährten gehoben hast.“ Vilkas sog scharf die Luft ein. Das

musste ja einmal kommen. Dass es ausgerechnet jetzt war, war fatal. Doch bevor er noch antworten konnte, rief Thorald wieder dazwischen. „Genau! Als einfacher Gefährte wäre es vielleicht nicht so schlimm“, mischte er sich ein. Man sah, dass der Met, dem er bereits reichlich zugesprochen hatte, ihm wohl die unbedachte Zunge löste. „Aber als Herold einer ehrenhaften Vereinigung, ist es geradezu heuchlerisch.“ Farkas blickte während dieser Wortwechsel besorgt auf seinen Bruder. Doch seine Bedenken verflogen. Vilkas hatte sich nach seinem Ausraster am Pfeiler nun völlig im Griff. Seine Mine

war eisig. Nur seine Augen glühten noch in unverhohlenem Zorn, den aber niemand außer Farkas wohl wahrnehmen konnte. Wenn man genau schaute, hätte man sehen können, wie seine Fingerknöchel weiß hervortraten, so fest umfasste er die Sessellehne und zog den Stuhl daran zurück. Doch außer Farkas, beachtete auch das keiner von den anderen. „Ach ja?“, fragte Vilkas gedehnt und nahm nun am Tisch Platz. Athis folgte ihm, stellte sich aber hinter die jungen Mitglieder der Gefährten. Diese bekamen das in ihrer Aufwühlung gar nicht mit, dass der Dunkelelf sich damit in eine strategisch unterstützende Position für

seinen Herold gestellt hatte. „Und du meinst, dass du das natürlich besser beurteilen kannst, als Kodlak, der langjährige Herold, der mich zu seinem Nachfolger ernannt hat?“ Sein Blick maß kalt den jungen Mann mit den grauen Haaren. „Vielleicht hat er das nicht gewusst?“, mutmaßte Thorald mit schwerer Zunge. Ria begann wieder verzweifelt an ihm zu zerren, aber Thorald kam immer mehr in Rage. Anklagend deutete er auf Vilkas. „Wahrscheinlich genauso wenig, wie die Tatsache, dass euer Vater der Sohn einer Hure war!“ Nach diesen Worten war alles still. Dann hob ein Lärm an, der die ganze Halle

zum Beben brachte. Njada sprang auf und begann Thorald auf das Wüsteste zu beschimpfen. Selbst der stille Torvar erhob sich und stellte sich neben die erboste Frau. Jon hatte sich ebenfalls aufgerichtet und verteidigte Eorlunds Sohn, während Ria bereits die Tränen herunterrannen und sie wild mit den Armen fuchtelnd in das allgemeine Chaos hinein schrie. Trotz dieser Aufwühlung wurde ein tiefes Grollen hörbar. Es klang wie ein wildes Tier vor dem Sprung. Doch das tiefe Knurren kam gar nicht von Vilkas, sondern es drang aus Farkas Kehle. Vilkas hielt ihn zurück, aber nicht einmal sein eiserner Griff hätte den

ansonsten so gutmütigen Hünen jetzt noch aufhalten können. Wie ein entfesseltes Untier schickte er sich an, Thorald zwischen seine schraubstockartigen Hände zu bekommen. „Ha! Ich wusste es!“, tönte es plötzlich laut und Galen sprang mit seinen bloßen Füßen auf die gedeckte Tafel, nur um sich auf ein winziges Stückchen Kuchen zu stürzen, das genau vor Thorald auf einem Teller lag. Das Geschirr flog auf beiden Seiten mitsamt dem Inhalt herunter, während er sich beinahe der Länge nach auf die Süßspeise warf. Erschrocken fuhren alle zurück und Vilkas schaffte es endlich Farkas zurück

zu drängen. „Was habt ihr alle?“, fragte das Drachenblut unschuldig und blickte in die Runde. „Ich sterbe für diesen Mandelkuchen.“ Trotz seiner heiteren Worte war seine Absicht klar und niemand ließ sich davon täuschen. Sein Ablenkungsmanöver war erfolgreich. Die Spannung legte sich und Athis ließ sein Schwert, das er vorsichtshalber bereits gezogen hatte, zurück in die Scheide fahren. Ria drückte Thorald wieder auf den Stuhl und begann auf ihn einzuschimpfen. Jetzt erst merkte man, wie betrunken der Gefährte wirklich war. Schwankend blickte er auf Ria und versuchte sie zu fokussieren,

was ihm sichtlich nicht mehr gelang. „Das büßt er mir!“, murmelte Farkas, der sich langsam beruhigte. Es brauchte einiges, um ihn aus der Reserve zu locken, doch wenn das einmal der Fall war, war er kaum mehr zu stoppen. „Lass es Farkas. Das ist er nicht wert. Außerdem hat der Met seine Zunge gelöst.“ Vilkas klopfte ihm beruhigend auf die Schulter, auch wenn seine Augen selbst noch von seinem eigenen Zorn sprachen. Woher all diese wohlgehüteten Geheimnisse plötzlich aufgetaucht waren, konnte er sich nicht erklären. Es gab keine schriftliche Aufzeichnung über Jörgens Herkunft. Nicht einmal in den Unterlagen seines Schreibtisches.

Jedenfalls hatte Galens Sprung auf den Tisch die Lage wieder beruhigt und die Gefährten ließen sich erneut an der großen Tafel nieder. Vilkas stand noch als Einziger. Mit einem strengen Runzeln der Augenbrauen, wandte er sich an die Gefährten. Die Blicke, die ihm antworteten, waren unterschiedlich. Die meisten aber betreten. Bis auf Galen. Der hockte in seiner üblichen Manier jetzt mitten auf dem zerwühlten Tisch und wackelte mit seinen nackten Zehen. Dabei kaute er genüsslich den Kuchen und tat, als sei die Welt völlig in Ordnung. „Ich will euch nur noch eines sagen“,

betonte Vilkas mit Nachdruck. „Kodlak, der ein geachteter Bürger von Weißlauf und über viele Jahrzehnte Herold der Gefährten war, wusste sehr wohl über unsere Herkunft Bescheid. Genauso über das halbe Jahr, das ich als Achtzehnjähriger, bei der dunklen Bruderschaft war. Wer damit nicht klar kommt, hat jetzt die Gelegenheit zu gehen. Ich werde ihn nicht aufhalten.“ Mit seinem eisigen Blick maß er jeden einzelnen. Doch niemand stand auf und ging. Alle blieben. Selbst Thorald. Vilkas stieß heftig die Luft aus. Sein Ärger war noch lange nicht verflogen. Doch er ließ ihn nicht mehr aufkommen. „Dann ist das ein für alle Mal geklärt.“

Seine Stimme klirrte beinahe, so eisig und scharf dröhnten seine Worte durch die Halle. „Für heute haben wir genug Aufruhr gehabt. Lasst uns jetzt essen und wieder einen klaren Kopf bekommen. Wir wollen heute unserer Gefährtin Aela mit Würde und in allen Ehren ihr letztes Geleit geben. Sie soll wegen unserer Dispute nicht noch länger darauf warten müssen.“ Sein Blick schwankte zu Ria. Die junge Frau zog schuldbewusst ihre Schultern hoch. „Eines noch. In Zukunft gibt es kein Wühlen mehr in meinen Sachen. Auch nicht, wenn ihr keine Auftragsliste habt. Dann erledigt ihr eben die neu eintreffenden Anfragen, wenn Athis nicht

da ist, um euch welche an meiner statt zu geben. Haben wir uns verstanden?“ Ria nickte, sowie auch alle anderen. Damit war die Diskussion fürs Erste beendet. Galen stieg vom Tisch und half Tilma die Unordnung wieder in den Griff zu bekommen. Vorsichtig begann sich die Halle erneut mit gedämpftem Lärm und verhaltenem Lachen zu füllen. So unbeschwert wie sonst, wurde das gemeinsame Essen aber nicht mehr. Und auch wenn Farkas weitere unversöhnliche Blicke zu Thorald warf, der nur langsam wieder nüchtern wurde, beruhigte sich die Lage tatsächlich. Vilkas war nur zutiefst erleichtert, dass Hana nicht Zeugin dieser unrühmlichen zur Schau

Stellung wurde. Die erschrockenen dunklen Augen, die vorsichtig durch die Stäbe der Treppenbalustrade blickten, bekam er zum Glück nicht mit. Und Hana war klug genug sich leise wieder zurück zu schleichen.

16 alte feinde / auf ins Trollland

Der nahende Sommer begann langsam selbst das kalte, unwirtliche Land der Nord zu erwärmen. Auch der heutige Tag brachte die Leute dazu, ihre Mäntel daheim zu lassen und in ihren einfachen Kleidern oder Hemden, ihrem Tagewerk nach zu gehen. Vilkas hatte sich in den Schatten eines großen Baumes gesetzt, da ihm in seiner vollen Rüstungsmontur regelrecht heiß wurde. Den kleinen Varis, der in frische Laken gehüllt keine Gefahr für seine feine Nase war, hatte er zu sich auf den Arm genommen, damit Hana ihrer

Tätigkeit freier nachkommen konnte. Der Kleine schlief tief und fest und gönnte Vilkas, der es immer noch nicht so richtig glauben konnte, keinen einzigen Blick auf seine ungewöhnlichen Augen, die er mit seinem Onkel gemeinsam hatte. Es war ein schöner, sonniger Tag, dennoch fühlte sich Vilkas verstimmt. Die gestrigen Anschuldigungen hatte er noch nicht vergessen. Es wurde zwar nicht mehr darüber geredet, aber die unterschwelligen Vorwürfe lagen immer noch im Raum. Vilkas hätte eigentlich auch lieber seinen Bruder und Galen begleitet, die ins Troll-Land aufgebrochen waren, um nach dem

Rechten zu sehen und das Problem zu lösen. Andererseits wollte er Hana unter keinen Umständen alleine lassen. Jorrvaskr schien ihm kein so sicherer Ort mehr zu sein. Vilkas seufzte. Aelas Einäscherung am gestrigen Abend, war trotz der unschönen Auseinandersetzungen der feierliche, würdige Akt geworden, den Farkas sich für seine Frau zutiefst gewünscht hatte. Dabei hatte Vilkas auch Setha und die kleine Madi kennen gelernt. Madi, war das Mädchen, das bei Farkas saß, als ihre Mutter sich einer Behandlung im Tempel von Kynareth unterzogen hatte. Die Schwester, die Setha in Weißlauf aufsuchen wollte, war

eine Magd des vorangegangenen Jarls Balgruuf gewesen und war diesem wohl auf seinen Landsitz gefolgt. Da Setha keine Kraft mehr hatte ihr dorthin nach zu reisen, bot ihr Farkas das alte Heim, das sie einst mit Jörgen bewohnt hatten, als Bleibe an. Vilkas hatte nichts dagegen, doch irgendwie kam ihm das alles nicht ganz richtig vor. Aber wahrscheinlich hörte er wieder einmal das Gras wachsen. Farkas war empört, dass er nicht sofort auf der Seite der todkranken Frau war, ebenso Hana. Nun, Setha war auch der Grund, warum er jetzt hier war, in einem abgelegenen Landstrich, ungefähr zwei Stunden von Weißlauf entfernt. Denn genau hier

wuchsen ein paar der von Hana benötigten Kräuter und Wurzeln, die unerlässlich für den Heiltrank waren, den sie für Setha herstellen wollte. Es war eine hügelige Graslandschaft, die mit dichtem Buschwerk, vereinzelten Bäumen und Findlingen versehen war. Außer vieler einheimischer Gewächse, die der kargen, kalten Landschaft etwas abgewinnen konnten, wuchs hier nichts. Aber genau diese dafür in einer Fülle, die Hana völlig euphorisch darin pflücken und sammeln ließ. Denn, als Hana erfuhr, worunter Setha litt, gab es für sie kein Halten mehr. „An so einer Krankheit starb meine Mutter!“, rief sie und begann hektisch in einem

ihrer uralten Alchemie-Bücher zu blättern. „Genau aus diesem Grund wurde ich Alchemistin! Ich wollte einen Trank herstellen können, der diese unheilbare, und einen langsam von innen auffressende Krankheit, besiegt. Mein Lehrer, von dem habe ich auch all diese uralten Bücher vererbt bekommen, hat mir geholfen ein Mittel zu entwickeln. Leider konnte er die Früchte seiner Arbeit nicht mehr ernten. Er starb kurz vor meinem Vater. Wahrscheinlich wurde auch er ein Opfer dieser Verschwörung, die meinem Vater das Leben kostete.“ Wild blätterte Hana weiter und besprach sich auch mit Arcadia. So wusste sie ziemlich genau, was sie noch brauchte,

was Vilkas nun in diesem menschenleeren Landstrich mit dem kleinen Varis am Baumstamm lehnen ließ, während sie vorsichtig die benötigten Knollen ausgrub. „Entferne dich nicht zu weit!“, rief Vilkas Hana nach, als er nur mehr ihren dunklen Haarschopf ziemlich abgelegen inmitten von dichtem, hohem Gras erkennen konnte. „Jaja“, tönte es abwesend, während die junge Frau weiter grub. Da half wohl alles nichts. Vilkas musste den angenehmen Schatten des Baumes verlassen, um ihr wieder näher zu kommen. Gerade, als er sich anschickte aufzustehen, stellten sich seine

Nackenhaare auf. Er reagierte auf die unmittelbare Gefahr, doch es war zu spät. Sein Glück war, dass durch die Aufwärtsbewegung, die er gerade vollzog, der Hieb, der seinem Kopf gegolten hatte, stattdessen die Rüstung in seinem Rücken zerfetzte. Vilkas reagierte instinktiv. Er warf Varis in ein dichtes Gebüsch, während er selbst in die entgegengesetzte Richtung auswich. Die Verwandlung setzte augenblicklich ein und mit einem mächtigen Satz kam er auf seinen Hinterläufen auf. Die Wucht des Aufpralls des anderen Werwolfs, warf ihn dennoch nach hinten, direkt auf seinen verletzten Rücken, was ihn

aufheulen ließ. Da war der andere bereits über ihm und verbiss sich in seine Kehle. Allein Vilkas schnelle Reaktion bewahrte ihn davor, dass sein Gegenüber, mit diesem Biss, den Kampf bereits für sich entschied. Er erwischte statt Vilkas empfindlichen Kehle nur seine rechte Halsseite und einen Teil des rechten Vorderlaufs, den Vilkas sofort schützend erhoben hatte. Mit einem wütenden Knurren riss der fremde Werwolf seinen mächtigen Schädel zurück, aus dem die gelben Augen mordlüstern glitzerten. Es war eindeutig Bewusstsein in ihnen. Er war kein einfacher Lykanthrop, sondern musste einer von Hircines Kreaturen

sein. Damit war seine Absicht klar. Und er hatte es schlau angestellt. Er musste von den Werwolf-Fähigkeiten etwas wissen. Sonst hätte er sich nicht so gekonnt gegen den Wind angeschlichen, dass er Vilkas beinahe völlig unvorbereitet überraschen konnte. Vilkas war durch diesen Angriff bereits angeschlagen, noch bevor der Kampf richtig begonnen hatte. Vorsichtig umrundeten sich die Werwölfe, bis der Hellere von ihnen sich erneut auf Vilkas stürzte. Doch nun war der Gefährte gerüstet. Er war nicht umsonst der Rudelführer. In der kurzen Zeit, die ihm geblieben war, seinen Gegner einzuschätzen, hatte er sich seine Taktik

zurechtgelegt. Trotz seiner Verletzung, würde ihm seine Erfahrung einen Vorteil verschaffen, den er nun beinhart ausnutzten wollte. Er wich dem Angriff nicht aus, sondern duckte sich nur ein wenig und fuhr seinem Gegner im Sprung mit seinen Pranken gegen den ungeschützten Bauch. Er selbst wurde dadurch wieder empfindlich am Rücken und auf der rechten Schulter verletzt, aber der andere musste winselnd zurückweichen. Das gab Vilkas den nötigen Raum, um nun seinerseits einen Angriff zu setzen. Mit einem wütenden Knurren stürzte er sich auf den hellen Werwolf. Sie verbissen sich wieder ineinander und rollten ein Stück über den

Boden. Hana grub ihre Zähne so fest in ihre Faust, dass sie blutig wurde. Doch sie durfte nicht schreien. Alles, nur nicht schreien! Vilkas wäre abgelenkt und der andere würde auf sie aufmerksam werden. Auch wenn sie das Gefühl hatte zu sterben, vor Sorge um Varis und natürlich auch um Vilkas, durfte sie dieser nicht nachgeben. Sie musste Vilkas vertrauen, dass er das Baby rechtzeitig aus der Gefahr gebracht hatte. Am liebsten würde Hana die Augen schließen, vor dem Entsetzen, das sich vor ihr abspielte. Doch sie konnte nicht. Nicht einmal, als die beiden Werwölfe unter drohendem Knurren und Heulen

ineinander verbissen durch das Gras und die Gebüsche rollten. Eine Zeit lang schien es, als würde der dunklere der beiden Wölfe die Oberhand haben, doch nach einem heftigen Kampf, konnte der hellere sich mit einem Sprung in Sicherheit bringen, aus der heraus er den Dunklen in den Rücken fiel und sie erneut in einem dichten Gebüsch knurrend und jaulend verschwanden. Es waren Urgewalten, die hier aufeinander prallten und Hana fuhr entsetzt auf, als sie sah, wie der Hellere der beiden, den anderen am Nacken hochzog und von sich schleuderte. Er wollte schon in ein triumphierendes Heulen ausbrechen, als Vilkas erneut

hochschoss und ihm mit seinen beiden Pranken die zu früh stolz geschwellte Brust aufriss. Mit einem finalen Knurren wurden noch die Büsche bewegt, zwischen denen die Kämpfenden verschwunden waren, dann wurde alles ruhig. Hana sprang sofort auf und sprintete zu dem Baum, an dem Vilkas gelehnt hatte. Varis dünne Schreie ließen sie sofort das Baby entdecken, das völlig unversehrt war. Es lag eingehüllt in seinen Tüchern inmitten eines Busches auf weichem Gras und schien einfach nur gegen den ungebührlichen Lärm zu protestieren. Dankbar lächelte Hana, ließ Varis aber vorsichtshalber wo er war und lief nun so

schnell sie ihre Füße tragen konnten, zu den Büschen, hinter denen die letzte Kampfgeräusche zu hören gewesen waren. „Bitte ihr Götter!“, betete sie inbrünstig. „Lasst Vilkas leben! Bitte, lasst ihn leben!“ Sie wusste, dass es gefährlich war, doch sie konnte nicht anders. Im Laufen noch bückte sie sich nach einem Stock – nur für den Fall – und hechtete weiter. Sie fiel beinahe über den reglosen Körper, der vor ihr lag, als sie das Gestrüpp umrundete. Zum Glück war es nicht Vilkas. Doch der Anblick war dennoch grauenerregend. Beide Werwölfe hatten sich wieder zurück verwandelt. Vilkas

kniete vor dem vor ihm liegenden Mann. Von einem Teil seines Rückens war beinahe nur mehr eine fleischige Masse zu sehen und seine rechte Schulter, sowie sein Arm und sein Hals waren voller Blut, das unentwegt weiter aus der tiefen Wunde am Hals schoss. Mit Mühe holte Vilkas seinen Zweihänder aus der Halterung, die nur mehr irgendwie schief auf seinem zerrissenen Rücken hing. Keuchend atmete er und stierte auf den vor ihm liegenden Mann. Dessen Brustharnisch war aufgerissen und darunter war die verheerende Spur von Vilkas Pranken zu sehen, die bis auf die Rippen durchgedrungen waren. An seinem Bauch

hatte er ebenfalls eine tiefe Wunde und aus seinem Mund quoll Blut, das er hustend weiter ausstieß. Eine seiner zerschlagenen Rippen musste ihm wohl in die Lunge eingedrungen sein. Seine blonden, zu einem Zopf gebundenen Haare waren ebenfalls blutbesudelt und er hustete erbärmlich. Dennoch blickte er hasserfüllt auf Vilkas, der seinen Zweihänder zum finalen Schlag über seinen Kopf gehoben hatte. „Warum, Jon? Warum wolltest du mich töten?“, fragte Vilkas bebend. Seine verheerenden Wunden machten ihm zu schaffen. „Weil mein Vater ein Hurensohn war? Sowohl von seiner Geburt her, als auch von seinem

Benehmen? Oder war es, weil wir den Werwolf Fluch nicht weiter gaben?“ Jon hustete und spuckte noch mehr Blut. „Nicht nur das! Du bist es, den ich noch nie ertragen konnte!“ Mühsam brachte er die Worte hervor. Doch der Hass in seinen Augen brannte unvermindert. Ein Hustenschwall hinderte ihn am Weitersprechen. Schließlich hatte Jon sich erneut in der Gewalt. „Du kriechst aus dem Nichts hervor, aus der untersten Schicht, und bekommst dennoch alles. Die Macht, die Frauen… einfach alles.“ Mit aller Verachtung, die er aufbringen konnte, spie er die Worte Vilkas entgegen. Vor so viel Missgunst und Bosheit konnte

Vilkas nur zurückweichen. „Aus dem Nichts?“, fragte er bestürzt. „Und von welcher Frau sprichst du eigentlich? Ich hatte hier keine Favoritin.“ Ein dünnes Blutrinnsal sickerte aus Jons Mundwinkel. Hustend spuckte er weiteres aus. „Von Lavinia, die deinetwegen von der Mauer stürzte und sich das Genick brach!“ Vilkas Mine verdüsterte sich noch mehr. Doch er sagte nichts. „Ich wollte dich Bastard einfach loswerden“, keuchte Jon. Seine ganze verbliebene Kraft nahm er zusammen, um Vilkas die ganze Ladung seines Abscheus und seiner Geringschätzung entgegen zu schleudern. „Vor allem, als ich herausfand, was du

noch alles auf dem Kerbholz hattest, du Ratte! Die Gefährten sollten wieder zu dem werden, was sie einst waren! Stolze Werwölfe, aus alten, eingesessenen Nord-Familien. Und nicht mehr bettelnde Gestalten, die für ein Stück Brot die Drecksarbeit anderer erledigen, nur weil ihr Herold selbst aus dem Dreck hervorgekrochen ist! “ Mit einem Schrei hob Vilkas seinen Zweihänder und ließ ihn herabsausen. Hana schrie entsetzt auf, doch sein Schwert schlug knapp neben Jons Ohr in den Boden, wo es zitternd stecken blieb. „Du bist es nicht einmal Wert, den Gnadenstoß zu bekommen!“ Verächtlich tropften die Worte von Vilkas, zu einem

dünnen Strich gepressten, Lippen. „Kraft meines Amtes als Herold, enthebe ich dich allen Verpflichtungen den Gefährten gegenüber. Gehe, wohin auch immer. Aber lass dich nie wieder bei uns blicken!“ Taumelnd kam er auf die Beine, zog seinen Zweihänder aus dem Boden und wankte auf ihn gestützt davon. Einige Meter weiter versagten ihm die Beine und er brach zusammen. Hana stürzte völlig aufgelöst auf ihn zu und hielt ihm sofort den Heiltrank an die Lippen, von dem sie wusste, dass er ihn in seiner Hüfttasche aufbewahrte. Gehorsam schluckte Vilkas und die verheerende Blutung hörte zum Großteil

auf. Wenigstens war die unmittelbare Gefahr gebannt. Aber er war immer noch nicht über dem Berg. Hektisch sah sich Hana um, bis sie fündig wurde. Schnell rannte sie zu einem Baum und kratzte das dicke Moos, das an seinem Stamm wucherte, ab. Mit dieser Beute lief sie zurück zu Vilkas, der sich mittlerweile aufgerichtet hatte und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. „Halt still!“, rief Hana und drückte ihn nieder. Sie war viel zu besorgt, als dass sie ihn wieder aufstehen lassen würde. Erst wenn das Mittel seine Wirkung entfalten würde, würde sie ihm dabei helfen, auf die Beine zu kommen. Sofort drückte sie ihm das Moos, das für

blutstillende Heiltränke verwendet wurde, direkt in die Wunden. Zischend zog Vilkas die Luft ein. „AUA“, brummte er ungehalten, als Hana ein besonders großes Stück in die tiefe Wunde an seinem Hals schob, aus der immer noch hellrotes, vom Herzen kommendes Blut, floss. Doch das Mädchen blieb unbeeindruckt. Zumindest handelte sie so. Ihr liefen zwar die Tränen herab, aber sie schob weiter die Moosstückchen in alle seine klaffenden Wunden. Als sie seinen Rücken behandelte, wo seine Haut und seine Muskeln nur mehr in Fetzen herabhingen, musste Vilkas die Zähne zusammenbeißen. Die Behandlung war

die reinste Qual und nach Hanas Schluchzen zu urteilen, tat es ihr sogar noch mehr weh, als ihm. Es dauerte, bis sie endlich fertig war. Vilkas hatte sowieso das Gefühl, dass sie dabei bis zu seinen Knochen durchgedrungen war, so wie es sich angespürt hatte. Zeitweise war ihm sogar schwarz vor Augen geworden, so heftig war der Schmerz gewesen, als sie sein rohes Fleisch vorsichtig teilte, um das Moos dazwischen zu legen. „Warte kurz. Ich hole noch etwas.“ Mit diesen Worten war sie wieder weg und Vilkas schloss für einen Moment die Augen. Die Schmerzen, die durch seinen Körper fuhren waren grauenhaft. Jetzt,

wo der Kampfrausch verflogen war, kam deutlich heraus, wie fatal er zugerichtet worden war. Jon hätte ihm durch den Überraschungsangriff wirklich das Lebenslicht auslöschen können – was er ja auch gewollt hatte. Die Tat an sich erschütterte Vilkas. Er wusste, dass Jon in ihrer Jugend kein gutes Haar an ihm und Farkas gelassen hatte. Doch er dachte, dass sich das gelegt hätte. Sie waren schließlich erwachsen geworden und Jon hatte lange Zeit über geholfen, die gutgehende Landwirtschaft der Kampf-Geborenen zu führen, bis er sich dann doch für die Gefährten entschied. Vilkas erinnerte sich jetzt auch an eine Aussage, die Jon von sich gab, als sie

noch Jugendliche waren. Jon sagte damals, dass er niemals den Gefährten beitreten würde, wenn diese Vereinigung Emporkömmlinge, wie ihn und seinen Bruder, bei sich aufnehmen würden. Wie es schien, war es Jon damit bitterernst gewesen. Sein später Anschluss an die Gefährten lag wohl daran und nicht – wie Vilkas glaubte – an seiner Liebe zur Landwirtschaft. Das bedeutete, dass Jon seinen Hass auf Vilkas seit seiner Jugend in sich trug. Kein Wunder, dass dieser zu so einem Ausmaß heran gewachsen war, dass er alles dafür aufs Spiel gesetzt hatte. Dem Kämpfer schwindelte. Er hatte schon wieder viel Blut verloren, doch er

spürte, wie die heilenden Stoffe in dem Moos langsam ihre Wirkung taten. Es schmerzte höllisch, aber zunehmend ließ das Toben nach und es fühlte sich so an, als würden die Wundränder sich wieder zusammen ziehen. Hana kam abermals heran. Diesmal hatte sie den Kleinen um ihren Körper geschlungen. Sie hatte auch noch mehr von dem Moos mitgebracht, das sie nun auch in Vilkas Wunden auf seinem Unterarm drückte. Seine stählerne Armschiene, die sich während der Verformung in sein Fell verwandelt hatte, hatte einiges abbekommen. Sie hing völlig zerfetzt an seinem Unterarm. Als das Mädchen damit fertig war, half

sie ihm aufzustehen. Es funktionierte wider Erwarten gut. Vilkas würde auf seinen Zweihänder gestützt bis zu den Pferden kommen und auf denen nach Weißlauf, wo er sich weiter behandeln lassen konnte. Das war mehr, als er angenommen hatte, nach diesem Kampf. Als sie bei Jon vorbei kamen, der immer noch blutend und ohnmächtig im Gras lag, blieb Hana stehen. Vilkas wollte es ihr verbieten, doch sie schüttelte bestimmt den Kopf und stopfte das Moos auch in Jons Wunden. Der Mann stöhnte, war aber bereits zu schwach, um sie abzuwehren. „Du bist das Letzte“, sagte Vilkas schroff. „Aber im Gegensatz zu dir,

handle ich nicht unehrenhaft. Nicht einmal nach so einem Verrat! Wir werden deiner Familie in Weißlauf Bescheid geben, wo du liegst. Mögen sie sich weiter um dich kümmern. Oder auch nicht. Das ist mir völlig egal. Du gehörst nicht mehr zu den Gefährten und niemals zum Rudel, wenn ich es jemals verhindern kann.“ Damit gingen sie und ließen Jon zurück, der in dieser Zeit, zwischen Tod und Leben, bis sein Vater kam, um ihn zu holen, seinen Gedanken, seinem Hass, und auch seiner Verwunderung darüber, von Vilkas verschont worden zu sein, unbarmherzig ausgesetzt war. Hanas Moos und Vilkas Bericht war es zu verdanken, dass er

gefunden wurde und überlebte. Auch das gab ihm zu denken. Doch noch lange war der Hass und die Missgunst, auf einen Emporkömmling wie Vilkas, in ihm nicht besiegt. Schon gar nicht, nach dieser Niederlage. Dazu zerrte auch die Schmach darüber viel zu sehr an ihm. ******* „Warum muss ich ausgerechnet wieder mit dir unterwegs sein?“, brummte Farkas missmutig mit einem Blick zu Galen, der an diesem warmen Tag selbst beim Reiten seine Stiefel ausgezogen hatte und mit nackten Füßen in den Steigbügeln steckte.

Galen lachte und ließ den Tabak, den er sich am Vortag gedreht hatte, kurz aus seinem Mundwinkel gleiten. „Was hast du nur?“, fragte er erheitert. „Der Tag ist wunderschön und du motzt herum.“ „Weil ich wieder irgendeine Katastrophe befürchte, wenn du in der Nähe bist. Mich juckt schon die ganze Zeit über meine Schwerthand.“ „Du kämpfst mit einem Zweihänder! Welche Hand meinst du also?“ „Das sagt man doch einfach nur so!“, empörte sich Farkas. „Musst du immer alles so wörtlich nehmen?“ „Ist ja schon gut, alter Freund“, meinte Galen versöhnlich und steckte den Tabak

weg. „Wir sind sowieso bald da, also kann ich mir auch gleich meine Stiefel wieder anziehen.“ Gelenkig wie er war, vollbrachte Galen dieses Kunststück während dem Reiten. Evva, welche sie begleiten durfte, kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. „Mach dir nichts draus“, raunte ihr Torvar zu. „Die beiden sind die besten Freunde.“ „Wieso ist Njada eigentlich nicht mit uns mitgekommen?“, fragte ihn Evva interessiert, froh, ein neues Opfer gefunden zu haben, nachdem Farkas ihre bewundernden Blicke gekonnt ignorierte. „Sie ist doch mit dir zusammen, oder habe ich das falsch

gesehen?“ Torvar, der bei Aufträgen immer völlig nüchtern war, räusperte sich verlegen. „Naja“, meinte er ausweichend. „Wir sind nicht verheiratet. Wir leben nicht einmal zusammen.“ Er warf dem jungen, neugierigen Mädchen schnell einen Seitenblick zu. „Ich meine, so richtig. Das bei den Gefährten kann man nicht wirklich ‚gemeinsam wohnen‘ nennen.“ „Aber ihr wirkt so vertraut miteinander“, bestand Evva auf ihren Beobachtungen. „Ich hätte schwören können, dass ihr ein Paar seid.“ „Äh… ja.“ Torvar druckste herum. „Ein altes Paar, kann man sagen.“ „Und Kinder?“ Evva war wirklich ein

wenig penetrant. Das fand auch Farkas. „Hey!“, rief er ihr zu. „Wir haben dich mitgenommen, damit du etwas lernst. Du bist erst Anwärterin. Torvar könnte dein Vater sein. Also benimm dich auch dementsprechend.“ Seine Worte waren zwar hart, aber ihr unverhohlenes Interesse an ihm oder Torvar, ging ihm sowieso auf die Nerven. „Danke!“, flüsterte Torvar ihm zu. „Ich weiß nie, wie ich mit solch jungen Dingern umgehen soll.“ „Aber, ich wollte doch nur ein wenig mehr von euch erfahren!“, verteidigte sich das junge Mädchen beleidigt. „Genau!“, mischte sich auch Galen wieder ein, der das Kunstwerkt mit

seinen Stiefel bereits gemeistert hatte. „Du musst Vilkas nicht vertreten, wenn er nicht hier ist“, sagte er zu Farkas. „Lass ihm das Herumschnauzen über. Er kann das besser als du, glaub mir.“ „Ach was!“, ärgerte sich Farkas, der eigentlich auch nicht so recht wusste, was ihm heute gegen den Strich ging. Wahrscheinlich waren es noch die Auswirkungen von Aelas Begräbnis, das ihn zutiefst mitgenommen hatte. Erst jetzt hatte er das Gefühl, seine Frau wirklich verloren zu haben. Sie war von ihm gegangen und hatte ihn alleine zurück gelassen. Er hatte zwar seinen Zwilling und seine Freunde, aber der Schmerz über ihren Verlust, war dennoch

wieder so frisch da, als wäre sie erst gestern gestorben. Und genauso lebendig war natürlich auch die Wut über ihre Peiniger in ihm. „Schaut! Da vorn ist die Stelle, an der Farkas von den Trollen beinahe zerstückelt wurde. Ich schlage vor, wir fangen da an.“ Galen trieb sein Pferd an und hielt dann bei einem Baum, der einsam in der kargen Landschaft stand. Die Leiche des Trolls, den Farkas auf der Straße getötet hatte, war inzwischen bis auf die Knochen abgenagt worden. Mit hochgezogenen Schultern, stieg auch Evva vom Pferd und sah sich um. Torvar begann bereits nach Spuren zu suchen, während Farkas eher umständlich von

seinem Tier abstieg. Heute war ihm wirklich nicht wohl zumute. Aber er hätte diesen Auftrag um nichts in der Welt nur Galen überlassen. Gurdan war jedenfalls mehr als erfreut gewesen, die Gefährten so zahlreich und in voller Kampfmontur bei sich zu sehen. Er versprach ihnen auch eine ansehnliche Summe, sollten sie den Weg wieder sicher und frei von Trollen bekommen. Farkas klopfte sein Pferd ab und ließ es bei den anderen Tieren, dann wandte er sich langsam seinen Gefährten zu. Doch sein Blick ging ins Leere. Keiner von ihnen war mehr zu sehen. „Wo seid ihr?“, fragte er. Torvars Kopf tauchte hinter einem Felsen

auf. „Na hier! Wo sollten wir sonst sein? Du bist heute nicht ganz bei dir, oder?“ Besorgt blickte er auf seinen jungen Freund, der etwas hilflos auf der Straße stand. „Evva und ich studieren gerade die Spuren der Trolle, die alle Richtung Norden zeigen. Ich vermute, sie ziehen nach Labyrinthion.“ „Hier sind wirklich viele durchgezogen. Auch weiter oben“, fügte das Mädchen an, die bereits einige Meter voran gelaufen war und hinter einem anderen Felsen hervorlugte. „Das ist ja schön und gut“, meine Farkas. „Doch wir wollen die Trolle nicht verfolgen, wir wollen wissen, was sie von ihrem bisherigen Land vertrieben hat

und ob noch viele hier durchziehen wollen.“ Er hatte einen Verdacht, was die Abwanderung der Trolle betraf, doch die teilte er im Moment noch nicht mit seinen Gefährten. Dieser Verdacht war auch der Grund gewesen, warum er darauf bestanden hatte, diesen Auftrag unbedingt zu übernehmen. „Na, dann kommt hierher!“, ließ sich das Drachenblut vernehmen, das von der anderen Seite wieder auftauchte. „Ich habe einen Weg entdeckt, der weiter hinauf in die Berge führt.“ Es wurde eine furchtbare Kletterei. Der Weg, der zuerst verführerisch breit die Gefährten auf die felsigen, kargen Anhöhen lockte, entpuppte sich bald als

ausgewalzte Spur einer Troll Gruppe, dessen verlassene Höhle sie entdecken konnten. Es folgten weitere verlassene Höhlen die sie aufspürten, in denen die verwesenden Überreste der letzten Troll-Mahlzeiten noch vor sich hin gammelten. Selbst Galen verging mit der Zeit der Humor und er trottete endlich einmal schweigsam hinter Evva her. Farkas feinen Wolfssinnen war es schließlich zu verdanken, dass sie nicht unvorbereitet in eine Gruppe von vier Trollen hinein liefen. Evva wurde angehalten im Hintergrund zu bleiben, dem sie aber nur missmutig zustimmte. Doch Farkas bestand darauf. Die kampferprobten Männer entledigten

sich der Trolle ohne großes Aufheben. Galen musste nicht einmal einen seiner Schreie anwenden, um die Situation stabil zu halten. Die Trolle wirkten auch mehr panisch als aggressiv oder auf der Jagd. Nach dem Kampf hielt Farkas inne und versuchte zu wittern. Aber es war nichts zu bemerken. Vor allem nichts, was seinen Verdacht erhärten würde, warum diese Wesen in so großer Zahl ihre alten Höhlen aufgaben. „Na kommt, schauen wir weiter. Vielleicht finden wir höher oben noch irgendwelche Hinweise auf ihren Aufbruch“, meinte er und schickte sich an, weiter zu gehen. Ohne Protest folgten ihm die anderen.

Sie begegneten noch einer weiteren Troll-Gruppe, die sie in ihrer Höhle aufstöberten. Zwei der Biester ließen es gar nicht auf einen Kampf ankommen, sondern flüchteten aus ihrem Heim und stürzten den Abhang hinab in Richtung Labyrinthion. Die anderen versuchten sich zu wehren, hatten aber keine Chance. Selbst Evva kam dazu, mit ihrem Langbogen, eine der Kreaturen empfindlich im Hals zu treffen. Das war es aber auch. Es waren auch hier keine Hinweise zu finden, wieso die Trolle so massenweise aus ihrem Gebiet abwanderten. Genauso schlau wie vorher, standen die

Gefährten vor der Höhle und rätselten. „Naja“, meinte Galen. „So wie es aussieht, wird die Gefahr bald vorüber sein. Nämlich dann, wenn alle Trolle aus ihrem alten Gebiet in ihr neues fortgezogen sind. Und so wie ich das sehe, wird das bald der Fall sein. „Wie sieht es in Labyrinthion aus?“, fragte Evva interessiert. Sie hatte ihren Langbogen wieder über ihre Schulter geklemmt und zupfte sich ihre Lederrüstung zurecht. Dabei versuchte sie den Ausschnitt über ihren wohlgeformten, runden Brüsten noch besser zur Geltung zu bringen. „Ich meine, ist dort genug Platz für so viele dieser

Kreaturen?“ „Das wird sich erst weisen“, meinte Farkas nachdenklich, der Evvas Bemühungen nicht einmal ansatzweise mitbekommen hatte, da er in eine ganz andere Richtung spähte, wobei er sich über seine gerade wieder spürbar werdenden Bartstoppeln strich. Wieso ausgerechnet bei ihm der Bart so schnell spross, war ihm ein Rätsel. Er hatte sich erst gestern, nach einem heißen Bad, mit einem scharfen Messer seiner sprießenden Kinnhaare entledigt. Galen hingegen, schien so etwas wie Bartwuchs überhaupt nicht zu kennen. „An und für sich ist das Gebiet verschrien für seine Unwirtlichkeit“, fuhr er fort und ließ

seine Barthaare, Barthaare sein. „So gesehen können sich die Trolle dort ruhig nieder lassen. Ich fürchte nur, dass die Magier, die sich daselbst des Öfteren für Forschungszwecke aufhalten, nicht erfreut sein werden.“ „Andererseits werden wir von ihnen wahrscheinlich vermehrt als Geleitschutz angeheuert werden“, überlegte Torvar, der notdürftig seine Axt vom Troll-Blut reinigte, bevor er sie wieder an seinen Gürtel hängte. „Das ist doch auch nicht übel, oder?“ „Glaubst du vielleicht auch daran, dass wir zu wenig Septime verdienen?“, ärgerte sich Farkas. „Aber nein!“, widersprach der Veteran.

„Ich mein ja nur!“ Galen hatte sich ein wenig von der Gruppe entfernt und spähte in Richtung der Gipfel dieser Bergkette. Gemächlich schritt er um einen größeren Felsen herum. Dahinter lag eine geschützte Mulde, die zu einer kurzen Rast einlud. Erfreut rief er seine Kameraden und begann ein Feuer zu entzünden, welches ihre Pause noch heimeliger machen würde. In Ermangelung von brennbarem Material an diesem kargen Berghang, ließ Galen sein Talent frei und brachte ein paar zurecht gelegte Steine mit der Macht seiner Stimme zum Glühen. Es erstaunte Farkas immer wieder, welches Dröhnen aus der Kehle des

schlanken Mannes hervorbrechen konnte. Er konnte sich unter keinen Umständen vorstellen, dass dessen Schwester, die kleine Hana, eine ebensolche Gabe besaß. Jedenfalls setzte er sich dankbar in die Nähe der erhitzten Steine. Mit einem glücklichen Lächeln richtete sich Evva neben ihm ein und strahlte ihn an. Farkas war das sehr unangenehm. Evva war die Schwester seiner verstorbenen Frau und sicherlich nicht älter als… Eigentlich wusste er gar nicht wie alt sie war! Jedenfalls war er nicht interessiert, wusste aber nicht, wie er dem schwärmerischen Ausdruck des jungen Mädchens begegnen sollte, ohne sie vor den Kopf zu stoßen. Hilfesuchend

blickte er auf Galen, der sich auch sofort um Evva kümmerte und sie in ein anregendes Gespräch verwickelte. Dankbar seufzte Farkas auf und begann seine Ration zu essen. Evva schaffte es dennoch sich ihm wieder zuzuwenden und mit Fragen zu löchern. Nichts war ihr dabei peinlich. Farkas litt, wohingegen sich Galen und Torvar aber königlich amüsierten. Dieses Mädchen hatte wirklich absolut nichts mit ihrer Schwester gemeinsam. Vielleicht die roten Haare. Doch damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Wenn Farkas so recht überlegte, hatte sie wahrscheinlich sogar einen anderen Vater als seine Frau. Evva war zwar beinahe so

groß wie Aela, wirkte aber etwas stämmiger. Ihre Gesichtszüge waren auch grober und ihre Augen blitzten in einem hellen, frechen Blau und nicht in dem angenehmen Grün, das Aelas Pupillen innewohnte. Außerdem war sie erst fünfzehn Jahre alt, wie sie ihm gerade mit einem Augenaufschlag verriet. Nach Farkas Verständnis noch ein Kind, mit dem er sich sicherlich nicht einlassen würde. Und wenn er ehrlich war, würde er sich mit ihr auch nicht einlassen, wenn sie älter wäre. Außerdem hatte er an seiner Frau gerade erst das Totenritual vollzogen und er dachte nicht im Traum daran wieder eine Beziehung einzugehen. Aber

wahrscheinlich lag Evvas Schwärmerei gerade in ihrem unreifen, beinahe noch kindlichem, Alter begründet. Wie auch ihre penetrante Art. Sie musste wirklich erst erwachsen werden, dann würde aus ihr sicherlich eine wunderbare Frau und Gefährtin werden. Doch bis dahin war es noch ein langer Weg, der ihn wohl noch so einiges kosten würde, wenn sie ihre Anhänglichkeit nicht aufgab. Nach der kurzen Rast machten sie sich daran weiter aufzusteigen, bis Galens Ruf sie stehen bleiben ließ. „Was hast du?“, fragte ihn Farkas. Mit einem herrischen Wink bedeutete das Drachenblut den anderen still zu sein und sich zu ducken. Er hockte in seiner

Schuppenrüstung hinter einem Felsen und spähte mit golden glühenden Augen auf den nahen Gipfel. Wenn sein Drachenblut in Wallung kam, veränderten sich seine Augen immer stärker ins Goldene, während der dunkle Innenbereich so schmal, wie bei einem Reptil wurde. „Ich glaube, ich weiß, wer die Trolle vertreibt!“ Farkas blickte in dieselbe Richtung und konnte dank seiner geschärften Sinne die Konturen eines Drachen ausmachen. Für die anderen war er noch im Dunstschleier des Tages verborgen. „Ein Drache!“, entfuhr es ihm und kampfbereit zog er seinen Zweihänder. „Nicht!“, fuhr Galen auf. „Wir haben ein

Abkommen mit ihnen. Es sind nur einige Wenige, die noch Alduin weiter die Treue halten. Die anderen hegen nichts Böses gegen die Menschen.“ Seine warnenden Worte kamen aber zu spät. Der Drache hatte sie bereits bemerkt und sein Schrei hallte von den Felsen wider. Mit einem Kreischen hielt sich Evva die Ohren zu und duckte sich hinter einen Felsen. „Nein“, rief sie panisch. „Bitte keinen Kampf mit Drachen! Ich musste vor einem Jahr zusehen, wie ein Drache die Bewohner eines ganzen Dorfes beinahe zerstückelte!“ „Keine Sorge!“, rief Galen, der bereits aufgesprungen war und dem Biest entgegen lief. „Farkas, beruhige die

Kleine! Hier kannst du sowieso nichts ausrichten!“ So schnell er konnte, versuchte Galen Abstand zwischen sich und seine Gefährten zu bekommen, denn der Drache klang alles andere als freundlich. Donnernd fuhren auch jetzt seine Schreie in ihre Richtung. Ein schneller Blick zurück zeigte Galen, dass Farkas das wimmernde Mädchen in den Armen hielt, während Torvar besorgt mit gezogener Waffe dastand und ihm nachblickte. Dieses kleine, rothaarige Luder nutzte die Situation voll aus, dachte sich Galen grimmig, während er weiter lief. Er glaubte kein Wort von dem, was sie von sich gegeben hatte. Dazu hatte er schon

zu oft mit halbwüchsigen Mädchen zu tun gehabt. Mehr Zeit hatte er aber nicht, um darüber nach zu sinnen, denn der Drache landete bereits mit einem erbosten Schrei vor ihm. Für Galen wäre es ein Leichtes gewesen, mit einem seiner Schreie das Biest zurück zu drängen, doch er hoffte auf eine gütige Lösung. Versöhnlich streckte er dem Biest seine erhobenen Arme entgegen und senkte den Kopf. „Was macht Galen da?“, fragte Torvar mit zusammengekniffenen Augen. Farkas wollte die bebende und sich an ihn klammernde Evva von sich schieben, was das Mädchen kreischend verweigerte. Farkas verdrehte die Augen

und drehte sich mitsamt seinem Anhängsel herum. Da sah auch er wie Galen vor dem Drachen mit erhobenen Armen und gesenktem Kopf stand. Sie schienen sich zu unterhalten. Das Biest schnaubte ein, zweimal unwillig, stieg dann aber wieder auf und beachtete sie mit keinem Blick mehr. Das Drachenblut dagegen wandte sich um und kam wieder auf sie zu. „Jetzt lass schon los, Evva. Der Drache ist weg!“ Farkas nahm mit sanfter Gewalt ihre Hände in seine und löste sie von seinem Nacken, den sie umschlungen hielt. „Tatsächlich?“, schniefte das Mädchen und sah zweifelnd um sich. Da die

Gefahr aber wirklich gebannt war, ließ sie sich dann doch unwillig von Farkas wegdrücken. Inzwischen war Galen heran. „Die Sache mit den Trollen können wir vergessen!“, meinte er missmutig. „Der Drache sagte mir, dass sich in diesen Bergketten außer ihr, noch zwei weitere brütende Drachenweibchen niedergelassen haben.“ „Waaas?“ Torvar fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Diese Biester wollen sich bei uns auch noch vermehren?“ Galen zuckte die Schultern. „Nicht alle. Ein Großteil hat vor Tamriel zu verlassen und zu den heiligen Stränden von Nazar

aufzubrechen. Das weiß ich von Paarthurnax. Doch die, die hierbleiben wollen, werden natürlich auch brüten.“ Torvar sah ihn mit offenem Mund an. „Keine Sorge!“, winkte Galen ab. „Allein ihre Brutzeit dauert ein Menschleben. Außerdem schworen sie, mit uns in Frieden zu leben.“ „Aber…aber…“ Torvar konnte es immer noch nicht glauben. Farkas schüttelte den Kopf. Seine Vermutung hatte sich also als Irrtum erwiesen. Das enttäuschte ihn zwar, aber zumindest war das Rätsel gelöst. „Wenigstens wissen wir, was die Trolle dazu bewogen hat, ihr Land zu verlassen. Wir müssen jetzt nur schauen, dass wir

sie alle wegscheuchen, damit der Weg wieder frei und sicher für Reisende wird.“ Nachdenklich sah er sich um. „Bei der Größe dieses Gebietes, werden wir wohl drei Tage brauchen, bis wir alle Höhlen und Unterschlupfe durchforstet haben. Na dann, lasst uns beginnen. Das wird ein hartes Stück Arbeit werden.“ „Drei Tage?“ Evva klang begeistert und strahlte Farkas an, der sich hilfesuchend an Galen wandte. Doch diesmal sprang Torvar ein. „Ja. Komm gleich mit mir mit“, sagte er zu dem jungen Mädchen. „Du bist eine gute Spurenleserin. Wir beginnen dort hinter dem Felsen. Ich glaube, der Pfad wird zu einer weiteren Höhle führen.“

Mit einem bedauernden Blick sah Evva auf Farkas, folgte aber Torvar und verschwand schließlich hinter einem der größeren Gesteinsblöcke. Farkas atmete auf, während Galen ihm lachend auf die Schulter klopfte. „Was ist daran so lustig?“, fragte der Hüne gequält. „Du bist wohl noch nie von einem Mädchen so offensichtlich angehimmelt worden, nicht wahr?“, fragte er ihn. „So etwas ist wirklich furchtbar. Ich könnte dir Geschichten erzählen…“ „Ja du…“, meinte Farkas. „Aber ich dachte nicht, dass mir so etwas einmal passieren würde. Ich bin doch wirklich nicht das, was man einen Frauenschwarm

nennt!“ Galen grinste frech. „Einmal ist immer das erste Mal!“, lachte er. „Außerdem unterschätzt du dich, mein Lieber!“ Farkas seufzte und ließ die Schultern hängen. „Mir ist das eindeutig zu viel. Damit kann ich nicht umgehen. Wenn mir das vorher schon aufgefallen wäre, hätte ich sie nie im Leben mitgenommen! Was soll ich nur tun, Galen?“ „Nimm es nicht ernst“, riet der Kaiserliche. „Mädchen in dem Alter sind so. Das vergeht schneller, als du dir vorstellen kannst. Aber etwas anderes.“ Rasch blickte er zum Himmel, um die Zeit abzuschätzen. „Wir sollten die Pferde versorgen, wenn wir hier noch

länger zu tun haben. Am besten bringe ich sie zu Gurdan – das müsste bis zum Sonnenuntergang zu schaffen sein – und schließe mich euch morgen mit frischer Verpflegung wieder an.“ Farkas nickte zustimmend, dann hielt er inne. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich das erledige.“ Galen grinste ihn unverschämt an. „Du willst nur vor Evva kneifen!“ Farkas wurde rot. Er fühlte sich ertappt. „Nicht nur“, gab er zu. „Aber ich finde euch schneller mit meinen Wolfssinnen.“ Zum Glück fiel ihm diese Tatsache ein, die wirklich ein gutes Argument war. Galen hätte ihn sicher auch so gehen lassen, aber mit einer guten Begründung,

fühlte sich Farkas allemal besser. „Na, dann lauf mal, mein Großer!“, neckte ihn Galen und seufzte theatralisch. „Und ich werde mich in die Fänge des männerverschlingenden, jugendlichen Monsters begeben!“ Seine Augenbrauen führten dabei einen lustigen Tanz auf und mit einem hellen Lachen, wandte sich der Kaiserliche ab, um Torvar und der jungen Evva nach zu eilen.

17 der ruf der götter

Es war bereits Abend, als Farkas beim ‚Geiereck‘ ankam und die Pferde unterstellte. Gurdan war zwar nicht erfreut davon zu hören, dass nun Drachen in seiner Nähe brüteten, aber andererseits, waren diese noch weiter weg, als die Trolle. Die Berge waren hoch und die Gipfel lagen demnach noch weiter entfernt. Für ihn war nur wichtig, dass sich die Gefährten auch der restlichen Trolle annehmen und den Weg wieder sicher machen wollten. Außerdem waren Drachen immer noch besser, als wenn sich Farkas Verdacht

erhärtet hätte. Dem Wirten hatte der Gefährte seine Vermutung mitgeteilt. Also, Vampire wollte Gurdan unter keinen Umständen in seiner Nähe haben. Dann schon eher Drachen. Vor allem, nachdem jetzt Frieden mit ihnen herrschte – bis auf einige wenige, die aber nicht zu denen gehörten, die in seinen Bergen brüteten. Oder sagen wir lieber so: in den Bergen brüteten, durch die eine Straße direkt zu seinem Gasthof führte, was sie, in seinen Augen, so gut wie zu seinen Bergen machte. Farkas genoss den Abend bei dem Ork und seiner Familie. Das Essen war gut und reichlich und der Met für ihn kostenlos. Außerdem musste er sich nicht

eines empfindsamen, jungen Mädchens erwehren, welches er zwar auf Abstand halten, aber nicht beleidigen wollte. Zeitig in der Früh brach er mit einem vollgestopften Ranzen in Richtung seiner Freunde auf. Er hoffte, dass sie während seiner Abwesenheit schon fleißig gewesen waren, denn eigentlich wollte er sich nicht lange mit den Trollen hier beschäftigen. Sein Anliegen war es, diese Vampire zu finden, die seiner Frau und ihnen so übel mitgespielt hatten. Er hatte sie hier vermutet und nicht die Drachen. Aber ein Wort war ein Wort und so huschte er rasch voran, um zuerst diesen Auftrag zur Zufriedenheit aller auszuführen, bevor er sich auf die Suche

nach den Blutsaugern machen wollte. Farkas fiel in einen lockeren Laufschritt, den er stundenlang durchhalten konnte. Auch auf steilerem Gelände. Einmal traf er auf Trolle, die von seinen Gefährten wohl aufgescheucht worden waren. Einer stellte sich zum Kampf, während die anderen weiter in Richtung Labyrinthion liefen. Farkas machte kurzen Prozess mit dem einen, ließ die anderen aber ziehen und eilte weiter, bis er zu der Stelle kam, an der er sich von seinen Kameraden getrennt hatte. „Bis zum Mittagessen hab ich sie eingeholt!“, brummte er. Er sah auch den Weg vor sich, den sie eingeschlagen hatten und folgte ihnen. Ihren Geruch

konnte er mit seiner feinen Nase auch immer deutlicher wahrnehmen. Doch etwas ließ ihn plötzlich stutzen. Irgendetwas Bekanntes lag in der Luft, doch er konnte nicht sofort klar erkennen, was es war. Neugierig geworden suchte er auf dem Bergpfad herum und spähte auch hinter ein paar der Felsen und Sträucher, die neben dem Pfad wuchsen. Der Geruch blieb vage, doch Farkas entdeckte einen unscheinbaren, schmalen Weg, der sich hinter einem Felsen dichter in einen Taleinschnitt hinein schlängelte, der aus der Ferne völlig überwuchert und unbegehbar erschienen war. „Den haben sie übersehen!“, mutmaßte Farkas und

witterte hinein. „Ich wette, dass sich darin Trolle verborgen haben. Galen muss noch eine Zeitlang auf die Vorräte warten. Zuerst kümmere ich mich um diese Biester!“ Gerade, als er sich anschickte den Felsen zu umrunden, stieg ein weiterer Geruch tief in seine Sinne. Er wollte soeben den Packen neu schultern, als ihm dieser dabei vor Ingrimm aus den Fingern glitt. Aus Fingern, die sich in dem Moment augenblicklich in Pranken verwandelten… „Wir sind wirklich fleißig!“, freute sich Evva, als sie aus der Höhle stapfte, deren Trolle sie soeben erledigt hatten. „Wenn

es so weiter geht, werden wir keine drei Tage brauchen, so wie Farkas dachte.“ Galen lächelte und blickte in die Sonne, die sich bereits gegen den Abend hinneigte. „Mich wundert nur, wo er so lange bleibt. Er müsste uns schon längst eingeholt haben“, murmelte er. Dann blickte er auf Evva und schmunzelte. „Nein, ich weiß, warum er sich solange Zeit lässt!“ „Was sagst du?“, fragte das Mädchen und drehte sich zu ihm. „Du meinst, dass Farkas uns schon längst eingeholt haben sollte?“ Sofort blickte sie sich suchend um. Torvar, der sich bereits anschickte weiter zu gehen sah verschwörerisch auf Galen.

Laut sagte er: „Er wird schon kommen! Lasst uns weitermachen. Das wird ihn überraschen. Damit wird er sicher voll des Lobes sein.“ Sofort sprang das Mädchen darauf an. „Meinst du?“ Begeisterung schwang in ihrer Stimme. „Worauf warten wir dann noch?“ Voller Tatendrang stürzte sie zu Torvar und zog ihn weiter. Sie war ein Energiebündel, das nicht zu ermüden schien. Galen schüttelte den Kopf und folgte den beiden. Wenigstens würden sie wirklich schnell mit allem fertig werden. Am Abend schickte er die nicht müde werdende Evva auf die Jagd. Ihre Lebensmittel waren zur Neige gegangen. Doch das Mädchen war wirklich gut.

Schnell schlug sie sich in die Büsche und kam innerhalb kürzester Zeit mit drei fetten Hasen wieder, die sie über den erhitzten Steinen in einer kleinen Höhle brieten. Es würde sogar für morgen früh noch etwas übrig bleiben, um ihren Hunger zu stillen. Galen hatte sich wieder seiner Stiefel entledigt und hockte vor dem Feuer. Er begann sich zu wundern. Auch wenn Farkas berechtigter Weise die Zeit in die Länge zog, war er dennoch kein Mann, der seine Kameraden hängen ließ. Spätestens jetzt hätte er zu ihnen stoßen müssen. Soviel war sicher. Ein Blick zu Torvar bestätigte ihm seine Vermutung. Der Gefährte sah ihn besorgt an, ließ

sich aber vor Evva nichts anmerken. Das Mädchen plapperte unentwegt. Vor allem wollte sie alles über Farkas wissen. Ob er außer ihrer Schwester viele andere Frauen gehabt hatte, ob er gerne Jagdwild aß, oder eher lieber Eintöpfe aus Gemüse? Es konnte ihr einfach nicht detailreich genug sein. Dabei hatte sie die Männer gestern Abend schon gelöchert und Galen spürte, wie er an die Grenze seiner Belastbarkeit kam. Noch dazu, wo ein altbekanntes Gefühl, immer deutlicher in ihm seine Aufmerksamkeit zu fordern begann. „Sag, wirst du denn nie müde?“, fragte er schließlich. Als sie ihn entgeistert ansah, fügte er noch an: „Es wird Zeit, dass ihr

euch hinlegt. Ich werde noch eine Runde machen und dann draußen Wache halten.“ Das ganze Getue der jungen Evva, hatte Galen zu all der Aufwühlung, die in ihm tobte, auch noch melancholisch gestimmt. Er brauchte kurz ein wenig Zeit für sich. „Jetzt?“, fragte Evva erstaunt. „Aber es ist völlig dunkel! Die Wolken sind aufgezogen. Es erhellen nicht einmal die Sterne die Umgebung.“ Galen antwortete mit einem völlig untypischen, diabolischen Grinsen. „Meine Teuerste!“, begann er spöttisch. „Ihr wisst wohl nicht mit wem Ihr es zu tun habt?“ „Warum?“, fragte sie kauend und schielte

befremdet durch Galens ‚Rückfall‘ in sein höfisches Getue, das sie noch nicht kannte, zu ihm. „Sagt bloß, Ihr habt noch nie etwas von dem ‚Drachenblut‘ gehört?“, fuhr er fort. Evva fiel beinahe der Bissen aus dem Mund. „Duuu?“ „Genau. Der Selbst.“ Gewichtig nickte er. „Jetzt verschwinde schon!“, murrte Torvar. „Ich komm mit der Kleinen schon klar. Und bei Talos! Zieh dir endlich wieder deine Stiefel an! Ich bin kein Werwolf, doch auch meine Nase hat ihre Grenzen, bei Füßen, die beinahe zwei Tage in ein und demselben Schuhwerk steckten.“ Das Drachenblut sah ihm an,

dass er auch nicht gerne mit dem anstrengenden Mädchen alleine sein wollte. Doch der Gute nahm es dennoch – wenn auch ein wenig bärbeißig – auf sich, dem Kaiserlichen die Ruhe zu gönnen, nach der ihm verlangte. Galen sprang auf, fuhr in seine Stiefel und machte sich daran ihren Unterschlupf zu verlassen. Er nahm Torvar seine Worte nicht übel. „Schon gut. Bin ja schon weg!“ Sein Schwert klapperte gegen seine Drachenschuppenrüstung, als er sich rasch umdrehte. Trotz der Schwere seiner Montur bewegte er sich ausgesprochen leichtfüßig und wurde von der Nacht verschluckt, bevor Torvar und Evva noch

etwas erwidern konnten. Er hatte wirklich nicht vor weit zu gehen. Durch seine Drachenaugen war die Nacht für ihn kein Problem. Er hatte nicht die Nachtsicht der Werwölfe, aber er konnte die Wärmeausstrahlung lebender Geschöpfe wahrnehmen. Und das so klar, dass er sie beinahe so gut ausmachen konnte, als stünden sie im hellen Tageslicht vor ihm. Seine Andersartigkeit machte ihm wieder einmal zu schaffen, genauso wie die Unruhe, die ihn erneut erfasst hatte. Dieses Gefühl kannte er von früher nur allzu gut. Doch nach dem Sieg über Alduin dachte er, dass der Druck der Götter auf ihn nun nachgelassen hätte.

Dazu kam Evvas nicht enden wollendes Geplapper, das er einfach nicht mehr ertrug. Und er war nicht Vilkas, der sich einen Dreck darum scherte, was andere dachten oder wie es ihnen mit ihm ging. Galen war anders. Er zog sich zurück, wenn es ihm zu viel wurde oder wenn er über Dinge nachsinnen musste. So wie jetzt. Dazu zog er sich wieder seine Stiefel aus und kletterte auf die schroffen Felsen. Genau auf den, der oberhalb ihres Unterschlupfs ein wenig abgerundet gegen den Nachthimmel abstand. Dort hockte er sich in seiner gewohnten Art mit bloßen Füßen auf den nackten, kalten Stein, als hätte er eine bequeme Bank unter sich.

„Ah!“ Dieser Kontakt tat ihm gut. Es war kalt und selbst die Sonne des Tages hatte den Stein nicht allzu sehr aufheizen können, als dass er jetzt noch genügend Wärme abstrahlen hätte können. Doch Galen meckerte nicht. Er hatte seinen Frieden und als die Wolkendecke aufriss und die Sterne auf ihn nieder funkelten, spürte er, wie er langsam wieder zu sich fand. Selbst die Unrast, die ihn erfasst hatte, ließ nach, wie auch das Jucken auf seinem großen Geburtsmal an der Schulter, das ebenso wie die Unruhe ein Anzeichen dafür war, dass er wieder einmal von den Göttern gefordert wurde. „Also“, seufzte er. „Was ist es diesmal?

Reicht es Euch denn nicht, dass ich Alduin besiegt habe?“ Er wusste, dass er darauf keine Antwort bekommen würde. Nur das Gefühl wurde stärker, dass sich wirklich etwas Großes zusammen braute. Ergeben ließ er seinen Kopf in seine Hände sinken. „Ich dachte wirklich, es sei vorbei“, murmelte er. „Ich sei frei, wieder ein eigenes Leben zu leben. Eine Gefährtin für mich zu suchen. Ihr wisst schon, die Hübsche aus Hoch-Hrothgar meine ich.“ Auch wenn er keine Antwort erhielt, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, mit den Neun Göttlichen auf diese Weise zu sprechen. Er wusste, dass seine Worte ankamen und er wusste auch, dass er

Antwort erhielt. Wenn auch nicht auf direktem Weg. Galen seufzte erneut und ließ seine Gedanken zurückkehren nach Hoch-Hrothgar, dem Kloster auf dem höchsten Berg Himmelsrands, auf dem die ‚Graubärte‘ die Macht der Stimme lehrten und lebendig hielten. Die Macht der Stimme, oder auch Thu’um, wie man die magische Sprache der Drachen noch nannte, mit der man unerbittliche Macht, oder auch Feuer und noch vieles mehr, beherrschen lernen konnte. Unerbittliche Macht – FUS RO DA – das war auch der Schrei, der ihm durch seine Geburt als ein Manebarba, in die Wiege gelegt worden war. Sein Vater hatte ihm

schon früh beigebracht, dass er damit eine große Verantwortung mitbekommen hatte, denn nicht oft wurde ein Manebarba geboren, dem alle drei Worte der Macht mitgegeben wurden. Das hieß, dass die Göttlichen viel mit ihm vorhaben würden. Das letzte Mal, als ein Manebarba mit drei Runen geboren wurde, war vor zweihundert Jahren gewesen. Der Held von Kvatch war immer noch vielen ein Begriff. Ein Sendbote der Göttlichen mit großer Macht war er gewesen, der dem letzten Septim half, die Obliviontore zu schließen und die Welt vor den Daedra zu schützen. Ja, genau das waren die Aufgaben, zu denen ein Manebarba mit

einem so großen Geburtsmal herangezogen wurde. Oder jener Manebarba, Talin, hieß er, der weitere hundert Jahre davor mithilfe des „Stab des Chaos“ Jagar Tharn besiegte. Und sein Vater hatte ihm einmal erzählt, dass es auch damals ein Manebarba war, der Tiber Septim half, ganz Tamriel unter sich zu einen. All diese Männer und Frauen, aus der Familie der Manebarba, gingen immer als namenlose Helden in die Geschichte ein. Auch Galen würde einmal nur als ‚das Drachenblut‘ bekannt sein. Doch das war es wirklich nicht, was ihn störte. Galen seufzte. Es war diese zweifelhafte Ehre, die ihm zu Teil wurde, einer der

Mächtigen der Manebarba zu werden, die ihn störte. Ja, er hatte große Macht und übermenschliche Kräfte dadurch mitbekommen. Doch auf die hätte er liebend gerne verzichtet. Er hatte sich nicht darum gerissen gegen Alduin zu kämpfen und damit einer jener zu werden, welche im Namen der Göttlichen das Schicksal der Welt beeinflussten. Viel lieber wäre er einer jener unscheinbaren Vertreter der Manebarba geblieben, die das Drachenblut in ihren Adern einfach nur weiter vererbten. Doch es war anders gekommen. Es war genauso gekommen, wie sein Vater es ihm vorhergesagt hatte. Es hatte ihm also nichts genutzt als Achtzehnjähriger von

Zuhause wegzulaufen. Überhaupt nichts. Sein Schicksal hatte ihn unbarmherzig eingeholt und eines besseren belehrt. Galen blickte in die Sterne und ein bitterer Schmerz begann in ihm zu bohren. „Sie könnte noch leben, wenn ich nicht so stur gewesen wäre! Nicht wahr?“ Natürlich bekam er keine Antwort. Als Galen alles hinter sich ließ, seinen Namen, seine Vergünstigungen, die er als adliger Sohn aus gutem Hause hatte, wanderte er lange umher. Er verdiente sich sein Geld als Gelegenheitsarbeiter. Er war in vielen Dingen geschickt. Das war zugegebenermaßen der Bonus seines Erbes. Es gab kaum etwas, was ihm

misslang. Er konnte schmieden, er konnte handeln, ein wenig Magie wirken und er konnte kämpfen. Was immer er machen wollte, es gelang ihm. Doch er blieb niemals lange an einem Ort. Das was er tat reichte ihm zum Leben und mehr wollte er auch nicht, bevor er weiter zog. So kam er auch nach Elsweyr. Selbst bei den Khajiit konnte er gut mithalten, sich sowohl bei den Nomaden im Norden Elsweyrs beliebt machen, als auch im Süden, auf den reichen Plantagen. Schnell akzeptierten ihn die Einwohner und ihm gefiel ihre Lebensweise. Besonders die der Nomaden im trockenen Wüstengebiet. Sie lebten in Zelten, kannten außer ein wenig

Hausrat keine großen Besitztümer und schon gar keine Möbel. Sie hockten rund um das gemeinsame Feuer, an dem sie abends ihre Mahlzeiten zubereiteten und ihre Lieder sangen. Genau dieses entbehrungsreiche, einfache Leben hatte es Galen angetan. Hier vergaß er wer er war, denn hier zählte nur der arbeitsreiche Tag und das einfach Beisammensein danach, im Licht von Masser und Secunda, welche für die Khajiit eine zentrale Bedeutung hatten. So blieb er länger als er vorgehabt hatte und schließlich verliebte er sich auch noch in die Tochter des Karawanenführers. Und Semirah – so hieß diese Wüstenblume aus Elsweyr –

erwiderte seine Gefühle, was er niemals für möglich gehalten hatte, denn sie galt als schwierig und unnahbar. Doch scheinbar weichte sie sein Humor auf, der ihm schon von jeher zu eigen war. Genau wie seine Vergangenheit hatte er seinen Gram tief in sich verschlossen und reiste als einfacher Abenteurer durch die Lande, der mit einem fröhlichen Liedchen selbst in finstersten Spelunken für gute Stimmung sorgte. Auf diese Weise erhellte er auch das entbehrungsreiche Leben der Wüstenbewohner. Schnell übernahm Galen viele Aufgaben, mit denen er Semirahs Vater zur Hand ging. Am Abend dagegen schloss er sich ihren

Feiern und Liedern an, fügte seine eigenen dazu und eroberte so nach und nach auch das Herz der unnahbaren Khajiit. Den jungen Männern, die schon lange um die Gunst Semirahs buhlten, war er dagegen ein Dorn im Auge. Doch Galen trat auch dieser Herausforderung mit der ihm eigenen unkonventionellen Art entgegen. In seinen Augen hatte er nichts zu verlieren. Passte er nicht hierher, würde er einfach weiter ziehen. Doch er verschaffte sich Respekt unter den jungen Khajiit. Er hatte eben ein Talent zu kämpfen und mit seiner leutseligen, humorvollen Art, wurde er mit den meisten sogar gut Freund.

Semirah zu erobern, war schon schwieriger. Die junge Frau war genauso spröde wie stolz und als Karawanenführerin noch weitaus strenger als ihr Vater. Das Interessante war auch, dass sie mindestens sechs oder gar sieben Jahre älter, als der damals beinahe zwanzigjährige Galen, war. Für sie war er überhaupt ein dahergelaufener Jungspund, mit dem sich eine reife Khajiit, die etwas auf sich hielt, nie und nimmer einlassen würde. So jedenfalls gab sie sich nach außen hin. Ihr Vater dagegen hockte schweigsam am Feuer, drehte sich seinen Tabak und schmunzelte über die Kapriolen, die

seine Tochter und deren Verehrer ihm tagtäglich vorführten. „Und, mein Kind, wann gedenkst du endlich einen deiner vielen Verehrer zu wählen?“, fragte eines Tages der betagte Khajiit. „Ich würde gerne sehen, wie mein Geschäft weiter geführt wird. Du weißt schon, nicht nur jetzt, auch für weitere Generationen in die Zukunft. Dazu brauchst du eine starke Hand und einen Mann an deiner Seite.“ Galen legte gerade die Seile vor dem Zelt zusammen. Augenblicklich hielt er inne, um sich nicht als Lauscher zu verraten. „Pah“, schnaubte die junge Frau. „Meinst du wirklich, ich kann das nicht?“ „Das habe ich nicht gesagt.“ Der ältere,

erfahrene Khajiit ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Jetzt hast du noch mich an deiner Seite. Doch ich werde nicht ewig leben. Wenn du dir endlich einen verlässlichen Gefährten aussuchen würdest, würde mir das meinen Lebensabend sehr erleichtern.“ „Ach was!“, blockte Semirha ab. „Du bist so rüstig wie noch nie. So mancher dieser Jungspunde kann dir nicht das Wasser reichen. Also, rede nicht so, als würdest du Mutter schon folgen wollen.“ „Und wenn es so wäre?“ „Blödsinn!“, blockte die junge Frau ab. Dann wurde es ruhig. Schließlich ertönte Semirahs Stimme erneut. „Und was, wenn ich mit dem, den ich wählen würde,

für keine weitere Generation sorgen könnte?“ Das Lachen des alten Wüstenkaters brandete auf. „Also, auf den Menschen hast du dein Auge geworfen! Na, mir soll es Recht sein. Wenn du ihn magst! Außerdem gibt es genug Waisenkinder, die ein gutes, elterliches Heim suchen. Daran soll es wirklich nicht scheitern!“ erneut lachte er, dass die Zeltplanen erbeben. „Nicht so laut, Vater!“, ermahnte ihn Semirah. „Es ist mir so schon peinlich genug, ohne, dass du noch laut darüber lachst.“ „Aber, warum denn? Galen ist ein guter Bursche. Ein wenig jung und noch grün

hinter den Ohren, doch er hat ein großes Herz und einen kräftigen Arm. Ich mag ihn.“ Semirah seufzte. „Ja, ich auch…“ Schnell wickelte Galen das Seil vollständig auf und machte sich mit einem breiten Grinsen davon. Er hatte mehr als genug gehört und keine drei Monate später waren sie verheiratet. Es begannen die unbeschwertesten und glücklichsten Jahre seines Lebens. Galen arbeitete hart und genoss das einfache Sein, das ihn vollkommen vergessen ließ, wer er war und woher er kam. Nach drei Jahren adoptierte Semirah zwei Waisenkinder. Es waren Geschwister, die sich rasch bei ihnen eingewöhnten. Der

alte Karawanenführer war zufrieden und half den beiden mit den Kindern, da Semirah und Galen von ihrer Arbeit voll in Anspruch genommen wurden. Weitere vier Jahre vergingen und Galen hatte tatsächlich ganz auf sein Erbe vergessen, als es ihn eines Tages unbarmherzig einholte. Es war eine stürmische Nacht, in welcher der Wind herrisch an den Zeltplanen zog und die Tiere sich schutzsuchend zu einem Knäuel zusammendrängten. Die beiden Kinder lagen links und rechts von ihrem ‚Großvater‘ während Semirah in Galens Armen unruhig zu wetzen begann. Gerade, als sie aufspringen wollte, drückte Galen sie auf die bunten Decken

zurück. „Lass nur, ich werde gehen und nach dem Rechten sehen.“ „Sei vorsichtig!“, ermahnte sie ihn. Galen lachte. „Ich bin kein Jungspund mehr!“ Schnell küsste er sie und rauschte aus dem Zelt. Zuerst kontrollierte er die Befestigungen der Zeltstangen und zog sie bei Bedarf noch fester zusammen. Es schien aber alles zu halten. Auch die Zelte ihrer Begleiter waren gesichert und die Tiere hatten für ihren eigenen Schutz gesorgt. Alles wirkte, als wäre es in Ordnung. Doch Galen spürte, wie immer wieder Schauer über seinen Rücken rannen. Die Nacht war beinahe völlig schwarz. Kein Stern war zu sehen und schon gar

nicht die Monde Masser und Secunda. Der Sturm und die Wolken, die er mit sich brachte, waren alles, was die Nacht zu bieten hatte. Gerade ein seltsames, unheilverkündendes, rotes Licht erhellte, Blitzen gleich, die dichten Wolken und reflektierte gespenstisch auf die trockene Landschaft nieder. So ein unheimliches Licht hatte Galen noch nie gesehen. Es wirkte beinahe, wie aus einer anderen Welt. Wie ein Mahnmal, das sich in sein geschütztes Leben hineindrängen wollte. Der junge Mann schüttelte den Kopf und machte eine weitere Runde um ihr Lager. Erst mit der Zeit fiel ihm auf, dass er das magische Licht, das er dazu mit sich mitgenommen hatte, gar nicht verwendete.

Diesmal hätte er beinahe seine Waffe fallen lassen, so klamm und zittrig wurden seine Finger. Ein gequälter Laut entkam seinen bebenden Lippen. Doch seine Nachtsicht verschwand nicht und wie ein einbrechender Staudamm ergoss sich seine Vergangenheit mit einer Vehemenz über ihn, dass er stöhnend in die Knie ging. Galen konnte noch so weit laufen und so tun, als sei er ein einfacher Mann, doch irgendwann kam seine Andersartigkeit wieder durch. Und das mit einer Deutlichkeit, die er nicht leugnen oder abtun konnte. Dazu begann sein Geburtsmal zu toben und zu brennen, dass er unwillkürlich mit der

linken Hand darüber strich. Glühend heiß fühlte sich das Mal unter seinen Fingern an. „Nein“, keuchte er und schüttelte den Kopf. „Mit mir könnt Ihr nicht rechnen! Ich will mein eigener Herr sein, das Leben leben, das ich mir ausgesucht habe.“ Herrisch peitschte der Sturm auf und das Licht blitzte in einem wahnwitzigen, furiosen Stakkato vor Galen durch die Wolken. Der Wind wurde so heftig, dass er Galens zu einem Zopf gebändigtes Haar zerzauste und schließlich das einfache Band herausriss, das es zusammen hielt. Er hatte seine Haare kein einziges Mal geschnitten, seitdem er von Zuhause weggegangen

war. Das Brausen des Sturms echote in seinem Inneren wider. Am liebsten wäre Galen aufgesprungen und so schnell gerannt, wie seine Beine in der Lage gewesen wären, so sehr drängte ihn sein Blut zum Gehorsam. Doch er rührte sich nicht. Wie angewurzelt blieb er auf seinen Knien und blickte trotzig in das Wetterleuchten. „Ich sagte ‚NEIN‘!“, betonte er. „Ich habe meinen Weg gewählt.“ Das Toben in seinem Geburtsmal wurde noch stärker. Es fühlte sich an, als würde ihm ein glühendes Eisen darauf gedrückt. Doch Galen blieb stur. Er hatte nicht um dieses Privileg gebeten. Sollten sich die Göttlichen jemand anderen suchen.

Seinen Vater zum Beispiel. Der würde nichts lieber tun als sich aufzuopfern für die Aedra, die glaubten, sich wieder einmal einmischen zu müssen. Nochmals leuchteten und stürmten die Naturgewalten, doch Galen rührte sich nicht von der Stelle. Schließlich spürte er die weichen Arme seiner Frau, die sich um ihn schlangen. „Galen!“, rief sie entsetzt. „Was ist hier nur los? Werden wir alle sterben?“ Der Kaiserliche schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist nur ein Wetterleuchten. Es wird vergehen.“ Galen sollte Recht behalten. Das Wetter beruhigte sich, auch wenn es in dieser Nacht noch so heftig regnete, wie es

dieser Wüstenabschnitt wohl noch nie gesehen hatte. Am nächsten Morgen waren sie alle durchnässt, selbst jene, die in den Zelten geblieben waren. Dieser Flut an Regen waren die Zeltplanen nicht gewachsen gewesen. Alles war schmutzig, doch niemand hatte in dieser Nacht den Tod gefunden. Auch keines der Tiere. So ging das Leben für Galen weiter. Sein Blut und sein Geburtsmal tobten seit jener Nacht jeden Abend, doch er lernte es zu ignorieren. Semirahs besorgte Blicke tat er immer mit einem Lächeln und einem Schulterzucken ab. Selbst als sie ihn einmal beiseite nahm und ihm über ihre Träume erzählte, tat er diese

als normale Alpträume ab. In Wahrheit schauerte ihm davor. In einem dieser Träume sah Semirah, wie Galen in einem eiskalten, steinernen Gebäude saß und seinen Mund zu einem Schrei aufriss, der alles vor ihm verschlang. Oder, in einem anderen Traum sah sie die toten Körper der Kinder, wie Galen sie an seinen Füßen angebunden, hinter sich her schleifte. Seine eigenen Alpträume betäubte Galen mit dem scharfen Tabak, den Semirahs Vater so gerne rauchte. An und für sich hatte dieses Kraut eine leichte, entspannende Wirkung. Doch Galen stopfte so viel davon zusammen, dass es ihn beinahe betäubte. So lebte er noch

einige Monate, bis sich die Auswirkungen seines unterdrückten, immer stärker drängenden Blutes, schließlich auch sichtbar in seinem Gesicht abzeichneten. Dünne Äderchen traten immer stärker daraus hervor. An seinen Armen spannte sich bereits ein feines rotes Netz über seine Haut. Ebenso über seine Beine. Doch diese konnte er noch besser in den weiten Beinkleidern verstecken, als seine übrigen Extremitäten. „Galen, wir müssen eine Heilerin aufsuchen!“, sagte Semirah eines Abends zu ihm. Galen hockte neben der Feuerstelle und rauchte in tiefen Zügen den scharfen Tabak. Die betäubende

Wirkung begann sich bereits in ihm auszubreiten. So sah er nur gelangweilt zu seiner Frau auf. „Und hör auf so viel von diesem Kraut zu rauchen!“, rief sie. „Vielleicht sind deine Veränderungen darauf zurückzuführen!“ „Veränderungen?“ Galen tat als ob er nichts mitbekam. Zum Teil war es auch schon so. „Galen!“, rief Semirah. „Du bist ernsthaft krank! Ich weiß, dass du es schon lange in dir trägst. Du überspielst es nur immer wieder.“ Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: „Bitte, Galen. Ich mache mir Sorgen.“ Der Kaiserliche warf den Tabak von sich und sprang auf. „Ich bin völlig gesund!“,

rief er. „Oder zumindest wäre ich es, wenn ich von euch fortgehen würde. Ist es das was du willst?“ Semirah wich zurück. So hatte sie ihren Gatten noch nie erlebt. Galen war immer freundlich und gut gelaunt. Alles, was ihn je bedrückte, schloss er tief in sich ein. So ein Ausbruch war ihr völlig fremd. „Aber warum schaden wir dir?“, fragte sie irritiert. Sein unruhiges Blut und das Toben in seinem Geburtsmal, zusammen mit der Überdosis des Tabaks, welchen er über so lange Zeit schon zu sich genommen hatte, brachte Galen wohl um seine Beherrschung. Mit Schwung riss er sich sein Hemd auf und präsentierte ihr sein

Mal. Semirah kannte es und blickte ihn demzufolge verständnislos an. „Weißt du was das ist, Semirah?“, fragte Galen und hielt ihr sein Mal noch deutlicher hin. „Das ist ein Geburtsmal, das alle aus meiner Familie mitbekommen. Nur ich habe ein überaus großes ausgefasst, was bedeutet, dass ich ein ganz besonderer Handlanger für die Göttlichen bin. Sie wollen etwas von mir. Ich soll für sie irgendwo in der Welt, irgendwas wieder in Ordnung bringen. Doch ich weigere mich. Ich habe mein Leben gewählt.“ Die Khajiit war schockiert. „Die Göttlichen wollen, dass du uns verlässt?“, fragte sie. Man konnte ihr anhören, dass sie es nicht fassen

konnte. Galen hockte sich zu ihr. Er hatte sich wieder beruhigt und bereute bereits, so viel gesagt zu haben. „Ich weiß nicht, was sie wollen. Aber es ist etwas, das mich woanders hinzieht. Ich spüre es wie tausend Nadelstiche in meinem Blut. Alles in mir drängt mich, von hier fort zu gehen. Doch ich will nicht. Ich möchte hier bleiben. Das ist mein Leben, meine Familie.“ Gerührt umarmte ihn seine Frau. „Ich liebe dich“, murmelte sie. „Aber du solltest dennoch eine Heilerin aufsuchen. Vielleicht gibt es etwas, das dir Erleichterung verschafft. Etwas anderes, als der Tabak.“ Galen strich Semirah

durch ihr Fell. Es war ganz hell, beinahe weiß, mit hellgrauen Streifen auf dem Rücken. Das war entspannender, als jeder Tabak. „Von mir aus“, gab er nach und ließ sich weiter in die Liebkosungen Semirahs fallen, die ihn schnell alles andere vergessen ließen. Aber das Schicksal nahm seinen Lauf. Bevor sie noch in eine Ansiedlung kamen, erkrankte der kleine Junge und sie mussten eine Rast einlegen, da er hoch zu fiebern begann. Innerhalb der nächsten Stunden erkrankte auch das Mädchen und Semirhas Vater. Galen bot sich an in die nächste Stadt zu reiten, um eine Heilerin zu holen, doch seine Frau

hielt ihn mit traurigen Augen davon ab. „Das hat keinen Sinn, Liebster“, hauchte sie und das nasse Tuch, mit dem sie die Stirn des Jungen kühlte, fiel aus ihren zitternden Händen. Da sprangen auch schon die Eingangsplanen ihres Zeltes auf und einer der Männer steckte seinen Kopf zu ihnen herein. „Die PEST!“, schrie er. „Werdirr ist an der Pest erkrankt!“ Dann hielt er erschrocken inne. „Oh nein! Die Kinder auch schon!“ Semirah liefen die Tränen herab. „Ja. Wahrscheinlich wir alle.“ Galen schwindelte. „Was soll das heißen?“, fragte er. Er konnte nur mit Mühe die Panik aus seiner Stimme

heraushalten. Haltsuchend klammerte sich Semirah an ihn, dann fasste sie sich. „Man weiß nicht woher es kommt, oder wie man sich ansteckt. Aber die Pest, die uns heimsucht, rafft einen innerhalb weniger Tage dahin. Es gibt nichts, was man dagegen tun kann, außer sich von anderen fern zu halten.“ „Aber… das ist grausam!“, rief Galen. „Warum?“, fragte der Mann irritiert, der immer noch am Zelteingang stand. „Wir sorgen dafür, dass sich die Krankheit nicht weiter ausbreitet. Wenn wir Glück haben, überleben zwei oder drei von uns.“ Im Endeffekt überlebte keiner. Außer

Galen. Aber er war kein Khajiit. Die Pest wütete ausschließlich unter ihnen. Semirah war eine der Letzten, die daran starb. Galen blieb bis zum Schluss an ihrer Seite. Seine Augen waren mittlerweile rotgeweint. Doch er schämte sich dessen nicht. Die toten Körper der Kinder und des alten Karawanenführers, mitsamt den ersten Männern, die an der Seuche gestorben waren, hatte er mit Semirahs Hilfe bereits im heißen Wüstensand verscharrt. Zu der Zeit dachte er noch, dass sie es schaffen würde, dass die Seuche bei ihr nicht ausbrechen würde. Doch es war umsonst. Am Abend lag sie bereits zitternd unter den

Decken. „Ich hätte euch verlassen sollen, als noch Zeit dafür war!“, klagte sich Galen an. „Das ist meine Schuld, ganz allein meine Schuld! Die Göttlichen wollten nur meine Dienste. Ich hätte sie ihnen nicht verweigern dürfen. Dann könntet ihr noch leben!“ Semirah versuchte, trotz ihrer Schwäche, ihn zu trösten. „Nein. Es hätte uns wahrscheinlich so oder so getroffen. Gibt dir nicht die Schuld, bitte.“ „Aber die Kinder! Sie hatten doch ihr ganzes Leben noch vor sich!“ Semirha schüttelte den Kopf. „Du weißt, wir glauben daran, dass wir von den Monden kommen und dorthin auch

wieder zurückkehren. Wenn die Kinder wollen, werden sie erneut nach Nirn herabsteigen, um hier neu geboren zu werden.“ „Wirst auch du wieder kommen?“, fragte Galen. Seine Frau lächelte und sah ihn glücklich an. Galen konnte es kaum glauben. „Nein“, meinte sie. „Mein Leben ist erfüllt. Ich hatte alles, was ich jemals haben wollte und ich war zutiefst zufrieden.“ Mit ihren großen, gelben Augen blickte sie ihn an. „Es gibt nicht mehr auf Nirn, das ich mir hätte wünschen können.“ Galen griff nach ihren schmalen Händen und führte sie an seine Lippen. Er war zu

bewegt, um etwas zu sagen. Er liebte sie so sehr. Er konnte sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Doch der Tod war in der Schwäche ihres Körpers bereits zu spüren. Sie starb leicht, denn sie starb zufrieden. Das Leben wich einfach immer mehr aus ihr, während Galen ihre Hände noch an sich drückte. Am Abend hatte sie Fieber bekommen und am nächsten Morgen tat sie bereits ihren letzten Atemzug. Galen wollte sie nicht gehen lassen. Er hockte an ihrer Seite, wippte vor und zurück. Dabei weinte und jammerte er über ihrem leblosen Körper. Es dauerte einen halben Tag, bis er sich von ihrer Seite erheben konnte. Als er sich umsah,

musste er erkennen, dass auch von den anderen keiner mehr lebte. Er war der Einzige seiner Familie, der übrig geblieben war. Schließlich vollbrachte er die letzten Dienste, die er ihrer Gruppe erweisen konnte. Er vergrub die Verstorbenen und gab sie ihrem Glauben gemäß zurück in die Obhut der Monde. Für sich selbst bat er sowohl die Toten, wie auch die Göttlichen, um Verzeihung für seine Sturheit. Er war mit dieser Bürde geboren worden. Das sollte in Zukunft nie wieder jemand anderer zu spüren bekommen. Die Tiere, sowie das Hab und Gut, verkaufte er in der nächsten Stadt und

schenkte den gesamten Erlös dem Waisenhaus. Er behielt sich gerade ein Säckchen mit Tabak und die Brosche, die er Semirha zur Hochzeit geschenkt hatte, und die sie über alles geliebt hatte. Mit diesem leichten Gepäck machte er sich auf und ging dorthin, wohin ihn die Unrast seines Blutes trieb. Dazu marschierte er quer durch ganz Cyrodiil bis nach Bruma, an die Grenze zu Himmelsrand. Seine Eltern in der Kaiserstadt besuchte er nicht. Er hatte zu viel Angst, dass eine weitere Verzögerung, die Göttlichen wieder erzürnen würde und eine weitere Familie von ihm darunter leiden müsste. Er war bereits achtundzwanzig, als er

nach Himmelsrand kam und er hatte noch immer keine Ahnung, welche Aufgabe die Aedra für ihn vorgesehen hatten. Dass ihn bei der Ankunft seine eigenen Leute töten wollten, weil sie ihn für einen Rebellen hielten, konnte er kaum glauben. Zusammen mit Jarl Ulfric, dem jetzigen Hochkönig von Himmelsrand, und dessen Hauptmann Ralof, wurde er gebunden, wie ein Verbrecher, nach Helgen gekarrt. Helgen war eine blühende Handelsstadt im Süden Himmelsrands. Bereits im Wagen wunderten sich die anderen Gefangenen über seine sonnige Ruhe. Ihren Blicken konnte er entnehmen, dass sie ihn nicht für ganz voll nahmen. Doch das war ihm

egal. Er hatte mit den Rebellen und dem Bürgerkrieg, der in Himmelsrand tobte, nichts zu tun. Zumindest hoffte er das. Im Endeffekt würde ihm sowieso nichts anderes übrig bleiben, als den Göttlichen zu gehorchen. So er denn noch leben sollte… Er erinnerte sich, wie ihn alle befremdet angesehen hatten, als er lachend zum Richtblock ging. „Also, entweder Ihr Göttlichen lasst Euch jetzt schnell etwas einfallen, oder Euer Handlanger in dieser Welt ist in drei Minuten einen Kopf kürzer!“, erheiterte sich Galen, als er nach vorne zum Henker schritt. Das wäre wirklich der Witz von ganz Tamriel gewesen, wenn der Beauftragte der Göttlichen,

noch vor Antritt seines Auftrages, ermordet werden würde. Galen konnte nicht anders. Er musste trotz des Ernstes der Lage lachen. Doch der Grund, an dem dann tatsächlich die Hinrichtung scheiterte, verschlug selbst ihm die Sprache. Gehetzt rannte Galen seinem Mitgefangenen Ralof hinterher, der ihm vom Richtblock aufgeholfen hatte. „Das war stark!“, rief er an die Göttlichen gewandt. „Dass Ihr ausgerechnet einen Drachen schickt, um mich zu retten, damit hätte ich nicht gerechnet. Wo habt Ihr denn den so schnell aufgegabelt? Ich dachte, diese Dinger seien ausgestorben!“ Der Feueratem Alduins,

des Drachens, der ausgerechnet den Zeitpunkt von Galens Hinrichtung dazu auserkoren hatte, Helgen anzugreifen, folgte den Fliehenden beinahe bis zum Turm, in dem sie Schutz fanden. „Was faselst du da?“, fragte ihn Ralof irritiert, als die Türe hinter ihnen zufiel. Jarl Ulfric stand schon von den Fesseln befreit an der Wand und blickte ihnen entgegen. Trotz der prekären Lage, in der sie sich befanden, drückte seine Haltung Autorität und Stolz aus. In seinen Augen war nur sein eiserner Wille zu sehen aber kein Fünkchen Angst oder Furcht. Ralof wirkte dagegen abgehetzt. „Wieso helfe ich dir überhaupt?“, fragte er, als er in Gales offenes, lachendes Gesicht blickte.

„Vielleicht weil irre Leute Glück bringen?“ „Keine Sorge“, meinte Galen. „Ist nicht ansteckend.“ Seitdem er alles verloren hatte, was ihm wichtig war, war ihm egal, was andere über ihn dachten. Er nahm es sich einfach heraus, seine unkonventionelle Art voll auszuleben. Der Blick, den Ulfric und Ralof tauschten, war nicht gerade schmeichelhaft, aber Galen ignorierte es. Ralof änderte seine Meinung über ihn jedenfalls ziemlich schnell, als Galen ihm auf ihrer gemeinsamen Flucht aus Helgen das Leben rettete. Auch Ulfric lernte ihn zu schätzen, doch das kam erst

später. Nach ihrer geglückten Flucht trennten sich ihre Wege und Galen verschlug es zu den Gefährten nach Weißlauf. Bei diesen Leuten gefiel es ihm. Besonders gut verstand er sich mit den Zwillingen. Selbst Vilkas schroffe, damals sogar noch beleidigende Art, hielt ihn nicht ab, sich mit dem jungen Mann anzufreunden, da dieser ihn im Gegenzug ebenfalls so nahm, wie er war. Auch der Umstand, dass Galen nie ein Geheimnis daraus machte, dass er eine Aufgabe zu erfüllen hatte, die nichts mit den Gefährten zu tun haben würde, schreckte Kodlak – ihren damaligen Herold – nicht ab, ihn in ihre Reihen aufzunehmen.

Und noch immer wusste Galen nicht, was die Göttlichen von ihm wollten. Zumindest war er im richtigen Land, denn die Unrast, die ihn bis hierher getrieben hatte, hatte nachgelassen. So lebte er bei den Gefährten, half ihnen Aufträge zu erledigen und wartete. Bis der erste Drache drohte, Weißlauf anzugreifen. Voller Enthusiasmus half er bei der Verteidigung der Stadt. Das Biest tötete einige der tapferen Wachleute, doch zum Schluss wurde es trotz seiner beachtlichen Größe und seiner Wut, welche es auf die Menschen hatte, besiegt. Genau das war der Zeitpunkt, in welchem Galen endlich etwas mehr über

sich und seine Bestimmung erfuhr. Als der Drache starb, ging eine Kraft von der Kreatur in den Kaiserlichen über, der er sich nicht erwehren konnte. Mit aller Macht drängte dabei ein Schrei über seine Lippen, der ihm wohl bekannt war, auch wenn er ihn noch nie gehört oder jemals ausgesprochen hatte. Sein Schrei. Sein Erbe: FUS RO DA. Der Rest war Geschichte. Sein Schrei war der Auslöser gewesen. Die Graubärte, oder auch Wächter der Stimme, die am höchsten Berg Himmelsrands, im Kloster Hoch-Hrothgar lebten und lehrten, hatten seinen Schrei vernommen und geantwortet. Ihr vereinter Ruf:

„DOVAHKIIN“ – was so viel wie Drachenblut hieß – erschütterte ganz Himmelsrand. Dagegen mutete sein Schrei, wie das dünne Wimmern eines Kindes an. Galen folgte ihrem Ruf. Er stieg hinauf nach Hoch-Hrothgar, um Näheres über sein Schicksal zu erfahren, das schlussendlich darin lag, Alduins Zerstörung der Welt aufzuhalten. Zum Teil konnten ihm die Graubärte schon darüber Auskunft geben, zum Teil erfuhr er nach und nach, während seiner Ausbildung mehr. Denn um Alduin, den Weltenfresser, zu vernichten, musste er auch die weiteren Worte der Macht, der alten Sprache der Drachen, lernen. Als

Drachenblut fiel es ihm zwar sehr leicht, und er lernte zehnmal so schnell wie die anderen Novizen, doch auch er ging in die ‚Schule‘ und wurde gleich derer behandelt, die schon über viele Jahre in Hoch-Hrothgar studierten. Auch Jarl Ulfric, der jetzige Hochkönig, hatte bei den Graubärten gelernt. Das war aber lange vor ihm gewesen. Die Hüter der Stimme nahmen außerdem nicht jeden auf und es gab strenge Regeln, die Galen erst erfassen musste. Sie machten es ihm nicht leicht und er musste zunächst viele Aufgaben lösen, während deren Erfüllung er weitere Worte der Macht erlernte. Worte, die bereits in Vergessenheit geraten waren, die versteckt an

Drachenhorten und geschützt von untoten Drachenpriestern, auf ihre Wiederentdeckung warteten. Über drei Jahre dauerte seine Ausbildung bei den Graubärten. Diese Ausbildung war nicht kontinuierlich. Nach oft wochenlangen Meditationen und Übungen bei den Hütern der Stimme, musste er durch ganz Himmelsrand ziehen und die Kräfte der Drachen in sich sammeln. Dabei fand er auch immer wieder Zeit etwas für die Gefährten zu tun, denn nur allzu oft deckte sich seine Jagd nach den alles einäschernden Drachen, mit den Aufgaben, die an die Kriegergemeinschaft herangetragen wurden.

Die letzte Phase seiner Ausbildung begann, als er schließlich den Meister der Graubärte kennen lernen durfte. Es war Paarthurnax, ein Drache und der Bruder Alduins, der sich aber auf die Seite der Menschen gestellt hatte. Er brachte ihm die letzten Weisheiten bei und dank seiner Hinweise konnte sich Galen an den letzten Teil seiner Aufgabe machen. Dazu musste er einen vergessenen Schrei lernen, dessen Auffindung ihn beinahe durch ganz Himmelsrand jagte. Dazwischen ruhte er sich öfters bei den Gefährten oder im Kloster Hoch-Hrothgar selbst aus, denn diese Suche verlangte ihm alles ab.

Genau daran reifte er aber und konnte sowohl seine Macht, als auch seine Kampftechniken perfektionieren. Das war auch die Zeit gewesen, als er „ihr“ zum ersten Mal begegnete. Einer jungen Nord, die ebenfalls im Kloster zu studieren begann. Sie war groß, hatte helle, beinahe weißblonde Haare, leuchtend blaue Augen und einen abweisenden Blick. Seit dem Tod seiner Frau, war dem Kaiserlichen noch keine andere begegnet, die in ihm etwas berührte. Die junge Nord war die Ausnahme. Vielleicht, weil sie ebenso stolz und unnahbar wirkte, wie Semirah. Und auch bei ihr war es nur Galens unkonventioneller Art zu verdanken, dass

sie sich näher kamen. So nahe, wie sich Mann und Frau eben kommen konnten. Und er mochte sie. Sie hatte ihm keine Träne nachgeweint, als er endlich alles erfüllt hatte, was er brauchte, um sich Alduin entgegen zu stellen. „Geh, und mach mich stolz!“, war alles, was sie nach ihrer letzten gemeinsamen Nacht zu ihm sagte, als er sich für seinen Endkampf rüstete. „Das werde ich!“, lächelte er spitzbübisch, küsste sie und war mit einem Sprung aus seiner Kammer draußen, die er in Hoch-Hrothgar sein Eigen nannte. Als er zwei Monate später wieder kam, um ihr seinen Erfolg zu verkünden, war

sie aber nicht mehr in Hoch-Hrothgar. Der Anführer der Graubärte konnte ihm nur mitteilen, dass sie bereits nach Hause gegangen war. Das war Pech. Außer ihren Namen, wusste Galen nichts von ihr. Doch er war zuversichtlich, dass sie sich wieder sehen würden. So würde er eben zuerst nach Cyrodiil zu seiner Familie reisen, die er schon seit beinahe fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Und jetzt saß er hier und anstatt dass er nach der Frau suchen konnte, die nach Semirah sein Herz erobert hatte, wurde er von den Göttlichen erneut gefordert. „Na gut, was bleibt mir anderes übrig“, seufzte er und schickte sich an den

Felsen zu verlassen. Diesmal schlupfte er freiwillig in seine Stiefel, denn seine Füße waren mittlerweile zu Eisblöcken geworden. Aber zumindest spürte er wieder seine innere Ausgeglichenheit. Selbst die kleine Evva, war damit leichter zu ertragen. „Ich bin bereit“, sagte er noch abschließend, bevor er vom Felsen glitt. „Aber die stolze Nord, die hole ich mir. Ein wenig Freude, werdet ihr mir doch auch gönnen!“ Damit schlich er sich zu den anderen in die Höhle, welche durch die erhitzten Steine angenehm warm war. Ein kurzer, leiser Laut – das Feuerwort der Macht – brachte sie erneut zum Glühen. Dankbar entledigte sich Galen seiner Rüstung und

weckte Torvar für die nächste Wache. Dann hüllte er sich in sein Fell und rollte sich neben den Steinen ein. Bevor ihn der Schlaf übermannte, zauberte sich ein sonniges Lächeln auf seine Lippen. Bis jetzt war ja alles gut gelaufen. Er hatte Alduin besiegt und das, was die Göttlichen jetzt von ihm verlangen würden, würde er auch noch meistern. Und dann war er frei von allen Verpflichtungen. Es gab also im Grunde genommen nichts, worüber er sich wirklich ernsthaft Sorgen machen müsste!

18 hircines fluch

Die Nacht war sein Medium. Dennoch zog der Vampir voller Grimm die Schultern hoch und seine rotglühenden Augen verengten sich zu Schlitzen, als er das bereits erkaltete Herz seiner Kumpanin in die Hand nahm. Es war der einzige Teil ihres Körpers, der nicht zerfleischt worden war. Der Vampir konnte mit Hilfe seiner Nachtsicht, die um so vieles besser als sein Sehen bei Tageslicht war, die fünf spitzen Wunden darin erkennen, wo die Pranke des einzigen Wesens, das ihnen gefährlich werden konnte, es gepackt hatte, um es

noch schlagender Weise aus ihrem Körper zu reißen. Das war eine der wenigen Möglichkeiten einen Vampir zu töten. Und derjenige, der das getan hatte, wusste davon. Das war unverkennbar. Der Vampir ließ das unnütze Stück toten Fleisches aus seinen Händen gleiten. Dumpf schlug das faustgroße, entleerte Organ auf dem steinigen Untergrund auf, wo es nach zwei weiteren, holprigen Sprüngen, vor dem auseinandergerissenen Körper der Vampirfrau liegen blieb. Dabei stieß der Vampir einen hohen Laut aus, der nichts Menschliches mehr an sich hatte. Genauso wie er selbst. Seit sein Meister ihn mit seinem eigenen Blut wieder

belebt hatte, lief jetzt auch bei ihm uraltes, degeneriertes Blut durch seine Adern. Alles menschliche, das er nicht ohnehin schon abgelegt hatte, war damit vollends aus ihm gewichen. Seine Erinnerungen an sein früheres Dasein, als einst stolzer Krieger der Nord, waren nur mehr schwache Schemen, die sich langsam völlig auflösten. Einzig und allein eine Erinnerung ließ sich nicht verdrängen. Sie überdauerte auch seinen Tod. Es war die Erinnerung an seine Frau, welche es vorgezogen hatte, an seiner statt den ärgsten Todfeind eines Vampirs zu wählen: einen Werwolf. Dabei hatte sie auch noch sein Kind, das seinem Meister so viele Kräfte geben

könnte, ebenfalls mitgenommen. Geifer tropfte aus seinen Mundwinkeln, vermischt mit den Blutresten seiner letzten Mahlzeit. Heimkar entblößte seine scharfen Eckzähne. Er hörte ihn, seinen Erzfeind. Den Feind, dem sein ganzer Hass galt und der vor Tagen seinen gesamten Clan ausgelöscht hatte. Alle, bis auf den Meister. Ihn konnten nicht einmal die Werwölfe besiegen und würden es auch nie fertig bringen. Davon war er überzeugt. Erneut wollte er seinen Kopf zurückwerfen und den klagenden, wie gleichsam drohenden Laut ausstoßen, um der Bestie den Kampf anzusagen. Aus der Ferne hörte er bereits die heulende Antwort, was seine Augen in

mordlüsterner Gier aufleuchten ließ. „Halt ein!“ Die unheimliche, hohle Stimme seines Meisters brachte Heimkar dazu sich ihm zuzuwenden. Egal was er einst gewesen war, Heimkars untotes Leben, wie seine unerschütterliche Loyalität, gehörte nun ganz diesem Ur-Vampir. Dabei war es nur seine Lust gewesen und nicht seine Hinwendung zum Vampirismus, die Heimkar in die Fänge der jungen Vampirfrau trieb, die ihn verwandelt hatte. Ihre unverhohlene Sinnlichkeit hatte ihn um den Verstand gebracht und im Endeffekt auch um sein normales Leben. Bei ihr hatte er sich auch infiziert. Zuerst war er noch hin und

hergerissen gewesen zwischen seiner liebreizenden, aber in Liebesdingen äußerst schüchternen Frau, und der hemmungslosen Alva. Aber sein infiziertes Blut veränderte ihn langsam, langsam immer mehr, bis er sich vollends den Vampiren zugewandt hatte. Das war der Zeitpunkt gewesen, als er dem Meister-Vampir vorgestellt wurde. Während eines feierlichen Rituals hatte er dann auch wenige Tropfen von dessen uraltem Blut zu trinken bekommen, was ihn erst zu einem vollwertigen Clanmitglied gemacht hatte. Und das Blut seines Meisters war es auch, das Heimkar wieder belebt hatte, nachdem ihm einer der Werwölfe die Kehle

durchgeschnitten hatte. Der Gedanke daran brachte alles in ihm zum Kochen. Sein Hass galt ganz den Werwölfen. Er wollte sich an ihnen rächen und seine Gemahlin wieder an sich binden, sowie sein Kind, das ihrem Clan so nützlich sein könnte. Anklagend wandte er sich an sein Clan-Oberhaupt. „Das waren SIE! Diese Pest Hircines, die uns alles genommen haben!“ Die Wut ließ Heimkars Geifer noch stärker fließen. „Und jetzt haben sie Alva so zugerichtet, dass wir sie nicht einmal mehr wieder beleben können!“, rief er und deutete auf die Leichenteile vor sich. „Sie ist selbst schuld daran!“ Movarth

ließ seine rotglühenden Augen mitleidlos über die zerfetzten Reste der einst jungen, hübschen Vampirfrau gleiten. Er war zu alt, um leicht seine Beherrschung zu verlieren, doch er war nahe dran. Die junge Frau war immer schon leichtsinnig gewesen. Das hatte ihr jetzt schließlich auch den Tod gebracht. „Alva hat diese Brut wieder auf unsere Fährte gelockt“, sprach er hohl. Seine Stimme zitterte dabei vor unterdrückter Wut. Doch das konnte nicht einmal Heimkar klar heraushören. „Und wir müssen unsere einstweilige Zuflucht früher verlassen als geplant. Wenigstens konnte ich wieder zu Kräften kommen.“ Seine papierdünne Haut spannte sich

über seine Wangenknochen, als er verächtlich seinen dünnlippigen Mund verzog. Er warf einen scharfen Blick zu Heimkar. Doch der einzige seines Clans, der ihm jetzt noch geblieben war, trug das Amulett mit sich, für dessen Herstellung Movarth so viel seiner ohnehin geschwächten Konstitution hergeben musste. Der Ur-Vampir streckte seinen Arm aus und ließ den Talisman, den Alva achtlos in ihrem Unterschlupf liegen gelassen hatte, aus seiner klauenartigen Hand gleiten. Harmlos pendelte er an der Kette, die Movarth zwischen seinen dünnen Fingern hielt. „Wir haben nicht mehr die natürlichen Ressourcen des Sumpfes um uns, die uns

vor einer Entdeckung schützen“, betonte der uralte Vampir. „Dafür habe ich dieses Amulett erschaffen. Kein Werwolf, der nicht zufällig bis zwei Meter an uns herankommt, wird uns oder unsere Spur, wittern können. Sie werden uns nicht mehr finden können, bis es zu spät ist.“ Glühend bohrte sich sein Blick in Heimkars rote Augen. Seitdem Heimkar wieder erweckt wurde, hatte auch er die untrüglichen Färbungen eines Ur-Vampirs in seinem Blick. Unwillig begann sich der einstige Nord zu winden. „Ich will sie tot sehen!“, ereiferte er sich. „Sie haben Alva getötet und mir meine Frau und mein Kind gestohlen!“ Drohend entblößte er wieder

seine spitzen Zähne. „Das wirst du“, versprach ihm sein Meister. „Und auch das Kind, das den Vampirismus in sich trägt, wird unser werden!“ Unheilvoll echote seine Stimme durch die Nacht. „Unsere Rache wird furchtbar sein. Sie werden für den Tod unserer Geschwister bezahlen. Für jeden einzelnen meines Clans, den sie getötet haben, werde ich sie leiden lassen.“ Das Heulen des Werwolfs unterbrach seine Ausführungen. Das Biest schien langsam näher zu kommen. Heimkars klagender Ruf, hatte den Wolf angelockt. Die Muskeln des Vampirs begannen zu zucken, so sehr sehnte er sich nach Vergeltung, aber er beherrschte sich. Der

Wille seines Clan-Oberhauptes stand über allem. Sein Meister gab ihm einen Wink. „Lass uns gehen. Ich habe mich entschieden. Dort wo wir hingehen werden, gibt es genügend hochwertiges Material für unseren Clan und natürlich auch wieder vollwertige Nahrung.“ Heimkar tropfte allein schon bei dem Gedanken an Nahrung der Geifer herab. Alles war besser, als das träge Troll-Blut, mit dem sie sich bisher begnügen mussten. Das hohe, schaurige Lachen seines Meisters ließ ihn kurz aufsehen. Doch Movarth sagte nichts mehr. Seine hagere Gestalt war für Heimkars Nachtsicht klar auszumachen, obwohl sie für normale

Augen sofort von der Dunkelheit verschluckt wurde, als er sich mühelos gleitend von den Leichenteilen entfernte. Heimkar dagegen nutzte nicht Magie sondern die Vampirkräfte, um in dem felsigen Gebiet voran zu kommen. Die Meinung, dass Vampire fliegen könnten, kam nicht von ungefähr. Dabei waren es nur mächtige Sprünge, die Dank der ungeheuren Kraft in ihren untoten Körpern, diese über viele Meter hinweg schleudern konnten. Das enttäuschte Wolfsgeheul, das hinter ihnen zurück blieb, war alles, was sie auf ihrem Weg noch eine Zeit lang begleitete. Das und Heimkars ewiger Hunger, der seit der Aussicht, bald

frisches Menschenblut genießen zu können, noch brennender geworden war. ******* Das Erwachen war für Galen bitter. Trotzdem er guter Dinge eingeschlafen war, hatten seine nächtlichen Gedanken so vieles in ihm aufgewühlt, dass er beinahe ausschließlich von Semirah und seinem Leben in der Wüste geträumt hatte. Er spürte, wie sehr er sich wieder nach Nähe und Zweisamkeit sehnte und hätte am liebsten vor Frustration geschrien – denn die Götter würden ihn nicht in Ruhe lassen. Was immer sie noch von ihm wollten, er müsste das zuerst

erfüllen, bevor er sich in ein einfaches Leben würde sinken lassen können. Vorzugsweise mit der stolzen Nord aus Hoch-Hrothgar. So sie ihn denn noch wollte… Stattdessen weckten ihn Torvars Flüche, der sich seinen Unterarm an den heißen Steinen verbrannte, als er nach einem Stück Fleisch griff. „Mann!“, knurrte der Gefährte. „Was freue ich mich schon auf einen Humpen Met!“ Schließlich waren sie endlich alle wach und mehr oder weniger gesättigt. Ein wenig Hasenfleisch mit einer dünnen Scheibe Brot, war nicht gerade eine üppige Mahlzeit. Da konnten sie nur schauen, dass sie die restlichen Höhlen

rasch durchsuchten. Eigentlich waren sie schon auf dem Rückweg, denn die oberen Gefilde dieser Bergkette hatten sie bereits durchforstet. Jetzt galt es auch die weiter unten liegenden Höhlen auf dem Rückweg zu durchsuchen. Galen rechnete nicht damit noch viele Trolle aufzuspüren, aber es gehörte dennoch gemacht. Dass Farkas immer noch nicht zu ihnen gestoßen war, konnte nur bedeuten, dass dem Gefährten etwas dazwischen gekommen war. Spätestens bei Gurdan würden sie wohl Näheres erfahren. Galen drängte ein wenig zur Eile. Er wusste auch nicht wieso. Vielleicht war es sein pochendes Drachenblut, das nicht

zur Ruhe kam, auch wenn es anders in ihm drängte, als damals in Elsweyr. Doch anscheinend braute sich auch unmittelbar etwas zusammen, denn sie schienen alle etwas zu spüren. Torvar reagierte mürrisch und unnahbar. Ob es am Met-Entzug lag, oder an der Gesamtsituation, die an ihren Nerven zu zerren begann, war nicht zu unterscheiden. Das einzig Positive war, dass Evva, welche die Unruhe ebenfalls spürte, endlich einmal ihr Plappermaul hielt. Zumindest kamen sie gut voran. Die meisten Höhlen waren leer. Sie trafen nur mehr zwei alte Trolle an, Einzelgänger wahrscheinlich, die sie verjagen konnten. Schließlich näherten

sie sich langsam ihrem Ausgangspunkt. Das entfernte Wolfsgeheul, das sie hören konnten, ließ Galen Schauer über den Rücken laufen. „Kaum sind die Trolle weg, siedeln sich die nächsten Raubtiere hier an“, murmelte er. „In keinem anderen Land Tamriels gibt es so viele Wolfsrudel, wie in Himmelsrand.“ „Naja“, meinte Evva und spähte umher. „Himmelsrand ist bekannt für seinen Tierreichtum. Deshalb ist es ja so lukrativ als Jägerin zu leben. Zumindest behauptet das meine Großmutter. Mir machen die Wölfe nichts aus. Ich finde Bären weit gefährlicher. Gefährlicher sogar als Säbelzahntiger.“ Torvar zog die Schultern hoch. Etwas

behagte auch ihm nicht. Aber wenn man ihn dazu ansprechen würde, er könnte nicht mit dem Finger darauf zeigen. An den Drachen lag es nicht, auch wenn die Tatsache, dass sie in Himmelsrand brüten wollten, ihm absolut nicht behagte. Aber das war es nicht, was ihm das Gefühl gab, dass sich etwas langsam aber sicher zwischen seinen Schulterblättern hochzuschleichen begann. Evva war es schließlich, der seltsame Spuren auffielen, die vor zwei Tagen noch nicht da waren. „Seht ihr?“, rief sie und deutete auf einen dürren Busch, der gerade begann das erste Grün hervorzubringen. In dieser Höhe waren die Pflanzen später dran.

Neugierig kam Galen heran. Da sah er es ebenfalls. Die Zweige auf der linken Seite waren umgeknickt, als hätte sich etwas Großes zwischen dem Gestrüpp und dem Felsen, an dem es wuchs, vorbeigedrängt. „Ein Troll?“, fragte er die junge Jägerin. „Könnte sein“, meinte Evva und schickte sich an der Spur zu folgen. „Hey!“ rief sie. „Kommt her! Da führt ein Pfad weiter!“ So schnell er konnte, sprintete Galen durch die Büsche und hinter ein paar größere Felsen, bis er Evva vor sich sah. Torvar folgte knapp hinter ihm. Das Wolfsheulen ertönte erneut und es schien

genau aus dem versteckten Taleinschnitt zu kommen, zu dem ein unauffälliger Pfad sich schlängelte, der erst von hier aus zu erspähen war. „Ich dachte nicht, dass hier ein Weg hineinführt“, wunderte sich Galen. „Es sah alles so überwuchert und von Felsen abgesperrt aus.“ „Wahrscheinlich gibt es hier nicht nur Wölfe, sondern auch noch ein paar Trolle.“ Torvar versuchte mit schmalen Augen den Pfad hinauf zu blicken. Zwischen hoch aufragenden Felswänden und einzelnen größeren Gesteinsbrocken, zwischen denen karge Büsche wuchsen, schlängelte er sich noch tiefer in das Gebirge hinein. „Wir sollten auf jeden Fall nachsehen.“ Evva nickte eifrig zu

seinen Worten. Galen ließ sich das auch nicht zweimal sagen. Sein Blut kochte bereits und er sprang vorwärts, nur um mitten in der Bewegung zu erstarren. Der harmlose Ranzen, der halb geöffnet auf dem Weg lag, war der Grund dafür. „NEIN!“, schrie er. Doch es war unverkennbar Farkas Packen, in dem noch die Lebensmittel lagen, die er ihnen hätte bringen sollen. „Bei Talos! Das ist Farkas Ranzen! Was ist hier nur geschehen?“ Torvar zog sofort seine Axt und spähte unruhig in sämtliche Richtungen. Als das Wolfsgeheul erneut ertönte, schloss Galen in unsagbarem Schmerz

die Augen. Die Vermutung, die in ihm aufstieg, ließ ihn erzittern. Das durfte nicht wahr sein! Alles, nur nicht das. Wenn sich sein Verdacht, der sich unschön und grausam aus den Tiefen seines Seins hervordrängte, als richtig erweisen würde, hätten sie ein ernstes Problem. Ein sehr ernstes Problem. „Farkas…“, murmelte er. „Ihr solltet so schnell ihr könnt zu Gurdan eilen“, wandte er sich an seine Begleiter. „Hier könnt ihr nichts mehr ausrichten, wenn er sich in seiner Wolfs-Form verloren haben sollte.“ „Was?“ Evva schien überhaupt nichts zu verstehen. „Wenn Farkas hier durchgegangen ist, müssen wir ihm

vielleicht helfen!“, rief sie aufgebracht. Galen drehte sich zu ihr. Seine Augen glühten golden und seine Pupille hatte sich zu dem typischen Reptilienschlitz verengt. Evva, die ihn noch nie so gesehen hatte, prallte furchtsam zurück. „Genau, kleines Mädchen. ICH werde ihm helfen!“, dröhnte Galen. Seine ‚Stimme‘ kam ebenfalls hervor und er zog ungeduldig an seiner Rüstung. „Torvar!“, wandte sich Evva hilfesuchend an den anderen Begleiter. „Wir können ihn doch nicht alleine gehen lassen!“ Doch der ältere Gefährte drängte sie den Pfad hinab. „Glaub mir. Wir sind ihnen höchstens im Weg.“ Dann blickte er zu dem

Drachenblut, das bereits auf einen Felsen gesprungen war und sich drauf hockend mit seinen Drachenaugen umzusehen begann. „Doch wir werden nicht zu Gurdan eilen. Wir werden zurückweichen und den Pfad bewachen, dass niemand, zumindest nicht der, den wir vermuten, hier durchbrechen kann.“ Evva widersprach nicht. Sie wusste zwar nicht was hier geschah, doch sie spürte die Anspannung sowohl in Galen, wie auch in Torvar, der Farkas Ranzen hochhob und sich mit dem Mädchen hinter die Felsen und die Büsche auf den breiteren Weg zurückzog. Galen sah ihnen nicht nach. Er spürte, dass die beiden den engen Pfad verlassen

hatten, was ihm mehr Spielraum gab. Was immer hier geschehen war, es verhieß nichts Gutes. Farkas war eindeutig hier vorüber gekommen. Wahrscheinlich hatte auch er den Pfad entdeckt und wollte das enge Tal, das von hier aus tiefer in die Berge führte, auf Trolle untersuchen. Galen weigerte sich, sich vorzustellen, dass Farkas von einer Übermacht an Trollen verletzt oder gar getötet worden war und das Wolfsheulen wirklich nur von einem einfachen Wolfsrudel herrührte. Das hielt er eigentlich für unmöglich. Dann entsprach wohl schon eher die Vermutung, dass eine Übermacht an Trollen, eine Verwandlung in Farkas

ausgelöst hatte, der Wahrheit. Eine Verwandlung, die Farkas scheinbar nicht mehr rückgängig machen konnte. So schmerzlich es war, doch der heulende Wolf, war wohl niemand anderer als Farkas selbst, der sich in seiner Wolfs-Form verloren hatte. Leichtfüßig sprang das Drachenblut vom Felsen und folgte dem schmalen Pfad weiter in das enge Tal hinein. „Was mach ich nur, wenn Farkas schon so weit weg von uns ist, dass er mich nicht mehr erkennt? Ich kann ihn doch nicht töten?“ Das Problem machte Galen beinahe wahnsinnig. Wie besiegte man einen Werwolf ohne ihn zu töten? Als Drachenblut müsste er den Kräften eines

Werwolfs gewachsen sein. Doch was dann? Wenn Farkas ihn nicht erkannte und sich zurück verwandelte, was könnte Galen dann noch tun? Ohne Bewusstsein, als einfacher Lykanthrop, würde das Biest kämpfen bis zum Tod! Diese unschönen Gedanken spulten sich wieder und wieder in Galen ab, während er den Pfad weiter hastete. Das Wolfsgeheul schien ihm dabei näher zu kommen. Unter Garantie hatte Farkas sie bereits gewittert. Ob das jetzt gut oder schlecht war, wagte das Drachenblut nicht zu entscheiden. Dagegen versuchte er sich innerlich auf das Kommende zu wappnen. Ob das überhaupt möglich war, bezweifelte er aber.

Trotz seiner Eile spähte Galen genau um sich. Jeder Hinweis, den er auffinden könnte, könnte von Nutzen sein. So entgingen ihm auch nicht die Blutspuren, die auf dem Pfad und den umliegenden Gesteinen zu sehen waren. Eine blutige Pranke, die in Augenhöhe auf einem der Felsen ihren Abdruck hinterlassen hatte, ließ den Schweiß aus Galens Poren treten. Er hatte scheinbar ganz vergessen, was für ein riesiges Biest Farkas als Werwolf war. Und als er dann am Pfad das Ergebnis von dessen Wüten sah, blieb er mitten im Schritt stehen. Ihm wurde beinahe übel. Es war nicht mehr zu erkennen ob das Ding vor ihm,

menschlich, merisch, weiblich oder männlich war. Einzig das konnte man sagen, dass es sicherlich kein Tier und kein Troll war. Nicht einmal ein kleinwüchsiger. Dazu fehlte eindeutig das Fell. Außerdem gab es noch Spuren von Kleidung, auch wenn diese zerfetzt wie der Rest des Körpers auf dem Weg lag. „Bei den Göttlichen! Was für ein Anblick!“, stöhnte er, trat aber dennoch näher. Vom Kopf war ebenfalls nicht viel übrig geblieben, doch das lange Haar, ließ darauf schließen, dass es sich womöglich doch um eine Frau handelte. Direkt daneben lag das Herz der Toten. Galen blickte auf den Brustkorb, der

zwar nicht so zerfleischt wie der Rest des Körpers war, doch das große Loch ließ eindeutig erkennen, dass der Frau das Herz aus dem Leib gerissen worden war. „Hoffentlich warst du da schon tot!“, murmelte Galen und ließ seinen Blick weiter über den zugerichteten Leichnam wandern. „Was hattest du auch hier oben zu suchen?“, fragte er ohne eine Antwort zu erwarten. Seine Angewohnheit mit den Göttlichen zu sprechen, machte scheinbar auch nicht Halt davor, dass er sich sprachlich an Leichen oder andere Dinge wandte, die ihm ebenfalls nicht antworten konnten. Er musste sich beeilen, da er die Energie des Werwolfs bereits spürte, die rasch

auf ihn zukam. Dabei fiel sein Blick nochmals auf den Kopf und auf die zerrissene Wange der Leiche, durch die man das Kiefer, samt der darin befindlichen Zähne, hervorleuchten sah. Ein Gebiss, das eindeutig spitze, lange Eckzähne aufwies. „Bei allen was mir heilig ist!“, rief Galen, wobei Farkas Geheul bereits so nah klang, dass er jeden Moment hinter einem der Felsen hervorbrechen musste. „Ein Vampir! Deshalb hat sich Farkas verwandelt! Wohl ohne, dass er es wollte! Hier gibt es keine Trolle, aber Vampire!“ Keine Sekunde zu früh warf sich Galen zurück und landete mit einem eleganten Salto auf einem der umliegenden Felsen,

während der Werwolf auf allen vieren hinter einer Wegbiegung hervorbrach. Als Galen in die Augen des Biestes sah, verlor er alle Hoffnung Farkas jemals erreichen zu können. Die kleinen Augen des Werwolfs blickten ohne jegliches Bewusstsein oder Erkennen auf ihn. Witternd richtete sich Farkas auf und Galen konnte sehen, dass er seinen Geruch tief in sich aufnahm. Doch dabei änderte sich nichts an seinem Ausdruck. Im Gegenteil. Die gelblich glühenden Bestien Augen schienen sich lüstern zusammen zu ziehen. Ob es sich dabei um Hunger oder nur um den Wunsch nach Zerstörung handelte, konnte Galen nicht erkennen.

Zu mehr Betrachtungen und Überlegungen ließ ihm Farkas keine Zeit. Dass es sich eindeutig um ihn handelte, und nicht um irgendeinen Lykanthropen, konnte Galen nun mit Sicherheit sagen. Er hatte die Gefährten schon oft in ihrer Werwolf-Form gesehen. Sie wiesen dabei immer die ähnliche Fellzeichnung auf, die auch ihrer Haarfarbe entsprach und auch die Größe und Mächtigkeit des Biestes hatte direkt mit ihrer menschlichen Erscheinung zu tun. Es war für Galen früher schon witzig gewesen zu sehen, dass der kleinste Werwolf, ein schlanker, grauer Bursche, der Anführer des Rudels war. Kodlak war

in seiner Werwolf-Form immer noch imposant und die Schläue seiner Augen, wie die sichere Haltung, die er als Werwolf aufwies, ließ bald keinen Zweifel mehr über seine Leitwolfqualitäten aufkommen. Der Größte und Breiteste von ihnen war aber Farkas gewesen. Vilkas war als Werwolf zwar nicht viel kleiner als er, aber er hatte nicht seine Breite, was Farkas eben noch mächtiger erscheinen ließ. Ihre Fellzeichnung war einheitlich dunkel und eigentlich waren sie nur schwer auseinander zu halten, wenn sie nicht nebeneinander standen. Doch es gab etwas, das die beiden – außer Farkas etwas mächtigeren Form – noch

unterschied. Es war kaum zu glauben, aber selbst als Werwolf konnte man Vilkas an seinem abweisenden, düsteren Gesichtsausdruck erkennen. Wie das möglich war, konnte Galen nicht sagen. Aber er hatte bereits oft genug darüber gelästert und sich ein paar blaue Flecken geholt, als Vilkas ihn mit seiner Pranke – wohlweislich so getroffen, dass keine Verletzungen durch die Krallen entstanden – eine wischte, wenn es ihm langte. Der eindeutig schönste Werwolf war aber ohne Zweifel Aela gewesen. Sie war ungefähr gleich groß mit Kodlaks grauem Wolf gewesen, doch das rotbraune, etwas längere Fell, ließ sie ein wenig größer

wirken. Dabei bewegte sie sich äußerst präzise und elegant. Galen hatte nicht genug bekommen können, diese Frau in ihrer Wolfs-Form zu beobachten. Niemals hatte er ein anmutigeres Biest gesehen. Dabei glühten ihre Augen als einzige nicht gelblich, sondern behielten ihre grüne Färbung. Aela war auch als menschliche Frau sehr hübsch gewesen, doch als Biest, war sie einfach göttlich. Ob ihre Schwester Evva ebenfalls so eine animalische Eleganz aufbringen würde, wenn sie den Fluch auf sich nehmen würde? Es war zwar nicht angebracht gewesen, aber genau das hatte er sich gefragt, als er das junge Mädchen zum ersten Mal gesehen hatte. Doch das alles

waren Gedanken und Beobachtungen gewesen, die eine lange Zeit bereits zurück lagen. Jedenfalls war sich Galen absolut sicher, dass es sich um Farkas handelte, der sich nun mit bösartig funkelnden Augen, knurrend vor ihm aufbaute. Er war auf einen hohen Felsen gesprungen, dennoch fehlte nicht viel und Farkas hätte ihn in seiner aufgerichteten Form, mit seiner Pranke erreicht. „Farkas!“, rief Galen. „Farkas! Ich bin es, Galen!“ Doch genauso gut hätte er einen Troll anschreien können. Der hätte vielleicht noch verständnislos inne gehalten, doch nicht der Werwolf. Farkas Bewusstsein war so weit weg, dass es

sinnlos war, ihn erreichen zu wollen. Er reagierte überhaupt nicht. Der einzige Effekt war, dass er sich mit mordlüsternem Blick den Felsen hochkrallte, um sein Opfer zu erreichen. So schnell er konnte sprang Galen weiter die steilen Felsen hinauf. Mit seinen übermenschlichen Kräften, die ihm als Drachenblut in die Wiege gelegt worden waren, konnte er sich leichtfüßig wie eine Gämse über die steilen Felsen bewegen. Doch es gelang ihm nicht dem Werwolf auf diese Weise zu entkommen. Die scharfen Krallen fanden selbst in den unebensten, kleinsten Felsritzen Platz und ließen Farkas unaufhaltsam folgen. Gerade als sich Galen entschied seine

Taktik zu ändern, fuhr ihm die Pranke des Werwolfs in sein linkes Bein. Zum Glück war seine gesamte Rüstung, mitsamt den Stiefeln, mit Drachenhaut überzogen. Sein Bein blieb damit von schweren Verletzungen verschont, angenehm war der Hieb dennoch nicht. Vor allem zeigte er ihm, dass Farkas als Wolf ein guter Kletterer war. Mit voller Kraft stieß sich Galen ab und sprang auf den gegenüberliegenden, leicht überhängenden Felsen. Von dort sprang er weiter herab, bis er wieder auf dem schmalen Pfad landete. Sie befanden sich jetzt einige hundert Meter über dem Leichenfundort, doch Galen blieb keine Zeit Atem zu schöpfen. Der Werwolf

war, trotz seiner wahrlich gigantischen Ausmaße, ausgesprochen wendig. Nur kurze Zeit nach ihm, landete Farkas ebenfalls auf dem Pfad und blickte Galen mit hochgezogenen Lefzen knurrend an. In den Augen des Wolfes, war Galen bereits tot. Das konnte er eindeutig in dessen Blick lesen. Mehr Zeit darüber nachzusinnen, ließ der Werwolf seinem Opfer nicht. Er duckte sich kurz und stieß sich zum Sprung ab. Galen handelte. Es blieb ihm nichts anderes übrig. „FUS RO DA!“, dröhnte sein Schrei wiederhallend von den umgebenden Felsen. Farkas sprang genau in die entfesselte Macht des Schreis hinein und wurde

gegen die Felswand zurück geschleudert. Leicht benommen schüttelte er sein mächtiges Haupt und setzte erneut zum Sprung an. Galen blieb nichts anderes übrig als wieder auf die Felsen zu flüchten, um diesmal mit einem weiteren Salto, zu dem er sich mit seinen Kräften abstieß, hinter dem Werwolf zu landen. „Der bringt mich um!“, keuchte Galen während er hinter Farkas aufkam, der sich bereits umgewandt hatte und erneut mit mächtigen Sätzen auf allen vieren auf ihn zukam. Galen rettete sich mit weiteren Sprüngen. Seiner Wendigkeit und Leichtfüßigkeit allein verdankte er es, dass er dem Biest immer wieder entkam. Normale Bürger

Himmelsrands, hätten keine Chance gehabt. Doch das konnte er auf diese Weise nicht ewig durchhalten. Mit Bedauern zog er seinen Zweihänder, stieß sich wieder vom Felsen ab, aber diesmal nicht weg von Farkas, sondern genau auf den Werwolf zu. Mit einem wohldosierten Hieb schlug Galen gegen die herabsausende Pranke und rollte sich ab. So schnell er konnte sprang er wieder auf und hechtete erneut auf das Biest zu, dessen Jaulen ihm seinen Treffer bestätigte. Er landete einen weiteren Hieb gegen die Pranke, nur um von der anderen aber voll auf der Seite erwischt zu werden. Die Wucht schleuderte jetzt ihn gegen die Felsen, vor denen er kurz

benommen liegen blieb. Bevor Farkas jedoch mit aufgerissenem Rachen auf ihn zustürzen konnte, schmetterte Galen ihm erneut seinen Schrei entgegen. Diesmal mit der vollen Wucht. Galen konnte keine Rücksicht mehr nehmen, oder er würde enden wie die Vampirfrau, die einige hundert Meter unter ihm auf dem Pfad lag. Die Wirkung war unvergleichlich massiver. Der Werwolf wurde zurück geschleudert und krachte gegen die Felswand, sodass sich sogar einige Gesteinsbrocken aus dem Bergmassiv lösten und herabfielen. Sein Jaulen zeigte Galen, dass sie ihn dabei auch empfindlich trafen. Das gab ihm eine

kurze Atempause, seine Strategie neu zu überdenken. Doch das was dabei herauskam war unerfreulich. Die Lage schien aussichtslos. Gegen einen Werwolf von Farkas Kaliber konnte Galen vielleicht siegen, doch niemals ihn nur betäuben, oder für kurze Zeit ausschalten. Ausschalten? Moment! Das Silber! „Ich Vollidiot!“, schimpfte Galen. „Warum habe ich nicht früher daran gedacht?“ Dabei hatte er sich noch gewundert, warum Farkas in seinem Ranzen die Silbermanschetten mitgenommen hatte. Wahrscheinlich weil er schon befürchtete, dass er nach einer Verwandlung nicht mehr zurückfinden

könnte! Das Problem war jetzt nur, wie konnte Galen das Silber holen, ohne dass er den Werwolf zu den anderen lockte und wie sollte er es ihm anlegen, ohne dass er dabei zerfleischt werden würde? Doch jede seiner Überlegungen wurde null und nichtig, da sich der Werwolf bereits von den Gesteinsbrocken befreien konnte und wieder auf ihn zuhielt. „Das ist ein Alptraum!“, stöhnte Galen, während er wieder über steile Felsen und Berghänge hüpfte um wenigstens ein wenig Abstand zwischen sich und Farkas zu bekommen. Als er endlich ein wenig mehr Raum hatte, drehte er sich um und schleuderte dem Werwolf einen anderen seiner Schreie

entgegen. „TIID KLO UL!“ Sofort schien Farkas mitten im Sprung eingefroren zu sein. Der Schrei, der ihn getroffen hatte, verlangsamte seinen Zeitablauf. Galen dagegen lief so schnell er konnte den Pfad hinab. Er wusste, dass die Wirkung nicht lange anhalten würde. „Torvar!“, schrie er aus Leibeskräften und hoffte, dass der Gefährte nicht wirklich bereits zu Gurdan aufgebrochen war. „Die Silbermanschetten! Wirf mir die Silbermanschetten aus Farkas Ranzen rüber!“ Galen war noch nicht ganz bei den Büschen und Felsen angekommen,

welche den Pfad so unkenntlich machten, als ihm Torvar mit dem Ranzen bereits im Laufschritt entgegen kam. Die Lebensmittel schien er herausgeworfen zu haben, denn der Sack wirkte viel schmaler als vorhin. Hinter ihm schälte sich sogar eine kreidebleiche Evva aus den Büschen heraus. Bevor Galen noch etwas sagen konnte, keuchte Torvar: „Die Wolfsbestie ist Farkas, nicht wahr?“ Er erwartete keine Antwort, denn er fuhr sofort fort: „Wir helfen dir. Zusammen haben wir vielleicht eine Chance, ihn nicht töten zu müssen!“ Die Antwort blieb Galen erspart, denn das wütende Wolfsgeheul, das viel näher

klang, als es gut für sie war, sagte ihm, dass die Wirkung des Schreis vorüber war. Und da kam Farkas auch schon. Mit einer Schulterhöhe von zwei Metern auf allen vieren und einem Schädel, in dessen aufgerissenem Maul mit Leichtigkeit der Kopf eines Mannes passte, preschte der Werwolf um die nahe Biegung. Evva schrie auf und begann zu heulen. Galen konnte es ihr nicht verdenken. Ein so mächtiger Werwolf, der mit vollem Tempo und mit dieser Tötungsabsicht in seinen animalischen Zügen auf sie zuraste, würde sogar erwachsene, kampferprobte Männer dazu bringen, ihre Hosen zu nässen. Erst recht ein junges Mädchen. Mochte sie noch so

talentiert als Jägerin sein. Ob sie nach diesem Erlebnis noch für Farkas würde schwärmen können, bezweifelte Galen. „FUS RO DA!“, schrie er dem Werwolf entgegen, was diesen nicht nur stoppte, sondern sogar ein paar Meter zurück schleuderte. So schnell er konnte hechtete Galen ihm nach und holte dabei eine der Silbermanschetten aus dem Beutel. Farkas schüttelte benommen seinen Kopf. In dem Moment berührte ihn Galen mit dem Silber auf einer seiner Pranken. Doch er kam nicht dazu es ihm umzulegen. Farkas Jaulen erklang diesmal hoch und gepeinigt. Sofort fuhr er mit der Pranke zurück, erwischte Galen aber mit der anderen voll auf der

Seite. In Gedanken küsste Galen Eorlund Grau-Mähne, den Schmied der Gefährten, der ihm diese einzigartige Rüstung aus den Schuppen besiegter Drachen angefertigt hatte. Auch jetzt bewahrte sie ihn vor schweren Verletzungen. Der Schlag trieb ihm dennoch die Luft aus den Lungen und was weit schlimmer war, die Manschette wurde ihm dabei aus den Händen geschlagen. Während er sich aufrappelte und schnell nach der heruntergefallenen Manschette zu tasten begann, ging Torvar mit seiner Axt auf den Werwolf los. Er hatte nie im Leben eine Chance gegen dieses Biest, doch es gelang ihm Farkas von Galen

weg zu locken. Das Drachenblut versuchte so schnell wie möglich auf die Beine zu kommen. Die kleine Evva heulte noch immer, doch das Surren der Pfeile sagte ihm, dass sie gerade dabei war, Farkas damit zu spicken. „Evva! Hör sofort auf!“, schrie Galen. Nicht nur, dass sie Farkas verletzte, sie zog damit auch seine Aufmerksamkeit auf sich. Doch das Mädchen kreischte weiter und schoss einen Pfeil nach dem anderen ab. Unwirsch fegte der Werwolf die Pfeile mit einer Pranke aus der Luft und setzte zum Sprung auf das Mädchen an. Torvars Hieb, der ihn in die Flanke traf, schüttelte er wie nebenbei ab. Dagegen

fegte ein weiterer Hieb von ihm Torvar auf die Seite. Stöhnend blieb der Gefährte liegen. Evva waren mittlerweile die Pfeile ausgegangen, aber sie schrie noch immer. Sie war in ihrer Hysterie gefangen. Galen war es nicht mehr möglich einen Schrei auf Farkas zu werfen. Alles hätte auch unweigerlich das Mädchen getroffen. Mit einem mächtigen Sprung stieß sich Galen ab. „WULD NAH KEST!“ Der Sprung und der Schrei des Wirbelwindsprints, brachten ihn rechtzeitig zu dem Mädchen, um es aus Farkas Reichweite zu schleudern. Stattdessen traf ihn der vernichtende Schlag des Werwolfs, den nun nicht

einmal mehr seine Rüstung abhalten konnte. Noch im Fallen zog Galen seine Waffe und hieb sie Farkas in die Flanke. Es half alles nichts. Sie mussten das Biest irgendwie schwächen, ansonsten würden sie alle sterben und Farkas würde als Monster gejagt werden, bis er den Tod finden würde. Von der Spur des Verderbens, die er dabei hinterlassen würde, gar nicht erst zu reden. Evva war außerhalb der Gefahr und rührte sich erst einmal nicht. Galen stöhnte. Sein rechter Arm war verletzt, die Rüstung an einigen Stellen aufgerissen. Doch diesmal hatte er Farkas wohl tief getroffen. Mit einem Jaulen, das beinahe schon wie Winseln

klang, krümmte sich das Monster auf dem Pfad. Galen schaltete sofort und sprang auf Farkas zu, während er eine weitere Manschette aus dem Beutel holte. Es war eine der Fußfesseln, die er sofort auf einem Bein einschnappen ließ. Farkas Geheul fraß sich grauenhaft in seine Seele. Es musste ihn furchtbar schmerzen. Und die Manschette war für den Werwolf so eng, dass sie ihm wohl ins Fleisch schnitt. Wild geworden sprang der Werwolf auf und stürzte sich auf Galen. Der rettete sich mit einem mächtigen Sprung und versuchte mit weiteren Hechtsprüngen Farkas von Evva und Torvar wegzuführen.

Galen hatte gehofft, dass bereits eine der Silbermanschetten einen Einfluss auf den Wolfsgeist haben würde, doch dem war nicht so. Sie schmerzte Farkas, doch mehr war nicht zu erkennen. Das bedeutete, dass er die anderen auch noch irgendwie anbringen musste. Das Problem war, er konnte die Schreie nicht knapp hintereinander wirken. Und was noch schrecklicher war, er vermeinte bereits Farkas heißen Atem im Nacken zu spüren. Es bewahrheitete sich wieder: ein verletztes Biest, war ein noch gefährlicheres Biest! Er änderte wieder seine Richtung, drückte sich mit aller Macht vom Felsen

ab und katapultierte sich mit einem Salto hinter Farkas. Gekonnt und sicher landete er auf dem Pfad. Der Werwolf reagierte prompt. Er drehte sich augenblicklich um und Galen blieb gerade noch Zeit sein „TIID KLO UL“ zu schreien, was den Werwolf wieder in der Zeit festhielt. So schnell er konnte griff Galen in den Beutel und legte Farkas die zweite Beinmanschette, sowie eine Armmanschette um. Mit einem gewaltigen Sprung brachte er sich erneut in Sicherheit. Keine Sekunde zu früh. Farkas heulender Schrei war beinahe zu viel für seine Ohren. Der Werwolf schlug um sich, krümmte sich am Weg und versuchte mit seinen scharfen Zähnen die

Manschette von seiner Pranke zu entfernen. Jaulend riss er sein mächtiges Haupt zurück und begann es unwirsch zu schütteln. Die Berührung mit dem Silber, war für seine empfindliche Schnauze wohl nicht das Wahre. Der Blick, mit dem ihn der Werwolf dann ansah, brach Galen das Herz. „Farkas!“, rief er. „Farkas, komm zu dir!“ Doch es war umsonst. Auch wenn es so ausgesehen haben mochte, als würde sein Freund ihn hilfesuchend ansehen, verschwand der Ausdruck genauso schnell wie er wohl gekommen war. Pure Mordlust lag erneut in den kleinen, glühenden Wolfsaugen, als sich das Biest

mühsam erhob und versuchte Galen wieder nahe zu kommen. Das Silber schwächte ihn sehr und Galen spürte eine unangenehme Nässe in seinem Gesicht. Die kam aber nicht vom Regen, denn es war zwar kühl und bewölkt, doch es fiel kein Tropfen vom Himmel. Es waren seine Tränen, die an ihm herabliefen, als er die Qual sah, die er seinem Freund antun musste. Er musste nicht mehr flüchten, denn der Werwolf konnte zwar noch laufen, knickte aber immer wieder ein. Als Galen spürte, dass er erneut Kraft für einen weiteren Schrei hatte, schleuderte er Farkas nochmals „TIID KLO UL!“ entgegen. Die letzten Manschetten

anzulegen war für ihn nun nicht mehr schwer. Den Effekt davon auszuhalten dagegen sehr. Denn anstatt dass sich Farkas zurück verwandelte, wie Galen gehofft hatte, blieb er ein Werwolf. Sein Bewusstsein kam nicht wieder. Winselnd lag das mächtige Biest auf dem Pfad und konnte sich auch kaum mehr aufrichten. Der mordlüsterne Ausdruck in seinen Augen war verschwunden, stattdessen stand Qual und Hilflosigkeit darin, die Galen kaum aushielt. „FARKAS!“, rief er und sprang heran um vielleicht noch irgendwas in dem Biest zu erreichen. „Verdammt Farkas! Kämpfe! KÄMPFE, du Abklatsch eines

Nord-Kriegers!“, schrie er ihn an. „Du wirst doch nicht klein beigeben!“ Völlig enttäuscht und fertig wollte er dem Wolf auf sein mächtiges Haupt schlagen, um irgendwas zu bewirken. Doch so viel Kraft steckte noch in dem Biest, dass es drohend nach ihm schnappte. Frustriert wich Galen zurück. „Farkas…“, rief er bekümmert. „Nicht so! Bitte, nicht so!“ Dann sank er an einem Felsen gelehnt daran herab und hockte vor dem Werwolf, der sich weiter jaulend vor ihm krümmte. Torvar hinkte heran und setzte sich keuchend an Galens Seite. Sein Blick war verzweifelt. „Was… was sollen wir jetzt tun? Wir können ihn doch nicht so

liegen lassen.“ Galens Blick ging stumpf in die Ferne. Dann riss er sich zusammen. Auch wenn es nicht mehr so aussah, in diesem Werwolf steckte immer noch irgendwo sein Freund. Doch zuerst musste er an das Wesentliche denken. „Wie geht es dem Mädchen?“, fragte er Torvar. Der blonde Nord mit dem spitzen Bart legte die Stirn in Falten. „Die Kleine hat einen Schock, ist aber ansonsten unverletzt.“ „Und du?“, hakte Galen nach. „Es ist nicht so schlimm“, antwortete ihm Torvar. „Seine Pranke hat mich auf der Seite erwischt und beim Sturz habe

ich mir mein Bein verletzt. Aber die Wunden sind nicht tief. Ich kann gehen und reiten, wenn es das ist, was du wissen möchtest.“ Das Drachenblut nickte. „Ich werde bei ihm bleiben“, entschied er. „Du lässt mir die Lebensmittel da und gehst mit Evva zu Gurdan. Dort holst du unsere Belohnung ab, ansonsten wird der Ork misstrauisch. Dann reitet ihr zurück nach Jorrvaskr.“ Ernst blickte er den Gefährten an, der schwer schluckte. Wahrscheinlich wusste dieser, was Galen ihm noch auferlegen wollte. „Dann sagst du Vilkas Bescheid.“ Torvar nickte ergeben und Galen blickte wieder stumpf in die Ferne. „Bei Talos,

und bei allem was mir heilig ist, ich hoffe, dem Kerl fällt etwas ein!“

19 der unleidliche patient

Unbarmherzig rüttelte der Sturm an der Fassade von Jorrvaskr. Es wurde frühzeitig finster und der einsetzende Regen rauschte herab, als müsste er innerhalb der nächsten Stunde die letzten Tage voller Sonnenschein auf einmal zunichtemachen. Dazu zuckten die Blitze durch die dichten Wolken, welche die tiefhängenden Nebelschleier gespenstisch erhellten. Der darauffolgende Donner ließ Hana so heftig zusammenzucken, dass sie beinahe die Teller fallen ließ, die sie soeben auf den Tisch platzieren wollte. Es klang wie

ein Inferno, das auf Weißlauf herniederprasselte. Einzig und allein Tilmas Gleichmut ließ Hana ahnen, dass so ein Gewitter hier wohl nicht unüblich war. Dennoch wäre sie am liebsten zu Vilkas gelaufen und hätte sich an seiner Seite verkrochen. Doch er war immer noch nicht ganz genesen und sie wollte ihm den Freiraum gönnen, den er so sehr benötigte. Ein kurzer Blick zu Varis bestätigte ihr, dass der Säugling, trotz des Getöses, unbeeindruckt in seiner Wiege schlief. So ließ auch sie sich nichts anmerken und half Tilma bei der Zubereitung der Abendmahlzeit. Wenn sie damit fertig war, würde sie noch Zeit genug haben,

Setha eine neue Portion des besonderen Heiltrankes zu bringen, den sie mit Arcadias Hilfe für sie zusammengestellt hatte. Hana freute sich, dass der Trank trotz der unschönen Nebenwirkungen, erste Ergebnisse zeigte. Die totgeweihte Frau hatte schreckliche Tage hinter sich. Die Wirkstoffe, die Hana verwendete waren ausgesprochen aggressiv, doch sie bekämpften das, was auch immer in Setha wütete und sie ihrer Lebenskraft beraubte. Die junge Nord-Frau lag noch im Kynareth-Tempel, doch heute war der erste Tag, an dem das Erbrechen von Blut und Galle aufgehört hatte. Dafür hatten Blutungen eingesetzt, welche anzeigten,

dass das tödliche Gewebe, das in ihr wuchs, langsam aber sicher ausgeschieden wurde. Das war mehr als erfreulich, auch wenn Setha durch die Heilerin ruhig gestellt werden musste, da sie weder die Schmerzen, noch den Geruch, sowie das dunkle, blutig zersetzte Gewebe ertrug, das aus ihr austrat. Arcadia dagegen war von ganzem Herzen Alchemistin. Ihr war nichts zu schlimm, zu schmutzig oder zu abstoßend, wenn es dafür die erwünschten Wirkungen der Heilung und Besserung aufwies. Neugierig beobachtete sie alles und machte sich Notizen. Sie hatte auch bereits eine Idee, wie man Hanas Trank

verbessern konnte, damit die Nebenwirkungen nicht gar so drastisch waren. In der kurzen Zeit, die sie gemeinsam arbeiteten, hatten sich die beiden bereits wunderbar aufeinander abgestimmt. Und obwohl es erst ein paar Tage waren, hatte Hana das Gefühl, als würde sie die ältere, erfahrenere Frau schon lange kennen. Auch mit Tilma und Athis ging es ihr so. Die beiden akzeptierten und behandelten sie, als wäre sie schon immer bei ihnen gewesen. Für Njada war sie einfach nur ‚die Puppe vom Herold‘. Ria und Thorald dagegen hatte sie kaum zu Gesicht bekommen. Ein Geräusch an der Türe ließ sie

auffahren. Doch es war nur Arcadia, die mit Madi und jeder Menge Regen in die Methalle polterte. „Hallo!“, grüßte sie und nahm dem kleinen Mädchen den Mantel ab. Das Kind zögerte kurz und blickte sich unsicher um. Als Tilma ihr aber freundlich zunickte, trollte sie sich in die Ecke, in der das ganze Holzspielzeug stand, das Farkas ihr gegeben hatte, und ließ sich davor nieder. „Die Kleine ist ganz verstört“, meinte Arcadia und sah mitleidvoll zu dem Kind. „Sie hat noch kein Wort gesprochen, seitdem sie mit ihrer Mutter hier ankam. Ich glaube, sie vermisst sie sehr und versteht noch nicht, warum sie

im Moment nicht zu ihr kann.“ „Und Farkas ist auch nicht hier!“, fügte Tilma hinzu. „Er war der Einzige, zu dem sie sofort Zutrauen gefasst hatte, das arme Ding. Wenigstens isst sie brav.“ Arcadia lachte. „Tilma, du alte Küchenhexe! Wenn bei dir nur alle etwas essen, ist die Welt für dich in Ordnung!“ Hana musste lächeln als sie sah, wie Tilma, die gute Seele Jorrvaskrs, eine beleidigte Miene aufsetzte. Doch Arcadia umarmte die ältere Frau und drückte sie kurz an sich. „Jetzt sei nicht so. Du weißt doch, wie ich das meine. Ohne deine gute Küche wären die Gefährten bestimmt nicht das, was sie sind!“ Sofort erhellte sich Tilmas Gesicht wieder,

während sie weiter in ihren Töpfen rührte. Die Alchemistin wandte sich an Hana, die gerade den kleinen Varis aus der Wiege hob. Der Säugling war unruhig geworden. „Hey, Mädchen!“, sprach sie Hana an. „Ich dachte mir, dass du schwer beschäftigt bist mit dem kleinen Kind und dem großen, das wohl immer noch seine Wunden leckt. Wie geht es Vilkas eigentlich?“ Hana strahlte. „Bereits viel besser, Arcadia! Deine Heiltränke sind wirklich die Besten! Er konnte heute schon ein paar Übungen im Freien machen. Im Moment ruht er sich aber wieder aus – mehr oder weniger freiwillig.“ Hana

musste lächeln, als sie an Vilkas und seine Unleidlichkeit dachte, die er an den Tag legte. Er war alles andere, als ein angenehmer Patient. „Seine Haut ist doch noch sehr empfindlich.“ „Du bist viel zu bescheiden, meine Liebe!“ Arcadia kam näher und umarmte Hana, die den Kleinen wieder in die Wiege legte und ihn ein wenig schaukelte. „Deine Heilsalbe brachte seine Wunden dazu, sich viel schneller zu schließen. Aber deshalb bin ich ja gar nicht hier!“ „Genau!“, mischte sich Tilma ein, die für die kleine Madi einen Apfel in Spalten geschnitten hatte und diesen auf einem Teller vor das Kind stellte. „Solltest du

nicht noch in deinem Laden sein?“ „Bei dem Gewitter? Heute haben alle schon ihre Läden dicht gemacht!“, entrüstete sich Arcadia. „Nein! Ich dachte mir, ich könnte heute das Mittel zu Setha bringen, damit sich Hana auch wieder ein wenig mehr um Vilkas kümmern kann. Sie hat beinahe jede freie Minute bei Setha verbracht und unermüdlich Tränke für sie gebraut.“ „Das würdest du wirklich tun?“, fragte Hana erfreut. Schnell stand sie auf und holte den Heiltrank, den sie für Setha vorbereitet hatte. „Natürlich!“, rief Arcadia. „Außerdem bin ich neugierig, wie es Setha heute geht. Die Wirkung deines Mittels ist

beispiellos. So unwahrscheinlich es auch ausgesehen hatte, aber ich glaube wirklich, dass Setha genesen wird. Wenn du willst, können wir uns zu einem späteren Zeitpunkt die Zutaten nochmals ansehen. Vielleicht könnte ein wenig Engelswurz die Nebenwirkungen mildern?“ „Sehr gerne“, meinte Hana. „Obwohl wir, also mein Lehrer aus Cyrodiil und ich, Engelswurz auch schon ausprobiert hatten. Es geht den Kranken bei der Behandlung zwar viel besser, dafür wird das zerstörerische Gewebe aber nicht vollkommen entfernt. Nach einem Jahr beginnt es sie wieder zu quälen.“ Arcadia runzelte die Stirn. „Das ist nicht

gut.“, meinte sie. „Na egal! Darüber werden wir uns später noch den Kopf zerbrechen.“ Liebevoll tätschelte sie Hana die Wange. „Also, ich geh dann mal zum Tempel!“, rief sie und schon war sie wieder bei der Türe draußen. Hana war froh, dass Arcadia ihr diesen Weg für heute abgenommen hatte. Nicht, dass sie nicht gerne zu Setha ging und ihr half, aber die letzten Tage hatte sie sich wirklich verausgabt. Sie hatte sich nicht nur um die totkranke Frau gekümmert und Tränke für sie gebraut, sie hatte auch Tilma geholfen, den kleinen Varis versorgt, sich abwechselnd mit den anderen Frauen um Madi gekümmert und ebenso Vilkas betreut.

Hana seufzte. Vilkas war noch dazu ein besonders schwerer Fall gewesen. Er tat ihr zutiefst leid, wie er sich quälte. Nicht nur die Schmerzen machten ihn fertig, sondern auch seine Halsstarrigkeit. Der große Mann konnte es nicht ertragen, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Er war so unleidlich und abweisend wie noch nie zuvor. Und dabei hatte er sie mit einem so verzweifelten, selbstzerstörerischen Blick angesehen, als würde er erwarten, dass sie sich umdrehen und ihn verlassen würde. Dass sie es nicht tat, konnte er kaum fassen. Hana seufzte. Hier hatte sie wieder einmal gesehen, dass es noch ein langer Weg war, bis Vilkas wirklich alle

Schatten seiner Vergangenheit hinter sich lassen konnte. Und welche Schatten das waren, hatte sie auch noch näher erfahren. Zumindest die tragischen Umstände von Jörgens Tod, hatte Vilkas ihr erzählt. Dieses schreckliche Erlebnis erschütterte sie zutiefst. Dass Vilkas – nur weil er seinen Bruder beschützen wollte – den Tod seines Vaters verschuldet hatte, war einfach zu grauenhaft. Auch dass die Brüder solcher ‚Erziehung‘ überhaupt ausgesetzt waren, war für sie kaum zu ertragen. Sie wollte nicht weinen, konnte aber nicht anders. Dabei wuchs in ihr immer mehr die Überzeugung heran, sich durch nichts davon abbringen zu lassen, Vilkas

Wunden zu heilen. Und damit meinte sie nicht seine äußerlichen. Nach diesen Erzählungen verstand sie seine Verschlossenheit und Selbstanklage nur noch besser. Und auch, dass er sich wahrscheinlich wegen all dem, der Assassinen-Gilde angeschlossen hatte. Vilkas selbst hatte ihr nichts über seine Zeit bei der Dunklen Bruderschaft erzählt, obwohl er bereits wusste, dass sie gelauscht hatte. Gerade seine dunkelblauen Muster auf seinem rechten Oberarm und seiner Brust erwähnte er. Diese waren Teil des Aufnahmeritus der Bruderschaft in Himmelsrand gewesen. Hana hätte noch gerne mehr erfahren, aber sie wollte Vilkas nicht drängen. Er

hatte zur Zeit genug Probleme mit seinen Verletzungen und seiner Unduldsamkeit deswegen. Hana begann wieder die Teller aufzulegen, da flogen die Türen nochmals auf und ein triefend nasser Thorald Grau-Mähne stürmte herein. Ria, die gerade die Treppe aus dem Wohnbereich hochgestiegen kam, lief sofort auf ihn zu. „Ich muss zu Vilkas!“, dröhnte der Mann und eilte seinerseits auf die Treppe zu. Ria drehte sich um. „Thorald! Nicht.“ Doch scheinbar war der Gefährte zu aufgebracht. „Nein!“, rief er. „Ich habe sowieso schon zu lange gewartet! Ich muss mit ihm reden. Sofort!“ Damit

stürmte er weiter. Ria, die unentwegt auf ihn einredete, lief hinterher. Hana wandte sich an Tilma. „Bitte pass auf die Kinder auf!“ Dann raffte sie ihre Röcke und lief so schnell sie konnte den beiden nach. Sie fürchtete das Schlimmste. Dieser Thorald, der sich seit seinem Streit mit Vilkas nicht mehr bei den Gefährten hatte sehen lassen, durfte jetzt doch nicht einfach so zu seinem Herold hineinstürmen! Noch dazu, wo Vilkas immer noch nicht ganz auf dem Damm war! Vilkas saß in seinem Wohnraum und genoss es, sich endlich wieder auf einer Sessellehne anlehnen zu können.

Zumindest vorsichtig anlehnen funktionierte wieder. Aber das war ja schon immerhin etwas. Seine langen Beine hatte er auf dem Hocker vor ihm überkreuzt, während er neben sich eine Tasse bekömmlichen Tees stehen hatte, aus der er hin und wieder trank. Hana hatte dafür Sorge getragen, dass er nach seinem Training heute Nachmittag, etwas Wohltuendes zu sich nahm. Vilkas strich sich seine feuchten Haare aus dem Gesicht und versuchte, eine halbwegs bequeme Position einzunehmen. Denn, die neuen Verbände, die Hana ihm nach dem Bad, das er sich im Anschluss an seine Übungen genehmigte, wieder angelegt hatte, wetzten hart über seine

dünne, neue Haut und die teilweise noch verkrusteten Wunden. Das Training hatte Vilkas wenigstens wieder halbwegs zugänglich gemacht. Er hasste nichts mehr, als krank und schwach auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein und noch dazu tatenlos auf seinem Bauch liegen zu müssen, da sein Rücken eine einzige Fleischwunde war. Da kamen ihm die Übungen heute nur zurecht. Zum Glück war der Nachmittag trocken gewesen. Es war zwar kühl, bewölkt und roch nach Regen, aber das Wetter hielt und Vilkas konnte endlich wieder auf dem Übungsplatz trainieren. Es schmerzte höllisch seine frisch verheilten Muskeln

und Sehnen wieder an Bewegungen zu gewöhnen. Seine dünne, neue Haut spannte genauso furchtbar. Und an den Stellen, an denen noch Schorf war, wurden die Verbände wieder mit frischem Blut getränkt, aber Vilkas hätte sich um nichts in der Welt vom Training abhalten lassen. Es ließ ihn wieder ein wenig von sich selber spüren. Zuerst langsam, dann immer schneller, schwang er seinen Zweihänder, bis sein Hemd vom Schweiß durchtränkt war und die frischen Blutspuren auf seinen Verbänden von seinem Tun zeugten. Dafür saß er jetzt in seinem Wohnbereich, schlürfte Tee und genoss die Zeit der Ruhe. Vilkas seufzte. Er

konnte Hanas helles Lachen bis hier herunter hören, wie sie mit Tilma gerade dabei war, das Abendmahl fertigzustellen. Das beruhigte ihn ungemein, dennoch genoss er es, alleine dazusitzen und seit langem wieder einmal ein Buch lesen zu können. Dass das Mädchen ihn immer noch mochte, kam ihm nach den letzten Tagen wie ein Wunder vor. Einmal mehr hatte er ihr seine unleidliche Seite gezeigt, die sie ihm aber dennoch nicht übel nahm. Im Gegenteil. Sie respektierte seinen Wunsch nach Freiraum. Dabei war Vilkas schon überzeugt gewesen, für jegliche Beziehung ungeeignet zu sein. Alles fing damit an, dass er nach seinem Kampf mit

Jon, von Hana und Arcadia versorgt worden war, und anschließend mit der Order, unbedingt still liegenzubleiben, alleine gelassen worden war. Vilkas ließ die Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag erneut hochsteigen – wie zum Beispiel den Geruch der frischen Bettlaken, der angenehm durch seine Nase zog. Doch das war damals das Einzige gewesen, das Vilkas als wohltuend empfunden hatte. Denn das Brennen seiner tiefen Wunden im Rücken, sowie das Pochen an seinem Hals, machten es ihm beinahe unmöglich einzuschlafen und so ein wenig Ruhe zu bekommen, die er für seine Heilung so dringend benötigte und die ihm von zwei

– rechnete man Tilma noch mit ein eigentlich von drei – Frauen gleichzeitig aufgetragen worden war. Er lag auf seinem Bauch, was außerdem ausgesprochen untypisch für ihn war. Außer einer einfachen Hose hatte er nichts an. Zumindest kein Gewand. Sein Oberkörper war dennoch dick in Verbände gehüllt, die Hana ihm verpasst hatte. Es war kühl im Raum, weil Vilkas die Wärme als äußerst unangenehm auf seinen tobenden Wunden empfand. Erschwerend zu all diesen Umständen kam noch hinzu, dass er seinen Gehörsinn nicht abstellen konnte, was das Ruhefinden sowieso ad absurdum führte.

So hörte er, wie Hana bereits zum hundertsten Mal die Türe öffnete, nur um zu ihm hereinzuspähen. Die leise gemurmelten Worte von Athis und Tilma, die beide wohl etwas im Wohnbereich der Gefährten zu tun hatten, drangen dazu ebenfalls ungefiltert durch die offene Türe. Vilkas wusste, dass Hana es nur gut meinte, und alleine ihre Sorge sie ständig nachsehen ließ. Dabei war das jetzt schon besser als vorher. Davor war Hana nämlich noch dazu immer an ihn herangetreten und hatte ihm zärtlich über seinen Rücken gestrichen, oder malte mit ihren Fingern ganz fein seine dunkelblauen Muster nach, die noch von

seinem Assassinen-Dasein zeugten. Ein leichter Kuss – auf seine Wange, oder sein Haar – beendete meistens ihren Besuch. Ihr femininer Geruch, der danach noch leicht im Raum schwebte, trug auch nicht gerade dazu bei, Vilkas zu beruhigen. Im Gegenteil, denn er weckte Begierden, die absolut nichts mit Ruhe zu tun hatten und ihn nur noch missgelaunter machten. Vilkas hatte bei Hanas besorgten Besuchen – es waren nicht mehr als zwei gewesen – auch immer still gehalten und so getan als würde er schlafen, denn er wollte sie nicht enttäuschen. Doch mittlerweile zerrte es an seinen Nerven. Das konnte aber auch daran liegen, dass

die Mittel, mit denen er zusätzlich zu den Heiltränken versorgt worden war, ihre Wirkung mehr als zu gut taten. In seinen Wunden tobte es und Vilkas krallte sich bereits in die frischen Bettlaken, um nicht aufzufahren und sich die Verbände, mit der in aller Liebe zubereiteten Heilsalbe von Hana, herunterzureißen. Außerdem würde er es keine Sekunde länger auf dem Bauch liegend aushalten. Mit einem frustrierten Schrei quälte er sich hoch – schnelle Bewegungen waren ihm nicht mehr möglich – und setzte sich auf, was Hana sofort auf ihn zueilen ließ. „Vilkas!“, rief sie völlig aufgewühlt und wollte wieder zart an seine Verbände

greifen, als er ihre Hand abfing. „Untersteh dich und fass mir noch einmal auf diese verdammten, juckenden und brennenden Folterinstrumente, die du mir umgebunden hast!“, fuhr er sie schroff an. Hana blickte völlig verstört zu ihm. „Aber…aber…“ Schließlich ließ er sie los und vergrub seinen Kopf in seine Hände. Dazu seufzte er tief. „Bei Talos, Hana!“, erklärte er sich schließlich. „Früher wurde niemals so viel Aufhebens darum gemacht, wenn ich verwundet war. Vor allem kam nicht ständig jemand nachsehen, ob ich noch atme! Das ist ja nicht zum

Aushalten!“ Das Mädchen vor ihm begann zu beben. „Es tut mir leid“, begann sie. „Ich wollte nur sehen, ob es dir noch gut geht. Du bist doch so schwer verwundet worden! Und ich habe einen neuen Trank gebraut!“ Vilkas sah rot. Er hielt es nicht mehr aus. Seine Schmerzen, seine Hilflosigkeit, alles entlud sich. „HANA!“, rief er. „Verdammt, wie soll es mir besser gehen, wenn du alle fünf Minuten zu mir hereinkommst! Du vergisst, wer ich bin! Ich höre jeden verdammten Schritt von dir, alleine schon wenn du zum Wohnraum schleichst!“

Schuldbewusst zuckte sie zurück. An seine Werwolf-Sinne hatte sie sicherlich nicht gedacht. Als Vilkas das sah, tat es ihm augenblicklich Leid, dass er sie so angeschnauzt hatte. Er war ungerecht, das wusste er, denn das war jetzt erst das dritte Mal, dass sie zu ihm hereinkam. Da bewahrheitete es sich wieder: er war einfach nicht für eine Beziehung geeignet. Alles was er konnte war, die Menschen, die er liebte, in ihrer Fürsorge auch noch zu brüskieren. Und die tobenden Schmerzen machten ihn noch wahnsinnig! Aber sein Stolz ließ es nicht zu, vor Hana zu stöhnen und sich in seiner Qual zu winden. Am Ende seiner

Duldsamkeit – die sowieso nie besonders herausragend war – stand er auf und schleppte sich zu dem gepolsterten Stuhl, der neben dem kalten Kamin stand, auf den er sich nieder ließ. Mit einem „Verdammt!“, ruckte er sofort in die Höhe, als er beim Hinsetzen an der Rückenlehne des Stuhls ankam. Die schnelle Bewegung wiederum ließ einen scharfen Schmerz durch ihn fahren und ächzend krümmte er sich wieder zusammen. Hana war sofort an seiner Seite und bemühte sich, ihn zu stützen. „Vilkas, bitte!“, versuchte sie ihn dabei zu beruhigen. „Leg dich wieder auf das Bett. Ich habe nicht daran gedacht, dass ich dich so störe.“ Vilkas war so

schwach, dass er ihr folgen musste. Er hasste diese Hilflosigkeit. Es war seine Aufgabe, andere zu beschützen und für ihr Wohl zu sorgen, nicht selbst umsorgt zu werden. Doch sein Körper machte ihm einen Strich durch die Rechnung und er musste sich fügen. Und mit seiner Unleidlichkeit machte er alles nur noch schlimmer. Schwer auf das Mädchen gestützt humpelte er zum Bett und setzte sich darauf. Die Schmerzen ließen ihn nach Luft schnappen. Hana lief schnell aus dem Raum, kam aber sofort wieder und drückte Vilkas einen Krug in die Hand. „Trink das. Ich habe etwas hinzugefügt, was dir helfen wird.“ Dabei setzte sie

sich zum ihm auf das Bett und fuhr wieder zärtlich über seine Haut, welche nicht unter dicken Verbänden verborgen lag. Inzwischen hatte sich Vilkas wieder soweit beruhigt, dass er es zumindest dulden konnte. Auch wenn er am liebsten weiter herumgeschnauzt hätte. Vor allem, als er das Gebräu austrank, das sie ihm in die Hand gedrückt hatte. Es schmeckte schauderhaft. Zitternd stellte er den leeren Krug auf die Kommode. „Es tut mir leid“, versuchte er, ein wenig zu erklären und fuhr tastend mit seiner Hand über ihren Oberschenkel. Ihre zarten Finger legten sich sofort über seine raue Hand. „Ich hab dir Unrecht getan, aber… ich brauche Raum um

mich. Vor allem, wenn ich verwundet bin. Ich zeige nicht gerne meine Schmerzen oder Schwächen. Ich hasse es überhaupt Schwächen zu haben! Mir geht es besser, wenn ich weiß, dass es dir, oder den Gefährten gut geht, und ich alleine heilen kann. Wenn ich dabei meiner Wut und meinem Unmut freien Lauf lassen kann, ohne dass mich jemand in meiner Hilflosigkeit sieht.“ Zärtlich strichen ihre Finger über seine Hand. „Ich weiß“, meinte Hana. „Ich hätte früher daran denken sollen. Bitte, sei mir nicht mehr böse!“ Sie war ein Engel. Mehr konnte er dazu nicht sagen. Vorsichtig berührten sich ihre Lippen, dann legte sich Vilkas mit

Hanas Hilfe wieder auf das Bett. Der Trank begann bereits zu wirken, denn das unerträgliche Brennen, Jucken und Pochen wurde leichter. Er merkte es nicht mehr, doch als sein Kopf auf den flachen Polster fiel, schlief er bereits – und das bis zum nächsten Morgen. Das war vor zwei Tagen gewesen. Und Dank all der Fürsorge, der Heilsalben, sowie der Heiltränke, konnte er heute bereits wieder seine Übungen machen und sich in der Ruhe seines Wohnraums auf das Abendessen freuen und vielleicht auf ein wenig mehr danach – jetzt wo er wieder genesen war. Genüsslich streckte er sich und wollte sich wieder in das Buch vertiefen, als ihn

lautes Getöse auffahren ließ. Dazu hörte er Rias Stimme, die scheinbar versuchte, Thorald davon abzuhalten, zu ihm hereinzustürmen. Dahinter konnte er auch Hanas besorgte Ausrufe hören. Das alarmierte ihn jetzt doch und er sprang auf. Da fegte Thorald, nass wie ein Schlachterfisch, zu ihm herein. Damit hätte Vilkas jetzt nicht gerechnet. Nach dem Streit verschwand der Gefährte einfach, angeblich zu einem Auftrag, wie Ria betont hatte, und jetzt kam er wie ein Berserker nach Jorrvaskr zurück, stürmte in Vilkas Privatgemächer und triefte seinen kostbaren Teppich voll. „Vilkas!“, rief er völlig außer Atem. „Ich muss dir etwas Wichtiges geben!“

Umständlich kramte er unter seinem Mantel und zog ein in rotes Leder gebundenes Buch daraus heraus. Der Mantel hatte zum Glück den Regen abgehalten das Buch aufzuweichen, denn nach Thoralds Getue, musste es sich um etwas sehr Wertvolles handeln. „Und… es tut mir Leid, was ich alles zu dir gesagt habe. Aber ich war so aufgebracht! Jon verstand es alle Tatsachen zu verdrehen. Ich glaubte ihm und ich habe ihm auch noch Recht gegeben!“ Da stand der Mann mit den grauen Haaren – das Familienmerkmal der Grau-Mähnen – betreten vor ihm, während das Wasser nur so an ihm herablief und

bereits eine ansehnliche Lacke unter ihm gebildet hatte. „Und mir das alles zu sagen konnte nicht bis zum Essen warten? Oder zumindest, bis du trocken bist?“, fragte Vilkas etwas unmutig. Thorlad sah an sich herab. Ein verlegener Ausdruck trat in sein Gesicht. Dann jedoch richtete er sich auf. „Das mit dem Teppich tut mir leid, aber ich wollte dir Kodlaks Tagebuch so schnell wie möglich übergeben und vor allem wollte ich mich entschuldigen und dir endlich reinen Wein einschenken über alles, was geschehen ist.“ Ria, die neben ihm stand, knuffte ihn in die Seite und Thorald seufzte. „Ja, ich weiß, ich war immer sauer auf dich, weil

du mir nie so wirklich viel zugetraut hast, obwohl ich älter bin als du und meine ganzen Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg mitgebracht hatte. Ich glaubte daher Jons Reden, dass du schon als junger Bursche falsch und verschlagen gewesen bist. Ihr wart im selben Alter, er kannte dich besser, vor allem, da ich mich zu der Zeit schon den Rebellen angeschlossen hatte. Erst als mir Ria heute von seinem Verrat berichtete, begann ich alles nochmals zu überdenken.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich über sein Kinn. „Und Vater hat mir ebenfalls seine Meinung dazu gesagt.“ Jetzt konnte man auch den blauen Fleck sehen, der an Thorlads Kinn

langsam Gestalt annahm. Vilkas hörte nur mit halbem Ohr hin. Zu sehr beschäftigte ihn die Tatsache, dass das Buch, das Thorald ihm in die Hand gedrückt hatte, Kodlaks Tagebuch war. Wie kam jemand wie er nur an diese persönlichen Aufzeichnungen? Thorald sprudelte inzwischen seine Bekenntnisse weiter. Er wollte wohl alles loswerden, was ihn bedrückte. Es musste ziemlich viel sein, denn er tropfte weiterhin auf den Teppich und machte keine Anstalten, das Gespräch auf später zu verschieben. Vilkas widmete sich wieder Thoralds Ausführungen, während er Hanas Hand auf seinem Rücken spürte. Unbemerkt war sie hinter ihn

getreten. „Jon fädelte alles so geschickt ein“, sprach Throald weiter. „Er hat schon immer abfällige Bemerkungen gegen dich fallen lassen. Aber als wir Kodlaks Tagebuch fanden, begann er uns dann gezielt aufzuhetzen. Ich wusste ehrlich nicht, dass er so weit gehen würde, sich mit Hircine gegen dich zu verbünden, um deinen Platz einzunehmen. Er sprach zwar davon, doch das nahm ich nie ernst. Ich dachte wirklich, er würde sich nur Luft machen und wir würden vielleicht von einem gemeinsamen Antrag sprechen, einen neuen Herold bestimmen zu dürfen.“ Aufgebracht fuhr sich Thorald durch seine nassen

Haare. Hana spürte die Anspannung in Vilkas. Das, was dieser Mann zu ihm sagte, fand sie einfach ungeheuerlich. In ihren Augen gab es keinen Besseren als Vilkas. Wie konnte man nur seine Fähigkeiten so in Frage stellen und einen Antrag für seine Absetzung als Herold erwirken wollen? Thorald war ihr auch von Anfang an unsympathisch gewesen. Das lag wohl daran, weil er sich so vehement gegen Vilkas gestellt hatte. Jon dagegen war unauffälliger geblieben. Wahrscheinlich, weil er zu dem Zeitpunkt bereits vorhatte, ihn zu töten und seinen Platz zu übernehmen. Hana schüttelte sich innerlich vor Abscheu.

Vilkas musste das mitbekommen haben. Unwillkürlich machte er einen Schritt näher zu ihr. Thorald dagegen bemerkte nichts. Er fuhr fort, als müsste er in den nächsten Minuten alles loswerden. „Zuerst erzählte Jon uns Begebenheiten aus eurer Jugend, wobei er dann auch fallen ließ, dass du damals schon für den Tod eines jungen Mädchens verantwortlich gewesen warst. Er sagte, dass diese Lavinia ein Kind von dir erwartet hätte und du sie von der Befestigungsmauer gestoßen hattest, um dich vor der Verantwortung zu drücken.“ Diese Ungeheuerlichkeit traf Vilkas so unvorbereitet, dass er zurücktaumelte.

Sein Gesicht wurde kreidebleich. Er spürte noch Hanas Hand, die versuchte, ihn zu stützen, doch es nutzte nichts. „Dieses verlogene Schwein!“, grollte er. „Lavinia starb als Jungfrau!“ Allmählich verstand er, warum die Stimmung in Jorrvaskr immer unerträglicher geworden war. Wenn solche Gerüchte grassierten, war es kein Wunder, dass ihm alle – von den jungen Gefährten zumindest – die Pest an den Hals wünschten. Thorald und Ria standen beide vor ihm, wie das personifizierte schlechte Gewissen. „Er behauptete noch ganz andere Sachen.“ Verlegen sah Thorald auf den Boden, auf dem die Wasserlacke immer größer wurde. „Es tut mir leid“,

betonte er nochmals. „Ich würde das alles gerne wieder gut machen.“ Kurz sammelte sich Thorald und seufzte. „Ich weiß, ich hatte meine Schwierigkeiten mit dir und ja, du bist oft ungut, abweisend und von dir selbst überzeugt, aber das ist kein Grund, dir gleich alles anzudichten.“ Etwas leiser fügte er noch hinzu: „Und dem auch noch Glauben zu schenken…“ Das war für Vilkas nichts Neues. Er wusste, dass Thorald, als der Ältere, schon immer Schwierigkeiten gehabt hatte, etwas von ihm anzunehmen. Seltsamerweise hatten dagegen alle der älteren Gefährten, keine Probleme mit ihm als Herold gehabt. Vilkas Blick glitt

zu dem Tagebuch, das er umklammert hielt. Wie eine Zentnerlast lag es in seinen Händen. Wer wusste schon, was da alles darin stand? Wahrscheinlich eben all diese wohlgehüteten Geheimnisse, die so plötzlich in aller Munde waren. Als wäre es ihm zu schwer, legte Vilkas das Buch auf den Tisch. „Wie seid ihr an dieses Buch gekommen?“ Thorald wand sich. Ria war es schließlich, die für ihn einsprang. „Jon hat es aus Kodlaks Räumen geholt.“ Sie unterbrach sich. „Entschuldige! Eigentlich aus deinen Räumen. Aber Jon behauptete immer, dass du sie dir angeeignet hast, obwohl sie dir nicht

zustehen würden.“ Sofort ruckte Vilkas Blick zu der Truhe, in der Kodlaks Besitztümer ruhten. Sie stand unverschlossen nahe bei den Doppeltüren. Für ihn war die Habe seines langjährigen Herolds tabu gewesen. Er hatte Kodlak zu sehr geschätzt, als dass er sich nach dessen Tod hingesetzt und in seinen Sachen gewühlt hätte. Doch wie man sah, kannten andere nicht diese Art von Respekt. Weder vor dem Tod, noch vor dem Eigentum anderer. „Wann?“, fragte er kurz angebunden. Dabei kämpfte er bereits mit seiner Beherrschung. „Kurz nachdem du mit Farkas nach Rorikstatt aufgebrochen bist“, sagte

Thorald. „Athis, Torvar und Njada waren auch auf Aufträgen unterwegs und er hatte uns dazu überredet. Ria suchte auf deinem Schreibtisch nach der Liste für die Aufträge, Jon durchwühlte die Kiste und ich passte auf, dass uns Tilma nicht überrascht.“ Vilkas spürte, wie der Zorn in ihm immer höher stieg. Die beiden Gefährten, die Jon so auf seine Seite ziehen konnte, waren voller Reue, dennoch begann eine Wut in ihm zu gären, die er nun nicht mehr zurückhalten konnte. „Verschwindet!“, fuhr er sie an. „Vilkas, bitte! Es tut uns so leid!“, rief Ria. „Verlasst sofort meine Privaträume!“

Bedrohlich richtete er sich auf. Seine Augen glühten im gelblichen Schein der Wolfsbestie. Egal wie sehr es ihnen jetzt Leid tat, diese Unverfrorenheit, welche sie an den Tag gelegt hatten, ließ ihn vor Zorn überkochen. „Verbannst du uns ebenfalls? So wie Jon?“ Thorald blickte bestürzt auf seinen Herold. Drohend kam Vilkas auf sie zu. Er war größer als Thorald und als Ria sowieso. „Geht mir aus den Augen! Verschwindet endlich! Mein Vater mag ein Hurensohn gewesen sein, aber zumindest wusste er das Eigentum anderer zu wahren!“ Tief grollte seine Stimme und seine Haare stellten sich auf, als würde er sein Fell

sträuben. „Oder ich überlege es mir wirklich noch, euch zu verbannen.“ So rasch sie konnten, verließen die beiden seine Gemächer. Zurück blieb nur die große Lacke und Kodlaks Tagebuch, das in seinem roten Ledereinband wie das Harmloseste, das es in ganz Tamriel nur geben konnte, auf dem Tisch lag. Schwer stützte sich Vilkas auf dem Türrahmen ab. Hana lief zu ihm und umarmte ihn von hinten. Dabei lehnte sie ganz sanft ihren Kopf an seine frischen Verbände. Sie spürte seine Erschütterung und den Zorn, der in ihm tobte. „Das hat es hier bei den Gefährten noch nie gegeben“, knurrte er. „Jedenfalls soweit ich weiß.“ Mit einer Hand stützte er sich

noch ab, die andere legte er über Hanas Arme, die sie um seinen Bauch geschlungen hatte. „Wir waren hier immer wie eine Familie“, sprach Vilkas weiter. „Natürlich gab es Streit und Auseinandersetzungen, aber niemals so einen Verrat oder diese Respektlosigkeit.“ „Ich weiß auch nicht“, murmelte Hana in seine Verbände. „Aber oft ist es so, dass ein giftiger Pilz, das gesamte Mahl verdirbt.“ Kurz drückte Hana ihre Arme wie eine Bestätigung zusammen. „Dieser Jon hat es wohl verstanden, Zwietracht zu säen. Ich kenne die beiden nicht sehr gut, aber sie wirkten wirklich so, als würden sie bereuen, was sie getan

haben.“ Vilkas ließ Hanas Worte auf sich wirken. Das und ihre liebevolle Umarmung schafften es schließlich, dass er sich langsam wieder beruhigte. Er stieß sich vom Türrahmen ab und drehte sich in Hanas Umarmung, bis sie mit ihrem Kopf an seiner Brust lag. „Du magst Recht haben“, begann er. „Ich werde aber Zeit brauchen, bis ich ihnen wieder vertrauen kann – wenn überhaupt.“ Er drückte Hana einen Kuss auf ihren Scheitel und wollte sich aus ihrer Umarmung befreien. Doch das Mädchen hielt sich weiter fest und vergrub ihren Kopf noch tiefer in seiner Brust. „Diese Lavinia…“, kam es

dann langsam von dort unten. „Du hast sie wohl sehr geliebt?“ Der große Mann stutzte. „Sie war meine erste Liebe, ja.“ „Wie starb sie wirklich?“ Hana ließ nicht locker. Bei dieser Frau spürte sie, dass Vilkas tiefe Gefühle für sie gehegt haben musste. Das war etwas, über das sie unbedingt Bescheid wissen wollte. Diese Tragödie, war sicher eine weitere Ursache für Vilkas Verschlossenheit und vor allem für sein Abblocken gegenüber jeglichen Gefühlen. Und noch etwas spürte Hana: Eifersucht. Vilkas war für sie die erste große Liebe, doch er hatte vor ihr bereits ein Mädchen, das er wohl über alles geliebt hatte und die auf

tragische Weise starb. Das gab ihr einen Stich im Herzen. „Müssen wir unbedingt jetzt darüber sprechen?“, fragte er. Hana nickte heftig und hielt sich weiter in seiner Umarmung. Vilkas seufzte ergeben. „Mein Vater hatte Farkas und mir verboten, uns mit Mädchen einzulassen. Als er mich mit Lavinia in unserem Versteck sah, wurde er gewalttätig. Er begann mich zu bestrafen. Vor ihren Augen!“ Vilkas hielt kurz inne, als die alten Erinnerungen hochkamen. „Ich fürchtete, dass er ihr auch etwas antun könnte und schickte sie weg. Außerdem wollte ich nicht, dass sie zusehen musste, wie ich wie ein Hund von

meinem Vater halb tot geprügelt wurde.“ Vilkas schloss die Augen vor Gram und Selbstanklage. „Hätte ich das nur niemals getan! Sie könnte noch leben! So lief sie in Panik davon, rutschte am schmalen, eisigen Pfad aus und stürzte in die Tiefe.“ Kurz war es still zwischen ihnen. Hana hielt die Luft an, während heiße Tränen aus ihren Augen quollen. Das war einfach zu grauenhaft. Nicht nur, dass Vilkas solche Torturen ertragen musste, er gab sich auch noch die Schuld daran, dass Lavinia abstürzte, weil er sie weggeschickt hatte. Hana verstand seinen verschlossenen Charakter nun noch besser. Er tat ihr zutiefst leid, und

gleichzeitig spürte sie einen anderen Schmerz in sich. Sie schalt sich für ihren Egoismus, doch der Schmerz, dass sie in Vilkas Herzen wohl niemals diese Lavinia ersetzen würde können, blieb. Sie würde immer die Zweite bleiben. Das tat furchtbar weh. Wie als könnte Vilkas ihren Kummer fühlen, griff er unter Hanas Kinn und hob ihren Kopf an. Seine grauen Augen blickten sie durchdringend an. Ganz so, als könnte er durch sie hindurchsehen. Nichts blieb vor seinem Blick verborgen. Nicht einmal ihr innerster Herzschmerz. Verheult blickte sie zu ihm auf und schämte sich furchtbar. Da spürte sie seine warmen Lippen, die behutsam die

ihren berührten. „Dummes Mädchen!“, sagte er rau. „Ich war damals gerade erst achtzehn und sie war jung und hübsch. Ich war in sie verliebt wie wohl jeder Junge sich in das erste Mädchen verliebt, das ihm gefällt.“ Hana verbarg ihren Kopf wieder an seiner Brust. „Ich glaube nicht, dass Lavinia jemals den Werwolf in mir akzeptiert hätte“, fuhr Vilkas fort. „Sie hatte nicht deine innere Stärke. Doch soweit dachte ich damals nicht. Als sie starb, brach eine Welt für mich zusammen. Doch aus mehreren Gründen. Heute mache mir nur Vorwürfe, dass sie wegen mir niemals die Chance bekam, erwachsen zu werden, eine Frau zu

werden und ein Leben zu haben.“ Hana schluchzte. „Verzeih mir. Du hast andere Probleme als meine Eifersucht. Aber…“ Nochmals hob er ihren Kopf an. Beschämt blickte sie zu ihm auf. Vilkas hätte ihr noch vieles sagen können, doch er zog es vor, sie auf seine Weise zu überzeugen. So beugte er sich zu ihr und küsste sie. Auf die Art und Weise, wie er außer ihr noch nie eine Frau geküsst hatte. Nicht einmal Lavinia. Und Hana ließ sich fallen. Sie spürte, was er damit sagen wollte und akzeptierte es. Leidenschaft brandete sofort zwischen ihnen auf, die vielleicht noch zu

weiterem geführt hätte, wenn nicht Varis Greinen in dem Moment bis zu ihnen vorgedrungen wäre. Vilkas empfindliche Ohren hatten die Schreie des Kleinen sofort aufgenommen. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, hatte sich Hana bereits von ihm gelöst. Mütter hatten wohl ähnlich empfindliche Ohren wie Wölfe. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Vilkas einen bedauernden Kuss auf die Lippen. „Ich muss los, der Kleine schreit!“ Damit war sie ebenfalls bei der Tür draußen und Vilkas wieder alleine. Doch die entspannte Ruhe, die er genossen hatte, bevor Thorald hereingeplatzt war, war dahin. Knurrend

besorgte er sich einige von Tilmas Putzfetzen und legte sie auf den nassen Teppich. Dann setzte er sich wieder an seinen Tisch und starrte das roteingebundene Buch an, als könnte es ihm bereits auf diese Weise alle seine Geheimnisse offenbaren. Schließlich nahm er es an sich und begann darin zu lesen. Es war genauso, wie er vermutet hatte. Kodlak hatte in seinen Aufzeichnungen wohl wirklich nichts ausgelassen. Seine eigene Geschichte kannte Vilkas ja, aber die Bemerkungen, die Kodlak über seinen Vater gemacht hatte, bewegten ihn doch. Jörgen war ein Scheißkerl gewesen. Er hatte ihn und Farkas

schlechter behandelt als räudige Köter. Dennoch schien er ein guter Gefährte gewesen zu sein. Kodlak erwähnte, wie Jörgen ihm und noch einem weiteren Gefährten, der nun nicht mehr unter ihnen weilte, das Leben gerettet hatte. Dabei hätte er beinahe das Seine verloren. Kodlak schrieb auch von Jörgens tiefer Trauer, als Kathreen, seine Frau, bei der Geburt von ihm und Farkas starb. Wie sich Jörgen danach über ein Jahr im Suff verlor, bis er langsam wieder auf die Beine kam. Dabei berichtete Kodlak auch über Jörgens Herkunft, unter welch brutalen Umständen er bei den Soldaten aufwuchs. Als einer von den vielen

Kindern, die von den Huren, welche die Söldner begleiteten, zu diesen abgeschoben worden waren. Vilkas las, bis Hana ihn zum Essen holte. Er hatte sich ganz in den Tagebucheintragungen seines ehemaligen Herolds verloren. Nicht nur von Jörgen, oder von Farkas und ihm, war die Rede. Auch von Kodlaks und Tilmas Liebschaft, der ein Knabe entsprang, wurde berichtet. Der Junge starb aber, bevor er noch sein sechstes Lebensjahr erreicht hatte. Das und noch vieles mehr füllte die Seiten dieses Buches. Der große Mann war zutiefst bewegt. Das, was er hier in den Händen hielt, war wie ein Rückblick über all die Jahre, die

Kodlak Herod der Gefährten war. Trauriges, Berührendes, Schönes… alles kam darin vor. Er fühlte sich berührt und es war ein Juwel, das Vilkas auch wie ein solches behandeln wollte. So stellte er es in das Regal, in dem er nur besondere Schätze aufbewahrte. Wie einen Armreif seiner Mutter, den Priesterinnengürtel seiner Großmutter oder Skjors Siegelring. Hana hatte beim Essen bemerkt, in welch nachdenkliche Stimmung Vilkas gekommen war. Wenigstens hatte er nicht mehr den Zorn in sich, den Thorald mit seinem Bekenntnis ausgelöst hatte. Sie vermutete schon, dass Vilkas Veränderung mit dem Tagebuch zu tun

hatte, aber sie wollte ihn nicht damit löchern. Ihr war nur wichtig, dass es ihm wieder besser ging. Das zeigte sich auch, als sie Varis gesättigt und frisch gewickelt in seine Wiege gelegt hatte, die sie nun in ihrer Schlafkammer stehen hatte. Es war immer noch kühl, aber sie hatte Vilkas Angebot einzuheizen abgelehnt. Der Kleine war gut zugedeckt und sie würde an Vilkas Seite ebenfalls nicht frieren. Als sie endlich mit allem fertig war und sich mit ihrem Schlafhemd schnell unter die Decken flüchtete wartete Vilkas bereits ungeduldig auf sie. Es ging ihm wirklich schon besser und die Leidenschaft, die heute schon in dem

Kuss hochgeschnellt war, flammte sofort wieder auf. Vilkas war in seinen Bewegungen auch nicht mehr eingeschränkt. Zum Glück hatte Varis einen so gesegneten Schlaf, denn Hana gelang es nicht leise zu bleiben, während Vilkas und sie sich liebten, auch wenn sie es sich noch so vorgenommen hatte. Ihr Schlafhemd endete als zerknülltes Stück Stoff neben ihrem Lager, während Vilkas sich bereits wohlweislich ohne jegliches Kleidungsstück ins Bett gelegt hatte. Nach ihrer Vereinigung, die Hana noch lange nachvibrieren ließ, unterhielten sie sich leise miteinander. Vilkas war in gelöster Stimmung, was sicherlich nicht

nur an ihrem ausgesprochen innigen Liebesspiel lag. So erzählte er ihr auch alles, was er in Kodlaks Tagebuch gelesen hatte und was für berührende und auch feierliche Gefühle es in ihm ausgelöst hatte. Hana hätte weinen können vor Freude. Sie spürte, wie ein weiterer, wichtiger Teil von Vilkas auf dem Weg war, wieder zu ihm zurückzukommen. Sie hoffte aus tiefstem Herzen, dass die nächste Zeit endlich Ruhe in seinem Leben Einkehr halten würde, damit er noch weiter zu sich finden konnte. In ihren Augen hatte er es mehr als verdient. Wie weit ihr Wunsch aber von der Realität entfernt lag, konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. So

verbrachten die beiden wenigstens diese Nacht noch in Eintracht und Frieden. Selig schlief Hana an seiner Seite ein. Selbst Vilkas, der endlich auch wieder auf seinem Rücken liegen konnte, schlief friedlicher und gelöster als bisher. Nicht einmal Varis störte die beiden in ihrer Nachtruhe. Der Säugling schlummerte ebenso tief und fest, bis am frühen Morgen lautes Gepolter erklang und die Tür zu ihren Privatgemächern, nach lautem Hämmern, aufgerissen wurde.

20 zwei wochen

Der Regen prasselte mit einem ewigen Stakkato auf den ledrigen Flügel, der sich schützend über ihn gespannt hatte. Unentwegt erhellten Blitze die karge Landschaft und der Donner echote von den hohen Felswänden. Die Finsternis war durch das heftige Gewitter viel früher hereingebrochen und beinahe sintflutartig stürzte das Regenwasser den schmalen Pfad hinab. Galen hockte auf einem flachen Felsen, während neben ihm, auf einem weit größeren Findling, Odahviing, seine Krallen hinein bohrte. Eine seltsame

Freundschaft hatte sich in all der Zeit des Kampfes gegen Alduin zwischen ihm und diesem Drachen entwickelt. Galen hatte Odahviing nicht zu sich gerufen, obwohl ihm seine Anwesenheit bei diesem Sturmgewitter ausgesprochen hilfreich war. Es war mehr der Zufall – und Odahviings Drachensicht – die ihn schließlich zu Galen geführt hatte. Odahviing war zu seiner Gefährtin geflogen, die auf diesem Bergmassiv zu brüten begonnen hatte. Dabei hatte er die unverkennbare Aura des Drachenblutes ausgemacht und war neben ihm gelandet. Viel konnte er für seinen Menschenfreund, der bedrückt dahockte, leider nicht tun. Doch allein, dass er mit

seinem mächtigen Flügel helfen konnte den strömenden Regen abzuhalten, schien dem Drachenblut zu helfen und seine Stimmung etwas aufzuhellen. „Dovakhiin!“, schnarrte der Drache. „Du kennst den Ruf zum Aufklaren des Himmels! Warum…?“ „So viel Kraft besitze ich nicht mehr, Odahviing.“ Galens Stimme klang rau und erschöpft. Etwas besorgt versuchte der Drache den Menschen zu durchschauen. Doch auch seine Sicht zeigte keine schwere Verletzung. Galen, der das Wiegen des Drachenkopfes wahrgenommen hatte, wandte sich ihm zu. „Der Werwolf hat

große Schmerzen. Das Silber tobt in ihm, als würden blanke Flammen an ihm lechzen. Ich konnte ihn nicht so leiden lassen, er ist immer noch mein Freund, auch wenn er es wohl nicht mehr mitbekommt.“ Der Drache schwenkte sein schuppiges Haupt herum und näherte sich mit ihm dem Werwolf, der schwer atmend auf dem Pfad lag. Der Regen wurde auch von ihm, dank des Drachenflügels abgehalten, doch das Wasser, das den Pfad herablief, umspielte die Kreatur dennoch. Seine Drachenaugen nahmen wahr, dass an den Stellen, an denen das Silber den Werwolf umfing, der Körperteil beinahe wie abgestorben

wirkte. Er leuchtete nur mehr ganz schwach in seiner Sicht. „Du hast Recht. Es quält ihn. Dennoch scheint er ruhig zu sein.“ Neugierig ließ Odahviing seinen Schädel wieder in Galens Nähe kommen. Aus seinen goldenen Augen blickte er ihn interessiert an. „Was hast du getan?“ „Lähmungszauber. Heute bereue ich es, dass ich nicht beständiger an meinen magischen Kräften gearbeitet habe. Die Anlagen dazu hätte ich in mir. Doch es hat mir nie so richtig Freude bereitet.“ Das Drachenblut blickte auf Farkas. „Zumindest kann ich noch genug, um seine Nerven zu lähmen. Das betäubt ihn. Aber es hat mich Kraft gekostet. Ich hoffe, dass ich noch genug übrig haben

werde, wenn die Wirkung des Zaubers nachlässt.“ Odahviing nickte. Sie hockten noch eine Zeit lang einträchtig nebeneinander, bis der Regen nachließ und das Gewitter weiter zog. Mittlerweile war es mitten in der Nacht. Der Drache zog seinen Flügel wieder ein und begann unruhig auf dem Findling mit seinen mächtigen Hinterbeinen zu stampfen. „Du kannst ruhig weiterfliegen, mein Freund“, sagte Galen und blickte müde zu Odahviing. „Danke für alles.“ Odahviing neigte anmutig sein geschupptes Haupt. „Leb wohl, Dovahkiin. Mögen sich unsere Lebenswege bald wieder kreuzen.“ Damit

breitete er seine Schwingen aus und stieß sich vom Findling ab. Mit einem herrischen Schrei, der ihn in den Lüften ankündigte, hob er ab und gewann schnell an Höhe. Galen sah ihm nach, bis sein mächtiger Körper in den Wolken verschwand. Dann ließ er seinen Blick wieder auf den Werwolf fallen. Sein Zauber schien noch immer zu wirken. Das war sehr gut, denn Galen würde noch Zeit brauchen, bis er wieder genügend Magie in sich hätte, um Farkas erneut zu betäuben. Zumindest waren das Gewitter und der Sturm vorüber. Wenn Torvar jetzt vom Geiereck los ritt, müsste er es bis zum Morgen nach Weißlauf schaffen. „Bei Talos!

Beeil dich Torvar!“, betete Galen, während er weiter den Himmel beobachtete, der sich nun aber endlich besänftigt und ruhig gab. „Selbst meine Drachenkräfte sind nicht unerschöpflich!“ *** Das laute Hämmern an seiner Türe in noch grauer Morgenstunde ließ Vilkas aus dem Bett springen und in seinen Wohnraum laufen. Doch so schnell Vilkas auch war, Torvar war schneller. Der Gefährte stürmte in seine Privatgemächer hinein, und wäre auch bis in das Schlafzimmer gestürzt, wenn

Vilkas nicht bis dahin schon draußen gewesen wäre. Evva, die Torvar dicht nachfolgte, fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, denn Vilkas war aus dem Bett gesprungen, so wie er darin geschlafen hatte – mit nichts als seinen Verbänden um den Oberkörper. Ihr schreckensbleiches Gesicht, das leicht grünlich wirkte, als sei ihr übel, wurde zu allem Überfluss auch noch rot und hätte Torvar nicht eine Miene gemacht, als wäre Hircine persönlich hinter ihm her, hätte Vilkas wahrscheinlich laut aufgelacht. So aber stellte es ihm sämtliche Haare auf, als er das Entsetzen spürte, das der Gefährte ausstrahlte.

„Torvar!“, rief Vilkas. „Bei den Göttern! Was ist geschehen?“ Der trinkfreudige Geselle war ein eher ruhiger Zeitgeist. Darum wirkte sein offensichtliches Grauen noch aufrüttelnder. „Farkas!“, rief Torvar. „Du musst… sofort … zu Farkas!“ Torvar war wohl so schnell gelaufen, dass er jetzt japsend Luft holen musste. Die Worte kamen nur gehackt zwischen hektischen Atemzügen hervor. Im Schlafgemach hörte Vilkas den Kleinen schreien und Hanas Stimme, die versuchte ihn zu beruhigen. Aber der Säugling brüllte immer lauter, während ihm selbst die Stimme versagte.

Inzwischen füllte sich sein Wohnbereich, denn von dem Gepolter und den Rufen, die Torvar ausgestoßen haben musste, waren alle erwacht. Njada war die erste die hereinstürmte. Nach ihr folgte Athis. Die anderen hielten sich zurück. Ria und Thorald wagten wohl nicht mehr seine Räume zu betreten. Nicht einmal in einem Notfall. Vilkas war immer noch nackt, doch das war im Moment sein geringstes Problem. Er spürte, dass etwas Entsetzliches geschehen sein musste. Seine Hand schnellte vor und packte voller Erregung den armen Torvar. Leicht begann er ihn zu schütteln. „Jetzt rede schon!“, rief er dabei. „Der Werwolf… Farkas ist… ein Werwolf

geblieben!“, keuchte der Gefährte. Vilkas ließ ihn sofort los, drehte sich um, stürmte ins Schlafgemach, indem Hana bereits in ihr Schlafhemd geschlüpft war und das brüllende Kind zu beruhigen versuchte. So gerne er ihren erschrockenen Blick beantwortet hätte, drängte ihn jedoch alles danach zu seinem Bruder zu gelangen. Er raffte seine Kleidung vom Stuhl, auf dem er sie abgelegt hatte und war gleich darauf wieder in seinem Wohnraum bei Torvar. Dort schlüpfte er in seine Hosen. „Warum hat er den Werwolf überhaupt beschworen?“, rief Vilkas, während er mit fahrigen Fingern die Verschnürungen seiner Hose zuband.

Hilflos blickte Torvar ihn an. Davon wusste er nichts. Evva war es, die schließlich antwortete. Sie war immer noch rot im Gesicht und glotzte Vilkas an, als hätte sie noch nie zuvor einen nackten Mann gesehen – was wohl auch der Fall gewesen war. „Vampire“, flüsterte sie. „Ich… ich habe die Leiche gesehen. Das war ein Vampir.“ „Verdammt!“, fluchte Vilkas. „Verdammt, verdammt, verdammt!“ Dabei stülpte er sich auch das Hemd über. „Wo?“ Als fragende Blicke ihm antworteten konkretisierte er: „Wo ist Farkas?“ „Im Troll-Land! Galen… ist bei ihm

geblieben!“ Trovar war immer noch außer Atem. „Was ist mit dem Silber?“, fragte Athis nach. Auch er war bis auf seine Schlafhosen noch unbekleidet. Die unermüdliche Njada war die einzige, die bereits in voller Rüstung im Raum stand. „Ich habe gesehen, wie Farkas die Silbermanschetten mitnahm“, betonte der Dunkelelf. „Es hat ihn… kampfunfähig gemacht. Aber… nicht zurückverwandelt.“ Torvar stützte sich bereits mit einem Arm an der Wand ab und holte mühsam Luft. Evva hatte ihre rote Gesichtsfarbe verloren und hing wieder bleich und leicht grünlich am Kasten. Sie hatte ebenfalls

Probleme gerade stehen zu können. Die beiden mussten die gesamte Strecke über mit vollem Tempo gelaufen sein. In welchem Zustand die Pferde waren, wollte Vilkas gar nicht erst wissen. „Geht inzwischen hinauf und stärkt euch. Ich komme sofort nach“, sagte er zu ihnen und wandte sich an Hana, die mit dem brüllenden Säugling nun ebenfalls herausgekommen war. „Hana…!“ „Ich weiß!“, bemühte sie sich tapfer zu klingen. „Wirst du… wirst du ihm helfen können?“ Vilkas umarmte sie, während Varis sich langsam beruhigte. Sie waren auch wieder alleine in seinen Räumen. „An

etwas anderes, will ich gar nicht denken!“, antwortete er ihr. „Vilkas… ich habe Angst!“ Hanas schreckgeweitete Augen ruhten auf ihm, während der Säugling, der die Panik seiner Mutter wohl fühlte, wieder lauthals zum Schreien anfing. „Schsch…“, versuchte Vilkas sie zu beruhigen, obwohl er selbst auf das äußerste erregt war. „Ich muss jetzt los! Sorg dich nicht. Uns wird schon etwas einfallen!“ „Ich sorge mich nicht nur um Farkas!“, rief Hana. „Du… du bist noch nicht ganz genesen! Was ist, wenn dort ein Vampir-Nest ist?“ Völlig aufgelöst stand sie da. „Wenn… wenn… wenn auch du dich

verlierst?“ Der Gedanke war für Hana kaum zu ertragen. Aber die Möglichkeit war da, dass auch Vilkas dem Fluch erliegen würde. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wusste, dass sie Vilkas niemals davon abbringen könnte und das wollte sie auch gar nicht. Farkas musste geholfen werden! Doch die Angst blieb. Die Angst, auch Vilkas zu verlieren, konnte ihr niemand nehmen. Ein Gefühl der Ratlosigkeit stieg in Vilkas auf. Er konnte seiner Geliebten wirklich nicht die berechtigte Angst nehmen. Damit musste sie leben, bis er wiederkam. In einer Aufwallung tiefster Gefühle für Hana zog er sie fest an sich.

„Ich werde alles tun, damit es nicht dazu kommt. Alles!“, versprach er ihr und beugte sich herab um sie zu küssen. Tapfer nickte sie. „Ich weiß.“ Und mit aller Liebe die sie aufbringen konnte, erwiderte sie seinen Kuss, bis er sich von ihr losriss und ohne sich umzusehen aus dem Raum stürzte. Vor seinen Privatgemächern standen Regale, die mit seinen Rüstungen bestückt waren. Eine davon schnallte er sich sofort um. Bei den Waffenständern griff er zu seinem bevorzugten Zweihänder, nahm sich diesmal aber auch einen Langbogen und einen Dolch mit. So gerüstet lief er die Treppe zur Met-Halle hinauf. Oben standen in einer

ganzen Reihe von Fächern an der Wand Heiltränke, von denen er sich gleich ein paar in seine Hüfttasche füllte. Seine Kameraden sahen ihn ernst an. Da erst bemerkte Vilkas, dass ausnahmslos alle bereits in voller Montur dastanden und sich den Anschein gaben, mitkommen zu wollen. „Was soll das?“, fragte er und blickte sich um. „Du wirst doch nicht alleine gehen wollen!“, rief Athis und stopfte sich noch schnell den letzten Bissen Brot in den Mund. Vilkas trat ebenfalls zum Tisch und nahm sich eine Schnitte Trockenfleisch. Während er sich angezogen und ausgerüstet hatte, hatte er auch die Zeit

gefunden, wieder zu sich zu finden. Sein Verstand arbeitete kalt und präzise wie immer. Den Gedanken an Farkas und Hana hatte er weit von sich geschoben. Er musste funktionieren, sonst könnte er niemandem helfen. So überblickte er die Situation augenblicklich und traf seine Entscheidungen. „Ich weiß deinen Einsatz zu schätzen, Athis“, sprach Vilkas. „Aber ich brauche dich hier. Ich will Hana nicht alleine lassen. Du musst sie und das Kind mit deinem Leben schützen.“ Kalt blickte er über alle anderen Anwesenden. „Torvar und Evva, ihr bleibt ebenfalls hier. Ihr müsst euch ausruhen. Farkas finde ich auch ohne eure

Hilfe.“ Dankbar nickten die beiden. Sie hätten wohl kaum den Weg in vollem Tempo, das Vilkas ohne Zweifel einschlagen wollte, geschafft. „Gut“, nickte Vilkas und biss vom Fleisch ab. „Njada oder Ria, eine von euch bleibt ebenfalls hier, die andere kann mitkommen. Ebenso Thorald.“ Sofort machte sich der Gefährte bereit. Ria und Njada duellierten sich kurz mit den Blicken, dann gab Njada nach und Ria stellte sich zu Thorald. Athis knirschte mit den Zähnen. „Ich weiß was dir das Mädchen bedeutet. Sei unbesorgt“, meinte er. Aber es war klar zu erkennen, dass er lieber mitgegangen

wäre. Vilkas nickte. „Bereit?“, fragte er Thorald und Ria. Als die beiden bejahten, biss er nochmals vom Fleisch ab, dann stürmte er zu den Toren. So rasch es ging folgten ihm seine Begleiter. Es wurde ein Höllenritt. Vilkas hatte das Gefühl, als würde ihm die Zeit unter den Fingern davonfließen. „Verdammt, Farkas!“, knurrte er unentwegt. „Wage es ja nicht mich im Stich zu lassen!“ Dass sein Gebrabbel und Geknurre völlig sinnlos war, war ihm egal. Es half ihm seine eigene Panik einzudämmen, die immer lauter ihre Aufmerksamkeit forderte.

Es war kurz nach dem Gasthof ‚Geiereck‘, als Vilkas Farkas Wolfsgeruch in die Nase stieg. Es war also wahr. Für einen kurzen Moment hatte er noch gehofft, dass alles ein Irrtum war und Farkas sich vielleicht wieder von selbst gefunden hätte. Das war lächerlich, dennoch hatte diese Hoffnung bis zu diesem Augenblick einen Teil seines Seins ausgemacht. Falls das überhaupt noch möglich war, wurde er noch schneller. Als sie endlich an der Wegbiegung ankamen, bei der die Gefährten vor Tagen bereits ihre Arbeit im Troll-Land begonnen hatten, sprang Vilkas vom

Pferd und rannte den Weg hinauf. Thorald folgte ihm mit ein wenig Abstand und Ria mit einem noch größeren Abstand. Rasch gewann Vilkas an Höhe und war nur kurze Zeit später an der Weggabelung, die von Büschen und Felsen verborgen wurde. Vilkas Geruchssinn konnte der große Busch nicht vom schmalen Pfad abhalten, der sich dahinter verbarg. „Ihr müsst durch den Sperlingsbusch hindurch!“, rief er zu seinen Begleitern, dann war er bereits nach hinten gesprungen und lief weiter. Die grauenhaften Überreste und der entsetzliche Geruch der Vampirfrau, welche vom heftigen Regen und Gewitter

beinahe den gesamten Pfad hinuntergespült wurden, stachen ihm widerlich in die Nase. An diesem Tag schien wieder die Sonne, als hätte es niemals sintflutartigen Regen und dicke Wolken gegeben. Der Gestank des vom Regen noch aufgeweichten Leichnams war unerträglich. Hier machte Vilkas doch Halt. Es war eindeutig, dass die Leiche den steilen Weg herunter gespült worden war. Und obwohl die Leiche derartig zugerichtet war und die Elemente sich an den sterblichen Überresten ebenfalls noch ausgetobt hatten, erkannte Vilkas die Vampirin Alva von Movarths Clan. Diese Blutsauger hatten hier also ihren

Unterschlupf gefunden. Dass sie aber noch immer im Troll-Land waren, wagte er dennoch zu bezweifeln. Nach Farkas Wüten hatten sie sich wohl wieder einen neuen Ort gesucht. Soeben strauchelte Thorald durch den Busch. Sofort begann er zu würgen. „Talos sei uns gnädig!“, rief er beim Anblick des zerfetzten und durch den Regen aufgelösten Leichnams. Ria, die kurz hinter ihm aus dem Busch sprang, hatte nicht diese Beherrschung. Sie schaffte es gerade noch sich auf die Seite zu drehen, dann spie sie auch schon ihr Frühstück aus. Vilkas fand aber nicht die Zeit, auf seine Kameraden einzugehen. Er spürte die

Wolfsbestie seines Bruders, die ganz in der Nähe sein musste. Der Wolfsgeist in ihm reagierte augenblicklich. Seine Augen bekamen den typisch glühenden gelben Schein und er begann zu hecheln. „Folgt mir vorsichtig“, knurrte er und ging weiter voran. Als er ein paar hundert Meter weiter jedoch den mächtigen Körper von Farkas Werwolf sehen konnte, hielt ihn nichts mehr. Mit einem Schrei sprang er vorwärts auf den betäubten Werwolf zu, der schwer atmend auf dem Pfad lag. „FARKAS!“ schrie er und packte den Werwolf bei seinem massigen Schädel. „FARKAS!“, schrie er nochmals, was die Kreatur doch endlich reagieren ließ. Mit

einem tiefen Knurren schnappten die Kiefer des Werwolfs nach Vilkas, der es gerade noch schaffte den Schädel loszulassen und nach hinten zu entweichen. Farkas versuchte ihm nachzukommen und stieß ein erbärmliches Heulen aus, als die Silbermanschetten an seinen Pranken auf dem rauen Untergrund aufkamen. Er schaffte es nicht sich zu erheben. Seine Qualen mussten fürchterlich sein, denn Vilkas konnte die Muskelzuckungen sehen, die dort, wo die Manschetten auflagen, durch ihn durch gingen. Mit kleinen, mordlüsternen Augen, die von den Schmerzen verschleiert wurden, blickte Farkas ihn an. Vilkas konnte es

nicht glauben, doch in diesen Augen lag nicht einmal mehr die geringste Andeutung von seinem Bruder. „FARKAS!“ Vilkas schrie. Das war mehr als er ertragen konnte. Farkas war nicht mehr da. Er hatte seinen Bruder verloren. Er war nicht tot, aber das was aus ihm geworden war, war weitaus schlimmer. Langsam veränderten sich Vilkas Schreie, bis nur mehr Wolfsgeheul zu hören war. Die Bestie in ihm hatte sich vollends entfesselt. Das zuerst leidvolle Heulen, das von den Berghängen echote, veränderte sich aber und ging in wütendes Knurren über. Mit hochgezogenen Lefzen sprang Vilkas auf den am Boden liegenden Werwolf zu.

Dieser versuchte sich aufzurichten, sich dem Angriff zu stellen, dennoch war es ihm nicht möglich. Drohend knurrte er, aber Vilkas riss seinen Rachen auf und fuhr an Farkas Kehle. Mit einem einzigen Biss hätte er das Leid seines Bruders beenden können. Doch er tat es nicht. Galen, der bis zu diesem Zeitpunkt erschöpft auf seinem Felsen hockte sprang herab und stürzte auf die Werwölfe zu. Er sammelte in sich bereits die Kraft für den Schrei um die Zeit zu verlangsamen, als er sah, dass das gar nicht mehr nötig war. Er hätte sich sowieso gefragt, was er – außer einem Zeitgewinn – damit herausgeschunden hätte. In ihm war keine Kraft für einen

weiteren Kampf mit einem Werwolf übrig. So blieb er stehen und starrte auf die Szene vor ihm, wie es auch Thorald und Ria von der anderen Seite her taten. Vilkas hatte Farkas Kehle in seinen mächtigen Fängen, doch er biss nicht zu. Er legte eine seiner Pranken auf die Schulter des Werwolfs und zog langsam seinen Schädel zurück. Die Kreatur unter ihm rührte sich nicht. Allein an den Augen, die unruhig hin und her gingen, war zu sehen, dass der Werwolf bei Bewusstsein war. Zumindest seinen Leitwolf hatte die Bestie anerkannt. Ein undefinierbares Geräusch hob an. Es war wie ein hohes Fiepen und so unangenehm, dass es beinahe in den

Ohren wehtat. Galen blickte erstaunt um sich. Das seltsame Geräusch irritierte ihn. Aber er konnte nicht ausmachen, woher es kam. Bis es lauter wurde und schließlich eindeutig als Winseln zu erkennen war. Vilkas war es, der diesen Laut ausstieß. Dabei stupste er Farkas mit seiner Schnauze an, als könnte er ihn damit bewegen, wieder zu sich zu finden. Galen stiegen die Tränen hoch, als er das sah. Vilkas, dem kaum ein Lächeln entkam, dessen Gefühlsäußerungen so spärlich wie Grashalme in den Wüsten von Elsweyr waren, begann über Farkas Schnauze zu lecken, ihn immer wieder anzustupfen und ließ dabei ein Winseln

hören, das jeden sogar aus der Hölle selbst zurück geholt hätte. Doch Farkas blieb verschwunden. Das Einzige, das Vilkas erreichte war, dass der Werwolf unter ihm ruhiger wurde. Schließlich warf Vilkas seinen Kopf zurück und ließ ein Heulen ertönen, das leidvoller nicht sein könnte. Farkas war bereits zu weit weg. Nichts und niemand konnte ihn mehr erreichen. Galen schluckte schwer und hockte sich vor die Werwolf-Brüder. „Was wirst du jetzt tun, mein Freund? Wie können wir dir noch helfen?“, murmelte er mehr zu sich als zu sonst wen. Doch Vilkas hatte ihn gehört. Sein Heulen erstarb. Er senkte seinen

Schädel und ließ eine Zeit lang seine Schnauze noch an Farkas Wolfsschädel ruhen, danach ging er zurück und richtete sich auf. Durchdringend fixierte er seine Kameraden. Einen nach dem anderen. Dann trat er erneut an Farkas heran, wobei er seine Lefzen hochzog. „Nein!“, keuchte Galen. Vilkas würde doch nicht tatsächlich seinen Bruder töten! Aber welche Wahl blieb ihm noch? Sie konnten ihn genauso wenig hier freilassen und so tun als wäre nichts. Der Werwolf würde irgendwann in bewohntes Gebiet hinabziehen und was dann los war, daran wollte Galen nicht einmal denken. „Vilkas, bitte! Es muss doch noch eine Möglichkeit geben!

Irgendeine!“, begann das Drachenblut zu betteln. Ria begann zu schluchzen, während Thorald verzweifelt von einem zum anderen blickte. Vilkas knurrte und fletschte die Zähne. Grollend schüttelte er seinen mächtigen Schädel, aber es war schwer ihn zu verstehen. Als Galen dann doch noch Ansätze machte sich dazwischen zu werfen, fegte er ihn mit einem Prankenschlag weg. Es wäre gut gewesen, wenn er sich erklären könnte, doch noch einmal die Form wechseln wollte er nicht. Bis jetzt hatte er noch sein Bewusstsein, doch wenn er sich noch einmal verwandeln würde, wäre das nicht mehr so sicher. Und das was er

jetzt vorhatte, konnte er nur als Werwolf tun. Noch einmal knurrte er warnend alle an, dann beugte er sich über den Werwolf unter ihm, fasste ihn an den Schultern und hob ihn hoch. Dabei berührte eine der Silbermanschetten auf Farkas Pranken seinen Oberkörper. Der Schmerz war so heftig, dass er seinen Bruder beinahe fallen ließ. Mit Mühe verlagerte er dessen Gewicht, sodass nur mehr die Halsmanschette an seiner Brust ankam. Das war übel, aber anders ging es nicht. Er fragte sich gerade, wie Farkas das ausgehalten hatte, auf diese Weise in der Vampirhöhle zu kämpfen. Aber sein Hass auf die Vampire und seine Trauer um

Aela hatten ihn wohl alles ertragen lassen. So stand Vilkas jetzt da und blickte herausfordernd auf seine Kameraden, die immer noch nicht kapierten, auf was er hinaus wollte. Erst als er begann Farkas bergabwärts ein Stück hinter sich her zu schleifen, sprang endlich Thorald hinzu, packte einen von Farkas Hinterläufen und hob ihn an seiner Hüfte an. Farkas begann bedrohlich zu knurren, doch Vilkas stupste ihm sofort an seine Schnauze. Wenigstens schien die Wolfsbestie den Leitwolf weiterhin anzuerkennen, denn augenblicklich verstummte Farkas. Galen rieb sich über seinen Hinterkopf.

Er war hart gegen einen Felsen geprallt. Zum Glück hatte Vilkas den Hieb nur mit den Ballen an seinen Pranken ausgeführt. Galen würde sonst lieb aussehen. Wie frisch filetiert. So würde gerade eine Beule kurzzeitig davon zurückbleiben. „Du liebe Güte!“, stöhnte er. „Und ich dachte schon, du wolltest Farkas von seinem Leid erlösen!“ Beherzt griff er sich den zweiten Hinterlauf. „Ich habe zwar keinen blassen Schimmer was du vorhast, mit einem Werwolf, aber bitte, wir folgen dir.“ Vilkas knurrte bestätigend, dann begannen sie die schwere Kreatur den Pfad hinunter zu schleppen. Ria griff überall zu, wo es gerade nötig wurde.

Dennoch war es ein beinahe undurchführbares Vorhaben. Der Busch, der den Pfad bisher so gut verborgen hatte, wurde von Ria beinahe bis auf die Wurzeln niedergehackt, damit sie besser mit Farkas daran vorbei kamen. Der geheime Pfad, war nun nicht mehr länger ein geheimer Pfad. So ging es weiter bis sie in die Nähe der Pferde kamen. Unruhiges Gewieher ertönte, da die Tiere den Geruch der Werwölfe kaum aushielten. Er versprach Gefahr. Höchste Gefahr. Vilkas blieb auch etliche Meter entfernt und hinter den Felsen verborgen stehen, wo er Farkas vorsichtig zwischen zwei höheren Findlingen ablegte. Der Werwolf

winselte, tat aber sonst nichts. Galen lehnte sich an den nächsten Felsen und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Die schwere Kreatur den ganzen Weg herunter zu tragen, selbst mit Hilfe eines weiteren Werwolfs, ging über ihrer aller Kräfte. Sie standen, saßen oder lehnten rund um den gekrümmt daliegenden Werwolf und japsten. Jeder einzelne von ihnen, selbst Vilkas, der sich inzwischen zurückverwandelt hatte, versuchte wieder zu Luft zu kommen. „Wir müssen Gurdan bitten, uns einen Wagen zu leihen“, verkündete Vilkas, als er endlich wieder sprechen konnte. „Und nicht zu vergessen: ein großes

Laken.“ „Und was dann?“, fragte Galen, dem von der Anstrengung sogar leicht übel war. „Bringen wir ihn nach Hause.“ Vilkas blickte finster von einem zum anderen. Alle schwiegen. Doch die Blicke waren betroffen. Schließlich fasste sich Galen ein Herz. „Vilkas!“, begann er. „Es ist für uns alle nicht leicht. Aber glaubst du wirklich, dass er zu uns zurückkommt, wenn er Jorrvaskr wieder sieht?“ „Nein.“ Vilkas drehte sich zum Felsen, an dem er lehnte und stützte sich schwer an ihm ab. „Farkas kommt nicht mehr zu uns zurück“, murmelte er. Danach schwieg er. Als er sich endlich wieder zu

seinen Kameraden umdrehte, waren seine Augen blutunterlaufen. Seine ganze Haltung drückte die Anspannung und den Horror aus, den er in dem Moment empfand. „Wir bringen ihn trotzdem nach Jorrvaskr.“ Die ratlosen Blicke, die ihn nun trafen, verstand er, sie machten ihn dennoch wütend. Er schlug mit seinen stahlgeschützten Unterarm gegen den Felsen. „Und nein, ich bin nicht verrückt geworden!“ „Aber warum…“, versuchte Galen erneut Vilkas Vorgehen verstehen zu wollen. „Weil ich Hircine aufsuchen werde!“, rief er. „Wenn es eine Möglichkeit für Farkas gibt, dann liegt sie bei dem

Daedrafürsten.“ „Vilkas… das…“ Galen stotterte. Er konnte es nicht fassen, dennoch keimte leise Hoffnung in ihm auf. Es konnte darin wirklich noch eine Chance liegen. Der Herold der Gefährten nickte. „Es ist verrückt, ich weiß. Aber die einzige Möglichkeit die mir bleibt.“ Er blickte von einem zum anderen. „Und ich will Farkas nicht hierlassen. In der Tiefenschmiede, dem Zeremonienraum des Zirkels, gibt es einen Käfig. Wir müssen Farkas dorthin schaffen, bevor ich zu Hircine aufbrechen kann.“ Ria und Thorald sahen ihn erstaunt an. Sie kannten diesen Bereich nicht. Der war nur den Gefährten bekannt, die auch

offiziell über das Werwolf-Rudel Bescheid wussten, wie Galen. Aber selbst diese Kameraden, wussten nicht alles über die ‚Tiefenschmiede‘. Am Rande des Übungsplatzes der Gefährten, direkt in dem Felsgestein, auf dem die Drachenfeste ruhte, führte ein verborgenes Tor in die besagte ‚Tiefenschmiede‘. Es war das Refugium des Wolfsrudels, in dem während feierlicher Rituale, Gefährten in das Rudel aufgenommen wurden, oder ein neuer Herold vereidigt wurde. Jedenfalls in den vergangenen Zeiten, als sie wirklich noch ein Wolfsrudel waren. Die ‚Tiefenschmiede‘ selbst war eigentlich nichts anderes als ein

Höhlensystem unterhalb der Drachenfeste von Weißlauf. Das Besondere daran aber war, dass dieses Höhlensystem auch noch über einen verborgenen Ausgang verfügte. Diesen Ausgang kannten aber nur Mitglieder des Wolfsrudels. Vilkas schloss kurz die Augen und atmete tief ein und aus um sich wieder zu fassen. Aber es half nichts. Als der letzte bewusste Werwolf, war er jetzt der Einzige, der von dem versteckten Ausgang noch Kenntnis hatte. Nicht einmal in Kodlaks Tagebuch gab es einen Hinweis darauf. Schnell fällte er eine Entscheidung. Es wurde Zeit, dass sich daran etwas änderte. Irgendetwas sagte ihm, dass

dieses Wissen zu einem späteren Zeitpunkt für seine Kameraden vielleicht einmal wichtig werden würde. Ria war es, die sich als erste fing und schlussendlich reagierte. „Ich hole mit Thorald den Wagen und das Laken von Gurdan. Wir werden erklären, dass wir einen Troll zu Studienzwecken mitnehmen wollen.“ Vilkas nickte. „Das ist eine gute Idee.“ Die junge Kriegerin strahlte. Sie und Thorald waren sehr bemüht sich mit ihrem Herold wieder gut zu stellen. So rasch sie konnten machten sie sich auf den Weg, um den Wagen zu besorgen. Galen dagegen blickte tadelnd auf Vilkas. „Was?“, knurrte der Nord-Krieger

ihn an. „Ich habe es immer gesagt!“, schimpfte der Kaiserliche. „Ihr hättet euch mit Hircine schon viel früher auseinandersetzen sollen! Weißt du überhaupt, wo du ihn findest? Ich kenne nur seinen Schrein in Cyrodiil. Der liegt südlich der Kaiserstadt. Unterhalb der Festung Alessia! Da brauchst du mindestens einen Monat um überhaupt dorthin zu kommen!“ „In Kodlaks Tagebuch habe ich gelesen, dass Hircine in der Dickbauchgrotte, hier in Himmelsrand, anzutreffen ist. Zwei Tagesritte von Weißlauf entfernt“, entgegnete Vilkas kühl. „Kennst du sie denn?“, fragte Galen. Er

war immer noch sauer. „Ja, sie ist ein wahres Jagdparadies und liegt gut versteckt“, antwortete Vilkas. „Nach Kodlaks Aufzeichnungen ist Hircine aber nur während der Nachtstunden dort. Vor allem in Vollmondnächten.“ Galen hockte sich wieder nieder und schüttelte den Kopf. Diese nordischen Sturköpfe waren zum Steinerweichen! Aber wenigstens hatte Vilkas noch einen Plan. Er selbst war am Ende seiner Kräfte. Farkas immer wieder magisch zu betäuben, hatte ihn viel gekostet. Einmal würde er vielleicht noch einen Zauber wirken können, danach würde er ebenfalls einen Wagen brauchen, der ihn

bis nach Weißlauf brachte. „Danke!“ Verwirrt sah Galen auf, nur um Vilkas durchdringenden Blick zu begegnen. „Was meinst du?“, fragte er ihn. „Ich weiß, was Silber für einen Werwolf bedeutet“, erklärte Vilkas. „Als Mensch verhindert es die Verwandlung, aber als Werwolf, erduldet man Höllenqualen. Ich habe es im Kampf gegen die ‚silberne Hand‘ selbst erfahren. Silber ist für einen Werwolf wie glühendes Eisen, das sich durch dein Fleisch und deine Sehnen frisst. Du hast mit Farkas sicher etwas getan, er würde sonst nicht so ruhig bleiben können. Außerdem habe ich dich bist jetzt noch nie so bleich und zittrig

erlebt.“ Galen musste grinsen. „Dir kann man wirklich nichts vormachen.“ Dann seufzte er und strich sich über sein Haar. „Ich bin ein lausiger Magier. Zumindest kann ich noch den Lähmungszauber. Für einen werde ich noch Kraft aufbringen. Der müsste aber reichen bis wir mit Farkas in der Tiefenschmiede sind.“ Vilkas nickte. Dann lehnte er sich wieder zurück an den Felsen. Sein Rücken schmerzte. Doch es gab wohl nichts, das an den Schmerz herankam, der in seiner Seele wütete. Den musste er aber verschließen, um sich auf sein nächstes Ziel konzentrieren zu können: den Daedrafürsten

Hircine. Die Fahrt mit dem Wagen dauerte länger als der Ritt zu Pferd. Es war daher schon finster, als sie nach Weißlauf kamen, während Vilkas den Wagen mit seiner wölfischen Nachtsicht lenkte. Galen hockte bei ihm, während Ria und Thorald auf den Pferden neben ihnen her ritten. Als Vilkas an der Stadt vorbei fuhr, wurde Galen nervös. „Äh… Vilkas… ich will ja nichts sagen, aber ich glaube, wir sind soeben über unser Ziel hinaus geschossen!“ „Nein“, erklärte der Herold. „Die Tiefenschmiede hat einen verborgenen Ausgang. Dieser liegt an der Flanke des

Berges, auf dem die Stadt Weißlauf ruht.“ „Wie praktisch!“, meinte Galen spöttisch. „Kannst du so etwas nicht früher erwähnen?“ Zischend atmete er aus. „Und da zermartere ich mir schon die ganze Zeit den Kopf, wie wir den Werwolf unauffällig durch die Stadt schleppen können!“ Etwas abseits der Straße und von den Blicken verborgen hielt Vilkas an. „Thorald“, rief er nach dem Gefährten, der augenblicklich mit seinem Pferd zu ihm aufschloss. „Hole Athis, Torvar und Njada. Wir werden die Hilfe aller brauchen um Farkas den Gang in die Tiefenschmiede hinauf zu schleppen.“

Thorald nickte und galoppierte sofort nach Weißlauf. Gemeinsam schafften es die Gefährten den schweren Werwolf bis in den Käfig in der Tiefenschmiede zu tragen. Vilkas musste sich nicht mehr verwandeln und er war froh darüber. Er glaubte zwar nicht, dass er sich verlieren würde, doch das Risiko wurde immer größer. Seine Kameraden waren verwundert über den geheimen Gang, der ohne Kenntnis seines Ausgangs niemals gefunden werden konnte. Er war einfach viel zu gut getarnt und mit einem Mechanismus geschützt, der die Steinplatten, die ihn verbargen, felsenfest an Ort und Stelle hielten.

„Das ist ja ein Weg in die Stadt!“, rief Athis. „Wenn die Rebellen davon gewusst hätten, hätte Weißlauf nach ihrem Angriff wohl weitaus schlimmer ausgesehen.“ „Dieser Weg, der direkt zu unseren Ritualräumen führt, kannte außer den Mitgliedern des Wolfs-Rudels niemand.“ Vilkas hielt kurz inne, während sie Farkas im Käfig ablegten. Dieser stand in einer Seitenhöhle der eigentlichen Ritualkammer des Zirkels. Der Werwolf war noch betäubt, doch der Zauber schien langsam seine Kraft zu verlieren. Vilkas Augen leuchteten im wölfischen Gelb, obwohl hier in den oberen Höhlen

der Tiefenschmiede bereits die Kohlebecken für Licht sorgten. „Jetzt wisst ihr ebenfalls davon.“ Durchdringend blickte er von einem zum anderen. Besonders Ria und Thorald fixierte er. „Eigentlich müsste ich euch alle jetzt zu Werwölfen machen. Zu Wölfen meines Rudels, gebunden an mein Blut, damit ihr mit diesem Schwur, dieses Geheimnis für euch behaltet. Aber ihr kennt meine Bedenken.“ Mit einem Nicken seines Kopfes deutete er auf seinen Bruder, oder zumindest auf das, was sein Bruder einmal gewesen war. „Bevor es nicht einen Ausweg aus diesem Fluch gibt, werde ich niemanden damit

infizieren.“ „Und wenn es einen Ausweg gibt?“, fragte Galen lauernd. „Bin ich der Letzte, der sich dagegen sträuben wird.“ „Gut zu wissen!“, grinste das Drachenblut. Vilkas ließ die Gefährten mit den weiteren Arbeiten alleine. Er verließ die Tiefenschmiede und eilte mit großen Schritten zur Drachenfeste hinauf. Farkas hierher zu bringen war nur ein Teil seines Plans. Für den anderen Teil brauchte er einen Magier. Einen richtigen Magier. Und hier in Weißlauf gab es nur einen: den Hofzauberer Farengar. Er war ein eigenwilliger Eigenbrötler, aber einer

der Besten, wenn es um Magie ging. Außerdem wusste er um den Werwolf-Fluch Bescheid, denn Farengar war einer von Kodlaks ältesten Freunden. Und Vilkas würde nichts unversucht lassen, um seinem Bruder sein Los zu erleichtern. Zum Glück war der Hofzauberer noch wach und auch in guter Stimmung. Dass Kodlak und dieser Einzelgänger einmal Jugendfreude waren, hatte Vilkas noch nie verstanden. Aber der Magier war gern bereit etwas für Farkas zu tun. Natürlich für eine besondere Gegenleistung. Farengar brauchte wieder einmal etwas für seine Forschungen, das man ihm beschaffen sollte.

Vilkas war einverstanden. Die Gefährten waren es gewohnt für den Hofzauberer immer wieder irgendwelche Artefakte aus irgendwelchen Gräbern, verfallenen Tempeln, uralten Dwemerruinen oder verwunschenen Höhlen zu besorgen. Für dieses Mal eben unentgeltlich. Der Handel stand also. Als Vilkas mit Farengar in die Tiefenschmiede zum Käfig kam, war nur mehr Galen da. Und Hana, die wohl herbeigelaufen war, als sie hörte, was mit Farkas geschehen war. Schluchzend hing sie an Galens Schulter. „Hana!“ Als die junge Frau Vilkas Stimme hörte,

drehte sie sich sofort um und warf sich in seine Arme. „Er… Farkas… er hat Schmerzen!“, rief sie entsetzt und voller Mitgefühl. „Was können wir nur tun? Tiber kann keinen weiteren Zauber mehr wirken!“ Zuerst war Vilkas irritiert. Doch dann fiel ihm ein, dass Hana ihren Bruder sicherlich nur unter seinem ersten Namen – Tiber – kannte. „Es ist schon gut!“, versuchte Vilkas sie zu beruhigen. „Farengar wird ihm helfen.“ Neugierig spähte Hana auf den Hofmagier. Der alte Mann schritt näher an den Käfig heran. Der Werwolf darin knurrte und zitterte. Das Silber bereitete

ihm große Schmerzen. Ohne dieses war es aber fraglich, ob die Eisenstäbe des Käfigs, die Kreatur überhaupt halten können würden. „Ich sehe“, meinte Farengar und stützte sich schwer auf seinen Stab. „Das wird nicht einfach werden, aber ich gebe mein Bestes. Nur…“ Jetzt wandte sich der Magier wieder Vilkas zu, der mit einem Arm Hana fest an sich drückte, während die junge Frau ihren Kopf vertrauensvoll an seine Brust legte. „… der Zauber wird vielleicht zwei Wochen halten. Danach stirbt er, wenn er sich nicht wieder verwandelt.“ Vilkas nickte. „So soll es sein. Wenn ich scheitern sollte, so ist das, was auf

Farkas warten würde, ohnehin kein Leben mehr.“ „Was hast du mit ihm vor?“, fragte Galen alarmiert. Bevor Vilkas jedoch antworten konnte, hatte sich Farengar bereits an den Kaiserlichen gewandt, dem man die Erschöpfung deutlich ansah. Galen war beinahe schon grün im Gesicht, dennoch würde er keinen Zoll zurückweichen. „Ich werde die Bestie in einen magischen Schlaf versetzen, Drachenblut“, erklärte der Hofzauberer. „Nichts und niemand kann den Werwolf daraus wieder herausholen. Nicht einmal ich selbst. Doch dieser Zauber liegt nur auf der Wolfsbestie. Sollte Farkas Bewusstsein

wieder hervorkommen, wird er erwachen und der Bann gebrochen sein.“ „Was soll das dann mit den zwei Wochen?“ Galen ließ nicht locker. Irgendetwas behagte ihm überhaupt nicht an diesem Plan. Der Magier seufzte. „Der Zauber ist so stark, dass nicht einmal ein Werwolf länger als zwei Wochen diesen magischen Schlaf überlebt. Er wird daraus sanft in den Tod gleiten.“ „Und du meinst, du schaffst das innerhalb dieser Zeit?“, fragte der Kaiserliche an Vilkas gewandt. Dieser nickte. „Ich brauche zwei Tage bis zur Dickbauchgrotte.“ „Und wenn Hircine dann nicht da ist?

Und wirklich nur bei Vollmond auftaucht? Bis dahin sind es mehr als zwei Wochen!“ Galen richtete sich auf. Er dachte immer Vilkas hätte einen scharfen Verstand. Diese Rechnung ging sich doch niemals aus! „Es gibt keine Garantie dafür.“ Vilkas Stimme wurde ein wenig lauter. „Aber mein Gefühl sagt mir, dass dieser Höllenhund bereits auf mich wartet! Er will mich zu sich locken. Er hat das zuvor schon in der Vampirhöhle angedeutet.“ „Das ist ein wenig sehr vage, Vilkas!“, rief Galen. „Ist es dir lieber, Farkas quält sich die ganze Zeit?“ Vilkas hatte sich aus Hanas

Umarmung befreit und schritt jetzt auf den Kaiserlichen zu. „Da!“, schrie er. „Sieh nur hin!“ Vilkas Hand schloss sich um einen der Gitterstäbe. „Kannst du das ertragen? Ich nicht! Farkas ist mein Bruder. Er ist mir näher, als mein rechter Arm. Stirbt er, stirbt auch ein Teil von mir! Dennoch ist mir das lieber, als ihn mit diesen Qualen und eingeschlossen in dieser Kreatur festhalten zu wollen!“ „Nein!“ Galen wurde ebenfalls laut und fasste auch an einen der Stäbe. Die beiden Freunde duellierten sich mit ihren Blicken und auch wenn der Kaiserliche gut einen halben Kopf kleiner war als Vilkas, wich er keinen Schritt zurück. „Ich ertrage das genauso wenig wie du!“,

rief er. „Aber ein wenig mehr Zeit, als bloß zwei Wochen, wäre vielleicht angebracht!“ „Denkst du wirklich, dass ich Farkas die nicht geben würde, wenn es nur irgendwie möglich wäre?“ Vilkas wurde rot vor Zorn. Wie konnte Galen nur glauben, er würde seinen Bruder so leichtfertig aufs Spiel setzen? „Möchtest du vielleicht weiter machen mit deinem Betäubungszauber? Du bist ja jetzt schon völlig verausgabt! Außerdem ist eine Lähmung nur ein geringer Schutz gegen den Schmerz und den Horror des Silbers!“ Vilkas hatte Recht und Galen trat voller Zorn gegen die Gitterstäbe. Sein

frustrierter Schrei hallte durch die Höhle. Farkas begann tief zu grollen und versuchte sich zitternd aufzurichten. Vilkas vollführte eine Teilverwandlung und knurrte Farkas an, der sofort verstummte, als er seinen Leitwolf hörte. Schließlich sank Galen neben den Gitterstäben in die Hocke und legte den Kopf in seine Hände. „Kann ich endlich meine Arbeit verrichten?“, fragte Farengar, als wäre nichts geschehen. „Ich muss schließlich an meinen Studien weiter arbeiten.“ Vilkas löste sich ebenfalls und trat von den Gitterstäben zurück. Sein Blick blieb aber auf Farkas hängen, der bebend und leise winselnd auf dem Haufen Stroh lag,

den die Kameraden im Käfig aufgeschüttet hatten. Egal was Vilkas sagte oder zeigte, in Wahrheit, war er auch nicht soweit Farkas gehen zu lassen. Galen sprach nur das alles aus, was in ihm selbst vorging. Aber es war nicht zu ändern. Schwer schluckte er, dann nickte er Farengar zu. „Tut es, bitte.“ Er konnte seinen Blick nicht von dem Werwolf abwenden, in dem sein Bruder noch in irgendeinem Winkel existierte. Auch dann nicht, als die kleinen Augen des Biestes vertrauensvoll zu ihm sahen, zu seinem Leitwolf, während Farengar mit dem Zauber begann. Vilkas glaubte, es würde ihn zerreißen, so tief drang der

ersterbende Blick der Kreatur in seine Seele, als der magische Schlafzauber ihn erfasste. Nicht einmal Hanas Hand, die sich tröstend in seine schob, konnte daran etwas ändern. Es war, als würde Vilkas zusehen müssen, wie sein Bruder hingerichtet wurde. Hingerichtet auf Zeit, auf zwei Wochen, in denen er mit Hircine ins Reine kommen musste…

21 die jagd

Das Leder knirschte, als er sich im Sattel aufrichtete. Anders als sonst, hatte Vilkas es vorgezogen, seine Lederrüstung anzulegen. Für das, was auf ihn zukommen würde, war das sicherlich die beste Wahl. Der Daedrafürst Hircine liebte die Jagd. Vilkas war zwar kein Jäger, aber mit einer leichten Rüstung und seinen Erfahrungen bei der dunklen Bruderschaft, rechnete er sich doch Chancen aus, um gegen Hircine zu bestehen, was auch immer seine Auflagen sein würden. Mit zusammengekniffenen Augen blickte

er gegen den Horizont. Die Sonne würde bald untergehen. Das hieß, dass er zum Einbruch der Dunkelheit bei der Dickbauchgrotte ankommen würde. Das war sehr gut, denn somit würde er keine Zeit verschwenden. Zeit, die sein Bruder kaum mehr hatte. Allein bei dem Gedanken an Farkas, stieg wieder eine Welle des Zorns in ihm hoch, der ihn die Konfrontation kaum erwarten ließ. Seine Hände in den Lederstützen öffneten und schlossen sich konvulsivisch, als hielte er bereits seine Waffen darin. Seine Zähne knirschten, so fest presste er sein Kiefer aufeinander und das Pferd unter ihm machte einen Satz vorwärts, da er auch seine Schenkel

unbewusst zusammendrückte. Vilkas ganzes Sein war auf die Jagd und den Kampf vorbereitet, der ihn wohl erwarten würde. Innerhalb der zwei Tage, die er unterwegs war, konnte sein Rücken komplett ausheilen. Auch dank der Tränke, die ihm Arcadia auf den Weg mitgegeben hatte. Hana war dazu nicht in der Lage gewesen. Bei dem Gedanken an das Mädchen spürte Vilkas, wie sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Sie war kaum zu beruhigen gewesen, nachdem Farkas in den magischen Schlaf gelegt worden war und sie dann erfuhr, was Vilkas vorhatte. Der große Nord schloss seine Augen, als

die Erinnerung an die letzte Nacht mit ihr in ihm hochkam. Nachdem er alles für seinen Aufbruch vorbereitet hatte, stieg er zu ihr in ihr gemeinsames Bett. Sie liebten sich, als wäre es das erste und gleichzeitig das letzte Mal. Dabei klammerte Hana sich an ihn wie eine Ertrinkende. Vilkas ließ sich nichts anmerken, doch in ihm tobte ein Orkan. Er hatte es zugelassen, dass sie einander näher kamen, obwohl er von diesem Fluch wusste. Obwohl er wusste, dass sie nur den Hauch einer Chance auf eine gemeinsame Zukunft hatten. Es war seine Schuld, dass er sich einlullen hat lassen, in dem Glauben, es bliebe ihm noch ein Jahr, während diesem er gemeinsam mit

seinem Bruder gegen Hircine etwas ausrichten können würde, oder sie einen anderen Ausweg gefunden haben würden. Er hätte es besser wissen müssen. Doch er war schwach geworden. Er war Hanas Unschuld und ihrem Liebreiz verfallen. Und nun musste er ihr wehtun, zusehen wie sie wegen ihm litt und um ihre gemeinsame Zukunft bangte, die doch schon von Anfang an kaum eine Chance gehabt hatte. Und was noch ärger war, was er sich zu all dem noch dazu anlastete war, dass er sich heimlich in der Nacht davongestohlen hatte. Er hätte ihren Abschiedsschmerz nicht anders verkraftet. Als Hana endlich eingeschlafen war, war er aus ihrem

gemeinsamen Bett gestiegen. Ihr Anblick brach ihm das Herz. Wie sie eingerollt auf der Seite lag, die Knie ganz fest an ihre Brust gezogen, als könnte sie so Schutz finden, vor der Unvermeidlichkeit des kommenden Tages, der auch einen Abschied für immer bedeuten könnte. Ruckartig befreite sich Vilkas von ihrem Anblick und lief, so leise ihm das möglich war, in die Methalle hinauf. Zu seinem Erstaunen erwartete ihn Galen, der ihm wortlos die Heiltränke entgegen hielt, die Arcadia noch für ihn gebracht hatte. „Wage es ja nicht, dich so einfach aus dem Leben zu schleichen, du Hund!“, blaffte das Drachenblut ihn an. „Wenn du

versagst, hole ich dich eigenhändig aus Oblivion zurück, um dich erneut zu töten.“ Anklagend deutete er auf den Boden. „Genau hier in der Methalle!“ Galen hatte immer noch nicht geschlafen und die Erschöpfung ließ ihn beinahe wanken. „Ich wusste, dass du noch in der Nacht aufbrechen würdest… verdammter, arroganter Arsch!“, fluchte er. Vilkas steckte die Tränke ein, die Galen ihm hinhielt. Er konnte dem Kaiserlichen, der seinen Gefühlen in Schimpftiraden Luft machte, nicht sofort antworten. Erst, nachdem er sich ein paar Mal geräuspert hatte, war er fähig etwas zu formulieren. „Pass gut auf sie auf…“, grollte er, da wurde er auch schon grob

in eine Umarmung gerissen. Galen schüttelte ihn beinahe durch, so heftig drückte er Vilkas an sich. Und wäre es noch ein paar Wochen früher gewesen, hätte Vilkas Galen bei solchen Vertraulichkeiten gegen die Wand geschleudert. So jedoch klopfte er ihm seinerseits auf den Rücken. „Wie ich schon sagte“, krächzte das Drachenblut. „Wage es ja nicht, nicht wiederzukommen!“ Vilkas hatte gespürt, wie gerne Galen ihn begleitet hätte. Doch diesen Weg musste er alleine beschreiten, so wie Galen alleine Alduin gegenübertreten hatte müssen. Mit einem Ruck befreite er sich aus der Umarmung, nur um einen Schritt

weiter auf Athis zu prallen. Der Elf stand einfach nur da und blickte ihn mit einem ernsten Ausdruck an. Zwischen ihnen mussten nicht einmal Worte fallen. Vilkas wusste auch so, was der Veteran ihm sagen wollte. Ihre langjährige Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen ließ dieses Verstehen einfach zu. „Du weißt was du zu tun hast“, merkte Vilkas dennoch an. „Es ist nicht offiziell, dazu reicht die Zeit nicht, aber…“ „Halt den Mund und rede nicht so, als würdest du nicht wiederkommen!“, schnitt ihm Athis das Wort ab. „Du bist der Herold und bleibst es auch. Und jetzt

hau schon ab, bevor alle anderen ebenfalls noch auftauchen!“ Vilkas klopfte Athis auf die Schulter und verließ mit schnellen Schritten die Methalle. Er blickte sich nicht um. Die Verantwortung für Hana und die Gefährten musste er in den Händen seiner Freunde lassen. Er hatte jetzt eine andere Aufgabe vor sich, die alle seine Fähigkeiten und Kräfte beanspruchen würde. Die Nacht war bereits hereingebrochen, als Vilkas ankam. Das Pferd ließ er vor dem versteckten Eingang zur Dickbauchgrotte stehen. Vorsichtshalber nicht angebunden. Der treue Gaul würde

auf ihn warten und erst nach einigen Tagen zu seinem Heimatstall aufbrechen. Die Möglichkeit, dass er gegen Hircine nichts ausrichten können würde, war nicht von der Hand zu weisen. Nochmals kontrollierte Vilkas seine Waffen, dann machte er sich auf den Weg. Durch die Finsternis konnte er sich nur mehr anhand seiner Wolfssinne orientieren. Langsam und leise schlich er sich zu einem leicht überhängenden Felsen, von dem aus er einen guten Überblick hatte. Das Jagdgebiet, das sich unter ihm ausdehnte war ein Tierparadies. Man spürte eindeutig Hircines Hand über dieser Landschaft, die von einfachen Leuten darum nur

selten entdeckt werden konnte. Außer dem Daedra-Fürsten war danach, seine Jagdgelüste hier in Himmelsrand auszuleben. Sei es als Beute oder als Jäger. Beides war ihm ein Vergnügen. So erstreckte sich unter Vilkas das stille Gelände, das man nur durch einen verborgenen Durchgang erreichen konnte. Die ‚Dickbauchgrotte‘ war nichts anderes als ein weitläufiges, verstecktes Tal, das rundherum von hohen Bergen umgeben war. Ohne diesen Durchgang in einem der hohen Felsverbände, wäre es vollkommen eingeschlossen und nicht erreichbar gewesen. Doch über all die Jahrhunderte fanden Tiere den Weg hier herein und vermehrten sich ungestört in

diesem verborgenen Abschnitt Himmelsrands. Vilkas richtete sich für eine lange Nacht ein. Kleine Tiere huschten unter seinen Blicken bereits über die Wege, während der Wasserfall im Hintergrund für ein monotones Rauschen sorgte. Bei dem kleinen See, der sich unterhalb des Katarakts ausdehnte, bemerkte Vilkas, wie ein paar scheue Rehe begannen, ihren Durst zu löschen. Er witterte aufmerksam, aber es waren wirklich nur Tiere, die sich bis jetzt vor seinen Blicken tummelten. Auf der Lichtung selbst, die direkt unter ihm lag, sah er auch eine Schlange gleiten und ein paar Geckos zwischen die Steine huschen.

Selbst diese Tiergattungen waren wohl durch den kleinen See hierher angelockt worden. Größere und gefährlichere Tiere hatte Vilkas bis jetzt noch nicht erspäht, aber Hircine sorgte wohl auch dafür, dass außer ihm, oder Jägern, die er einlud, keine anderen Raubtiere hier ihr Unwesen trieben. Ein Rascheln veranlasste Vilkas sich rasch umzuwenden, doch es waren nur Nagetiere, die sich an einem der Beerenbüsche zu schaffen machten. Gespannt spähte der große Mann weiter über den Abschnitt des ruhigen Tales, den er von seinem Platz aus überblicken konnte. Es schien tatsächlich so zu sein,

als würde Hircine ihm ein Schnippchen schlagen wollen. Nichts, weder eine Bewegung noch ein Geräusch, deutete darauf hin, dass sich der Herr der Jagd heute blicken lassen würde. Dabei spürte es Vilkas beinahe wie eine Gewissheit in sich, dass der Daedrafürst bereits auf ihn wartete, wenn er ihn nicht sogar schon genau beobachtete. Alles in ihm zog sich zusammen. Schauer begannen seinen Rücken heraufzuziehen. Vilkas war sich sicher, Hircine war bereits hier, auch wenn er sich nicht zeigte. Gemächlich lockerte er seine Schultern. Er machte keine plötzlichen Bewegungen. So war er komplett verschmolzen mit der Nacht und dem

stillen Tal. Ruhig ließ er seinen Atem gehen, voll konzentriert auf alles um ihn herum. Egal wie lange Hircine sich noch verbergen wollte, Vilkas ließ sich nicht täuschen. Und tatsächlich. Als wäre dem Daedra-Fürsten das einseitige Spiel zu langweilig, begann er seine Anwesenheit kund zu tun. Er zeigte sich noch immer nicht, doch seine Stimme drang an Vilkas empfindliche Ohren: „Bist du also doch gekommen, Herold der Gefährten, Führer meines nicht mehr existenten Wolfsrudels hier in Himmelsrand?“ „Ja!“, antwortete Vilkas ebenso leise. „Ich bin da. Und du weißt sicher auch warum, nicht

wahr?“ Ein Schnauben antwortete ihm. „Natürlich. Und eines muss man dir lassen: von all meinen Leitwölfen, bist du wahrlich der sturste.“ Vor Vilkas Augen begann sich ein weißer Hirsch langsam auf die Lichtung zu schieben, was zwei Geckos rasch das Weite suchen ließ. Die unnatürlichen, beinahe menschlichen Augen, starrten zu ihm hinauf. „Oder der Arroganteste. Es musste wohl wirklich erst dein Bruder sich verlieren, bevor du den Weg zu mir fandst.“ „Was hast du mit Farkas gemacht?“, fuhr Vilkas auf. „Ich?“ Beinahe unschuldig dehnte der

Daedra-Fürst seine Frage. „Ich habe gar nichts getan. Ihr habt euch gegen die Vereinbarung gestellt und mir eine Seele gestohlen. Ich habe euch dafür nur meiner Gnade beraubt.“ Wie als würde ihn diese Unterhaltung nicht im Geringsten etwas angehen, begann der Hirsch auf der Lichtung zu äsen. Doch Vilkas ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Es stimmte zwar, er wollte etwas von Hircine, doch Hircine wollte auch etwas von ihm. Das konnte er immer deutlicher spüren. Ansonsten würde sich der Herr der Jagd nicht so sehr mit ihm abgeben. Vilkas streckte sich und glitt beinahe geräuschlos vom Felsen. Näher trat er

aber nicht an den Hirsch heran, dessen Flanken seine Fluchtbereitschaft bereits zeigten. Geduldig lehnte er sich gegen den noch warmen Stein, der am Tag von der Sonne voll aufgeheizt worden war und wartete. Der Hirsch vor ihm äste noch eine Weile, dann hob er seinen Kopf. Die unwilligen Zischlaute, die aus seinem Maul kamen, waren eindeutig nicht die eines Huftieres. „Du willst dich also wirklich mit dem Fürsten der Jagd anlegen? Selbst jetzt noch zu stolz, um um das Leben deines Bruder zu flehen?“ „Würdest du ihn denn wieder zu mir zurückschicken?“ Vilkas legte alles auf eine

Karte. Mit einem Schlag war die Farce vorbei. Hircine verwandelte sich augenblicklich in die Gestalt, die er meistens in der sichtbaren Welt annahm: ein hochgewachsener, in Felle gehüllter Mann, mit einem Hirschkopf. „Gegen ein kleines Jagdspiel würde ich euch erneut in meine Gnade aufnehmen. Das hieße wieder langes Leben und unbegrenzte Verwandlung.“ „Und Farkas?“, fragte Vilkas lauernd. „Wenn die Vereinbarung zwischen uns wieder aktiv ist, weicht der Wolfsgeist in seine Schranken zurück. Das Bewusstsein deines Bruders würde damit wieder hervorkommen.“

„Und wir sollen dann auch Himmelsrand von den Vampiren befreien?“ „So habe ich mir das gedacht“, bestätigte Hricine. Dann jedoch stutzte der Daedra-Fürst. Das Menschlein vor ihm begann zu lachen. Zuerst leise, dann immer lauter. Dampf begann bereits aus Hircines Nüstern zu wallen, vor so viel Frechheit. Die Dreistigkeit dieses Sterblichen machte ihn rasend. Vilkas hielt inne. Herausfordernd sah er den Herrn der Jagd an. „Mach es dir selber, du Höllenhund!“, rief er. Dieser verdammte Daedra glaubte tatsächlich, er müsste ihnen nur wieder ihr altes Leben zurückgeben uns sie würden dafür

Himmelsrand von den Vampiren säubern. Dass sie sowieso eine eigene Rechnung mit diesen Blutsaugern hatten, musste Hircine ja nicht wissen. So billig würde Vilkas ihn nicht davonkommen lassen. Er wusste, dass er mit hohem Einsatz spielte, doch es ging um alles oder nichts. „Ein Jagdspiel um das Leben meines Bruders“, willigte er ein. „Doch wenn du Molag Bal eines auswischen willst, musst du mehr springen lassen. Wir machen nicht die Drecksarbeit für eure Streitereien!“ Hircine wuchs über sich hinaus. Seine Gestalt wurde dreimal so groß, doch der mickrige Mensch wich keinen Zoll vor ihm zurück. Vor Wut röhrte er gegen den

Himmel und stampfte mit dem Fuß auf, dass die Erde unter ihm erzitterte. Vilkas rührte sich keinen Millimeter. „Was willst du?“, schnarrte der Daedra-Fürst schließlich ungnädig. „Das Leben meines Bruders und die Freiheit für unsere Seelen!“ Jetzt war es an Hircine in bellendes Gelächter auszubrechen. Doch Vilkas blieb unbeeindruckt, mit vor der Brust verschränkten Armen, vor ihm stehen. Schließlich beendete der Daedra-Fürst seine Drohgebärden. Dieser sture Nord war damit nicht einzuschüchtern. Mit einem Mal stand wieder der weiße Hirsch auf der Lichtung. „Zeige mir zuerst, ob es sich lohnt einen Handel mit dir

überhaupt in Erwägung zu ziehen!“ Und ohne Vorwarnung sprang der Hirsch ins nahe Unterholz. Vilkas hatte damit gerechnet. Mit wilden Sätzen hechtete er dem weißen Hirsch nach. Jetzt machte es sich bezahlt, dass er sich für seine Lederrüstung entschieden hatte. Das und seine Fähigkeit strategisch und taktisch zu denken, brachte den Hirsch tatsächlich in Bedrängnis. Die Jagd ging über Stock und Stein und selbst durch Teile des kleinen Sees, währenddessen Vilkas ihm immer näher kam und den Hirsch mit einem seiner Pfeile dabei auch streifen konnte. Mehrere Stunden dauerte die Hatz bereits und egal wohin Hircine

davonjagte, Vilkas blieb ihm nicht nur dicht auf den Fersen, er kam ihm auch bedrohlich nahe. Doch es wäre nicht Hircine, wenn er fair bleiben würde. Als er erkannte, dass er das Menschlein nicht abschütteln konnte, verschwand er plötzlich. Vilkas knirschte mit den Zähnen. Irgendwie hatte er damit gerechnet. Doch was der Daedra-Fürst konnte, konnte er auch. Vilkas verwandelte sich zwar nicht, doch ließ er die Werwolf-Fähigkeiten noch stärker herauskommen. Der untrügliche Instinkt der Bestie ließ ihn sofort reagieren und ohne sein Tempo zu verlangsamen, schlug Vilkas einen Haken und preschte in die neue

Richtung. Bei aller Schnelligkeit bewegte er sich dennoch leise und geschmeidig. Diese Kunst verdankte er seiner Assassinen-Ausbildung. Seine Nachtsicht ließ ihn dann auch das Tier mit bebenden Flanken hinter einer Buschgruppe wahrnehmen. Lautlos hielt Vilkas inne. Ein siegessicheres Lächeln breitete sich auf seinem Antlitz aus. „Sehr gut!“, murmelte er. „Du bist bereits verausgabt und dir helfen nur mehr miese Tricks!“ Der Daedra-Fürst hatte sicherlich nicht gerechnet, dass Vilkas seine Teleportation so rasch kompensieren könnte. Er wähnte sich in Sicherheit und der Wind stand so günstig, dass er Vilkas

auch nicht wittern konnte. Sofort spannte der Nord seinen Langbogen und schoss ohne zu zögern. Noch während der Pfeil durch die Luft surrte, streifte er seinen Bogen wieder über und hechtete mit einem Sprung nach. Der Hirsch wurde aufmerksam, da traf ihn bereits der Pfeil in die Schulter. Der Schock ließ ihn auf die Seite springen, so entging er nur knapp Vilkas Vorstoß, der mit einem Schrei durch die Büsche brach und dem Hirsch den finalen Dolchstoß geben wollte. Die Jagd ging weiter und Hircine verschwand erneut. Doch Vilkas spürte bereits den Sieg nahen. Er wurde noch ruhiger und ließ sich von seinem Instinkt

zwar führen, folgte ihm aber nicht. Stattdessen wandte er sich in die entgegengesetzte Richtung. So leise er konnte erklomm er ein paar Felsen, bis er unter sich, verborgen hinter noch dichterem Gebüsch, den weißen Hirsch erkennen konnte. Sein Instinkt hatte ihn wieder richtig geleitet, nur, dass Vilkas diesmal nicht den Weg von vorne genommen hatte. „Jetzt hab ich dich!“, murmelte der Herold der Gefährten, während er sich mit gezücktem Dolch vom Felsen abstieß. Als Hircine das verräterische Geräusch hinter sich hörte, zuckte er zwar zusammen, konnte aber nicht durch die dichten Büsche vor ihm ausweichen. Ein

Satz zur Seite, mit dem Vilkas aber gerechnet hatte, brachte ihn direkt unter den Menschen. Mit voller Wucht landete Vilkas auf dem Rücken des Tieres und warf sich mit ihm auf die Seite. Seine Schenkel ließ er wie Schraubstöcke um dessen Leib und die Vorderbeine geklammert, während er zielsicher mit dem Dolch direkt über der Halsschlagader in das Fleisch des Tieres stieß. Aber nur soweit, bis er das Pulsieren unter seiner Klinge wahrnahm. Den rechten Arm legte er kraftvoll von der anderen Seite her um den Hals des Hirschen, dass dieser mit den Kopf nicht mehr ausbrechen konnte. „Eine kleine Bewegung nur und du bist

tot!“, flüsterte er. „Du weißt, dass du nur diese Form töten würdest und nicht mich!“, schnarrte Hircine. „Natürlich“, bestätigte Vilkas. „Dennoch habe ich gewonnen!“ Der Daedra-Fürst seufzte unter ihm ergeben und wollte sich erheben. Aber Vilkas machte keine Anstalten den Dolch herauszuziehen oder seine Umklammerung zu lösen. „Ja, du hast gewonnen. Was willst du noch?“, ließ sich Hircine vernehmen. „Das Leben meines Bruder und die Freiheit für unsere Seelen“, wiederholte Vilkas. „Im Austausch dafür vertreiben wir Molag Bals Erben aus

Himmelsrand.“ „Dummer Sterblicher!“, höhnte Hircine. „Du weißt, dass das nicht geht. Ein Pakt ist ein Pakt. Die Kräfte eines Werwolfs im Austausch für eure Seelen. Diese Abmachung ist nicht zu ändern!“ „Es gibt immer Auswege!“, knurrte Vilkas und verstärkte nochmals den Druck. „Oder warum war es Jon sonst möglich ein bewusster Werwolf zu werden, ohne einer von uns zu sein?“ Bellendes Lachen antwortete ihm. „Ja. An diesem Kampf hatte ich meinen Spaß!“, gab Hircine zu. „Doch er bekam von mir nur einen Ring, der ihn einmal zu einem Werwolf machte. Das hatte nichts mit dem Pakt zu

tun.“ „Dann lass dir auch für uns etwas einfallen, Höllenhund!“, grollte Vilkas. Worauf er ein weiteres Gewicht auf die Waage legte. „Es geht nicht nur um die Vampire. Es könnte dann auch das Wolfsrudel wieder ein Wolfsrudel werden.“ Der Hirsch unter ihm wurde vollkommen ruhig. Der Daedra-Fürst schien tatsächlich zu überlegen. Schließlich ging ein Ruck durch das Tier und ein normaler Hirschbock lag unter Vilkas Umklammerung. Hircine stand dagegen in seiner üblichen Erscheinung vor ihm. Der Nord ließ das geschockte Tier los und stand auf. Eine Zeit lang blieb der

Hirsch, dessen Körper Hircine für seine Jagdgelüste ‚ausgeborgt‘ hatte noch liegen, dann sprang er auf und suchte in mächtigen Sätzen das Weite. Vilkas und der Fürst der Jagd standen sich gegenüber. Hircine überragte selbst den großen Nord und aus der Nähe betrachtet, sah sein Hirschkopf ausgesprochen gewöhnungsbedürftig aus. Die Augen, die nicht wirklich wie bei einem Tier auf der Seite lagen, sondern wie bei einem menschlichen Gesicht angelegt waren, leuchteten rot. Auch die Schnauze war nicht ganz so langgezogen wie bei einem richtigen Hirsch. Nur das Geweih und die unruhigen Lauscher waren eindeutig tierisch. Doch Vilkas

ließ sich nicht anmerken, wie abstoßend die Abartigkeit dieses Aussehens auf ihn wirkte. Gebannt fixierte er den Daedra, der einer der Höllenfürsten Oblivions war. „Ich muss zugeben, die Jagd alleine war ein Erlebnis“, meldete sich Hircine endlich zu Wort. Seine Stimme war ähnlich verzerrt wie sein Gesicht und passte zu seiner Erscheinung. „So gut unterhalten habe ich mich schon lange nicht mehr. Alleine darum will ich deine Seele nicht gehen lassen. Mit dir werde ich meinen Spaß haben in meinen Jagdgründen. Und das was du verlangst ist außerdem ungeheuerlich.“ Die roten Augen musterten ihn. Es war Hircine

anzusehen, wie er alles abwog. Vilkas sagte nichts. Er stand ruhig vor dem Daedra und wartete. Schließlich schien Hircine zu einer Entscheidung zu kommen. „Es gibt aber eine Möglichkeit…“ Vilkas trat unwillkürlich einen Schritt nach vorne. „Ich bin bereit sie dir anzubieten“, schnarrte Hircine. „Doch dazu musst du in mein Reich kommen und sie dir erkämpfen. Würdest du das überhaupt wagen?“ Vilkas schnaubte geringschätzig. „Das bedeutet wohl ja.“ Jetzt verzogen sich die Mundwinkel des Hirschkopfes zu einem Lächeln, was das Gesicht, das

weder menschlich noch tierisch war, noch abstoßender machte. „Wie sieht der neue Pakt nun aus?“, fragte Vilkas pragmatisch. Er wollte dieser schrecklichen Fratze nicht länger als nötig gegenüber stehen. Hircine begann wieder zu lachen. „Es gibt keinen neuen Pakt!“, rief er. „Nur die Möglichkeit einer erweiterten Abmachung!“ Mit seinem Langbogen, der plötzlich in einer seiner großen Hände lag, schlug er sich gegen seinen nackten Oberschenkel. „Ich sage dir jetzt etwas, das bereits Teil der neuen Abmachung sein könnte: In den ewigen Jagdgründen, gibt es eine Verbindung zu einem Bereich, welche die Ebenen der Daedra

von den Ebenen der Aedra trennt.“ Vilkas wurde hellhörig. „Durch diese Verbindung könnten wir nach Sovngarde gelangen!“ Der Daedra schnaubte, sodass heißer Dampf seinen Nüstern entwich und Vilkas sich ducken musste um nicht verbrüht zu werden. „Ja!“, rief er. „Doch ohne mein Einverständnis, werdet ihr euch nicht mehr erinnern, wenn ihr in mein Reich einmal eingetreten seid!“ „Wo liegt dann die neue Möglichkeit für unsere Seelen?“, fragte Vilkas. „Als erweiterte Abmachung wäre ich bereit, euren Seelen die Erinnerung zu belassen.“ Als Vilkas schon auffahren wollte, hob Hircine gebieterisch die

Hand. „Das ist aber ein zu großzügiges Geschenk für die paar Vampire!“ „Was verlangst du noch dafür?“, knurrte Vilkas. „Zuerst einmal, musst du dich durch meine ewigen Jagdgründe kämpfen. Deine Gegner werden alle deine ehemaligen Freunde sein!“ Der Daedra-Fürst feixte, was sein Antlitz zu einer völligen Horrormaske entstellte. Vilkas konnte sich nur mit Mühe zurückhalten sich angewidert abzuwenden. „Und!“, betonte Hircine. „Himmelsrand muss frei von Vampiren bleiben! Sobald sich Molag Bals Kreaturen wieder einnisten, schwindet auch die Erinnerung von euren

Seelen!“ „Und mein Bruder?“ Der Daedra-Fürst schnippte kurz mit den Fingern und Vilkas fühlte, wie ein Druck in seinem Inneren nach ließ. „Ihr habt euch meiner Gnade erneut verdient gemacht“, erwiderte er. „Für eine gute Jagd gebe ich beinahe alles. Damit ist die Wolfsbestie wieder unter eurer Kontrolle.“ Vilkas zögerte nicht eine Sekunde. „Abgemacht!“, rief er, bevor Hircine es sich anders überlegen konnte. Die roten Augen des Daedra begannen zu glühen. „Abgemacht!“, schnarrte er. „Aber vergiss nicht, du musst diese Verbindung zur Zwischenebene nicht nur

finden, du musst auch in meinem Reich gegen deine eigenen Leute bestehen, die sich nicht an dich erinnern werden! Stirbst du, stirbt auch unsere Vereinbarung.“ Hircine beobachtete ihn genau. „Gehst du jetzt dagegen zurück zu den Deinen, bleibt der Pakt wie er war. Ich habe zwar keine Garantie dafür, was Molag Bals Kreaturen betrifft, du dafür aber deinen Bruder und dein langes Leben.“ Kurz zögerte Vilkas. Er könnte sich umwenden und sein Leben an der Seite von Hana genießen, jetzt wo die Bedrohung der Wolfsbestie nicht mehr über ihnen lag. Doch danach, wären ihre Seelen in den ewigen Jagdgründen

gefangen. Weder für sie, noch für die Werwölfe, die nach ihnen kommen würden – denn soweit kannte er Hircine, der den Pakt sicherlich erneut einem der Gefährten anbieten würde – würde es so eine Gelegenheit wieder geben. Vilkas zögerte. Vor zwei Wochen hätte er nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet. Doch jetzt gab es auch Hana in seinem Leben. Das Mädchen, das ihn mitsamt seinem Fluch und seinen Vergehen dennoch liebte – und der er das Herz brechen würde, käme er nicht zurück. Er rang mit sich. Dann jedoch richtete er sich auf und blickte Hircine in die rotglühenden Augen. „Abgemacht!“,

sagte er mit fester Stimme. Wenn er jetzt nach Jorrvaskr zurückkehren würde, wäre er nicht mehr der Mann, der er jetzt war. Er würde sich und schließlich auch Hana dafür verantwortlich machen, dass er diese Gelegenheit verstreichen hatte lassen. Auch wenn das bedeutete, dass er sie nun im Stich ließ. „Dann komm!“ Mit einer Handbewegung öffnete Hircine ein Tor in seine Jagdgründe. Gleißend und brennend stand der Übergang zu Oblivion offen auf der Lichtung der harmlosen Dickbauchgrotte. Vilkas fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Er hätte gedacht, dass er dazu bis zu Hircines Schrein hätte reisen müssen, um

in seine Gefilde eintreten zu können. „Hier gibt es ein Tor nach Oblivion?“, fragte er krächzend. „Nein.“ Hircine schüttelte sein Hirschhaupt. „Hier ist aber das Gefüge zwischen den Welten sehr schwach und da es in Himmelsrand liegt, dem Teil der Welt, der meinen Ebenen am nächsten liegt, kann ich hier ein- und ausschreiten, wie es mir beliebt. Doch niemand anderer vermag das, außer ich lade ihn dazu ein.“ Ungeduldig schlug er mit seinem Langbogen gegen seinen Oberschenkel und deutete mit einer eindeutigen Geste in Richtung des Tores. Vilkas holte unbewusst tief Luft, dann bat er Hana innerlich inbrünstig um

Verzeihung, und durchschritt die Barriere. Hircine war ihm dicht auf den Fersen und mit einem Zischen schloss sich das Tor hinter ihnen. Zurück blieb ein leises Flirren in der nächtlichen Luft des stillen Tals, bis sich auch dieses nach und nach auflöste. Eine Zeit lang blieb alles ruhig, bis sich die Tiere endlich wieder hervorwagten und ihrem gewohnten Dasein nachgingen. Nichts deutete mehr daraufhin, dass vor kurzem noch eine wilde Jagd durch das verborgene Tal gehetzt war und sich sogar ein Tor zur Hölle, mitten auf der harmlosen, kleinen Lichtung am Rande des Felsmassivs, geöffnet hatte. Es war, als würde die Natur selbst ihr Schweigen

darüber legen, als müsse sie Zeugnis darüber ablegen, dass nichts von alldem jemals stattgefunden hätte.

22 die schriftrolle

Es war bereits die dritte Nacht, seit Vilkas aufgebrochen war, in der Galen nicht schlafen konnte. Er war todmüde, doch kaum legte er sich nieder, spürte er, wie die Drachenkräfte an ihm zerrten und zogen. Der Zugriff der Götter wurde immer drängender. Alpträume plagten ihn und Galen konnte spüren, wie sich etwas Großes, etwas sehr Großes auf ihn zubewegte, doch er konnte nichts dagegen tun. Diese Nacht war besonders schlimm gewesen. Als er aufwachte, hatte er das Gefühl, als würde ganz Tamriel auf seiner Brust lasten und ihm

die Luft zum Atmen nehmen. Das Bett, in seiner Kammer bei den Gefährten, war weich mit Fellen ausgelegt, dennoch fühlte sich Galen, als würde er durch die Liegestatt hindurchgedrückt werden und der harte Boden bereits in seinen Rücken stechen. „Gnade“, winselte er und versuchte tief durchzuatmen, bis das Gewicht und der Druck ein wenig nachließen. Nicht nur, dass er mit seiner unglücklichen Schwester und den Belangen der Gefährten genug zu tun hatte, kam auch das Wissen dazu, dass er bald zu einer neuen Aufgabe der Göttlichen herangezogen werden würde. Ob es ihm nun gefiel oder nicht.

Benommen stand er auf und schlüpfte in sein einfaches Gewand. Heute würde er in Jorrvaskr bleiben, während Athis einem Auftrag nachgehen wollte. Bis jetzt war er es der, gemeinsam mit den anderen, Aufgaben der Gefährten erfüllt hatte. Es half ihm sich vom Drängen der Götter abzulenken, doch Athis beschwerte sich bereits, dass seine alten Knochen einrosten würden, wenn er nicht bald etwas anderes zu tun bekommen würde, als auf eine verheulte Kaiserliche und einen schlafenden Werwolf aufzupassen. Dabei versuchte seine Schwester wirklich mit ihrer Situation fertig zu

werden. Sie stürzte sich in Arbeit, behandelte Setha, braute Tränke und verbrachte den Großteil ihrer Zeit damit in Arcadias Laden auszuhelfen oder Zutaten zu besorgen. Bei solchen Gelegenheiten war Athis natürlich dabei gewesen und hatte sich um Varis gekümmert, der es sich in den Armen des Dunkelelfen bequem gemacht und nichts dagegen einzuwenden gehabt hatte. Galen musste lächeln als er an den Dunmer dachte. „Ich brauche Arbeit!“, hatte dieser ihn gestern angeknurrt. Dabei wiegte er den Kleinen, während Hana Setha behandelte und Madi interessiert zusah. „Sonst komme ich auf den Geschmack und lege mir auch noch

so etwas zu.“ Dabei deutet er auf das Baby in seinen Armen, das er kurzerhand Galen in die Hand drückte und mit weiterem Gebrabbel auf den Übungsplatz marschierte. Doch das war gestern gewesen. Heute, nach dieser Nacht, schaffte Galen kaum den Weg in die Methalle hinauf. So schlecht hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. „Talos!“, knirschte er. „Was habt ihr euch bloß für mich ausgedacht? Soll ich etwa im Alleingang die Vampire aus ganz Tamriel vertreiben?“ Galen schüttelte den Kopf, was er sofort wieder einstellte. Der rasende Schmerz, der dabei durch ihn zog, bewog ihn dazu. Mühsam erklomm

er die Stufen. Alleine der Geruch nach frischem Eintopf zog ihn weiter. Da wurde er auch schon von warmen Händen umfasst und auf einen Stuhl niedergedrückt. „Iss, Junge!“ Tilmas gutmütige Stimme ließ Galen ein wenig entspannen, während ihm die großmütterliche Frau eine Schale Eintopf vor die Nase stellte. Völlig ungewohnt für ihn, saß er wie alle anderen auf seinem Stuhl und löffelte brav die Brühe. Nach dem Mahl ging es ihm aber auch wirklich besser. Er holte sich noch eine weitere Schüssel und sah Athis zu, wie dieser sich voller Elan fertig machte. Torvar, Njada und alle anderen saßen

noch bei Tisch, doch sie beeilten sich, um mit ihm gemeinsam zu ihren nächsten Aufgaben loszuziehen. Galen hatte sich inzwischen wieder soweit erholt, dass er sich mit seinen bloßen Füßen auf seinen Stuhl hockte, wie er es sonst auch zu tun pflegte. Dabei tunkte er mit einem Stück Brot den Eintopf in seiner Schüssel auf. Das war zumindest schon ein gutes Zeichen, und ein untrüglicher Hinweis, dass es sich langsam erholte. „Was ist los, mein Freund?“, fragte Athis in bester Laune. „Du siehst aus, als hättest du die ganze Nacht mit einem Troll geknutscht! Sag, wer ist diese leidenschaftliche Frau, die dich so zurichten

kann?“ „Wenn es nur so gewesen wäre!“, stöhnte Galen und griff sich wieder an den Kopf. „Dann hätte ich wenigstens etwas davon gehabt!“ Schallendes Gelächter antwortete ihm. Njada stand auf und klopfte ihm auf die Schulter. „Pass auf, dass es dir nicht wie Farkas ergeht.“ Mit schadenfrohem Blick sah sie in die Runde. „Könnt ihr euch noch an die Hexe erinnern, der er einmal verfallen war, und die beinahe seine ganze Lebensenergie aus ihm aussaugte?“ „Lass diese alten Geschichten Njada“, versuchte Torvar seine bissige Gefährtin von weiteren Anzüglichkeiten

abzuhalten. „Warum?“, fragte Evva sofort. „Ich würde nur zu gerne mehr über Farkas erfahren!“ „Ach du!“ Unsanft schlug Njada Evva auf den Hinterkopf. „Werde erst einmal zur Frau, bevor du dich an Männer wie ihn heranschmeißt!“ Das Mädchen wurde hochrot. „Was geschah mit der Hexe?“, fragte Ria interessiert. Njada fühlte sich in ihrem Element. „Dieses Biest bekam Farkas völlig unter ihre Kontrolle. Sie hatte damals das verfallene Häuschen hinter dem Waldelfengasthof gekauft und hergerichtet. Farkas wohnte bereits mehr

bei ihr, als bei den Gefährten. Und selbst Vilkas, der ihn aus der unseligen Beziehung herausholen wollte, verfiel ihr. Anstatt Farkas zurück zu holen, kam auch er nicht wieder.“ Sie kicherte vergnügt. „Njada!“, ermahnte Torvar vorwurfsvoll. „Was denn? Ich erzähle ja nur!“, keifte sie und wandte sich dann wieder an Ria. „Auch Skjor, der das unsittliche Treiben beenden wollte – vor allem, da die Brüder nicht einmal mehr daran dachten ihrer Arbeit bei den Gefährten nachzukommen – wurde von ihr eingefangen. Von Torvar ganz zu schweigen.“ Böse Blicke trafen sie, doch sie ignorierte ihren

Partner. Ria dagegen kicherte ebenfalls. „Das hätte ich gerne gesehen!“ „Na, so sehenswert war das wirklich nicht“, meinte Njada abfällig. „Dort drin sah es aus wie im Freudenhaus von Bruma! Dunkle Vorhänge hingen vor den Fenstern und schwere Düfte krochen durch den Raum. Die Zwillinge räkelten sich nackt auf ihren Pritschen. Wobei von Farkas kaum mehr was da war. Dabei hing er mit glühenden und verliebten Augen an dieser Hexe, die dabei eh so hässlich wie die Nacht war. Männer!“, rief sie. „In den hinteren Räumen hörte ich Skjor und Torvar streiten. Einfach erbärmlich! Sie alle sind ihr ins Netz

gegangen. Jeder Einzelne von ihnen!“ Njada schnaubte vor Entrüstung. Inzwischen waren alle, die in Jorrvaskr wohnten, in die Methalle hochgekommen. Hana stellte sich hinter ihren Bruder, legte ihm ihre klammen Hände auf die Schultern und hörte gespannt zu. Sie sah noch schlechter aus als die Tage davor. Dunkle Augenringe hatten sich in ihr blasses Gesicht gegraben und ihre ansonsten immer lachenden Mundwinkel zuckten ständig, als würde sie sich nur mühsam beherrschen können, nicht wieder in Tränen auszubrechen. Ihr ging es an diesem Morgen wirklich elend. Hatte sie die letzten Tage schon kaum mit ihrer Situation umgehen können, mit

all ihrer Angst um Vilkas, so war sie nach dieser Nacht so gut wie überhaupt nicht mehr in der Lage dazu. Sie hatte schreckliche Alpträume gehabt, in denen sie zusehen musste, wie Vilkas von einem riesigen Hirsch zerquetscht worden war und anschließend in dessen Revier gezerrt wurde, in dem lauter blutrünstige Bestien lebten, die bereits geifernd auf die frische Beute warteten. Schreiend war sie aus diesem Traum hochgefahren, doch das Entsetzen war nicht von ihr gewichen. Wenn nicht Varis in diesem Moment zu greinen begonnen hätte, hätte sich Hana voll in ihre Verzweiflung gestürzt. So jedoch kümmerte sie sich um ihr Kind, bis dabei

langsam der Druck des Alptraums von ihr wich. Dennoch blieb eine ungute Gewissheit in ihr. Diese Gewissheit hatte sie von Anfang an gespürt. Schon seit dem Moment, als Vilkas ihr gesagt hatte, dass er Hircine, den Daedra-Fürsten der Jagd, herausfordern wollte. Sie verstand, dass Farkas diese Hilfe brauchte, ohne der er sonst nicht mehr zu ihnen zurück finden würde. Doch sie hatte ein ganz mieses Gefühl dabei. Es war ihr, als würde ihr Herz entzweireißen. Nicht einmal bei der Bedrohung durch die Vampire hatte sie so eine schreckliche Vorahnung gehabt wie jetzt. Sie konnte es nicht benennen, nur in ihrem Herzen spürte sie, dass sie

Vilkas für sehr lange Zeit nicht mehr sehen würde, wenn nicht gar für immer. Und das war es, was sie nicht aushielt. Sie hatte beinahe alles, was in ihrem Leben im letzten Jahr auf sie zugekommen war, irgendwie immer als ihr Schicksal angenommen. Doch jetzt, hatte sie das Gefühl, dass sie das nicht mehr konnte. Die Tränen stiegen ihr erneut hoch. Was war sie nur für ein Großmaul gewesen! Damals in der kalten Nacht, die sie mit Vilkas, eingehüllt in ihre Mäntel, im Freien bei Vollmond verbracht hatte! Laut hatte sie damals noch gesagt, dass es ihr egal wäre, wie lange sie miteinander noch Zeit haben würden. Sie

würde nicht auf ihn verzichten, nur weil der Werwolf-Fluch drohte, ihn bald nach Oblivion zu bringen. Und jetzt, wo es soweit war? Jetzt jammerte und haderte sie! Sie war kein bisschen die starke Frau, die sie vorgegeben hatte. Ihr einziger Trost – wenn man davon überhaupt reden konnte – war, dass sie nun ihren Bruder an ihrer Seite, und durch Vilkas auch einen sicheren Hort für sich und ihr Kind gefunden hatte. Gerade als die Erinnerung an ihren Alptraum erneut in ihr hochstieg, spürte sie, wie ihr Bruder auf ihre Hand griff, die sie auf seine Schulter gelegt hatte, und diese leicht drückte. Gerührt lächelte sie. Wenigstens sie beide waren wieder

vereint. Nur eine einzelne Träne ließ sich nicht mehr aufhalten und rollte über ihre Wangen herab. Den Rest schaffte sie herunter zu schlucken. Und als Galen ihr seine Hände entgegenstreckte, schälte sie Varis aus seinen Tüchern und legte das Baby in die Arme seines Onkels. Somit konnte sie die Anekdote, welche Njada über die Zwillinge zum Besten gab, weiter gut mitverfolgen. Es war ihr immer schon klar gewesen, dass die beiden, besonders Vilkas, so einige Erfahrungen mit Frauen mitbrachten. „Wie ging die Sache dann aus?“ Ria blickte Njada mit großen Augen an. „So wie du erzählst, sind wohl alle Männer der Gefährten in ihre Fänge geraten!

Kodlak übrigens auch?“ „Nein!“, rief Tilma resolut dazwischen. „Und egal was andere sagen, Kodlak war die ganze Zeit über bei mir hier in Jorrvaskr.“ Hinter Tilmas Rücken verdrehte Njada die Augen und Ria kicherte noch mehr. „Diese Hexe, die es geschafft hat, selbst den sturen Vilkas einzufangen, hätte ich auch gerne kennen gelernt!“, feixte da Thorald, was ihm einen derben Rippenstoß von Ria einbrachte. Njada nickte. „Du wärst ebenfalls in ihrem Netz hängen geblieben! Der Einzige, der immun dagegen wirkte, war Athis.“ Alle Augen fielen auf den Dunkelfen, der sich daraufhin an seinem

Met verschluckte. „Seitdem munkelt man, dass Dunmer ihre Kinder aus dem roten Berg selbst zu holen pflegen!“, murmelte Njada verschwörerisch. „Hey!“, rief Athis. „Das habe ich gehört! Was können wir denn dafür, dass wir resistent auf so manche Magie sind!“ Böse grummelte er weiter. „Man braucht hier gar nichts zu tun und kommt dennoch in Verruf!“ Trotz ihres Wehmuts, lenkte Hana das Geplänkel der Gefährten ab. Sie setzte sich neben Galen und begann ebenfalls ihren Eintopf zu essen. „Jetzt spann uns nicht länger auf die Folter, Njada!“, rief Ria. „Wie ist die Sache

ausgegangen?“ Njada streckte sich und drückte ihre Brust durch. „Ich war es schließlich, die unsere liebestollen Mannsbilder von dem Weib befreite! Farkas, der am längsten unter ihrem Einfluss war, schlich noch mindestens zwei Wochen lang voller Trübsinn umher. Obwohl sie ihn umgebracht hätte, war er ihr immer noch verfallen!“ Athis ließ sein geckendes Lachen hören. „Übertreib mal nicht, Njada. Damals war Lydia noch bei uns. Sie war es, die die Hexe schlussendlich auf ihrem Schwert aufspießte.“ „Ja, aber nur, weil ihr verrückten Mannsbilder mich angegriffen habt“,

grollte die hochgewachsene Nord. „Ihr wolltet diese Hexe sogar noch verteidigen!“ „Wir waren eben verwunschen!“, zuckte Torvar entschuldigend die Schultern. Doch das Leuchten in seinen Augen zeigte, dass selbst er von dieser Frau begeistert gewesen war. Ihr Zauber musste wirklich stark gewesen sein. „Wer war Lydia?“, fragte Ria neugierig. Athis wandte sich zu ihr. „Sie diente zuerst unter Jarl Balgruuf, schloss sich nach dem Tod ihrer kleinen Schwester aber dann den Gefährten an. Sie starb während eines Auftrags, noch bevor du und Thorald zu uns gestoßen seid.“ „Oh!“, meinte Ria. „Diese Lydia! Die

große Schwester von Lavinia, die einst mit Vilkas…“ Sie unterbrach sich sofort und blickte schuldbewusst zu Hana, die aber tapfer versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Ich glaube, wir haben genug geredet. Kommt“, trieb Athis seine Leute an. „Heute gilt es die Bärenplage einzudämmen, welche die Farmen im Umland bedroht.“ Dann blickte er zu Ria und Thorald. „Und ihr wolltet zu unserem Hofzauberer Farengar, nicht wahr? Soweit ich weiß, möchte er noch etwas aus dem Ödsturzhügelgrab.“ Die beiden nickten geflissentlich und machten sich ebenfalls zum Aufbruch

bereit. Athis hieb zum Abschied Galen auf die Schulter. „Und du, ruh dich aus.“ „Keine Sorge. Lass das nur uns über“, meinte Tilma während sie begann schwerfällig den Tisch abzuräumen. Sofort sprang Hana auf um ihr zu helfen. Auch Setha, die mit Madi während der Hexengeschichte zu ihnen gestoßen war, begann mitzuhelfen. Dankbar nickte die ältere Frau, deren Gebrechlichkeit langsam immer stärker zu bemerken war. Galen herzte noch kurz seinen Neffen, dann legte er den zufriedenen und gut genährten Säugling in die Wiege, die hier in der Methalle für ihn bereit stand. Außer ihm, waren alle Gefährten bereits

zu ihren Aufträgen aufgebrochen. Es kam ihm heute wirklich gelegen in Jorrvaskr zu bleiben, da ihn zusätzlich zu all dem Druck in der Nacht, auch sein Geburtsmal plagte. Wie Feuer brannte die Haut, als Reaktion auf die Geschehnisse, die wohl bald auf ihn zukommen würden. Wenigstens zog es ihn nicht irgendwo hin, wie damals, als er von Elsweyr nach Himmelsrand aufbrechen musste. Was immer es war, das ihn erwartete, es musste sich scheinbar unmittelbar hier abspielen, oder hier seinen Anfang nehmen. Dass die Dinge in Cyrodiil bereits ins Rollen gebracht wurden, war ihm gnädiger Weise im Moment noch nicht

zugänglich. Doch das Schicksal – oder die Göttlichen, wenn man so wollte – hatten ihren Boten bereits während der Nacht in die Kaiserstadt geschickt… ******* Dumpf hallten schnelle Schritte durch die dunklen Gassen. Keuchender Atem begleitete das ‚Thum, Thum‘ der eilenden Beine. „Verdammt!“, fluchte Rainus Vel, als er dabei in eine tiefe Pfütze auf den unebenen Pflastersteinen tappte. Seine Stiefel waren gut genug, um die Nässe abzuhalten. Bei seinen Beinkleidern war das allerdings anders. Doch bei dem Regen, der zu dieser

späten Nachtstunde über der Kaiserstadt niederging, war es sowieso schon egal, aus welcher Richtung er durchweicht wurde. Wichtig war nur, dass das Dokument, das ihm und seinen Leuten auf so seltsame Weise zugekommen war, trocken zu ihrem Administrator gelangen würde. Dabei waren sie zu einer ganz anderen Mission ausgeschickt worden, die momentan das zentrale Interesse des Penitus Oculatus Ordens wiederspiegelte, deren Angehörige sie waren. Was ihre Mission selbst betraf, hatte er ausgesprochen schlechte Nachrichten zu überbringen. Das Einzige, das die Mitteilung ihres Desasters erfreulicher

machte, war eben dieses Schriftstück, das er in der Innentasche seines Mantels aufbewahrt hatte. Der Ritter des Penitus Oculatus Ordens schauerte jetzt noch, wenn er an das unheimliche Beben dachte, das schließlich zur Entdeckung dieses Dokumentes geführt hatte. Rainus Vel und seine Leute waren bereits auf dem Rückweg von ihrer fehlgeschlagenen Mission in Bruma, als das seltsame Geschehen stattfand. Sie machten gerade in einem fremdartigen, überhaupt nicht in die Landschaft passenden, ungewöhnlich verformten und verfallenen Bauwerk Rast. Es sah beinahe so aus, als sei dieses Gebäude aus der jenseitigen Welt herausgerissen

und in die ihre einfach hinein gesetzt worden. Gerade noch rechtzeitig, um ihnen einen trockenen Platz für die Nacht zu gewähren. Die Ritter des Penitus Oculatus Ordens saßen bereits am Feuer, als die Wände plötzlich zu zittern begannen und auch der Boden sich auf und ab bewegte. Es war anders als ein gewöhnliches Erdbeben, denn es fand beinahe völlig geräuschlos statt. Als sie nachsehen gingen, ob irgendwelche Gänge dabei verschüttet worden waren, stolperte Rainus in eine kleine Kammer, die vorhin noch nicht da gewesen war. Das hätte er schwören können. Als erneut ein Beben einsetzte, fiel dann dieses Schriftstück vor seine Füße. Es war

richtiggehend gespenstisch, und Ihnen allen war unheimlich zumute, doch als keine weiteren Bewegungen durch das verfallene Gemäuer gingen, setzten sie sich wieder zum Feuer. Neugierig geworden, begann Rainus das Pergament zu studieren. Zuerst war ihm gar nicht bewusst gewesen, was das alles bedeutete, denn in dem Schriftstück war nur ganz banal die nordische Legende von Alduin und dem Dovahkiin zu lesen. Erst bei erneutem Hinsehen fiel ihm etwas auf, das ihn nun zu all dieser Eile bewog. Das und natürlich der Bericht über ihren fehlgeschlagenen Auftrag. Dass sie nicht erfolgreich gewesen waren, hatte ihm und seinen Männern

zutiefst zugesetzt. Doch die Thalmor – die militante Macht hinter dem Aldmeri-Bund – waren ihnen zuvor gekommen. An ihm war es nun, diese katastrophale Nachricht zu überbringen. Rainus Vels Leute saßen bereits bei einem warmen, wenn auch verspäteten Abendmahl, während er durch die Kaiserstadt hastete. Doch er wusste, dass ihr Bericht und ihr Fundstück zu wichtig waren, als dass er sich damit Zeit lassen können würde. Er hatte auch die Order, Administrator Severen Corianus, sofort über alles zu informieren und das zu jeder Tages oder Nachtzeit. So vergeudete Rainus auch keine Zeit und lief direkt zum Haus des Administrators vom Penitus Oculatus

Orden. Die Horden von Wachen, die den Weg zu den Ansiedlungen der hochrangigen Leute von Cyrodiil bewachten, staunten nicht schlecht den hochrangigen Offizier zu so später Stunde noch die Straßen entlang hetzen zu sehen. Doch auch ihre Befehle waren eindeutig und so konnte Rainus ohne Behinderung passieren, bis er in die Räumlichkeiten seines Administrators geführt wurde. Zu Rainus Vels Erstaunen war Administrator Severen Corianus nicht allein. Neben ihm saßen drei Ratsmitglieder in ihren Ornats Mänteln. „Kommandant Vel!“, rief Corianus erfreut aus. „Ich hoffe, Ihr bringt frohe

Kunde.“ „Mein Herr!“, verneigte sich Rainus Vel schnell. „Leider nein.“ Als er den entsetzten Blick seines Vorgesetzten sah, beeilte er sich zu sagen: „Aber dafür haben wir etwas anderes sichergestellt, das alles völlig verändern wird!“ Severen Corianus erhob sich. Auch die Ratsmitglieder wurden unruhig. Zu viel hing am Erfolg von Rainus Vel und seinen Leuten. „So sprecht!“, rief der Administrator. „Spannt uns nicht länger auf die Folter!“ Rainus Vel versuchte sich zu sammeln. Dabei zog er das Schriftstück aus seiner Innentasche und legte es auf den Tisch. „Das hier ist die Übersetzung der

nordischen Prophezeiung über die Weltengeißel Alduin.“ Doch anstelle von Neugier, schlug ihm Unglauben entgegen. Severen Corianus setzte sich resigniert. Es schien, als wäre sein bester Kommandant verrückt geworden. Was sollte diese lächerliche, nordische Prophezeiung mit ihrem derzeit brisanten Anliegen gemein haben? Noch dazu, wo die Sache doch schon längst ausgestanden und Alduin vernichtet worden war! Selbst der Bürgerkrieg in Himmelsrand war vorüber und Severen wusste, dass der Ältestenrat bereits Bündnisse mit dem neuen Hochkönig, Ulfric Sturmmantel, aushandelte. Sehr

vielversprechende Allianzen, die gegen den Aldmeri-Bund von großer Wichtigkeit waren. Doch das alles hatte nichts mit ihrem momentanen Problem zu tun, mit dem sich die Führung von Cyrodiil seit dem Tod Titus Mede II. herumschlagen musste: einen geeigneten Nachfolger für den Kaiserthron zu finden. Genervt fasste sich Severen an die Nasenwurzel. „Kommandant Vel. Habt Dank dafür.“ Der Administrator räusperte sich kurz. „Doch was könnt Ihr uns zu Eurem Auftrag sagen? Wie steht es um die illegitimen Septim-Abkömmlinge, die in Bruma leben sollen?“ Rainus Vel erkannte, dass die Nachricht,

die er überbracht hatte, nicht richtig angekommen war. Aber er war ein zu kluger Mann, als dass er gegenüber seinem Vorgesetzten darauf bestehen würde. Zuerst musste er wohl den sehr traurigen Bericht ihres fehlgeschlagenen Auftrages weitergeben. „Die Thalmor sind uns zuvor gekommen“, begann er seine Darstellung. „Wie auch immer sie es geschafft haben, Administrator. Meine Leute und ich kamen zu spät. Von den Nachfahren der illegitimen Septim-Linie aus Bruma ist kein Einziger am Leben geblieben. Wir konnten nur mehr ihren sterblichen Überresten die nötige Ehre erweisen.“ „Nicht einmal die Kinder?“, fragte einer

des Ältestenrates nach. Rainus Vel schüttelte traurig den Kopf. „Nein, Herr. Selbst das Jüngste wurde ermordet.“ Severen Corianus hieb frustriert auf den Tisch. „Wir haben wahrscheinlich schon mehr Verräter im Ältestenrat, als uns lieb ist!“, rief er aus. „Das ist jetzt schon unsere zweite Spur, die im Sand verläuft! Dabei war die Bruma-Linie unsere größte Hoffnung. Der Älteste von ihnen war ein einflussreicher Händler und wusste auch von seiner illegitimen Abstammung. Warum hatte er keine Vorkehrungen getroffen?“ „Als Titus Mede II. ermordet wurde, haben wir sofort gehandelt!“, rief einer

des Ältestenrates aus. „An alle bekannten illegitimen Blutlinien ist sogleich eine Nachricht ausgesendet worden! Und bei zwei weiteren, sehr weit entfernten Absplitterungen der Blutlinie, wurden Nachforschungen angestellt. Eine davon ist bereits seit fünfzig Jahren ausgestorben und zur anderen sind ebenfalls Truppen unterwegs.“ „Diese illegitime Linie ist wahrscheinlich auch schon ausgelöscht worden.“ Severen klang deprimiert. „Wir dürfen den Mut nicht verlieren.“ Ein weiterer Angehöriger des Ältestenrates meldete sich zu Wort. Als Rainus Vel genauer hinsah, konnte er den Lordkanzler erkennen. Diese Sitzung, in

die er hier hereingeplatzt war, schien wohl sehr gewichtiger Natur gewesen zu sein, wenn sogar der Lordkanzler persönlich anwesend war. Rainus Vel verneigte sich nochmals vor dem Lordkanzler, der, bis der nächste Kaiser eingeweiht worden war, die momentane Leitung im Reich innehatte. „Die Thalmor scheinen die Unterwanderung unseres Rates und unserer Strukturen wohl schon von langer Hand geplant zu haben“, begann der Lordkanzler, ein grauhaariger, älterer Mann, mit seiner ruhigen Stimme auszuholen. Sein Gesicht und seine Gestik wiesen ihn eindeutig als Kaiserlichen aus. Auch die beiden

anderen Ratsmitglieder waren Kaiserliche. Es schien, als würde selbst der Rat im Moment allen anderen Rassen des Reiches misstrauen. Besonders den Hochelfen. Denn diese waren die Hauptverantwortlichen hinter dem Aldmeri-Bund und die auserlesene Elite der Thalmor, der nur reinrassige Hochelfen angehören durften. Niemand sonst wurde zugelassen. „Es war uns wohl nie bewusst, dass die Thalmor so weit gehen würden, ihre gierigen Finger sogar nach der Kaiserkrone auszustrecken. Selbst Piron, der jetzige Schatzmeister unseres Reiches, ist ein hoher Beamter der Thalmor, wenn nicht sogar der Höchste, der sich offiziell zum

Aldmeri-Bund bekannt hatte.“ „Wollt Ihr sagen, dass wir damit klein beigeben müssen, Lordkanzler?“, fragte Severen Corianus entsetzt. „Bis jetzt war die Kaiserkrone immer noch in der Hand der Septime, wenn auch schon auf dem Umweg des Bastardblutes. Die Mede-Dynastie konnte den Thron ja auch nur deshalb beanspruchen, weil Uriel Septims Großvater sich einen Ausrutscher mit einer Adligen aus ihrem Hause geleistet hatte. So hatte auch Titus Mede II. noch entfernt Anrechte.“ „Nein, geehrter Corianus!“, winkte der Lordkanzler ab. „Das meinte ich keinesfalls. Ich wollte damit nur sagen, dass wir aufmerksamer hätten sein

sollen. Mit so einer Impertinenz, hatten wir nicht gerechnet. Doch noch ist nicht alle Hoffnung verloren. Eine Blutlinie gibt es noch, wie wir gehört haben.“ „Ja. Eine Delegation unseres Ordens ist zu ihnen unterwegs“, bestätigte Severen Corianus. „Es sind aber einfache Bauern im Süden von Cyrodiil, die wohl von der lange zurückliegenden Entgleisung eines Septims und ihrer damit einhergehenden Abstammung, keine Ahnung haben. Die Frage ist nur, ob uns die Thalmor auch hier zuvorgekommen sind. Wenn ja, haben wir niemanden mehr. Dann sind auch alle Bastardlinien, von denen wir wissen, ausgelöscht worden. Dann ist die Blutlinie der Septime tatsächlich aus

ganz Tamriel entschwunden.“ „Das wäre das Ende des Reiches“, meinte der Lordkanzler. „Tamriel wird zerfallen. Der Aldmeri-Bund hat nicht den Segen der Götter, um die Länder unter sich zu vereinen. Außerdem würden wir einer Willkürherrschaft entgegensehen, wie sie noch nie dagewesen ist.“ Die Männer schwiegen. Jeder von ihnen schien seinen dunklen Gedanken nachzuhängen. Rainus Vel spürte jetzt die Gelegenheit, nochmals an das Schriftstück zu erinnern, das er mitgebracht hatte. Er musste wohl nur die Worte anders wählen. „Mit Verlaub“, begann er, „aber in diesem Schriftstück wird etwas erwähnt,

das ein völlig neues Licht auf das Problem wirft!“ Müde wandte sich der Administrator des Penitus Oculatus Ordens wieder seinem Kommandanten zu. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, was eine alte nordische Legende, mit den Anliegen des Kaiserreiches gemein haben könnte, aber er war mittlerweile bereit alles in Erwägung zu ziehen. Und so wie es aussah, ging es den Mitgliedern des Ältestenrates und dem Lordkanzler wohl ebenso. „Also bitte, Rainus, da wir Euch sowieso nicht davon abhalten können, sprecht“, meinte Severen ergeben. Das ließ sich der Offizier nicht zweimal

sagen. „Dieses Schriftstück kam auf völlig unerwartete und unheimliche Weise zu uns“, begann er. „Wir waren gerade auf dem Weg zurück, als die Nacht überraschend hereinbrach. Viel früher als es sein sollte. Doch wir fanden einen passablen Lagerplatz in einem alten, verfallenen Gemäuer. Es war mehr ein Zufall – oder auch eine göttliche Fügung – die mich, nach einem seltsamen Erdbeben, in diese Kammer stolpern ließ, wo dieses Schriftstück genau vor meine Füße fiel.“ Die Ratsmitglieder, sowie der Administrator, sahen Rainus Vel bereits ein wenig ungeduldig an. Nicht nur, dass er ihre Zeit mit alten Legenden stahl,

jetzt begann er ihnen auch noch über die Abenteuer von sich und seinen Männern zu berichten. Zugegeben, es klang seltsam, dennoch fühlten sich die betagten Herren aufgehalten. Vielsagend blickten sie einander an, doch der Kommandant schien es nicht zu bemerken, oder nicht bemerken zu wollen, denn er fuhr unverfroren mit seinem Bericht fort. „Zuerst maßen wir dem Schriftstück ebenfalls keine Beachtung bei, denn die meisten von uns wissen von den Geschehnissen und dem Sieg über Alduin. Doch dann sprang mir ein Wort in die Augen, und ich las das Ganze nochmals durch. Vor allem den

Nachsatz!“ Jetzt starrten vier Augenpaare neugierig auf Rainus Vel. „Welches Wort?“, fragte der Administrator mit spröden Lippen und griff dabei unbewusst nach dem Schriftstück. „Drachenblut“, sagte Rainus. „Drachenblut?“, echote der Lordkanzler. „Aber wir wissen doch, dass damit die Drachen selbst gemeint sind! Das ‚Drachenblut‘ ist der Legende nach ein Nord, mit der Seele eines Drachen!“ Vehement schüttelte der Kommandant des Penitus Oculatus-Ordens den Kopf. „Nein, ehrwürdiger Lordkanzler. Dieses Schriftstück ist die nordische Legende, in der Sprache der Nord verfasst.

Darunter steht aber die Übersetzung und in der wird besagter ‚Dovahkiin‘ der Bezwinger Alduins, als ‚Drachenblut‘ bezeichnet. Wortwörtlich übersetzt heißt es da: ‚vom Blut der Drachen‘ und nicht ‚mit der Seele der Drachen! Und wie wir wissen, haben nur Erben der Septim-Dynastie ‚Drachenblut‘ in sich!“ „Wie gesagt, das beweist gar nichts! Es ist eine Angelegenheit der Nord und hat mit uns nichts zu schaffen!“, rief einer der Ratsmitglieder ungeduldig. „Ihr ‚Drachenblut‘ muss nicht zwangsläufig auf die Blutlinie der Septim hinweisen!“ Rainus Vel richtete sich auf. „Nun, so folgerten wir auch zuerst.“ Er machte eine gewichtige Pause. „Doch wenn Ihr

Euch das Nachwort anseht, werdet Ihr anders darüber denken.“ Severen Corianus begann an der Schriftrolle zu nesteln. „Jetzt redet schon! Macht es nicht so spannend!“, fuhr er seinen Kommandanten an, während er mit den Verschnürungen des Pergaments kämpfte. „Was steht im Nachwort?“ Rainus Vel konnte nicht umhin den Triumph aus seiner Stimme heraus zu halten: „Dass nur ein direkter Nachkomme Tiber Septims das reine ‚Drachenblut‘ in sich tragen kann, das dazu nötig ist, um Alduin zu bezwingen!“ Stille herrschte im Raum, dass man sogar

das Knistern der Kerzenflammen hören konnte. Schließlich rührte sich der Lordkanzler als erster. „Das… das wäre ungeheuerlich.“ „Nein. Das wäre schlichtweg die Rettung des Reiches!“, meinte Severen Corianus. „Nein!“, rief ein anderer dazwischen. „Das ist Humbug! Wir wissen doch alle, dass Tiber Septims direkte Linie mit seinem Enkel, Pelagius I., ausgelöscht wurde. Pelagius hatte keine Kinder. Nicht einmal einen Bastard! Die ganze Septim-Dynastie, die nachfolgte, entsprang von Agnorith, dem Bruder Tiber Septims. Seine Tochter, Kintyra, folgte Pelagius auf den Thron!“ „Aber…“, beschwichtigte Severen

Corianus. „Vielleicht hatte Tiber Septim selbst einen Bastard gezeugt, von dem niemand etwas wusste.“ Entsetzte Blicke trafen ihn. Der Administrator zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Er war doch auch nur ein Mann…“ Lautes Stimmengewirr setzte ein. Alle redeten durcheinander. Das Thema schien die Gemüter der gesetzten Ratsmitglieder wahrlich zu erhitzen. „Verzeiht, werte Herren“, mischte sich Rainus Vel wieder ein. „Alduin wurde bereits besiegt. Das heißt, es muss tatsächlich eine direkte Linie geben. Wie auch immer sie zustande kam…“ Erneut trat Stille ein, als die Bedeutung von Rainus Worten langsam sickerte. Die

ehrwürdigen Ratsmitglieder sahen sich an, während der Administrator des Penitus Oculatus Ordens erneut das Dokument zur Hand nahm. Gebannt starrten alle auf ihn, als er das Schriftstück entrollte. „Diese Tatsache ist nicht zu bestreiten.“ Severen Corianus hielt das Pergament ungläubig vor sich, während seine Augen den Text überflogen. „Es steht hier genau in diesen Worten und das Schriftstück scheint echt zu sein…“ Er begutachtete das Dokument von allen Seiten. „Das heißt dann also… es muss tatsächlich eine direkte Linie Tiber Septims geben.“ Völlig verdattert ließ er das Pergament

sinken. Immer noch herrschte Bedenken unter den Anwesenden. Sie sahen sich teils zweifelnd, teils mit neuer Hoffnung erfüllt an. „Ein Nord?“, fragte einer des Ältestenrates schließlich ungläubig. „Ein Nord soll ein illegitimer Nachfahre Tiber Septims sein? Wir… wir haben nicht einmal einen Nord als Mitglied des Ältestenrates! Sogar eine Khajiit haben wir in unserer Runde, doch solange ich denken kann, war noch niemals ein Nord…“ „Nun, die Nord sind nicht gerade wegen ihres Verhandlungsgeschicks bekannt“, meinte der Lordkanzler nachdenklich,

obwohl man ihm ansah, dass auch ihm diese Vorstellung missfiel. Er räusperte sich verlegen. „Wir stehen jetzt zwar in Verhandlungen mit ihrem Hochkönig, doch wir haben uns noch nie Gedanken darüber gemacht, warum ein Nord niemals Mitglied im Ältestenrat sein wollte. Soweit auch ich mich erinnern kann, haben sie auch jedes Angebot diesbezüglich immer wieder abgelehnt. Doch wir fragten uns nie warum…“ Der Lordkanzler hielt inne und sah die anderen Ratsmitglieder an. „Wir haben uns auch niemals näher mit ihren Mythen und Legenden beschäftigt…als wären sie uns zu unzivilisiert…“ Rainus Vel sah dem Lordkanzler seine

Verlegenheit an. Falls jetzt in einem Nord Septim-Blut fließen würde und er sogar den Kaiserthron besteigen würde, wäre das wirklich sehr beschämend für den Ältestenrat, der soeben auch auf seine rassistischen Vorurteile gestoßen worden war. Wenn er es nicht besser wüsste, würde Rainus sich direkt wünschen, dass das Drachenblut ein Nord wäre. Der Ältestenrat in seiner Selbstverliebtheit hätte es verdient. Aber es war anders. „Mit Verlaub!“, meldete er sich nochmals zu Wort. „Aber mein Vetter ist in Himmelsrand stationiert. Er hatte mir einmal erzählt, dass er besagtem ‚Dovahkiin‘ bereits begegnet war. Und

nach seinen Worten, war das kein Nord, sondern ein Kaiserlicher. Er dürfte sogar aus besseren Kreisen stammen und nennt sich selbst Galen.“ Die Stimmung schlug sofort um. Die Verlegenheit der Anwesenden hatte sich augenblicklich verflüchtig und machte Erleichterung Platz. „Das… das ist ja…“ Dem Administrator schienen die Worte zu fehlen. „Wenn das stimmt, dann… dann wären wir den Thalmor endlich wieder einen Schritt voraus!“ Der Lordkanzler erhob sich aufgeregt. „Wie wir wissen, trägt jeder der Septim-Blut in sich hat, ein mehr oder minder ausgeprägtes Geburtsmal. Damit konnten sich –

zusätzlich zu ihrer Erwähnung als illegitime Söhne oder Töchter der Kaisers, auch die Septim-Bastarde legitimieren. Wir verlieren nichts, wenn wir dem nachgehen, im Gegenteil, wir können nur gewinnen!“ Auch die anderen erhoben sich und sprachen wild durcheinander, während Rainus Vel sich mit verschränkten Armen zurück lehnte. Es war zum Schämen, aber alleine schon die Erwähnung, dass der angeblich direkte Nachfahre Tiber Septims ein Kaiserlicher und kein Nord war, brachte die edlen Herren dazu, sein Geburtsrecht eher anzunehmen. Traurig, aber wahr. Die Kaiserlichen waren im Endeffekt nicht besser als die Hochelfen, die Nord,

oder alle anderen Rassen. Sie hatten vielleicht die besten Absichten, was den Zusammenhalt Tamriels und die Bündnisse der Reiche anging, dennoch waren auch sie nicht frei von Vorurteilen. Immerhin war jetzt wieder ein neuer Hoffnungsschimmer da. Einer, von dem die Thalmor noch keine Ahnung hatten. Zumindest dessen glaubte sich Rainus sicher zu sein. Geduldig stand er da und wartete ab, bis sich die Aufregung unter den edlen Herren legen würde. Danach würde er sicherlich neue Befehle bekommen. Wie diese aussahen, konnte er sich schon denken. Allerdings ließ er sich nichts anmerken. Und auch nichts

von seiner Genugtuung, dass – wie er es gesagt hatte – diese harmlose Schriftrolle, tatsächlich alles verändern würde.

23 farkas erwachen

„Was ist das bloß für ein schrecklicher Geruch!“ Bevor Farkas noch die Augen öffnete, entfuhren ihm diese Worte, da der beißende Gestank, der sich widerlich in seine empfindliche Nase schlich, ihm beinahe Brechreiz verursachte. Dazu kamen noch die Schmerzen in seinen Gliedern, die sich anfühlten als wären sie ihm abgebunden worden und in denen jetzt langsam wieder das Blut zurückkehrte. Sein Kopf dröhnte ebenfalls und das dumpfe Gefühl im Bauch sagte ihm, dass er wohl schon

lange nichts mehr gegessen hatte. „Bei Talos!“, rief er, während er die Augen öffnete. „Was ist geschehen?“ dann blickte er sich ungläubig um. „Und wo beim Barte meines Großvaters, bin ich hier überhaupt?“ Mühevoll richtete sich Farkas auf, nur um angewidert an sich selbst zu riechen und dabei seine Nase zu rümpfen. „Verdammt! Ich bin das, der so stinkt!“, entfuhr es ihm. Als er sich endlich aufgesetzt hatte und verwundert das feuchte Stroh abtastete, das ihm als Unterlage diente, begann er sich aufmerksam umzusehen. Er konnte nicht gleich alles erkennen, doch der Geruch, der neben seinem eigenen Gestank noch im Raum lag, kam ihm

vertraut vor. Noch dazu saß er in einem Käfig. Die Höhle in der dieser Käfig stand war nicht groß, kam ihm aber irgendwie bekannt vor. Spärlich wurde sie von zwei Kohlebecken beleuchtet. Endlich klickte es in seinen Gehirnwindungen. „Ich bin in der Tiefenschmiede! Aber warum hat man mich eingeschlossen? Und vor allem wer?“ Farkas war völlig verwirrt. Er konnte sich an nichts erinnern. Das Letzte, das in seinem Bewusstsein auftauchte war die Reise ins Troll-Land und Evvas penetrantes Verhalten. Stöhnend griff er sich an den Kopf. „Habe ich mir ihr gegenüber etwas zu Schulden kommen

lassen?“ Er verstand nichts mehr. Er hätte dieses halbe Kind doch niemals angerührt! Und deshalb würden ihn die Gefährten doch nicht in den Käfig sperren! Seit er denken konnte, war noch niemals hier jemand eingesperrt worden! Ein leises Klacken ließ ihn auf sein Handgelenk blicken, auf dem die Silbermanschetten prangten. Langsam drängte sich ihm ein unguter Verdacht auf. Als er dann auch auf seinen Stiefeln dieselben Manschetten sah und auch an seinem Hals das Silber spürte, glaubte er zu wissen was geschehen war. Er hatte sich wohl in einen Werwolf verwandelt und die Bestie hatte dabei die Vorherrschaft übernommen. „Heiliger

Talos!“, rief Farkas. Er wollte nicht einmal daran denken, was er in diesem Zustand wohl angerichtet haben könnte. Erinnern konnte er sich an nichts. Nur ein vages Gefühl von der Nähe seines Bruders tauchte auf. Irgendwie mussten seine Kameraden es geschafft haben ihn zu bändigen und hierher zu bringen. Wie viele Tage seitdem vergangen waren, konnte er nur ahnen. Aber nach seinem Gestank und so wie seine Rüstung lose an ihm hing, würde er sagen, es waren einige. Mühsam stemmte er sich hoch. Er war komplett zittrig und schwach. Dennoch schlurfte er zu den Stäben und versuchte etwas mehr von der Höhle erkennen zu

können. Doch sie war völlig leer. Er drangen auch keinerlei Geräusche an seine empfindlichen Ohren. Außer dem Tropfen von Wasser, das irgendwo in irgendwelchen Gängen wohl von der Decke oder Wand floss. Alles war ruhig. Farkas konnte auch an nichts erkennen ob es Tag oder Nacht war. Aufmerksam drehte er sich um und suchte den Käfig ab. Doch außer dem feuchten Stroh, war auch hier nichts zu erkennen. „Die haben mir nicht einmal etwas zu Fressen gegeben.“, rief er aus. Jetzt verstand er auch warum er sich so schwach und zittrig fühlte. Auch wenn das Silber dem Werwolf Qualen bereitete, hätte man ihm doch wenigstens

ein wenig Fleisch in den Käfig stecken können und etwas Wasser. An seinem trockenen Mund merkte Farkas, dass es ihm auch daran gemangelt hatte. „Wollten die mich umbringen? Hier in der Finsternis einfach verfaulen lassen?“ Voller Unverständnis schüttelte er den Kopf. „Warum haben sie sich dann die Mühe gemacht mich hierher zu bringen?“ Dann fiel es ihm ein. „Wahrscheinlich, damit man keinen toten Werwolf in Himmelsrand findet.“ Aber auch wenn alles darauf hinwies, so konnte er es dennoch nicht glauben. Vilkas würde ihn nicht einfach krepieren lassen. Nicht einmal, wenn er als Werwolf viele Menschen abgeschlachtet

hätte. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was passiert sein könnte. Aber irgendwann würde schon jemand kommen, um nach ihm zu sehen. Er müsste einfach nur warten. So setzte er sich auf das feuchte Stroh und lehnte seinen Rücken gegen die Felswand. Dann versuchte er Skjors Techniken anzuwenden um ruhig zu werden und so wenig Energie wie möglich zu verschwenden. Die Zeit verfloss für ihn dennoch so träge wie noch nie. *** Nachdem alle Krieger die Met-Halle verlassen hatten, kehrte bald so etwas

wie Ruhe ein. Galen döste ein wenig, während er auf der Bank neben der Wiege hockte. Die Spannungen in ihm ließen langsam nach und er genoss es dem ruhigeren Treiben in der Halle so halb und halb zuzusehen. Tilma kratzte soeben die Essenreste zusammen, während Hana die Eintopfkessel versorgte und auch das Trockenfleisch zusammenstapelte, um es wieder in die Vorratskammer zu tragen. Setha, die morgens und abends zum Essen und zur Behandlung ebenfalls nach Jorrvaskr kam, half ihr dabei so gut es ging, dann nahm sie erschöpft auf einem der Sessel Platz, während sich die kleine Madi auf einem Fell in einer Ecke nieder

ließ und zu spielen begann. Seitdem es Setha besser ging war sie nicht mehr im Kynareth-Tempel untergebracht, sondern hatte mit Madi das alte Haus der Zwillinge, das Farkas ihr so großzügig angeboten hatte, bezogen. Arcadia beschwerte sich zwar, da sie sich immer so gerne um das kleine Mädchen gekümmert hatte, aber so viel Galen wusste, half sie Setha immer noch auf das Kind aufzupassen, wenn es ihr schlechter ging. Träge blickte Galen mit einem Auge zu der blonden Nord, die heute ein großes Tuch im ihren Kopf gewunden hatte, während er der Wiege des kleinen Varis mit einem seiner Beine hin und wieder einen sanften Stoß gab.

Es war alles mehr als geruhsam. Die Helligkeit des Tages schien durch die Fenster in die Halle und tauchte alles in sanftes Licht. Dazu klapperten Tilma und Hana mit den Tellern, die sie in die Küche trugen, die erst vor kurzem direkt an die Met-Halle angebaut worden war. Danach kam Hana wieder in die Halle, während Tilma schwerfällig in die Schlafunterkünfte hinunter schlurfte. Auch Hanas bleiches, von tiefen Augenringen beherrschtes Gesicht hatte sich inzwischen aufgeklart. Was auch immer sie in dieser Nacht heimgesucht hatte, es verging genauso im Licht des Tages, wie seine Mühsal.

Der Kaiserliche gähnte und spürte wie seine positive Lebenseinstellung langsam wieder hervorkam. Sein Geburtsmal hatte ebenfalls zum Toben aufgehört, als hätte sich sein Körper bereits auf das Unvermeidliche vorbereitet. Wie arg das Schicksal ihn auch würgte, es dauerte nie lange, bis Galen sich wieder fing und das Leben erneut in vollen Zügen genoss. Er war eben alles andere, als ein Kind der Traurigkeit. Sollten die Göttlichen doch nur mit einer neuen Aufgabe an ihn herantreten! Was könnte schon ärger als sein Kampf gegen Alduin sein? Versonnen begann er zu lächeln. Was auch immer es war, er würde das

hinbekommen und dann würde er sich auf die Suche nach seiner stolzen Nord machen. Genauso würde es ablaufen, dachte sich Galen und vor Vorfreude begannen bereits seine Muskeln zu zucken und sein Lächeln verbreiterte sich. So mit sich wieder zufrieden blickte er zu den Frauen. Setha schlürfte gerade einen weiteren von Hanas Tränken, welche die junge Nord zwar vom Rand des Todes geholt hatten, die aber zusätzlich zu den Blutungen, den Schmerzen und dem Erbrechen, noch weitere Nebenwirkungen hatten. Mittlerweile hatten zwar die ärgsten Schmerzen und die Übelkeit

nachgelassen, dafür waren Setha die Haare büschelweise ausgefallen. Sie wickelte sich gerade das Tuch vom Kopf, das sie zum Schutz ihres kahlen Hauptes darüber geschlungen hatte. Interessiert betrachtete Hana ihre kahlen Stellen. „Das sieht ja wunderbar aus, Setha!“, lobte Hana und strich über die restlichen blonden Haare der jungen Frau, die sofort in ihren Händen hängenblieben. Zweifelnd blickte die Nord zu ihr. „Meinst du wirklich? Du findest, dass das normal ist?“ Hana nickte heftig. „Bei allen, denen wir diesen Trank gegeben hatten, traten diese Wirkungen auf. Das war das Zeichen, dass das ‚böse Fleisch‘, das in ihnen

wütete, bereits abgestorben war! Trink nur alles aus. Ich glaube, ich habe die richtige Dosierung erwischt.“ Kurz darauf fügte sie an: „Wie sieht es eigentlich mit deinen Blutungen aus?“ „Sie sind nicht mehr so stark“, antwortete Setha und blickte zu Hana. „Ich vertrage auch schon leichte Mahlzeiten, werde aber noch schnell müde.“ „Das ist alles völlig normal.“ Hana freute sich, die junge Frau vor sich wieder so voller Hoffnung zu sehen. Das war für sie der schönste Lohn. Hana ging völlig in ihrer Arbeit als Alchemistin auf. Gerade jetzt, da sie diese Beschäftigung von ihren Ängsten und

Alpträumen ablenkte. Vor allem nach so einer Nacht wie der letzten. Sie blickte Setha tief in die Augen, doch diese waren wieder klar. Die krankhaften Verschleierungen waren also auch schon von ihrem Blick gewichen. Erfreut teilte sie das sofort mit: „Du sprichst wunderbar auf den Trank an. Wenn das so weitergeht, werden in ein paar Tagen die Blutungen aufhören. Dann können wir den Trank absetzen und du wirst dich rasch wieder erholen!“ „Und die Haare wachsen auch wieder nach?“ Die junge Frau wickelte sich sofort erneut das Tuch um den Kopf, als die Inspektion zu Ende war. Hana nickte. „Das kommt alles wieder.

Keine Sorge.“ „Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken kann!“, sagte Setha. Hana umarmte die junge Nord. „Da gibt es nichts zu danken, Setha“, sagte sie. „Ich bin glücklich, dass ich helfen konnte!“ Sehta erwiderte die Umarmung, dann blickte sie rasch zur kleinen Madi, die von ihrem Holzspielzeug aufgestanden war und nun ungeduldig am Rockzipfel ihrer Mutter zog. Galen lächelte. Er freute sich für seine Schwester – und natürlich für Setha – dass Hanas Trank so eine wunderbare Wirkung hatte. Sethas Genesung machte bereits die Runde, wie Galen wusste. Danica, die Heilerin aus dem

Kynareth-Tempel, hatte schon einen weiteren Kranken, den sich Hana ansehen kommen sollte. Und Arcadia wartete ebenfalls auf sie, um mit ihrer Hilfe weitere Tränke herzustellen und die Forschungen der Alchemie fortzuführen. Hanas Verständnis für Kräuter, Wurzeln und Heilsubstanzen machte ihn stolz. Er konnte nicht aufhören zu grinsen. Der Alpdruck der Nacht schien bereits einem anderen Leben anzugehören. „Was ist denn los, mein Liebes? Möchtest du schon gehen?“ Sethas fragende Stimme ließ ihn wieder aufblicken. Das kleine Mädchen zog nun unentwegt an ihrem Kleid. „Ich glaube, sie möchte dir etwas

zeigen!“, meinte Hana, die nachdenklich auf Madi blickte. Die Kleine sprach noch immer nicht, doch ihre Augen blickten flehend zu ihrer Mutter. Hana wusste, dass Madi nicht stumm war. Setha hatte ihr erzählt, dass die Kleine mit dem Reden aufgehört hatte, als es ihr immer schlechter ging und sie sich schließlich auf den Weg nach Weißlauf machte. Setha hatte gehofft, dass Madi jetzt langsam wieder zu sprechen anfangen würde. Aber der Schock oder die Angst, ihre Mutter zu verlieren, dürfte noch zu sehr in dem Kind stecken. „Ja, gleich!“, murmelte Setha, welche den Schwindel und das Brennen in ihren Gedärmen erst überwinden musste, die

der Trank in ihr immer noch hinterließ. Doch Madi schüttelte ihren Kopf, dass ihre blonden Haare nur so flogen. Voller Inbrunst drückte sie dabei das Holzpferd, das sie von Farkas bekommen hatte, an die Brust. „Farkas!“, tönte es da ganz zaghaft von den Lippen des Kindes. Erstaunt wandten sich ihr alle sofort zu. Das war das erste Wort, was sie wohl seit Wochen gesprochen hatte. Galen sprang sofort alarmiert auf. Jegliche Trägheit fiel von ihm ab und er stürmte auf das Mädchen zu, das sich sogleich hinter Setha versteckte. „Nicht Tiber!“, rief Hana. „Du machst ihr Angst!“ Dann wandte sie sich an die

Kleine. „Was ist los, Madi?“, fragte sie. „Willst du wissen, wo Farkas ist?“ Erneut schüttelte das Kind ihren Kopf. Dann zog sie wieder an Sethas Kleid und deutete in Richtung Tiefenschmiede. „Farkas!“, betonte sie erneut. Erstaunt sahen sich alle Erwachsenen an. Niemand hatte dem Kind erzählt wo der große Mann war, oder was mit ihm geschehen war. Nicht einmal Setha wusste davon. Madi konnte also schon gar nicht wissen, dass er in der Tiefenschmiede als Werwolf schlief. Setha wurde nervös und versuchte das Kind zu beschwichtigen, doch Madi zog nur immer stärker an ihr. Galen sah die junge Nord fest an. Unter

seinem Blick begann sie sich zu winden. „Kann sie Dinge spüren? Ist sie vielleicht magisch begabt?“, fragte er Setha. Als die kranke Frau unangenehm berührt nach Worten suchte, fügte er noch an: „Wir sind unter uns. Du kannst ruhig alles sagen.“ Setha nickte schließlich. „Ja, sie ist magisch begabt.“ Als die Geschwister sie neugierig ansahen, schoss ihr die Röte in die Wangen. „Das ist eine lange Geschichte. Ich… ich habe nicht ganz die Wahrheit gesagt…“ Rasch blickte sie auf. „Ich meine in Bezug auf Madi“, fügte sie schnell noch an. Das Drachenblut seufzte. Irgendwie hatte er sich das schon gedacht. Nicht, weil er

es riechen konnte, sondern weil ihm aufgefallen war, wie Farkas das Kind immer gemustert, oder auch einmal interessiert ihre Halskette betrachtet hatte. Er schien etwas in Madi erkannt zu haben, das allen anderen, ausgenommen Vilkas womöglich, verborgen geblieben war. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, hing das kleine Mädchen wie eine Klette an ihm. Und jetzt war wohl sie es, die etwas spürte. „Ich werde nach ihm sehen“, sagte er bestimmt und eilte hinaus. Hana wollte ihm sofort nachlaufen, doch sie zögerte. Die vage Hoffnung die in ihr zu keimen begann, wollte sie nicht sofort zunichtemachen, wenn sie erkennen

müsste, dass immer noch der Werwolf schlafend im Käfig lag. Madi blickte zu ihrer Mutter. „Holt er jetzt Farkas zu uns?“, fragte sie unschuldig. Setha umarmte ihre Tochter, glücklich, dass das Kind endlich wieder sprach. „Hmm“, meinte sie. Sie hatte schon mitbekommen, dass etwas mit Farkas geschehen war und dass sich Vilkas wegen ihm auf den Weg gemacht hatte. Doch was genau los war, wusste sie nicht. „Wenn Farkas da ist, mein Schatz, wird Galen ihn sicherlich hierher holen.“ Zufrieden nickte das Kind und lächelte. „Ja. Er wartet schon darauf.“ Hana konnte nur ungläubig von Mutter

zu Tochter blicken. „Sie… Ich meine, Madi, kann das alles spüren? Ich meine, wo man ist und was man fühlt?“ Die junge Nord nickte. „Ich glaube ja. Darum spürte sie wohl auch wie schlecht es mir ging und dass ich dem Tode schon so nahe war.“ Das Entsetzen über die erlebten, schweren Tage ihrer Krankheit, trat wieder in ihr Antlitz. „Ich kann dir und Farkas nicht genug danken. Ohne dich wäre ich bereits tot und ohne Farkas wären wir wohl nicht einmal bis nach Weißlauf gekommen. Ich hoffe, ich kann das alles noch irgendwie wieder gut machen. Doch außer, dass ich gut kochen kann und eine gute Hand für Tiere habe, habe ich nichts zu

bieten.“ Hana lief auf die junge Nord zu, die in dieser kurzen Zeit bereits wie eine Freundin für sie geworden war. Innig umarmte sie Setha. Tilma, die von den Schlafunterkünften wieder hochgekommen war, trat auf die jungen Frauen und das kleine Mädchen zu. „Ich werde bald jemanden brauchen, der mir zur Hand geht“, meinte sie an Setha gewandt. „Alles wird schon beschwerlich für mich und Hana wird die meiste Zeit über bei Arcadia sein und Tränke brauen oder Danica im Kynareth-Tempel helfen. Glaub mir, Arbeit gibt es hier genug. Würde dir das gefallen?“ Setha begann zu strahlen. „Das wäre

wunderbar. Ich koche für mein Leben gerne, besonders, wenn ich sehe, wie gerne es gegessen wird. Und an dankbaren Abnehmern fehlt es hier wirklich nicht!“ Hana konnte klar sehen, an wen Setha da gerade besonders anspielte. Sie konnte nicht anders, sie musste leise in sich hinein kichern. Farkas hatte weit mehr Verehrerinnen, als er für möglich halten würde. Mit einem Krachen sprang die Tür zur Met-Halle auf und Galen stürmte herein. „Farkas ist wieder da!“, rief er, dass sämtliches Inventar wackelte und den Frauen die Ohren schmerzten. Der Gute vergaß wohl immer wieder, wie mächtig seine Stimme war, selbst wenn er keine

magischen Drachenworte sprach. „Verzeiht!“, fügte er ein wenig leiser an und lief zum Tisch, von dem er einen Humpen Met und ein Stück Brot fischte. „Und bei den Göttern, richtet schnell ein heißes Bad her!“ Dann war er schon wieder bei der Tür draußen. Hana traten Tränen der Freude in die Augen. Vilkas hatte es tatsächlich geschafft! Er hatte seinen Bruder wieder zu ihnen zurück gebracht! Am liebsten hätte sie einen Freudentanz aufgeführt. Doch in dem Moment kam Danica hereingestürmt und bat um ihre Hilfe im Kynareth-Tempel. Es schien sich um jenen Kranken mit dem ‚bösen Fleisch‘ zu handeln. Und obwohl Hana gerne

Farkas begrüßt und umarmt hätte, zögerte sie nicht. Andererseits, so wie Tiber nach einem Bad gerufen hatte, war es wohl nicht ratsam, Farkas jetzt umarmen zu wollen. Hana kicherte vergnügt. Die Welt war für sie wieder in Ordnung. Voller Elan wickelte sie Varis in sein Brusttuch, da bald seine nächste Mahlzeit fällig war, und folgte der Heilerin zum Tempel, der auf der anderen Seite des Grünguldenbaumes lag. Der mächtige Baum stand bereits in vollem Laub. Die ausladenden Äste reichten bis zum neuen Talos-Tempel, der vor wenigen Wochen erst fertiggestellt worden war. Dieser Tempel lag viel näher an Jorrvaskr als der

andere. Eigentlich lag er direkt unterhalb der Hochburg der Gefährten. Doch bis jetzt fanden Hilfesuchende nur im Kynareth-Tempel Heilung und Behandlung. Aber das würde sich mit der Zeit auch noch ändern, dachte sich Hana, als sie daran vorüber eilte und übermütig zu einigen der überhängenden Äste des Baumes hochsprang. Aber sie musste ihrer Freude, über den glücklichen Ausgang von Vilkas Mission, einfach Ausdruck verleihen. Egal mit welchem Erstaunen sie so manche der ehrbaren Bürger und Wachen in diesem Moment ansahen. Träge kräuselte sich der Dampf gegen die

Decke und das leise Plätschern, das erklang, sobald Farkas sich ein wenig rührte, erzeugte sogleich noch mehr dieser Dampfschwaden. Mit einem wohligen Seufzer ließ sich der große Mann noch tiefer ins Wasser sinken. Es tat einfach nur gut, sich all den Dreck und Gestank von beinahe einer Woche Kampf und Werwolf – noch dazu nassem Werwolf(!) – abzuwaschen. Beinahe zwei Seifen hatte er verbraucht, bis er endlich das Gefühl hatte, wieder gesellschaftsfähig zu sein. Neben seinem Bottich, der randvoll mit heißem Wasser gefüllt war, stand ein Krug frischen, kalten Wassers, den Farkas immer wieder an die Lippen

führte. Sein Durst war unbeschreiblich gewesen. Er wusste nicht mehr wie lange er wohl gewartet hatte, bis Galen endlich aufgetaucht war. Seiner Meinung nach waren es Tage gewesen, auch wenn es sich wohl doch nur um Stunden gehandelt hatte. Farkas konnte sich an nichts erinnern. Auch nicht, als Galen ihm alles schilderte, was geschehen war. Er knirschte mit den Zähnen. Selbst die Tatsache, dass er die Vampirin Alva, die seine spontane Verwandlung auslöst hatte, faktisch zerfleischt hatte, konnte ihm keine Befriedigung verschaffen. Diese Vampire waren Schuld am Tod seiner Frau und seines ungeborenen

Kindes. Sein Vergeltungsdrang war noch lange nicht gestillt. Farkas dachte sich nur, dass es Vilkas ähnlich sah, sich Hircine alleine zu stellen. Aber, wie es aussah, hatte sein Bruder es wieder einmal geschafft. Das laute Grummeln, das sich deutlich vernehmen ließ, und der damit einhergehende bohrende Schmerz in seiner Körpermitte, signalisierten Farkas, dass sein Körper begehrlich nach Nahrung verlangte. Mittlerweile hatte er sich auch soweit erholt, dass er nicht mehr zitterte, als er aufstand. Doch die Tage, die er ohne Essen auskommen musste, hatten bereits sichtbare Spuren hinterlassen. Er war sichtlich schmaler

geworden. „Bei Talos. Wenn ich es jetzt noch schaffe finster vor mich hinzustarren, sehe ich aus wie mein Bruder!“, beschwerte sich Farkas und schickte sich an aus dem Bottich zu steigen. Gerade, als er nach einem trockenen Laken suchte, ging die Tür auf und Setha trat ein. Sie hielt ein Bündel Wäsche vor sich, sodass sie nicht sogleich sah, dass Farkas zwar ein wenig abgemagert, aber nichts desto trotz, nackt und bloß, vor ihr stand. Sorgfältig legte sie die Wäsche auf einen Stuhl. „So, hier hast du frische…“ Die restlichen Worte blieben ihr in der Kehle stecken, als sie sich umdrehte und Farkas

nackt und triefend vor sich stehen sah. Seine Gestalt war trotz der unfreiwilligen Hungerkur immer noch ansehnlich und ausladend. „Oh!“, rief sie. „Tut mir leid! Ich wollte nicht… ich meine…“ Verwirrt hörte sie auf zu stammeln. Farkas dagegen lächelte unbefangen und fasste nach dem Laken, das er endlich gefunden hatte. „Das muss dir nicht leidtun“, brummte er. „Auf so engen Raum bleibt es nicht aus, uns des Öfteren nackt über den Weg zu laufen.“ Schnell schlang er sich den Stoff um seinen Körper und blickte sie ernst an. „Dir scheint es bereits besser zu gehen!“ Setha seufzte erleichtert. Sie war alles

andere als schüchtern oder befangen, aber sie wusste nicht, wie es bei den anderen stand. Dass Farkas und wohl auch alle anderen der Gefährten so normal damit umgingen, gefiel ihr ungemein. Das und Farkas Bemerkung. Ihr Lächeln vertiefte sich. „Das habe ich nur dir und Hana zu verdanken!“, sagte sie. „Ich stehe tief in eurer Schuld!“ Farkas winkte ab. „Ach was“, meinte er. „Und danke für die frische Wäsche. Du solltest dich aber noch schonen. Ich hätte sie mir auch selbst holen können.“ Die junge Frau mit dem Tuch um den Kopf zwinkerte vergnügt. „Und nackt durch ganz Jorrvaskr laufen? Ich sage nur: Evva!“ Farkas liebe Not mit dem

halbwüchsigen Mädchen hatte schon überall die Runde gemacht und auch vor Setha nicht Halt gemacht. „Waaas?“, rief Farkas entsetzt. „Das Mädchen ist hier? Das wäre wirklich eine Katastrophe!“ Sein Entsetzen war so echt, dass Setha hellauf lachen musste, dann jedoch fasste sie sich sofort auf ihren Bauch und knickte mit scherzverzerrtem Gesicht ein. Mit einem Sprung war Farkas bei ihr. Das Laken blieb wo es war und auch seine frische Wäsche war vergessen. Knurrend hob er Setha auf seine Arme. „Du legst dich jetzt sofort hin und ruhst dich aus. Die Arbeit hier läuft niemandem weg. Wenn es dir besser geht, findet Tilma

sicherlich tausend Beschäftigungen für dich, keine Angst.“ Ohne weiter nachzudenken lief er aus der Badekammer und blieb dann unschlüssig stehen. „Äh… wo hast du eigentlich deinen Raum?“, fragte er irritiert. „Danke für deine Fürsorge, doch ich habe keinen Raum in Jorrvaskr“, sagte Setha. „Seitdem es mir ein wenig besser geht, wohne ich doch in dem alten Haus von dir und deinem Bruder!“ „Das muss sich augenblicklich ändern!“, bestimmte Farkas. „Diese Bruchbude! Das habe ich dir wirklich angeboten?“ Er konnte es gar nicht mehr glauben. „Außerdem, wenn du Tilma hier helfen wirst, kannst du gleich hier wohnen.

Mein alter Raum steht schon viel zu lange leer.“ Und ohne weiter darüber nachzudenken stürmte er los und legte Setha auf die dortige, mit Fellen ausgelegte, Liegestatt. Dann sah er sich verlegen um, während das Lachen der jungen Frau hinter ihm hervorperlte. „Nun“, gluckste Setha belustigt. „Von wegen Bruchbude…“ „Äh…“, meinte Farkas verlegen und rieb sich über seinen Nacken. „Ich war schon lange nicht mehr hier drinnen…“ Es sah wirklich mehr als unordentlich aus. Leere Metkrüge kullerten auf dem Boden. Ein einsamer Stiefel und eine alte Axt teilten sich die verstaubte Ecke hinter einer geöffneten Truhe, in der

einige seiner alten Sachen noch aufbewahrt wurden. Ein zerrissenes Hemd, dessen Ärmel nur mehr an ein paar Fäden hing, lag auf dem Sessel, während der andere Sessel überhaupt auf die Seite gekippt auf dem Boden neben dem Tisch lag. Vom ganzen Staub und einigen schon leicht angerosteten Rüstungsteilen ganz zu schweigen. „Da gehört wirklich aufgeräumt und ein Bett für Madi fehlt auch noch.“ „Farkas?“ Galen, der um die Ecke bog, blieb wie angewurzelt stehen. „Da bist du also!“ Mit einem Blick erfasste er alles und begann ebenfalls hellauf zu lachen. „Du alter Schwerenöter!“, rief er. „Zuerst verdrehst du der kleinen Evva

den Kopf und jetzt ist Setha an der Reihe! Du hast die Arme sogar bis in deine alte Bude gezerrt!“ „Aber, das ist nicht so wie du denkst“, fuhr Farkas auf. Als er jedoch Galens gespielt skeptischen Blick auf eine bestimmte Region seines Körpers bemerkte, fiel ihm wieder ein, dass er immer noch nackt war. So gesehen sah es wirklich ziemlich schlecht für ihn aus, egal was er sagen würde. „Ach was!“, brummte Farkas. „Glaub was du willst!“ Damit stürmte er aus dem Raum, um wieder in die Badekammer zu laufen, in der seine frische Wäsche für ihn bereit lag. Dazwischen begegnete er natürlich auch Tilma und selbst Hana und

Danica, die mit ihr zurückgekommen war, um etwas zu holen. Schadenfroh steckte Galen seinen Kopf zur Tür heraus. „Mensch Farkas!“, rief er. „Willst du wirklich allen Frauen hier den Kopf verdrehen? Dabei ist Evva nicht einmal noch da!“ Das Lachen der anderen drang noch bis in die Badekammer, in die sich der große Mann schließlich flüchtete. Er mochte Galen, wirklich, aber manchmal war dieses Drachenblut eine wahre Heimsuchung. Vor allem, wenn ihm scheinbar Zeitlang war… Die Normalität hielt in Jorrvaskr schnell wieder Einzug. Am Abend, als alle bis auf Ria und Thorald von ihren Missionen

zurückgekommen waren, wurde wieder im munteren Kreis gegessen und getrunken. Die letzten Ereignisse, besonders Farkas Verwandlung und Sethas Heilung und Einzug in Jorrvaskr waren das Hauptgesprächsthema. Hana strahlte und konnte ebenfalls nicht genug bekommen von den letzten Geschehnissen zu berichten. Sie war wie ausgewechselt, nach all der Sorge, die sie um Vilkas ausgestanden hatte. Denn obwohl er noch nicht zurück war, bedeutete Farkas Wiederherstellung für sie, dass Vilkas erfolgreich gewesen sein musste. Evvas schmachtende Blicke hingen während der ganzen Zeit unentwegt auf

Farkas, was diesem absolut unangenehm war. Er war sichtlich froh, als die kleine Madi nach dem Essen auf seinen Schoß kletterte und ihm ihre neue Puppe zeigte, die sie von Danica bekommen hatte. Erfreut, endlich Evvas unentwegten Fragen entkommen zu sein, widmete er sich ganz dem kleinen Mädchen. Dazu setzte er sich vom Tisch weg und auch Setha kam schließlich zu ihnen und genoss die Ruhe. Direkt am Tisch war es einfach zu laut für die junge Frau, die immer noch Schonung und Erholung benötigte. Still saß sie da und sah zu, wie der große Mann liebevoll mit ihrer Tochter spielte und die Kleine ihm nun auch allesmögliche erzählte.

Nach einiger Zeit kam Galen zu ihnen und hockte sich neben Setha. „Wolltest du uns nicht etwas zu Madi sagen?“, fragte er sie und drehte dabei seinen Humpen Met zwischen den Fingern. „Du hast es nicht vergessen?“, fragte Setha halb im Scherz. „Wie könnte ich?“, sagte Galen. „Die Kleine hat gespürt, dass Farkas wieder unter uns ist, ohne gewusst zu haben wo er war oder was mit ihm geschehen war. So etwas ist nicht alltäglich. Selbst wenn sie magisch begabt sein sollte, ist das eine außerordentliche Fähigkeit!“ Farkas blickte interessiert auf, während Madi von seinem Schoß herunter rutschte

und bei seinen Füßen weiter spielte. Dann lächelte er und strich dem Mädchen liebevoll über die blonden, langen Haare. „Dann habe ich es also dir zu verdanken, dass endlich wer nach mehr sah!“, lobte er sie. Seine Augen blieben aber ernst und er sah Setha ebenfalls neugierig an. Die junge Frau seufzte. „Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich war mit einem kaiserlichen Soldaten verheiratet.“ Setha stockte kurz. „Doch er war nicht Madis Vater.“ Sie blickte von einem zum anderen. Als keiner der beiden etwas sagte, sondern sie weiterhin nur neugierig musterten, fuhr sie fort. „Ich mochte meinen Mann, aber ich war ihm sicherlich keine gute Ehefrau. Wir lebten

in Winterfeste, wo er eine Anstellung als Wachmann beim dortigen Jarl hatte, während ich begann in der Akademie von Winterfeste Illusionsmagie zu studieren.“ Sie lächelte entschuldigend. „Mehr schlecht als recht, aber ich bildete mir ein, etwas Besseres werden zu wollen, als der Rest meiner Familie, die eine Erz Mine betrieb.“ „So, so…“, meinte Galen. „Dann bist du Magierin? Ich dachte, du sagtest zu uns, du seist Magd in Markarth gewesen?“ „Das war ich auch!“, beeilte sich Setha zu sagen. „Doch ich war nicht immer Magd. Aber eine Magierin bin ich auch nicht. Ich brach meine Ausbildung ab…“ „Warum?“, fragte Farkas und fasste nach

der Halskette, die Madi trug. „Du hast Talent. Das hier ist eine wunderbare Arbeit. Eine magische Kette, nicht wahr?“ Setha knetete nervös ihre Hände. Dann gab sie sich einen Ruck. „Ja, ich habe sie angefertigt. Doch nur zu Madis Schutz! Es sollte niemand sofort erkennen, dass sie eine halbe Altmer ist.“ Galen pfiff leise, während Farkas bestätigend nickte. Setha blickte ihn erstaunt an. „Wusstest du davon? Woher?“ „Ich habe einen ausgesprochen guten Geruchssinn“, sagte Farkas. „Jede Rasse hat eine typische Grundnote.“ „Ich vergaß! Der Werwolf, nicht wahr?“, tippte Setha. Jetzt war es an Farkas und

Galen verwundert zu ihr zu blicken. „Naja, ihr habt euch nicht gerade sehr leise unterhalten auf der Kutschfahrt im Troll-Land. Und obwohl ich damals sehr krank war und halb schlief, hörte ich sehr wohl die wichtigen Details.“ Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Und das hat dir nichts ausgemacht?“, fragte Farkas. „Ich hatte keine große Wahl, oder?“ Setha blickte sie ernst an. „Außerdem war dein Benehmen äußerst ritterlich, Farkas. Dein Werwolf-Fluch erstaunte mich zwar, aber er erschreckte mich nicht. Ich fürchtete auch nicht um mein Kind. Sie vertraute dir von Anfang an. Und wem die Kleine gegenüber offen ist,

der ist ein guter Mensch. Das hat sich immer wieder bewiesen.“ Lächelnd strich Farkas nochmals über den Kopf des Mädchens. „Wie kam es dann, dass du nach Markarth gegangen bist?“, fragte Galen. „Und was ist mit dem Vater von Madi? Dein Mann starb ja im Bürgerkrieg, hattest du uns jedenfalls gesagt.“ „Nun…“ Setha war das sichtlich unangenehm. „Obwohl ich verheiratet war, ließ ich mich in Winterfeste auf Ancano, dem Berater des Erzmagiers, ein. Er war ein Agent der Thalmor, doch das erfuhr ich erst nachdem ich mich schon viel zu tief mit ihm verstrickt hatte.“ Sie blickte zu Boden. „Er konnte

sehr einnehmend sein und ich war jung und dumm. Ich glaubte seinen Beteuerungen. Doch als ich schwanger wurde und er bereits Pläne für das ungeborene Kind in den Reihen der Thalmor zu schmieden begann, lief ich davon.“ Setha richtete sich auf. „Mein Mann wollte zu diesem Zeitpunkt sowieso nichts mehr von mir wissen. Ich kann es ihm nicht einmal verübeln.“ Sie zuckte zwar die Schultern, doch man sah ihr an, dass es ihr dennoch nicht egal war. „Ich hatte die nördliche Route genommen und fand in Dämmerstein bei einem Jäger vorerst Unterschlupf, wo ich auch Madi gebar. Er war ein grober Kerl, doch er

gab uns Essen und ein Dach über den Kopf, nur war das nicht kostenlos.“ Ihre Stimme wurde ein wenig bitter. „Ich war aber nicht in der Lage Bedingungen zu stellen. So wurde ich seine Dienerin und musste auch das Nachtlager mit ihm teilen, bis er eines Tages von der Jagd nicht mehr nach Hause kam. Madi war bereits ein halbes Jahr alt. An ihren Ohren und ihren goldenen Augen…“ Setha griff zu ihrem Kind herunter und nahm ihr die Kette ab. „…erkannte man ihre Abstammung. So fertigte ich diese Kette zu ihrem Schutz. Ich hatte zu viel Angst, dass Ancano sie suchen und mir wegnehmen würde.“ Das Kind blickte mit großen Augen auf

die Erwachsenen. Sie waren leicht schräg und nicht blau, wie sie sonst aussahen, wenn sie die Kette trug, sondern von einem satten Goldton. Auch ihre spitzen Ohren waren unverkennbar elfisch. Gerade ihre bleiche Haut, wies auf ihren nordischen Erbteil hin. Setha zögerte, doch sie legte der Kleinen die Halskette nicht mehr um. Stattdessen ließ sie das Kleinod in ihren Händen hin und hergleiten. Schließlich fuhr sie mit ihrem Bericht fort: „Danach verließ ich Dämmerstein und kam mit dem Rest vom Gold, dass der Jäger – oder besser gesagt der Mann dessen Lager ich teilte – mir zurückließ, bis Markarth.“ Setha biss sich auf ihre

Lippen. „Bei Thonar Silberblut bekam ich schließlich eine Anstellung als Magd. Ich war froh endlich eine ordentliche, gut bezahlte Arbeit zu haben. Doch auch Thonar verknüpfte meine Anstellung mit anderen Gefälligkeiten. Mittlerweile gab ich nichts mehr auf meinen guten Namen. Den hatte ich bereits beschmutzt, als ich mich mit Ancano einließ. Somit bekam ich nur, was ich verdiente.“ Setha machte eine Pause um Luft zu holen. „Aber es war nicht nur schlecht. Er war zumindest ein guter Liebhaber und auch nicht so grob. Ich bekam auch andere Vergünstigungen, die ich für Madi aufsparen wollte.“ Setha hatte sich in Fahrt geredet. Sie

brauchte keinen Ansporn mehr. Sie sprach frei von der Seele, als würde sie das Versteckspiel schon viel zu lange belasten. Sie merkte auch nicht, wie Hana bereits die ganze Zeit hinter ihr stand und alles mithörte. Der jungen Kaiserlichen traten die Tränen in die Augen, als sie mitbekam, dass Sethas Schicksal dem ihren nicht unähnlich war, wenn auch aus ganz anderen Voraussetzungen. „Thonar war nicht gerade vorsichtig“, fuhr Setha ihre Erzählung fort. „Seine Frau bekam alles mit und machte mir das Leben zur Hölle. Noch schlimmer wurde es, als ich schließlich vom Tod meines Mannes erfuhr. Er hatte sich im

Bürgerkrieg den Kaiserlichen angeschlossen und fiel bei der Verteidigung von Einsamkeit. Zum Glück drangsalierte sie nur mich. Wenn sie Madi etwas getan hätte, wäre ich keinen Augenblick länger geblieben. So jedoch war ich sogar über drei Jahre in dieser Anstellung.“ Setha machte eine kurze Pause und blickte sinnierend vor sich hin. Schließlich fuhr sie fort. „Thonar war immer sehr bemüht um mich, er mochte mich scheinbar wirklich. Aber als er von den Abgeschworenen ermordet wurde, warf mich seine Frau mit Freude aus dem Haus. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits krank. Doch zu meiner Familie wollte ich nicht zurück.

Ich hatte noch viel zu viel Angst, dass Ancano dort auf mich, besser gesagt auf Madi, warten würde. Das wollte ich auf keinen Fall. Und im Dibella-Tempel wurde ich wegen meiner Krankheit, welche die Göttin der Schönheit abstieß, nicht aufgenommen. Also gab ich alles Gold, das ich eigentlich für Madi aufgespart hatte, für wirkungslose Tränke und Heilbehandlungen aus. Als mir endlich klar wurde, dass es keine Hoffnung mehr gab, machte ich mich am Ende auf, um nach Weißlauf zu gehen.“ Sethas Schultern fielen herab und sie blickte auf ihr Kind. „Eigentlich war es schon zu spät. Madi sprach kein Wort mehr und ich hatte alle Septime

ausgegeben. Mir ging es immer schlechter, dennoch hoffte ich, wenigstens bis nach Weißlauf zu kommen. Ich wusste, dass meine Schwester hier untergekommen war. Sie war meine letzte Hoffnung und eigentlich muss ich sie noch suchen.“ Farkas räusperte sich. „Du hast einmal ihren Namen erwähnt. Soweit ich weiß, ist sie dem ehemaligen Jarl Balgruuf auf dessen Landsitz gefolgt. Sie hat sich nach dem Tod seiner Frau immer um seine Kinder gekümmert und man munkelte, dass sie diese Aufgabe auch auf den Vater ausgedehnt hat.“ Setha lachte freudlos. „Ihr denkt wohl, dass sie genauso ist wie ich,

nicht?“ Hana machte sich endlich bemerkbar. Sie umarmte die junge Frau, die ein paar Jahre älter als sie war. „Und wenn, dann ist das nichts Schlechtes“, rief sie heftig. „Wenn man sich verliebt, verliebt man sich. Und danach hast du nur versucht dich und dein Kind durchzubringen!“ Setha lächelte sie dankbar an. „Dennoch habe ich meinen Mann betrogen und das willentlich. Ancano hat mich betört, aber er hat nicht gerade Gewalt anwenden müssen, um mich zu bekommen.“ Farkas zog schließlich einen Schlussstrich. „Das ist Vergangenheit. Wenigstens wissen wir jetzt die Wahrheit und Madi muss sich nicht mehr

verstecken, für das was sie ist.“ Nochmals strich er der Kleinen liebevoll über den Kopf. Ganz so, als würde er ihr damit zeigen wollen, dass er sie mochte wie sie war und nicht wie die Magie es vorgegaukelt hatte. „Ja!“ Galen mischte sich auch wieder ein. „Außerdem kannst du dich jetzt sicher fühlen, was Ancano betrifft.“ Alle Augen blickten auf ihn. Galen zuckte mit den Schultern. „Er ist tot“, verkündete er. Dann wandte er sich an Setha. „Ich hoffe, du hegst nicht mehr romantische Gefühle für ihn, aber er starb durch meine Hand, als ich Erzmagier Savos Aren und dem Psijic-Orden half. Dieser Ancano war ein

abgefeimter Bastard und hätte für die Macht des ‚Auge des Magnuns‘ alles in Kauf genommen. Dieses Artefakt musste ich im Zuge meiner Ausbildung beschaffen und er hatte es mir durch niederträchtigen Betrug entwendet. Es war ihm sogar egal gewesen, wer dabei zu Schaden kam. Selbst ganz Winterfeste hätte er dafür endgültig ausgerottet. Und das alles nur, um den Thalmor den Vorteil zu verschaffen, mit dem sie ganz Tamriel unter ihre Herrschaft bringen hätten können.“ Setha schluckte schwer. Dann brach sie in Tränen aus. Sie hatte zwar gefürchtet, dass Ancano ihr Madi wegnehmen würde, aber sie hatte sich dennoch ehrlich in ihn

verliebt gehabt. Auch wenn er hartherzig, selbstverliebt und ein Spion der Thalmor war. Sofort kletterte Madi auf ihren Schoß und Hana umarmte sie erneut. Farkas sprang auf. „Du gefühlloser Klotz!“, fuhr er Galen an. „Du bist ja ärger als Vilkas! Musstest du ihr das so hinwerfen?“ Da spürte er eine kühle Hand auf seinem Unterarm. Setha griff nach ihm. „Schon gut, Farkas!“, sagte sie. „Es war mir immer klar, dass es mit Ancano einmal so enden würde. Ich bin nicht wirklich traurig. Es war nur irgendwie ein Schock. Auch dass es ausgerechnet Galen war, der... der ihn tötete. Er…“ Sie

räusperte sich. „Ancano hatte es sicherlich verdient. Ich kannte ihn. Er konnte sehr charmant und betörend sein, aber im Endeffekt war ihm nichts wichtiger als die Anliegen der Thalmor. Dafür ging er über Leichen.“ Der große Nord funkelte Galen trotzdem weiterhin an, der aber so tat, als ginge ihn das überhaupt nichts an. Selbst Hana sah tadelnd auf ihn. „Was denn?“, fragte Galen schließlich. „Ihr wisst wer ich bin und was meine Aufgabe war. Glaubt ihr wirklich, ich wurde dazu ausgebildet, zimperlich zu sein?“ „Komm“, meinte Hana zu Setha. „Das ist alles noch zu viel für dich. Du musst dich ausruhen, auch wenn es dir schon

besser geht. Ich begleite dich in deinen Raum.“ „Danke“, sagte Setha und stand wankend auf. Sie fühlte sich doch ein wenig traurig. Nicht nur wegen Ancanos Tod. Auch, dass alle jetzt wussten, was für eine unstete Person sie war, die es mit der Treue nicht so ernst genommen hatte, tat ihr weh. Aber andererseits, war es wohl besser so. Sie brauchte sich mit Madi nun nicht mehr zu verstecken.

24 sethas lieblinge

Farkas Erwachen lag bereits einige Wochen zurück. Der normale Alltag war bei den Gefährten eingekehrt und so hörte man auch an diesem Morgen das harte Schlagen von Stahl auf Stahl, das über den sonnigen Übungsplatz von Jorrvaskr dröhnte. Der Frühsommer hatte voll eingesetzt und auf Farkas nacktem Oberkörper bildeten sich bereits die ersten Schweißperlen. Für einen Nord war das Wetter längst heiß und stickig, während sich die wenigen Elfen oder Kaiserlichen, die in Weißlauf Fuß gefasst hatten, gerade erst ohne Mantel ins Freie

wagten. Ein weiterer harter Schlag erklang, dann hörte man einen Aufprall und ein entsetztes Keuchen kam als Antwort. „Verdammt!“, rief Farkas. „So wird das nie etwas, Sarendal! Wenn ich aushole, darfst du dich nicht ducken! Wie oft muss ich dir das noch sagen?“ „Vielleicht solltest du dem Neuen nicht gleich so viel zumuten!“, ertönte da Galens Stimme aus dem Hintergrund. Das Drachenblut hockte auf einer der Holzbänke, die unter der Überdachung standen, welche an die Met-Halle angeschlossen war. Vor dort hatte man einen guten Überblick über das Trainingsgelände der Gefährten. Njada

lehnte gelangweilt daneben und murmelte etwas, das aber wohl nur sie verstand. Alle anderen der Gefährten waren an diesem Tag bereits mit Aufträgen unterwegs. Farkas verdrehte die Augen und half dem Halbelf auf, der seit zwei Wochen bei ihnen als Anwärter untergekommen war. Auf Athis Drängen hin. Wenn der Dunmer nicht ein gutes Wort für den jungen Mann eingelegt hätte, hätte Farkas ihn nicht in ihre Reihen aufgenommen. Nicht weil der Bursche untalentiert war, sondern, weil sich Farkas im Moment völlig überfordert fühlte. Die Verantwortung für die Gefährten, die seit seinem Erwachen und

Vilkas Verschwinden auf ihn übergegangen war, war mehr als er bewältigen konnte. Für diese Aufgabe war er einfach nicht geeignet. Dazu kam noch, dass er natürlich endlich die Mörder seiner Familie – die Vampire – ausfindig machen wollte. Und damit nicht genug, musste er auch noch Sethas ‚Lieblinge‘ ertragen. Ein neuer Anwärter, so dringend sie auch Leute brauchen konnten, war daher eher eine weitere Belastung, denn eine Erleichterung. Dabei stellte sich der Halbelf wirklich geschickt an. Er war ein ausgezeichneter Bogenschütze und auch der Schwertkampf war ihm nicht fremd. Doch um gegen Farkas zu bestehen,

fehlte es ihm noch eindeutig an Kraft und an Erfahrung. Auch jetzt beäugte Farkas skeptisch den schlanken Burschen, dessen rote Haare zwar kurzgeschnitten waren, ihm aber dennoch wirr vom Kopf abstanden. Genauso wirr hüpfte er schnell auf die Beine und klopfte sich den Staub von den Schenkeln. Dann hob er den Zweihänder auf, den Farkas ihm aus den Händen geschlagen hatte. Seine roten Augen, mit denen er seinen Lehrer dabei ansah, und die leicht gräuliche Haut, verrieten seine dunkelelfische Abstammung. Als Njada ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war für sie klar, wieso dieser Bursche zu ihnen kam. „Ist doch

eindeutig!“, dröhnte sie. „Da hat Athis sich wohl mit einer kleinen Nord eingelassen und das Ergebnis ist nun hier!“ Torvar versuchte sie sofort zu beschwichtigen, doch Njada wäre nicht Njada, wenn ihm das gelungen wäre. „Ist doch wahr!“, grummelte sie, während Sarendals gräuliche Haut einen dunkelroten Schimmer annahm. „Diese Ähnlichkeit kann kein Zufall sein!“ Zumindest hakte sie nicht weiter auf diesem Thema herum und Athis war zum Glück nicht im Raum, ansonsten hätte es wohl eine kleine Auseinandersetzung gegeben. So versandete Njadas Behauptung und kam auch nicht mehr zur Sprache.

Farkas schüttelte den Kopf. „Warum willst du unbedingt mit einer Zweihandwaffe kämpfen lernen?“, fragte er den jungen Halbelf vor ihm. „Dir fehlt dazu die Schlagkraft. Du bist ein hervorragender Bogenschütze und kannst gut mit einem Schwert umgehen. Warum also?“ „Ich will einfach kräftiger werden!“, rief Sarendal ehrgeizig. „Meine Mutter hat mir erzählt, dass mein Vater ein mächtiger Krieger war! Ich will mindestens genauso gut werden, wie er!“ „Alles klar“, ertönte es da aus dem Hintergrund. „Dann kann Athis also gar nicht sein Vater gewesen sein.“

Schallendes Lachen ertönte. Njada amüsierte sich über ihren eigenen Witz. Sarendal blickte verwirrt zu den beiden Gefährten, die unter der Überdachung seinem Übungskampf zusahen. „Was meinte Njada damit?“, fragte er Farkas erstaunt. Sein ohnehin schon verwirrter Gesichtsausdruck verstärkte sich noch. „Ignorier sie“, seufzte Farkas und nahm wieder Aufstellung. Sarendal tat es ihm gleich und erneut klirrten ihre Zweihänder aufeinander. Der Junge war wirklich nicht ungeschickt und er lernte schnell, doch seine Stärke lag eindeutig nicht im Kampf mit der Zweihandwaffe. Schließlich, als der Halbelf bereits zum

wiederholten Male im Staub lag, und bereits aus mehreren Wunden blutete, beschloss Farkas das Kampftraining zu beenden. „Bitte, nicht aufhören!“, rief Sarendal. „Ich muss es doch lernen!“ „Ja“, sagte Farkas ruhig. „Das wirst du. Doch nicht an einem einzigen Tag.“ Er richtete sich auf und schickte sich an zu den hölzernen Übungspuppen zu gehen. Jetzt brauchte er etwas, das ein wenig mehr Widerstand bot, als der übereifrige Jüngling. „Heile dich einmal. Dann kannst du noch die Schwingungsübungen trainieren, die ich dir gezeigt habe. Wenn du die Übungen richtig ausführst, wirst du deine Arme am Abend sowieso nicht

mehr heben können!“ Aufmunternd klopfte er Sarendal auf die Schulter und drehte sich rasch um. „Gaaaack!“ Das erschrockene Huhn, auf das er dabei beinahe getreten wäre, flatterte aufgeregt davon. „SETHA!“, brüllte Farkas über den Hof und blieb sofort von Ekelschauern durchdrungen stehen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Wolltest du nicht dafür sorgen, dass dieses… dieses…“ Ihm fehlten die Worte. Sethas ‚Lieblinge‘ waren etwas, das wie eine Heimsuchung über Jorrvaskr gekommen war. Oder auch nur über ihn. Es gab kaum etwas, das Farkas mehr verabscheute als krabbeliges oder

flattriges Getier. Und diese dummen, flatterhaften, unnötigen Vögel, waren soeben dabei, einen neuen Rekord für seine Abscheu aufzustellen und sogar Spinnen, die an erster Stelle seiner Abneigung lagen, zu verdrängen. Doch das war ein wohlgehütetes Geheimnis, das Farkas um keinen Preis gelüftet haben wollte. Denn eigentlich mochte er die hübsche junge Frau sehr. Ihm kam vor, dass sie von Tag zu Tag mehr erblühte, seit sie von ihrer Krankheit völlig genesen war. Das war ebenfalls etwas, das Farkas zu schaffen machte. Er war ein Werwolf, ein Monster und außerdem ein Nord und kein Altmer, wie Madis Vater. Außerdem war

er bei Setha bereits in Ungnade gefallen, als er ein widerlich großes Spinnenvieh, das es wagte, ihm beim Ausmisten seines alten Raumes über den Weg zu laufen, reflexartig erschlug. Er hatte gerade das zerrissene Hemd in der Hand, mit dem er das Vieh einfach niederklatschte. Setha blickte ihn erschrocken an. „Was hat dir dieses Tier getan, dass du es einfach tötest?“, fragte sie fassungslos. Farkas wusste nicht, dass ihre Tierliebe, die sie bereits des Öfteren erwähnt hatte, selbst diese ekligen Geschöpfe miteinschloss. Doch er wurde sogleich eines besseren belehrt. Denn die nächste Spinne, die in all dem Mist, der sich in den Jahren, die er sein altes Zimmer nicht mehr

benutzte, dort eingenistet hatte, wurde liebevoll von Setha in die hohle Hand genommen und in der Tiefenschmiede, in einer geschützten Nische, wieder abgesetzt. Farkas blieb nichts anderes übrig als mit offenem Mund und fassungslosem Blick, Setha und der erretteten Spinne, hinterher zu starren. Auch jetzt kam die junge Frau sofort mit wirbelnden Röcken aus der Küche gelaufen, um ihr heiliges Huhn vor Farkas ungeschickten, trampelnden Füßen zu retten – wie sie es einmal so treffend bezeichnet hatte. Die Hühner, die seit Sethas völliger Genesung in Jorrvaskr Aufnahme gefunden hatten, waren etwas, das Farkas an den Rand

seiner Beherrschung führte. Vor allem, als er während einer seiner Kampfübungen eines dieser Viecher zu Tode trampelte und ein anderes irrtümlich köpfte. Setha sprach den ganzen Tag über nichts mit ihm, obwohl er sich tausendmal dafür entschuldigt hatte. Aber andererseits, was hatten Hühner auf dem Übungsplatz von Jorrvaskr zu suchen? Die junge Frau behauptete, dass sie bessere Eier legen würden und auch ihr Fleisch schmackhafter wäre, wenn sie frei herumlaufen könnten. Doch in diesem Punkt gaben ihm die Gefährten endlich Recht und Setha musste ihre Hühner in dem Verschlag, den Galen für sie

gezimmert hatte, einsperren. Zuerst wollte Farkas, dass diese Viecher überhaupt vom Anwesen Jorrvaskrs verschwanden. Doch mit dieser Ansicht stand er alleine da. Sie alle hatten Sethas gute Küche zu schätzen gelernt und dazu gehörten eben auch frische Eier und zartes Hühnerfleisch. Außerdem liebte Madi diese hektischen Vögel und Farkas war noch nie jemand, der einem Kind, schon gar nicht diesem süßen Mädchen, etwas abschlagen hätte können. So musste er sich mit dem Viehzeug eben irgendwie arrangieren. Bis jetzt hatte er es leider noch nicht geschafft. Krampfhaft hielt er still, bis Setha das

laut gackernde Huhn auf den Arm genommen hatte. Farkas behauptete zwar steif und fest, dass das nur deshalb war, weil er nicht noch eines von den Viechern niedertrampeln wollte. In Wahrheit war seine Abscheu schon so groß geworden, dass ihn alleine der Gedanke daran, diesem hektischen, flatterhaften Vogel nur nahe zu kommen, regelrechte Schauer über den Rücken laufen ließ. Geschweige denn, dass er ihr Fleisch genießen konnte. Er würde ja auch keine Spinnen essen wollen… „Lieschen muss aus dem Verschlag ausgekommen sein!“, verteidigte Setha in diesem Augenblick ihr Huhn. „Sie wollen eben nicht eingesperrt sein!“

„Bei Talos, Setha!“, grollte Farkas, dem langsam alles über den Kopf wuchs. „Dann schaff sie eben woanders hin, wenn sie Platz brauchen um sich zu ‚entfalten‘!“ Setha, die zwar Tiere über alles liebte, hatte leider einen leicht aufbrausenden Charakter. „Wenn du nicht so ein ‚Trampeltier‘ wärst, würde das nicht nötig sein!“, fauchte sie zu ihm zurück. „Das hier ist ein KAMPFPLATZ und keine HÜHNERFARM!“, begann Farkas laut zu werden. „Oder soll ich beim nächsten Auftrag ‚Lieschen‘ mitnehmen um wütende Banditen zu bekämpfen?“ Setha traten die Tränen in die Augen,

aber Farkas war zu aufgebracht und von Ekel geschüttelt, um darauf zu achten. „Du verstehst wieder einmal alles falsch!“, rief sie, drehte sich um und lief mit dem bereits in voller Panik gackernden Huhn in Richtung Hühnerverschlag davon. „Was kann ein ‚Trampeltier‘ denn schon richtig verstehen!“, rief Farkas ihr beleidigt nach, dann drehte er sich um und begann auf die hölzerne Übungspuppe einzuschlagen, dass die Holzsplitter nur so nach allen Seiten davonstoben. Galen, der die Auseinandersetzung kopfschüttelnd mitangesehen hatte, wandte sich an Njada, die hämisch

grinsend neben ihm stand. „Ehrlich“, sagte er zu ihr, „So wie die beiden aufeinander abfahren, bräuchten sie nur endlich ihr Lager miteinander teilen und alles wäre in Ordnung! Oder, was meinst du?“ Njada klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. „Du hast Recht. Die müssten zusammen im Bett einmal Dampf ablassen, schon wäre die ganze Zankerei vorbei. Aber wo bleibt dann das Vergnügen für uns?“ Laut begann sie zu lachen, was Sarendal, der bereits ächzend den Zweihänder in den vorgeschriebenen Übungen schwang, wieder unsicher zu ihr blicken ließ. Als er jedoch merkte, dass Njadas Heiterkeit

diesmal nicht ihn betraf, machte er einfach weiter. „Du bist wirklich ein Biest, Njada“, schnaubte Galen. „Aber ich halte das bald nicht mehr aus. Ich hab sogar schon versucht mit Farkas darüber zu reden…“ Njadas Lachanfall, die laut losprustete, unterbrach ihn. „Bei Sheogoraths letztem bisschen Verstand!“, rief sie aus. „Das sind beide Nord! Das hättest du dir sparen können, oder?“ Jetzt musste auch Galen schmunzeln. „Wie wahr! Farkas starrte mich an, als ob ich nicht bis drei zählen könnte. Dann begann er zu lachen und meinte, ob ich vielleicht vergessen hätte, dass er erstens

ein Werwolf sei und zweitens Sethas ‚Lieblinge‘ auf dem Gewissen habe. Ganz zu schweigen davon, dass sie sowieso auf Elfen stand.“ Galen schnaubte. „Was für ein blöder, sturer Nord!“ Farkas, der bisher mit aller Kraft gegen die hölzernen Figuren gekämpft hatte hielt inne und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Das Gespräch der beiden, war bei all dem lauten Dröhnen, das seine Waffe hinterlassen hatte, bis jetzt selbst seinem feinen Gehör entgangen. Die Kriegerin begann zu kichern. „Und Setha glaubt sowieso, dass ein anständiger Mann wie Farkas sich niemals für eine Ehebrecherin wie sie

interessieren könnte!“ Sie richtete sich ganz auf und streckte sich. „Hah!“, rief sie. „Dabei ist sie bis über beide Ohren in ihn verliebt!“ Farkas ruckartiges Innehalten entging den beiden. „Das hat sie dir gesagt?“, fragte Galen erstaunt. Njadas freundschaftlicher Stoß, ließ Galen beinahe von der Bank purzeln. „Wo denkst du hin!“, rief sie aus. „Aber selbst Evva ist das schon aufgefallen. Seither lässt sie doch keine Gelegenheit mehr aus Setha schlecht zu machen!“ Galen, der sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, blickte Njada ungläubig an. Dann schüttelte er den Kopf. „Weiber!“, rief er. „Weiber und sture

Nord! Ich hoffe, die Göttlichen erlösen mich bald davon!“ „Ach was!“, winkte Njada ab. „Du und deine Götter! Wer weiß was du da zu spüren glaubst. Dein blödes Geburtsmal wird sich einfach entzündet haben. Ich denke nicht, dass die Göttlichen dich noch zu einer weiteren Aufgabe heranziehen werden. Du hast bereits mehr geleistet, als so mancher.“ Nachdenklich blickte sie auf ihn. „Komm!“ Ein weiterer Stoß, diesmal etwas heftiger ausgeführt, fegte Galen tatsächlich von der Bank. „Lass uns einen Übungskampf austragen. Das bringt dich auf andere Gedanken!“ Mit einer Geschmeidigkeit, die man

Galen nach seinem trägen Dahocken niemals zugetraut hätte, sprang er auf die Beine und schnappte sich ein Schwert. „Hah!“, rief er voller Elan. „Das ist das Beste, das ich heute zu hören bekam!“ Schnell schlüpfte er in seine Stiefel und legte seine Rüstung an. Dann stieg er auf den sandigen Boden des Übungsplatzes, auf dem Njada mit einem fiesen Grinsen schon auf ihn wartete. Farkas hatte ebenfalls wieder begonnen die Kampfpuppe zu malträtieren. Ein paar Schläge noch und einer der stabilen Holz Arme, würde das Schicksal der vielen vorangegangenen Späne teilen und ebenso verbraucht und abgeschlagen auf dem sandigen Boden des Trainingsplatzes

landen. „Setha soll in mich verliebt sein?“, murmelte er zwischen seinen Schlägen. „Unmöglich! Ich habe vor ihren Augen eine Spinne erschlagen und zwei ihrer Hühner getötet. Außerdem mag sie Elfen.“ Den gewissen Zweifel darüber, der in ihm dennoch haften blieb, versuchte Farkas mit besonders kraftvollen Attacken aus sich herauszubekommen. Doch es gelang erst, als er Hana aus den Augenwinkeln auf die Befestigungsmauer zugehen sah. Das brachte ihn sofort auf andere Gedanken. Das Mädchen machte eine schlimme Zeit durch. Sie versuchte tapfer an Vilkas Rückkehr zu glauben, dennoch gab es Momente, in denen sie mutlos wurde.

Dann ging sie immer wieder zur Befestigungsmauer, welche direkt an den Übungsplatz der Gefährten angrenzte, und blickte sehnsuchtsvoll darüber hinaus, ob sie nicht vielleicht schon ein Zeichen von Vilkas ausmachen können würde. Farkas zog es immer das Herz zusammen, wenn er sie so sehen musste. Auch diesmal zögerte er nicht. Er legte seinen Zweihänder zur Seite und ging zu ihr hinüber. Mit verweinten Augen sah sie ihm entgegen. Dann wandte sie sich schnell ab, doch er hatte die Tränenspuren in ihrem Gesicht bereits gesehen. „Hana!“, begann er. „So schnell kann

Vilkas nicht aus Oblivion zurückkehren. Du musst Geduld haben und Vertrauen.“ Heute war scheinbar ein besonders schlimmer Tag für sie, denn sie warf sich sofort weinend an seine Brust. Der kleine Varis, den sie umgebunden hatte, begann leise zu protestieren, als er plötzlich so eingeengt wurde, zwischen den beiden Erwachsenen. „Ich will ja an ihn glauben, Farkas! Doch er ist in Oblivion! Wer weiß, ob es von dort einen Weg zurückgibt!“, rief sie dabei. „Und… ich vermisse ihn schon so sehr!“ „Ach, Mädchen“, seufzte der große Mann und strich Hana dabei behutsam über den Rücken. Er versuchte weiterhin das

unglückliche Mädchen zu beruhigen. Zumindest wussten sie, wo Vilkas abgeblieben war. Als drei Tage, nach Farkas Wiedererwachen nur Vilkas Pferd nach Weißlauf zurückgekehrt war, war Farkas sofort zur Dickbauchgrotte aufgebrochen. Er glaubte zwar nicht die Leiche seines Bruders zu finden, dazu spürte er immer noch die Verbindung zu ihm über den Wolfsrudelgeist, doch dass etwas passiert sein musste, war klar. Die Hinweise die er dort fand, deuteten auf einen heftigen Kampf hin. Von Vilkas selbst fehlte jedoch jede Spur. Als Farkas die Gegend mit seinem wölfischen Geruchssinn abtastete, war auch bald klar, dass sein Bruder nirgendwo anders

hingegangen war. Er verschwand einfach spurlos. So wartete Farkas bis zum Einbruch der Nacht, bis Hircine sich in seinem beliebten diesseitigen Jagdgebiet einstellte. Der Daedrafürst war natürlich nicht bereit etwas über das Geschehen preiszugeben. Es sei denn, der Gefährte ließe sich auf ein Jagdspiel ein. Für Farkas war das keine Frage. Sofort willigte er ein und nach einer ganzen Nacht der Verfolgung und des Kampfes, den Farkas schließlich für sich entschied, war Hircine endlich bereit ihm seine neue Abmachung mit Vilkas darzulegen. Farkas wollte daraufhin sofort nach Oblivion, um seinem Bruder zu helfen,

doch Hircine verweigerte es ihm. „Ein Teil der Abmachung ist es, dass ihr euch um die Vampirbrut kümmert, die sich in Himmelsrand, in meinem Territorium, eingenistet hat!“, grollte der Daedra. „Du solltest längst schon damit anfangen! Soviel ich weiß, sind sie nicht gerade untätig!“ Damit verschwand der Daedrafürst und lies Farkas in dem abgeschiedenen Tal zurück. Zumindest wusste Farkas nun über Vilkas Verbleib Bescheid. Was es aber für Hana nicht gerade einfacher machte. Doch sie rappelte sich auf und stürzte sich in ihre alchemistische Arbeit. Genug Patienten verlangten bereits nach ihren Tränken und auch nach denen, die sie mit Arcadia

gemeinsam neu erforschte. Heute aber schien es ihr wieder besonders schlecht zu gehen, wenn nicht einmal die heißgeliebte Arbeit das Mädchen auf andere Gedanken bringen konnte. Irgendwie begann sich in Farkas ein Verdacht auszubreiten. Ihre Weinerlichkeit war in den letzten Tagen immer auffälliger geworden. „Du bist schwanger, stimmt´s?“, fragte er gerade heraus, was Hana zuerst völlig perplex stocken, dann aber umso heftiger weinen ließ. „Wusste ich es doch!“, seufzte Farkas. „Nein, Farkas!“, rief Hana. Dann zögerte sie. „Ich meine, ich weiß es nicht. Es… es fühlt sich so an wie damals, als ich

mit Varis schwanger war.“ Sie blickte ihm eindringlich in die Augen. „Aber es kann noch gar nicht möglich sein!“ Hana war sichtlich völlig verwirrt und ratlos. „Es ist viel zu knapp! Varis ist doch erst zwei Monate alt! Wenn, dann muss die vollständige Heilung im Tempel von Einsamkeit Schuld daran sein! Ich … ich habe nicht damit gerechnet… mit so einer frühen Schwangerschaft! Sonst… sonst hätte ich doch… Vorkehrungen…“ Heftige Weinkrämpfe schüttelten sie. „Ich bin Alchemistin! Das… hätte nicht… passieren dürfen! Was… was ist… wenn… wenn Vilkas… nicht mehr wieder kommt? Oder… gar kein Kind möchte?“, brachte sie schließlich

stockend hervor. „Schwachsinn!“, entfuhr es Farkas. Dann riss er sich zusammen. In ihm tobte Freude, wie auch Sorge um Hana gleichzeitig. Zumindest brachte er mit seinem Einwurf Hana dazu, sich ein wenig zu beruhigen. Mit großen Augen blickte sie ihn an. „Du meinst… er würde sich freuen?“, fragte sie zaghaft. „Was glaubst denn du? Natürlich würde er sich freuen!“ Farkas machte eine Pause, in der Hana sofort skeptisch auf ihn blickte. „Und vor lauter Sorge um dich und das Kind völlig ausrasten…“ Jetzt musste Hana doch lächeln. „Ja, das würde er wohl! Und jeden dabei finster

niederstarren!“ Farkas musste lachen. „Du kennst ihn schon sehr gut!“ Hana drückte den großen Nord. „Ja“, sagte sie. „Aber griesgrämig oder nicht, ich hätte Vilkas gerne an meiner Seite. Er geht mir so furchtbar ab!“ „Ich weiß“, sagte Farkas. „Mir geht er auch ab. Die ganze Sache mit den Gefährten zerfrisst mich. Ich bin nicht geeignet sie zu leiten. Doch nicht nur deshalb vermisse ich ihn…“ Nochmals umarmten sie sich, dann befreite sich Hana daraus. „Danke für deine Hilfe, Farkas. Doch ich muss jetzt zu Danica in den Kynareth-Tempel. Und mit Arcadia danach noch Kräuter

sammeln.“ Farkas wurde sofort hellhörig. „Du gehst aber bitte nicht alleine vor die Stadt! Sag mir Bescheid, wenn ihr aufbrecht, ich begleite euch, oder nimm Galen mit. Nur geh bitte nicht alleine, hörst du?“ Eindringlich sah er ihr in die Augen. „Du weißt, ich habe trotz tagelangem Suchen keine Witterung von den Vampiren aufnehmen können! Sie müssen wieder irgendeine Teufelei ausgeheckt haben, damit wir ihre Spuren nicht finden können. Du musst unter allen Umständen vorsichtig sein! Sie können wer weiß wie nahe sein!“ „Natürlich, Farkas!“, sagte Hana und drückte ihm einen Kuss auf seine Wange.

„Und du sagst bitte noch niemandem etwas wegen meiner Schwangerschaft!“, fügte Hana hinzu. „Außerdem ist das ja noch gar nicht sicher!“ „In Ordnung“, willigte Farkas ein. „Aber das wird mir schwerfallen!“ Hana lachte. „Ich weiß. Dennoch bitte ich dich!“ Jetzt war sie es, die eindringlich in seine Augen blickte. Der große Mann seufzte ergeben. „Was bleibt mir anderes übrig“, lächelte er und drückte die zarte Frau an sich. Schließlich ließ er sie los. Mit einem letzten Winken lief Hana über den Übungsplatz und verschwand in Richtung Kynareth-Tempel. Farkas rieb sich seinen Nacken. „Bei allen heiligen Göttern!“,

murmelte er. „Beeil dich mein Bruder. Du wirst hier wirklich dringend gebraucht!“ ******* „Hier ist es!“, rief die Hochelfe und beschleunigte ihre Schritte. Die Brücke und die einladend offenen Stadttore von Weißlauf wiesen ihnen den Weg. „Endlich! Ich sterbe vor Hunger.“ „Gemach!“, näselte ihr Anführer. „Wir dürfen auch jetzt noch nicht auffallen. Auch wenn das hier unsere vorletzte Station sein wird.“ „Ich sagte Euch doch, dass das Mädchen bereits tot ist, Eure Lordschaft!“,

grummelte der Dritte im Bunde. „Wir hätten uns den ganzen Weg sparen können!“ „Hüte deine Zunge. Du weißt was auf dem Spiel steht.“ Finster blickte er um sich und senkte seine Stimme. „Wir können es nicht riskieren einen direkten Nachfahren Tiber Septims am Leben zu lassen. Wenn wir ihre sterblichen Überreste gefunden hätten, wäre unsere Suche vorbei. So jedoch…“ Er nahm seine Begleiter nochmals streng ins Visier. Der aufmüpfige Hochelf verdrehte die Augen. „Dabei ist der Sohn verschollen. Hier liegt meiner Meinung nach die größere

Gefahr!“ „Stellst du vielleicht die Anordnungen Botschafter Pirons in Frage?“, schnauzte ihn der adlige Hochelf an. „Er ist der höchste Vertreter unseres Ordens in Cyrodiil. Die rechte Hand unseres Ordensführers! Außerdem ist eine andere Delegation auf den Weg nach Elsweyr geschickt worden. Von dort kam der letzte Brief von ihm an seine Eltern, anlässlich seiner Hochzeit. Und wie wir von unseren magischen Spähern unterrichtet wurden, haben sie in Erfahrung bringen können, dass er dort mitsamt seiner khajiitischen Familie den Tod durch die Pest gefunden hat.“ „Ich verstehe, Eure Lordschaft“,

verneigte sich der Hochelf vor seinem Vorgesetzten. „Wie kam es eigentlich, dass wir von ihrer Septim-Herkunft wissen und der Ältestenrat nicht? Das hat mich immer schon gewundert“, wollte jetzt die Frau wissen. „Botschafter Piron hat eine Urkunde in einer gesicherten Schatulle gefunden, als er das Haus des Schatzmeisters Varis Valeren Manebarba übernahm.“ Der adlige Hochelf war kurz vor den Stadttoren stehen geblieben und wandte sich an seine Begleitung. „Es ist ein Original! Von Tiber Septim selbst unterzeichnet und allein deshalb schon von unschätzbaren

Wert.“ „Und was stand darin?“, fragte die Frau, die ebenfalls stehen geblieben war. Auch der andere Begleiter blickte neugierig auf seinen Anführer. Der warf seine Kapuze zurück und entblößte seine hochgesteckten Haare. Ihre Rüstungen hatten sie wohlverwahrt in den Satteltaschen ihres Packpferdes belassen. Thalmor wurden seit dem Sieg des unlängst gekrönten Hochkönigs Ulfrics nicht mehr in Himmelsrand geduldet. Nach einem Zwischenfall auf ihrer Reise, als sie von Sturmmäntelsoldaten erkannt und verfolgt worden waren, ließen sie ihre Rüstungen lieber in den Packtaschen. Die Soldaten, die sie

erkannt hatten, überlebten die Verfolgung nicht lange. Wo sie auch hinkamen, wurden sie auch jetzt zwar noch immer misstrauisch beäugt, doch niemand griff sie mehr an. So waren sie nun etwas ungeschützter, konnten ihrer Mission und ihren Fragen aber weitaus offener nachgehen. Der Anführer blickte auf seine Begleiter. „Es war eigentlich nur die Bestätigung für die Namensänderung von Tiber Septims erstgeborenem Sohn. Brigan Frühbart hieß ab dem Zeitpunkt Briganus Manebarba. Er hatte seinen bretonischen Namen Frühbart, auf die gleichlautende, kaiserliche Bedeutung Manebarba ändern lassen. Aus welchem Grund auch

immer…“ Er zuckte seine Schultern. „Seltsam“, überlegte die Elfe. Dann zuckte auch sie die Schultern. „Die Beweggründe der Menschen waren mir schon immer ein Rätsel.“ Der Elfenlord nickte. „Kommt, gehen wir weiter. Die Wachen werden bereits unruhig.“ Schnellen Ganges durchschritten sie das Tor und fragten nach der besten Gastwirtschaft. Die ‚beflaggte Mähre‘ war schließlich leicht zu finden und hungrig setzten sich die Thalmor an einen der Tische und ließen sich die besten Speisen bringen. Den bereits leicht angetrunkenen Mann, der an der Theke lehnte und sie neugierig beäugte,

ignorierten sie geflissentlich. Dabei war Jon Kampf-Geborener nur interessiert. Wann bekam man hier in Weißlauf schon Hochelfen zu sehen? Noch dazu drei auf einmal. Schließlich drehte sich Jon wieder um und widmete sich seinem Met. Dabei ließ er den Tag, der mit strahlendem Sonnenschein begonnen hatte, nochmals an sich vorüber ziehen. Es war einer der heißesten Tage in diesem Frühsommer, der über Himmelsrand hereinbrach. Die Bewohner Weißlaufs und der nahen Umgebung waren bereits früh auf den Beinen, um diesen wundervollen Tag zu nutzen. Sie bestellten ihre Felder, pflegten ihre

Gärten, schmiedeten ihre Waffen oder taten was immer ihre Aufgabe war. Jon Kampf-Geborener half seinem Bruder auf dem Hof, dann ging er nach dem Mittagessen hinauf nach Weißlauf, in die ‚beflaggte Mähre‘, um sich seinen täglichen Met zu gönnen. Seit seinem Rausschmiss bei den Gefährten, kam er nirgendwo mehr unter. Selbst sein Bruder bot ihm nur aus verwandtschaftlicher Verpflichtung eine Tätigkeit an. Jon hasste Vilkas und die Gefährten seitdem noch mehr. „Dieser Arsch hat mich absichtlich am Leben gelassen! Damit sie mich alle jetzt verachten können!“, fluchte er zum widerholten Mal. „Ich wette, er sitzt zufrieden in der

Met-Halle, mit seiner kaiserlichen Hure und den Verrätern, die er alle auf seine Seite ziehen konnte!“ Grimmig ballte er die Fäuste. Thorald und Ria hatten sich nur einmal nach seinem Befinden erkundigt. Dann erklärten sie ihm, dass sie von Vilkas eine ganz andere Version der Ereignisse erfahren hätten und dass sie seinen feigen Angriff auf ihn verurteilten. „Verräter!“, fluchte Jon noch einmal. Dass er sich all die verächtlichen Blicke, welche die Bewohner von Weißlauf einem verbannten Gefährten zuwarfen, nur selbst zuzuschreiben hatte, konnte sich Jon nicht eingestehen. Für ihn war Vilkas an allem Schuld. Sogar daran,

dass ihm niemand die Geschichte von den Werwölfen in Jorrvaskr glaubte. „Kein Wunder, dass sie dich rausgeschmissen hatten!“, empörte sich einer der Wenigen, die mit Jon noch gemeinsam tranken. „Du redest Schwachsinn! Glaubst du nicht, dass wir, die Bewohner von Weißlauf, etwas davon mitbekommen hätten? So etwas kann man doch nicht geheim halten! Idiot!“ „Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen!“, bekräftigte Jon. „Sie sind Werwölfe! Ich war sogar selbst einer!“ Schallendes Gelächter antwortete ihm. „Ja natürlich!“, grölte sein Saufkumpan. „Und dann bist du munter geworden!“ Alle, die zu der Zeit in der ‚beflaggten

Mähre‘ waren fielen in das Gelächter mit ein. Jon wurde damit nur noch mehr zum Gespött der Leute. „Ihr seid ja alle verblendet!“, rief er, doch es nutzte ihm nichts. Schließlich begann er seinen Frust immer mehr im Met zu ertränken. Es gab keinen Tag mehr, an dem er nicht angetrunken nach Hause wankte. Doch das war ihm egal. Er hatte nichts mehr zu verlieren, was er nicht schon längst verloren hatte. Wie gewohnt saß Jon auch heute an der Theke und trank seinen Met. Bei seinem dritten Krug spürte er langsam, wie die Entspannung über ihn kam und er bestellte teilnahmslos noch einen vierten Krug. Dabei beobachtete er wie die drei

Hochelfen in die Wirtsstube kamen und sich neugierig umsahen. Doch sie setzten sich an einen der Tische, bestellten etwas zum Essen und Jon widmete sich einfach wieder seinem Met. Erst als nach dem Mahl einer der Elfen an die Theke trat, blickte Jon mit bereits alkoholverschleierten Augen zu dem hochgewachsenen Mann. Dessen elfischen Züge verrieten nichts über sein Alter. Doch sein arroganter Gesichtsausdruck deutete auf einen hochgestellten Rang oder eine adlige Herkunft hin. Jon wollte sich schon wieder gelangweilt abwenden, als er jedoch hellhörig wurde. „Meine Verehrteste!“, wandte sich der

Elf an die Gastwirtin. „Wir suchen eine kaiserliche junge Frau, der wir die Nachricht über eine große Erbschaft zu überbringen haben. Ihr Name lautet: Hana Alamia Manebarba und sie ist oder war mit einem Soldaten namens Heimkar verheiratet. Kennt ihr vielleicht jemanden, der so heißt?“ Hulda, die Gastwirtin, schüttelte den Kopf. „Noch nie davon gehört!“, sagte sie. „Und so einen Namen hätte ich mir sicherlich gemerkt.“ Dann hielt sie kurz inne. „Ich kenne nur eine Hana. Aber das ist die Frau unseres Herolds. Hat mich auch verblüfft, dass er endlich mit jemandem aufgekreuzt ist. Sogar ein Kind hat er bereits mit ihr.“

Verschwörerisch steckte sie ihren Kopf vor. „Das Mädchen könnte das Geld sicher gut brauchen, aber ich glaube nicht, dass sie die Gesuchte ist.“ „Ist sie aber!“, meldete sich Jon da zu Wort und nahm einen weiteren tiefen Schluck aus dem Krug. Ruckartig fuhr der Kopf des Elfen zu ihm herum. Seine Augen weit aufgerissen, blickte er Jon völlig entgeistert an. „Glaubt dem Säufer kein Wort!“, meldete sich die Wirtin erneut. „Er behauptet sogar, ein Werwolf gewesen zu sein!“ Doch der Elf hörte nicht auf sie. Dankend winkte er ab und fixierte Jon mit seinen goldenen Augen. Hulda wandte sich schulterzuckend ab.

„Ihr kennt tatsächlich eine junge Kaiserliche mit diesem Namen?“, fragte der Elf nochmals. „Ja!“ Laut entkam Jon ein Rülpser und er wischte sich über seine Lippen. „Das ist die Hure unseres Herolds! Und ihr vermaledeiter Bruder, das Drachenblut, haust ebenfalls dort oben, bei dieser Brut!“ Verächtlich nickte Jon mit dem Kopf in Richtung Jorrvaskr. „Er war es auch, der sie laut nach ihrem Namen fragte. Ich hörte es, denn ich war gerade auf der Treppe, die in die Met-Halle führte.“ Der Hochelf vor ihm taumelte kurz, dann fasste er sich wieder. „Und Ihr seid Euch

ganz sicher?“, fragte er noch einmal nach. „Natürlich“, nickte Jon. „Wie Hulda schon sagte: so einen Namen vergisst man nicht!“ „Und ihr Bruder ist ebenfalls hier?“ Nochmals fragte der Elf nach. Seinem Gesichtsausdruck nach, schien er Jons Worte kaum glauben zu können. „Ja.“ Jon nahm noch einen Schluck aus seinem Krug. „Sagte ich doch bereits.“ „Kommt mit an unseren Tisch!“, lud der Hochelf Jon ein. „Wir spendieren Euch einen weiteren Krug Met.“ Erfreut erhob sich Jon und setzte sich zu den Elfen. Hulda schüttelte den Kopf. Doch in ihren Augen waren die Elfen

selbst schuld, wenn sie diesem Trunkenbold Glauben schenkten. Nur weil Hana zufällig denselben Vornahmen hatte wie diese Frau, erfand der Kerl gleich wieder eine Geschichte. Naja, sie würde es dem Mädchen gönnen eine Erbschaft zu machen. Aber die Elfen würden schnell draufkommen die Falsche zu haben. Sie hatte jedenfalls noch nie diesen Namen gehört und Galen, das Drachenblut, war immer nur Galen gewesen. Ohne sich weiter um die seltsamen Gäste zu kümmern, bediente Hulda alle anderen ihrer Kunden und schrubbte die geleerten Krüge. Schließlich mieteten sich die Elfen noch in ihr bestes Zimmer ein,

dann gingen sie, um sich Weißlauf anzusehen, wie sie sagten. Jon dagegen trank noch einen Met. Dann verabschiedete auch er sich und trat in die mittlerweile anbrechende Nacht hinaus. Die leisen Schritte und das Flüstern hinter ihm entgingen ihm dabei völlig. Mit sich zufrieden, wie schon lange nicht mehr, torkelte Jon nach Hause, zum Hof seines Bruders. Von den Elfen, denen gegenüber er seine Abneigung, was den Herold und seine Hure betraf, nicht zurück gehalten hatte, hatte er erfahren, dass die Hochelfen Hana nicht wegen eines Erbes, sondern wegen ihrer vergangenen Vergehen suchten,

derentwegen sie verhaftet werden sollte. Diese Aussage hatte Jons Zunge noch mehr gelöst. Er berichtete ihnen alles, was er von Hana, Vilkas, Galen und den Gefährten wusste. Auch alle Fragen was das Gebäude und die Gebräuche der Gefährten betraf, beantwortete er ihnen großzügig. Wie die Halle bewacht wurde, wann die Bewohner schlafen gingen und sogar, wo Tilma die Wäsche zum Trocknen aufhing. Es freute ihn diebisch, dass seine Widersacher endlich die gerechte Strafe finden würden. Ein wenig unsicher überquerte er die Brücke über den Weißfluss. Es wurde rasch dunkel und der Weg vor ihm war kaum mehr auszumachen. Grummelnd

versuchte Jon seine torkelnden Beine ein wenig schneller zu bewegen. Er hatte leider keine Fackel bei sich, so orientierte er sich an dem leisen Plätschern des Flusses. Wenn er ihm folgte, würde er direkt zum Hof seines Bruders kommen. Die Lichter des Hauses konnte er schon in der Ferne erkennen. Eigentlich kannte er den Weg sehr gut. Zu oft war er diesen schon gegangen. Vom Hof zur ‚beflaggten Mähre‘ und von der ‚beflaggten Mähre‘ wieder zurück zum Hof. Deshalb wunderte es ihn, als er über eine Wurzel stolperte und der Länge nach hinfiel. Neben dem Fluss gab es keine Wurzeln. Nur Sand. Als er sich ächzend aufrappeln wollte,

stieß ihn aber etwas zur Seite, sodass er schließlich völlig im Wasser landete. „Was zum …?“, fluchte er, doch der Rest ging in Gurgeln unter. Etwas Schweres drückte seinen Kopf unter Wasser. Jon versuchte zu kämpfen, doch er war zu benebelt, um etwas ausrichten zu können. Einzig der Drang nach Luft wurde immer unerträglicher. Er zappelte und schrie, bis ihm Wasser in die Lungen drang. Danach ging es ziemlich schnell. Der brennende Schmerz des Wassers in seinen Lungen, der bohrende Drang nach Luft, der ihn immer mehr Wasser einatmen ließ, brachte Jon schließlich um die Besinnung. Kurz darauf war er tot und sein Mörder ließ von ihm ab. Mit in

Panik geöffneten Augen und einem, von den verzweifelten Schreien, geöffnetem Mund, blieb Jons Leiche nach unten gedreht im Wasser liegen. Nur sein Becken und seine Beine ragten auf das Ufer hinaus. Sie verhinderten, dass die Strömung ihn weiter abtrieb. „Sollen wir ihn ganz in die Strömung schieben?“, fragte der Hochelf seinen Anführer, als er sich von Jons bewegungslosem Körper erhob und seine Hände an seinem Umhang abtrocknete. „Nein“, meinte der Elfenlord und reckte seine Nase in eine bessere Windrichtung. „So sieht es ganz nach einem Unfall aus. Wir belassen es so.“ Dann wandte er sich um und schlug den Weg zurück nach

Weißlauf ein. In seinen Händen erglühte ein magisches Licht, das ihnen nun den Weg zurück erhellte. „Lasst uns lieber zurückgehen und uns dieses „Jorrvaskr“ ansehen. Wer weiß? Vielleicht ergibt sich eine unverhoffte Gelegenheit für uns, beide auf einmal zu töten!“ Der Elfenlord lächelte sardonisch. „Wie ich es schon früher sagte: der Zufall wird uns helfen! Er wird uns auch diesmal gnädig sein. Genauso gnädig, wie Auri-Els Wille uns sogar zum letzten männlichen Erben der Septim-Linie geführt hat!“ Triumphierend drehte er sich zu seinen Begleitern um. „Glaubt mir, unsere Belohnung wird mehr als fürstlich

sein!“

25 die ewigen jagdgründe

Lustlos stocherte Vilkas im Feuer, über dem sein Braten für den Abend schmorte. Das Wild in der Ebene Hircines war wirklich reichlich. Dennoch wirkte Vilkas frustriert. Er war bereits seit einer Woche im Reich des Daedrafürsten, doch es war, als wäre er beinahe der einzige Mensch, der hier neben all dem Wild lebte. Dabei konnte er nicht einmal mit Sicherheit sagen, dass bereits eine Woche vergangen war. Denn, das war ja das Entsetzliche an dieser Ebene, es gab hier weder Tag noch Nacht. Keine Sterne leuchteten und auch keine Sonne erhellte

diese Welt. Es war ein einheitliches ‚Grau‘ das weder finster noch freundlich diese Ebene einhüllte. Nochmals überprüfte er den Spieß, auf dem das Fleisch briet. Dass es sein Abendmahl sein sollte, beschloss Vilkas einfach. Er, als lebende Person, brauchte so etwas wie einen Rhythmus und auch Schlaf, selbst wenn das andere hier nicht nötig hatten. In der Zwischenzeit wollte er ein Bad im nahen Teich nehmen, an dem er lagerte. Rasch entledigte er sich seiner Kleidung und stieg in das kühle Nass, um sich zu reinigen. Ehrlich gesagt war er enttäuscht. Mehr als enttäuscht. Als er Hircine nach Obivion folgte, war ein kurzer Schwindel

alles was er verspürte. Als er wieder klar sehen konnte, war er bereits in den ewigen Jagdgründen. Es sah dort, wo er aus dem Tor geschritten war, ähnlich aus wie in der Dickbauchgrotte in Himmelsrand, dennoch war es anders. Und nicht nur weil keine Sonne schien. Es war irgendwie verzerrt. Außerdem war Hircine nirgendwo mehr zu sehen. So hatte Vilkas begonnen die Gegend zu erkunden. Manche Orte kamen ihm bekannt vor, wie eine Gegend, die ihn an Falkenring erinnerte. Nur, dass die Stadt fehlte. Zumindest fand er ein paar ärmliche Hütten, in denen aber niemand anzutreffen war. Nicht einmal ein verlassener Hund. Nur die verfallenen

Gebäude und der vage Geruch vergangenen Lebens. Als hätte noch vor kurzem hier jemand gehaust. Erst als Vilkas sich genauer umgesehen hatte, fand er ein paar Bewohner, die sich ängstlich vor ihm versteckt hatten. Es war ein Mann und zwei Frauen, die ihm völlig unbekannt waren. Wie Krieger wirkten sie schon lange nicht mehr. Eher wie Jäger und Fallensteller, die sich in einer der Hütten eingenistet hatten. Sie sprachen auch kaum mit ihm, nicht einmal, als er ihnen bedeutete, dass sie nichts vor ihm zu befürchten hatten. Sie schienen Angst zu haben. Vor wem oder was, war Vilkas ein Rätsel. Der Mann deutete immer nur in eine bestimmte

Richtung und murmelte: „Von denen. Wolfsmenschen.“ „Aber… seid ihr nicht ebenfalls Wolfsmenschen?“, fragte Vilkas irritiert. Er hatte immer gedacht, dass nur Werwölfe in Hircines Reich Einzug halten durften. Aber scheinbar nahm Hircine jeden, der ihm seine Seele verschrieb. Wofür auch immer. Der Mann starrte ihn jedenfalls an, als wäre er irr. Dann raffte er sein Zeug zusammen und deutete den Frauen ihm zu folgen. Vilkas kam nicht einmal mehr dazu ihn nach einem sonderbaren Durchgang zu fragen oder etwas, das Hircine besonders abschirmte. Voller Furcht vor ihm waren die drei Personen

verschwunden und er war wieder allein. Seine Versuche Hircine zu rufen, blieben ebenso erfolglos. Vilkas wollte ihn zur Rede stellen, ihn fragen, wo er denn auf seine Leute treffen würde, die ihn nicht mehr kannten, wie er es ihm angedroht hatte, doch auch der Daedrafürst ließ sich nicht mehr sehen. Eine weitere Gruppe verängstigter Fallensteller traf Vilkas in einer Gegend die beinahe an Ivarstatt erinnerte. Es war eine weit größere Gruppe, die aber ebenfalls furchtsam vor ihm zurückwich und zu keiner Kommunikation bereit war. Frustriert warf Vilkas seine Arme in die Luft und fluchte ihnen hinterher, dass seine Großmutter wohl noch in ihrem

Grabe schamrot geworden wäre. Hier in den ewigen Jagdgründen war überhaupt nichts so, wie er es sich vorgestellt hatte. Vilkas knirschte mit den Zähnen. Anstatt Kampf und Gefahr erwartete ihn hier nur Ödnis und pure Angst. Und nun lagerte er an einem Fluss, in einer Gegend die Flusswald ähnlich sah und briet sich einen Hasen, als wäre er auf einem Ausflug. Dazu hatte er ein paar Beeren und Früchte gesammelt, die in einer trockenen Mulde auf ihren Verzehr warteten. Ärgerlich begann er sich gründlich zu waschen. Selbst ohne Seife war Wasser ein Reinigungsmittel, das es hier großzügig gab. Seine Haare wusch er

ebenfalls. Als er endlich das Gefühl hatte, wieder einigermaßen sauber zu sein, stieg er aus dem Wasser und hockte sich zu seinem Braten. Da es hier keine Laken gab, musste er eben warten, bis er trocken genug war, um wieder in sein Gewand und seine Lederrüstung zu steigen. „Brauchst du ein Fell, oder ein Hemd?“ Vilkas sprang auf. Ein kleines Mädchen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, stand bei seinem Lager und blickte ihn mit großen, hellgrauen Augen an. Sie hatte ein dünnes Kleidchen an, das mehr wie ein Hemd aussah, das man notdürftig für sie zusammengenäht hatte. Ihre dünnen Füße wurden von Fellschuhen

geschützt. Einen kleinen Bogen, der immer noch viel zu groß für sie war, hatte sie um ihre Schultern geschlungen. Sie schien aber keine Angst vor ihm zu haben. Ganz anders, als die Leute, die er bisher getroffen hatte. „Nein, ich habe Gewand. Ich muss vorher nur trocken werden“, antwortete er. Aber das Erstaunen bekam er dennoch nicht so schnell aus seinem Gesicht. „Ach so…“ Die Kleine starrte ihn von oben bis unten an. „Du bist seltsam!“, sagte sie schließlich. „Ganz anders als die ‚Hasen‘. Und auch ganz anders als die ‚Wölfe‘, obwohl du auch einer von ihnen bist. Aber du wirkst anders. So ‚warm‘.“ Ihr Blick wurde entrückt.

„Gehörst du vielleicht auch nicht hierher? Wie ich?“ Vilkas war verwirrt. Mehr als bisher. Dass kleine Kinder hier waren, erstaunte ihn zutiefst. Er dachte immer, dass Kinder sofort zu den Göttlichen zurückgingen, wenn sie starben. Vielleicht war bei ihrem Tod etwas schiefgelaufen? Sie sagte ja auch, dass sie nicht hierhergehörte. Aber die Kleine hier war zumindest nicht ängstlich. Er konnte von ihr sicherlich so einiges erfahren. „Wen meinst du mit ‚Hasen‘?“, fragte er das Mädchen. „Die Fallensteller, die dort unten wohnen?“ Vage deutete Vilkas die Richtung an, in der ihm die Gruppe begegnet war.

Die Kleine nickte. „Ja. Die ‚Hasen‘ sind die beliebteste Beute der ‚Wölfe‘. Dabei dürfen sie ihnen nichts tun. Das ist Gesetz. Und die Hirschmenschen achten genau darauf, dass es eingehalten wird.“ Sie blickte verschwörerisch zu ihm auf. „Und die Wölfe töten sie auch nicht, aber oft behalten sie ein paar von den ‚Hasen‘ als Sklaven!“, flüsterte sie ihm noch zu. „Bist du auch eine von den Wölfen?“, fragte Vilkas. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Und deshalb mögen mich die meisten in unserer Gruppe auch nicht. Nicht einmal die Späher. Aber sie tolerieren mich.“ Unbehaglich kaute sie auf ihrer

Unterlippe. „Zumindest noch. Solange Mama mich nicht ganz vergisst.“ Vilkas verstand immer weniger. Wo war er hier nur gelandet? Oder war das ein Streich von Hircine, ihn so weit weg von allem auszusetzen? Zumindest verstand er, dass das Mädchen Menschen wie ihn, die nicht ängstlich waren, wohl mit ‚Wölfen‘ meinte. „Wie heißt du eigentlich, Kleine? Willst du vielleicht etwas mit mir essen?“ Das Mädchen blickte sehnsüchtig auf seinen Braten. „Gerne!“, rief sie und setzte sich sogleich neben das Feuer. Ihre wirren roten Haare strich sie dabei hinter die Ohren, damit sie den hochzüngelnden Flammen nicht zu nahe

kamen. Vilkas schüttelte den Kopf, dann begann er sich anzuziehen. Mittlerweile war er trocken genug dafür. Das Mädchen blickte ihn dabei unverwandt und ungeniert an. Scheinbar war ihr der Anblick von nackten Männern vertraut. Das hieß dann wohl, dass sie zu einer größeren Gruppe gehörte. Wenn Vilkas Glück hatte, vielleicht einer Gruppe von verstorbenen, ehemaligen Gefährten. Selbst wenn sie ihn nicht mehr kennen würden. Es wäre etwas Vertrautes. Das erste Vertraute, das ihm hier begegnen würde. Erfreut wie schon lange nicht mehr, setzte er sich neben das Mädchen und drehte am Spieß. Das Fleisch müsste bald

fertig sein. Vilkas griff in die Mulde und nahm die Beeren heraus. Ein paar davon bot er dem Mädchen an, das sie dankbar annahm und gierig herunter schluckte. „Du hast mir immer noch nicht deinen Namen genannt“, sagte Vilkas freundlich. Das Mädchen lächelte. „Weil ich keinen habe.“ Der große Mann blickte das Kind vor sich ungläubig an. „Wie das? Deine Mutter muss dir doch einen gegeben haben!“ Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Nein. Sie sagen immer nur ‚Kind‘ zu mir. Selbst meine Mutter. Sie erinnert sich auch nicht mehr, dass ich ihr Kind bin.

Aber etwas bindet uns noch, sonst hätten die anderen mich längst verjagt. Besonders Jörgen. Er mag nicht, dass Mama sich immer noch mit mir beschäftigt. Obwohl es schon weit seltener geworden ist.“ Vilkas war bei dem Namen zusammengezuckt. Das war einer der verstorbenen Gefährten, dem er unter keinen Umständen begegnen wollte. Doch so wie es aussah, würde er hier in Oblivion nochmals seinem Vater gegenübertreten müssen. Dem Mann, der durch seine Hand gestorben war. „Talos!“, ächzte er. „Heißt du so?“, fragte das Mädchen in aller

Unschuld. Der große Mann straffte seine Schultern und setzte wieder seinen bewährten abweisenden Blick auf. „Nein. Mein Name ist Vilkas.“ Dann begann er den Braten mit seinem scharfen Dolch auseinander zu nehmen. Die zartesten Stücke reichte er dem Kind, das sie lächelnd annahm. „Endlich!“, seufzte sie begeistert. „Bei den anderen bekomme ich nur die Reste und in letzter Zeit verjagen sie mich immer wieder vom Feuer. Die Sklavinnen sind die einzigen, die mir immer noch etwas zustecken.“ Vilkas konnte es nicht fassen. Wie konnte man ein kleines Kind nur

verjagen? „Und deine Mutter sagt nichts dagegen?“ „Sie hat doch auch schon alles vergessen. Sie kann sich gar nicht mehr an mich erinnern. Und ich weiß, dass ich eigentlich gar nicht hier sein sollte.“ Das Mädchen wirkte nachdenklich. „Aber Mama war so traurig. Ich konnte sich nicht alleine lassen!“ Jetzt zog ein sanftes Lächeln über ihre Züge. „Weißt du, wenn sie mich ansieht, dann bewegt sich etwas in ihr. Sie wird ganz weich und streicht mir über die Wange, bis sie weinen muss. Irgendetwas erinnert sie dann doch.“ Herzhaft biss sie in das Fleisch und kaute genüsslich. Vilkas, der nie

sonderlich gesprächig war und den etwas an diesem Mädchen zutiefst berührte, aß schweigend weiter. Als sie genug hatte, stand sie schließlich auf. „Du bist seltsam, aber nett und ‚warm‘!“, sagte sie. „Vielleicht sehen wir uns ja wieder!“ Damit war sie weggehuscht und Vilkas wieder alleine. In dieser „Nacht“ beschloss er auf einem der Bäume zu schlafen. Dazu rieb er sich mit den Beeren des Pestbusches ein, den er etwas weiter unten gefunden hatte. Das einzige Mittel, das stark genug war seinen Geruch völlig zu neutralisieren. Er war alles andere als erpicht, seinem Vater hier zu begegnen. Er wusste nicht wie lange er geschlafen

hatte, doch das war auch bedeutungslos. Hier gab es keine Zeit. Da er sich ausgeruht fühlte, war es für ihn eben „Morgen“. Gerade, als er von seinem erhöhten Schlafplatz herabsteigen wollte, drangen verhaltene Geräusche an sein Ohr. Und die Gerüche von zwei Männern, die ihm bekannt vorkamen. Vilkas war froh, dass er seiner Eingebung gefolgt war und seinen eigenen Geruch unkenntlich gemacht hatte. Ansonsten hätten sie ihn bereits aufgespürt. Aufmerksam spähte er durch das dichte Blattwerk, bis er die beiden sehen konnte. Ihrer Rüstung nach und so wie sie die Waffen trugen, waren das sicherlich keine ‚Hasen‘. Wohl eher

dürften sie zu den ‚Wölfen‘ gehören. „Hier muss er gelagert haben. Sein scharfer Geruch ist überall zu finden“, sagte der Größere von ihnen mit seiner tiefen Stimme. Der andere, ein dunkelblonder, junger Mann, der sein Haar zu einem Zopf zusammengebunden trug, nickte bestätigend. „Er wird längst über alle Berge sein“, knurrte er dabei und richtete sich auf. „Die Kleine hätte uns früher Bescheid sagen sollen. Gute Kämpfer können wir immer brauchen.“ „Pah! Wer sagt dir, dass er ein guter Kämpfer ist? Nur weil das Kind erzählte, er hätte keine Angst?“, grollte der andere. Dieser Mann war ein wahrer

Hüne. Gelangweilt streckte er seinen gewaltigen Körper. Vilkas hatte Glück, dass er dabei die Augen geschlossen hielt. Er hätte sonst unweigerlich zwischen den Ästen hindurch zu ihm aufgesehen. Dafür konnte Vilkas den Mann unter ihm genau studieren. Neben seiner beachtlichen Größe und der Breite seiner Schultern, hatte er ein flaches, breites Gesicht, das von halblangen, hellen Haaren, in denen Zöpfchen eingeflochten waren, umrahmt wurde. Es wirkte glatt rasiert, markant und ebenso jung wie das des anderen. Ein wenig kam er Vilkas bekannt vor, aber er hätte nicht sagen können, wer es war. Erst als sein Geruch nochmals zu ihm aufstieg, wäre

er vor lauter Abscheu beinahe vom Baum gefallen. „Komm schon, Jörgen!“, meldete sich da der Mann mit dem Zopf. „Lass uns zurückgehen. Wir haben ihn verpasst. Wir werden ein anderes Mal mehr Glück haben.“ „Wenn du meinst, Skjor“, brummte der Hüne. „Du bist der Anführer…“ Dann zögerte er. „Aber was ist, wenn es sich um den ‚Lebenden‘ handelt, auf den unser Fürst so eine hohe Belohnung ausgesetzt hat?“, fragte er nach. „Dann wird er sich irgendwann verraten.“ Skjor lächelte. „Und wenn er da schon einer von uns ist, können wir ihn noch leichter fassen, als wenn wir

ihn erst suchen müssten, oder?“ Laut lachend klopfte ihm Jörgen auf die Schultern. „Du bist ein gerissener Hund, Skjor. Wir werden auch diesmal die Groß-Jagd gewinnen. Selbst, wenn wir weniger Kämpfer haben als die anderen!“ Skjors Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Oh, ja. Doch nun lass uns gehen. Irgendetwas behagt mir hier nicht.“ Witternd und lauernd fuhr sein Kopf nochmals in die Höhe, doch er konnte nichts ausmachen. Schließlich verließen sie Vilkas letztes Lager. Die Schritte der beiden Männer waren schon lange verklungen, als Vilkas sich endlich vom Baum herunter bewegte. Der Schock, der in seine Knochen gefahren

war, konnte nicht schlimmer sein. Damit hatte er niemals gerechnet. Nicht nur, dass er seinem verhassten Vater und seinem geliebten Mentor begegnen musste, waren die beiden auch noch in einem Rudel zusammen. Und total verjüngt! Der Tod hatte ihnen gut getan! Aber es kam ihm sinnvoll vor, dass man nach dem Tod in der Form auf der Ebene jagte, in der man am kräftigsten war. Dennoch war es ein Schock, den er erst verdauen musste. „Und Hircine, dieses heimtückische Schwein!“, fluchte Vilkas, als er an die Sache mit dem ‚Lebenden ‘ denken musste. „Du hast mich gerufen?“, hallte es

höhnisch in seinen Ohren und der Deadrafürst materialisierte direkt neben ihm. Sein abstoßend menschliches Hirschgesicht war dabei zu einer Grimasse verzogen, das wohl ein Lächeln sein sollte. „Nein!“, fuhr Vilkas ihn an. „Diesmal nicht, doch wo du schon hier bist, kannst du mir vielleicht erklären, was das alles soll? Warum machst du mich zum Geächteten, indem du ihnen eine Belohnung versprichst, wenn sie den ‚Lebenden‘ ausliefern?“ Die Grimasse des Hirschkopfes wurde noch verzerrter. Schließlich stieß Hircine ein bellendes Lachen aus. „Ich sagte dir doch, dass es nicht leicht werden wird!

Oder glaubst du, ich verschenke das Einzige, das eure Seelen an mich bindet, so mir nichts dir nichts?“ Vilkas spürte, wie die Wut in ihm hochstieg. Doch diesen Triumpf wollte er dem Daedra nicht gönnen. Seine ehemaligen Freunde und Feinde werden ihn wohl jagen wollen, wie einen Hasen. Doch er war kein ‚Hase‘. Er würde ihnen die Suppe versalzen. Und Hircine ebenso. Gegen seinen Vater zu kämpfen, dagegen hatte er sowieso keine Skrupel. Doch gegen Skjor? Da wusste er wirklich nicht, ob er das tun könnte. Hircine schien seine Gedanken zu erraten. Seine Grimasse war ein einziges Zerrbild geworden. „Wenn du das schaffst, dich

gegen alles und jeden hier durchzusetzen, und den Durchgang zu finden, bin ich wirklich bereit, mich an die neue Abmachung zu halten. Ich werde euch eure Erinnerungen lassen. Das kann aber auch Nachteile haben.“ „Welche Nachteile?“, fragte Vilkas. „Nun, wie du gesehen hast, bilden sich hier neue Rudel. Selbst diejenigen, die einst Todfeinde waren, können jetzt gemeinsam jagen.“ Er schien über etwas nachzugrübeln. „Ich glaube, im Rudel deines Mentors befindet sich sogar sein eigener Mörder.“ Wieder ließ Hircine bellendes Lachen ertönen. „Wenn ich wirklich gemein wäre, würde ich ihnen ihren gegenseitigen Hass zeigen, den sie

im Augenblick ihres Todes aufeinander verspürt hatten.“ Er zuckte mit den Schultern. „Doch was hätte ich davon? Sie würden sich in Kleinkriege verzetteln, anstatt gemeinsam zu jagen oder sich auf die Groß-Jagden vorzubereiten.“ „Sein eigener Mörder?“ In Vilkas begann sich alles zu drehen. „Aber Skjor wurde von der silbernen Hand ermordet! Das sind Werwolf-Hasser! Wie kann einer von ihnen hier in die ewigen Jagdgründe kommen?“ Der Daedrafürst blickte Vilkas ungläubig an. „Wusstest du das nicht? Ich dachte, das sei allgemein bekannt!“ „Was?“, fuhr Vilkas ihn

an. „Dass alle, die von Werwölfen gebissen werden, ebenfalls in meine ewigen Jagdgründe kommen.“ Hircine triumphierte, als er Vilkas fassungsloses Gesicht sah. „So lautet das Gesetz, mein Lieber! Außerdem, warst sogar DU es, der den Mörder von Skjor zerfetzt hat“, resümierte er. „Dein Mentor war ja von den Werwolf-Jägern bereits zu Tode gefoltert worden.“ Wieder setzte bellendes Lachen ein. „Wie viele waren es, die du damals umgebracht hast, als Werwolf?“ Hircine amüsierte sich königlich. „Sie alle sind hier. Da ist es doch nur Recht und Billig, wenn sie dich dafür jagen, wie einen Geächteten,

oder?“ Hircines Lachen hallte noch lange in Vilkas Ohren nach, selbst als der Daedra schon längst verschwunden war. Vilkas stand da und konnte sich nicht rühren. Skjors eigener Mörder war in dessen Rudel. Sein verhasster Vater war in Skjors Rudel. Wer wusste schon, wer noch aller in diesem Rudel war. Vilkas glaubte nicht, dass er so viel Beherrschung hatte, dass er nicht als der ‚Lebende‘ erkannt werden würde. „So sammelt dieser Höllenfürst also all die Seelen!“, entfuhr es Vilkas. Unwillkürlich dachte er an alle, die er als Werwolf getötet hatte. Es waren nicht wenige. Aber was regte er sich auf? Bei

den Vampiren war es genauso. Jeder, der gebissen wurde und sich nicht heilte, dessen Seele gehörte Molag Bal. Sie wurden auch unweigerlich selbst zu Vampiren. Nur weil die Gefährten eine Sonderabmachung hatten, dass sie den Werwolf-Fluch durch einen Biss alleine nicht weitergeben konnten, hieß das wohl nicht, dass ihre Opfer ebenfalls davon befreit waren, ihre Seelen an Hircine zu verlieren. Sie wurden keine Werwölfe, aber ihre Seelen gehörten dennoch dem Daedrafürsten. Die ‚Hasen‘ die hier in dieser Ebene waren, schienen aber wirklich nur Jäger und Fallensteller zu sein, die sich zu ihren Lebzeiten unter den Schutz

Hircines gestellt hatten. Kein Wunder, dass sie hier, auf dieser Ebene unter all den Werwölfen und den Verbrechern, welche durch Werwölfe umgekommen waren, kaum eine Chance hatten. Nach den Worten des Kindes, wurden diese ‚Hasen‘ aber von den ‚Hirschmenschen‘ – Vilkas nahm an, dass es sich dabei um Daedra im Dienste Hircines handelte – vor der Willkür der ‚Wölfe‘ geschützt. Es war dennoch ein bisschen viel, das Vilkas verdauen musste. Doch so, wie sich die ewigen Jagdgründe darstellten, festigte sich in ihm nur seine Entschlossenheit, diesem Wahnsinn hier entgehen zu wollen. Voller Zorn ballte er seine Fäuste. „Ich bin noch lange nicht

besiegt, Hircine! Noch lange nicht!“ So rasch er konnte sammelte er Beeren des Pestbusches ein. Doch genau in dem Moment, als er aufbrechen wollte, gewahrte er den bekannten Geruch seines Vaters. Sofort wandte er sich um. Mit einem Schrei zog er seinen Zweihänder und sprang mit glühend gelben Augen Jörgen entgegen, der mit erhobener Waffe bereits auf ihn zustürmte. Es schüttelte Vilkas der jungen Form seines Vaters gegenübertreten zu müssen. Diese um mindestens zwanzig Jahre verjüngte Version wirkte von der Statur her wie sein Bruder. Vielleicht sogar noch ein wenig bulliger. Dazu hatte er weder Bart, noch die eindeutige Narbe an

der Wange. Auch sah er nicht so aufgedunsen und versoffen aus, wie in den letzten Jahren. Dennoch stürzte sich Vilkas mit einer Vehemenz auf ihn, die ihn selbst erstaunte. Als würde er ihm nun, als ausgewachsener Mann, das zurückzahlen können, was ihm als Jugendlicher nicht möglich war. Jetzt waren Vilkas Muskeln und seine Statur ebenfalls voll ausgebildet und seine Kampferfahrungen ließen das altbekannte Selbstvertrauen durch seine Glieder strömen. Ihre Waffen prallten aufeinander und der Schwung, mit dem Vilkas auf Jörgen eingedrungen war, ließen diesen zurücktaumeln. Vilkas lächelte

zufrieden. Auch wenn Jörgen nun ebenfalls in der Blühte seiner Kräfte stand, Vilkas vertraute auf seine Technik und Kampferfahrung. Dazu kam noch die Wut, die in all den Jahren, seit dem Tod seines Vaters, immer noch nicht von ihm gewichen war. Die Wut über dessen Willkür und all die Verachtung und Prügel, die er ihnen in seinem alkoholumnebelten Verstand zukommen ließ. Und jetzt, jetzt konnte er es ihm endlich zeigen. Auch wenn sein Vater sich nicht erinnern konnte, Vilkas erinnerte sich und mit jedem Schlag, mit jedem bisschen, das er Jörgen in diesem Kampf zurückdrängen konnte, befreite er sich von der Unterdrückung, die sein

Vater durch seine Brutalität über ihn und Farkas bringen hatte können. Jörgen war stärker als er, und vielleicht sogar noch stärker als Farkas, doch Vilkas konnte ihn austricksen. Immer wieder gelang es ihm unter den mächtigen Hieben hindurch zu tauchen, sich abzurollen und seinerseits dem etwas langsameren Jörgen einige Treffer zu verpassen. Der Kampf ging nicht spurlos an ihm vorüber. Auch sein Vater schaffte es einige Hiebe zu platzieren, doch im Endeffekt gelang es Vilkas den bulligen Mann mit einer wendigen Sprungkombination umzuwerfen und unter sich festzunageln. Keuchend drückte er Jörgen seine Waffe

gegen die Halsschlagader. Dann holte er zum finalen Schlag aus. Diesmal hatte er seinen Vater in einem fairen, offenen Kampf besiegt. Sein Geist würde ihn nie wieder fertig machen können. Und mit diesem Schlag würde er sich nun endgültig von ihm befreien. Kalter Stahl in seinem Nacken brachte Vilkas wieder zur Besinnung. „Es reicht, Fremder“, knurrte Skjors Stimme hinter ihm. „Ich lass mir von dir nicht meinen besten Mann töten!“ „Das heißt dann wohl, dass ich besser bin als er, nicht wahr?“, fragte Vilkas und drehte trotz der Bedrohung des Stahls in seinem Nacken seinen Kopf, um Skjor besser sehen zu können. Der Mann,

der vor ihm stand, der einst sein geachteter Mentor war, war nicht mehr wieder zu erkennen. Nur seine aufrechte Haltung und sein Blick, der jeden zu durchschauen schien, war derselbe geblieben. Selbst seine Augenverletzung war nicht mehr da. Stattdessen sahen zwei gesunde eisblaue Augen auf Vilkas, die völlig klar waren, aber nichtsdestotrotz keinen Widerspruch dulden würden. Und seine schütteren weißen Haare, die früher so typisch für ihn waren, waren der stolzen dunkelblonden Mähne gewichen, die er sich aber wenigstens noch zu einem Zopf nach hinten band. „Du bist wirklich gut“, räumte Skjor ein,

doch sein Stahl lag immer noch drohend in Vilkas Nacken. „Aber du bist auch sehr von dir eingenommen, Fremder.“ Grübelnd betrachtete er Vilkas. „Du bist ein Werwolf, wie wir. Wir können einen guten Kämpfer wie dich in unserem Rudel gut gebrauchen. Bleibt nur die Frage: würdest du dich uns anschließen wollen und mir unterordnen?“ Skjor war also der Leitwolf! Etwas anderes hätte Vilkas gewundert. Doch er musste vorsichtig sein. Er wollte sich nicht sofort als der ‚Lebende‘ verraten. Vielleicht hätte er wirklich eine Chance damit durchzukommen. Selbst, wenn sie noch so gering war, er musste es

versuchen. „Wo bin ich hier?“, fragte er also. Wenn man, wie Hircine sagte, ohne Erinnerungen nach dem Tod hier aufwachte, war das wohl eine berechtigte Frage. Er schien sich nicht getäuscht zu haben. Langsam nahm Skjor das Schwert von seinem Nacken. „Das hier sind die ewigen Jagdgründe.“ Seine Augen musterten Vilkas dabei unentwegt, der sich langsam von Jörgen erhob. „Und, zu deiner Information, hier landen nur die Toten.“ „Das habe ich mir irgendwie schon gedacht“, erwiderte Vilkas. Er wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass

man seinen eigenen Tod völlig vergisst. „Ich erinnere mich zwar an nichts mehr, aber ich bin mir sicher, dass ich so einen trostlosen Himmel noch nie gesehen habe.“ Scheinbar hatte er die richtigen Worte getroffen. Skjor lachte und klopfte ihm auf die Schultern. „Willkommen in der Hölle, mein Lieber. An und für sich ist es hier nicht schlecht. Wenn man aufwacht, ist man zwar noch ein wenig verwirrt, aber man gewöhnt sich schnell an die neuen Umstände.“ Einladend hielt er ihm seinen Arm hin. „Mein Name ist Skjor. Und der breite Kasten hier ist Jörgen.“ Mit einem Kopfnickten deutete er in die Richtung von Vilkas Vater, der

sich gerade mit hochrotem Kopf aufrichtete. Vilkas schlug ein und umfasste mit seiner Hand den stahlbeschienten Arm von Skjor. „Ich heiße Vilkas. Mehr weiß ich aber nicht mehr.“ „Na, dann hat es dich aber schwer erwischt!“, entfuhr es Jörgen, der sich gerade den Staub von den Schenkeln klopfte. „Ich wusste zumindest noch, dass ich als echter Nord in Himmelsrand aufwuchs und einem großen Rudel dort angehörte.“ „Mach dir nichts draus, Vilkas“, sagte Skjor. „Viele von uns haben wohl einen schrecklichen Tod gehabt. Ich selbst erinnerte mich Anfangs nicht einmal

mehr an meinen Namen und irrte lange umher, bis mich Lydia fand und zum Rudel brachte.“ Vilkas zuckte innerlich zusammen. Das wurde ja immer schöner! Selbst Lydia würde er wohl wieder hier treffen. Etwas, auf das er auch gerne verzichtet hätte. „Jetzt mach nicht so ein finsteres Gesicht!“ Der Schlag von Jörgens schwerer Hand ließ Vilkas nach vorne taumeln. „Du wirst dich hier bald zurecht finden. Aber du bist mir eine Revanche schuldig.“ Mürrisch rieb sich Jörgen dabei über Arm und Brust, in denen die tiefen Wunden noch bluteten. „Diese Niederlage will ich nicht auf mir sitzen lassen.“ Dann lachte er und hieb Vilkas

nochmals auf die Schulter. Der Herold der Gefährten zwang sich ein schräges Lächeln ab. Es gruselte ihn immer noch seinen Vater und Skjor als so junge Männer zu sehen. Doch er schickte sich an den beiden zu folgen. „Ich weiß, dass wir bereits tot sind, doch können wir hier nochmals sterben? Oder geht das gar nicht?“, fragte er an Skjor gewandt. Vilkas hoffte, dass seine Frage nicht unpassend war, doch die beiden lachten nur. Schließlich antwortete Skjor: „Schön wäre es. Doch man kann auch hier sterben. Es geht zwar nur schwer, aber wenn dein Körper zerfetzt wird, du deinen Kopf verlierst, oder deine

Wunden so folgenschwer sind, dass sich dein Körper nicht schnell genug regenerieren kann, stirbt man auch hier.“ Vilkas nickte mit dem Kopf. Das hatte er zwar nicht erwartet, aber es klang logisch. „Und wisst ihr wohin man dann kommt?“, fragte er nach. Jörgen prustete. „Das weiß keiner so genau. Aber die Daedra, oder ‚Hirschmenschen‘ wie sie hier genannt werden, holen die Toten ab. Angeblich sollen sie zurückgebracht werden zu den Göttlichen.“ „Genauer gesagt zu Akatosh, in die Wiege der Seelen, aus der wir alle gekommen sind und von der wir vielleicht auch wieder erneut in den

Kreislauf des Lebens zurückkehren werden.“ Der junge Skjor blickte zu Vilkas. „Dennoch möchte das hier niemand. Wir leben für die Jagd.“ Ein breites Grinsen legte sich über sein Antlitz und seine Augen begannen zu glühen. Vilkas ließ sich nichts anmerken, aber innerlich triumphierte er. Das könnte der Weg sein, durch den man diese Ebene verlassen könnte! Er hatte nicht gedacht, dass er so schnell einen Hinweis dafür finden würde. Mit mehr Elan als vorhin hielt er mit den Männern mit. Er konnte auch sehen, wie sich Jörgens Wunden nach und nach schlossen. Kein Heilmittel war dazu nötig. Vilkas sah an sich

herunter. Zum Glück waren die meisten Wunden, die Jörgen ihm verpasst hatte, nur Prellungen. Die zwei tiefen Schwertwunden, die er abbekommen hatte, lagen unter seiner Kleidung. Vilkas versuchte so gut es möglich war, die Blutung zu verbergen. Sein Körper war lebendig. Er regenerierte sich nicht auf dieselbe Weise wie die Körper der Toten hier. Das war ein Problem, an dem man ihn sicherlich erkennen würde können. Als sie auf ihrem Weg an einer Baumgruppe vorbeikamen, deutete Vilkas seinen Begleitern an, dass er sich erleichtern müsse. Jörgens derbe Bemerkungen über sein weibisches

Schamgefühl ignorierte er dabei. Ihm ging es um etwas ganz anderes. Kaum, dass er außerhalb der Sichtweite war, begann er das Moos von den Baumstämmen zu kratzen. Seine scharfen Augen hatten das blutstillende Moos an ihnen entdeckt, das Hana nach seinem Kampf mit Jon verwendet hatte, um seine Blutungen zum Stillstand zu bringen. Das Wissen darüber kam ihm jetzt zugute. So rasch er konnte stopfte er sich das Moos in die tiefen Wunden an Hüfte und Oberschenkel. Es brannte fürchterlich, aber das war der Preis, den er für seine Tarnung zahlen musste. Dabei war es sowieso fraglich, wie lange er diese wohl aufrecht halten

könnte. Über eine Stunde waren sie in lockerem Laufschritt unterwegs, bis sie in ein größeres Lager kamen. Es waren keine festen Hütten, welche das Rudel, dem er sich anschließen wollte, bewohnten, sondern einfache Zelte. Skjor erklärte ihm, dass es auf diese Weise einfacher wäre den Tierherden zu folgen, vor allem wenn Groß-Jagden bevor stünden, wäre es gut beweglich zu sein. In groben Zügen erklärte er Vilkas auch die anderen Bräuche, die hier in den ewigen Jagdgründen üblich waren. „Es gibt hier ein paar große Rudel und mehrere kleinere“, erklärte Skjor. „Ein Rudel beansprucht immer ein ziemlich

großes Territorium, darum begegnen wir uns auch kaum, außer bei den Groß-Jagden oder anderen Begebenheiten, die Hircine ausrufen lässt.“ „Wenn wir uns dennoch begegnen, kann es schon zu Auseinandersetzungen kommen“, fiel Jörgen ein. „Erst vor kurzem ist Ervin, ein Späher aus unseren Reihen, mit einem Späher des Nord-Rudels aneinander geraten. Ervin hat Glück gehabt und nur mit Mühe überlebt. Der andere starb endgültig. So etwas wird von Fürst Hircine nicht gerne gesehen, aber es ist oft nicht zu vermeiden.“ Skjor grinste. „Der Konkurrenzkampf unter den Rudeln ist sehr groß. Und wir

stehen nicht gerade auf gutem Fuß mit dem Nord-Rudel.“ „Rekrutiert ihr deshalb jeden den ihr ausfindig machen könnt?“, fragte Vilkas „Liegt ja wohl nahe, Neuling!“, schnaubte Jörgen. „Du wirst dich bald an alles gewöhnen“, beschwichtigte Skjor. „Außerdem gehört unser Rudel zu den größeren, wenn es auch nicht eines von den größten ist.“ Stolz blickte er über das Lager und machte eine ausladende Geste. „Bei den Groß-Jagden, kämpfen vor allem die großen Rudel gegeneinander“, erklärte Skjor weiter. „Nicht nur gegeneinander, sondern es geht dabei vor allem um Jagd-Trophäen. Um die größten Hirschgeweihe

oder um den mächtigsten Bären, und auch darum, die schönsten Arbeiten daraus herzustellen. Diese werden nach der Jagd bei dem anschließenden Fest, Hircine geopfert. Dafür bekommen die Sieger ein Fass des besten Weines, den Hircine direkt vom Daedrafürst Sanguine besorgt. Keine Ahnung was er ihm dafür gibt. Uns kann es ja egal sein.“ Er lächelte breit. „Hier gibt es keine andere Möglichkeit zu Met oder Wein zu kommen, als bei den Jagdspielen!“, mischte sich Jörgen ein. Ein bedauernder Ausdruck legte sich über seine Züge. Vilkas musste sich bemühen kein verächtliches Schauben hören zu lassen. Es wunderte ihn nun

aber nicht mehr, warum sein Vater hier immer noch halbwegs ansehnlich aussah und nicht so versoffen, wie er ihn in Erinnerung hatte. Skjor drängte Jörgen zur Seite. „Manchmal veranstaltet Hircine aber auch Jagden, an denen nur Werwölfe teilnehmen können.“ Skjors Augen blitzten vor Freude, als er davon erzählte. „Da geht es nicht um das Rudel, sondern wir kämpfen jeder für sich. Das sind mir die liebsten Jagden!“ Triumphierend sah er Vilkas an. „Von den letzten zehn Kämpfen habe ich drei Siege erringen können.“ Er gab Jörgen neben sich einen derben Schlag auf die Schulter. „Dabei ist Jörgen hier einer

meiner größten Konkurrenten – neben zwei Werwölfen aus dem Nord-Rudel und dem Leitwolf des Quellen-Rudels.“ Sein Vater begann begeistert zu nicken. „Einmal habe ich ebenfalls die Sieges-Trophäe nach Hause tragen können!“ Freundlich blickte er Vilkas an, der sich nicht erinnern konnte jemals so einen Ausdruck auf Jörgens Gesicht gesehen zu haben. Es schockte ihn zutiefst. „Doch pass auf, Neuling. Du bist gut, aber die Wölfe aus dem Nord-Territorium sind verschlagene Bestien. Sie haben bereits einige von uns so zugerichtet, dass ihre Körper sich nicht mehr regenerieren konnten. Wir können sie aus gutem Grund nicht

ausstehen.“ „Das sind wahre Monster!“, fügte Skjor ein. „Sie sind schon sehr lange in den ewigen Jagdgründen. Ihre Hinterlist und ihr niederträchtiges Verhalten sind legendär. Auf die musst du wirklich aufpassen. Eigentlich hätten sie schon längst ‚entsorgt‘ werden müssen. Hircine hat aber irgendwie Gefallen an ihnen gefunden.“ „Entsorgt?“, fragte Vilkas. „So nennen wir es, wenn man Hircines Gesetzen zuwider handelt. Hinterhältiger Mord gehört dazu. Dann kommen die ‚Hirschmenschen‘ und nehmen einen mit, wie ansonsten nur die Toten. Frag mich aber nicht, was mit ihnen geschieht. Das

weiß niemand. Nur sieht man sie nie wieder.“ „Sie werden wohl auch zurück zu Akatosch geschickt werden“, mutmaßte Vilkas. Jörgen neben ihm spuckte aus. „Pah!“, rief er. „Ich glaube eher, dass sie verschachert werden. Seele ist Seele. Woher sollte Hircine sonst an die kostbaren Weinfässer kommen?“ „Das sind Mutmaßungen, Jörgen“, schnitt ihm Skjor das Wort ab. Dann wandte er sich wieder an Vilkas. „Schau dich ruhig hier um. Eines der Zelte ist frei, das kannst du dir nehmen. Wir brauchen zwar keinen Schlaf, aber hin und wieder ein wenig Privatsphäre.“ Verschwörerisch

zwinkerte er ihm zu. „Und wo wir gerade dabei sind…“ Skjor warf ihm einen warnenden Blick zu. „Lydia ist meine Frau. Nur dass wir uns verstehen…“ Jörgen beugte sich zu ihm. „Sei gewarnt“, flüsterte er ihm zu. „Da versteht Skjor keinen Spaß. Aber wir haben ein paar nette Sklavinnen hier.“ Mit dem Kopf deutete er zur Feuerstelle, an der eine Frau den Eintopf umrührte. Eine andere saß daneben und schien etwas zu nähen. „Keine Sorge“, beruhigte ihn Vilkas. „Mir steht nicht der Sinn danach.“ Er hatte nicht vor sich hier etwas anzufangen. „Bevorzugst du etwa Männer?“ Das

Entsetzen in Jörgens Stimme war echt und bevor Vilkas noch den Irrtum aufklären konnte, meldete sich aber eine helle Frauenstimme in ihrem Rücken. „Das wäre doch echt schade, nicht wahr Aela?“ Ruckartig drehte sich Vilkas um. Unbemerkt waren zwei Frauen von hinten an sie herangetreten. Vilkas wusste nicht was der größere Schock war. Der Anblick von Aela bei diesem Rudel, die wieder unversehrt, jung und schön aussah, oder die Frau neben ihr, die niemand geringerer als Astrid war. Unwillkürlich fasste sich Vilkas an seine Brust. „Gemach, Neuling!“, brummte Jörgen neben ihm. „Wenn du auf Aela abfährst,

wirst du dich zuerst mit mir auseinander setzen müssen. Sie ist noch nicht lange bei uns, aber wir teilen bereits unser Lager.“ Vilkas konnte nicht sofort antworten, es war einfach alles zu viel in diesem Moment. Aela war mit seinem Vater zusammen! Schwindel erfasste ihn und ihm wurde übel. Zum Glück packte ihn Skjor an den Schultern und dirigierte ihn ans Feuer. „So, genug jetzt. Setzt dich und genieße das Mahl. Wir brechen bald zur Jagd auf, bis dahin stärke dich und sieh dich im Lager um. Alles andere wirst du mit der Zeit kennen lernen.“ Damit ließen sie ihn allein, nicht ohne dass Astrid noch eine anzügliche

Bemerkung in seine Richtung fallen ließ, doch Vilkas war nicht in der Lage zu reagieren. Besonders nicht auf sie. Achselzuckend ließ sie ihn sitzen und ging wieder zu den anderen, während Vilkas in Verzweiflung fiel. Aus den Augenwinkeln sah er noch wie Jörgen seinen Arm um Aela schlang. Schnell ließ er sich eine Schüssel Eintopf geben und löffelte diesen aus. Das schüchterne Lächeln der Frau beachtete er dabei überhaupt nicht. „Bei Talos“, murmelte er. „Aela und Jörgen! Und Astrid ist ebenfalls hier! Das stehe ich niemals

durch!“

26 assassinen

Es sah aus wie immer, dennoch hätte Vilkas schwören können, dass sich alle langsam auf das ‚Abendmahl‘ vorbereiten würden. Die Stimmung war mehr als ausgelassen und die erlegte Hirschkuh briet schon seit einigen Stunden über dem Feuer. Es war eine große Mulde, welche das Rudel für die Feuerstelle ausgehoben und mit Steinen ausgelegt hatte. Rund um die Feuerstelle hatten sie Sitzsteine platziert, auf denen einige von ihnen nun ruhten und sich wohl mit dem Wein oder Met vom zuletzt gewonnenen Jagdspiels zuprosteten. Das

Fass, aus dem sie schöpften stand in der Nähe des Feuers. Wie Vilkas sehen konnte, war es nicht das einzige. Zwei weitere standen bei dem Zelt, das wohl die Vorräte beherbergte. So wie es aussah, schien das Rudel bei den Jagden wirklich erfolgreich gewesen zu sein. Vilkas selbst stand in einiger Entfernung an einem Baum gelehnt da und beobachtete das Treiben. Zum Glück ließ man ihn in Ruhe. Skjor hatte ein Machtwort gesprochen, und Vilkas konnte nun ein wenig zu Atem kommen. Die toten Körper der anderen wurden nicht so schnell müde wie er. Vilkas kam sich vor wie ein alter Mann. Er wusste, dass es sinnlos war sich mit toten,

unermüdlichen Körpern messen zu wollen, dennoch zeigte es ihm den Nachteil, den er hier als Lebender hatte. Er brauchte Pausen, er brauchte Schlaf und sein Körper regenerierte sich nur ausgesprochen langsam. Dazu kam noch, dass die letzten Stunden für ihn einfach nur der Horror gewesen waren. Zwar hatte ihn die Jagd ein wenig abgelenkt, doch das Grauen, das ihn hier in den ewigen Jagdgründen erwartet hatte, konnte selbst diese Beschäftigung nicht tilgen. Noch immer rannen ihm Schauer über den Rücken, wenn er an Jörgen dachte. Sein Vater war ganz anders, als er ihn in Erinnerung hatte, dennoch konnte Vilkas den Alptraum

seiner Kindheit nicht aus sich herausreißen. Er verabscheute seinen Vater, daran konnte auch dieser ‚junge Jörgen‘ nichts ändern. Und dass ausgerechnet dieses Scheusal Aela, Farkas Frau, jetzt erfolgreich umwarb, brachte immer noch Übelkeitswellen über ihn. Außerdem erkannte er in Ervin einen von Skjors Mördern, die er damals niedergemetzelt hatte. Vilkas erinnerte sich noch gut an den rothaarigen, blassen Mann mit den grünen Augen und dem gemeinen Grinsen. Auch er wirkte hier jünger, doch das herablassende Lächeln und die schnell hin und her huschenden Augen waren Vilkas im Gedächtnis

geblieben, bevor er sich damals verwandelt hatte und ihm mit einem Biss den Kopf von den Schultern trennte. Unwillkürlich hatte er nach seinen Bissnarben an Ervins Hals gesucht, doch in den ewigen Jagdgründen wachten alle unversehrt und jung wieder auf. Es war dennoch mehr als verstörend. „Na? So alleine?“ Astrids säuselnde Stimme ließ unkontrollierbare Emotionen in Vilkas hervorbrechen. Mit Mühe krallte er seine Finger in den Baumstamm, bis er spürte wie die scharfe Rinde in sein Fleisch schnitt und sein Blut langsam am Stamm herabzulaufen begann. Auch wenn es eine Dummheit war, der Schmerz half

ihm, diese Frau nicht auf der Stelle erneut zu zerfleischen. Sie war wohl lange genug mit den Werwölfen unterwegs um zu wissen, aus welcher Windrichtung man sich anpirschen musste, um unerkannt näher kommen zu können. Und lautlos schleichen hatte sowieso niemand besser gekonnt als sie. „Ich brauche noch Zeit um mich zurecht zu finden!“, knurrte er abweisend. Vilkas blickte stur weiter gerade aus. Er konnte ihr einfach nicht in das Gesicht sehen – in dieses grausam-schöne Antlitz, das zu keiner Emotion fähig war. „Gerade deshalb solltest du dich zu uns setzen.“ Vilkas spürte wie ihre Finger

langsam anzüglich näher kamen, um ihn leicht am Arm zu berühren. So schnell er konnte machte er einen Schritt zur Seite. „Ich brauche Zeit, respektiere das!“, fuhr er sie an. Doch Astrid wäre nicht Astrid, wenn sie das gelten lassen würde. „Oh“, meinte sie. „Der Herr Neuling kann mich wohl nicht leiden? Oder hat dir die rothaarige Wölfin so gut gefallen, dass du keinen Sinn mehr für andere hast?“ Sie lachte verhalten. „Glaub mir, ich habe deinen Blick bemerkt, den du auf Jörgen und Aela geworfen hast!“ In Vilkas drehte sich alles. Er hatte schon seit Jahren nicht mehr so eine Lust zum Töten verspürt wie in diesem Moment. Die Wolfsbestie in ihm schrie

und tobte. Sie wollte entfesselt werden. Die ganze Blutrünstigkeit, die in ihr steckte, hier und jetzt ausleben! Es fehlte nicht viel und Vilkas hätte seine Tarnung, die bereits auf sehr wackeligen Beinen stand, endgültig verraten. Mehr als seinen Vater, mehr als alles andere, verachtete er diese Frau. Und ausgerechnet er war es, der sie in die ewigen Jagdgründe geschickt hatte, als er ihren Körper in völliger Raserei zerfetzt hatte. Damals, als er Zeuge ihrer gnadenlosen Grausamkeit wurde und ihm klar geworden war, dass die dunkle Bruderschaft niemals sein Weg sein konnte. Egal was er getan hatte, gegen Astrid war er ein Heiliger.

Die Erinnerung daran ließ ihn vor neu aufflammendem Hass beben und Vilkas drehte ihr brüsk den Rücken zu. Nur mit Mühe brachte er sich wieder unter Kontrolle. „Bei Hircines dampfendem Atem! Was bist du nur für ein seltsamer Kerl!“, fauchte Astrid. Zumindest ließ sie Vilkas jetzt alleine und stolzierte zu den anderen. Vilkas nahm seine Hand vom Baumstamm und legte ein wenig von dem blutstillenden Moos darauf, von dem er sich auch einen kleinen Vorrat eingesteckt hatte. Astrid war zwar weg, doch die Erinnerungen an die Zeit, die er

bei den Assassinen verbracht hatte, blieb. Dabei war das ein Kapitel in seinem Leben, an das er nie wieder denken wollte. Er hatte damals lange suchen müssen, bis er endlich die Zuflucht der dunklen Bruderschaft gefunden hatte. Normalerweise musste man einen Mord begehen um aufgenommen zu werden. Doch Vilkas war der Überzeugung, dass der ‚Mord‘ an seinem Vater Grund genug war, ihm Eintritt zu gewähren. Wie es schien, hatte Astrid, die Anführerin der dunklen Bruderschaft, Gefallen an ihm gefunden, denn er durfte zur Probe bleiben. Astrid selbst war es, die sich um seine

Ausbildung zum Assassinen kümmerte. Vilkas hatte trotz seiner Größe Talent sich geschmeidig und lautlos zu bewegen. Das Training war hart und Astrid verlangte alles von ihm ab. Erst als er es schaffte, sich auch ihr lautlos zu nähern, durfte er sie bei leichteren Aufträgen begleiten. Seine ersten Morde verrichtete er dabei völlig emotionslos. Er glaubte Astrids Ausführungen, dass hinter jedem Auftrag, den sie annahmen, ein berechtigter Grund stand. Außerdem war es das, wozu Vilkas sich entschieden hatte. In seinen Augen hatte er, als Vatermörder, nichts anderes verdient. Und mit diesen Taten glaubte er, sein altes Leben restlos aus sich tilgen zu

können. Selbst Astrid gefiel was sieh sah. Seine Geschicklichkeit und präzise Ausführung imponierten der eiskalten Frau. Vilkas war zu dieser Zeit gerade achtzehn Jahre alt und die erfahrene Assassine knapp über Dreißig. Dennoch nahm Astrid ihn noch in eine andere Lehre. Vilkas erinnerte sich genau. Es war nach dem dritten kleinen Auftrag, den er an ihrer Seite ausführen durfte. Drei Monate war er bereits bei den Assassinen, als Astrid ihn nach dem erfolgreichen Mord in ihre Schlafkammer holte. Sie war ohne Zweifel eine schöne Frau. Vilkas schloss voller Selbstanklage die Augen, als die Bilder von damals wieder vor sein

geistiges Auge stiegen. Ahnungslos trat er in ihre Kammer. Er dachte, dass Astrid vielleicht noch etwas zum vergangenen Auftrag sagen wollte. Doch als sie hinter ihm die Tür abschloss und der Geruch ihrer Erregung in seine feinen Wolfsinne stieg, wusste er sofort was das zu bedeuten hatte. Er hatte zwar niemals damit gerechnet, da Astrid mit Arnbjorn, einem weiteren Gildenmitglied, verheiratet war, aber Vilkas selbst war zu fasziniert von der eisigen Schönheit dieser Frau, als dass er etwas dagegen gehabt hätte. Es war keine Liebe, die er für sie empfand. Dieses Gefühl glaubte er sowieso für immer aus seinem Herzen gerissen zu haben. Astrid

weckte einfach nur die reine animalische Lust in ihm. Und wie sehr sie es verstand diese zu wecken! Vor allem, als sie sich langsam und aufreizend vor ihm entkleidete! An irgendwelche Konsequenzen, seitens ihres Ehemannes, dachte er dabei überhaupt nicht. Dieser war zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht in der Zuflucht, sondern wie alle anderen mit delikateren Aufträgen unterwegs. Es war Vilkas erstes Mal mit einer Frau Beischlaf zu erfahren. Er wollte sich das nicht anmerken lassen, aber seine ungestüme Art verriet ihn. Astrid dagegen war eine erfahrene Frau – und das in jeder Hinsicht. Ihr Körper war hart und durchtrainiert, wie der einer

Kriegerin, dabei aber biegsam und geschmeidig. Und sie schmeckte bittersüß. Nach der ersten stürmischen Vereinigung, die selbst Astrid atemlos machte, zeigte sie Vilkas die Feinheiten eines langsamen Liebesaktes. Er war die ganze Nacht über bei ihr, doch sie hatten während dieser Zeit kaum ein Auge zugemacht. Höchstens um den Genuss, den der andere einem bereitete, noch mehr auszukosten. Astrid zeigte ihm all die verborgenen Stellen, die ein Mann berühren und liebkosen musste, um einer Frau die höchste Erfüllung zu bringen und Leidenschaften in ihr zu wecken, die selbst eine Jungfrau zu einer Hure machen würde. Vilkas war ein

gelehriger Schüler und Schüchternheit war nie ein Thema für ihn. Als es ihm gelang Astrid nach wiederholtem Male erneut in Ekstase zu versetzen, dass ihre heißeren Laute der Lust und ihr zuckendes Becken auch ihn abermals zum Höhepunkt führten, fühlte er sich zum ersten Mal, seit dem Tod seines Vaters, wieder halbwegs lebendig. So wurde er zu ihrem kleinen, schmutzigen Geheimnis. In der Zuflucht selbst kamen sie nicht mehr zusammen. Es waren viel mehr verborgene Waldstücke oder einfache Wirtszimmer, wenn sie auswärts übernachten mussten. Astrid achtete genau darauf, dass ihr Verhältnis vor den anderen verborgen

blieb. Und auch wenn Vilkas jugendlicher Körper diese Erlebnisse genoss, so begann Astrids Kaltblütigkeit ihn dennoch immer mehr abzustoßen. Auch die Doppelmoral der Assassinen machte ihm zu schaffen. Nach den Monaten, die er bereits bei ihnen war, ließ der Schock über den Tod seines Vaters, den er verschuldet hatte, langsam nach. Seine Selbstanklagen wurden mit der Zeit leiser und sein von Grund auf ehrenhaftes Wesen ließ sich nicht mehr täuschen. Vor allem, da er mehr Einblick in die Aufträge bekam, die Frauen oder Männern aus nichtigsten Gründen das Leben kostete, nur weil die Auftraggeber das Ritual vollzogen hatten und gut

zahlten. Ihn stieß auch die Gnadenlosigkeit ab die Astrid – und wohl jeder in der Assassinen Gilde – an den Tag legte. Sie tötete auch ohne Skrupel Leute, die zufällig zu einem Mord hinzukamen. Wie das eine Mal, als die ältliche Magd des Opfers unmittelbar nach der Tat in das Zimmer ihres Herrn trat. Es hätte genügt die alte Frau bewusstlos zu schlagen. So gut getarnt wie sie arbeiteten, hätte niemand sie wieder erkennen können. Doch Astrid dachte nicht eine Sekunde nach, als sie der Magd ihren Dolch ins Herz stieß. „Eine Seele mehr für Sithis“, flüsterte sie dabei nur. Vilkas spürte, wie sich alles in ihm

dagegen sträubte. Er hatte zwar schon die Tätowierungen erhalten, die als Vorritual für die Aufnahme in die Gilde der Assassinen eingebrannt wurden. Doch bei jedem weiteren Mord, den er beging, lehnte sich sein Inneres immer heftiger dagegen auf. Die endgültige Umkehr kam, als er seinen ersten alleinigen Auftrag erhielt, mit dem er sich vor Sithis beweisen sollte, um endlich als Mitglied der dunklen Bruderschaft aufgenommen zu werden. Der reiche Besitzer der Hönigbräu-Brauerei und dessen Familie sollte getötet werden. Und wieder wurde betont welche Schandtaten die Opfer sich zu Schulden kommen lassen haben, um

den Tod zu verdienen. Doch Vilkas war sich sicher: hier ging es einfach nur um Bereicherung. Der Bruder des Eigentümers war der Auftraggeber, der auf diese Weise zu den Besitztümern gelangen wollte. Den Aussagen von Astrid, dass der Besitzer seine Arbeiter schinden würde, glaubte Vilkas mittlerweile nicht mehr. Vor allem, da die Familie, die ebenfalls sterben sollte, sicher nichts damit zu tun hatte. Vilkas hatte das Gefühl, als wäre er endlich aufgewacht. Aufgewacht aus dem Irrsinn, in den ihn seine Selbstanklagen und jugendliche Unreife geführt hatten. Vilkas spürte, dass er an einem Wendepunkt angekommen war. Wenn er

den Auftrag durchziehen würde, würde er sein Herz und sein Gewissen endgültig vernichten. Er dachte zwar, dass er es als Vatermörder nicht anders verdient hätte, doch andererseits konnte er nicht weiter gegen seinen ureigenen Gerechtigkeitssinn handeln. Was immer das auch für Konsequenzen für ihn nachziehen würde. Aber so weitermachen war ihm nicht mehr möglich. Ohne sich etwas anmerken zu lassen ritt Vilkas bis in die Nähe seines Ziels. Eigentlich wäre es für ihn ein Leichtes gewesen sich unbemerkt aus dem Staub zu machen. Er hatte noch keinen Eid geleistet und niemand von den Assassinen wusste woher er kam.

Darüber hatte er sich immer bedeckt gehalten. Aber, da er sich bereits entschieden hatte auszusteigen, konnte er nicht die Augen vor dem Unrecht schließen. Er wollte die Familie vorher noch warnen. Auf gewohnt vorsichtige Weise näherte er sich in der Nacht dem Anwesen. An den beiden Wachen, die davor patrouillierten, schlich er ohne Mühe vorbei. Lautlos erklomm er die Hausmauer und ließ sich dann auf dem Balkon nieder. Angestrengt lauschte er, doch die Bewohner waren bereits zu Bett gegangen. Der Rest war ein Kinderspiel. Ein halboffenes Fenster erleichterte ihm das Eindringen in das Haus. Der große

Nord streckte sich, als er hindurchgeklettert war. Es schien, als wäre er in den letzten Monaten noch um ein weiteres Stück gewachsen. Vilkas fühlte sich jedenfalls erleichtert wie schon lange nicht mehr. Er spürte, dass er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Richtige tat. So schlich er weiter in den Gang hinaus und von dort aus in das Schlafgemach des Ehepaares. Zu seinem Erstaunen waren die beiden noch jung. Sie hatten sich sicherlich nichts zuschulden kommen lassen. Und schon gar nicht das Kind, das in der Wiege neben dem Bett der Eltern schlief. Wenn sich einer etwas zu Schulden kommen hatte lassen, dann der

missgünstige Bruder, der den Mord in Auftrag gegeben hatte. Was auch immer die dunkle Bruderschaft einmal gewesen war, welche zwielichtige Moral sie auch besessen haben mochte, jetzt war davon überhaupt nichts mehr zu spüren. Es galt nur das Recht des Zahlenden. Wenn Vilkas daran dachte, dass er selbst diesem Wahnsinn gedient hatte, wurde ihm übel. Er hatte wirklich mehr schreckliche Taten auf seine Seele geladen als diese überhaupt tragen konnte. Dass er das jemals wieder gut machen konnte, daran zweifelte er. Er würde in die Hölle kommen, so viel stand fest. Bis dahin konnte er nur darauf achten, wenigstens den Rest seines

Lebens so aufrecht und ehrenhaft wie möglich zu verbringen. Leise trat Vilkas zu dem Mann und schüttelte ihn. Als er erwachte, hielt er ihm den Mund zu, um ihn am Schreien zu hindern. „Seid still“, flüsterte er. „Ich tu Euch nichts. Im Gegenteil. Ich bin gekommen, um Euch zu warnen.“ Als er sah, dass der Mann seine Worte erfasst hatte und nickte, nahm er seine Hand von dessen Mund. „Wer seid Ihr?“, fragte der Besitzer der Honigbräu-Brauerei. „Ein ehemaliger Assassine“, sagte Vilkas. Die Augen des Mannes wurden groß. „Wir wurden von Eurem Bruder

beauftragt, Euch und Eure Familie zu töten.“ Ein entsetztes Keuchen drang aus der Kehle des Mannes, als er Vilkas Worte vernahm. „Mein eigener Bruder?“ Mühsam brachte der verstörte Mann die Worte über die Lippen. „Aber… aber… ich habe ihm nie etwas getan!“ Fieberhaft versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen. „Oder ist es, weil unschöne Worte fielen, als er versuchte meiner Frau nachzustellen?“ „Ich kenne den Grund nicht“, antwortete Vilkas. „Und ich werde Euch auch nichts tun. Doch bringt Euch in Sicherheit. Die anderen der Gilde werden sicher noch versuchen den Auftrag auszuführen.“ „Darauf kannst du Gift nehmen,

Verräter!“ Astrids Stimme ließ Vilkas vor Schreck auffahren. Dass sie ihm gefolgt war, damit hatte er nicht gerechnet. Und ihre unnachahmliche Lautlosigkeit, hatte sogar den Werwolf in ihm täuschen können. Er hatte einen groben Fehler gemacht sie zu unterschätzen. So schnell es ihm möglich war fuhr Vilkas herum und stürzte sich auf die Assassine. Doch Astrid war eine gefährliche Gegnerin. Sie war auf seine Reaktion vorbereitet. Es blitzte kurz auf und Vilkas wurde von ihrem magischen Angriff gegen die Wand geschleudert, an der er langsam herabglitt. Er war nicht mehr fähig einen Finger zu rühren. Astrids Lähmungszauber war einer der

stärksten, den er je kennengelernt hatte. Der Mann, den Vilkas geweckt hatte, versuchte nun seinerseits Astrid anzugreifen. Doch für die erfahrene Assassine, war er viel zu langsam. Bevor er ihr noch näher als fünf Schritte kommen konnte, hatte er bereits ihren Dolch in der Brust. Seine Frau, die soeben orientierungslos aufwachte, starb kurz darauf. Mit einer geschmeidigen Bewegung war Astrid an ihrer Seite und schnitt ihr in einem Zug die Kehle durch. Das alles vollzog sich so gut wie vollkommen lautlos. Vilkas lehnte gelähmt an der Wand und musste alles mitansehen. Er glaubte zu ersticken an seinem Zorn und der

Hilflosigkeit, mit der er nun zusehen musste, wie Astrid die Leute vor seinen Augen tötete. Von der Wut über seine eigene Dummheit ganz zu schweigen. Astrid näherte sich ihm. „Du hast wirklich geglaubt, du kannst damit durchkommen?“, fragte sie ihn. „Ich hatte schon lange das Gefühl, dass du nicht die nötige Lust am Töten in dir hast, um ein guter Assassine zu werden. Talent alleine ist nicht genug.“ Sie trat nahe an ihn heran, legte ihre behandschuhte Hand unter sein Kinn und hob sein Gesicht zu sich hoch. Voller Hass funkelte Vilkas sie an. Seine Augen waren das Einzige, das er noch bewegen konnte. Doch Astrid erheiterte sich nur

an seinem Zorn. „Was für eine Verschwendung. So ein gutaussehender Bursche!“ Sie seufzte theatralisch. „Ich hatte wirklich meinen Spaß mit dir im Bett. Aber da kann man nichts machen.“ Zärtlich fuhr sie über seine Lippen. „Du wirst natürlich deine Strafe bekommen, mein Lieber. Niemand darf ungestraft mit Astrid sein Spiel spielen. Auch wenn es bei dir aus Dummheit und Selbstüberschätzung geschah.“ Ein gemeines Lächeln zog über ihr Antlitz. „Und ich weiß auch schon womit ich dich strafen kann, dich mit deiner lächerlichen Ehrenhaftigkeit! Außerdem gehört das sowieso zum

Auftrag!“ Glucksend lachte sie, dann ging sie zur Wiege, in der das Kleinkind leise zu quengeln begonnen hatte. Ohne jedes Gefühl nahm sie das Kind heraus und hielt es Vilkas vor die Nase. „Na, wie ist das? Zusehen zu müssen und absolut nichts dagegen tun zu können?“, fragte sie voller Belustigung. In Vilkas tobte alles. Dieses Monster würde doch nicht wirklich ein unschuldiges Kind umbringen? Er hatte geglaubt Kinder seien unantastbar. Selbst Meuchelmörder mussten Regeln haben! Dick traten seine Adern hervor, so sehr kämpfte er, um die Lähmung zu überwinden, doch es war hoffnungslos.

Astrid lächelte nur vor Vorfreude. Ihr diabolisches Grinsen ließ in Vilkas Übelkeit aufsteigen. Seine Wolfsbestie war ein Kuscheltier im Vergleich mit diesem menschlichen Abschaum. Vilkas brüllte wie noch nie in seinem Leben, doch durch die Lähmung kam kein Ton über seine Lippen. Voller Grauen musste er mit ansehen, wie dieses Scheusal in Menschengestalt den jetzt weinenden und sich windenden Jungen den Dolch ansetzte und langsam durchzog. Das Kreischen des unschuldigen Kindes in Todesangst würde Vilkas in seinem ganzen Leben nie wieder vergessen können. Wahrscheinlich war es dieses Erlebnis, das in Vilkas endgültig etwas

zerbrechen ließ. Schließlich warf Astrid den leblosen Körper des Kleinkindes zu Boden. Es fiel direkt neben Vilkas Beine. Dann legte sie noch den Dolch in seine gelähmten Finger. „Sie werden dich dafür köpfen, mein Lieber, wenn sie dich nicht vorher erschlagen. Aber bis dahin, wirst du mit dem Entsetzen des Kindsmordes leben müssen.“ Das Kreischen des Kleinen war nicht ungehört geblieben. Man vernahm bereits wie die Wachen das Haus betraten und fragten, ob alles in Ordnung sei. Da natürlich keine Antwort kam, näherten sich die Schritte. Mit einem eleganten Schwung kletterte Astrid aus dem

Fenster und entschwand in der Nacht. Nicht ohne Vilkas noch einen angedeuteten, spöttischen Kuss zuzuwerfen. Vilkas Augen brannten. Sein ganzes Sein brannte und loderte. In seiner Abscheu und seinem Hass glaubte er zu verglühen. Doch er konnte nichts tun. Diese Hilflosigkeit, raubte ihm fast den Verstand. Er musste zusehen wie sie entschwand. Kaum war sie draußen, als auch schon die Tür aufgerissen wurde und die erste Wache den Raum betrat. Der entsetzte Schrei des Mannes weckte das gesamte Haus. In kurzer Zeit waren auch die beiden Mägde im Raum und ihr Heulen und Wehklagen durchdrang die Nacht.

Vilkas selbst wurde hochgerissen und brutal gefesselt. Es hagelte Tritte und Prügel. Die Wachen ließen ihre ganze Abscheu an ihm aus. Da er auch die Assassinen Rüstung mitsamt der Gesichtsmaske trug, gab es für sie keine Frage, wer für den Tod der Familie verantwortlich war. Dass er gelähmt war und sich nicht rühren konnte, entging ihnen in ihrem Entsetzen, oder sie wollten es einfach nicht sehen. Vilkas wurde schließlich die Treppen herunter geschliffen. Langsam ließ die Lähmung nach, doch er wartete noch ein wenig, bis sie gänzlich von ihm gewichen war. Die Wachen, die wohl glaubten, dass er durch ihre Tritte

bewusstlos, wenn nicht bereits gar tot war, warfen ihn draußen achtlos gegen einen Holzstapel. In ihren Augen war er keine Gefahr mehr, so gefesselt und zusammengeschlagen, wie er war. Doch in Vilkas loderte Hass und Zorn, wie er ihn bis dahin noch nie kennen gelernt hatte. Das brennende Verlangen Astrid und die gesamte Brut der Meuchelmörder umbringen zu wollen war alles, was ihn beherrschte. Die Wolfsbestie, die er so lange unterdrückt hatte, brach endgültig hervor. Für den Werwolf waren die Fesseln, die er angelegt bekommen hatte, kein Hindernis. Die Seile rissen bereits während der Verwandlung. Und bevor die

Wachen noch mitbekamen was geschehen war, war Vilkas mit zwei mächtigen Sätzen im Wald verschwunden. Sein Körper schmerzte und er blutete aus zahlreichen Wunden, doch in seinem bitteren Hass bekam er das nicht mit. Astrids Geruch zu verfolgen war im Moment alles, was für ihn zählte. Er hatte die Assassine im Nu eingeholt. Er war so schnell, dass das kurze Aufblitzen des Entsetzens in ihren Augen alles war, was Vilkas noch sehen konnte, bevor er ihr Antlitz mit nur einem Prankenschlag zerfetzte. Er wusste auch nicht mehr was weiter geschehen war, doch als er fertig war, war die blutige Masse auseinandergerissenen Fleisches

und zermalmter Knochen, mit ein paar zerrissenen Rüstungs- und Kleidungsstücken alles, was von ihr übrig geblieben war. Vilkas verspürte nicht einen Moment der Reue, als er sich langsam zurück verwandelte und auf die blutigen Reste blickte. Es war ganz anders als bei seinen Morden, die er für die dunkle Bruderschaft ausgeführt hatte. Auch wenn er so nüchtern und emotionslos wie nur möglich gearbeitet hatte, hatte er immer leise Zweifel in sich gespürt, die mit jedem weiteren Mord anwuchsen. Hier jedoch hatte er das Gefühl endlich etwas getan zu haben, das er schon längst hätte tun sollen. Und obwohl Astrid jetzt

tot und zerrissen vor ihm lag, fühlte Vilkas immer noch grenzenlose Abscheu in sich. Dass er so lange dieser Person gefolgt war, Morde für sie vollzogen hatte und sogar noch körperliches Vergnügen mit ihr geteilt hatte, war etwas, das er auch durch ihren Tod nicht aus sich herausbrachte. Wahrscheinlich würde das nie der Fall sein. Ihr Tod war nur ein Schlussstrich, aber keine Absolution. Es war damit auch lange noch nicht vorbei. Vilkas Zorn tobte immer noch in ihm und das Verlangen, die ganze Sippe der dunklen Bruderschaft, die auch vor Kindermorden nicht zurück schreckte, zu eliminieren, trieb ihn unaufhaltsam

weiter. Astrids Überreste ließ er einfach liegen und stürmte zur Zuflucht der Assassinen. Sollten sich die Aasfresser um ihre Reste kümmern. Es war immer noch Nacht, als er bei der Zuflucht ankam. Da er die Parole kannte, kam er ungehindert in das Innere. Außer ihm und Astrid waren alle Gildenmitglieder da und die meisten von ihnen schliefen in ihren Betten. Vilkas stürmte ohne Gnade durch die Kammern. Er brachte alle Assassinen innerhalb kürzester Zeit um. Er tötete mit allem, was ihm gerade in die Hände fiel. Dolch, Schwert, Knüppel, alles war ihm Recht. Wie ein Rachegott fegte er durch die Zuflucht und ließ keinen Gegenstand auf

dem anderen. Er wütete ohne nachzudenken. Das ging solange, bis plötzlich Arnbjorn mit fassungslosem Gesichtsausdruck aus der Schmiede, die im hintersten Bereich der Zuflucht lag, auftauchte. Das brachte auch Vilkas wieder ein wenig zur Vernunft, doch sein Zorn war immer noch nicht versiegt. In seinem Wüten war Vilkas auch gar nicht aufgefallen, dass Astrids Ehemann nicht in seinem Bett lag. Doch auch hier, dachte er nicht weiter darüber nach sondern schleuderte seinen Dolch nach dem Mann. Mühelos wich der Assassine aus, während Vilkas sich anschickte nun selbst mit einem anderen Dolch auf ihn loszustürmen. Mitten in der Bewegung

hielt er jedoch inne. Arnbjorn verwandelte sich vor seinen Augen in einen Werwolf. Damit hatte Vilkas nicht gerechnet, obwohl im sofort Skjors Geschichte einfiel, die er ihnen über einen abtrünnigen Gefährten erzählt hatte. Angeblich hatte dieser das Rudel verlassen, weil es ihm zu wenig blutrünstig war. Vilkas hätte nie gedacht in Arnbjorn diesem Abtrünnigen auch wirklich zu begegnen. Er schnaubte verächtlich. Kein Wunder, dass sich diese Bestie hier bei diesen Meuchelmördern wohlfühlte. Jetzt verstand er auch, wieso Arnbjorn mit Astrid, dem größten aller Scheusale, überhaupt verheiratet sein konnte.

Der große Werwolf fletschte triumphierend die Zähne. Er wähnte in Vilkas eine leichte Beute und obwohl Vilkas bereits angeschlagen war, versuchte er ruhig zu bleiben. Die einzige Chance, die er gegen den ausgewachsenen Werwolf hatte, war die Überraschung. Keiner der Gruppe wusste, dass Vilkas ein Werwolf war. So wartete er bis Arnbjorns Augen aufblitzten und er einen Sprung auf ihn zumachte. Augenblicklich verwandelte er sich ebenfalls und wich auf die Seite aus, während sein Prankenhieb Arnbjorn tief in die empfindliche Flanke traf. Sein Überraschungsmoment war aufgegangen.

Jaulend taumelte der größere Werwolf nach hinten, während Vilkas sofort nachsetzte. Mit einem Biss riss er Arnbjorn die Kehle auf, doch er erwischte nur die Seite. Der große Werwolf war noch nicht erledigt. Das bekam Vilkas auch sofort zu spüren, als dessen Pranke ihn am Oberschenkel traf. Die Verletzung war nicht tief, schmerzte aber höllisch und ließ ihn taumeln. Mit einem tiefen Knurren sprang der Ältere über ihn und wollte nun seinerseits Vilkas Kehle durchbeißen. Doch die antrainierte Geschmeidigkeit kam Vilkas nun zu Gute. Bevor Arnbjorn auf ihm landen konnte, zog Vilkas schnell seine Hinterläufe an und rammte

sie dem Größeren mit aller Gewalt in den Bauch. Das hohe Winseln, das Arnbjorn ausstieß, zeigte Vilkas, dass er ihn empfindlich getroffen hatte. So schnell er konnte setzte er nach und biss Arnbjorns Kehle nun endgültig durch. Dann taumelte er nach hinten und verwandelte sich noch im Fallen wieder zurück. Mühsam versuchte Vilkas Luft zu bekommen. Das war mehr als knapp gewesen. Mit diesem Kampf hatte er nicht gerechnet. Es hätte schlimm ausgehen können. Diesmal hatte er aber Glück und auch die Überraschung auf seiner Seite. Ansonsten hätte er keine Chance gegen diesen alten,

ausgewachsenen Werwolf gehabt. Die Blutlache, in der der wieder zurückverwandelte Arnbjorn lag, breitete sich immer weiter aus. Bevor sie ihn erreichen konnte, sprang Vilkas auf. Keuchend lehnte er sich an einen der wenigen Tische, die noch standen. Langsam spürte er, wie der Zorn von ihm wich und totale Erschöpfung sich in ihm ausdehnte. Zitternd griff er sich an seinen blutenden Kopf, den einige Platzwunden zierten. Jetzt begann er die Schmerzen zu spüren, welche die Tritte und Schläge der Wachen angerichtet hatten. Einige Rippen waren sicherlich angeknackst. Vilkas bekam kaum Luft. Taumelnd verließ er den Raum, in dem er

den letzten Assassinen getötet hatte. Irgendwo gab es ein paar Heiltränke. Vilkas hoffte, dass er in seiner Raserei nicht auch dieses Regal umgestoßen hatte. Verwüstung war aber alles, was ihm entgegensah. Unzählige zerbrochene Flaschen mit sämtlichen Tinkturen lagen über den gesamten Boden des Raumes verstreut. Mitten unter ihnen lag die Leiche eines weiteren Gildenmitgliedes. Vilkas konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie er diesen getötet hatte. Aber dass er tot war, daran gab es keinen Zweifel, so verrenkt, wie seine Glieder und sein Kopf vom Rumpf abstanden. Vilkas wollte sich auch schon enttäuscht abwenden, da entdeckte er doch noch ein

unversehrtes Fläschchen. Es war nur ein leichter Heiltrank, aber dieser half ihm die ärgsten Schmerzen und Verletzungen zu heilen. Der Rest der Geschichte war unspektakulär. Von Skjor wusste Vilkas, dass der Penitus Oculatus Orden eine hohe Belohnung auf Hinweise oder gar die Ausrottung dieser Assassinen Gilde ausgesetzt hatte. Nicht, dass er sich bereichern wollte, aber seine Taten waren sogar vom Gesetz her gedeckt. Vilkas ließ alles in der Zuflucht wie es war. Seine Assassinen Rüstung schmiss er ebenfalls in den Haufen der Verwüstung. Nur mit seinem alten, bereits zerlumpten Gewand, mit dem er

von zu Hause weggelaufen war, ritt er nach Drachenbrügge und berichtete dem zuständigen Kommandant des Ordens von den Geschehnissen. Bei ihm wurde Vilkas auch vollständig geheilt. Danach brach er wieder nach Weißlauf auf. Genauso, wie er vor einem halben Jahr von dort weggelaufen war. Ohne Waffen, ohne Pferd, nur noch zerlumpter und weitaus mitgenommener. Er dachte nicht daran, dass sein Bruder ihm vergeben könnte, doch er wusste nicht, wohin er sonst gehen sollte. Außerdem spürte er die tiefe Verbundenheit zu seinem Zwilling, die ihn unweigerlich zu Farkas zog. Vilkas schüttelte den Kopf, als er sich

daran erinnerte, wie er nach Weißlauf kam. Das alte Haus, in dem sie gewohnt hatten, war leer. Etwas unsicher sah er sich darin um, als plötzlich die Türen aufflogen und Farkas hereingestürmt kam. Sein Zwilling musste gespürt haben, dass er wieder heimgekommen war. Farkas sprach kein Wort, sondern riss Vilkas in seine Arme. Und obwohl Vilkas glaubte, dass seine Erlebnisse alles in ihm abgetötet hatten, spürte er Wärme in sich aufsteigen, als sein Bruder ihn so vorbehaltlos wieder aufnahm. Er hatte nicht damit gerechnet das noch tun zu können, doch die Vertrautheit und Einheit, die sie von Kindesbeinen an geteilt hatten, setzte

sich durch. All seine tief vergrabenen Emotionen brachen hervor und Vilkas ließ sich in die Umarmung fallen und erwiderte sie seinerseits genauso stürmisch. Die Welt hatte ihn tatsächlich wieder. Zwar mit tiefen Wunden und Malen an Leib und Seele, doch er war wieder zurückgekommen und bereit, sich erneut dem Leben zu stellen. Eine schwere Hand legte sich auf Vilkas Schulter und brachte ihn aus dem Strudel seiner Erinnerungen. Das ewige, unveränderlich graue Licht, das Hircines Ebene beherrschte, drang allmählich wieder in sein Bewusstsein. Das und natürlich der Grund, weshalb er hier war: er musste den Durchgang finden, der

nach Sovngarde führte. Vilkas richtete sich auf und blickte zu dem großen Mann, der auf ihn zugekommen war. „Nimm es nicht so tragisch“, murmelte Skjor. „Astrid kann furchtbar sein, wenn sie sich in jemanden verguckt hat, aber sie ist eine der besten Späherinnen im Rudel. Wenn sie ein Wolf wäre, wüsste ich nicht, wer von uns das Rudel leiten würde.“ Vilkas glaubte ihm das sofort. „Komm mit“, fügte Skjor an. „Ich kam ja um dich zum Essen zu holen! Die Hirschkuh ist durch und wird gerade aufgeteilt.“ Jetzt drang der Geruch des gebratenen Fleisches auch in Vilkas Nase. Es roch verführerisch und sofort meldete sich

begehrlich sein Magen. Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf sein Antlitz und Skjor klopfte ihm nochmals auf den Rücken. „Na siehst du, alles halb so schlimm hier. Nach dem Mahl pflegen wir meist eine Ruhepause einzulegen. Wir brauchen zwar keinen Schlaf, doch ein wenig Ruhe in einem privaten Zelt, gönnt sich hier ein jeder!“ Vielsagend blickte der Rudelführer auf Vilkas. Vilkas verstand schon worauf Skjor anspielte, aber es war ihm ganz Recht. Diese Gepflogenheiten würden ihm zu Schlaf verhelfen, auch wenn seine Wolfsbestie ihm nur einen sehr leichten gönnte. Es tat auch gut sich wieder mit den Gegebenheiten, die hier auf Hircines

Ebene der ewigen Jagdgründe abspielten, zu befassen. Dadurch konnten die schrecklichen Bilder der Vergangenheit allmählich wieder in der Versenkung verschwinden, wo sie auch hingehörten. Was auch immer damals geschehen war, es war vorbei. Er hatte den Weg zurück gefunden. Und auch wenn Vilkas geglaubt hatte, nie wieder zu hoffnungsvollen Gefühlen und einer freudigen Einstellung dem Leben gegenüber zu kommen, hatte ihn Hana eines Besseren belehren können. Allein der Gedanke an die junge Frau, die es geschafft hatte zu ihm durchzudringen und längst verloren geglaubte Gefühle wieder zu wecken,

zauberte ein sanftes Lächeln auf seine Züge. Und nicht nur das. Seine Entschlossenheit den Durchgang zu finden und wieder zu ihr zurück zu kehren, zu einem Leben an ihrer Seite, kam mit aller Stärke in ihm durch. Er würde für Astrid keinen Blick mehr vergeuden. Auch vertraute er auf Skjors rechtschaffenden Charakter, der solche Auswüchse der Grausamkeit niemals dulden würde. Noch dazu gab es auf dieser Ebene bestimmte Gesetze, wie er vernommen hatte. Meuchelmord wurde nicht geduldet. Nach Jörgens Meinung wurden Verstöße gegen dieses Gesetz sogar so geahndet, dass Hircine die Seelen dieser Leute an andere

Daedrafürsten weiterverschacherte. Dieser Gedanke brachte Vilkas zum Schmunzeln und mit raschen Schritten folgte er dem Leitwolf des Rudels zum Feuer. Skjor drängte Vilkas dichter an das Feuer heran und eine der Sklavinnen händigte ihm einen Teller voll beladen mit frisch gebratenem Fleisch und dickem Eintopf aus. Er danke und setzte sich auf einen freien Platz. Es gab nicht nur Sitzsteine, auch zwei Tische mit Sesseln standen in der Nähe. Vilkas setzte sich zu einem der Tische, an dem bereits drei Männer und eine Frau saßen. Zum Glück waren ihm alle völlig unbekannt. Er hatte genug von all den Überraschungen die ihm hier

begegneten. Außerdem war die Aussicht darauf, vielleicht in Astrids Nähe zu kommen, einfach unerträglich. Auch Jörgen und Aela zu beobachten, war etwas, das ihm immer noch schwer zu schaffen machte. Dagegen war der Anblick von Lydia nur halb so schlimm, wie er mittlerweile fand. Während er aß beobachtete er das Treiben rund um das Feuer. Lydia, die er nur als abweisende Schreckschraube kennen gelernt hatte, war jetzt tatsächlich ein direkt liebevoller Anblick. Sie war natürlich ebenfalls viel jünger, als er sie in Erinnerung hatte und sah beinahe wie Lavinia aus. Das gab ihm einen kurzen Stich im Herzen, aber

zumindest verstand er nun Skjors Leidenschaft für sie. Zu Lebzeiten war Lydia viel zu verbittert, um trotz ihres ansehnlichen Äußeren, anziehend zu wirken. Diesbezüglich war es wohl wirklich gnädig sich nicht mehr an alles erinnern zu können. Lydia wirkte unbeschwert und tatsächlich schwer verliebt in Skjor. Die Gesellschaft der Fremden am Tisch war angenehm und langsam entwickelte sich ein belangloses Gespräch, dem sich Vilkas anschloss. Jedenfalls so lange, bis er ein Huschen wahrnahm, das zwischen den Zelten zu sehen war. Die kleine Gestalt und die roten Haare, ließen ihn sofort an das Kind denken. Als er sie

dann innehalten und zum Feuer blicken sah, winkte er sie zu sich. „Was tust du?“, fragte ihn einer der Männer, der ebenfalls ein Werwolf war, fassungslos. „Das Kind bringt Unglück.“ „Wer sagt das?“, fragte Vilkas. Der Mann zuckte die Schultern. „Das weiß man. Kinder haben hier nichts verloren. Sie gehören zurück zu Akatosh. So einfach ist das.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, was das mit Unglück zu tun hat?“ Gelangweilt deutete Vilkas auf die Fässer. „Soweit ich sehe, habt ihr bis jetzt sogar sehr viel Glück bei den Jagden gehabt, oder?“ Dem Mann war das sichtlich unangenehm. Vilkas Worte entbehrten

nicht der Logik, dennoch sah man ihm an, dass ihm die Anwesenheit des Kindes nicht behagte. Schon gar nicht, als es Vilkas Wink folgte und zu ihm kam. „Na, Kleine?“, fragte Vilkas das Mädchen. „Hunger?“ Dabei schob er ihr seinen Teller hin. Die Sklavin hatte ihm mehr als reichlich gegeben. Er konnte davon so einiges entbehren. Abgesehen davon würde er sich sicherlich noch etwas nachholen können. Die Kleine nickte begeistert und kletterte neben ihn auf einen Sessel. Dann stürzte sie sich über die Mahlzeit. Die anderen, die am Tisch saßen, erhoben sich. „Wie kannst du ihre Nähe nur aushalten?“, fragte der Mann ungläubig. „Sie gehört

nicht hierher. Ihre Anwesenheit ist wie ein unerträgliches Jucken unter der Haut.“ „Wahrscheinlich hält er das aus, weil er noch nicht lange genug da ist“, meinte die Frau, die mit den anderen am Tisch gesessen war. In kürzester Zeit war Vilkas mit dem Kind alleine. Ihn störte das nicht. Außerdem interessierte ihn die Kleine. Ihre Anwesenheit zeigte, dass etwas mit Hircines Ebene scheinbar nicht in Ordnung war. Oder mit dem Kind. Was es auch war, es interessierte ihn und er wollte es unbedingt herausfinden. „Danke“, murmelte das Mädchen und strahlte ihn an. „Du bist wirklich schön

‚warm‘. Wenn auch nicht ganz so toll wie mein Papa.“ „Wer ist denn dein Papa?“, fragte Vilkas. „Ist er vielleicht auch hier?“ Traurig schüttelte sie den Kopf. „Nein. Nur Mama.“ Sie zeigte mit ihrem Finger auf das Feuer. „Dort sitzt sie, direkt neben Jörgen.“ Vilkas folgte mit seinem Blick ihrem ausgetreckten Finger. Er wusste nicht, wen er erwartet hatte, wahrscheinlich alle bis auf Astrid. Aber auch die Frau, die neben Jörgen saß, und die das Kind als seine Mutter bezeichnete, war ein Schock für Vilkas. Aela! Das Kind zeigte unmissverständlich auf Aela. Die Gabel, die er noch in seiner Hand hielt, entfiel

seinem kraftlosen Halt. „Aela?“, fragte er. „Deine… deine Mutter ist tatsächlich Aela?“ Heftig nickte das Kind. Doch diese Bestätigung war für Vilkas eigentlich nicht mehr nötig. Diese innere Berührung, die er schon bei ihrem ersten Treffen gespürt hatte, war für ihn Indiz genug. Eigentlich hätte er es da schon ahnen müssen. Die roten Haare, die unmissverständlich hellen, grauen Augen… Dieses Kind war unverkennbar Farkas und Aelas Kleine. Er wusste zwar nicht wie das möglich war, aber für ihn bestand kein Zweifel mehr, dass er tatsächlich neben seiner Nichte saß.

27 alte freunde

Das Stöhnen der Kranken und Leidenden lag wie ein stetes Flüstern in den Hallen des Kynareth-Tempels. Immer mehr Hilfesuchende fanden den Weg hierher. Schon früher galt dieser Tempel als besonderer Anlaufpunkt, selbst für schwerste Verwundungen und Krankheiten. Doch seit sich Hanas Heilerfolge herumgesprochen hatten, wurden langsam die Lager knapp, auf denen die Kranken ruhten. Hana saß neben einer Frau, welche ähnliche Symptome wie Setha aufwies. Nur waren die Nebenwirkungen auf den

Trank bei ihr weitaus schlimmer. Hilflos saß Hana an ihrem Lager und strich ihr über den Rücken während sie bereits Blut erbrach. Die Mägde Danicas, der Priesterin des Kynareth-Tempels, tauschten bereits zum zweiten Mal an diesem Tag die Eimer des Erbrochenen aus, welche neben dem Lager der Frau standen. „Ich versteh das nicht“, sprach Hana verzweifelt zu Arcadia, die sie bei diesem Fall um Rat gefragt hatte. „Zuerst hat sie so gut angesprochen, doch jetzt scheint es, als würde nicht die Krankheit sie umbringen, sondern der Trank.“ Völlig konzentriert untersuchte Arcadia die Kranke. Besonderes Augenmerk legte

sie dabei auf den Atem, die Haut und die Augen. Zweimal besah sie sich die Augäpfel, um ganz sicher zu gehen. Vor allem unter den Lidern. Dann winkte sie Hana zu sich. Ein wenig abseits teilte sie ihr dann ihre Eindrücke mit. „Mädchen“, sagte sie ernst. „Da kannst du nichts dafür. Ich habe mir ihre Augen angesehen. In ihnen steht der Tod bereits geschrieben. Wenn du so viele Kranke und Sterbende gesehen hättest wie ich, dann wüsstest du auch Bescheid.“ Hana traten Tränen in die Augen. „Dabei war ich schon so überzeugt von dem Trank!“, rief sie leise. „Selbst dem Bauer hat er geholfen, der das böse Fleisch auf der rechten Seite unter den Rippen hatte.

Mittlerweile steht er wieder auf den Feldern. Und er hat versprochen nicht mehr dem Met zuzusprechen, von dem wir wissen, dass er bei zu starkem Konsum solche unheilbaren Krankheiten hervorrufen kann.“ „Ja, Mädchen!“, sagte Arcadia gütig. „Doch Setha ist jung. Und selbst der Bauer ist in den mittleren Jahren.“ Hana nickte verstehend. „Genau!“, bekräftigte Arcadia. „Dein Trank hilft, doch um die Nebenwirkungen zu verkraften, braucht man, meiner Meinung nach, einen jungen oder zumindest noch kräftigen Körper, der noch nicht zu alt oder schwach ist.“ „Das klingt einleuchtend“, meinte Hana. „Dennoch würde ich ihr gerne

helfen.“ „Dann lindere ihr Leid und erleichtere ihren Weg zu den Göttern, wenn es so weit ist.“ Arcadia tätschelte Hanas Wange. „So, ich muss wieder gehen. Bleib auch nicht zu lange, es wird bald Abend.“ „Keine Sorge“, antwortete Hana. „Ich werde ihr statt dem Heiltrank gegen das ‚böse Fleisch‘, lieber noch einen schmerzstillenden Trank verabreichen. Ein paar habe ich hier im Tempel bereits gelagert.“ Arcadia verabschiedete sich und Hana eilte in einen kleinen Nebenraum, in dem bereits unzählige Tränke von ihr und von Arcadia in Regalen aufgereiht waren.

Danica, die Heilerin, stand ebenfalls im Raum und studierte Hanas Aufzeichnungen, die auf einem kleinen Tisch gesammelt wurden. Hana hatte bereits die Fläschchen in einem gut erkennbaren System geordnet und zu jedem Trank auf einem Blatt Papier auch noch dessen Namen und eine kurze Zusammenfassung der Wirkung aufgeschrieben. Es klappte auch ganz gut, nur bei nicht so häufig gebrauchten Substanzen konnte es schon vorkommen, dass Danica noch ein wenig stöbern musste. „Ah!“, rief die ältere Frau auch sofort, als sie Hana erspähte. „Gut, dass du kommst. Ich suche diesen speziellen

Trank, den Arcadia mir für Gebärende zubereitet hat. Und einen zur Beruhigung nehme ich ebenfalls gleich mit.“ „Der Trank für Gebärende steht dort links hinten“, deutete Hana und blickte Danica neugierig an. „Zu wem wurdest du gerufen?“ „Belethors Frau liegt in den Wehen. Er kam völlig aufgelöst vor einigen Minuten in den Tempel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es schon so weit ist. Aber ich sehe einmal nach ihr.“ Dann seufzte sie. „Das scheint heute eine lange Nacht zu werden.“ „Brauchst du Hilfe?“, bot sich Hana an, doch Danica winkte ab. „Nein“, erwiderte die Heilerin.

„Belethors Frau ist stark und gesund, außerdem sind meine beiden Novizen schon voll ausgebildet und können sehr gut alleine bei den Kranken bleiben. Nächste Woche werden sie auch zu Priestern geweiht. Dann kann ich weitere Novizen aufnehmen. Bei Kynareth, wenn die Hilfesuchenden weiter so zu uns strömen, haben wir es bitter nötig.“ Hana nickte. „Im Dibella-Tempel, in dem ich eine Zeitlang Unterschlupf fand, war nicht so viel los, wie bei dir. Und schon gar nicht so viele Kranke!“ Dann lachte sie. „Wie denn auch? Die meisten, die in den Tempel kamen, baten die Göttin um Jugend und Schönheit. Es gab auch einige Frauen wie mich, die schwanger

waren und nicht wussten wo sie hingehen konnten. Aber die meisten waren eben aus anderen Gründen dort.“ Danica schnaubte. „Das glaube ich gerne. Na, wenigstens haben sie sich dort auch der mittellosen Frauen angenommen. Es kommt eben immer auf die Hohepriesterin an, wie viel Wert auf Heilung und Mildtätigkeit gelegt wird.“ Sie packte schnell die Tränke in ihren Beutel, nickte Hana noch zu und eilte aus dem Tempel. An der Türe drehte sie sich noch um. „Bleib nicht zu lange, Mädchen, es dämmert schon!“, rief sie noch nach hinten, dann war sie endgültig draußen. Die Zeit im Tempel verging immer wie

im Flug. Es gab einfach zu viele, die Hilfe benötigten. Hana wäre auch froh, wenn bald neue Novizen ausgebildet werden würden. An Gold konnte es nicht mangeln, da die Geheilten in ihrer Dankbarkeit, immer ein hübsches Sümmchen daließen. Danica wollte davon auch Hana etwas abgeben, doch die Kaiserliche hatte sich zuerst dagegen gewehrt. Sie sah es als ihre Menschenplicht an. Dennoch hatte die ältere Frau recht. Davon konnte man nicht leben. So einigten sie sich darauf, dass Hana ein paar Septime für die Tränke bekam, die sie dem Tempel überließ. Arcadia hatte Hana ebenfalls angeboten,

bei ihr ins Geschäft einzusteigen. Einen Großteil ihrer Zeit verbrachte das Mädchen sowieso bei ihr und half ihr bei der Arbeit. Hana lächelte glücklich, während sie mit dem schmerzstillenden Trank zu der sterbenden Frau zurückkehrte. Was die Alchemie betraf, fühlte sie sich wohl, wie noch nie in ihrem Leben. Sie spürte aus tiefster Seele, dass sie hier ihre Bestimmung gefunden hatte. Hier wurde sie gebraucht und konnte mit Arcadia auch an weiteren Tränken experimentieren. Es musste nur die Sache mit den Vampiren ausgestanden werden und Vilkas wieder heil aus Oblivion zurückkehren, dann wäre alles perfekt.

Als sie an Vilkas dachte spürte Hana, wie sich die dunklen Sorgenwolken sofort verdichteten. Er fehlte ihr so sehr, dass es schon wehtat. Daran konnte weder der kleine Varis, der prächtig gedieh, noch die geliebte Arbeit etwas ändern. Ihre trüben Gedanken verflogen aber sehr bald. Es musste tatsächlich schon spät sein, denn sie merkte, wie das Licht, das durch die Fenster hereinkam, langsam düsterer wurde. Sie musste sich wirklich beeilen, wenn sie nicht wollte, dass Farkas oder Galen oder sonst jemand von den Gefährten ausgesandt wurde, um sie in der Nacht nicht alleine außerhalb von Jorrvaskr zu lassen. Außerdem hörte sie

wie Varis zum Greinen anfing. Der Kleine lag wohlverwahrt und gut eingepackt im Wohnbereich der Priesterin, im hinteren Teil des Tempels. Danica hatte ihr das angeboten, damit Hana ihn nicht mit zu den Kranken nehmen musste. Das Mädchen war sehr dankbar dafür, denn man konnte nie wissen, welche Krankheiten die Leute mitbrachten. So schnell sie konnte eilte sie zu der alten Frau, die noch immer krampfhaft würgte, obwohl gar nichts mehr in ihr war. Mitleidig setzte sich Hana zu ihr und half ihr den Kopf zumindest soweit zu heben, dass sie den schmerzstillenden Trank besser schlucken konnte. Die Frau

war schon sehr schwach. Zittrig lehnte sie an Hana. „Hier, trinkt das!“, sagte diese. „Das wird Euch helfen.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht begann die Frau schluckweise zu trinken. Einmal musste sie noch würgen, doch der Trank tat bald seine Wirkung und ihre Züge glätteten sich. Dankbar drückte sie Hanas Hand, als diese sie wieder auf das Strohkissen sinken ließ. „Ich muss kurz zu meinem Sohn, aber ich komme gleich wieder um nach Euch zu sehen!“, sagte Hana zu ihr. Die Frau nickte. „Ich danke Euch“, flüsterte sie. „Doch sagt mir die Wahrheit, Mädchen, es geht zu Ende, nicht wahr?“ Hana begann verzweifelt

ihre Finger zu kneten. Da legten sich die alten, faltigen Hände der Frau über ihre. „Ihr müsst Euch nicht quälen, wenn Ihr es mir nicht sagen könnt. Ich weiß es auch so.“ Langsam wurde ihre Stimme kräftiger beim Reden. Der schmerzstillende Trank schien seine Wirkung voll zu entfalten. „Kümmert Euch jetzt um Euren Sohn. Doch bitte ich Euch, kommt danach wieder zu mir. Ich… ich möchte nicht alleine… sterben.“ Flehentlich blickten ihre bereits trüben Augen auf Hana. Dem Mädchen liefen die Tränen herab. Dass es so schnell gehen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Aber Arcadia hatte ihr ja gesagt, dass bereits der Tod

in ihren Augen stand. Dennoch war sie geschockt. Und ausgerechnet jetzt war Danica nicht da und ihre beiden Priesteranwärter waren scheinbar ebenfalls nicht abkömmlich. Die Kaiserliche fühlte sich leicht überfordert. Doch sie würde den letzten Wunsch dieser Frau nicht abschlagen. „Natürlich!“, flüsterte Hana und drückte versichernd die Hände der Leidenden. Dann stand sie auf und eilte zu ihrem Kind. In einer Waschschale, die an allen Ein- und Ausgängen stand, reinigte sie sich gründlich und legte ihre Schürze ab, mit der sie bei den Kranken ihre Arbeit verrichtete. Erst danach ging sie in den

Wohnbereich. Der kommende Tod der Frau ging ihr nahe, dennoch streifte sie alles ab, als sie zu ihrem Kind lief. Varis hatte in seinem Protest bereits die Wolldecken von sich gestrampelt und brüllte voller Ärger. Sein rundes Gesichtchen war rot angelaufen und feine Schweißperlen bildeten sich bereits unter seinem beginnenden, blonden Haarflaum. Voller Liebe beugte sich Hana über ihn. Schon als Varis ihre beruhigenden Worte vernommen hatte, die sie an ihn richtete, als sie in die Kammer trat, hatte er mit dem Schreien aufgehört und verlangend mit den Ärmchen zu fuchteln begonnen. Hana lachte, hob ihn hoch und wiegte ihn beruhigend. Dann entblößte sie ihre

Brust und legte den Kleinen an, der sofort gierig zu saugen begann. In diesen Zeiten voller Sorge was Vilkas und ihre mögliche Schwangerschaft betraf, war Varis für sie der Halt, der ihr half, nicht auseinanderzubrechen. So auch jetzt. Während er trank, küsste sie seine Stirn und strich ihm über seine zarten Wangen. Wohlig fasste er mit seinen kleinen Händen nach ihren Fingern und trank zufrieden weiter. Als der Kleine gesättigt war, wickelte ihn Hana in frische Laken und herzte ihn, bevor sie ihn wieder in die Wiege legte. Varis protestierte. Er wollte lieber weiter von seiner Mutter getragen und liebkost werden, doch Hana dachte an die

sterbende Frau. Sie hauchte einen schnellen Kuss auf seine Stupsnase und eilte wieder aus der Kammer. Als sie an das Lager der alten Frau herantrat, glaubte sie, dass diese bereits verstorben war, so still lag sie da. Hana sah jetzt ebenfalls die Anzeichen, von denen Arcadia gesprochen hatte. Sämtliches Blut schien bereits aus dem Antlitz der Sterbenden gewichen zu sein, so wächsern sah ihre Haut aus. Doch die Frau schlug nochmals die Augen auf, als sie Hanas Nähe spürte. Dankbar seufzte sie auf und die Kaiserliche eilte sofort an ihre Seite. „Danke, dass ihr gekommen seid“, sprach sie leise. Ihr Atem ging stoßweise und

unregelmäßig. Man hatte das Gefühl, dass ihr das Luftholen schon sehr schwer fiel. „Braucht Ihr noch einen schmerzstillenden Trank?“, fragte Hana hilfsbereit, doch die Frau schüttelte ganz leicht den Kopf. „Nein. Ich habe keine Schmerzen mehr. Ich fühle mich nur sehr müde und das Atmen wird immer schwerer.“ Ihre trüben Augen blickten unfokussiert zu Hana. Sie schien kam mehr etwas zu sehen. „Es geht zu Ende. Ich kann es spüren“, sagte sie und holte erneut mühsam Luft. Dabei drückte sie Hanas Hand, welche diese auf ihren Unterarm gelegt hatte.

„Kann ich noch etwas für Euch tun?“, fragte Hana ein wenig hilflos. Doch die Frau schüttelte erneut ganz leicht ihren Kopf. „Nichts, was ihr nicht bereits schon tut“, murmelte sie schwach. Leise Schritte ließen Hana auf sehen. Danica war eingetreten. Aufgeregt winkte sie Hana zu sich. Ihre Wangen waren gerötet und sie schien in Eile zu sein. „Es wird doch eine komplizierte Geburt werden“, sagte sie leise zu Hana, die zu ihr geeilt war. „Ich muss sofort wieder los und Novizin Adele begleitet mich. Ich brauche diesmal ihre Hilfe.“ In Hana zog sich sofort alles zusammen. Sie

wusste, was es bedeutete eine schwere Geburt vor sich zu haben. Voller Inbrunst hoffte sie für die werdende Mutter und natürlich auf Danicas Erfahrung als Hebamme. „Ich weiß, es ist viel verlangt, aber könntest du inzwischen kurz hierbleiben?“ Ein wenig verlegen versuchte Danica nach Worten zu suchen. „Novize Kestir, ist ebenfalls nicht da und ich möchte eine Sterbende nur ungern alleine, oder in den Händen der Mägde lassen.“ Vielsagend deutete die Priesterin zum Lager der alten Frau, deren Atemzüge immer kürzer und flacher wurden. „Natürlich!“, beeilte sich Hana zu sagen.

„Danke!“ Damit eilte Danica bereits wieder mit weiteren Tränken bestückt aus dem Tempel hinaus und Hana setzte sich erneut an das Lager der Sterbenden. Immer wieder tupfte sie die Stirn der alten Frau mit einem kühlen Tuch ab und befeuchtete auch deren Lippen. Trinken mochte die Frau nicht mehr. Das alles machte ihr bereits zu viel Mühe. Sie hätte auch noch gerne ein wenig mehr gesagt, doch auch das Sprechen fiel ihr bereits schwer. „Es tut mir so leid“, begann Hana, welche die Hand der Sterbenden in der ihren hielt. „dass ich Euch mit meinem Trank nicht helfen konnte.“ Die alte Frau

lächelte milde und drückte begütigend Hanas Hand. „Macht nichts…“, formten ihre Lippen. Oder so etwas Ähnliches. Die Frau konnte einfach nicht mehr sprechen. Und auch ihre Atmung wurde noch langsamer. Auf diese Weise saß Hana vielleicht eine Stunde bei der alten Frau. Schließlich spürte sie, wie die Finger der Sterbenden immer kühler wurden und der leichte Druck aufhörte, mit dem die alte Frau Hanas Hand gehalten hatte. Ein letztes Mal fuhr Hana mit dem feuchten Tuch über die spröden Lippen der Frau, deren Atmung mit einem sanften Seufzer ebenfalls zum Stillstand kam. Warme Tränen liefen ihr über die Wangen. Das

stille Sterben der Frau ging ihr sehr nahe. Sie hatte den Tod zwar schon in vielen unschönen Formen sehen müssen, wie bei der Enthauptung ihres Vaters, oder bei den Banditen und in der Vampirhöhle. Doch das ruhige Hinscheiden hier im Tempel rührte sie sehr. Es schien ihr, als wäre Kynareth selbst hier, um die Seele der Toten in Empfang zu nehmen und hinüber zu geleiten. „Möge Eure Seele in den Armen von Akatosh nun ihre Ruhe finden!“, betete Hana leise und bettete die schlaffe Hand der Toten neben deren Körper. Sie strich noch einmal mit dem feuchten Tuch über deren Augen und Wangen, dann stand sie

auf. Hana war ein wenig ratlos, was sie jetzt tun sollte, da kam aber bereits eine der Mägde herein, die im Tempel für Sauberkeit und auch für gutes Essen sorgten. Soviel Hana wusste, halfen sie auch bei einfachen Angelegenheiten der Kranken. „Ihr seid noch hier?“, fragte Hana verwundert. Sie hatte sich immer gedacht, dass die beiden Mägde am Abend nach Hause zu ihren Familien gehen würden. Die einfache Frau nickte. „Ja. Ich habe eine kleine Kammer neben der Tempelküche. Die andere Magd ist aber schon zu ihrem Vater nach Hause gegangen. Ihr könnt jetzt auch getrost

gehen. Novize Kestir wird bald hier sein und die nötigen Gebete für die Verstorbene beten. Solange halte ich hier die Totenwache. Ich habe das schon ein paar Mal getan und war auch schon öfter alleine im Tempel. Die anderen Kranken, die noch hier sind, sind gut versorgt. Macht Euch darum keine Sorgen.“ Hana fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte bereits befürchtet die halbe Nacht alleine mit einer Toten und ein paar Kranken verbringen zu müssen. Draußen war es bereits dunkel. Sie wunderte sich, dass noch niemand von den Gefährten sie holen gekommen war und hoffte, dass nichts in Jorrvaskr passiert war, während sie den ganzen Nachmittag im Tempel

verbracht hatte. Außerdem machte sich langsam Hunger in ihr breit. Sie dankte der Magd und eilte in den Wohnbereich, um Varis zu holen. Davor wusch sie sich noch gründlich die Hände, dann band sie sich den Säugling mit dem großen Tuch um und verließ den Tempel. Farkas hatte ihr zwar eingeschärft niemals alleine in der Nacht draußen herum zu gehen, doch im Tempel, bei der Toten, wollte Hana auf keinen Fall bleiben. Außerdem müsste sie nur an ein paar Häusern, dem Guldengrünbaum und dem Talos-Tempel vorbei gehen, um nach Jorrvaskr zu gelangen. Die Sorgen, dass vielleicht etwas dort geschehen war, ließen sie ebenfalls nicht still im Tempel

ausharren. Sie wollte so rasch es möglich war nach Hause gehen und nach dem Rechten sehen. Als sie aus dem Tempel trat, sah sie durch die Häuser hindurch ein seltsames Glühen, das vom Talos-Tempel ausging. Auch ein Rumoren war zu spüren, als würde die Erde unter ihren Füßen leicht beben. Da stimmte etwas unter Garantie nicht! So schnell sie konnte, raffte sie ihre Röcke und wollte hinunter eilen, als eine dünne Stimme sie zurückhielt. „Hana! Hana!“ Irritiert drehte sie sich um. Da sah sie, wie die kleine Madi hinter der Tempelmauer hervorlugte und sie mit großen Augen

ansah. „Bei den Göttern!“, rief Hana aufgebracht und eilte zu dem kleinen Mädchen. „Madi! Was machst du hier? Und wo ist deine Mutter? Oder Farkas?“ Doch die Kleine antwortete nicht. Sie drehte sich schnell um und verschwand im Schatten hinter dem Tempel, der auch nicht von Fackeln oder Kohlebecken erleuchtet wurde, wie die Straßen, die durch Weißlauf führten. „So warte doch!“, rief Hana ihr nach, während sie dem Kind hinterher lief. „Renn nicht weg! Sag mir lieber was geschehen ist!“ Dumpf hallten ihre Worte nach. Doch im Schein der Fackeln, die seitlich am Eingang zum Tempel loderten, war von

ihr und von dem kleinen Mädchen bereits nichts mehr zu sehen. Huschende Schritte vernahm man noch, dann war alles wieder ruhig. Nur das bläuliche Flackern um den Talos-Tempel herum war alles, was an diesem Abend in Weißlauf anders als sonst zu sein schien. ******* Der Nachmittag dieses Tages brachte leichten, wenn auch warmen Regen mit sich. Regen, den Hana während ihrer Arbeit in den Hallen des Kynareth-Tempels gar nicht mitbekam. Und dieser Regen war auch einer der Umstände, der Galen nun missgelaunt durch die

Met-Halle schlurfen ließ. Er hatte den Kürzeren gezogen und musste heute als ‚Wachhund‘ – wie er es respektlos bezeichnete – in Jorrvaskr bleiben, um die Frauen nicht ohne jeglichen Schutz zu lassen. Selbst der Neuling Sarendal wurde zu den Aufträgen mitgenommen. Zwar hatte Galen ein wenig auf dem Übungsplatz trainiert, aber der stete Regen nervte ihn schließlich so sehr, dass er wieder zurück in die Met-Halle ging. Frustriert hieb Galen auf den großen Tisch, dass die Teller darauf nur so herumhüpften. Doch er war nicht der Einzige, der ein langes Gesicht zog. Setha, welche gerade den Boden schrubbte, rieb ihre ganze Enttäuschung

und Wut, die sie wegen Farkas empfand, in die hölzernen Bodendielen. Eigentlich war sie wütend auf sich und nicht auf Farkas. Denn es passierte ihr schon wieder: sie hatte sich in den Falschen verguckt. In ihren Augen war der große Mann eindeutig in Hana verliebt. Wie er sich ständig um sie sorgte und sie keine Sekunde aus den Augen ließ, war ihrer Meinung nach Hinweis genug dafür. Dabei war sie die Frau seines Bruders! Setha hatte gestern auch gesehen wie die beiden sich umarmt hatten, als Hana wieder einmal nach Vilkas Ausschau hielt. Doch so wie sie Farkas einschätzte, würde er ihr niemals zu nahe treten.

Hana war für ihn in ihrer Unschuld eben etwas Besonderes, glaubte Setha. Sie dagegen, mit ihrer liederlichen Vergangenheit, musste einen so ehrlichen Mann wie Farkas abstoßen. Nach einiger Zeit ihres steten Reibens, begannen sogar die abgewetzten Bodendielen der Met-Halle wieder zu leuchten, dass Galen theatralisch die Augen schloss. „Setha, wenn du so weitermachst, reibst du noch das ganze Holz weg. Ich weiß zwar nicht was darunter ist und ehrlich gesagt, will ich das auch gar nicht wissen.“ „Ach was!“, schimpfte die hübsche Nord, die immer noch ihr Tuch um den Kopf trug, obwohl ihre Haare bereits

nachzuwachsen begonnen hatten. Aber die noch sehr kurzen Haare beschämten sie einfach. Noch ein Punkt mehr, den Farkas an einer Frau sicher nicht gerne sah. „Es wurde wirklich schon Zeit, dass hier jemand auch den Boden schrubbt! Die arme Tilma konnte das bestimmt schon lange nicht mehr tun und alle anderen von euch, waren sich wohl zu Gut dafür!“ „Sagen wir lieber so: uns störte es nicht. Außerdem pflegen wir bei Tisch zu speisen und nicht am Boden.“ Galen blickte nun leicht amüsiert auf die aufgebrachte Frau. Ihre offensichtliche Frustration, die wohl eher Farkas, als den Boden betraf, ließ ihn den eigenen

Unmut vergessen. „Und Farkas schaut sowieso nur auf dich und nicht auf die Dielen, wenn er die Met-Halle betritt.“ Er konnte es nicht lassen, die junge Frau ein wenig aus der Reserve zu locken. Das ganze Getue der beiden musste endlich ein Ende finden! Setha lief auch gleich tief rot an. Doch sie konterte sofort. „Vielleicht sieht er die Dielen nicht, weil er die Augen nicht von deiner Schwester bekommt. Mit mir hat das nichts zu tun.“ Die Sturheit der Nord würde Galen irgendwann noch zur Verzweiflung treiben. Wenn die sich etwas einbildeten, konnte sie wohl wirklich niemand vom Gegenteil überzeugen. „Aaarghh!“,

schrie Galen und raufte sich die Haare. „Farkas fühlt sich für sie verantwortlich, solange sein Bruder nicht da ist!“, keifte er. „Vielleicht solltest du endlich das Tuch von deinem Kopf nehmen, damit wieder frischer Wind in deine Gedanken kommen kann! Ich kenne Farkas! Und ich sage dir, der mag dich. Der mag dich sogar sehr!“ Wild blickte er auf die fassungslose Frau. „Und hör verdammt noch mal auf, ständig deine Vergangenheit hervorzuholen!“ Doch Setha war nicht auf den Mund gefallen. „Nie im Leben!“, fuhr sie Galen an. „Ein so ehrlicher und überaus begabter Mann wie Farkas“ – Galen konnte sich nicht helfen, er verdrehte vor

so viel anhimmelnder Bewunderung die Augen. – „kann sich nicht für eine dahergelaufene Magd wie mich interessieren, die noch dazu ihren Ehemann betrogen hat! Außerdem hatte ich noch nie Glück mit Männern. Wieso sollte sich das jetzt ändern?“ Galen war drauf und dran Setha an die Gurgel zu fahren. Doch er kam nicht dazu. Mit einem Knarren öffnete sich die große Doppeltüre und drei ernste und ziemlich kampferprobt aussehende Männer traten in die Met-Halle ein. Das Drachenblut sprang alarmiert auf und scheuchte Setha in die Küche. Mit gezogenen Waffen ging er auf das Trio zu.

Als er näher kam, fiel ihm aber beinahe das Schwert aus den Händen. Zuerst dachte Galen an eine zufällige Ähnlichkeit. Doch als er das Erkennen in den Augen des Anführers sah, der fassungslos auf Galen starrte, konnte es keinen Zweifel mehr geben. „Tiber?“, fragte der Offizier des Penitus Oculatus Ordens, der mit seinen zwei Begleitern in die Met-Halle eingetreten war, unsicher. „Bist du das wirklich?“ „Rainus!“, rief Galen und knallte sein Schwert auf die Bank, die neben dem Eingang stand. „Tiber! Mein alter Freund Tiber! Mich trifft der Schlag!“ Der Mann packte

Galen an den Schultern und begann ihn zu schütteln. „Sei verdammt du Tunichtgut! Wir dachten alle, du seist in Elsweyr an der Pest gestorben! Das war jedenfalls die letzte Nachricht, die dein Vater über dich bekam, als er Nachforschungen anstellen ließ! Und jetzt stehst du mir leibhaftig gegenüber!“ In Rainus Vels Gesicht kämpften Ärger und Freude. Doch die Freude überwog schließlich und er riss Galen an sich und umarmte ihn, dass dieser bereits glaubte alle Luft sei aus seinen Lungen gewichen. „Verdammt, Tiber!“, rief Rainus wieder, als er Galen von sich schob. „Was machst du hier? Wieso bist du nicht nach Hause

gekommen und…“ Jetzt unterbrach er sich und sah ernst auf seinen Freund. „Weißt du eigentlich das von deinem Vater?“ Galen nickte. „Ich war vor ein paar Monaten in der Kaiserstadt. Dort erfuhr ich von seiner Hinrichtung und dem Verrat. Doch ich konnte nichts mehr dagegen tun. Es hätte nur noch mehr aufgewühlt, wenn ich mich zu erkennen gegeben und mein Erbe von diesem intriganten Thalmor eingefordert hätte.“ „Und da hast du mich nicht besucht?“ Die Bestürzung in Rainus Vels Gesicht war kaum zu überbieten. „Ich dachte wir wären Freunde!“ „Das sind wir auch. Jedenfalls von

meiner Seite her“, meinte Galen. „Ich habe auch kurz an deinem Haus vorbei gesehen. Deine Mutter sieht noch gut aus, für ihr Alter“, zwinkerte er. „Aber ich wagte es nicht mich zu erkennen zu geben. Es hätte dich vielleicht in Schwierigkeiten gebracht.“ „Pffft“, winkte Rainus ab. „Du weißt doch, dass unser Orden mit den Thalmor auf Kriegsfuß steht. Was hätte noch schlimmer kommen können?“ Dann musterte Rainus seinen Freund von Kopf bis Fuß. „Du hast dich nicht sehr verändert“, meinte er. „Das Schicksal meinte es wohl gut mit dir! Oh! Und wenn wir gerade dabei sind: was hat dich denn zu den Nord verschlagen? Oder bist

du nur zufällig bei der berühmtesten Kriegergilde von Himmelsrand?“ Galen klopfte Rainus auf die Schulter und dirigierte ihn und seine Begleiter zur großen Tafel. „Kommt und setzt euch. Das wird eine lange Geschichte werden. Dabei fällt mir ein: was suchst du hier so hoch im Norden? Der Penitus Oculatus Orden ist doch hauptsächlich in Cyrodiil tätig?“ Rainus ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. „Das ist eine etwas delikatere Geschichte. Ich erzähle dir davon, wenn ich den gefunden habe, den ich suche.“ „Ihr sucht jemanden? Einen Verbrecher? Bei uns?“ Galen erstaunte sich immer mehr. Doch Rainus winkte ab.

„Nein, keinen Verbrecher“, erklärte Rainus. „Mehr einen Volkshelden. Doch wie gesagt, die Angelegenheit ist sehr heikel. Erzähl du erst einmal.“ Galen verdrehte die Augen. „Du warst schon immer ein Geheimniskrämer. Doch was soll’s. Beginne ich halt.“ Verschmitzt wandte er sich Rainus zu, der sich inzwischen an der reich gedeckten Tafel bediente. Seine Kumpane, die bisher noch kein Wort gesprochen hatten, taten es ihm gleich. „Ich war ein störrischer Bursche, wie du weißt“, fing Galen an. „Vater begann mir Geschichten zu erzählen, über Verpflichtungen, welche die Götter

immer von uns Manebarba und von unserem Geschlecht einforderten. Das wollte ich nicht hören. Ich wollte mein eigenes Leben leben und nichts von Ehre und Aufopferung wissen. An dem Abend, als ich weglief, hielt mir Vater ein Pergament unter die Nase, das von Tiber Septim – nach welchem ich unglücklicherweise auch noch benannt wurde – selbst unterzeichnet worden war. Es soll von unserem Urahn, ‚Briganus Manebarba‘, darin die Rede sein. Das war der Begründer unserer Dynastie der Manebarba, deren Aufgabe es war, dem Willen der Götter vorbehaltlos zu dienen. Und gerade ich, soll noch dazu für eine ganz besondere Aufgabe geboren worden

sein.“ Wild blickte Galen auf Rainus. „Ich sag dir was mein Lieber, das konnte mir gestohlen bleiben!“ Galen holte tief Luft. „Es gab an diesem Abend eine heftige Auseinandersetzung zwischen Vater und mir“, fuhr er fort. „Schließlich packte ich meine Sachen und verließ das Haus. Vater kam nicht mehr dazu mir das Dokument zu zeigen, oder auch nur ein wenig über diese ‚Aufgabe‘ zu sprechen, die mich angeblich erwarten sollte.“ Bitterkeit begann sich langsam immer stärker auf Galens Gesicht auszudehnen. „Es war auch gar nicht nötig, Rainus. Das Schicksal hat sich dennoch nicht aufhalten lassen und mich bis hierher

geführt.“ „Und?“, fragte Galens ehemaliger Freund voller Neugier. „Hier hat sich deine Aufgabe erfüllt?“ „Ja, doch nicht einmal jetzt wollen mich die Götter in Ruhe lassen. Aber genug von mir. Erzähl du jetzt von deiner Suche. Ich geb´s zu, ich bin neugierig!“ Galen zwinkerte belustigt. Rainus seufzte. „Unser Anliegen ist wirklich äußerst heikel und von absoluter Dringlichkeit. Aber ich sag dir zumindest um wen es geht: um das Drachenblut.“ Verschwörerisch hatte er dabei seine Stimme gesenkt. Galen ließ beinahe die Gabel fallen, mit der er während dem Gespräch auf das

Tischholz eingestochen hatte. „Was soll der Penitus Oculats Orden bloß von dem Drachenblut wollen?“, fragte er seinen Freund irritiert. „Das ist ein rein nordisches Phänomen gewesen.“ „Nun, es geht nicht um die nordische Angelegenheit.“ Rainus suchte nach Worten. Zuviel wollte er anscheinend noch nicht verraten. „Wir suchen das Drachenblut wegen einer völlig anderen Sache. Nur, das Problem ist, wir wissen nicht, wer das Drachenblut ist. Unsere einzige Information die wir haben ist, dass wir ihn am ehesten bei den Gefährten finden können und er kaiserlicher Abstammung sein soll. Weißt du vielleicht etwas von

ihm?“ Galen lachte. „Das habe ich mir beinahe schon gedacht, dass ihr keine Ahnung habt, wer das Drachenblut ist.“ Belustigt musterte er seinen Freund. „Und wenn ich dir sage, dass ich dieses legendäre Drachenblut bin?“ Rainus prustete den Met über den Tisch. Dann hielt er sich den Bauch vor lauter Lachen. „Also, nein“, sprudelte er los. „Ich habe schon so einige Geschichten über diesen Mann gehört. Der soll ja ein wahrer Heiliger sein. Jedenfalls schilderten ihn so die Nord, die wir darüber befragten.“ Rainus krümmte sich. Ihm tat bereits alles weh. „Und ehrlich… Tiber… du und ein

Heiliger?“ Galen fiel in sein Lachen mit ein, doch mit der Zeit verging es ihm. Dass ihn alle so unterschätzten war schon spaßig, aber irgendwo kränkte es ihn doch. „Nun, ich bin zwar wirklich kein Heiliger“, fügte er an, als Rainus eine kleine Lachpause einlegte. „Dennoch bin ich das Drachenblut. Genau das war die Aufgabe, auf die mich mein Vater vorbereiten wollte…“ Schlagartig hörten Rainus Heiterkeitsausbrüche auf. „Du meinst das im Ernst!“, rief er, als er die Worte wirken ließ. Und eigentlich, wenn er es so recht überlegte, passte auch alles zusammen. Tiber war Kaiserlicher, er

war schon als Kind mit einer unglaublichen Kraft gesegnet gewesen und er war hier, bei den Gefährten. Auch seine seltsame Geschichte passte dazu. „Aber … du bist mein Freund!“ Rainus wehrte sich immer noch dagegen. „Du kannst es nicht… darfst es nicht sein… jetzt, wo ich dich wieder gefunden habe!“ „Was soll das Gestammel, Rainus?“, fragte Galen. „Ich werde immer dein Freund sein. Auch wenn wir uns so lange nicht mehr gesehen oder einander geschrieben haben.“ Er verstand das Getue überhaupt nicht. Außerdem gefiel ihm nicht, wie die Begleiter seines Freundes ihn jetzt mit offenem Mund

begafften. „Bei den Göttern!“, ächzte Rainus. Dann stand er auf und fiel vor Galen auf die Knie. Seine Begleiter folgten sofort seinem Beispiel. „Tiber Galenus Manebarba, mein Kaiser…“ Galen glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Er trat an Rainus heran. „Was soll diese Farce? Ich bin nie und niemals Kaiser von Cyrodiil. Ich habe zwar Alduin besiegt, so wie die Göttlichen es mir aufgetragen haben, aber ich bin niemals Kaiser…“ Galen stockte. Die Göttlichen! Sie würden ihm doch nicht so einen Streich spielen? Oder? Zitternd hielt Rainus ihm ein Pergament hin. „Lest selbst, mein Kaiser“, sagte

er. Galen riss es ihm aus der Hand. „Bei den Göttern!“, rief er aufgebracht. „Wenn du willst, dass ich das lese, dann erhebe dich sofort und benimm dich wieder wie ein normaler Mensch! Das ist ja zum aus der Haut fahren, das ganze Getue!“ Langsam erhob sich Rainus und setzte sich wieder auf seinen Platz, nachdem Galen unerbittlich darauf hingedeutet hatte. Erst als alle saßen, öffnete er das Pergament und las es durch. Zuerst lächelnd, da er diese Prophezeiung zur Genüge kannte. Dann jedoch, als er bei den letzten Zeilen angekommen war, ließ er voller Bestürzung das Dokument sinken.

„Das Drachenblut muss aus einer reinen, direkten Blutlinie Tiber Septims stammen?“ Galens Stimme klang brüchig. „Aber… aber… der Stammbaum der Manebarba lässt sich eindeutig bis in Tiber Septims Zeit zurückverfolgen, eben zu jenem ‚Briganus Manebarba`. Niemals war davon die Rede, dass Tiber Septim oder sein Sohn, einer unserer Vorfahren gewesen war. Niemals!“ „Vielleicht entstammt eure Familie aus einer kleinen Entgleisung Tiber Septims?“, wagte Rainus einzufügen. „Vielleicht wollte dir dein Vater das ebenso mitteilen, wenn du nicht fortgelaufen

wärst.“ Galen ließ das Pergament fallen. Rainus hob es auf und nahm es wieder an sich. „Wie dem auch sei“, meinte Galen. „Damit kann ich leben. Ich meine damit, dass Tiber Septim mein Urahn war.“ Als Rainus protestieren wollte, blickte er seinen Freund streng an. „Aber, dass ihr mich dafür zum Kaiser machen wollt, damit kann ich unmöglich leben. Sag, wer auch immer dich geschickt hat, dass du mich nicht gefunden hast.“ Galen unterbrach sich. „Nein, noch besser! Du sagst einfach, dass ich in der Zwischenzeit verstorben bin.“ Rainus schüttelte bedauernd den Kopf. „Das kann ich nicht tun.“ Flehend sah er

seinen Freund an. „Ihr müsst mit zurückkommen. Das ist Eure Pflicht! Oder ganz Cyrodiil und später ganz Tamriel, wird den Thalmor zum Opfer fallen. Was das bedeutet, brauche ich Euch wohl nicht zu sagen, wo doch die Thalmor selbst verantwortlich für den Tod Eures Vaters waren.“ Galen reichte es. Er sprang vor und packte Rainus am Brustharnisch. Mit seiner ganzen Kraft zog er ihn in die Höhe, dass Rainus Beine in der Luft baumelten. „Rainus Vel!“, rief Galen. „Wenn du nicht sofort wieder anfängst mich zu duzen und wie einen Freund zu behandeln, verbrenne ich eigenhändig das Pergament vor deinen Augen. Und

glaub mir, dazu benötigt es nur ein Wort von mir!“ „Tiber, bitte!“, ächzte der kräftige Mann, der wie ein Fisch am Haken hing. Schließlich ließ Galen ihn los. Ein wenig unbeholfen versuchte Rainus seine verschobene Rüstung wieder herunter zu ziehen. Galen hatte inzwischen Platz genommen und schob das Pergament zu ihm. „Ich kann nicht mir dir kommen“, sagte er. „Das ist unmöglich. Ihr müsst jemand anderen finden. Es gibt genug Bastardlinien die nur so erpicht darauf sein werden die neue Dynastie zu gründen. Nur weil mein Geschlecht zufällig aus der direkten Linie Tiber Septims stammt, bedeutet das

nicht, dass ich ein fähiger Kaiser sein würde.“ Jetzt war es an ihm los zu prusten. Belustigt sah er auf seinen Freund, der immer noch beschäftigt war, den neuen Stand der Dinge einzuordnen. „Um was geht es hier?“, hörte Galen Rias Stimme. Rasch blickte er auf. Sie war gemeinsam mit Thorald, Sarendal und Athis soeben in die Met-Halle eingetreten. Doch Galen musste ihr nicht antworten. Das übernahm Setha, die mit der kleinen Madi an der Hand bei ihnen stand. „Unser Galen soll der nächste Kaiser von Cyrodiil werden…“, murmelte sie erklärend. Rainus hatte die Neuankömmlinge

ebenfalls bemerkt und nickte ihnen grüßend zu, während Galen in seiner üblichen Manier auf den Stuhl hüpfte und fest seine Knie umschlang. Wer ihn gut kannte, konnte aber sehen, dass er alles andere als entspannt war. Seine nackten Zehen wippten nicht wie gewöhnlich auf und ab. Selbst sein Blick war lauernd und ging langsam aber sicher in das unmissverständliche goldene Glühen über, das sein kochendes Drachenblut anzeigte. „Das alles kommt sicher unerwartet, Tiber.“ Rainus hatte sich doch dazu durchringen können, seinen Freund, auch wenn er der künftige Kaiser von Cyrodiil sein würde, wieder zu duzen und ihm die

freundschaftliche Stütze zu geben, die er in diesem Moment wohl brauchte. „Wen nennt der Kaiserliche bloß Tiber?“, wisperte Ria dazwischen. „Vielleicht hast du das damals überhört“, mischte sich Athis ein. „Aber Galens vollständiger Name lautet Tiber Galenus Manebarba.“ Rainus ignorierte die eingeworfenen Kommentare der Gefährten, die sowieso nicht ihm galten und fixierte seinen Freund vor sich. „Ich sage dir das nur ungern, aber sämtliche Bastardlinien von denen wir wussten, wurden von den Thalmor ausgelöscht. Wir kamen bei jeder einzelnen zu spät.“ Galens Augen wurden groß. „Erst als wir durch Zufall –

oder die Fügung der Götter – dieses Pergament fanden, hatten wir endlich etwas in der Hand, das die Thalmor noch nicht wussten. Tiber…“, hier wurde Rainus Stimme sehr eindringlich. „Ich kann dich verstehen, doch du bist wirklich die letzte Hoffnung für Cyrodiil und ganz Tamriel! Ich glaube auch, dass die Göttlichen all das unterstützen. Mir selbst ist dieses Pergament in die Hände gefallen. Und bis jetzt hat sich noch kein Hinweis ergeben, dass die Thalmor über dich und dein Septim-Blut Bescheid wissen.“ Galen sprang auf. Das war zu viel. Er hatte gewusst, dass die Göttlichen noch etwas von ihm verlangten, aber dass es

diese Bürde sein würde, damit hatte er niemals im Leben gerechnet. Er spürte, dass er so schnell wie möglich die Halle verlassen musste, oder es würde ein Unglück geschehen. Seine hochwallenden Drachenkräfte, die mit seiner Wut und seiner Empörung über die Willkür des Schicksals einhergingen, konnte er bald nicht länger unterdrücken. Mit einem Schrei, der die hölzernen Wände Jorrvaskrs wackeln ließ, lief er aus der Halle direkt in den Talos-Tempel. Heimskr, dem überraschten Priester, gab er einen Stoß, dass dieser aus seinem eigenen Tempel flog, dann knallte er die Türen hinter sich zu, fiel auf seine Hände und ließ mit einen weiteren

Drachenschrei all seine Wut aus sich heraus. Sein Schrei hätte ganz Weißlauf erschüttern müssen, doch wie ein magischer Wall legte sich ein bläuliches Glühen über Galen. Außer leichten Erschütterungswellen drang nichts von seinem Ausbruch nach außen. Gerade durch die dicken, hölzernen Eichentüren konnte man den Nachhall seiner Drachenschreie vielleicht noch hören. Alle Gefährten, die bis dahin heimgekommen waren, Seta und Madi, der Talos Priester und die drei Männer des Penitus Oculatus Ordens drängten sich davor und versuchten irgendwie wieder in den Tempel hinein zu kommen. Doch obwohl die Tore nicht verriegelt

waren, konnte niemand mehr eintreten. Sie schienen von einer anderen Macht verschweißt worden zu sein. Und es war nicht Galens Macht, die hier wirkte. Ein bläulicher Schein drang durch die Ritzen, wie auch durch die dicken, verzierten Glasscheiben des Tempels. Das und das leichte Rumoren waren alles, was sie zu sehen bekamen. Dazu war auch die Nacht bereits hereingebrochen, doch niemand nahm das wirklich zur Kenntnis. Viel zu aufwühlend waren die Ereignisse, die sich vor aller Augen abspielten. Als Galen sich endlich erhob, war er in bläuliches Licht gehüllt, das direkt von der Talos Statue auszugehen schien, die

übermannshoch im Zentrum des Tempels stand. Galens Gesicht war völlig verzerrt. Wut, Hass und Enttäuschung hinterließen ihre Spuren und verwandelten sein angenehmes Äußeres in eine Fratze des Schreckens. Mit langen Schritten ging er auf das Abbild des Gottes zu. „Hier ist Schluss!“, schrie er. „Ich sage mich von Euch los! Du kannst tausendmal mein Urahn sein, Talos, ich werde nicht weiter nach deinen Launen tanzen!“ Daraufhin riss er sich sein Hemd vom Leib und griff nach einer Fackel, die er in das Kohlebecken tauchte, das neben der Statue stand. „Ich bin kein Kaiser!“ Seine Stimme überschlug sich beinahe

vor lauter Rage. Mit einer geschmeidigen Bewegung nahm er die lichterloh brennende Fackel in seine linke Hand. „Und ich lasse mich auch nicht zu einem machen. Findet einen anderen!“ Ruckartig schwang er nun die Fackel gegen seine rechte Schulter. Er wollte sich sein Geburtsmal aus der Haut brennen. Galen glaubte nicht daran, dass er damit seine Kräfte verlieren könnte, doch er wollte ein für alle Mal ein Zeichen setzen und es hier und jetzt beenden. Kurz biss Galen die Zähne zusammen, doch der erwartete Schmerz blieb aus. Verwundert holte er die Fackel wieder vor seine Augen. Das Feuer war nicht

nur gelöscht, die ganze Fackel fühlte sich kühl an, als hätte sie niemals gebrannt. Galen kam aber nicht dazu die Flüche auszustoßen, die ihm schon auf der Zunge lagen. Unwillkürlich wich er ein paar Schritte zurück, als die Talos-Statue just in dem Moment von ihrem Sockel stieg und auf ihn zukam. Eigentlich war es keine Statue mehr. Talos sah aus wie ein lebendiger Mensch. Ein wenig übergroß, aber nichts desto trotz lebendig. Mit Haaren, weicher Haut, fließender Kleidung und einem leichten Lächeln auf den Lippen. „Brigan!“, tönte seine tiefe Stimme. „Oder besser gesagt ‚Briganus‘, wie du dich später nanntest! All die

Jahrhunderte haben dich nicht weniger störrisch werden lassen, mein Junge.“ Gutmütig blickten Talos dunklen Augen, die den gleichen goldenen Rand, wie Galen und Varis darum herum hatten, auf das zurücktaumelnde Drachenblut. ******* Wer ein bisschen mehr über Galens und Rainus Freundschaft erfahren möchte, kann dazu gerne „das Erwachen - die Lektion“ lesen. Es ist eine kurze Anekdote aus Galens Jugendzeit, die er mit Rainus verbracht hatte! ^^

28 Briganus manebarba

Das bläuliche Glühen, welches den gesamten Talos-Tempel durchdrang, hatte beinahe eine physische Dichte angenommen. Doch Galen ließ sich davon nicht beirren. Seine Wut konnte nicht einmal der lebendig gewordene Gott Talos persönlich zum Versiegen bringen. „Was ist das für ein billiger Zauber!“, schrie er. „Darauf falle ich nicht herein. Noch dazu bin ich nicht ‚Brigan‘ oder ‚Briganus‘!“ „Ach, ich vergaß!“ Talos griff sich an die Stirn. „Natürlich hat dein jetziger Vater

dich anders genannt.“ Belustigt zwinkerte er. „Aber es entbehrt nicht der Komik, dass er dich ausgerechnet ‚Tiber‘, nach mir also, benannte. Auch wenn du nicht einmal diesen Namen gebrauchst.“ „Was faselst du da?“ Galen war immer noch zu aufgebracht, als dass er einem der Göttlichen, den nötigen Respekt erweisen würde. „Du bist doch nicht wirklich Talos!“ „Hmmm. Eigentlich schon.“ Etwas beleidigt verzog Talos seine Mundwinkel. „Das kränkt mich jetzt! Da mache ich mir sogar die Mühe, diese steife, leblose Statue für meine Zwecke zu benutzen, um dir endlich Vernunft

einzubläuen und du stellst sogar das in Frage!“ Jetzt begannen seine Augen grimmiger zu leuchten und Galen zu fixieren. „Du wirst deiner Aufgabe nicht noch einmal entsagen, Brigan! Das hast du sogar geschworen, als Akatosh dir gestattete nochmals geboren zu werden, um genau diese Entsagung wieder gut zu machen!“ „Waaas?“ Tief in Galen begann sich etwas zu regen. Ein Hauch, wie eine Erinnerung, die ihn im Moment noch völlig irritierte. Talos seufzte und setzte sich auf seinen Sockel. Dann blickte er Galen kopfschüttelnd an. „Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde. Du bist

derselbe Sturkopf geblieben, der du schon immer warst. Doch ich sage dir, du bist Brigan, mein erstgeborener Sohn. Ausgetragen von meiner ersten angetrauten Frau, als ich noch General Hjalti Frühbart war. Leider verstarb sie als du zwei Jahre alt warst und du wurdest von ihrer Mutter großgezogen, da ich viel zu oft auf den Schlachtfeldern zu Hause war.“ „In den Überlieferungen wird niemals ein ‚Brigan‘ Septim erwähnt.“ Galen schüttelte den Kopf. Das alles kam ihm wie der blanke Wahnsinn vor. Und dennoch regte sich das Erkennen in ihm. Irgendetwas von dem, was Talos ihm da erzählte, fühlte sich seltsamerweise

‚echt‘ an. „Weißt du, als ich Kaiser war, heiratete ich zum zweiten Mal.“ Nachdenklich blickte Talos zu Galen. „Die Geschichte Tamriels kennt nur den Sohn, der aus dieser Verbindung stammt. Dass man sich an Brigan, meinen erstgeborenen Sohn nicht erinnert, dafür bist nur du selbst verantwortlich.“ „Wie das?“ „Wie ich schon sagte, du hattest immer schon deinen eigenen Kopf. Es war dein Wille, dass niemand außer der allerengsten Verwandtschaft, von deiner Verbindung zu mir, dem Kaiser, erfuhr. Als du alt genug warst, kamst du zu mir und hast an meiner Seite gekämpft. Doch

nicht als mein Sohn, sondern als mein General Briganus Manebarba. Du hast darauf bestanden, deinen Namen ‚Frühbart‘ in die dafür kaiserliche Bedeutung ‚Manebarba‘ zu ändern. Und ich willigte ein. Ich ließ dir deinen Willen. Dabei wärst du mein tatsächlicher Nachfolger auf den Thron gewesen.“ Galen schwindelte es. Vor allem, als Talos erneut aufstand und ihn leicht an der Schulter berührte. Sofort strömten Bilder auf ihn ein. Bilder und Erinnerungen eines Lebens, das er bereits vor vielen Jahrhunderten gelebt hatte. Es überschwemmte ihn und er stürzte vor Talos auf die Knie.

„GENUG!“, schrie er und sofort unterbrach der Gott die Verbindung. Keuchend wand sich Galen vor ihm auf dem Boden. „Es tut mir leid, Brigan…“ Talos trat zurück und ließ Galen ein wenig Raum. „Wir dachten alle, selbst du, dass du nicht alles vergessen wirst, wenn du wieder geboren wirst. Doch wir täuschten uns wohl.“ „Nein…“, keuchte Galen. Aber es half nichts. Er erinnerte sich wieder. Nicht an alles, aber an so manche Schlachten, die er an der Seite seines Vaters, des Kaisers Tiber Septim, geschlagen hatte. Er erinnerte sich auch an seinen Halbbruder und die ehrgeizige zweite Frau seines

Vaters, die ihn immer voller Argwohn betrachtet hatte. Leider nicht nur das. Sie hatte auch versucht ihm das Leben zu nehmen, um ihrem Sohn den Thron zu sichern. Und Galen, der lieber das freie Leben eines Kämpfers führte, wollte sowieso nie in die Fußstapfen seines Vaters treten. Diese ganzen Hofintrigen waren ihm mehr als zuwider. So bestand er darauf seinen Namen zu ändern und als General Briganus Manebarba eine neue Dynastie zu gründen. Er erinnerte sich auch wie sein Vater nur schweren Herzens zustimmte. Sein zweiter Sohn hatte ebenfalls das Drachenblut in sich, aber nicht in derselben Stärke wie Tiber Septim oder

sein erstgeborener Sohn Brigan. „Du lehnst dich gegen den Willen der Götter auf!“, hatte sein Vater damals zu ihm gesagt, als er mit der Bitte der Namensänderung an ihn herantrat. „Glaubst du wirklich, dass du zu schwach bist, um gegen diese ganzen Hofintrigen nicht ankommen zu können?“ „Nein!“, hatte Galen damals geantwortet. „Aber ich sehe keinen Sinn darin mich damit auseinander zu setzen und meine Zeit zu vergeuden. Ich diene dir, dem Reich und den Göttern lieber auf eine andere Weise. Unerkannt und als dein absoluter und verlässlicher Rückhalt. Und meine Kinder und Kindeskinder

werden das ebenso handhaben.“ Galen sah, wie er damals verschmitzt gelächelt hatte. „Unser Drachenblut wird uns sowieso keine andere Wahl lassen, als den Göttlichen zu dienen, nicht wahr, Vater?“ Voller Schmerz krümmte sich Galen. Er hatte damals bereits so viel mehr erkannt als jetzt. Und ausgerechnet jetzt sollte er diesen Part des Kaisers übernehmen, auf den er so gar nicht vorbereitet war? Auch wenn er sich dazu entschlossen haben sollte wieder geboren zu werden, um Tamriel und den Göttlichen zu dienen, er hatte es vergessen. Er hatte alles vergessen und er war störrischer und unvorbereiteter dafür, als jemals

zuvor. „Talos… Vater…“ Galen wusste nicht wie er sein Gegenüber ansprechen sollte. Er erinnerte sich an den dynamischen, charismatischen Mann mit der großen Vision, der sein Vater gewesen war genauso, wie er sich an Talos erinnerte, den er in seiner jetzigen Inkarnation als einen der Göttlichen kennen gelernt hatte. „Ich kann es nicht tun! Von General Briganus Manebarba ist nichts übrig geblieben.“ Entkräftet ließ Galen die Schultern fallen. „Ich bin ein einfacher Mann mit einfachen Bedürfnissen geworden. Ich möchte nichts lieber tun als meine zweite Liebe zu finden und mit ihr eine Familie zu

gründen. Hier in Himmelsrand. Und vielleicht den Gefährten helfen. Im Kleinen versuchen, die Welt zu einem etwas gerechteren Ort zu machen. Das was Ihr von mir verlangt ist zu viel.“ Niedergeschlagen blickte Galen zu Boden. Er wagte es nicht Talos in die Augen zu sehen. In diese seltsamen Drachenaugen, die auch er hatte und die wohl nur diejenigen mitbekamen, in denen das Drachenblut in seiner stärksten Form ausgeprägt war. Als keine Antwort kam blickte Galen doch auf. Er sah direkt in Talos Augen, die traurig auf ihm ruhten. „Ich weiß, mein Sohn…“, antwortete ihm Talos schließlich. „Dennoch ist es dein Weg.

Entsagst du ihm wieder, wird deine Seele erneut keine Ruhe finden und du wirst Akatosh um eine weitere Inkarnation bitten. So schlimm es auch aussieht, man kann seinem Schicksal nicht entfliehen.“ Enttäuscht schloss Galen die Augen. Heiße Tränen quollen darunter hervor. Er wollte diese Bürde nicht. Andererseits wollte er endlich seinen Frieden. Die Aussicht, nach seinem Tod wieder keine Ruhe zu finden war genauso abschreckend, wie die Aussicht auf ein Leben in höfischen Zwängen. Fahrige Bewegungen ließen ihn schließlich wieder die Augen öffnen. Talos schien etwas zwischen seinen Händen zu formen. Heftig glühten die

bläulichen Energien, die sich immer mehr verdichteten. Als er fertig war, überreichte er Galen eine kleine Figur. Sie war gerade einmal so groß wie ein Daumen und wirkte wie ein sitzender Troll, der sein Kinn auf seinen Arm gestützt hatte. Die Pose wirkte nachdenklich und auch erhaben, aber die Troll-Figur machte das alles irgendwie wieder zunichte. „Äh…“, fragte Galen unbeholfen und drehte das Figürchen hin und her. „Ich weiß!“ Genervt winkte Talos ab. „Ich bin kein guter Bildhauer. Nicht einmal als Gott. Diese Figur sollte ein Abbild von mir sein…“ Galen konnte nicht anders. Trotz der

misslichen Lage musste er lachen. Talos Stirn faltete sich ärgerlich. Dann musste aber auch er schmunzeln. „Wenigstens hast du deinen Humor nicht verloren…“, sagte er. „Den wirst du brauchen. Und auch wenn diese Figur wirklich nicht mein erhabenes Äußeres wieder zu geben vermag…“ Jetzt musste auch Talos schallend lachen. Als er sich beruhigt hatte, fuhr er weiter fort: „Wie auch immer. In dieser Figur steckt ein Teil von mir. Sie wird dir helfen. Vertrau mir. Damit kannst du deine Aufgabe mit Leichtigkeit erfüllen. Und, bedenke Brigan, in dir steckt eine ungeheure Kraft und ein unbezwingbarer Geist. Wenn jemand mit dem verstaubten,

kaiserlichen Getue am Hof aufräumen kann, dann du.“ Jetzt richtete sich Talos zu seiner ganzen Größe auf. Jedenfalls zu der Größe, welche die Statue innehatte. „Bedenke auch folgendes: Deine Linie ist die letzte Linie des wahren Drachenblutes. Außerdem hast du Alduin besiegt. Etwas von seiner Kraft ist damit auch auf dich übergegangen. Du kannst das Drachenfeuer somit ohne jegliches Amulett entzünden. Zeig es den Zweiflern und nimm deinen Platz ein. Vollbringe das, was ich angefangen habe und lass es in deinen Kindern weiter leben.“ Etwas von Talos Feuer sprang nun auch

auf Galen über. Mit der Hilfe eines Gottes an seiner Seite, wirkte wirklich alles nicht mehr so schwer. Und wenn er ein wenig Rabatz machen durfte, als Kaiser, wie den verstaubten Ältestenrat ein wenig zu schockieren, fühlte sich Galen gar nicht mehr so abgeneigt. Ihm fielen sofort auch noch mehr Sachen ein, die schon längst geändert gehörten und bekam richtiggehend Lust darauf, das auch auszuführen. „Doch Halt!“ Ihm war etwas eingefallen. „Es gibt etwas, das mich schon die ganze Zeit zweifeln und Euch insgeheim verfluchen ließ. Habt Ihr damals Eure Finger im Spiel gehabt, als meine geliebte khajiitische Frau und meine

ganze dortige Familie an der Pest starb?“ Talos wirkte schockiert. „Wo denkst du hin? Du hast dich gewehrt, doch zu solchen Mitteln hätten wir nie gegriffen. Glaub mir, wir haben andere Möglichkeiten, die dich gefügig gemacht hätten und sie wären nur allein auf deine eigene Person beschränkt gewesen. Die Schmerzen in deinem Geburtsmal waren gerade einmal der Anfang.“ Galen entspannte sich. „Hast du mich eigentlich gehört, wenn ich so meine Zwiesprachen mit Euch hielt?“ Jetzt lächelte Talos. „Immer. Und glaub mir, du bist noch genauso nervig und schwatzhaft, wie früher.“ „Guuut“, meinte Galen zufrieden. „Stell

dich darauf ein noch viel mehr von mir zu hören zu bekommen.“ Mit einem frechen Grinsen nestelte er an seinem Hals und zog ein dünnes Lederband hervor, an dem der Siegelring der Manebarbas hing. Gleich daneben fädelte er das kleine Troll-Figürchen auf und hängte sich das Ganze wieder um den Hals. „Und… dass das klar ist… ich werde die Dinge auf meine Art regeln. Auch die ganze ‚Kaiser-Geschichte‘.“ Ein tiefes, volles Lachen antwortete ihm. Talos war in der Zwischenzeit wieder auf den Sockel gestiegen. „Nichts anderes haben wir von dir erwartet.“ Ein letzter freundlicher Blick traf Galen, dann wich jedes Leben aus der Statue und sie sah

genauso steinern und ernst auf ihn herab, als hätte sich Talos nie darin lebendig gezeigt. Galen kratzte sich am Kopf und tastete nach dem kleinen Talos-Troll. Er hing tatsächlich neben dem Siegelring am Lederband. „Dann hab ich mir das alles doch nicht eingebildet…“, murmelte Galen. Kurz wollte er noch über alles nachsinnen, als ein lautes Krachen ihn zusammenzucken ließ. Da versuchte jemand unmissverständlich in das Innere des Tempels zu kommen und Galen hätte schwören können, denjenigen genau zu kennen. Doch bevor noch etwas ernsthaft beschädigt werden konnte, lief Galen zum großen Tor und

öffnete es. Farkas, der sich soeben anschickte erneut mit aller Kraft gegen das Eingangsportal zu stürmen, taumelte durch die unvermutet aufgerissenen Türen und fiel der Länge nach auf den marmornen Steinboden. Völlig ramponiert und blutig richtete sich der Kämpfer auf und blickte Galen an, als wäre diesem soeben ein Drachenkopf gewachsen. „Galen!“, rief er völlig außer sich. „Was soll das alles bedeuten? Stiftest du wieder einmal aus lauter Langeweile Unfrieden?“ Das Drachenblut half dem Krieger aufzustehen und fasste in eine neu aufgeplatzte Wunde, aus der frisches Blut herauslief. „Nein. Bei mir ist alles

in Ordnung, aber du hast bei deinem letzten Auftrag wohl so einiges abbekommen. Warum lässt du dich nicht heilen, anstatt den Tempel-Boden mit deinem Blut zu tränken.“ Farkas richtete sich auf und presste sofort seine Hand auf seine Hüfte um die Blutung ein wenig einzudämmen. Im Hintergrund hörten sie wie der Priester soeben jammernd seinen heiligen Tempel betrat. Und hinter ihm kamen gleich die Gefährten, die sich ungeniert in das Innere drängten. „Wir sind in einen Hinterhalt geraten und konnten nur mit Mühe unseren Auftrag erledigen“, grollte Farkas. „Njada hat es weitaus schlimmer erwischt. Und, als wir gerade eben nach

Hause kamen, war alles in Aufruhr und du angeblich im Tempel eingeschlossen.“ Jetzt blickte der große Nord ernst auf seinen Freund. „Sag mal, stimmt das, was die anderen behaupten? Du sollst der nächste Kaiser von Tamriel werden?“ Galen grinste breit, stützte Farkas aber und dirigierte ihn aus dem Tempel hinaus in Richtung Jorrvaskr. Athis sprang sofort auf die andere Seite des Kriegers und stützte ihn ebenfalls. „Ich wehrte mich zuerst dagegen“, merkte Galen an. „Doch Talos selbst belehrte mich eines Besseren.“ Farkas hielt an der Schwelle inne und blickte entsetzt in Galens belustigte Augen. „Die Göttlichen mögen uns

beistehen!“, entfuhr es ihm. Gemeinsam gelang es Galen und Athis, den verletzten Farkas in die Met-Halle Jorrvaskrs zu schleifen. Dort setzten sie ihn auf eine der Bänke. Augenblicklich kam Setha herbeigeschossen und half mit Farkas von seiner Rüstung zu befreien. Dabei schimpfte sie unentwegt, bis Farkas ihren Arm auffing. „Setha!“, knurrte er. „Ich lebe doch noch. Ich hatte schon weit schlimmere Verletzungen.“ „Davon will ich überhaupt nichts hören!“, empörte sich die junge Frau und drückte Farkas etwas gegen die stark blutende Wunde. Dabei liefen ihr die Tränen herab. Sie würde wohl nie klüger werden. Aber hier reagierte einfach ihr

Urinstinkt. Der Mann, in den sie heimlich verliebt war und den sie von allen am meisten bewunderte, saß blutend vor ihr. Setha war völlig aufgelöst vor Sorge. Dass jeder der Gefährten über ihre Verliebtheit bereits Bescheid wusste, außer Farkas selbst, war ihr nicht bewusst. Sie bekam auch gar nicht mit, dass Galen und Athis sich lächelnd abwandten und Farkas völlig ihrer Führsorge überließen. Sie hatte nur Augen für den verletzten Krieger. Mit geschickten Händen versorgte sie seine Wunde und legte einen Verband an. Farkas Muskeln auf seinem nackten Oberkörper zuckten unkontrolliert während der Behandlung. Die scharfe

Heilsalbe, die Hana bereits Vilkas Rücken angedeihen hatte lassen, brannte fürchterlich. Kein Ton kam über die Lippen des großen Mannes, aber gegen die unkontrollierbaren Muskelreaktionen konnte auch Farkas nichts tun. In der Zwischenzeit hatte jemand einen Heiltrank an ihn weiter gereicht, den er sogleich austrank. Das Brennen ließ ein wenig nach, was er dankbar zur Kenntnis nahm. Farkas genoss es von der jungen Frau umsorgt zu werden. Die letzten Ereignisse fielen ihm dabei wieder ein. Das, was er am Übungsplatz gehört hatte, als Njada meinte, Setha wäre bis über beide Ohren in ihn verliebt. Damals hatte

er es als Humbug abgetan. Aber, was wäre, wenn vielleicht doch etwas Wahres an diesen Worten dran war und Setha vielleicht doch auch Gefallen an einem schwerfälligen Nord wie ihm finden konnte? Setha, die Farkas brennenden Blick, mit dem er sie ansah, bemerkte, wurde tiefrot. Galens Worte von vorhin hallten in ihr nach und ihr wurde beinahe schwindelig vor Glück. Sollte sie sich tatsächlich so sehr getäuscht haben und Farkas hatte wirklich Gefallen an IHR gefunden? Völlig aufgeregt zog sie am Verband an, dass Farkas vor Schmerz zusammenzuckte. Entsetzt hielt sie inne und stammelte Unzusammenhängendes,

was den großen Mann schließlich breit lächeln ließ. Setha gefiel Farkas in ihrer Unbeholfenheit und Verlegenheit noch besser. So wie es aussah, schien sie sich wirklich mit einem derben Nord wie ihm arrangieren zu können. Gerade als er sich mit diesem Gedanken langsam anfreunden konnte und er das wohlige Gefühl einer neuen Liebe behutsam in sich aufkeimen ließ, anstatt es wie bisher zu unterdrücken, wurde er jedoch brutal aus all seinen Betrachtungen herausgerissen. Galens Schrei hatte nichts Menschliches mehr an sich. Aber ein Drachenschrei war es auch nicht. Alarmiert sprang

Farkas auf, da stürmte der zukünftige Kaiser Tamriels bereits aus den Schlafunterkünften hoch. Dicht gefolgt von seiner nun wohl allseits bereiten Leibgarde. „Hat jemand Hana gesehen?“, rief er und blickte sich gehetzt um, doch von seiner Schwester fehlte jede Spur und es wusste auch niemand wo sie stecken könnte. Betreten blickten sich alle an. Athis versuchte in seiner besonnenen Art die Eskalation zu beruhigen. „Bleibt ruhig!“, meinte er. „Vielleicht wurde sie nur im Tempel aufgehalten, oder sie hilft Danica bei Belethors Frau. Als wir nach Hause kamen, sahen wir Danica mit fliegenden Röcken zum Haus des

Händlers eilen. Die Schmerzensschreie der Gebärenden waren aber auch nicht gerade zu überhören gewesen.“ Das Drachenblut ließ sich trotzdem nicht beruhigen. „Du kannst schon recht haben, aber dennoch habe ich es verabsäumt bei Einbruch der Dämmerung nach ihr zu sehen. Und jetzt ist es bereits mitten in der Nacht! Wir wissen doch alle, welches Interesse die Vampire an ihr und meinem Neffen haben!“ Setha hielt ihre Hände auf den Mund gepresst, um nicht vor Entsetzen aufzuschreien. Hana war nicht nur ihre Lebensretterin. Das Mädchen, das nur ein paar Jahre jünger als sie selbst war, wurde ihr in all der Zeit, die sie bereits

bei den Gefährten verbracht hatte, eine mehr als nur gute Freundin. Farkas drückte beruhigend ihren Arm. Voller Hoffnung und Vertrauen sah Setha zu ihm auf. Ihr Blick rührte Farkas Herz. Doch die kurze Vertrautheit, die zwischen ihnen aufkam, konnte sich nicht weiter vertiefen. Madi drängte sich vor und deutete in Richtung des Kynareth-Tempels. „Hana ist weg!“, rief sie dabei, was sofort alle in hellen Aufruhr versetzte. Setha hob Madi auf. „Was sagst du da?“, fragte sie fassungslos. Doch Farkas mischte sich ein, als er Madis verschreckten Blick sah, weil sich

alle auf das Kind stürzten. „Lasst sie in Ruhe!“, rief er mit seiner tiefen Stimme. „Schauen wir lieber selbst zum Kynareth-Tempel!“ Galen war mit seiner Leibgarde bereits bei der Tür draußen, als Farkas noch für ein wenig Ordnung sorgte, damit nicht alle kopflos hinausstürmten. „Ria, Thorald! Ihr bleibt mit den Jungspunden hier und passt auf Setha und die Verwundeten auf!“ Damit polterte auch er ungeachtet seiner eigenen Verletzungen hinaus und lief den anderen

nach. ******* Der unsichere Fackelschein ließ Hana das kleine Mädchen nicht gut sehen. Sie wunderte sich auch, dass das Kind, das sie für Madi hielt, vor ihr davonlief. Doch in dem Moment dachte sie nicht nach. Sie folgte dem Kind und umrundete den Tempel, dessen Rückseite in nächtlicher Dunkelheit vor ihr lag. Nur schemenhaft konnte sie die Umrisse der Umgebung ausmachen, was eben durch die Sterne und das Licht der beiden Monde erhellt wurde. Von dem kleinen Kind allerdings fehlte jede

Spur. „Madi!“, rief Hana. „Wo steckst du? Jetzt ist nicht die Zeit um Verstecken zu spielen!“ Mühsam tastete sie sich voran, während Schauer ihren Rücken herunter rannen. Das unheimliche Zittern des Bodens tat dazu das Übrige, dass Hana langsam das Gefühl bekam eine Dummheit begangen zu haben. So rasch sie konnte wandte sie sich um und wollte wieder auf das Licht zueilen, das ihr in flackernder Weise die Richtung zur Stadtmitte zeigte. Doch sie kam nicht dazu. Etwas zerrte an ihr und ließ sie nicht von der Stelle kommen. Im Gegenteil. Hana fühlte, wie sie noch tiefer in den

Schatten gezerrt wurde. Jetzt begann sie wirklich Angst zu haben. Vor allem, als sich langsam eine hochgewachsene Gestalt vor sie schob. Das magische Licht, das der Hochelf in seiner Hand aufflackern ließ, beleuchtete die aristokratisch-arroganten Gesichtszüge des Thalmor. Hana schrie auf, doch auch ihre Stimme wurde magisch gedämpft. „Oh, meine liebe, gewandte Lügnerin!“, säuselte der Elf. „Erkennt Ihr mich wieder? Wir sind uns schon einmal begegnet. Damals habt Ihr es jedoch verstanden mich in die Irre zu führen, Lady Manebarba. Das wird Euch nun nicht mehr glücken.“ Gemeines, triumphierendes Lachen ertönte. „Und

Euren angeblichen Ehemann, habt Ihr im Moment auch nicht auf Eurer Seite. Hmmm. Sieht nicht gerade gut für Euch aus, Mylady…“ „Das… das Kind…“, stammelte Hana. „Was habt Ihr mit Madi gemacht?“ Der Elf lachte. „Das Kind? Oh, Ihr meint wohl meine Gefolgsfrau. Sie beherrscht die Illusionsmagie besonders gut. Die ‚echte‘ Madi, war niemals bei uns.“ Schadenfroh blickte er auf Hana. „Ihr Menschen seid so berechenbar. Wir mussten nur die richtige Gelegenheit abwarten. Und das hat ja gar nicht so lange gedauert, wie man sieht.“ Wieder lachte er. Hana spürte wie Übelkeit in ihr aufstieg.

Sie war den Thalmor in die Falle gegangen und so wie es aussah, würde sie sich nicht daraus herausreden können. Sie wussten genau wer sie war. Unkontrolliert begann sie zu zittern. „Was… was wollt Ihr von mir? Mein Vater ist tot! Ihr habt doch schon alles, was meiner Familie jemals gehört hatte!“ Der Elf nickte seinen Leuten zu, die sich nun ebenfalls näherten und Hana den Rückweg abschnitten. „Ihr habt wirklich keine Ahnung, wer Ihr seid.“ Nachdenklich sah er auf das Mädchen. „Ich werde Euch den Gefallen tun, Euch aufzuklären, bevor wir unseren Auftrag zu Ende bringen.“ „Auftrag? Welchen Auftrag?“, fragte

Hana, während die blanke Panik von ihr Besitz ergriff. „Die letzte, direkte Blutlinie Tiber Septims endgültig auszulöschen!“ Triumphierend ließ der Elf seine Worte nachhallten und genoss Hanas schreckgeweitete Augen. „Ja, Ihr habt richtig gehört“, bekräftigte er. „Ihr und Euer Bruder seid in direkter Linie Abkömmlinge Tiber Septims und wärt somit Anwärter auf den Kaiserthron – wenn wir Euch am Leben lassen würden.“ „Eure Lordschaft!“, meldete sich die Thalmor zur Wort. „Sagtet Ihr nicht, dass wir sie als Köder für ihren Bruder benutzen

werden?“ Der aristokratische Elf lachte wieder unangenehm. „Ja, das sagte ich“, fügte er an. Dabei musterte er Hana von oben bis unten. „Doch dazu muss sie nicht mehr unbedingt am Leben sein, oder? Und schon gar nicht das Kind. Kein Septimabkömmling darf am Leben bleiben!“ Hana schrie auf und taumelte zurück. Schützend schlossen sich ihre Arme um Varis, als der Hochelf sich ihr näherte. Wie durch Magie materialisierte ein scharfer Dolch in dessen Hand. Hana war nicht fähig ihren Blick von der drohenden Gefahr abzuwenden. Wenn sie sich umdrehen und wegrennen würde,

hätte sie sofort verloren und den scharfen Dolch im Rücken. So taumelte sie weiter zurück, bis sie die Tempelmauer in ihrem Rücken spürte. In den goldenen Augen des Hochelfs lag Triumpf als er ausholte und Hana den Dolch ins Herz stoßen wollte. Sie sah die fein geschwungene, todbringende Waffe auf sich zukommen, doch Hana hatte nichts, womit sie sich zur Wehr setzen könnte. Nicht, dass sie eine ausgebildete Kämpferin war, doch Grundkenntnisse im Gebrauch von Dolchen und Kurzschwertern hatte auch sie. Verzweifelt schloss sie die Augen und hielt Varis dabei fest an sich gedrückt. Der Hochelf sah sich schon am Ziel

seiner Aufgabe. Mit einem Ruck drückte er den Säugling herab um besseren Zugang zu Hanas Herzen zu bekommen. Dann stieß er zu. Die leise gemurmelten Worte, die an sein Ohr drangen, waren wohl das letzte Gebet des Mädchens. Doch anstatt auf Widerstand zu stoßen, spürte er sich plötzlich nach vorne taumeln. Seine Hand, mit der er den Säugling herunterdrückte fuhr durchs Leere, ebenso wie der Dolch, mit dem er auf Hanas Herz gezielt hatte. Völlig verwundert richtete er sich auf. „Was ist das für eine unheilige Magie?“, schrie er aufgebracht, denn das Mädchen stand mit ihrem Kind immer noch vor ihm. Besser gesagt, sie lief gerade durch

ihn durch! Als der Dolch auf sie zufuhr spürte Hana, wie ihr Geburtsmal zu schmerzen begann. Brennende Hitze, einer Stichflamme gleich, fuhr durch sie und mit dieser Hitze ein Wort, das sie murmelnd aussprach: „FEIM“ Das war ihr Erbe, ihr Drachenschrei, den sie mit in die Wiege gelegt bekommen hatte. „FEIM“ war der Ruf, der die ätherische Gestalt beschwor. Ihr Körper und alles was sie an sich hatte, wurde damit unangreifbar, ätherisch und durchscheinend. Das Drachenblut war zwar nicht so dominant in ihr, wie in ihrem Bruder, doch es war da und instinktiv wandte sie es an, auch ohne

davon Kenntnis zu haben. Es tauchte einfach in ihr auf. Als sie dann mitbekam, wie der Dolch, zusammen mit der Hand des Elfen durch sie hindurchglitt, raffte sie so schnell sie konnte ihre Röcke und lief davon. Direkt durch ihn hindurch. Sie hatte zwar das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, doch die anderen beiden Thalmor verstellten ihr den Weg. Durch den ersten kam sie ebenfalls hindurch, doch bei der Frau hatte ihr Drachenschrei bereits seine Wirkung verloren. Schmerzhaft prallte sie von ihr ab. Sie probierte nochmals den Schrei zu formen, doch so schnell hintereinander war es nicht möglich. Mit einem

verzweifelten Schritt zur Seite versuchte sie dennoch an der Thalmor vorbei zu kommen, als sie sich plötzlich an ihren Haaren zurückgerissen fühlte. „Ihr geht mir auf die Nerven, mit Eurem Drachenblut!“, rief der adlige Hochelf erzürnt. „Aber damit ist jetzt Schluss! Noch einmal entkommt Ihr mir nicht.“ Hana versuchte nochmals die Worte zu formen, doch der Hochelf hielt ihr den Mund zu. Hana wehrte sich aus Leibeskräften und biss so fest in seine Hand, dass sie Blut schmeckte. Sofort wurde sie losgelassen. Der überraschte Schmerzensruf des Thalmor hallte in ihren Ohren, als sie nach vor stolperte und versuchte sich abzufangen. Eine

Hand hatte sie ständig um Varis geschlungen, der mittlerweile hektisch zu schreien begonnen hatte. So schnell sie konnte versuchte Hana aus dem Gefahrenbereich zu kommen. Sie reagierte nicht einmal, als sie hinter sich das widerliche Brechen von Knochen vernahm. Woran oder wieso der Thalmor sich plötzlich etwas gebrochen hatte, darüber dachte sie nicht eine Sekunde lang nach. Sie wollte nur weg, prallte aber entsetzt zurück, als vor ihr plötzlich ein schwarzer Schatten landete. Ein dunkler, wehender Umhang war alles, was sie erkennen konnte. Die beiden Gefolgsleute des Hochelfen schrien entsetzt auf. Einer von ihnen wurde

sofort von einem Schlag des Unbekannten gegen die Tempelmauer geschleudert. Der Aufprall war so hart, dass wieder das typische Geräusch von brechenden Knochen ertönte. Leblos sank der Körper des Hochelfen an der Tempelmauer herab. Hana kauerte sich in ihrem Entsetzen zusammen. Sie wusste nicht mehr was geschah. Um sie herum schien nur mehr Chaos zu herrschen. Inbrünstig flehte sie zu den Göttern, wenigstens ihr Kind zu schützen, da ließ sie der gurgelnde Schrei der Thalmor erneut zusammenzucken. Schmatzende Laute erklangen, aber Hana konnte nichts erkennen. Der schwarze Schatten stand

genau zwischen ihr und der Hochelfe. Schließlich ertönte ein zufriedenes Grunzen und der leblose Körper der Frau glitt zu Boden. Hana sah wie ihr Oberkörper auf dem Boden aufprallte, als sie so hinfiel, dass der schwarze Schatten ihre leblose Hülle nicht mehr komplett verdecken konnte. Wie es schien hatte dieses Ding, was immer es auch war, die drei Thalmor getötet und sie würde nun unweigerlich die Nächste sein. Hana war zwar ihren ersten Widersachern entkommen, doch das, was da vor ihr stand, machte ihr weit mehr Angst, als die drei Hochelfen zusammen. Wimmernd versuchte Hana rückwärts zu robben, doch hinter ihr lag

der tote Körper des Elfenlords, der sie am Weiterkommen hinderte. Doch selbst wenn sie nichts aufgehalten hätte, hätte es ihr dennoch nichts genützt, denn der schwarze Schatten drehte sich mit einer raschen, geschmeidigen Bewegung zu ihr um. Rotglühende Augen fixierten sie und im fahlen Licht der Monde konnte Hana sehen, wie ein zufriedenes Lächeln scharfe Eckzähne in einem mehr als bleichen Gesicht freigab. Einzig die Haare kamen ihr bekannt vor. Kurz und sehr hell, mit einem kleinen Zopf an der Seite. Ihr gellender Schrei erstarb unter der Hand des Vampirs, welche er ihr in unnachahmlicher Schnelligkeit auf den

Mund presste. „Schsch…“, tadelte der Untote. „Du wirst doch deinen eigenen Mann noch erkennen, meine Liebste, oder nicht?“ Ein heiseres Lachen erklang. Nicht einmal Heimkars Stimme war dieselbe geblieben. „Ich habe mich vielleicht ein klein wenig verändert, aber doch nur zu meinem Vorteil!“ Kratzend wie Bärenklauen über steinigem Grund, hörten sich seine Laute an. Nichtsdestotrotz fuhr er weiter fort: „Dass du mich so hysterisch begrüßt, trifft mich wirklich hart! Dabei möchte ich doch nur meine kleine Familie wieder zu mir holen!“ Hana spürte, wie ihr schwindelig wurde.

Hitze und Übelkeit stiegen in ihr auf, dann schwanden ihr die Sinne. Die Begegnung mit ihrem untoten Mann, war nach der Bedrohung durch die Thalmor einfach zu viel für sie. Heimkar fing seine Frau auf und hob sie hoch, als wäre sie gewichtslos. Seinem immer noch schreienden Sohn legte er einen klauenartigen Finger auf den Mund und murmelte etwas, was den Säugling sofort verstummen ließ. „So ist es gut!“, krächzte Heimkar leise. „Keine Angst. Du wirst dich noch an deinen richtigen Vater gewöhnen!“ Nochmals fiel sein Blick auf die toten Hochelfen. Heimkar überlegte, ob er sich nicht doch noch an einem weiteren Opfer

laben sollte, doch eigentlich war sein Blutdurst halbwegs gestillt und bereits tote Körper auszusaugen missfiel selbst ihm. Stattdessen hob er seine Frau noch weiter an und biss in die pulsierende Schlagader an ihrem Hals. Ihr Blut schmeckte berauschend. Viel besser als das der Hochelfen. Heimkar keuchte vor Erregung und konnte sich nur mit Mühe beherrschen Hana nicht zu viel des kostbaren Lebenssaftes zu berauben. Gierig leckte er über seine Lippen. „Ich habe ganz vergessen wie gut du schmeckst, meine Teure“, flüsterte er an ihrem Hals und verschloss mit seinem Speichel die Wunde, damit sie nicht verblutete.

Mühsam bezwang er auch seine Erregung. Vampire konnte zwar keine Kinder mehr zeugen, aber des Beischlafs waren sie immer noch fähig. Vor allem, wenn sie gesättigt waren und der Blutrausch noch nachwirkte. „Du wirst wieder ganz zu mir gehören“, flüsterte er weiter und fuhr mit seinen Lippen über ihren leicht geöffneten Mund. Ein Zittern fuhr durch ihn, doch schließlich hatte er sich wieder unter Kontrolle. Tastend fuhr Heimkars Hand an seinen Hals. Das Amulett, welches seinen Geruch verbarg, war immer noch fest an Ort und Stelle. Den Werwölfen würde es auch diesmal nicht gelingen ihn ausfindig zu machen. Hana gehörte zu

ihm. Und in spätestens drei Tagen, wenn auch sie zu einem Vampir geworden war, würde sie ihrem ‚Wölfchen‘ keine Träne mehr nachweinen. Ein Lächeln der Vorfreude legte sich über Heimkars Antlitz. Dann schlang er seinen Umhang ganz um Hana und seinen Sohn, damit auch die beiden in seiner vom Amulett geschützten Umhüllung waren und sprang ohne Anstrengung auf das Dach des Tempels. Ein kurzer Blick über Weißlauf zeigte ihm, dass es höchste Zeit war, mit seiner kostbaren Beute zu verschwinden. Das blaue Glühen im Talos-Tempel, das alle Gefährten so gut abgelenkt hatte, war bereits erloschen. „Ihr werdet zu spät

kommen, Wölfchen!“, lachte er heiser. Dann sprang er weiter zum nächsten Dach und zum nächsten, immerfort, bis er mit einem letzten Satz über die Begrenzungsmauer von Weißlauf huschte. Ein schwarzer Schatten, dessen Kommen und Gehen in der Nacht, selbst bei hell leuchtenden Fackeln, so gut wie kaum jemand zur Kenntnis nahm. Und wenn, glaubte derjenige an eine Täuschung – so schnell und lautlos, wie sich der Vampir zu bewegen verstand.

29 das neue rudel

Die bereits hereingebrochene Nacht hatte die Straßen Weißlaufs leergefegt. Bis auf einige Wachleute war kaum mehr ein Bewohner zu sehen. Zumindest oben im Wolkenbezirk. Und das, trotz des Spektakels, das um den neu erbauten Talos-Tempel stattgefunden hatte. Dagegen waren unten, im Marktbezirk, die Zecher noch unterwegs und auch einige Spätheimkehrer trotteten zur ‚Beflaggten Mähre‘, um ihre überfällige Abendmahlzeit zu bekommen. Doch hier oben, rund um den Guldengrünbaum, war alles ruhig.

Mit gezogener Waffe lief Farkas Galen und den anderen in Richtung Kynareth-Tempel hinterher. Der Heiltrank hatte zwar seine Wirkung getan, dennoch spürte Farkas die Beeinträchtigung, die er durch seine Verletzung hatte. Außerdem brannte noch immer die Salbe in seiner Wunde, was ihm leise Flüche über die Lippen trieb. Ein dröhnender Schrei ließ ihn kurz inne halten. Der Drachenruf, den Galen ausgestoßen hatte, brachte alles zum Erzittern. Farkas, der diesen Ruf schon öfter gehört hatte, kannte die Wirkung und beschleunigte unbewusst seine Schritte. Galen musste Verhängnisvolles

entdeckt haben, wenn er seine Kräfte mit diesem zwar eindrucksvollen, aber wirkungslosen Schrei vergeudete. Farkas fürchtete das Schlimmste. Athis war so geistesgegenwärtig gewesen, dass er eine brennende Fackel mitgebracht hatte. Farkas hätte die Szene durch seine Wolfsaugen auch ohne Licht gut erfassen können, dennoch fiel ihm sein Herz in die Hose, als er um die Ecke kam und die Leichen im zuckenden Fackelschein vor sich liegen sah. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass es sich dabei wenigstens nicht um Hana handelte. Doch dass es ausgerechnet Thalmoragenten waren, brachte sein ansonsten stets ruhiges Blut in

Wallung. „Diese verruchten Thalmor!“, fluchte er. „Wir haben sie aus Himmelsrand vertrieben! Dennoch erdreisten sie sich hier herumzuschnüffeln!“ Galen lehnte mit hängenden Schultern an der Wand des Kynareth-Tempels, während sein alter Freund Rainus vor ihm stand und ihn mit respektvollem, wie auch mitfühlendem Blick, ansah. Auch die beiden anderen Männer seiner neuen ‚Leibgarde‘ starrten ihren künftigen Kaiser fassungslos und gleichzeitig voller Ehrfurcht an. Für sie war Galens Macht der Stimme eindeutig eine neue Erfahrung. Als Galen Farkas Bemerkung hörte, drehte er sich zu seinem Gefährten

um. „Sie haben Hana und den Kleinen!“, sagte er. Seine Worte waren voller Verzweiflung und Selbstanklage. „Die Thalmor?“, fragte Farkas erstaunt. Seine feine Nase trug ihm nur den Geruch der Hochelfen zu und irgendetwas, das nicht einzuordnen war. Wild blickte er um sich und versuchte Hanas Geruch einzufangen. Die Richtung in die sie weggeführt worden war, doch es war nichts auszumachen. „Nein, Farkas“, antwortete Galen. Dabei deutete er auf eine der Leichen. „Die Vampire!“ Farkas spürte wie sein Blut in den Adern gefror. Doch Galen hatte Recht. Die

Leiche der Thalmoragentin war blutleer und die klaffenden Löcher an ihrem Hals zeigten eindeutig, wer wohl Verursacher ihres Dahinscheidens war. Ein weiterer Schrei durchbrach die Ruhe des Wolkenbezirks. Doch es war kein Drachenschrei, sondern ein beinahe heulendes Wimmern. Es dauerte bis Farkas erkannte, dass er selbst es war, der diese Laute ausstieß. Sein Hass auf diese Blutsauger, die seine Frau und sein Kind auf dem Gewissen hatten, drohte ihn beinahe zu ersticken. Seit dem Vorfall im Troll-Land, als er sich in seiner Werwolf-Form verloren hatte, versuchte er sie aufzuspüren. Es gab seitdem kaum eine Gelegenheit, in der er

nicht versucht hätte ihrer habhaft zu werden. Doch durch irgendeine unheilige Magie war ihm das seither nicht möglich gewesen. Er hatte auch alles in der näheren Umgebung abgesucht und bei jedem Auftrag – wo auch immer dieser ihn hingeführt hatte – hatte er sich umgehört, ob es dort vielleicht rätselhafte Vorkommnisse gegeben hatte, die auf Vampire hingedeutet hätten. Aber jede Spur und jeder Hinweis war bis jetzt im Sand verlaufen. Und nun waren die Vampire einfach hierhergekommen und hatten Hana und den Kleinen mit sich genommen. Farkas spürte den unbändigen Drang ihn sich, sie mit seinen Wolfsklauen zu

zerfleischen. Einfach einem nach dem anderen das unheilige Lebenslicht aus dem untoten Leibe zu reißen. Das blieb nicht ohne Folgen. Langsam veränderte sich sein Wimmern und wurde immer mehr zu einem Heulen. Der Werwolf war dabei die Oberhand zu gewinnen. Da legten sich raue Hände auf seinen Arm. „Farkas!“ Langsam drang Galens Stimme zu ihm durch und er richtete seinen bereits gelb glühenden Blick auf ihn. „Nicht Farkas! Du kannst alleine nichts gegen sie tun! Wer weiß, wie viele sie schon sind. Wir brauchen einen Plan und müssen uns zuerst gut vorbereiten!“ Es dauerte, aber mit ein paar tiefen

Atemzügen bezwang Farkas die Wolfsbestie in sich. Doch sein Plan stand bereits fest. „Nein! Wir müssen sie sofort suchen! Wir haben keine Zeit uns vorzubereiten!“, rief er. Fest packte Galen den großen Nord an den Schultern und blickte ihm tief in die Augen. „Keiner will schneller los als ich, um Hana zu suchen und diese Brut ein für alle Mal auszulöschen! Doch wir müssen uns zuerst organisieren. Wir müssen Suchtrupps bilden, denn du kannst sie nicht aufspüren. Und ein Werwolf ist außerdem sowieso zu wenig!“ „Sollen wir warten, bis Vilkas zurückkommt?“, fragte Athis

aufgebracht. Selbst der ansonsten so bedachte Dunkelelf war in Rage geraten. „Wir müssen jetzt los! Ich hole die anderen!“ „WARTE!“ Galens Stimme ließ alle einfrieren. Die Frequenz drang in die Knochen vor und hinterließ einen scharfen Schmerz, der bis in den Schädel hochstieg. Farkas griff sich auf den Kopf. „Lass das Galen!“, rief er. „Sag uns lieber was du willst!“ Galen warf einen Blick auf Rainus und dessen Männer. „Rainus, das ist etwas, das nur die Gefährten etwas angeht. Ihr müsst euch zurückziehen.“ „Waaas?“ Rainus fuhr sich verwirrt

durch seine dunklen, glatten Haare. Seine schwarzen Augen fixierten Galen, während sein - nach kaiserlicher Tradition - fein gestutzter Bart zu zittern anfing, da sein Kinn aus Empörung dasselbe tat. Dann zeigte er anklagend auf Farkas. „Meinst du wegen dem, was dein Gefährte soeben beinahe aus sich herausgelassen hätte? Was immer das auch ist, solange es dich etwas angeht, geht es auch uns etwas an. Du bist der künftige Kaiser von Tamriel! Und wir deine Leibgarde! Auch wenn wir im Moment nur so wenige sind, wirst du uns bis zu deinem Tod nicht mehr los!“ Rainus hatte sich in Fahrt geredet. Aufgebracht funkelten seine Augen.

Das Drachenblut legte seinen Arm auf Rainus Schulter. „Also, ich glaube nicht, dass du gerne Zeuge werden möchtest, wie dein künftiger Kaiser sich zum Werwolf verwandeln lässt.“ Dem kaiserlichen Offizier des Penitus Oculatus Ordens fiel die Kinnlade beinahe vollends herab. Auch die anderen beiden Leibwachen wurden blass. „Das… aber… ich meine…“ Rainus stotterte. Dann aber, als der erste Schock sich gelegt hatte, zog ein schalkhaftes Lächeln über seine Züge. Der Fackelschein ließ es beinahe gruslig aussehen. „Andererseits… Du bist als ‚echtes‘ Drachenblut sowieso schon eine

Sensation. Ich kann mich nicht erinnern, dass je ein Kaiser Tamriels, außer Talos natürlich, dieser ‚Stimme‘ mächtig war. Und wenn du dann noch als Werwolf ankommst, …“ Er gluckste. „Der Ältestenrat wird von einer Krisensitzung in die nächste fallen!“ Sein Lachen klang unangebracht, doch es lockerte ein wenig die angespannte Situation. „Aber… Kommandant!“, wagte einer seiner Männer, dem das alles eindeutig zu unheimlich war, einzuwenden. Doch er wurde nicht gehört oder einfach ignoriert. „Ich wusste es!“, bekräftigte Galen und sah Rainus erleichtert an. „In dir schlummert immer noch etwas von dem

alten Schelm!“ Beinahe schon wieder heiter hieb Galen seinem Freund die Faust spielerisch gegen den Brustharnisch. „Halt!“ Farkas hatte bis jetzt zugehört, da er nicht glauben konnte, was ihm da zu Ohren kam. Doch jetzt reichte es ihm. Mit seiner ganzen beachtlichen Größe baute er sich vor Galen und dessen kaiserlichem Freund auf. „Ich habe hier wohl auch noch ein Wort mitzureden“, knurrte er. „Und ich sage dir, mein Bruder und ich haben uns geschworen, dass wir niemanden diesen Fluch aufbürden werden. Glaubst du wirklich, dass ich diesen Schwur breche, nur weil Vilkas im Moment nicht hier ist?“ Sein

Blick bekam beinahe dasselbe eisige Starren, das Vilkas stets sein Eigen nannte. Er sah seinem Zwilling in diesem Augenblick so ähnlich, als wäre Vilkas selbst unter ihnen und nicht der stoische, gutmütige Farkas. „Sei doch vernünftig!“, rief Galen. „Wir müssen meine Schwester finden! Und wir haben es mittlerweile sicher mit einer ganzen Horde dieser Vampire zu tun. Sie müssen sich sehr sicher fühlen, wenn sie so einfach nach Weißlauf spaziert kommen.“ „Ich kann sie nicht wahrnehmen!“, rief der große Nord aufgebracht. „Glaubst du, dass du das besser könntest? Wenn du ein Werwolf

wärst?“ „Nein.“ Galen antwortete jetzt ebenso hitzig. „Wir müssen sie systematisch suchen. Ich glaube, dass sie hier in der Nähe ihren Unterschlupf haben. Außerdem bist du verletzt. Und, was soll ein einzelner Werwolf gegen eine ganze Armee von Vampiren ausrichten können?“ Farkas wollte erneut auffahren, da schritt Athis dazwischen. „Ich gebe es nur ungern zu, aber er hat recht, Farkas! Denk nach! Jarl Vignar hat erst letztens darüber geklagt, dass zwei Wachen und ein paar der Mägde und Knechte der umliegenden Gehöfte spurlos verschwunden sind. Und gestern erst kam

ein Hilfsgesuch aus Flusswald, da es dort noch mehr Vermisste unter der Bevölkerung gibt. Jarl Vignar hat zuerst einmal ein paar Wachen entsandt, bevor er sich an uns wenden wollte.“ „Das waren sicher die Vampire und nicht die marodierenden Banditen, die derzeit durch unsere Provinz ziehen!“, rief Galen. „Sie können wirklich schon eine ganze Armee haben!“ „Und bedenke!“, fügte Athis an. „Galen macht es freiwillig. Er möchte von sich aus – aller Konsequenzen zum Trotz – zum Werwolf werden! Und soviel ich weiß, würden Thorald und Ria sogar ein paar Jahre ihres Lebens dafür opfern, wenn sie dafür in das Rudel

aufgenommen werden könnten!“ Farkas war immer noch nicht bereit nachzugeben. „Das habe nicht ich zu entscheiden, wer in den Zirkel aufgenommen wird und wer nicht!“, rief er stur. „Das obliegt nur dem Leitwolf!“ „Und der bist du!“ Obwohl Athis seine Stimme nicht erhoben hatte, blieb nach seinen Worten alles gespenstisch still. „Nein!“, keuchte Farkas. Im Fackelschein sah man, wie er blass wurde. Dann sprang er vor, packte Athis und drückte ihn mit voller Wucht gegen die Tempelmauer. „Rede nicht so, als würde Vilkas nicht mehr zurückkommen!“, brüllte er dabei. Galen und Rainus sprangen gleichzeitig

vor und packten Farkas, um ihn von dem Dunkelelfen zurück zu ziehen. Trotz Galens Kräften war es ein sinnloses Unterfangen. Farkas war außer sich und schüttelte die beiden ab, als wären sie lästige Fliegen. „Farkas!“, rief Galen und bereitete sich auf einen Drachenschrei vor, da ließ der große Nord seinen Kameraden aber bereits wieder frei. Hustend sank der Dunkelelf in sich zusammen. „Mein Bruder wird zurückkommen! Er ist nicht tot!“, schrie Farkas und hieb mit seiner bloßen Faust gegen das Gemäuer. „Das bezweifelt ja keiner!“, versuchte Galen die Situation zu beruhigen. „Doch wir können nicht darauf warten, Farkas!

Wir müssen Hana jetzt suchen! Wir müssen uns jetzt den Vampiren stellen! Wir dürfen einfach nicht warten!“ In Farkas stritten die unterschiedlichsten Emotionen. Doch langsam schien die Vernunft zu siegen. Farkas nickte, dann half er Athis auf. „Verzeih…“ Begütigend hob der Dunkelelf seine Hand. „Schon gut“, krächzte er dabei. „Dann lasst uns schnell nach Jorrvaskr zurückkehren und das Ritual ausführen!“, drängte Galen, der es wohl nicht mehr erwarten konnte. „Was für ein Ritual?“, mischte sich Rainus ein. „Muss er dich dazu denn nicht einfach nur beißen?“ Skeptisch blickte er mit seinen dunklen Augen, die

so manches Mädchenherz zum Schmelzen bringen konnten, auf den großen Nord. Ganz geheuer war ihm die Werwolf-Geschichte scheinbar doch nicht, obgleich er für Galen wohl alles in Kauf genommen hätte. „Nein, mein alter Freund.“ Beruhigend klopfte ihm Galen auf die Schulter. „Die Gefährten sind etwas Besonders. Sie haben eine eigene Abmachung mit Hircine, dem Daedrafürsten der Jagd. Sie sind keine gewöhnlichen Werwölfe. Sie können sich jeder Zeit verwandeln und haben den Fluch unter Kontrolle. Das bedeutet aber auch, dass sie den Fluch nicht durch einen einfachen Biss weiter geben können. Um zu ihrem Zirkel

gehören zu können, bedarf es eines Rituals, bei dem der Leitwolf etwas von seinem Blut hergibt. Nur durch das Trinken dieses Blutes, kann man in den Zirkel des Rudels aufgenommen werden.“ „Wahnsinn!“ Rainus blickte Farkas an. „Ein waschechter Werwolf mitten unter uns. Irgendwie kann ich es immer noch nicht glauben.“ Farkas blickte grimmig auf Rainus und die Männer des Penitus Oculatus Ordens. Es passte ihm nicht, dass Galen ein Werwolf werden wollte, auch wenn es für Hanas Wohlergehen wohl die beste Wahl war. Und noch weniger passte es ihm, dass diese kaiserlichen Soldaten,

Leibgarde hin oder her, jetzt von dem Geheimnis der Gefährten Bescheid wussten. „Eigentlich müsste ich euch ebenso zu Werwölfen machen, oder zumindest zu Gefährten. Damit wärt ihr durch einen Eid gebunden, dieses Wissen um den Fluch nicht weiter zu erzählen.“ Farkas war mehr als verstimmt. „Oder ich töte euch. Damit hätte ich alle Probleme beseitigt.“ Seine Augen begannen zu glühen und seine Fänge wuchsen. Rainus Augen wurden groß. Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück. Er war ein mutiger Mann und ein fähiger Kommandant, doch er wusste auch seine Chancen real einzuschätzen.

Und alleine schon gegen einen Kämpfer von Farkas Kaliber zu bestehen wäre eine Herausforderung gewesen, von der er nicht wusste, ob er dabei durchhalten könnte. Doch gegen einen Werwolf, das wusste er mit Sicherheit, hätte er keine Aussicht. Nicht einmal, wenn sie alle drei geschlossen vorgehen würden. „Farkas!“ Galen schüttelte den Kopf. „Was denn“, brummte dieser und fixierte noch einmal die ‚Leibgarde‘, bevor er sich umdrehte und nach Jorrvaskr eilte. Galen holte zu ihm auf, während die kaiserlichen Soldaten sich unangenehm berührt ansahen, bis Rainus sich schließlich räusperte und die anderen anhielt ebenfalls zu

folgen. „Denkst du nicht, du hast ein wenig übertrieben?“, meinte Galen, als er neben Farkas war, der mächtig ausschritt. „Die glauben wirklich noch das, was du sagst.“ „Ist auch besser so“, knurrte er. Dann blieb er stehen und fasste Galen am Kragen. „Du hast mich in eine verdammte Lage gebracht! Wenn es nicht um Hana ginge, hättest du mich nie im Leben dazu überreden können!“ Hölzern stakste er weiter. Galen wusste, wie sehr dem normalerweise stoischen Nord die ganze Sache gegen den Strich ging. Doch es musste sein. Sie wussten nicht wo die

Vampire ihren Unterschlupf hatten, noch wussten sie, wie viele es waren. Der Ur-Vampir Morvath hatte sicherlich schon einen neuen Clan um sich versammelt. Galen war überzeugt davon, dass sie mit vereinten Kräften viel eher eine Chance hätten das Versteck der Vampirbrut zu finden, und natürlich, mit diesem Pack fertig zu werden. Auch wenn Farkas jetzt verstimmt war, Galen war sich sicher, dass er sich wieder fangen würde. Als Farkas in die Met-Halle stürmte, wurde er bereits von Ria und Thorald erwartet. Athis war vorausgeeilt und hatte die Neuigkeiten sofort an alle anderen weitergegeben. Penetrant umlagerten die beiden Gefährten nun den

großen Nord. Besonders Ria wich keinen Schritt mehr von seiner Seite und hibbelte aufgeregt um ihn herum. „Die Vampire haben Hana?“, quasselte sie Farkas an, während er mit großen Schritten versuchte weiter in die Halle vorzudringen, ohne Ria dabei umzustoßen, so nahe pickte die Kaiserliche an ihm. „Das ist ja schrecklich! Also, ich bin sofort dabei! Ehrlich gesagt, warten wir schon lange darauf…“ „Ja, ja…“, knurrte Farkas und funkelte sie an. „Lasst mich bloß in Frieden damit!“ Er drängte sie zur Seite und schritt an ihr vorbei in Richtung des großen

Tisches. Ria lief ihm hinterher. „Aber… aber Athis sagte uns, dass du endlich bereit bist, uns zu Werwölfen zu machen!“ Sie konnte es einfach nicht lassen. Zu lange hatte sie bereits auf so eine Gelegenheit gewartet. Abrupt drehte sich Farkas um. „Ich bin bereit Galen zu verwandeln. Aber keinen mehr!“, blaffte er sie an, dann stürmte weiter um die nötigen Utensilien für das Ritual zu holen. „Bei allem, was mir heilig ist!“, schrie Galen, dem endlich der Kragen platzte. Er hatte gerade mit seiner Leibgarde die Met-Halle betreten und die letzten Worte von Farkas gehört. Mit schnellen

Schritten holte er ihn ein. „Du verdammter, sturer Nord! Verstehst du denn nicht? Umso mehr Werwölfe, umso mehr Chancen haben wir gegen die Vampire!“ Farkas wirbelte zu ihm herum. „Ich schwor, niemandem diesen Fluch aufzubürden! Einmal dagegen zu verstoßen ist schon schlimm genug. Doch gleich dreimal?“ „Viermal!“ Evva hatte sich unbemerkt an ihn herangeschlichen und baute sich nun groß vor ihm auf, obwohl sie ihm gerade einmal bis zur Brust reichte. „Ich habe mich den Gefährten angeschlossen, um ebenso wie meine Schwester eine von dem Wolfsrudel zu werden!“, rief sie.

„Und um dir nahe zu sein…“, murmelte sie verschämt, dass es wirklich nur Farkas hören konnte. Doch für diese jugendlichen Verliebtheitsspielereien hatte er im Moment überhaupt kein Ohr. Es war ihm sowieso alles zu viel. Er war kein Leitwolf. Er war Krieger und kämpfte für sein Leben gern. Aber solche Entscheidungen zu fällen war etwas, das ihn überforderte. Schwer ließ er sich auf einen Stuhl fallen und stützte seinen Kopf in seine Hand. „Es ist nicht Rechtens“, murmelte er. Unglücklich blickte er in die Runde. „Es ist einfach nicht Rechtens!“ Da spürte er, wie kühle Hände sich auf seinen Nacken legten und sanft zu kreisen begannen. In seiner Eile

hatte er seine Rüstung gar nicht angelegt, als er zum Kynareth-Tempel gelaufen war. Doch nun war er dankbar dafür und er ließ seufzend Sethas beruhigende Behandlung zu. Athis, der Dunkelelf stellte sich zu Farkas. „Ich verstehe dich sehr gut, mein Sohn. Ein Schwur ist ein Schwur. Doch die Situation erfordert es. Du weißt das. Wenn Hana gebissen wurde, hat sich nur drei Tage Zeit, bevor sie ebenfalls zu einem Vampir wird!“ Farkas gab endlich nach. Vielleicht taten Sethas sanfte Finger das Ihrige dazu. Überdies ging es um Hana und den Kleinen. Und das Mädchen hatte wirklich nicht viel Zeit übrig, wenn die Vampire

sie überhaupt am Leben ließen. Außerdem brannte alles in ihm danach diese Brut bis auf den Letzten von ihnen endlich auszulöschen. Kurz lehnte Farkas mit geschlossenen Augen seinen Kopf zurück, um noch mehr von Sethas Berührung auszukosten. Er nahm wahr, wie sich dabei ihre Brust sanft an sein Haupt schmiegte. Sie stand wohl ganz nahe bei ihm. Farkas hätte am liebsten ganz darin versinken wollen. Das gegenseitige Sehnen, das sie nun nicht mehr unterdrückten, war eindeutig noch stärker geworden. Er spürte, wie Hitze in ihm hochwallte. Aus ihnen beiden könnte tatsächlich etwas werden! Doch für mehr Vertrautheit war jetzt einfach kein Platz.

Bedächtig fasste Farkas nach Sethas Hand, führte sie kurz an seine Lippen und sprang auf. „Dann lasst uns keine Zeit mehr vergeuden“, knurrte er und stapfte mit großen Schritten zur Tiefenschmiede. Setha hielt ihre Hand, die Farkas flüchtig geküsst hatte, gegen ihre Brust gepresst. Nicht einmal Evvas vernichtender Blick, der sie traf, als die Jugendliche an ihr vorbei zur Tiefenschmiede lief, konnte ihr Glücksgefühl schmälern. Sie schämte sich dafür, gerade zu solcher Zeit so glücklich zu sein, doch sie konnte nichts gegen ihre aufwallenden Gefühle tun. Sie konnte nur beten, dass alles gut gehen möge und dass auch Farkas und sie eine

neue Chance miteinander bekommen würden. Das magische Feuer der Kohlebecken erleuchtete nur schemenhaft den Ritualraum in der Tiefenschmiede. Galen entzündete mit einem leisen „Yol“ drei Fackeln und steckte sie in die dafür vorgesehenen Wandhalterungen. Sogleich wurde der Raum noch besser ausgeleuchtet. Farkas stand schon am steinernen Becken in der Mitte des Raumes, in das er sein Blut fließen lassen würde. An der angespannten Haltung seiner Schultern konnte Galen erkennen, dass es für ihn immer noch nicht leicht war, sich über

seinen Schwur hinwegzusetzen. Außerdem war sämtliche Überredungskunst seinerseits von Nöten gewesen, Rainus und seine Leibgarde daran zu hindern, ebenfalls in die Tiefenschmiede zu kommen. Sie wollten absolut nicht einsehen, dass das nur dem Zirkel, dem Wolfsrudel, gestattet war. Schließlich hatte sich Athis drohend davor aufgestellt und Sarendal an seine Seite geholt. So nebeneinander boten die beiden Dunkelelfen einen recht beeindruckenden Anblick. Leider war Njada zu schwer verletzt, als dass sie dieses Bild genießen hätte können. Sie beschwerte sich zwar lautstark in ihrer Kammer, die sie mit ihrem Partner

Torvar teilte, darüber, doch Tilma und er waren unerbittlich und zwangen sie dazu im Bett zu bleiben. Unruhig stieg Galen von einem Fuß auf den anderen. Unbewusst hatte er die kleine Talos-Figur an seinem Hals umfasst. Doch von dem Gott ging keine Warnung davor aus, sich zu einem Werwolf machen zu lassen. Irgendwie beruhigte das Galen. Er hätte sich zwar kaum davon abhalten lassen, aber mit dem Segen der Götter, war es dennoch leichter diesen Schritt zu gehen. Nachdem Farkas seinen Unterarm symbolisch über einem der Kohlebecken ‚gereinigt‘ hatte, stellte er sich wieder zur Ritualschale und hielt ihn darüber.

Den uralten, mit Runen verzierten Dolch, der noch aus Ysgramors Zeit stammte, und der in einer edlen Schatulle für diese Rituale aufbewahrt wurde, hielt er sich gegen die vom Feuer leicht gerötete Haut. Dieses Ritual war sicherlich nicht angenehm, fuhr es Galen durch den Kopf, als er skeptisch den alten Dolch beäugte. Er war mit Runen verziert, sah aber nicht gerade scharf aus. Zu mehr kam er aber nicht, denn Farkas verwandelte sich vor ihrer aller Augen zum Werwolf und zog ohne eine Miene zu verziehen den Dolch über seinen Vorderlauf. Dann noch einmal und auch noch ein drittes Mal. Die Runen mussten eine Magie in sich haben, welche das

Wolfsblut aus dem Körper und den relativ kleinen Wunden dennoch sprudelnd austreten ließ. Das Ritualbecken füllte sich und als Farkas es für genug empfand, hielt er sich die flache Klinge der kurzen Waffe gegen die Wunden und sofort hörte das Blut auf zu fließen und die Schnitte schlossen sich. Ohne sichtliche Anstrengung wechselte Farkas wieder die Form und legte ruhig den Dolch in die Schatulle, aus der er ihn herausgenommen hatte. Dann holte er den kunstvoll verzierten Becher hervor, der neben dem Dolch aufbewahrt wurde. Mit ernstem Blick sah er sie an. „Mit dem Trinken meines Wolfsblutes, leistet ihr den Eid, euch ganz dem Rudel und

dem Leitwolf unterzuordnen. Euer Leben und Wirken ist dem Wohle der Bevölkerung geweiht. Dafür wird euer Leben lange und euer Tod ruhmvoll sein.“ Nochmals fixierte er sie mit seinen durchdringenden Augen, die jetzt völlig an Vilkas erinnerten. Dann verwandelte er sich vor ihren Augen erneut in die Wolfsbestie und tauchte den Becher in sein Blut. Galen bebte bereits vor Aufregung, doch der Werwolf hielt den Becher zuerst zu Ria. Die junge Frau trat nach vorne und nahm die Schale mit dem Blut ehrfurchtsvoll aus seiner haarigen Klaue. Kurz blickte sie auf Thorald, dann schluckte sie, setzte das Gefäß an ihre

Lippen und trank. Die Verwandlung setzte augenblicklich ein. Farkas schnappte den Becher, bevor er Ria aus den zitternden Händen gleiten konnte und setzte ihn am Rand des Ritualbeckens ab. Die Gefährtin wand sich und ihre Augen weiteten sich. Aber sofort war Farkas an ihrer Seite. Der Werwolf unterstützte sie, bis die Verwandlung komplett war. Der viel kleinere Wolf stand schließlich mit bebenden Flanken neben ihm. Ärgere Reaktionen blieben aber aus. Als Farkas merkte, dass Ria und ihre Wolfsbestie sich wohl bereits arrangiert hatten, griff er mit seiner Klaue wieder zum Becher und füllte ihn erneut mit seinem Blut.

Diesmal hielt er ihn zu Thorald. Dessen Verwandlung verlief nicht ganz so einfach wie Rias. Seine Wolfsbestie war wohl ein viel wilderes Biest. Farkas bekam einiges zu tun, bis auch Thorald die Oberhand über seinen Wolfsgeist gewinnen konnte. Galen bewunderte seinen nordischen Freund. Es war beeindruckend sehen zu können, wie der mächtige Werwolf den sich aufbäumenden, hellgrauen Wolf, in den Thorald sich verwandelt hatte, nur mit der Kraft seiner Vorderläufe bändigte. An das hatte Galen gar nicht gedacht, dass normalerweise das komplette Wolfsrudel bei solchen

Transformationen anwesend war, welches zur Not helfen konnte, wenn die neu herausbrechende Wolfsbestie zuerst gezähmt werden musste. Doch gegen Farkas gewaltige Wolfs-Form musste auch Thoralds großer, hellgrauer Wolf klein beigeben. Hechelnd stand er schließlich neben Rias kleinem, dunklem Wolf. Als nächstes war Evva dran. Man konnte gegen die Jugendliche sagen was man wollte, aber sie benahm sich völlig beherrscht und souverän. Sie schien wirklich aus tiefster Seele diese Vereinigung mit dem Wolfsgeist herbeigesehnt zu haben. Farkas hatte bei ihrer Verwandlung kaum Probleme,

obwohl ihr Biest zwar nicht das größte, aber wohl eines der wildesten war. Sie schaffte es beinahe im Alleingang ihren Wolfsgeist zu zähmen. Schließlich blickte ihr roter Wolf danach triumphierend zu Farkas, der nicht umhin kam sie anerkennend anzusehen. Galen hatte aber im Moment nicht die Geduld weiter zu beobachten. Viel zu sehr fieberte er seiner eigenen Verwandlung entgegen. Voller Erwartung nahm er den mit Blut gefüllten Becher aus Farkas Klauen entgegen. Das Blut war noch warm und roch metallisch-süßlich. Es war widerlich. Dass es nach so langer Zeit immer noch warm war und nicht zu stocken begann, musste

ebenfalls mit dem magischen Runendolch zusammenhängen. Doch der warme Geschmack und der süßliche Geruch, der Galen beinahe Brechreiz verursachte, waren nur der Anfang. Galens Herz setzte beinahe aus, als das Blut seine Kehle herabrann. Es war, als würde damit eine fremde Macht seine Klauen direkt in sein Herz schlagen wollen. Doch das war nicht alles. Der Schmerz, der schließlich durch ihn fuhr, als er ausgetrunken hatte, war grauenhaft. Voller Pein krümmte sich Galen zusammen. Diese Reaktion hatte er bei keinem der anderen beobachten können. Doch weiter darüber nachzudenken, dazu kam er nicht mehr. Es schien, als würde

Farkas Wolfsblut sich nun seinen Weg durch seine Eingeweide brennen. Ein gellender Schrei entkam ihm. Galen war sich sicher, er würde bei lebendigem Leibe von innen heraus verbrannt werden. Alles schwoll an und es zog bis in seine Finger- und Zehenspitzen. Schreiend wälzte er sich auf dem Boden, doch das Feuer, das er in sich spürte, und das durch seine Blutbahnen floss, war auf diese Weise nicht zu löschen. Als die brennende Glut schließlich seinen Kopf erreichte, explodierte sein Schädel und Galen verlor gnädiger Weise das Bewusstsein. Rainus, der unruhig vor der Tiefenschmiede auf und abging, hielt

sofort inne, als er trotz der massiven Felsen Galens Schreie hindurchdringen hörte. „Gib sofort den Weg frei!“, brülle er befehlsgewohnt und zog sein Schwert. Seine Männer taten es ihm sofort nach, doch Athis blieb ungerührt. „Niemand hat jemals das Ritual unterbrochen. Und du wirst nicht der Erste sein!“, sagte er ruhig, wappnete sich aber auf einen Angriff, da die dunklen Augen des Kaiserlichen bedrohlich zu funkeln begannen. „Das ist der künftige Kaiser Tamriels!“, schrie Rainus aufgebracht. „Lass uns sofort zu ihm durch!“ „Niemals!“, entgegnete Athis. „Hierbei könnt ihr ihm nicht helfen! Farkas

alleine hat die Kraft dazu. Ihr stört nur das Ritual und die Folgen können unabsehbar sein!“ Rainus war völlig außer sich. Einerseits wollte er so schnell wie möglich zu Galen, andererseits wollte er nichts riskieren, um ihn zu gefährden. So begnügte er sich damit vor dem Eingang zu toben und Sarendal dabei die roten Haare zu Berge stehen zu lassen. Athis hatte schon zu viel erlebt, um sich davon beeindrucken zu lassen, aber er war sich sicher: Rainus hatte seinen Kommandantenposten nicht von ungefähr. Zum Glück hörten Galens Schreie auf und es wurde wieder ruhig. Das besänftigte Rainus fürs Erste, doch

ganz zur Ruhe würde erst kommen, wenn Galen unbeschadet wieder vor ihm stehen würde. Selbst, wenn er dabei ein Werwolf sein würde. „Was hat das zu bedeuten, Farkas?“, Rias ängstliche Stimme war das erste, das Galen wieder vernehmen konnte. Alles in ihm tobte noch, doch langsam ließ die Hitze nach. „Ich weiß es nicht“, antwortete der große Nord, der Galen immer noch in seinen Armen hielt. Mittlerweile hatten sich alle wieder zurückverwandelt und umringten das Drachenblut. „So etwas hat es noch nie gegeben. Ich fürchtete schon das Schlimmste!“ „Er sieht aber immer noch so aus, als

würde er platzen!“, meinte Evva respektlos. „Was… was ist geschehen?“ Galen gelang es schließlich die paar Worte hervor zu krächzen. Dann richtete er sich auf und blicke um sich. Niemand von ihnen war mehr ein Werwolf. Auch er nicht. Fasziniert sah er auf seine bloßen Arme, auf denen seine Adern dunkelrot und geschwollen hervorstanden. Jetzt verstand er, wieso Evva meinte, er sah so aus, als würde er platzen und um ehrlich zu sein, genau so hatte es sich für Galen auch angefühlt. Als würde das Feuer aus ihm herausplatzen wollen. „So wie es aussieht, hat mein Blut keinen Wolfsgeist in dir hervorgerufen“,

erklärte Farkas. „Du hast dich nicht verwandelt. Es scheint, dass dein Drachenblut wohl stärker ist.“ Galen schwindelte. Er taumelte zurück bis an die Höhlenwand. Daran angelehnt blieb er stehen. Das was er gespürt hatte, was in ihm getobt hatte, war der Kampf seines Drachenblutes gegen die Wolfsbestie. Und es hätte ihn beinahe getötet. „Und du sagst, euer Blut wäre verflucht?“, klagte er Farkas an. „Sieh her.“ Galen streckte seinen immer noch deformierten Arm aus. Wie sein Gesicht aussah, wollte er gar nicht erst wissen. Er hoffte nur, dass das wieder zurückgehen würde. „So wie es aussieht,

kann ich nicht einmal willentlich zu einem Werwolf werden!“ „Sieh es doch positiv!“, mischte sich Thorald ein. „Das bedeutet, dass auch deine Schwester nicht zu einem Vampir werden kann!“ Jetzt fuhr Galen hoch. „Stimmt!“, rief er. Dann jedoch fiel er erneut in sich zusammen. „Aber das Drachenblut in ihr ist nicht so stark ausgeprägt wie in mir. Es wäre aber immerhin ein Hoffnungsschimmer!“ „Was auch immer“, meinte Farkas und stand auf. Das Ritual hatte auch an seinen Kräften gezerrt. „Unser Rudel ist jetzt groß genug. Ihr kennt zwar noch nicht alle Stärken eures Wolfsgeistes,

doch auch ohne dieses Wissen, seid ihr nun Gegner, welche die Vampire fürchten müssen. Ich habe euch schon erzählt, dass ihr Clanführer ein mächtiger Magier ist, den ihr nicht unterschätzen dürft. Doch die anderen, selbst wenn es viele sein werden, werden nichts als einfache Vampire sein, die gegen einen Werwolf nichts ausrichten können.“ „Durch Athis Erwähnung von den Schwierigkeiten in Flusswald, würde ich vorschlagen, wir beginnen in dieser Richtung zu suchen“, schlug Galen vor. Dann fiel ihm etwas ein und er wandte sich direkt an Farkas. „Sag einmal, nur so aus Interesse, bin ich jetzt trotzdem einer des Rudels, oder

nicht?“ Farkas stutzte. Dann schien er in sich hinein zu horchen. Schließlich nickte er erstaunt. „Es scheint so zu sein. Ich verstehe das auch nicht. Vielleicht ist der Wolfsgeist doch in dir, nur wird er von deinem Drachenblut unterdrückt. Ich habe auch keine Ahnung was das bedeuten soll, oder welche Zusatzkräfte du dadurch bekommen wirst, oder auch nicht. Wie gesagt, so etwas ist noch nie vorgekommen.“ Hilflos zuckte er die Schultern. Jetzt grinste Galen. „Dann muss nur mehr dieses hässliche Muster verschwinden und ich bin schon wieder

zufrieden.“ Skeptisch sahen ihn seine Kameraden an. Scheinbar waren seine roten, geschwollenen und hervorstehenden Adern immer noch zu sehen. Das traf ihn tief, denn insgeheim war Galen eitel. „Deine ‚Leibgarde‘ wird uns wohl vierteilen wollen, wenn sie dich so sieht. Aber da kann man wohl nichts machen.“ Farkas hieb ihm auf die Schulter. „Du siehst aus wie ein Monster. Wenigstens fürchten sich die Leute jetzt mehr vor dir als vor uns Wölfen!“ Galen wurde blass und wollte schon auffahren, da sah er, wie Ria sich nur mit Mühe ein Lächeln verbeißen konnte. Misstrauisch begann er sein Gesicht zu

betasten, doch es fühlte sich glatt wie immer an. Auch an seinen Armen waren die angeschwollenen Adern bereits wieder zurückgegangen. Man sah noch die dunkelrote Maserung, aber es wurde zusehends weniger. Farkas wartete nicht, bis Galen seinen Zorn, seine Eitelkeit und seine sonstigen Zustände wieder unter Kontrolle brachte, dazu war ihm die Zeit einfach zu kostbar. „Gut, das wäre also geklärt“, meinte er, während Galen noch mit seiner Beherrschung rang. „Lasst uns unsere Sachen packen, vergesst nicht Heiltränke mitzunehmen und auch Ausdauertränke. Ohne diese Nacht Schlaf zu bekommen, werden wir sie brauchen, wenn wir die

Vampire schließlich gefunden haben. Außerdem möchte ich Setha noch dringend etwas fragen.“ „Dafür ist also Zeit?“, keifte Galen, der den Scherz über sein Aussehen immer noch nicht verwunden hatte, genauso wenig wie die Tatsache, dass er, als Einziger, kein Werwolf werden konnte. Farkas stutzte. Dann lächelte er, als er Galens immer noch rotgeädertes Gesicht sah. „Es geht um Madi“, erklärte er aber freimütig. „Die Kleine kann uns vielleicht genauer zeigen, in welcher Richtung wir Hana zu suchen haben!“ „Genial!“, rief Ria. „Da ersparen wir uns wirklich viel Zeit! Kommt schon!“ Und mit einem Sprung war sie bereits

draußen. Farkas Idee, die kleine Madi nach Hana zu fragen, war ein voller Erfolg. Das Mädchen war zuerst ein wenig verschämt, doch dann streckte sie ihren Finger aus und zeigte in Richtung Flusswald. Dabei flüsterte sie: „In einer Höhle am großen Berg.“ Wie immer sie das machte, war allen ein Rätsel, doch das Kind hatte auch Farkas Verwandlung und Aufenthaltsort gespürt, ohne dass ihr jemand etwas gesagt hätte. Niemand zweifelte an ihren Fähigkeiten. Glücklich herzte Setha ihr kleines Mädchen und Farkas strich ihr anerkennend über ihr Haupt. Die Suche nach Hana und den Vampiren würde sich dadurch extrem

erleichtern. „Ich glaube ich weiß sogar, welche Höhle sie meint!“, rief Athis da in plötzlicher Erkenntnis. Aufgeregt fuhr er fort: „Kurz vor Flusswald gibt es einen versteckten Pfad zum höchsten Berg Himmelsrands. Ich bin ihm vor Jahren gefolgt, als ich Wild jagte. Am oberen Ende des Pfades, ziemlich verborgen durch Gestrüpp, gibt es eine große Höhle, in der damals eine Banditenbande hauste. Mich würde nicht wundern, wenn sich die Vampire dort eingenistet hätten!“ „Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren!“ Ernst blickte Farkas auf die Gefährten, die sich in voller Montur in der Met-Halle eingefunden hatten, um

diese Mission zu erfüllen. Es war eine kleine Armee, die da vor ihm stand. Bis auf Njada, die zu schwer verletzt war und Torvar, der zu ihrem und Sethas Schutz in Jorrvaskr blieb, kamen alle mit. Natürlich auch Galens Leibgarde. Es waren jetzt vier vollwertige Werwölfe, zwei Dunkelelfen sowie Galen und seine Männer, was zehn kampferprobte Krieger und Kriegerinnen ergab. Das konnte man wahrlich schon als Armee bezeichnen. Farkas war zwar verstimmt gewesen, dass er seinen Schwur brechen musste, doch nun, mit dieser ganzen geballten Kraft, die jetzt hinter ihm stand, rechnete er sich tatsächlich reale Chancen aus, nicht nur Hana befreien zu

können, sondern auch endgültig seine Rache an dieser Vampirbrut nehmen zu können. Vor allem, da sie dank Madi ziemlich genau wussten, wo sie suchen mussten. Da half den Vampiren nicht einmal mehr ihre verruchte Magie! „Das ist jetzt auch für dich, Aela!“, flüsterte Farkas leise. Dann gab er den Befehl zum Aufbruch.

30 der ehrwürdige gründervater

Das Gelage rund um die gebratene Hirschkuh war noch nicht zu Ende, auch wenn schon ein paar Leute des Rudels Anstalten machten, ihre Teller zur Seite zu schieben und sich lieber einen weiteren Humpen Met aus dem Fass zu holen, um das gelungene Mahl mit einem guten Tropfen abzuschließen. Vilkas, der nach den letzten Entdeckungen immer noch ein wenig blass um die Nase war, ließ seine Nichte ihr Mahl beenden, bevor er sie hochzog und ein wenig abseits führte, um sich in Ruhe mit ihr unterhalten zu können.

Während sie aß, konnte er die Neuigkeiten inzwischen verarbeiten. Was ihm mehr schlecht als recht gelang. Auch wenn sie die Tochter seines Bruders war, so ging das einfach nicht mit rechten Dingen zu. Und Vilkas war niemand, der eine Sache unaufgeklärt stehen lassen konnte. Er musste den Dingen einfach auf den Grund gehen. Dass das Kind hier war, ohne jemals geboren worden zu sein, verwirrte ihn viel zu sehr, als dass er es einfach hinnehmen hätte können. Verwundert sah die Kleine ihn an, als er sie mit einer knappen Handbewegung aufforderte, sich zu ihm auf einen umgestürzten Baumstamm zu setzen. Auch wenn Vilkas knapp und schroff

war, blickten die Augen des Kindes voller Vertrauen auf ihn. „Du wirst dich vielleicht nicht erinnern können, doch hast du eine Ahnung, wie du hierhergekommen bist?“, begann er seine Fragen an sie zu richten. „Wie meinst du das?“, erkundigte sie sich erstaunt. „Ich kam doch mit Mama hierher!“ „Aela hat dich also mitgenommen?“, wollte Vilkas wissen. „Oder bist du hier vielleicht geboren worden?“ Die Kleine verstand ihn absolut nicht. Irritiert sah sie ihn an. „Was ist das?“, fragte sie. „Geboren? Das habe ich noch nie gehört!“ Vilkas sah ein, dass er so nicht weiter

kam. Er versuchte es anders. „Du bist also mit Aela hierhergekommen. Aber Kinder kommen nicht hierher. Sie gehen nach ihrem Tod zurück zu Akatosh. Du kennst doch Akatosh, den obersten der Götter? Er müsste dich zu sich geholt haben! Du dürftest gar nicht hier sein!“ Jetzt lächelte das Kind. Das hatte sie wohl schon öfter gehört. „Akatosh? Meinst du das Licht? Das wollte mich ja auch mitnehmen. Aber ich konnte Mama doch nicht alleine lassen! Sie war so unsagbar traurig und verzweifelt.“ Das Kind blickte hinüber zum Lager, wo man sehen konnte, wie Aela gerade zwei Humpen Met für sich und Jörgen holte, der ihr dafür liebevoll auf den Hintern

klatschte. Vilkas musste sich abwenden. Er konzentrierte sie wieder auf das Mädchen, das zufrieden lächelte, als sie ihre Mutter beobachtete. „Wirklich?“, fragte er sie. Er verstand immer noch nicht alles, aber er beschloss, das Kind in seiner Weise erzählen zu lassen. Vielleicht konnte er das irgendwie verwerten. Neugierig blickte er sie an und ermunterte sie, einfach weiter zu sprechen. Die Kleine wandte sich sofort ihm zu und wurde ganz hibbelig. Sie war wohl froh, dass ihr endlich jemand zuhörte. „Ja!“, sagte sie. „Ich weiß nicht wo wir waren, es war ganz anders als hier. Es fühlte sich alles so kalt an und so einsam!“ Das

Kind schien nachzudenken. „Weißt du“, fuhr sie fort, „Dort war alles finster und ich konnte nicht gut sehen. Jedenfalls nicht so wie hier. Ich weiß nur, dass Mama ganz verzweifelt und alleine war. Dort wo wir waren gab es nichts außer uns. Dann kam das Licht und wollte mich mit sich nehmen. Doch Mama konnte es nicht sehen. Ich wollte, dass sie mit mir mitging, aber sie musste bleiben.“ Das Kind schluckte. „Ich hatte Mama so lieb! Darum blieb ich auch. Damit sie nicht so alleine war und sich so sehr fürchten musste.“ Nachdenklich biss das Mädchen auf ihrer Lippe herum. „Ich glaube schon, dass es ihr geholfen hat“, meinte sie dann. „Sie konnte mich nicht so

erkennen wie ich sie, aber sie spürte mich und war froh, dass sie nicht ganz alleine war.“ Vilkas wusste immer noch nicht, von welchem Bereich die Kleine sprach. Es konnte weder eine Ebene der Daedra gewesen sein, noch eine Ebene der Aedra. Er nahm aber an, dass es auf jeden Fall nach Aelas Tod gewesen sein musste. „Wie lange wart ihr dort?“, fragte er weiter nach. Das Kind zuckte die Schultern. „Das weiß ich nicht. Mir kam es sehr lange vor. Aber schließlich kam Papa wieder!“ Sie strahlte. Vilkas ruckte herum. „Wie war das möglich? Ich dachte, ihr wart tot?“

„Naja“, meinte die Kleine und knetete verlegen ihre Hände, die sie dann zwischen ihre schmalen Beine schob. „Wie das ging weiß ich auch nicht. Es wurde nur plötzlich wieder so schön ‚warm‘! Mama spürte das ebenfalls. Ihre Traurigkeit verschwand und sie wurde ruhiger.“ Versonnen lächelte das Mädchen. „Daran kann ich mich deshalb so gut erinnern, weil, immer wenn Papa in der Nähe war, wurde alles so warm. Besonders da.“ Sie tippte sich gegen die Brust. „Das kenne ich aus der Zeit, als Mama noch glücklich war. Damals sprach Papa auch mit mir, genau wie Mama. Ich verstand es zwar nicht, aber sie freuten

sich so sehr, dass ich da war und sie mich bald in die Arme nehmen könnten.“ Eine Träne stahl sich aus ihrem Auge. „Da war alles noch in Ordnung. Doch dann hörte und spürte ich Papa plötzlich nicht mehr und Mama hatte schreckliche Schmerzen. Es ging ihr furchtbar schlecht. Das war kurz bevor das Licht zu mir kam.“ Endlich verstand Vilkas. Das Mädchen vor ihm schilderte ihre Eindrücke, die sie als ungeborenes Kind bereits wahrnehmen konnte. Bis hin zu Aelas Gefangennahme und ihrem Tod. In Vilkas hatte sich auch alles kummervoll zusammengezogen, als die Kleine in ihren Worten das Leiden und den Tod

ihrer Mutter beschrieben hatte. Dann war wohl diese ‚Dunkelheit‘ von der sie sprach, die Zeit, in der Aelas Leichnam in der Totenkammer der Vampire lag. Entgegen seiner sonstigen schroffen Art, strich er dem Kind liebevoll über die Wange. „Du bist ein tapferes Mädchen!“, sagte er dabei. Rot glühten die Wangen der Kleinen. Sie drückte sich glücklich an Vilkas. „Schade, dass du nicht mein Papa bist“, sagte sie. „Ich würde so gerne zu ihm.“ „Das kann ich gut verstehen“, meinte Vilkas während er erneut ein Stück von ihr abrückte. „Kannst du dich vielleicht noch an mehr erinnern?“, fragte er nach. „Vielleicht wie Aela und du

hierhergekommen seid?“ „Das war, nachdem Papa endlich wieder zu uns gekommen war“, sagte sie. „Eine Zeit lang war es schön warm und Mama war nicht mehr traurig. Ich dachte mir, jetzt würde alles wieder gut werden. Doch kurz darauf waren wir hier. Und Mama erkannte mich nicht mehr. Aber wenigstens war sie wieder glücklich.“ Das Mädchen lächelte. Dann wurde sie selbst ein wenig traurig. „Leider war Papa nicht hier. Ich habe ihn gesucht, doch außer dir, habe ich hier niemanden getroffen, der so ähnlich war wie er.“ Vilkas kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Mädchen schilderte wohl, wie Farkas Aelas Leichnam gefunden

hatte. Aelas Seele konnte erst in Hircines Jagdgründe übergehen, als sie das Verbrennungsritual abgehalten hatten. Wahrscheinlich hatte ihr Selbstmord verhindert, dass das von selbst geschehen war. Und die Seele des ungeborenen Kindes, blieb dabei die ganze Zeit über bei ihr. Vilkas lächelte versonnen und strich dem Mädchen über ihre zerzausten, roten Haare. „Dein Vater ist auch nicht hier, sondern in der Welt der Lebenden. Glaube mir, er würde alles dafür geben, sein kleines Mädchen so sehen zu können, wie ich es jetzt tue.“ Hoffnungsvoll blickte das Kind zu ihm auf. „Könntest du mich vielleicht zu ihm

bringen?“ „Das weiß ich nicht.“ Vilkas blickte nachdenklich in die Ferne. „Ich gehöre genauso wenig hierher wie du. Ich gehöre dorthin, wo dein Vater jetzt ist.“ Vilkas bemühte sich solche Worte zu finden, von denen er glaubte, dass seine Nichte diese verstehen konnte. Ernst blickte er sie an. „Ich bin hier, weil ich etwas Wichtiges suche. Danach muss ich wieder dorthin zurückkehren, von wo ich gekommen bin.“ Ernst sah er auf das Kind. „Aber ich werde alles versuchen, um dich mit mir mitnehmen zu können.“ „Oh ja!“, rief die Kleine begeistert. „Nimm mich bitte mit zu Papa!“ Vilkas nahm das Mädchen an den

Schultern. „Ich weiß aber nicht, ob Akatosh dich mit mir gehen lassen wird“, meinte er besorgt. „ Wer weiß ob es mir überhaupt gelingt? Und von Aela, ich meine, deiner Mutter, musst du dich ebenfalls verabschieden.“ Die Kleine blickte ihn beinahe panisch an. Man sah ihr an, dass sie alles in Kauf nehmen würde, nur um mit Vilkas mitzugehen. „Mama ist hier glücklich. Sie braucht mich nicht mehr“, betonte sie. Dann wurde das Kind ein wenig traurig. „Ich werde sie vermissen“, meinte sie. „Aber sie mich nicht. Also ist das in Ordnung.“ Sie blickte Vilkas voller Vertrauen an. „Wann gehen wir?“ „Sobald ich weiß, wohin ich gehen

muss“, antwortete der große Nord. „Aber bis dahin, darfst du niemandem etwas sagen, hörst du?“ Ihm fiel noch etwas ein. Eindringlich sah er sie an. „Falls mir etwas zustoßen solle, musst du den ‚Hirschmenschen‘ folgen, wenn sie Leute von hier wegbringen. Von dort wirst du dann sicher auch diese Ebene verlassen und zu Akatosh, dem Licht, gehen können.“ Eifrig nickte die Kleine. „Ist gut!“, meinte sie. Dann warf sie ihre Arme um Vilkas und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Vilkas war viel zu überrascht um reagieren zu können. Als er sie schließlich auch tätscheln wollte, war die Kleine aber schon weg und hüpfte

vergnügt in den nahen Wald, wo er sie freudig trällern hörte. Vilkas sank in sich zusammen. „Was habe ich getan!“, seufzte er. „Das kann niemals gut gehen! Sie ist tot! Genau wie Alea!“ Fluchend fuhr er sich durch die Haare. Schließlich straffte er seine Schultern. „Sie gehört aber auch nicht hierher. Wenn ich den Durchgang gefunden habe, nehme ich sie mit mir. Zumindest kann sie dann zu Akatosh und muss nicht auf dieser Ebene bleiben!“ Mit einem Seufzer entspannte er sich und lehnte sich zurück. Ein wenig wollte er noch die Ruhe genießen, bevor er zurück zum Lager gehen würde, das sich langsam immer mehr leerte. Er sah, wie

Skjor eng umschlungen mit Lydia in einem der Zelte verschwand. Sein Blick fiel gerade auf Astrid, die sich mit Ervin, Skjors Mörder, bestens zu unterhalten schien. Schnell wandte er sich ab. Mehr wollte er gar nicht mitbekommen. Schon gar nicht von ihr. Leise Schritte ließen ihn jedoch sofort wieder alarmiert aufsehen. Doch es war nur die Sklavin, die ihm anfangs schon schüchtern zugelächelt, und auch eine so großzügige Portion von der Hirschkuh auf seinen Teller gegeben hatte. Vorsichtig näherte sie sich ihm. „Skjor sagte, ich soll mich ein wenig um dich kümmern“, meinte sie bescheiden, während sie bei ihm Platz nahm.

Verstohlen zupfte sie an ihrem einfachen Kleid und zog es weiter herab. Ihre wohlgeformten Brüste kamen dabei noch mehr zur Geltung und sie bog ein klein wenig ihren Rücken durch um diesen Effekt noch zu verstärken. Vilkas unterdrückte ein genervtes Stöhnen. „Möchtest du nicht in dein Zelt gehen, wie die anderen auch?“, fragte sie, während sie mit dem Zupfen aufhörte und sich ganz Vilkas zuwandte. „Vor der großen Jagd ruhen sich alle besonders lange aus.“ Ihre Augen, die Vilkas dabei unverwandt anstarrten, verrieten bei diesen Worten eindeutig ihre Absicht, die sie davor schon mit ihrer Haltung und dem Herunterziehen ihres Kleides

anklingen hatte lassen. ‚Verdammt Skjor!‘, fluchte Vilkas innerlich. Er wusste, dass sein alter Mentor es wohl nur gut meinte, doch ihm stand überhaupt nicht der Sinn nach ‚dieser Art‘ Vergnügen. Schon gar nicht mit dieser Frau. Nicht, dass sie nicht anziehend war. Sie strahlte einen gewissen, natürlichen Charme aus. Ihre blonden Zöpfe umspielten ihr bleiches Gesicht, aus dem ihn ihre großen, hellbraunen Augen ansahen. Sie war hübsch, aber sie war nicht Hana! Bevor er ihr noch etwas sagen konnte, stand sie mit einer koketten Bewegung auf und winkte ihn mit sich. „Komm, ich führe dich zu deiner

Liegestatt. Dort kannst du dich besser ausruhen als hier!“ Vilkas stand ebenfalls auf und klopfte sich den imaginären Staub von seinen Schenkeln. Am besten, er stellte gleich alles klar. „Höre!“, begann er, dann stutzte er. „Wie heißt du überhaupt?“ „Takara.“ Errötend lächelte sie ihm zu. „Noch nie hat mich jemand nach meinen Namen gefragt, bevor er mich mit zu sich nahm um…“ Abrupt beendete sie den Satz. Der große Nord verdrehte die Augen. „Das wird auch nicht nötig sein“, meinte er schroff. „Ich meine, dass du dich verpflichtet fühlst, mit mir das Lager zu

teilen.“ Die junge Frau, die sich soeben angeschickt hatte, ihn an seinem Arm zu nehmen, stockte. Blankes Entsetzen stahl sich auf ihr Antlitz. „Dann… bin ich dir also nicht hübsch genug?“ „Nein, das ist es nicht!“, versuchte Vilkas sich zu erklären. Er wollte die Sklavin nicht vor den Kopf stoßen. Doch sie schien außer sich zu sein. „Aber was dann?“, fragte sie. Gehetzt blickte sie zum Feuer, an dem noch einige des Rudels saßen. Ein grobschlächtiger Kerl sah dabei finster zu Vilkas und ihr herüber. Sie schüttelte sich ab. „Bitte…“, flüsterte sie, während ihr Blick flehentlich den seinen suchte.

„Du bist anders. Lass mich diesmal nicht mit ‚IHM‘ gehen müssen.“ Vilkas hätte das Schicksal der Frau völlig kalt lassen können. Doch das tat es nicht. Egal wie schroff und abweisend er tat, er konnte keine Bitte um Hilfe oder Schutz abschlagen. Schon gar nicht so eine Bitte. Wer wusste schon, was sie bereits erdulden musste. Sie war kein Werwolf und kein Späher. Sie gehörte zu den ‚Hasen‘ und wurde hier für die einfachen Arbeiten und wohl für diverse Liebesdienste herangezogen. Mit einem Fluch auf den Lippen schlang er seinen Arm um sie und zog sie an sich. Glücklich folgte ihm Takara. „Du wirst es nicht bereuen.

Ich…“ „Sei still!“, knurrte Vilkas. Die ‚Nacht‘ wurde tatsächlich sehr entspannend. Takara war liebevoll, aufmerksam und alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte. Vilkas brauchte dennoch eine gewisse Zeit, bis er sich auf sie einlassen konnte. Es wunderte ihn selbst. Er hatte früher nie moralische Bedenken gehabt mit einer Frau sein Lager zu teilen, die er nicht näher kannte. Aber das war wohl, bevor er sich mit Hana so tief eingelassen hatte. Sein anschließender Schlaf war flach wie immer, doch er konnte sich gut erholen. Als er aufwachte, fühlte er sich fit genug

für die Groß-Jagd. Takara war immer noch bei ihm, nah an seine Seite geschmiegt. Sie lächelte ihn dankbar an und hauchte einen Kuss auf seinen nackten Oberkörper. „Es wird Zeit“, flüsterte sie. „Skjor hat schon nach dir gerufen!“ Vilkas nickte und begann sich anzukleiden. „Darf ich auch die weiteren Nächte an deiner Seite verbringen?“, fragte Takara schüchtern, während sie ihn umarmte. Ihre nackten Brüste drückten sich weich an ihn. Der große Nord zögerte. Schließlich nickte er. „Solange ich hier bin, bist du in meinem Zelt willkommen!“, sagte er diplomatisch. Damit verletzte er sie nicht

und sagte aber auch nicht die Unwahrheit. Takara strahlte. Dann zog auch sie sich an. Als Vilkas aus dem Zelt trat, kam Skjor gerade heran, um ihn wohl persönlich aus den Armen der Sklavin zu holen. „Da bist du ja!“, rief er gut gelaunt. „Ich dachte mir schon, dass Takara die Richtige für dich ist. Doch, dass du so übertreiben musst und uns alle warten lässt, damit habe ich nicht gerechnet!“ Vilkas rang sich ein schwaches Grinsen ab und zuckte die Schultern. „Man tut was man kann“, sagte er. Insgeheim war er jetzt froh, dass er Takara mit sich ins Zelt genommen hatte. Wie hätte er sonst sein ‚Verschlafen‘ tarnen

können? „Dann komm“, meine Skjor. „Diesmal hat Hircine die Groß-Jagd in den Ebenen am großen Berg angesetzt. Das heißt, es wird ein wenig härter werden als sonst.“ Auf Vilkas fragenden Blick antwortete er: „Von einigen der ‚Alten‘ habe ich erfahren, dass Hircine diese Ebenen nur dann auswählt, wenn er mit besonders vielen ‚Ausfällen‘ rechnet.“ Vilkas wurde hellhörig. Es klang gefährlich, aber gleichzeitig war die Chance groß, dass er die Daedra dabei verfolgen könnte, wenn sie die ‚Ausfälle‘ wegschafften. Jene Männer und Frauen, deren tote Körper irreparabel geschädigt wurden. Seiner Meinung nach würden sie

in eben jenen Übergang gebracht werden, der die Welten miteinander verband. Er musste sich nur den Weg einprägen. Damit wäre der Fluch für die Werwölfe gebrochen. Hircine war verpflichtet sein Wort zu halten, wenn Vilkas unbeschadet den Durchgang finden würde. Bis auf die Sklavinnen brachen alle zu diesem Großereignis auf. Die Stimmung war ausgelassen und so mancher brüstete sich bereits, wie viele Hirsche, Bären oder Säbelzahntiger er wohl erlegen würde, um dem Rudel den Sieg zu sichern. Jörgen war natürlich unter den lautesten Prahlern, was Vilkas wünschen ließ, sich die Ohren zuhalten zu können, ohne dass es auffallen würde. Diese

Peinlichkeit war für ihn kaum zu ertragen. Er hoffte mehr denn je, außer den hellgrauen Augen, nichts von seinem Vater geerbt zu haben. Weit musste das Rudel nicht marschieren. Nach ein paar ‚gefühlten‘ Stunden, kamen sie zur großen Ebene, auf der die anderen Rudel bereits Stellung bezogen hatten. Die Gegend kam Vilkas völlig unbekannt vor, obwohl ihn der Berg im Hintergrund an den ‚Hals der Welt‘ erinnerte, den höchsten Berg Himmelsrands. Davor lagen dichte Wälder und man konnte auch die zerklüfteten Ausläufer des gewaltigen Berges gut erkennen, die wahrscheinlich voller Wild waren. Das einzig Seltsame

an dem Berg aber war, dass man den Gipfel nicht sehen konnte. Ungefähr ab der Mitte, verschwand der ganze Berg im Grau dieses ungewöhnlichen ‚Himmels‘, als würde er in Wolken verschwinden, die aber nicht da waren. Nur das Grau, das um den Berg herum vielleicht ein wenig intensiver wirkte, wenn man das so sagen konnte. Neugierig blickte sich Vilkas auch unter den anderen Rudeln um, als er spürte, wie Skjor an ihn herantrat. „Nimm dich vor allem vor dem Nord-Rudel in Acht!“ Mit einem Kopfnicken deutete Skjor auf einen wilden Haufen, der rechts von ihnen in lockeren Grüppchen lagerte. „Vor allem vor dem, der wie ein

Milchbart aussieht.“ Vilkas scharfe Augen hatten den Mann, besser gesagt den ‚Jungen‘, sofort erspäht. Alle auf dieser Ebene hatten ihre jungen Körper wieder, doch dieser Mann sah wirklich aus, als wäre er gerade erst ins Mannesalter gekommen. „Sein Aussehen täuscht“, murmelte Skjor. „Er ist einer der Ältesten hier auf dieser Ebene. Und der Gefährlichste. Einmal bin ich an ihn geraten. Selbst mein untoter Körper hat nur mit Mühe überlebt. Er ist eine Klasse für sich und kämpft noch dazu unfair! Außerdem lässt er lieber die anderen für sich ringen und holt sich nur zum Schluss die Lorbeeren!“

Vilkas nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Bevor er sich jedoch noch weiter umblicken konnte, wurden alle unruhig. Schließlich erschien der Daedrafürst höchstpersönlich in ihrer Mitte. Ein ganzer Trupp Daedra, oder ‚Hirschmenschen‘ umringte ihn, genauso wie ein Rudel Hirsche, das an Größe und Eleganz kaum zu überbieten war. Allein ihr Anblick ließ auch in Vilkas die Jagdlust aufflammen. Wie musste es da erst den Jägern dieser Ebene ergehen? „Seid gegrüßt, meine ewigen Jagdgefährten!“ dröhnend echote Hircines verzerrte Stimme über alle Anwesenden. Vilkas hatte zwei größere

Rudel als das ihre ausmachen können und vier etwas kleinere. Alles in allem, waren hier sicherlich weit über hundert Jagdwillige versammelt. „Diesmal wird es eine ganz besondere Jagd werden, mit einem Preis, den es nicht immer zu erringen gibt! MICH!“, rief Hircine voller Begeisterung über die Menge. Ein Gejohle und Tumult brach los, den Hircine nur mit einem Stampfen seines Beines eindämmen konnte. Laut dröhnte es und die Erde, die er mit seinem Fellstiefel traf, begann zu beben. Sofort setzte wieder Stille ein. „Doch bedenkt! Der Lohn – diesmal sogar SIEBEN Fässer herrlichsten

Weines – gilt wie immer dem erfolgreichsten Rudel!“ Mit einer Geste deutete er auf die nervösen Hirsche, die bereits unruhig mit ihren Hufen zu scharen begannen. Alleine seine Präsenz hielt sie wohl von der Flucht ab, die unverkennbar in ihren Augen abzulesen war. „Ich werde nur einer unter vielen sein, den ihr jagen und erringen könnt. Der Preis für denjenigen, dem es gelingt mich zu erlegen, wird dagegen ein ganz besonderer sein, den ich jetzt noch nicht verraten möchte.“ Seine Nüstern stoben erregt vor Vorfreude der angehenden Jagd, wahre Dampfschwaden aus. „Und nicht zu vergessen! Der allerhöchste Preis ist immer noch offen!“

Gewichtig machte der Daedrafürst eine Pause. „Auf unserer Ebene der ewigen Jagdgründe, wahrscheinlich direkt unter euch, läuft immer noch der ‚Lebende‘ frei herum. Noch hat ihn niemand von euch gefunden oder zumindest noch nicht an mich ausgehändigt. Ich verrate euch auch den Preis, der dafür winkt. Vielleicht seid ihr dann williger, ihn an mich auszuliefern?“ Hircines glühender Blick schien dabei jeden einzelnen anzusehen. „Nun denn! Wer den ‚Lebenden‘ fängt, tötet, oder was auch immer, erhält ‚Wolfbändiger‘. Das legendäre Schwert, das einem Werwolf mit einem Streich den Tod bringen

kann!“ Das Toben, das nun einsetzte, war ohrenbetäubend. Die Begeisterung der Anwesenden kannte keine Grenzen. Vilkas dagegen knirschte mit den Zähnen. „Du spielst jetzt wohl mit allen miesen Tricks, Hircine!“, murmelte er. Doch seiner Haltung war sein Zorn nicht anzumerken. „Hmpf!“, meint Skjor verächtlich. „Jetzt wissen wir, warum Hircine die Groß- Jagd hier angesetzt hat. Das wird ein Gemetzel!“ Sein Blick traf Vilkas. „Nimm dich in Acht. Ich bin mir sicher, dass viele nun wahllos alle Neulinge töten werden, nur auf den Verdacht hinauf. Dieses legendäre Schwert würde

so mancher erringen wollen. Ich mit eingeschlossen!“ Glühend leuchteten seine Augen. Der Jagdinstinkt hatte ihn vollends gepackt. Doch rasch kehrte er sich von Vilkas ab, dem bereits die Hitze in den Nacken gestiegen war. Hircine war aber noch nicht fertig. Erneut stampfte er mit seinem Stiefel auf die Erde, dass alles erzitterte und die untoten Jäger sich endlich wieder beruhigten. „Auch für diese Groß-Jagd gilt das Verwandlungsverbot!“, rief der Daedrafürst. „Werwölfe werden nicht geduldet. Habt ihr verstanden? Es soll doch eine faire Jagd für alle werden, nicht wahr?“ Sein bellendes Lachen ließ Vilkas unwillkürlich die Schultern

hochziehen, während aus einigen Ecken enttäuschte Rufe laut wurden. „Gemach!“, ließ sich Hircine nochmals vernehmen. „Gemach meine ungeduldigen Wölfe! Es wird bald auch wieder eine Jagd nur für euch geben. Doch bei dieser Groß-Jagd sollen alle ihre Chance haben. Ich dulde auch kein Zuwiderhandeln mehr! Jeder, der diesem Gebot nicht gehorcht, wird nicht nur disqualifiziert, sondern auch ‚entsorgt‘… ihr wisst schon.“ Hircine winkte ungeduldig ab und ließ seinen glühenden Blick über die jagdwilligen Seelen in seinem Reich schweifen. „Auf dass die Besten gewinnen mögen!“, rief er noch, dann drehte er sich zu seinen ihn

umringenden Daedra um und gab ihnen wohl letzte Anweisungen. Skjor wandte sich an seine Leute und verteilte sie strategisch in die verschiedensten Aufgabenkreise auf. Vilkas musste anerkennend zugeben, dass Skjor hier noch gewiefter geworden war, als er es zu Lebzeiten bereits praktiziert hatte. Kein Wunder, dass sein Rudel zu den Favoriten zählte. Seine Leute waren durchorganisiert, was man bei den anderen Gruppen, die bereits geifernd und völlig ungeordnet in den Startlöchern standen, nicht sagen konnte. „Du bleibst am besten in meiner Nähe, wenn du kannst!“, raunte Skjor Vilkas zu, der sich bemühte, seine eindeutigen

Schweißausbrüche irgendwie zu tarnen. Er wusste jetzt, wie sich ein Wild fühlen musste. „Meine Gruppe hält sich generell an meine Befehle, doch „Wolfbändiger“ ist ein zu kostbarer Preis, der manchen dennoch in Versuchung führen wird.“ Vilkas nickte. Doch für ihn galt es jetzt noch schneller den Durchgang zu finden. Seine Lebenserwartung war angesichts des Preises, den Hircine auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, faktisch gegen Null gesunken. Auch auf Skjor konnte er sich nicht verlassen. Er war einst sein Mentor und Lehrer gewesen. Doch hier erinnerte er sich nicht an ihn oder an seinen Bruder. Vilkas war ein Fremder. Das Schwert ‚Wolfsbändiger‘ dagegen ein zu

guter Preis, um ihn nicht erringen zu wollen. Und Skjor war ein listiger Fuchs. Vielleicht wollte er Vilkas einfach nur in seiner Nähe haben, um ihn in Sicherheit zu wiegen und im Endeffekt, ohne große Mühen, dann erledigen zu können. Alles war möglich und Vilkas spürte, wie ein unbekanntes Gefühl sich zwischen seinen Schulterblättern hochzog. Angst! Er war hier auf sich alleine gestellt und er konnte niemandem, wirklich niemandem vertrauen. Wenn es nur um ihn gehen würde, wäre es einfacher. Aber so viel hing von seinem Erfolg ab! Der Fluch, der für die Gefährten endgültig gebrochen werden konnte, Hanas Schutz

und Wohlergehen an seiner Seite, die Rückkehr seiner Nichte zu Akatosh… Es war einfach zu viel, das auf ihn wartete, als dass er sein Leben leichtfertig aufs Spiel setzen konnte. Zum Glück dauerte die Anspannung nicht allzu lange. Hircine ließ mit einem Röhren die Hirsche ausbrechen, bevor er sich selbst in einen von ihnen verwandelte und mit ihnen in die umliegenden Wälder davonpreschte. Die Daedra standen weiterhin unbeweglich da und verhinderten auf diese Weise, dass die Meute an Jägern zu früh aufbrach. Erst nach einer quälend langen Zeit, die bereits Unmutsrufe und ungeduldiges Stampfen der Wartenden hervorrief, blies

einer der Daedra in sein Horn. Man hätte glauben können, dass ein Erdbeben über die ewigen Jagdgründe gekommen war, so sehr bebte der Boden unter dem Trampeln von über mehr als hundert Fußpaaren und dem wilden Geschrei, das aus ebenso vielen Kehlen abgegeben wurde. Vilkas schrie mit, wobei er sich beim Lauf in Richtung des höchsten Berges hielt. Dabei versuchte er so schnell wie möglich in die dichten Wälder abzutauchen und sich auch dort so gut wie möglich verborgen zu halten. Vilkas war trotz seiner Größe leichtfüßig und schnell. Dennoch hatte er das Gefühl, als würden ebenso leichte Schritte ihn verfolgen. Vielleicht waren

sie auch nur zufällig in dieselbe Richtung unterwegs wie er, doch sein Instinkt sagte ihm, dass das nicht der Fall war. Gekonnt schlug er Haken und vermochte nach ein paar unvorhergesehenen Manövern keine anderen Schritte als seine eigenen mehr auszumachen. Dennoch gönnte er sich keine Pause und eilte weiter voran, bevor er sich an einem strategisch günstigen Platz nieder ließ. Gebannt lauschte er. In einiger Entfernung konnte er wieder Schritte ausmachen, sowie den schweren Geruch von Menschen. Dazu aber auch den scharfen Geruch der Hirsche, die wohl ebenfalls hier in der Nähe Unterschlupf gesucht hatten.

Das war weniger schön. Viel Wild bedeutete, dass auch eine Großzahl an Jägern hierher kommen würde. So leise es ihm möglich war, bei seiner Lederrüstung fiel ihm das auch nicht besonders schwer, huschte Vilkas davon, um sich einen günstigeren Platz zu suchen, auf dem er auf ein Opfer warten konnte. Er hatte für sich beschlossen, seine alten Talente wieder hervorzuholen und einen Mord zu begehen. So würde er den ‚Hirschmenschen‘ dann direkt folgen können, wenn sie den Unglücklichen entsorgen würden. Einen anderen Ausweg sah Vilkas nicht. Entweder er würde auf diese Weise den Durchgang finden, oder

er selbst würde umkommen und von den Daedra zum Übergang getragen werden. Leider hätte er aber damit verloren. Gerade als er sich anschickte auf einen größeren Felsen zu klettern, um einen noch besseren Überblick zu bekommen, stieg ihm ein unbekannter Geruch in die Nase, der ihn sofort aufblicken ließ. Doch es war zu spät. Die Idee, die er gehabt hatte, hatte ein anderer wohl ebenfalls. Einer, der schneller war als er, oder noch schlimmer, einer, der ihn bereits von Anfang an verfolgt hatte. Vilkas war sofort in seinen Bewegungen erstarrt, doch der andere hatte ihn längst erspäht, wenn er nicht bereits sowieso schon auf ihn gewartet hatte. Seine

Lederrüstung lag eng an seinem Körper an und in einer edel gearbeiteten Scheide steckte ein Schwert, das locker an seiner Seite hing. Den Halm, an dem er wohl gekaut hatte, als er auf Vilkas wartete, nahm er nun aus dem Mund und warf ihn achtlos zur Seite. „So so…“, meinte der ‚Milchbart‘, der Anführer des Nord-Rudels, vor dem Skjor ihn wohl zu Recht gewarnt hatte und spuckte die letzten Reste des Halms aus. „Du bist also der ‚Lebende‘.“ Unbekümmert hockte der junge Mann, dem man nicht mehr als achtzehn Jahre geben würde, auf dem Felsen, den Vilkas erklimmen wollte. In seiner Haltung erinnerte er ihn an Galen. Doch während

Galen mit dieser Haltung mehr sein Wohlbefinden und seine Entspannung auszudrücken pflegte, sprach alles an diesem Mann von Gefahr. Wäre Vilkas jetzt in seiner Wolfs-Form, würden sich seine Nackenhaare aufstellen. Die Gefahr, die von diesem ‚Milchbart‘ ausging, war körperlich zu spüren. „Wer sagt dir, dass ich der ‚Lebende‘ bin?“, fragte Vilkas dennoch schroff. Auch wenn er beeindruckt war, würde er sich das unter keinen Umständen anmerken lassen. Der Junge vor ihm richtete sich auf und sprang leichtfüßig vom Felsen. Man konnte kaum erkennen, dass er diese Bewegung ausführte. Seine ganze

Haltung war wie eine gespannte Bogensehne, ohne dass dabei die geringste Anstrengung zu sehen war. Völlig locker. Er war ein Raubtier. Eines der gefährlichsten, dem Vilkas jemals begegnet war. Selbst ohne sich zu verwandeln. „Nun…“, meinte der Mann gedehnt. Er stand jetzt keine fünf Meter von Vilkas entfernt, der sich ihm ebenfalls so locker wie möglich gegenüberstellte. Ein Kampf zwischen ihnen war unvermeidlich. Doch jeder tastete den anderen noch ab. Vilkas Gegenüber war nicht nur gefährlich, er schien auch hochintelligent und erfahren zu sein. Aus der Nähe gesehen wirkte er immer noch

ungebührlich jung, doch an seinen hellgrauen, uralten Augen, erkannte man die wohl unzähligen Zeitalter, die er bereits hinter sich gebracht hatte. Sie blickten beinahe gelangweilt auf Vilkas, als würde er sich nicht einmal von diesem Kampf viel erwarten. Seine kurzen, hellbraunen Haare standen ihm dagegen wüst vom Kopf ab, was wohl ebenfalls zu seinem jugendlichen Aussehen beitrug. Schließlich erhellte ein Lächeln, das nur seine Mundwinkel hob, sein ernstes Gesicht. „…dein Geruch. Ich bin schon viel zu lange hier und kenne alle Ausdünstungen. Dein lebendiges Blut strömt einen anderen Geruch aus, als das der Toten. Es ist nur

eine Nuance. Und du bist verwundet. Leicht zwar, aber es genügt, um es mir zu verraten.“ Unwillkürlich griff Vilkas an seinen Oberschenkel, an dem er sich im Kampf gegen Jörgen diese Verletzung zugezogen hatte. Dank des Mooses, das er an einer Baumgruppe gefunden hatte, war der Schnitt schon beinahe verheilt, aber für einen uralten Werwolf wohl immer noch zu riechen. „Wie lange bist du schon hier in den ewigen Jagdgründen?“ Vilkas stellte die Frage um Zeit zu gewinnen. Er wollte seinen Gegner noch weiter abtasten, doch der Junge vor ihm, ließ ihm kaum eine Möglichkeit. Dazu war er zu erfahren,

um sich eine Schwachstelle ansehen zu lassen. Oder vielleicht hatte er auch gar keine? „Genügt es, wenn ich dir sage, dass ich der Älteste hier bin?“ Trübe tropften seine Worte aus seinem Mund, als wäre er müde darüber auch noch zu sprechen. „Ich sah schon zu viele hierher kommen und wieder gehen. Selbst von dieser unsterblichen Ebene. Nur Hircine ist älter als ich es bin. Aber was soll`s? Das spielt jetzt keine Rolle. Der Daedrafürst hat eine spezielle Abmachung mit mir. Damit habe ich mehr Freiheiten als alle anderen. Obwohl es verboten ist, könnte ich mich in einen Werwolf verwandeln und dir einfach den Kopf abreißen Es

hätte keine Konsequenzen für mich. So ein langes Bestehen in den ewigen Jagdgründen bringt eben seinige Vergünstigungen mit sich.“ Jetzt erreichte sein Lächeln auch seine Augen. „Aber ich tu es nicht. Denn ein wenig Vergnügen, bei einem Kampf, möchte auch ich nicht missen!“ Er hatte kaum ausgesprochen, als er wie durch Zauberhand sein Schwert bereits in der Hand hielt und Vilkas einen Streich verpassen wollte. Der Angriff war in keiner Geste, nicht einmal in einem Aufblitzen der Augen des ‚Jünglings‘ zu erkennen gewesen. Dennoch hatte Vilkas damit gerechnet. Er hatte den Mann richtig eingeschätzt. Bei diesem Kämpfer

konnte er sich nur auf seinen Instinkt verlassen. Dieses Raubtier war zu gut, um sich auch nur durch die kleinste Kleinigkeit zu verraten. Geschickt tauchte Vilkas unter dem Schlag durch und hieb dabei seinen Ellenbogen in die Kniekehle des Gegners, was diesen taumeln ließ. Dann sprang er auf und zog seinen Zweihänder. Trotz seiner Schnelligkeit und Gewandtheit, war der andere noch schneller. Der Streich, der Vilkas quer über die linke Hüfte traf, drang durch seine Lederrüstung und verletzte ihn tief. Doch er ließ sich dadurch in seinem Schwung nicht aufhalten. Das wäre sein Ende gewesen. Mit all seiner

Willenskraft steuerte er seinem Körper entgegen, der sich einfach nur zusammenkrümmen wollte und zog seinen Schlag weiter durch. Mit einem Surren durchschnitt sein Zweihänder die Luft und traf seinerseits den so jugendlich aussehenden Mann, der nicht mit Vilkas Willensstärke gerechnet hatte. Die Wucht des Schlages durchdrang die enganliegende Lederrüstung, verletzte den wie ein Raubtier agierenden Mann tief am Schulterblatt und durchtrennte beinahe seinen Arm. Mit einem geschmeidigen Sprung brachte sich der ‚Jüngling‘ sofort in Sicherheit. Vilkas setzte nach, doch noch so einen Treffer, konnte er nicht mehr landen.

Der Leitwolf des Nord-Rudels wich ihm geschmeidig aus. „Ich habe dich unterschätzt!“, knurrte er. „Doch das wird mir nicht noch einmal passieren!“ Ohne in seinen Bewegungen inne zu halten wechselte er sein Schwert in den gesunden Arm. Er war zwar schwer verletzt, dennoch gelang es Vilkas nicht mehr ihm eine weitere tiefe Verwundung zuzufügen. Der Leitwolf des Nord-Rudels war eine Klasse für sich. Es schien, als würde der ‚Jugendliche‘ mit ihm tanzen, so mühelos wich er seinen Schlägen aus. Dagegen verpasste er Vilkas einen weiteren schweren Treffer, der seine linke Seite beinahe völlig

aufklaffen ließ. Ein wenig tiefer nur und Vilkas Eingeweide hätten sich über den Waldboden ergossen. Schwallartig strömte dafür sein Blut aus der tiefen Wunde. Vilkas wich etwas zurück. Er musste jetzt rasch einen tödlichen Treffer landen, ansonsten waren seine Stunden hier gezählt. Mit dem Zweihänder kam er nicht weit. Damit war er bei diesem Gegner zu langsam. Viel Zeit hatte er nicht mehr. Vilkas sah bereits, wie der beinahe abgetrennte Arm des Jugendlichen sich langsam wieder ausrichtete. Die Wunden der Toten heilten tatsächlich viel zu schnell. Der große Nord zögerte nicht länger. Mit

einem Schrei setzte er zu einer Finte an. Vilkas hob seine schwere Waffe und stürmte auf den leichtfüßigen Gegner zu, der sich darauf bereits vorbereitete. Doch mitten im Sprung schleuderte Vilkas seinen Zweihänder von sich. Der andere Mann duckte sich instinktiv, da war Vilkas auch schon heran und stieß ihm seinen Dolch ins Herz, den er unmittelbar zuvor aus seinem Gürtel gezogen hatte. Dabei riss er die kurze Waffe scharf nach oben. Es war ein tödlicher Streich, aber ob er hier auf dieser Ebene dieselbe Wirkung hatte, war ungewiss. Mit einem keuchenden Schmerzenslaut sank Vilkas zusammen und hielt sich

seine offene Seite, aus der das Blut immer noch schwallartig herausrann. Er hatte mit dieser Finte seine Reserven aufgebraucht und musste verzweifelt Luft holen. Augenblicklich nutzte sein Gegner das aus. Er warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen Vilkas und presste ihn zu Boden. Aus der Herzwunde des ‚Milchbartes‘ strömte Blut, doch die Wunde war hier tatsächlich nicht tödlich. Stattdessen hatte der Leitwolf des Nord-Rudels Vilkas Dolch in den Händen und trachtete nun seinerseits ihm die Waffe in das Herz zu stoßen. Vilkas wehrte sich aus Leibeskräften. Aber der ‚Milchbart‘ war genauso groß und schwer wie er. Obwohl er nur einen

Arm hatte, mit dem er Vilkas niederdrücken konnte, war Vilkas durch den Blutverlust bereits zu geschwächt, um dem Druck des Mannes noch etwas entgegensetzen zu können. „Stirb endlich, du lebender Bastard!“, knirschte der Mann. „Nein!“, rief Vilkas, doch es war vorbei. Er spürte bereits die kalte Klinge seines eigenen Dolches an seinem Hals, als die Bewegung plötzlich stoppte. Ungläubig blickte er nach oben, mitten in die aufgerissenen Augen des ‚Milchbartes‘. Da sah er die breite Schwertspitze, die aus dessen Brust ragte. In ihrem verbissenen Kampf hatten die Kontrahenten auf nichts anderes

geachtet. Doch jetzt drang auch der Geruch eines weiteren Mannes zu Vilkas durch, der nun mit der Spitze seines Stiefels dem ‚Milchbart‘ einen Stoß versetzte, dass dieser zur Seite kippte. So schnell es Vilkas nur möglich war, robbte er zurück und blickte auf Skjor, der ein breites Grinsen auf den Lippen hatte. „Heile dich!“, riet er Vilkas. „Dein Körper macht es nicht mehr lange!“ Dann wandte er sich triumphierend dem Leitwolf des Nord-Rudels zu. „Deine Zeit ist vorbei, Ysgramor!“, rief Skjor und riss sein breites Schwert aus der klaffenden Brustwunde heraus. Mit seinem schweren Stiefel drückte er den

Mann weiterhin gegen den Boden. „Ich wusste, dass du dem ‚Lebenden‘ und dem Preis, der auf ihn angesetzt wurde, nicht würdest widerstehen können!“ Er lachte. „Beinahe wie ein Anfänger bist du in meine Falle getappt! Du hast bisher noch nie einen Fehler gemacht. Dieser, dein erster, wird dann wohl auch dein letzter sein!“ „Ysgramor?“ Vilkas verschluckte sich beinahe. Der legendäre Ysgramor, Begründer der Gefährten, dessen bärtige, erhabene Statue sein Grabmal zierte, war dieser ‚Milchbart‘? Um Vilkas begann sich alles zu drehen. „Heile dich endlich!“, keifte Skjor. „Du hast doch noch dieses

Moos!“ „Du weißt davon?“, stockte Vilkas. „Ich bin ein guter Beobachter und du ein lausiger Schausteller“, knurrte Skjor und verdrehte die Augen. „Natürlich weiß ich davon. Mir war von Anfang an klar, wer du warst! Vor allem, da kein Toter mit so einem Hass gegen einen kämpft, den er gar nicht kennen sollte. Wer hier aufwacht, hat einfach keine Erinnerungen mehr!“ „Was meinst du?“ Skjor hob abwehrend die Arme. „Ich will gar nicht wissen, was Jörgen dir in seinem Leben angetan hat. Hier ist er ein guter Kumpel von mir. Aber als ich deinen Hass auf ihn sah, mit dem du

gegen ihn gekämpft hast, und eins und eins zusammenzählte, reifte sofort der Plan in mir, Ysgramor mit dir eine Falle zu stellen. Ysgramor ist ein Trophäenjäger. Alles, worauf ein Preis angesetzt ist, muss ihm gehören.“ Ärgerlich blickte er jetzt auf Vilkas. „Jetzt heile dich endlich! Oder willst du hier wirklich sterben?“ Da kramte Vilkas schließlich nach dem Moos, das er noch übrig hatte und stopfte es sich in die klaffende Wunde an seiner Seite. Es reichte gerade auch noch für die kleinere Hüftwunde. Stöhnend krümmte er sich zusammen. Es brannte beinahe unerträglich, doch die Blutung stoppte sofort. Keuchend saß Vilkas da

und starrte auf die Szene vor sich, die er immer noch nicht glauben konnte. Ysgramor! Der legendäre Gründervater der Gefährten war hier ein Mann, der jünger aussah, als Vilkas sich mit siebzehn gefühlt hatte. Er konnte es einfach nicht glauben. Diese hellbraunen, frech abstehenden Haare, das bartlose, jugendliche Gesicht, das konnte doch niemals der ehrwürdige Ysgramor sein! Die erhabene Gestalt, die in Bronze gegossen, vor der eigenen Grabkammer so eine Rechtschaffenheit ausstrahlte! So sehr konnte sich doch niemand verändern! Vilkas schüttelte in schierem Unverständnis den

Kopf. Der jugendliche Kämpfer dagegen lag auf dem Rücken und atmete schwer. Abgehetzt blickten die uralten Augen aus dem zeitlosen Gesicht. Er war in einer aussichtslosen Situation. Selbst für eine Verwandlung in einen Werwolf war er zu schwer verletzt. Es gab keinen Ausweg mehr für ihn. „Tu es endlich, Skjor!“, höhnte er. „Nimm deine Rache. Du warst wirklich seit langer Zeit der ebenbürtigste Gegner, der mir hier begegnet ist. Als ich dich besiegte, hätte ich dich aber töten sollen. Denn wie ich sehe, hast du dich gut erholt. Zu gut.“ Seine Lippen teilten sich wieder zu diesem ernsten Lächeln. Vilkas verstand

nicht worum es ging, doch er war viel zu geschwächt, um noch irgendeinen Kommentar abzugeben. So sah er einfach nur zu, wie Skjor, der neben Ysgramor in die Knie gegangen war, sein Schwert hob. „Egal wie viel Zeit du jetzt mit Reden schinden willst. Ich lass dir keine Möglichkeit, um dich wieder zu regenerieren! Stirb endlich, du Wahnsinniger!“, rief Skjor, dann trennte er Ysgramors Kopf mit einem wuchtigen Schlag von dessen Schultern und beendete auf diese Weise endgültig sein Dasein. Unwillkürlich zuckte Vilkas zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet.

„Warum?“, fragte er. „Warum hast du ihn getötet? Das… das war Ysgramor! YSGRAMOR!“ „Das war die Heimsuchung der ewigen Jagdgründe!“, sagte Skjor und deutete anklagend auf die Leiche vor ihm. „Nicht einmal Hircine wurde ihm mehr so richtig Herr. Er konnte machen was er wollte und das tat er auch. Es gab niemanden, der ihn besiegen konnte. Er schmückte sein Zelt sogar mit den Köpfen der Daedra! Man munkelte, dass er Hircine selbst stürzen wollte, um sich als alleinigen Herrscher über die ewigen Jagdgründe zu erheben.“ Vilkas konnte es nicht fassen. „Aber… Ysgramor… ich

meine…“ „Was?“, fragte Skjor nach und erhob sich, während er sein Schwert an Ysgramors Lederrüstung abstreifte und dann zurück in die Scheide steckte. „Wer auch immer er für dich einst war, hier war er ein Verbrecher, der wahrscheinlich auch Hircine eines Tages vernichtet hätte. Niemand konnte ihn besiegen.“ „Kein Wunder!“, rief Vilkas. Dann begann er zu husten. Selbst das Erheben der Stimme strengte ihn über die Gebühren an. „Ysgramor war der Mächtigste der Gefährten und unser Gründervater! Er war der beste Kämpfer der jemals gelebt

hatte!“ „Tu nicht so, als müsste ich das wissen! Du vergisst, dass wir uns hier an nichts mehr erinnern können“, entgegnete Skjor eingeschnappt und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Selbst wenn er mein eigener Vater gewesen wäre, hätte ich das nicht mehr gewusst! Abgesehen davon, war er ein mieser Geselle, der einfach tat was ihm gefiel. Und das war beileibe nichts Gutes, das kannst du mir glauben!“ Vilkas kämpfte immer noch mit dem Idealbild, das er von Ysgramor hatte und mit dem Bild dieses jungen Mannes, der ihm hier begegnet war und der einem gefährlichen, unberechenbaren Raubtier

ähnlicher war, als einem Menschen. Vielleicht ist er erst mit der Zeit so geworden? Wer wusste schon, was Jahrtausende aus einem machten, wenn man so lange hier war? Stöhnend griff er sich an den Kopf. „Komm“, meinte Skjor und versuchte Vilkas auf die Beine zu zerren. „Willst jetzt DU mich zu Hircine bringen, um den Preis zu kassieren?“, fragte er. Doch was auch immer es war, was Skjor mit ihm vorhatte, er könnte sich sowieso nicht mehr wehren. Der Kampf gegen Ysgramor hatte ihn einfach zu viel gekostet. „Bring mich ja nicht in Versuchung!“, spöttelte Skjor. Dann wurde er wieder

ernst. „Aber nein, mein Guter. Ich bin dir zu Dank verpflichtet. Ohne dich hätte ich Ysgramor nicht diese Falle stellen können.“ Er zögerte, dann gab er sich einen Ruck. „Ja, ich habe dich benutzt“, gab er zu. „Sieh es jetzt eben als Dank an, dass ich dich dafür laufen lasse. Außerdem werden bald die ‚Hirschmenschen‘ kommen, um Ysgramors Überreste wegzubringen. Spätestens dann sollten wir weg sein. Die kennen wirklich keinen Spaß!“ „Aber genau denen muss ich folgen!“ Vilkas wurde beinahe schwarz vor Augen vor Aufregung, seinem Ziel so nahe zu sein. Skjor hielt inne. „Schon gut“, versuchte

er Vilkas zu beruhigen. „Was immer du vorhast, ihr Geruch ist so intensiv, dem kann man noch nach Tagen folgen! Sei also unbesorgt.“ Dann blickte er zweifelnd auf den Verletzten. „Dich hat es schlimm erwischt. Glaubst du überhaupt, dass du noch gehen kannst?“ „Ja, verdammt!“, knurrte Vilkas. „Hilf mir einfach nur auf, dann geht es schon.“ Skjor lächelte. „Du bist ein selten sturer Kerl.“ Dann bückte er sich und zog Vilkas hoch. „Komm jetzt, ich kann sie bereits riechen, sie werden gleich hier sein.“ Leichter Verwesungsgeruch wehte zu ihnen herüber. Ohne weitere Worte packte Skjor den großen Nord, der sich

immer noch bemühte auf die Beine zu kommen, und schleifte ihn so schnell er konnte hinter eine Felsengruppe. Es war keine Sekunde zu früh. Kaum, dass sie weg waren kamen die Daedra und nahmen Ysgramors Überreste mit sich. Es stimmte. Ihr Geruch war so einprägsam, dem würde man noch nach Tagen folgen können. Zum Glück war Vilkas diesen Gesellen bis jetzt noch nie nahe genug gekommen, um den Genuss ihrer Ausdünstungen kennen zu lernen, die wirklich mehr als penetrant waren. Ähnlich wie der intensive Geruch der Vampire, denen immer ein wenig von Verwesung anhaftete. Vilkas seufzte auf und sank in sich

zusammen. Eine Sorge weniger. Den Weg zum Übergang würde er von hier aus auf jeden Fall finden können. Kurz wollte er seinem Körper Ruhe gönnen, doch es war ihm keine Entspannung vergönnt. Den Preis, den Hircine auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, wollten wohl viele erringen. Ysgramor war nur der Erste gewesen. Denn kaum, dass die ‚Hirschmenschen‘ mit ihrer Fracht verschwunden waren, ertönte eine höhnische Stimme vom Felsen auf sie herab, von der er gehofft hatte, sie nie wieder hören zu müssen.

31 der übergang

Schauer zogen über Vilkas Rücken und er hatte sofort wieder den Drang sich übergeben zu müssen. Noch dazu waren sie in einer denkbar ungünstigen Position. „Na so etwas, Skjor, mein Lieber!“ Diese grauenhafte Stimme! So zuckersüß und falsch! „Dass ausgerechnet du dir den ‚Lebenden‘ sichern wolltest, damit habe ich ja fast schon gerechnet. Du listiger Fuchs siehst ihn wohl bereits als deine Beute an. Doch ich glaube, da haben wir noch ein Wörtchen mitzureden, nicht wahr?“

Geschmeidig glitt Astrid vom Felsen. Dicht hinter ihr folgte Ervin. Seine unsteten Augen zuckten nervös hin und her. Doch seine Haltung war fest. Für Vilkas kam es nicht überraschend, dass der Mörder von Skjor und die ehemalige Assassine unter einer Decke steckten. Für Skjor wohl ebenfalls nicht, obwohl er die Vergangenheit der beiden nicht kannte. Doch seine Menschenkenntnis und sein klarer Verstand hatten ihn den Charakter der beiden auch ohne dieses Wissen erkennen lassen. Mit festem Schritt trat er vor und stellte sich breitbeinig vor Vilkas. „Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich

hervorkommen würdest und dich offen gegen mich stellst. Dass du es nicht alleine tust, bestätigt nur meine Meinung von dir.“ „Ach hör doch auf!“ Astrid winkte ab. „Rück den ‚Lebenden‘ heraus, dann lassen wir dich gehen. Ich bin nicht scharf darauf dein Rudel zu übernehmen. Aber ich WILL unbedingt diese Waffe! Hast du eine Ahnung, was dieses Schwert für einen Späher bedeutet? Wir wären euch Wölfen nicht mehr unterlegen!“ „Lass das Getue, Astrid und verschwinde.“ Skjor richtete sich zu seiner vollen Größe auf und Vilkas sackte noch mehr in sich zusammen. Dabei sah er wie Ervin siegessicher zu

lächeln begann. Das war seine Chance. Genau darauf hatte er gehofft, dass die beiden glaubten, von ihm ginge keine Gefahr mehr aus. So täuschte er Ervin weiter. Auch wenn Skjor gemeint hatte, dass er ein schlechter Schausteller war, bemühte er sich den völlig Hilflosen zu spielen. Dabei versuchte er mühsam nach seinem Dolch zu greifen, wobei er seine Finger so zittern ließ, dass ihm jedes Mal der Griff der Kurzwaffe wieder entschwand. Astrid dagegen hielt es nicht mehr für nötig Skjor zu antworten. Stattdessen griff sie an. Doch Vilkas war viel zu konzentriert, als dass er diesen Kampf verfolgen konnte. Noch immer versuchte

er auf theatralische Weise, seine Hände in den Griff zu bekommen, da war Ervin bei ihm und trat ihm mit seinem Stiefel gegen die Brust, dass Vilkas zurück geschleudert wurde. Der Tritt war so hart, dass ihm tatsächlich die Luft wegblieb. Vilkas kämpfte jetzt wirklich darum nicht die Besinnung zu verlieren. Es gelang ihm nur durch die eiserne Disziplin, die er sich von klein auf schon anerzogen hatte. Dennoch tat er so, als wäre er völlig entkräftet. „Das macht ja keinen Spaß, einen Halbtoten abzustechen!“, murrte Ervin und schickte sich an Vilkas Kopf an den Haaren zurück zu biegen, um ihm mit Genuss die Kehle aufzuschneiden.

Doch er kam nicht dazu. Voller Erstaunen weiteten sich seine Augen, als ihn Vilkas Dolch in seinem Schritt traf. Der unerwartete Stich in seine Hoden erstickte jeden Schrei. Mit offenem Mund und völlig lautlos sank er in sich zusammen. Vilkas machte kurzen Prozess. Er riss sofort den Dolch heraus und zerschnitt Ervins Kehle. Dann zog er dessen Schwert aus der Scheide und trennte ihm den Kopf von den Schultern. Mit einer geschmeidigen Drehung wirbelte er so schnell es sein malträtierter Körper noch erlaubte herum, wobei er sich sofort duckte. Sein Instinkt hatte ihn richtig geleitet. Er

konnte Astrids Hieb gerade noch um Haaresbreite ausweichen. Wie sie es geschafft hatte Skjor zu besiegen, war ihm nicht ganz klar. Außer sie hatte ihre magischen Fähigkeiten mit auf diese Ebene bringen können. Dass dies der Fall war, zeigte ihm wie sie verstohlen magische Energie in ihrer linken Hand sammelte, während sie ihn mit dem Schwert, das sie in der Rechten trug, offen bedrohte. Ihr Angriff erfolgte auch völlig unerwartet und von unten: die blauen Blitze ihres legendären Lähmungszaubers. Doch Vilkas machte den Fehler seiner Vergangenheit kein zweites Mal. Er war auf ihre Heimtücke vorbereitet und wich rechtzeitig aus.

Dafür schleuderte er seinerseits seinen Dolch. Er war immer schon geschickt diesbezüglich. Nur jetzt kam noch die Kraft seiner unzähligen Kämpfe und Trainingsstunden hinzu. Mit voller Wucht traf er Astrid zwischen ihren Augen. Der scharfe Dolch fuhr bis zum Heft in ihren Schädel. Die ehemalige Assassine fiel wie ein gefällter Baum nach hinten. Doch Vilkas wusste, dass auf dieser Ebene nur ein zerfetzter Körper oder ein abgetrennter Kopf die Garantie für den endgültigen Tod waren. Wie bei den Vampiren. Völlig erschöpft und jetzt mit wirklich zitternden Händen tastete er nach Ervins Schwert, das er fallen gelassen hatte.

Vilkas spürte wie sein schwer verletzter Körper immer kraftloser wurde. Doch diesen Triumpf wollte er noch auskosten. Mit letzter Mühe hob er die Waffe. „Möge Sithis dich auf ewig in seiner Leere verschlingen!“, rief er und hieb mit einem Streich Astrids Kopf von ihren Schultern. Angewidert zog er seinen Dolch aus ihrem Schädel. Während er ihn notdürftig reinigte, gab er ihrem Kopf einen Tritt, dass dieser einige Meter weg kullerte. Er wollte sichergehen, dass ausgerechnet bei ihr dieses Teil nicht wieder an ihren Schultern anwachsen würde. Dann sackte Vilkas zusammen. „Talos!“, keuchte er. „Lass mich dieses

Weib ja nicht noch einmal töten müssen!“ Schnaufend und japsend versuchte er wieder einigermaßen zu Kräften zu kommen. Ein Blick zu Skjor zeigte ihm, dass dieser sich langsam zu bewegen begann. Astrid hatte ihn nicht nur gelähmt, sondern auch ihren Dolch ins Herz gestoßen. Wahrscheinlich hätte sie ihn getötet, wenn Vilkas nicht so schnell mit Ervin fertig geworden wäre. Sie waren beide ziemlich zugerichtet. Schließlich erhob sich Skjor und half auch Vilkas auf. Gemeinsam suchten sie nach einem Versteck, um den Daedra auszuweichen und wieder zu Kräften zu kommen. Im Gegensatz zu Vilkas heilte

Skjor ziemlich schnell. Doch auch Vilkas Wolfsblut half ihm, mit seinen Verletzungen besser fertig zu werden. Auf ihrem Weg zum Versteck – einem gut verborgenen Platz hinter dichten Büschen an einer Felswand – fanden sie noch ein wenig Moos, das sich Vilkas erneut auf die Wunden legte. Die blutstillende und heilende Wirkung war schmerzhaft aber ein wahrer Segen. „Wieso hilfst du mir eigentlich?“, fragte Vilkas bei dieser Gelegenheit. „Du kennst mich nicht und auf meinen Kopf ist ein hoher Preis ausgesetzt.“ „Wofür hältst du mich?“ Skjor wirkte ein wenig beleidigt. „Dank dir habe ich Ysgramor vernichten können. Glaubst du

wirklich ich vergelte so etwas mit Verrat? War ich, als ich noch lebte, wirklich ein so mieser Geselle, dass du mir das zutraust?“ Ein schneller Blick traf Vilkas. „Und sage mir nicht, dass du mich nicht kennst. Ich sah es an deinen Augen und in der Weise, in der du mich immer angesehen hast.“ Abwägend musterte ihn Skjor erneut. „Ich glaube sogar, dass wir uns ziemlich nahe standen, nicht wahr? Vielleicht sogar Vater und Sohn?“ Vilkas humpelte an seiner Seite weiter. „Du hast immer schon alles schnell durchschaut, das hat sich nicht geändert“, antwortete er. Sie kämpften sich durch dichtes Buschwerk, das vor

einer Felswand wucherte. Dahinter stand noch ein Findling, der für eine kleine Nische sorgte, in der sie genügend Platz fanden, um sich zu erholen. „Aber nein, du warst nicht unser Vater“, sagte Vilkas, als er sich setzte und Skjor ihm gegenüber Platz nahm. „Obwohl du meinem Bruder und mir weitaus mehr gelehrt und dich mehr um uns bemüht hast, als derjenige, der sich unser Vater nannte.“ Ein verbitterter Zug legte sich auf sein Antlitz. „Du hast uns alles gegeben, was du konntest, als wären wir tatsächlich deine Söhne. Leider haben dich die Werwolf-Hasser erwischt. Wir konnten nichts mehr für dich tun. Viel zu früh bist du von uns gegangen. Du wärst

der nächste Leitwolf gewesen. Jetzt liegt es an mir.“ Skjor starrte ihn an. Vilkas Worte hatten ihn tief bewegt. „Dann hat mich meine Beobachtungsgabe also nicht betrogen“, meinte er schließlich. „Da tut es mir richtig Leid, dass ich dich als Köder für Ysgramor benutzt habe. Aber dieser Wahnsinnige musste endlich aufgehalten werden! Vielleicht kann ich dir jetzt noch helfen? Was hast du vor? Warum möchtest du den Daedra folgen? Das ist die verbotene Zone! Von dort gibt es kein Zurück mehr!“ Völlig fertig lehnte Vilkas am Felsen. Skjor beobachtete ihn genau, während er ein paar schwarze Beeren vom Busch

pflückte und sie zwischen seinen Fingern zerrieb. Zu ihrem Glück waren es Pestbüsche, deren Aroma sie auch vor Werwölfen verbergen sollte. Das zusätzliche Zerreiben würde diesen Effekt noch weiter verstärken. „Es geht um den Werwolf-Fluch und eine Abmachung mit Hircine“, betonte Vilkas. „Und ich will auch nicht mehr zurückkommen, sondern nach Hause!“ „Auf diesem Weg?“ Skjor fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Wer hat dir denn diesen Blödsinn eingeredet?“ Mit dem Kopf deutete er weit vor sich. „Die einzige Möglichkeit für einen ‚Lebenden‘ wieder nach Hause zu kommen ist das Hircine-Tor, das tief im

Süden liegt! Einmal jedes Jahr ist es für Lebende offen. Sie kommen in Scharen und wir haben unsere Freude an den Jagdspielen mit ihnen.“ Skjor lächelte vielsagend. „Viele von ihnen kommen nicht mehr zurück in die Welt der Lebenden, wie du dir wohl denken kannst. Einige davon bereichern jetzt sogar mein Rudel.“ Vilkas konnte sich das gut vorstellen. Noch eine Möglichkeit für Hircine so mancher Seelen habhaft zu werden. „Vielleicht hast du Recht und das Hircine-Tor ist der einzige Weg für mich aus dieser Ebene wieder herauszukommen. Aber ich glaube nicht daran. Der ‚Übergang‘, dort wo die

Daedra die Seelen der endgültig Verstorbenen hinbringen, oder die derjenigen, die in Ungnade gefallen waren, ist nicht das Ende. Es ist ein Bereich, der alle Ebenen miteinander verbindet. Ich muss ihn finden! Nur dann habe ich gegen Hircine gewonnen.“ „Du willst dem Fürsten der ewigen Jagdgründe eins auswischen?“ Skjors Lächeln wurde noch breiter. „Na dann, viel Glück! Kein Wunder, dass Hircine so einen hohen Preis auf deinen Kopf ausgesetzt hat! Worum geht es überhaupt?“ Skjor langte in seinen Beutel und zog eine Flasche heraus, die er Vilkas anbot. „Trink“, meinte er dabei.

Dankbar nahm Vilkas von dem Wasser, das Skjor bei sich hatte. Durch den großen Blutverlust, konnte er jede Flüssigkeit brauchen. „Es geht darum, dass wir selbst frei entscheiden wollen, wohin unsere Seele nach unserem Ableben geht“, begann Vilkas zu erklären. „Du willst freiwillig zurück zu Akatosh? Was passt dir nicht an den ewigen Jagdgründen?“, fragte Skjor erstaunt. „Alle Werwölfe kommen hierher und natürlich auch alle, die von Werwölfen gebissen oder getötet werden. Was ist so schlimm daran?“ Skjor nahm nun ebenfalls ein paar Schluck Wasser aus

der Flasche, die Vilkas ihm wieder zurückgegeben hatte. „Dass wir als echte Nord nicht nach Sovngarde gehen können, so wie es unser angestammtes Recht wäre“, erklärte Vilkas. „Wir müssen nicht zu Akatosh zurückkehren. Es gibt viele Ebenen, in die wir nach unserem Tod eintreten können.“ „Sovngarde?“ Man sah Skjor an, dass er auch das völlig vergessen hatte. Vilkas war entsetzt. Mehr denn je wollte er seine Mission erfüllen. Dieses Schicksal, sich nach dem Tod an nichts mehr erinnern zu können, war einfach unwürdig. „Alle unsere Ahnen, die nicht dem

Werwolf-Fluch erlegen sind, wurden nach ihrem Ableben in Ehren dort aufgenommen“, begann Vilkas zu erklären. „Und genau darum geht mein Handel mit Hircine. Ich will frei entscheiden können, wohin meine Seele nach meinem Tod geht. Und ich möchte, dass jeder, den ich in meinem Rudel aufnehme und ebenfalls zum Werwolf mache, dieselbe Entscheidungsfreiheit hat. Außerdem will ich nach dem Tod nicht alles vergessen. Ich möchte mein Leben, so grauenhaft es zeitweise auch war, nicht vergessen!“ Vilkas hatte sich beinahe in Rage gesprochen. Begütigend winkte Skjor ab. „Jetzt beruhige dich!“, flüsterte er.

„Wenn du weiterhin so brüllst, werden selbst diese Pestbüsche uns nicht verbergen können und du kannst deine Pläne gleich vergessen!“ „Hat dir das denn nie etwas ausgemacht?“, fragte Vilkas etwas leiser. „Dich an nichts mehr erinnern zu können?“ Skjor zuckte die Schultern. „Da ich mich eben nicht erinnern kann, kann ich auch nicht traurig darüber sein, was ich alles vergessen habe. Außerdem habe ich hier eine neue Familie gefunden und die Jagden sind es allemal wert!“ „Apropos Jagd! Versäumst du denn nichts?“, fragte Vilkas nach, während er sich auf die Brust griff. Ein seltsames

Ziehen war zu spüren, das ihn ziemlich irritierte. Skjor winkte ab. „Darum kümmert sich Jörgen. Die Gelegenheit Ysgramor auszuschalten und uns von diesem Wahnsinnigen zu befreien war uns das Wichtigste. Du kannst dir sicher sein, dass weder Jörgen noch ich die nächste Werwolf-Jagd überlebt hätten. Ysgramor hätte alles daran gesetzt uns zu eliminieren. Dazu haben wir ihm zu oft ans Bein gepinkelt, als dass er uns noch länger in ‚seinen‘ Jagdgründen geduldet hätte. Glaub mir.“ Vilkas fiel es immer noch schwer. Er schüttelte den Kopf. „Was soll`s“, meinte er schließlich. Dann griff er sich erneut

an die Brust. Dieses Ziehen… es spürte sich beinahe so an, als wäre etwas mit seinem Rudel… Vilkas schüttelte unwillig den Kopf. Nein, das war unmöglich. Probehalber streckte er seinen Rücken. Die Wunde an seiner Seite brannte und tobte, doch dürfte das Moos bereits seine Wirkung getan und die Wundränder geschlossen haben. Ein wenig müsste er noch ruhen, doch dann würde Vilkas den Spuren der Daedra folgen können. Aufmerksam folgte Skjor seine Bewegungen. „Mein Körper hat sich schon regeneriert, doch du bist immer noch stark beeinträchtigt“, meinte er. „Wirst du den

weiteren Weg schaffen?“ Vilkas schnaubte unwillig. „Da gibt es keine Frage. Mir bleibt nur diese Möglichkeit.“ „Du bist nicht nur stur, du bist der halsstarrigste Kerl, den ich kenne.“ Skjor schüttelte den Kopf. „Wie habe ich es mit dir nur ausgehalten, als ich noch lebte?“ Jetzt musste Vilkas lächeln. „Ehrlich gesagt, war das für dich auch kaum zu ertragen! Aber da es sonst niemand mit mir aushielt, außer meinem Bruder, hast du dich dennoch meiner angenommen!“ „Na, dann komm“, meinte Skjor gutmütig und klapste Vilkas auf die Schulter. „Schauen wir, dass wir dich wieder

heimbringen!“ Vilkas nickte und schickte sich an aufzustehen, als ihn der Druck in seiner Brust scharf einatmen ließ. „Was hast du?“, fragte Skjor. „Etwas, das eigentlich nicht sein kann!“, murmelte Vilkas. „Irgendetwas scheint mit meinem Rudel zu geschehen.“ Dann stutzte er. Jetzt fühlte er es eindeutig. Das Rudel war gewachsen! Erschüttert schloss er die Augen. Das konnte nur bedeuten, dass mit Farkas etwas nicht stimmte. Vielleicht war ihm etwas zugestoßen und andere tranken von seinem Blut. Eine andere Möglichkeit konnte sich Vilkas nicht vorstellen. Sein Bruder hätte unter keinen Umständen den

Schwur gebrochen! Vilkas wollte so schnell wie möglich zurück. Er überlegte nur, ob er zuerst den Übergang suchen oder gleich das Kind holen sollte, nachdem der Spur der Daedra so leicht zu folgen war. Von Unruhe gepackt stand er auf, als entfernte Laute eine Entscheidung darüber überflüssig machten. Das leise Weinen eines Kindes drang an sein Ohr, das nur eines bedeuten konnte: das Mädchen musste ihm gefolgt sein! Ungeduldig drängte er durch die Büsche. „Das Kind!“, rief er und versuchte so rasch es ihm möglich war, in die Richtung der kaum vernehmlichen Laute zu eilen, als er zurückgerissen

wurde. Skjors Blick nagelte ihn fest. „Sag einmal, bist du noch zu retten?“, zischte er erbost. „Dich möchte mindestens die Hälfte aller Jagdgefährten töten und du willst einfach drauf los rennen?“ Mit Nachdruck zerrte er Vilkas zurück in das Gebüsch. „Bleib gefälligst hier! Ich hole die Kleine!“ Grummelnd ruckelte er sein Schwert zurecht. „Was macht dieses Kind eigentlich hier?“, ärgerte er sich. „Sie weiß doch, dass sie bei Jagden beim Lager bleiben muss!“ „Ich versprach ihr, dass ich sie mitnehme“, sagte Vilkas, der sich wieder setzte. „Wahrscheinlich dachte sie, sie muss mir folgen. Andererseits erspart sie

mir damit, nochmals zum Lager zurückkehren zu müssen, um sie zu holen.“ Skjor fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Wieso willst du sie mitnehmen? Sie ist tot!“ Schließlich winkte er ab, als er Vilkas verbissenen Ausdruck sah. „Ach, was soll’s. Ich habe das Gefühl, dass ich das sowieso nicht verstehen würde. Also, bleib in Deckung. Ich hole sie. Sie gehört sowieso nicht hierher.“ Damit war Skjor verschwunden und Vilkas lehnte sich erneut gegen den Felsen. Wenigstens konnte er inzwischen noch weiter zu Kräften kommen. Die würde er dringend nötig haben. Er wusste ja nicht was ihn noch erwarten würde,

vor dem Durchgang. Die Gedanken an Farkas und das Geschehen in der Welt der Lebenden musste er dagegen ausblenden. Sonst wäre er sofort aufgesprungen und hätte sich ohne zu denken in den Übergang gestürzt. Was immer da geschehen war, er musste Vertrauen haben, dass Farkas alles unter Kontrolle hatte. Aber genau das machte ihm Probleme! Vilkas spürte wie er drauf und dran war aufzuspringen. Er konnte seine Gedanken nicht ausblenden. Denn Farkas und Kontrolle, das war einfach unvereinbar. Er war gutmütig, er handelte bedacht und war im Moment sicherlich überfordert mit den Belangen der Gefährten, die ihm wohl alle

zusetzten. Wer weiß, was da schief gelaufen war! Der Herold der Gefährten zappelte unruhig im Versteck. Er war sich mittlerweile sicher, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis Skor mit dem Mädchen wieder kam. Vilkas hörte sie schon, als sie sich näherten und kam ihnen entgegen. Als das Mädchen ihn sah, stürzte sie sofort auf ihn zu und klammerte sich an sein Bein. „Bitte!“, schniefte sie. „Geh nicht ohne mich!“ „Das wäre ich nicht!“, beruhigte sie Vilkas. „Aber bist du auch wirklich bereit dazu? Wir kommen nicht mehr hierher

zurück!“ Heftiges Kopfnicken antwortete ihm. „Ich habe mich schon ganz in der Früh von Mama verabschiedet. Sie hat nur gelächelt und mir alles Gute gewünscht!“ „Du hast ihr erzählt was ich vorhabe?“ Vilkas war entsetzt. Doch das Kind schüttelte den Kopf. „Nein. Ich sagte ihr, dass Akatosh mich zu sich gerufen hat.“ Vilkas strich ihr über ihr Haar. „Du bist nicht nur tapfer, du bist auch sehr klug! Doch jetzt komm, wir haben nicht viel Zeit.“ „Ist gut!“ Sofort richtete sie sich auf und sah ihn erwartungsvoll an. Skjor hatte die ganze Zeit über nur zugehört. Man merkte ihm seine

Verwirrung an. Doch er hatte es wohl aufgegeben, verstehen zu wollen. Vilkas nahm sich seiner an. „Sie ist die Tochter meines Bruders“, erklärte er. „Ich werde sie mitnehmen in den Übergang. Dort kann sie zumindest zurück zu Akatosh.“ Der blonde Nord nickte und schlug Vilkas auf die Schulter. „Dann lass uns nicht länger warten!“ Die Spur der Daedra war wirklich gut zu verfolgen und führte weiter den Berg hinan in immer zerklüfteteres Gebiet. Tapfer stapfte das kleine Mädchen an ihrer Seite voran. Sie hatten Glück, denn außer Ysgramor und Astrid war wohl niemand Vilkas Spuren gefolgt. So

blieben sie wenigstens vor weiteren Attacken verschont. Vilkas merkte, dass sein Körper noch immer viel zu geschwächt war. Er durfte sich auch nicht überanstrengen, sonst wären seine Wunden erneut aufgerissen. So kam er seiner Meinung nach nur sehr langsam voran. Seine innere Stimme, die das Schlimmste für Farkas befürchtete, drängte ihn jedoch unaufhörlich weiter. In Wahrheit dauerte es nicht lange, bis die Bäume hinter ihnen zurückblieben und das Grau langsam wie eine Nebelwand alles einzunehmen begann. Deutlich führte die Spur der Daedra zu einer Felsformation, die wie ein breites Bogentor aussah. Ein Tor aus

aufgeschichteten Steinen, dessen Bogen aber oben offen war – oder besser gesagt, von dem undurchdringlichen Grau aufgesogen wurde. Hinter dem Bogentor konnte man auch nichts erkennen. Es war weder Felsen dahinter, noch war es dunkel, wie man es bei einer Höhle erwartet hätte. Dagegen sah es genauso grau aus, wie der gesamte Himmel. Es wirkte richtiggehend furchteinflößend in seiner Unnatürlichkeit. „Das muss es sein“, murmelte Skjor, der mit einer unmissverständlichen Geste des Unwohlseins seine Arme um den Körper schlang. „Es stinkt hier noch mehr nach diesen Kreaturen. Bist du sicher, dass du da hinein willst? Noch nie kam jemand

von dort zurück!“ „Ich bin mir sicher!“, sagte Vilkas. „Und ich muss mich beeilen. Irgendetwas stimmt nicht mit meinem Bruder!“ Dann hielt er dem Mädchen seine Hand hin. „Kommst du?“ So mutig die Kleine auch war, jetzt stand sie da und zitterte. Völlig verkrampft hatte sie ihre Finger in ihr Hemd gekrallt. „Ich… ich…“, stotterte sie. Vilkas nahm sich ein Herz und beugte sich zu ihr herunter. „Komm“, sagte er sanft und hob sie auf. So gut es ging platzierte er sie auf seiner heilen Seite. „Fürchte dich nicht. Es wird alles gut!“ Sofort schlang das Mädchen ihre Arme um seinen Hals und barg ihren Kopf an

seiner Schulter. Mit ihren Beinen klammerte sie sich ebenfalls um seine Mitte fest, was Vilkas vor Schmerz kurz zusammenzucken ließ. Skjor konnte das Mädchen verstehen. Wenn er nicht ein ausgewachsener Mann wäre, würden ihm ebenfalls die Knie schlottern vor Grauen. Dass Vilkas keinerlei derartigen Reaktionen zeigte, wunderte ihn. Er sprach sogar davon, dass alles gut werden würde! Dagegen roch es hier nur nach Tod und Verwesung. Hatte er seinen Geruchsinn verloren? Das hier konnte niemals ein Tor zu anderen, noch dazu schöneren Welten sein! Das hier war eindeutig das Ende. Hier ging es

nirgendwohin! „Das ist das Ende, Vilkas!“ Skjor deutete auf das nichtssagende Grau, das alles war, was im Durchgang auf einen wartete. „Hircine hat dich betrogen! Witterst du das denn nicht? Hier gibt es nichts außer den endgültigen Tod!“ Beharrlich schüttelte Vilkas den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass dieses Tor in den Übergang führt. Hircine legt natürlich alles daran, dass niemand von euch freiwillig durch dieses Felsentor tritt! Damit würden ihm ja Seelen verloren gehen!“ Dampfschwaden stoben aus erregt aufgerichteten Nüstern und hüllten Vilkas ein. „Davon kannst du

ausgehen!“, murrte Hircine in seiner menschlichen Hirschgestalt, die plötzlich hinter Vilkas aufgetaucht war. Das Mädchen schrie erschrocken auf. Schützend legte Vilkas seine Hand auf ihren Kopf und drückte ihn noch stärker gegen seine Schulter. Hircine! Es wunderte ihn nicht, dass der Fürst der Jagd sich sehen ließ, kurz bevor er seine Ebene verlassen wollte. Niemand hatte ihn kommen sehen. Er tauchte einfach unter ihnen auf. Wütend blickten seine unnatürlichen Augen auf die kleine Ansammlung vor ihm. „Es war aber nicht abgemacht, dass du andere mitnimmst!“, donnerte er und zeigte anklagend auf Skjor.

„Ich habe nicht vor, deine Ebene zu verlassen“, dementierte Skjor. „Ich bot dem ‚Lebenden‘ nur meinen Schutz an.“ Hircines ungewöhnliche Augen blickten auf Skjor. „Du schützt ihn lieber, bevor du ihn mir auslieferst? Und verzichtest dabei auf das Kostbarste, das ich zu vergeben habe?“ Der Daedrafürst konnte es scheinbar nicht fassen. „Mit dem Schwert ‚Wolfbändiger‘ wärst du unschlagbar!“, rief er. Skjor zuckte mit den Schultern. „Ich habe meine Prinzipien. Das ist so, bei uns Nord. So etwas nennt man Ehrgefühl. Er half mir, ich helfe ihm. So einfach ist das. Außerdem war er so etwas wie mein

Sohn, als ich noch lebte.“ Der Fürst der ewigen Jagdgründe sah aus, als würden ihm seine menschlichen Augen aus dem nichtmenschlichen Hirschantlitz fallen. Dann warf er seinen Kopf zurück und schrie oder röhrte oder tat beides gleichzeitig. Diese unmenschlichen Laute waren nicht einzuordnen. Sie waren einfach nur grässlich und von so ohrenbetäubender Lautstärke, dass sie wohl in allen Teilen der ewigen Jagdgründe vernommen wurden. Vilkas drückte das Mädchen noch fester an sich. Ihr kleiner Körper zitterte so stark, dass er schon fürchtete, sie würde den Halt verlieren. Schließlich endete die Rage des

Daedrafürsten. Wallende Dampfschwaden stoben dagegen noch aus seinen Nüstern. „Ich werde euch Sterbliche nie verstehen!“, brüllte er zu Skjor. Dann wandte er sich mit wildem Blick an Vilkas. „Und du? Geh endlich, bevor ich es mir anders überlege!“ schrie er ihn an. „Unsere Abmachung steht. Wenn ihr Himmelsrand von den Vampiren befreit haltet, werdet ihr eure Erinnerungen nach dem Tod behalten!“ Nochmals schnaubte er. „Da euer Rudel inzwischen auch gewachsen ist, bin ich wohl gnädig gestimmt“, schien er sich selbst zu wundern. „Also, verschwinde endlich und genieße deinen Triumpf!“ „Das Kind kommt aber mit mir!“,

beharrte Vilkas. Hircine war am Ende seiner Geduld. „Du wagst es immer noch Bedingungen zu stellen, du Wurm?“, tobte er, während seine Gestalt über sich hinauswuchs. Vilkas wich keinen Schritt zurück, während Skjor alleine nur sein männlicher Stolz davon abhielt das Weite zu suchen. Unter der Macht Hircines schienen sich sogar die Felsen zu verbiegen. Aber wahrscheinlich war dem Daedra alles hörig, was ihm gehörte. Die ewigen Jagdgründe und die Seelen, die darauf wandelten. Vilkas dagegen gehörte nicht ihm. Das schien auch er einzusehen. Einmal stampfte er noch mit dem Fuß

auf, sodass alles erzitterte und blies heißen Atem aus. „Aber ja!“, brüllte er dabei. „Nimm sie mit! Damit tust du mir sogar einen Gefallen! Doch sieh zu, dass du endlich aus meinen Jagdgründen verschwindest! Du bedeutest Ärger, nichts als Ärger!“ Damit verschwand Hircine genauso wie er gekommen war. Von einer Sekunde auf die andere war er weg. Skjor taumelte und griff sich an seinen Kopf. Das war heftig. Noch nie hatte er den Daedrafürsten so außer sich gesehen. Vilkas dagegen sah ungerührt aus. Blass und abgezehrt durch seine Verletzungen, aber völlig unbeeindruckt von Hircines Wüten.

„Das… das war…“, begann Skjor. „Ich meine, ich kann es nicht glauben! Ehrlich! Dieser Bereich galt immer als Tabu! Als das absolute Ende! Dabei hat Hircine das alles nur so eingefädelt! So ein hinterhältiger Bastard!“ „Was ist“, meinte Vilkas. „Willst du nicht doch mitkommen? Jetzt wo du die Wahrheit kennst?“ Er hielt dabei seine Hand immer noch schützend über dem Kopf des Mädchens, das erschöpft an seiner Seite hing. Die ganzen Aufregungen waren wohl zu viel für die Kleine. Skjor lächelte. „Nein. Im Moment sicher noch nicht. Aber vielleicht ein anderes

Mal. Jetzt kenne ich ja die Wahrheit. Und wer weiß? Vielleicht kommt einmal die Zeit, in der ich der Jagd überdrüssig sein werde!“ „Dann mach es gut, alter Freund!“, sagte Vilkas. „Es war schön dich wieder zu sehen und dich in so guter Verfassung zu erleben. Bei uns hattest du bereits eine Halbglatze!“ Skjor verzog das Gesicht. „Da lob ich mir doch meine jetzige Erscheinung“, meinte er und betastete verstohlen sein dichtes Haupthaar. „Danke für alles!“, sagte Vilkas, dann drehte er sich um und schritt ohne weitere Verzögerungen auf den Übergang zu. Es stimmte, der schreckliche Geruch

wurde immer stärker und selbst in ihm sträubte sich alles dagegen, das Felsentor zu durchschreiten. Auch das Mädchen, das er an seiner Seite trug, wimmerte leise. Aber nichts desto trotz ging Vilkas hindurch. Er hatte genug Zeit vergeudet. Jetzt zog es ihn einfach nur mehr zurück nach Hause, wo er dann endlich nach dem Rechten sehen konnte. Kopfschüttelnd blickte Skjor hinterher. Selbst als Vilkas mit dem Kind von dem Grau einfach verschluckt wurde, konnte sich der Krieger nicht davon losreißen. Ein Tor in andere Welten! Was es nicht alles gab! Jetzt konnte er sich auch vorstellen, was mit den Seelen geschah, die in Ungnade gefallen waren. Jörgen

hatte also doch Recht mit seiner Vermutung, dass Hircine diese an andere Daedra verschacherte. Was für ein mieser Handel! Es geschah Hircine nur Recht, dass endlich einer kam und ihn herausforderte. Dass es ausgerechnet ein Zögling von Skjor selbst war, dem er seine Erfahrungen wohl beibringen konnte, machte ihn schon ein wenig stolz. Und zum ersten Mal spürte er wirklich Bedauern darüber, dass er alles aus seinem Leben vergessen hatte. Dann jedoch zuckte er mit den Schultern. Er hatte hier sein Auskommen gefunden und wer wusste schon, was die Zeit nicht noch alles bringen würde? Mit einem

Lächeln auf den Lippen schickte Skjor sich schließlich an zurück zur Jagdgesellschaft zu gehen. Zumindest einen Hirschbock würde er erlegen müssen. Oder vielleicht einen Säbelzahntiger. Während dem Aufstieg hatte er die Spuren eines großen Tieres entdeckt. Und egal wie die Groß-Jagd ausgehen würde, sie hatten Ysgramor erledigen können. Das war es einfach wert! Vilkas blinzelte, als er durch das Grau hindurchschritt. Von einem Moment auf den anderen war nichts mehr wie es war. Alles schien in helles Licht getaucht zu sein. Verwirrt drehte er sich um, doch

auch hinter ihm war nur mehr helles Licht. Kein gebogenes Felsentor und keine graue Wand. Nichts zeigte ihm mehr woher er gekommen war. Es gab hier einfach keine Richtung, kein vorne und hinten, kein oben und unten. Nur eine vage Idee einer Art hellerem Streifen, auf dem er in dem hellen Hintergrund quasi vorwärts schritt. Doch Vilkas brauchte sich nicht lange zu wundern, oder weiter voranzuschreiten. Sofort tauchte vor ihm eine hässliche Gestalt auf, die an einen Daedra erinnerte, nur dass sie in eine Art langes, weißes Hemd gehüllt war und auch hellere Gesichtszüge aufwies. Dafür war der Blick streng und irritiert, als die

Gestalt weiter auf Vilkas zu glitt. „Was hast du hier verloren?“, herrschte das schwebende Ding ihn an. „Noch nie hat ein Sterblicher diesen Bereich betreten! Nur Seelen dürfen hier die Welten wechseln! Für Lebende gibt es hier keine Verbindung!“ „Ich komme von den ewigen Jagdgründen und möchte nach Sovngarde!“, sagte Vilkas einfach. Die Gestalt vor ihm brach in schallendes Gelächter aus. „Da könnte ja jeder kommen.“ Dann wurde er sofort ernst und hob seinen Stab, den er in der rechten Hand hielt. „Außerdem muss das Kind zu Akatosh. Sie kannst du auf keinen Fall mitnehmen!“ Der weiße

Daedra – so nannte Vilkas das Wesen im Stillen – runzelte die Stirn. „Ich hoffe, du bist eine Ausnahme. Wenn hier ab jetzt Lebende ein und ausmarschieren, muss sich etwas ändern. Das ist ein heiliger Ort!“ Der weiße Daedra wurde immer unruhiger. „Am besten, ich schicke euch beide zurück zu Akatosh! So etwas darf nicht zur Gewohnheit werden!“ Erneut hob er den Stab. Doch was immer er auch vorgehabt hatte, er kam nicht mehr dazu. Eine weitere Gestalt glitt heran und drückte seinen Stab wieder nach unten. „Lass es gut sein, Wächter. Ich kümmere mich um den Lebenden.“ Vilkas kam aus dem Staunen nicht mehr

heraus. Vorhin hatte er schon geglaubt mit dem Kind gemeinsam zu Akatosh geschickt zu werden ohne etwas dagegen tun zu können. Stattdessen tauchte eine wunderschöne Frau in den edlen Gewändern einer Priesterin Maras auf, die diesen ‚Wächter‘ aufhielt. Die junge Frau, die so unerwartet für ihn eingesprungen war, setzte ein strahlendes Lächeln auf, als sie ihn ansah. Sie schien eine Nord zu sein, nach ihrer hellen Haut, und den Bemalungen an ihrer rechten Wange, zu urteilen. Ihr Haar war dunkel und sie trug es ganz nach nordischer Tradition mit geflochtenen Zöpfchen nach hinten gebunden. Vilkas war sich sicher, diese Frau noch nie in

seinem Leben gesehen zu haben, dennoch ging etwas Vertrautes von ihr aus. Er witterte einen unverkennbaren Geruch, an den er sich nur sehr undeutlich erinnern konnte. Dennoch zogen sofort Schauer über seinen Rücken und seine Knie wurden weich. Die Frau sah ihn mit ihren großen, blauen Augen liebevoll an. Das Lächeln, das um ihre vollen Lippen spielte wurde noch intensiver. Sie war hochgewachsen, ausgesprochen hübsch und von einer natürlichen Anmut. Vilkas schluckte. Er war nicht fähig etwas von sich zu geben. Da trat die Frau ganz an ihn heran und berührte ihn sanft am Arm. „Vilkas“, sprach sie und ihre Augen füllten sich

mit Tränen. „Was für ein stattlicher Mann doch aus dir geworden ist!“ Vilkas zog das kleine Mädchen, das er im Arm trug, noch stärker an seine unverletzte Seite. Er brauchte etwas, an das er sich klammern konnte, oder seine Beine würden unter ihm nachgeben. „Mutter!“, krächzte er. Er wusste nicht woher er das wusste, doch diese Gewissheit war ganz einfach da. „Oh, Vilkas!“, sprach Kathreen und strich ihm liebevoll über den Arm. „Es tut mir so furchtbar leid, dass ich nicht für dich und Farkas da sein konnte! Doch mein Herz war krank. Es hielt die Anstrengung der Geburt nicht aus. Dich konnte ich noch im Arm halten, bevor

dein Bruder sich ankündigte, aber für ihn fehlte mir jede Kraft. Ich starb, noch bevor ich auch ihn wenigstens einmal halten konnte.“ Jetzt liefen die Tränen haltlos über ihr schmales Gesicht. Vilkas musste schwer schlucken. Verdächtig begann es hinter seinen Lidern zu brennen. Dass er seiner Mutter begegnete war etwas, das ihn völlig aus der Bahn warf. Als sein Bruder und er noch Kinder waren, malten sie sich die schönsten Bilder und Geschichten über ihre Mutter aus. Dass er sie jetzt vor sich sehen konnte, hübscher und liebevoller, als sich die Zwillinge das jemals erträumt hatten, bewegte ihn zutiefst. „Mara…“, begann Kathreen, als sie sich

wieder ein wenig gefangen hatte. „Mara versprach mir eine Gnade, für mein unerwartetes, frühes Abtreten aus der Welt der Lebenden. Mein Tod war nicht vorgesehen. So bekam ich von ihr die Macht, einmal ein Leben zurück zu geben. Dafür, dass ich meines so früh lassen musste. Seitdem habe ich über euch gewacht. Ich lachte und weinte mit euch, besonders als ich sehen musste, wie sehr Jörgen sich verändert hatte und das Liebste, auf das wir und so gefreut hatten – nämlich euch – so misshandelte.“ Voller Schmerz schloss sie die Augen. „Er… er war kein schlechter Mensch, glaub mir, doch er konnte meinen Tod wohl nicht

verkraften. So gab er euch die Schuld. Von meinem schwachen Herzen wusste leider niemand. Nicht einmal die Götter.“ Kathreen war eine große Frau. Eine echte Nord. So brauchte sie sich nur ein wenig strecken, um Vilkas über seine stoppelbärtige Wange zu streichen. Vilkas konnte nicht sprechen. Er musste ständig schlucken, ansonsten wäre die überschüssige Flüssigkeit ebenfalls aus seinen Augen geronnen. „Trotz eures gefährlichen Lebens kam ich bis jetzt nicht dazu Maras Gnade einzusetzen. Aus meinen Söhnen sind zähe Krieger geworden. Doch nun erscheint mir der rechte Zeitpunkt zu

sein, das Geschenk des Lebens weiterzugeben.“ Kathreens Hand glitt von Vilkas Wange zum Haupt des kleinen Mädchens. Voller Herzenswärme sah sie auf das Kind. „Du kannst meine Enkeltochter nicht mitnehmen, Vilkas. Alles, was du auf deinen Armen tragen würdest, wenn du endlich in der Welt der Lebenden angekommen wärst, wäre ihre Leiche. Außer…“ Liebevoll streichelte sie das Mädchen, das sie mit großen Augen ansah. Ihren Kopf hatte die Kleine dagegen immer noch auf Vilkas Schulter liegen. Diese geschützte Position würde sie wohl nicht freiwillig aufgeben. „Außer, du lässt Maras Gnade ihr zuteilwerden, nicht wahr?“ Vilkas

Stimme, die er endlich wieder gefunden hatte, klang belegt. „So ist es.“ „Dann tu es Mutter. Ich bitte dich darum. Allein schon in Farkas Namen!“ Sie lächelte wieder und blickte ihn unverwandt an. „Ich wusste, dass du das sagen würdest“, sprach sie, dann berührte sie nochmals das Haupt des Kindes. Ein helles Leuchten ging von ihrer Hand aus und hüllte das Mädchen ein, das augenblicklich in Schlaf fiel. Vilkas hielt das Kind noch fester an sich gedrückt. „Danke“, murmelte er. Kathreen trat von den beiden zurück. Ein Ausdruck des Bedauerns legte sich auf

ihr Antlitz. „Ich würde so gerne noch weiter mit dir sein, doch die Zeit drängt. Du musst gehen.“ Ihr besorgter Blick fiel auf den weißen Daedra, der die ganze Zeit über unbeweglich in ihrer Nähe stehen geblieben war. Sein Ausdruck wurde langsam ungeduldig. „Noch eins“, beeilte sich Kathreen zu sagen. „Bedenke, mein Sohn, dass ich die Gnade des Lebens nun nicht mehr habe. Ich spüre drohende Gefahr und eine Ungewissheit, was dich betrifft. Sei auf der Hut. So sehr ich dich auch liebe, aber so schnell möchte ich dir hier nicht wieder begegnen.“ Vilkas ruckelte das schlafende Kind an seiner Seite zurecht. „Nichts lieber als

das. Aber wie komme ich von hier wieder nach Hause?“ Wischende Geräusche ließen ahnen, dass sich auf dieser Ebene langsam etwas tat. Noch weitere Wächter kamen hinzu. „Dienerin Maras!“, sprach der Erste, der ihnen begegnet war. „Die Zeit ist um. Der Lebende kann nicht länger hier bleiben. Diese Ebene wird unbeständig. Sie ist nur für Seelen gedacht!“ „Ich weiß!“, rief Katreen. Dann wandte sie sich rasch wieder an Vilkas. Eindringlich sah sie ihn an. „Du musst nach Sovngarde!“, sagte sie schnell. „Denk einfach intensiv daran und schon bist du dort. So funktioniert der Übergang.“

„Könnte ich so auch auf Maras Ebene gelangen?“ „Ja. Doch du musst nach Sovngarde“, rasch sprudelten die Worte aus ihrem Mund. „Nur Tsun, der Wächter der Knochenbrücke in Sovngarde, kann dich in die Welt der Lebenden zurückschicken. Und jetzt geh!“ Ihre Stimme wurde immer rastloser. „Die Zeit drängt!“ Sie gab Vilkas noch einen Schubs, als müsste sie ihn zur Eile nötigen. Vilkas wollte sich gerade auf Sovngarde konzentrieren, als Katreens Stimme ihn nochmals zurück hielt. „Noch eins!“, rief sie. „Wenn du zurück in der Welt der

Lebenden bist, sag Farkas …“ „Dienerin Maras!“, sprach der Wächter mahnend. „Der Lebende muss den Durchgang sofort verlassen!“ Drohend hob er seinen Stab. „Ich schicke ihn sonst Kraft meines Amtes zu Akatosh!“ Vilkas wartete nicht darauf. Er warf noch einen letzten Blick auf seine Mutter, dann machte er einen mächtigen Schritt voran, während er intensiv an Tsun und Sovngarde dachte. Sofort sah er sich in einer wunderschönen, hügeligen Landschaft wieder. Alles blühte und gedieh in den herrlichsten Farben. Es war warm, hell und der Himmel sah wirklich nach einem Himmel aus. Der Duft von unzähligen

Blüten zog zart in Vilkas Nase. Das war tatsächlich das Paradies – wenn nur nicht die Schmerzen wären, die ihn immer stärker plagten. Seine Verletzungen, sein Blutverlust, alles in ihm schrie nach Ruhe. Allein daran erkannte Vilkas wenigstens, dass er nicht tot war. Noch nicht. Jetzt musste er nur noch diesen ‚Tsun‘ finden, der ihn zurückbringen konnte. Unschlüssig drehte er sich um, um irgendeinen Weg oder Hinweis zu erkennen, der ihn weiterführen würde, als er dem größten Mann gegenüberstand, dem er jemals begegnet war. Trotz Vilkas eigener, beachtlicher Größe, ging er diesem Mann gerade einmal bis zur

Brust. „Ihr seid kein Drachenblut!“, bemerkte der große Mann irritiert. „Bis jetzt konnte nur das Drachenblut lebendig nach Sovngarde kommen.“ Vilkas spürte schön langsam das Gewicht des Kindes, das an ihm hing. Seine Verletzungen machten ihm schwer zu schaffen. Und die Begegnung mit seiner Mutter hatte ihn dazu auch noch tief aufgewühlt. Tiefer, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Seine Schmerzen und das Gefühl der Dringlichkeit taten ebenso das Ihrige, um ihn nicht lange fackeln zu lassen. „Seid Ihr Tsun?“, fragte er den riesenhaften Mann gerade heraus. Erstaunt nickte

dieser. „Dann bringt mich zurück in die Welt der Lebenden. Ich will ja nicht unhöflich sein, aber es eilt!“ Der riesenhafte Tsun war wohl kein Mann vieler Worte. Er unterzog Vilkas einer eingehenden Überprüfung, die alles zu erfassen schien. Vom Kind auf seinem Arm angefangen, bis hin zu seinen Verletzungen und seiner sichtlichen Erschöpfung. Doch er fragte nicht weiter. „Ihr müsst Eure Gründe haben“, meinte er nur. „So sagt mir wohin Ihr möchtet.“ „Nach Hause, zu meiner Familie.“ „So soll es sein“, sagte Tsun. „Denkt an Euer Heim und es wird geschehen.“ Vilkas spürte, wie Tsuns Energien auf

ihn einzuwirken begannen. Nochmals umfasste er das Mädchen auf seinen Armen und schloss die Augen. Er wollte wirklich nur mehr nach Hause, zu seiner Hana, die ihn wohl schon von allen am dringlichsten herbeisehnen würde. Allein der Gedanke an die junge Frau, ließ sein Herz höher schlagen. Ihre warmen, dunklen Augen schienen ihn zu sich zu locken. Er meinte bereits ihren Geruch in der Nase zu haben, als er sich in dichten Nebel eingehüllt fühlte und schließlich alles dunkel wurde, bevor er in einem spärlich erleuchteten Raum erneut zu sich kam.

32 heiratspläne

Als Hana das Bewusstsein wieder erlangte, ließ das unstete Schaukeln und der leichte Verwesungsgeruch Übelkeit in ihr hochsteigen. Sie fühlte sich schwach und alles in ihr begann sich zu drehen. Nur mit Mühe erinnerte sie sich an das was geschehen war. Die Thalmor! Heimkar! In Hana krampfte sich alles zusammen. Heimkar, ihr Mann, der zu einem Vampir geworden war, hatte sie mitsamt ihrem Kind entführt und scheinbar waren sie immer noch unterwegs. Seine klauenartigen Hände hielten sie fest,

dennoch hatte Hana das Gefühl zu stürzen, als Heimkar nach einem weiteren, mächtigen Sprung, auf seinen Beinen landete. Seinen fauligen Atem konnte sie bis unter die Kutte riechen, die er um sie und Varis geschlungen hatte. „Heimkar!“, versuchte sie auf sich aufmerksam zu machen, aber die Kutte erstickte wohl sämtliche Laute und Vampire hatten nicht dasselbe empfindliche Gehör wie Werwölfe. Hana blieb nichts anderes übrig, als gegen ihre Übelkeit anzukämpfen. Den Kampf gegen ihre Tränen verlor sie. Zu ihrem Glück dauerte es nicht mehr lange, bis Heimkar in der Nähe seines Verstecks angelangt war. Das heftige

Schaukeln und die mächtigen Sprünge hatten aufgehört. Nochmals versuchte Hana sich verständlich zu machen, doch erneut gingen ihre Laute im dicken Stoff der Kutte unter. Schließlich blieb Heimkar endlich stehen, öffnete den Mantel und stellte Hana auf ihre Beine. Sofort sackten diese unter ihr weg. Sie war so schwach und zittrig, dass sie erneut auf seine Hilfe angewiesen war, bis sie es schaffte selbst zu stehen. Der Raum in dem sie waren, war zwar nur spärlich beleuchtet, aber das Licht genügte um Heimkars verändertes Aussehen gut zu erkennen. Er erinnerte nur mehr entfernt an den Mann, den sie geheiratet hatte. Seine einst blauen

Augen waren nun rot und seine helle Haut beinahe völlig weiß. Selbst sein dünnlippiger Mund hatte eine unnatürlich bleiche, bis leicht bläuliche Pigmentierung angenommen. Unter seinen roten Augen lagen tiefe, dunkle Augenringe, die seine ohnehin schon unheimliche Erscheinung noch grauenhafter wirken ließ. Dagegen leuchtete die Stelle an seinem Hals, an der Vilkas ihm die Kehle aufgeschlitzt hatte, in hellem, ungesundem Rot. Aber das Schrecklichste von allem, waren seine Hände und der Geruch, der von ihm ausging. Aus seinen Händen waren bleiche, annähernd knochenartige Klauen geworden, denen schwarze

Fingernägel wie Krallen entwuchsen. Voller Grauen machte Hana einen Schritt zurück, was Heimkar sofort veranlasste mit seiner bleichen, eiskalten Hand nach ihr zugreifen. Erschrocken schrie sie auf. Seine Berührung auf ihrer nackten Haut fühlte sich an wie der Griff eines Toten. Keine Wärme ging mehr von ihm aus. Er war zu einem wahren Vampir geworden, zu einem dieser Untoten, die bereits alles Menschliche verloren hatten. Mit einer knappen Geste wies er auf eines der Betten. „Hier kannst du dich ein wenig frisch machen und dich um das Kind kümmern. Ich muss zu Movarth, um ihm von meinem Erfolg zu berichten.“

Ein niederträchtiges Lächeln teilte seine Lippen und ließ seine spitzen Eckzähne sichtbar hervortreten. Der faulige Geruch, der wohl vom Trinken warmen Blutes auslöst wurde, traf ungefiltert auf Hana, die sich von Grauen geschüttelt abwandte. „Ich hoffe, du weißt, wie du mich zu empfangen hast, wenn ich wiederkomme, Weib!“, sagte Heimkar noch, während er sich lüstern mit der Zunge seine Lippen befeuchtete. „Ich habe einfach schon zu lange auf dich gewartet, um noch weiter auf die ehelichen Zuwendungen meiner mir angetrauten Frau zu verzichten!“ Klauenartige Finger strichen anzüglich über Hanas Wange und ihren Ausschnitt

hinunter bis zu ihrer Brust. Seine Absicht war mehr als klar und es half ihr auch nichts, seine Hand angewidert wegzuschlagen. Sein Lächeln wurde nur noch schamloser. Als Heimkar den Raum endlich verließ und das unmissverständliche Geräusch erklang, den ein Schlüssel hervorrief, wenn er im Schloss herumgedreht wurde, schwand auch Hanas letzte Hoffnung, ihrem Mann und seiner Absicht vielleicht doch noch entkommen zu können. Mit einem herzzerreißenden Schluchzen sank sie auf die Liegestatt. Ihre Beine hätten sie keine Sekunde länger aufrecht halten können. Viel zu kurz war die Zeit, die Heimkar

ihr ließ, bevor er wiederkam. Nicht dass Hana etwas hätte machen können, was ihre Situation verbessert hätte. Sie hatte einfach dafür gesorgt, dass Varis sowohl gesättigt als auch frisch gewickelt war – dazu verwendete sie mit Genugtuung einige der Hemden, die sie auf der Stellage fand, die in dem Raum stand. Anhand der Kammer in der sie sich befand schloss sie, dass sie in einer Höhle sein musste. Die Wände bestanden aus natürlichem Felsen, der an manchen Stellen erweitert und mit einer massiven Holztür versehen worden war. Man konnte sagen, dass der Raum sogar komfortabel eingerichtet war. Die Betten, die darin standen, waren groß und mit

weichen Fellen ausgestattet. Es gab auch Tisch und Sessel aus gediegenem Holz, wie man sie in den Häusern reicher Leute finden würde. Selbst die Kommode und die Truhe waren edle Stücke, die eher in ihr ehemaliges Heim in der Kaiserstadt gepasst hätten, als in eine Vampirhöhle. Dazu standen Flaschen edlen Weines auf dem Tisch und auch auf der Kommode. Diese Monster mussten wohl schon einige betuchte Herrschaften in ihre Gewalt bekommen haben, um sich so einen Luxus leisten zu können. Varis schlief zufrieden in weiche Felle gehüllt, während Hana unruhig auf- und ablief. Hektisch spulten sich ihre Gedanken immer wieder ab. Ihre einzige

Chance hier wieder herauszukommen war, dass Farkas ihrem Geruch folgen könnte. Aber wer wusste schon, wann es Galen oder den Gefährten auffallen würde, dass sie nicht da war. Bis sie auf Hilfe rechnen konnte, musste sie irgendwie überleben. Dass Heimkar ein Amulett besaß, das seinen Geruch magisch verbarg, davon wusste sie nichts. Ansonsten wäre ihre Verzweiflung wohl noch größer gewesen. Doch auch so spürte Hana, dass es für sie keinen Ausweg gab, außer sich auf Heimkar erneut einzulassen. Jede Gegenwehr würde ihr Leid nur noch schlimmer machen und vielleicht zu ihrem Tod führen. Dann wäre Varis

diesem Scheusal völlig ausgeliefert. Das wäre für Hana unerträglich. Unerträglicher noch, als das, was Heimkar von ihr wollte. So glaubte sie wenigstens ein wenig dafür gewappnet zu sein, wenn er wiederkam. Doch als sich dann tatsächlich wieder der Schlüssel im Schloss umdrehte und Heimkar mit lüsternem Blick vor ihr stand, konnte sich Hana nichts mehr vormachen. Das Grauen schüttelte sie durch. Noch mehr, als er seine kalten Klauen an ihre Schultern legte und ihr mit einem Ruck das Kleid herunterriss. „Eine brave Frau erwartet ihren Mann nackt. Habe ich dir das bisher noch nicht

beigebracht?“ Heimkar gab ihr einen derben Stoß, der sie auf die Liegestatt zurück taumeln ließ. Nicht nur sein Körper war kalt geworden. Es war auch jegliche Empfindung, außer Wollust und Blutdurst, aus ihm gewichen. Seine Gefühls- und Erbarmungslosigkeit schockierte Hana. Verzweifelt versuchte sie notdürftig ihre Blöße zu bedecken. Heimkar stieß ein heißeres Lachen aus. „Es wird wohl Zeit, dass du wieder weißt, zu wem du gehörst, du Wolfs-Hure!“, knurrte er, während er sich seines Umhangs entledigte und seine Hose öffnete. In Hana schwand jede Hoffnung, die Vergewaltigung durch ihren Mann doch

irgendwie über sich ergehen lassen zu können. In ihr reagierte die natürliche Abscheu und entgegen ihrer ansonst so feinen und zurücknehmenden Art, trat und biss sie schreiend um sich, als Heimkar sich zu ihr auf das Bett warf. Dabei griff sie auch nach allem, was sie zu fassen bekam. Eine Flasche des Weines, der auf der Kommode am Kopfteil des Bettes stand, fand dabei wie von selbst in ihre Hände. Mit voller Wucht schmetterte sie das Gefäß auf Heimkars Kopf. Die Wirkung war gleich Null. Außer, dass sich das sicherlich teure Getränk über seine Haare ergoss und auch auf sie herunter träufelte. Ihre Gegenwehr war sinnlos und ohne

Rücksicht nahm sich der Vampir nun, was er glaubte, das ihm zustehen würde. Die Brutalität mit der er dabei vorging, ließ Hana vor Schmerz schreien. Aber sie hörte dennoch nicht auf sich zu wehren. Die kämpferische Einstellung der Gefährten musste wohl auch auf sie abgefärbt haben. Ihr Drachenschrei ‚Feim‘ kam ihr dabei kurzzeitig zu Hilfe. Aber genauso wenig wie Heimkar sie jetzt weiter verletzten konnte, konnte auch sie ihm etwas antun. Sie schaffte es gerade unter ihm hervorzukommen. Blut rann ihr über ihre blanken Schenkel und hilfesuchend blickte sie sich nach irgendeiner Waffe um. Da war aber Heimkar bereits wieder bei ihr und

schleuderte sie zurück auf das Bett. Schmerzhaft drangen die Glassplitter der Flasche, die sich über das ganze Bett verteilt hatten, in ihren Rücken. Die scharfen Scherben schnitten tief in ihr Fleisch und ließen Hana wimmern. Da war Heimkar erneut über ihr. Derb schlug er ihr ins Gesicht. Der Schlag war so heftig, dass sie auf die Seite geschleudert wurde und kurz die Besinnung verlor. Als sie mit dröhnendem Kopf wieder zu sich kam, spürte sie den zerbrochenen Flaschenhals, der sich in ihren Arm gebohrt hatte, als sie auf die Seite katapultiert wurde. Der lange Hals mitsamt dem Verschluss war noch intakt.

Instinktiv griff sie zu, als sie erneut von Heimkar gepackt und wieder auf den Rücken gedreht wurde. Rücksichtslos drängte er sich zwischen ihre Beine und wollte seinen erigierten Penis erneut in sie stoßen. Da hieb Hana die zerborstenen Ränder des Flaschenhalses in sein Antlitz. Mit einem unmenschlichen Brüllen ließ Heimkar von ihr ab und warf schützend seine Klauen vor sein Gesicht, dessen rechte Seite bis auf die Knochen aufgeschlitzt worden war. Hana trat ihm sofort gegen seine Genitalien, sodass er aus dem Bett fiel. Und bevor er sich erholen konnte, oder zu irgendeiner weiteren Brutalität ausholen konnte,

sprang sie nach und stach ihm mit den scharfkantigen Glasrändern in den Hals. So kräftig sie konnte zog sie durch und riss Heimkar mit der ungewöhnlichen Waffe die ganze Kehle auf. Die Wunde war grauenhaft. Der ganze Hals war offen und das Blut strömte ungehindert daraus heraus. Röchelnd und mit verkrampft um seinen Hals geschlungenen Klauen lag ihr Mann vor ihr, während die Blutlache unter ihm sich immer weiter ausdehnte. Hana schrie voller Hysterie und trat weiter nach ihm, um seine verblutenden Überreste so weit weg von sich zu bekommen, wie es ihr nur möglich war. In einem Eck seines Raumes verblutete

der Vampir schließlich endgültig und nach den letzten, röchelnden Atemzügen und verkrampften Zuckungen, rührte sich Heimkar nicht mehr. Es war vorbei. Haltlos begann Hana zu weinen, während ein heftiges Schütteln durch sie fuhr. Sie hatte einen Menschen getötet! Sie hatte ihren eigenen Mann getötet! Zitternd sah sie auf ihre Hand, die immer noch krampfhaft den zerborstenen Flaschenhals hielt. Voller Ekel warf Hana den Flaschenhals, auf dem das große Fleischstück noch hing, das die scharfkantigen Scherben aus Heimkars Kehle herausgerissen hatten, von sich. Irgendwie schaffte sie es zu dem Bett zurückzutaumeln und sich ihr

Kleid notdürftig überzuziehen. Ihr Höschen dagegen war nur mehr ein zerrissener, blutiger Fetzen Stoff. Varis schrie unentwegt. So gut sie konnte schleppte sie sich zu ihrem weinenden Kind, das sie schließlich in ihre Arme nahm. Dann sank sie zwischen Bett und Kommode und kauerte sich ganz klein in sich selbst zwischen den Möbelstücken zusammen. Sie wollte nichts mehr von dem stinkenden Leichnam sehen, der einmal ihr Mann gewesen war und den sie selbst getötet hatte. Und am liebsten auch nichts mehr von dieser Kammer, oder dem Umstand, dass sie immer noch ausgeliefert und gefangen in einer Höhle voller Vampire

war. „Schsch… Ist schon gut… schsch…“, flüsterte sie dabei unentwegt und versuchte Varis auf und abzuwiegen. Das Kind beruhigte sich kaum, genauso wenig wie sie selbst. Zitternd und heulend saß sie da und hoffte, dass gnädige Ohnmacht ihr endlich ein wenig Vergessen gönnen würde. *** Selbst im Sommer wirkten die steinernen Wände des Palastes kalt und zugig. Aquirana hätte nie gedacht, dass sie sich hier einmal heimisch fühlen können würde, aber zu ihrem Erstaunen war es

geschehen. Sie benötigte zwar mehr Brennholz, als der Quartiermeister es bisher gewohnt war, aber sie kam auch aus einem Land, das solche Temperaturen, die in Himmelsrand vorherrschend waren, nicht kannte. Es war noch früh am Morgen, aber der Tagesablauf begann bereits sehr zeitig. Müßiggang war für das Volk der Nord ein Fremdwort. Selbst für den Adelsstand dieses Landes und auch für dessen Hochkönig und seinem Hofstaat. Da konnte sie, als seine Frau, nicht zurückstehen. Aquirana zog die weiche Felljacke, die sie über ihrem Kleid trug, noch ein wenig fester um sich. Der Tag versprach warm zu werden. Dennoch war

es für sie, die nur das milde Klima der Kaiserstadt gewohnt war, immer noch kühl genug, um mit einer Felljacke durch den Palast zu laufen. Seit einem halben Jahr war sie nun schon Hochkönigin über Himmelsrand und noch immer verschlief sie die Morgenberatung. Ihre Zofe bemühte sich zwar sie rechtzeitig zu wecken und frisch zu machen, dennoch schaffte es Aquirana immer wieder die Zeit zu vertrödeln. Ihr Gemahl nahm es ihr zum Glück nicht übel. Vor allem jetzt nicht, wo sie in guter Hoffnung war und ihm in ein paar Monaten den ersehnten Erben gebären würde. Bei ihren Gedanken an Ulfric, den

Hochkönig von Himmelsrand, der seit über einem halben Jahr ihr angetrauter Gemahl war, machte ihr Herz ein paar unreife Sprünge. Aquirana hätte sich nie gedacht, dass sie sich wirklich verlieben würde. Noch dazu in einen Mann, der doppelt so alt war wie sie selbst! Doch es geschah. Ihre Heirat, wie es in ihren Kreisen üblich war, war eine arrangierte Ehe gewesen. Lordkanzler Amphironus von Vanua, der aus einer der ältesten und angesehensten Adelsfamilien entstammte, hatte lange mit sich gerungen, doch schließlich war er einverstanden gewesen seine älteste Tochter mit dem Hochkönig von Himmelsrand zu vermählen. Diese Verbindung würde die gegenseitige

Unterstützung Cyrodiils und Himmelsrands gegen die Willkür der Thalmor günstig beeinflussen. Und da Kaiser Titus Mede II. keine Tochter hatte, die er dem aufstrebenden Hochkönig Ulfric anvertrauen hätte können, war die Wahl auf sie gefallen. Aquirana von Vanua hatte damals viele bittere Tränen geweint, doch es war ihr nichts anderes übrig geblieben. Sie wurde schließlich herausgeputzt, um ihrem künftigen Gemahl vorgestellt zu werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch keinen Nord kennen gelernt. Sie hatte einige gesehen, die sich als Söldner in der kaiserlichen Armee verdingten und kannte auch nur die Gerüchte über ihr

grobschlächtiges Äußeres, ihre Unmäßigkeit beim Trinken, beim Feiern und dem Kampf, den sie über alles liebten. Von den Raufereien, die bei ihnen an der Tagesordnung standen, ganz zu schweigen. Außerdem war bis vor kurzem noch das Gerücht umgegangen, dass ein Krieg des Kaiserreiches mit diesem rebellischen Volk unabwendbar sei. Deshalb war auch eine Verbindung des Hochadels von Cyrodiil mit dem Hochkönig von Himmelsrand eine Notwendigkeit. Aquirana fürchtete sich wie noch nie in ihrem Leben. Sie war sich sicher, bereits auf der Reise in das unwirtliche, karge und kalte Land sterben zu müssen.

Ihre Mutter begleitete sie bis in die Empfangshalle, in welcher ihr Vater als Sprecher für Titus Mede II. zwei hochgewachsenen Männern gegenüberstand. Beim Anblick des einen wäre sie am liebsten wieder schreiend aus dem Saal gelaufen. Sein Bärenfellumhang mit Mütze ließ nur den weiß gesprenkelten Bart und die ausladende Gestalt erkennen. Doch ihre gute Erziehung verbot es ihr. So knickste sie tief und begrüßte die Abgesandten, wie es sich gehörte. Als sie sich wieder aufrichtete, war es völlig ruhig im Raum geworden. „Werte Herren“, stellte ihr Vater sie vor.

„Meine Tochter: Aquirana von Vanua.“ Aquirana hatte, wie es der Anstand erforderte, ihre Augen gesenkt gehalten. Nachdem es immer noch still im Raum war, sah sie unsicher auf und blickte direkt in die eisblauesten Augen, die sie je an einem Mann gesehen hatte. Augen, die mit unverhohlenem Interesse auf ihr ruhten. Aqirana hoffte zutiefst, dass wenigstens dieser Mann Ulfric, ihr künftiger Gemahl sein würde und nicht der grobschlächtige Kerl mit dem Bärenfell neben ihm, der ein breites Grinsen aufgesetzt hatte. Langsam wurde das Schweigen unangenehm. Aquirana fühlte sich mehr als unwohl. Es gehörte sich nicht, dass

sie als Erste ihr Wort an den hohen Besuch richtete. Unruhig räusperte sich ihr Vater, doch Hochkönig Ulfric ließ sich nicht drängen. Er hob die Hand und trat einen Schritt vor. Aquirana war sich jetzt sicher, dass der hochgewachsene, blonde Mann vor ihr, mit dem vernarbten Gesicht und den eisblauen Augen, ihr zukünftiger Gemahl sein würde. Allein seine Haltung strahlte Macht und Charisma aus. Doch als er dann auch noch zu sprechen begann, konnte sich selbst Aquirana nicht seinem Zauber entziehen. Auf diese Weise hatte der Nord wohl auch Kaiser Titus Mede II. für sich eingenommen. Sie hatte schon davon gehört, dass einige Leute dieses Volkes

über eine magische Stimme verfügten. Ulfric gehörte eindeutig zu diesen. „Ich muss zugeben, die Gerüchte über Eure Schönheit werden nur durch Eure Anmut übertroffen.“ Ulfrics Timbre war tief und weich. Dabei schwang etwas Stählernes mit, das einem wohl dazu trieb, alles zu tun, was er von einem verlangte. Ein charismatischer und gefährlicher Mann. Galant verbeugte er sich vor ihr. Aquirana war zutiefst betroffen. Sie hatte mit allem gerechnet. Zum Beispiel mit dieser Bärenfellmütze und mit groben, derben Worten. Doch dass der Hochkönig von Himmelsrand ein charismatischer Mann mit magischer

Stimme und mit guten Manieren war, machte sie sprachlos. „Ihr… Ihr ehrt mich“, brachte sie schließlich doch noch über die Lippen, nachdem ihr Vater bereits blass um die Nase wurde und ihre Mutter sie verstohlen in die Seite stieß. Das war ihre erste Begegnung gewesen. Die Hochzeit erfolgte innerhalb einer Woche mit großem Aufsehen und Pomp im Weißgoldturm. Nachdem der Tempel des Einen während der Oblivion-Krise zerstört worden war, wurden alle wichtigen Zeremonien jetzt im Weißgoldturm abgehalten. Selbst der Kaiser und der gesamte Hofstaat waren anwesend. Falls ihr Gemahl Ulfric

beeindruckt gewesen war, so ließ er es sich nicht anmerken. Jedenfalls heiratete er Aquirana in seinem Heimatland, im Tempel Maras, ein zweites Mal. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sie nicht angerührt. Aquirana begann schon zu zweifeln, ob sie sein unverhohlenes Interesse an ihr vielleicht falsch gedeutet hatte. Ulfric war auch nicht das, was man einen schwatzhaften Mann nennen würde. Sie sprachen während der Reise nach Himmelsrand kaum miteinander und wenn, dann auch nur über die momentane politische Lage und die Gefahr, die von den Thalmor ausging. Erst als sie in seinem Land waren, ließ Ulfric seine Frau rufen und lud sie ein mit ihm

auszureiten. Dass sie gut reiten konnte, schien ihm zu imponieren. Aquirana war aufgeregt. Doch von dem, was Ulfric ihr zeigte, war sie einfach überwältigt. Er ritt mit ihr steil bergan, bis die Pferde nicht mehr weiter konnten. Dort hob er sie vom Sattel, als wäre sie nichts weiter als ein Bündel Fell. Seine Kraft beeindruckte sie. Doch das, was danach kam, raubte ihr die Sprache. Sie musste zwar noch ein wenig klettern, wobei er ihr half, bis sie schließlich auf ein steinernes Plateau kamen, das einen weiten Blick über Himmelsrand gestattete. Das Panorama war atemberaubend. Himmelsrand war ein Hort wilder, ungezähmter Schönheit.

Aquirana war vom Fleck weg hingerissen von diesem unglaublichen Land. Vor ihr in der Ferne erhob sich der höchste Berg, den sie je gesehen hatte. Unter ihrem Aussichtspunkt dagegen lag ein fruchtbarer Landstrich, durch den sich ein Fluss schlängelte, der im Osten in einen großen See mündete. Auf der anderen Seite, im Westen, lagen Berge und Wälder und darüber zog ein Drache seine Kreise. „Das, meine Liebe“, sagte Ulfric nahe an ihrem Ohr. „ist meine Heimat und nun auch die Eure. Es ist das Land, für das ich alles gebe.“ „Ist… ist das… ein Drache?“ Zitternd zeigte Aquirana auf den fernen,

kreisenden Punkt. „Ja. Es ist ebenso ihr Land, wie auch das unsere“, antwortete Ulfric. „Dank des Drachenblutes und seinem Kampf gegen Alduin leben wir nun in friedlicher Koexistenz mit ihnen.“ Sanft nahm er ihren Kopf in seine Hand und rückte ihn in Richtung des großen Sees. „Seht Ihr dort unten? Dorthin reisen wir. Am anderen Ende des Sees liegt die Stadt Rifton in deren Herzen der Tempel Maras, der Göttin der Liebe, steht. Unter ihrem Segen werden wir nach nordischen Traditionen heiraten. Erst dann sind wir Mann und Frau und Ihr dürft Euch Hochkönigin von Himmelsrand nennen.“ Aquiranas Augen wurden groß. „Und ich

dachte… dachte… Ihr wärt…“ „Nicht an Euch interessiert?“ Ihr Gemahl begann zu lachen. Tief und herzlich, dass ihr wieder ganz warm ums Herz wurde. Dann nahm er ihren Kopf in seine großen Hände und hauchte einen Kuss auf ihren Mund. „Ihr wisst ja gar nicht, welche Beherrschung es mich kostet die Traditionen zu wahren und Euch nicht sofort als meine Frau zu beanspruchen. Doch die Hochzeitsnacht erfolgt nach nordischem Brauch erst im Haus des Gatten.“ Seine eisblauen Augen blitzten belustigt, als er wohl ihr erstauntes Gesicht sah. Dann nahm er ihre Hand und führte sie an seine Lippen. „Glaubt mir, ich hätte keine bessere Wahl treffen

können. Ihr überrascht mich immer wieder. Ihr seid nicht nur eine Schönheit, sondern auch belesen, wisst eine geistreiche Unterhaltung zu führen und Ihr kennt Euch noch dazu politisch bestens aus.“ „Macht Ihr Witze?“, wagte Aquirana kokett zu spaßen. „Der Lordkanzler ist mein Vater! Ich wuchs von klein auf mit politischen Belangen auf!“ Ein kühler Luftzug, der über das Plateau pfiff, ließ sie fröstelnd die Arme um sich schlingen. Ohne viel Aufheben zog Ulfric seine Jacke aus und hing sie ihr über die Schultern. Aquiranas zweite Hochzeit in Maras Tempel war nicht zu vergleichen mit dem

Pomp in der Kaiserstadt. Es war eine einfache Zeremonie, doch man spürte den Segen der Göttin, der sich über Aquirana und Ulfric legte. Dann trat ‚Bärenfellmütze‘ hervor – inzwischen wusste Aquirana, dass dieser ernste Mann Galmar, Ulfrics bester Freund und sein General war – und brachte Ulfric ein Bündel, das dieser feierlich entrollte. Es war der feinste Fellmantel, den Aquirana jemals gesehen hatte. Aufmerksam legte ihr Ulfric das Kleidungsstück um. „Mein Hochzeitsgeschenk“, flüsterte er ihr dabei ins Ohr. „Damit du nicht frierst, in meinem Land.“ Hier duzte ihr Gemahl sie das erste Mal. Doch was die Hochzeitsnacht betraf,

hielt er Wort. Erst als sie in Windhelm, im Palast der Könige waren, und er sie nach dem feierlichen Mahl, das sie erwartet hatte, in seine Gemächer führte, berührte er sie, wie nur ein Ehemann sein Eheweib berühren würde. Aquirana schauerte wohlig bei dem Gedanken daran. All die Zeit während der Reise, hatte sie Ulfric nicht nur kennen, sondern auch wahrlich lieben gelernt. Dass auch er in ihr mehr sah, als ein hübsches Mittel zum Zweck, war ihr mit der Zeit ebenso klar geworden. Nicht einmal der unrühmliche Tod Kaiser Titus Mede II., der ein paar Monate nach ihrer Hochzeit ermordet wurde, hatte einen Schatten über ihre Beziehung, oder die

Beziehung zwischen Himmelsrand und Cyrodiil werfen können. Wie gesagt, Aquirana hätte es nie für möglich gehalten, dass sie diese arrangierte Ehe einmal schätzen und sich tatsächlich in ihren Gemahl verlieben würde. Der einzige Wermutstropfen war die Kälte, die sie hier in Himmelsrand überall heimsuchte. Nur in den Armen ihres Gatten konnte sie diesem Frost entfliehen. Vielleicht suchte sie diese deshalb so oft wie möglich auf? Ein leises Lächeln stahl sich auf ihr Antlitz, während sei weiter eilte und sich dem Thronsaal näherte. Laute Stimmen drangen an ihr Ohr und sie beschleunigte unbewusst ihre

Schritte. Sie konnte sich schon vorstellen, wer wieder einmal eine Auseinandersetzung mit ihrem angetrauten Gemahl hatte. So sehr sie ihren Gatten auch liebte, sie musste zugeben, dass er nicht gerade zu den geduldigsten und einfühlsamsten Männern zählte. Vor allem, wenn es um sein Land ging. Er opferte sich für Himmelsrand auf, forderte das aber auch von allen anderen. Besonders von seiner Tochter. Aquirana seufzte. Ulfric konnte so halsstarrig sein, dass es schon wehtat. Ulfrics Tochter Tapheira war in ihrem Alter, vielleicht sogar ein wenig jünger. Nach der ersten kurzen Eifersucht, die beide beim Anblick der anderen

verspürten, hatten sich die jungen Frauen dennoch schnell angefreundet. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit. Alles, was an Aquirana fein und wohlerzogen war, war an Tapheira stolz und kämpferisch. Vielleicht lag es an Aquiranas Wunsch, hier eine Gleichgesinnte zu finden und auch an Tapheiras Wunsch, nicht mehr alleine an der Seite ihres zwar charismatischen aber auch herrischen Vaters zu sein, welcher die beiden unterschiedlichen Frauen zusammenschweißte. Aquirana wusste es nicht. Es war aber auch egal. Sie verstanden sich ausgesprochen gut und das war auch der Grund, der die junge Hochkönigin nun schon beinahe atemlos

in den Thronsaal laufen ließ. Soweit das ihre Schwangerschaft und die Etikette eben zuließen. Sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Tapheira sich erbost gegen ihren Vater auflehnte. Die junge Frau stemmte ihre Hände in die Hüften und stellte sich breitbeinig vor Ulfric, dem bereits die Adern dick am Hals anschwollen. Sie trug heute anstelle eines standesgemäßen Kleides, ihre Lederrüstung und es sah so aus, als wollte sie zu einem ihrer ausgedehnten Jagdausflüge aufbrechen. Und, wie es schien, dürfte sich der Streit auch genau darum handeln. Im Thronsaal selbst befanden sich noch der Reichsvogt, General Galmar und auch

Kommandant Ralof. Jeder schien sich im Moment am liebsten woandershin zu wünschen. Selbst ein Diener, der das Morgenmahl auftragen wollte, eilte sofort wieder aus dem Saal, als er der eskalierenden Szene gewahr wurde. „Keine Wiederrede!“, rief Ulfric in diesem Moment. „Du ziehst dich sofort um! Heute gibt es keine Jagdausflüge! Wir haben Nachricht erhalten, dass die kaiserliche Delegation bald hier eintreffen wird!“ „Und wenn der tote Kaiser von Cyrodiil persönlich vorbeikommen sollte, ich bleibe wie ich bin!“, rief Tapheira stur. „Ich habe diesen Jagdausflug mit Ralof schon über so lange Zeit geplant!“ Der

soeben benannte Kommandant von Ulfrics Truppen wurde in seinem Eck immer kleiner. Man konnte ihm ansehen, dass er jetzt lieber ganz woanders wäre, als zwischen den Fronten seines Hochkönigs und dessen Tochter. Ulfrics Hände verkrampften sich um die Armlehnen seines Thrones. „Es ist ein offizieller Anlass! Ein Anlass, dem Abgesandte vom neu geeinten Hochfels, wie auch von Hammerfell beiwohnen werden. Dieses Treffen ist von ungeheurer Wichtigkeit! Wenn all unsere Länder geeint sind, werden die Thalmor keine Chance mehr haben, uns im Verborgenen zu infiltrieren, wie sie es in der Vergangenheit tun konnten.“ Tahpeira

verdrehte die Augen, was Ulfric noch mehr erzürnte. „Denk an den Bürgerkrieg! Unser Land musste erst durch viel Leid hindurch und der Hass gegen das Kaiserreich war bereits so groß, dass wir beinahe in einen weiteren Krieg hineingeschlittert wären.“ Aufgebracht sprang Ulfric von seinem Thron auf und stakste mit am Rücken verschränkten Händen davor auf und ab. „Wenn ich nicht meiner Eingebung gefolgt wäre und selbst für Verhandlungen in die Kaiserstadt nach Cyrodiil aufgebrochen wäre, würden wir wahrscheinlich schon unsere Truppen gegeneinander aufmarschieren lassen! Du weißt doch selbst, wie die Situation

ausgesehen hat!“ Anklagend wandte er sich an seine Tochter. „Ja, schon, aber…“, begann Tapheira, doch sie wurde von Ulfric sofort wieder unterbrochen. „Erst die offenen Gespräche mit dem damals noch lebenden Titus Mede II. haben die wahren Verbrecher ans Licht gebracht! Die Thalmor!“, zürnte Ulfric weiter. Sein Freund Galmar – die ‚Bärenmütze‘ – wie Aquirana den kräftigen Nord an der Seite ihres Mannes immer noch nannte, versuchte beschwichtigend auf Ulfric einzuwirken. Ebenso sein Reichsvogt. Doch der Hochkönig sah und hörte im Moment niemanden mehr. Zornig schüttelte er

seine zur Faust geballte Hand. „Ihre Unterminierungen der verbündeten Staaten des Kaiserreiches war so geschickt eingefädelt gewesen, dass damals noch niemand in der Regierung von Cyrodiil, von den Machenschaften der Thalmor auch nur etwas geahnt hatte! Meine Heirat mit Aquirana war dann der Anfang eines vielversprechenden Bündnisses! Dennoch brachte es ein gedungener Mörder fertig, Titus Mede II. zu ermorden. Aber es gelang ihnen wenigstens nicht erneut Zwietracht zwischen dem Kaiserreich und Himmelsrand zu säen.“ Tapheira blickte trotzig zu ihrem Vater und verschränkte ihre Arme vor ihrer

Brust. Aquirana ahnte Schlimmes. Ulfrics Tochter war keine einfache, fügsame Frau, sondern in ihrer Art ebenso stur und stolz wie ihr Vater. Die beiden waren sich zu ähnlich, um nicht ständig aneinander zu geraten. „Eine weitere Verbindung zwischen den einzelnen Königshäusern wird uns noch mehr stärken“, fuhr Ulfric fort. „Darum wird dir auch bei diesem Treffen dein künftiger Gemahl seine Aufwartung machen. Also verlange ich von dir, dass du dich diesbezüglich vorbereitest!“, bestimmte Ulfric. Aquirana konnte sehen, wie Tapheira bleich wurde. Dann jedoch explodiert sie. „Nie im Leben!“, schrie sie aus

voller Kehle. „Ich heirate nie im Leben einen adligen Narren! Lieber gehe ich zu den Graubärten ins Kloster Hoch-Hrothgar zurück, als dass ich mir das antue!“ Ulfric wollte schon hochfahren, als er endlich seine Frau erspähte, die mit besorgtem Gesichtsausdruck auf die beiden zueilte. Sofort kühlte der Hochkönig ein wenig ab. Seine junge Frau schien seine Halsstarrigkeit doch ein wenig beeinflussen zu können. „Taph!“, versuchte Ulfric es noch einmal mit Geduld, die man für ein zweijähriges Kind aufbringen würde, während er sich wieder auf seinen Thron setzte. „Wir haben lange genug Krieg gehabt. Unser

Land muss sich erholen und der Sohn König Isildors von Hochfels ist ein ordentlicher Mann. Seine Ausschweifungen halten sich in Grenzen und wie gesagt: er ist ein wichtiger Verbündeter.“ Aquirana hätte nicht gedacht, dass Ulfrics Tochter noch bleicher werden könnte. Doch genau das war der Fall. „Das ist nicht dein Ernst!“, rief Tapheira steif vor Schock. Dann jedoch kam Leben in sie. „Seine Ausschweifungen halten sich in Grenzen???“, rief sie ungläubig. Die junge Frau zog ihr Schwert und rammte es in den uralten, ehrbaren Holztisch der großen Halle, an der hochgeborene Herrschaften ansonst zu

speisen pflegten. Sie war außer sich. Wild flog ihr hellblondes Haar, das sie in einem dicken Zopf trug, von einer Seite auf die andere. „Bin ich in deinen Augen vielleicht ein Gegenstand, der sich verschachern lässt?“, schrie sie jetzt. „Noch dazu scheinbar an den widerlichsten Kerl, den du auftreiben konntest?“ Ihre Stimme hatte an Lautstärke zugelegt, dass sämtliche Bilder an den Wänden zu klirren begannen. Tapheira hatte ohne Frage Ulfrics Talent ‚der Stimme‘ geerbt. „Ich möchte den Mann heiraten, den ich liebe und keinen der mir aufgezwungen wird! Schon gar nicht solch einen adligen, von Ausschweifungen übersättigten,

Hofschrat!“ „Ulfric! Nicht!“, schrie Aquirana. Das bremste den Hochkönig gerade noch davor, etwas zu tun, was er sicherlich bereut hätte. Mit drohend erhobener Hand hatte er sich vor seiner Tochter aufgebaut. Stattdessen riss er das Schwert aus dem wertvollen Möbelstück und warf es Tapheira vor die Füße. „Darum geht es also schon wieder!“, schrie er. Die Bilder begannen bereits in ihren Halterungen zu wackeln, was die Diener schließlich doch auf den Plan rief, um das kostbare Gut in der Halle zu schützen. „Dieses Thema hatten wir bereits geklärt! Und wenn du ihn tausendmal zu lieben glaubst, ich sagte

dir bereits, dass ich diesen Possenreißer niemals als meinen Schwiegersohn akzeptieren würde! Held hin oder her!“ „Nur weil er ein Vagabund ist? Ein Reisender ohne Habe und festen Wohnsitz?“ Tapheira war zu stolz um zu weinen, dennoch sah Aquirana das verdächtige Glitzern in ihren Augen, das sie aber unwirsch wegblinzelte. Sie kannte Tapheiras Sehnen und ihren Schmerz, dass ihr Vater so sehr gegen ihre Liebe war. „Er hat Himmelsrand gerettet, Vater! Er hat ganz Tamriel vor Alduin, dem Weltenfresser gerettet! Er ist mehr Wert, als all deine halbseidenen Verbündeten! Mit Galen an deiner Seite, hätten die Thalmor niemals eine

Chance!“ „Genug!“, schrie Ulfric, was trotz der Bemühungen der Diener, zweien der Bilder und einer Vase, das Leben kostete. „Wenn du nicht sofort gehorchst, lasse ich dich wegen Hochverrats in den Kerker werfen! Und erwähne in meinem Beisein nie wieder dieses Drachenblut! Was immer wir ihm auch zu verdanken haben, sei froh, dass ich ihn nicht hinrichten ließ! Niemand sonst, der meine Tochter entehrt hätte, wäre so billig davon gekommen!“ „Er wusste ja überhaupt nicht, dass ich deine Tochter bin!“, schrie Tapheira, was eine weitere Vase zu Scherben verarbeitete. „Aber ich glaube, er hätte

sogar Mut genug, sich gegen dich zu stellen!“ Drohend stand Ulfric auf. „Geh mir sofort aus den Augen und bereite dich auf die Delegation vor“, knirschte er. Seine Wut war inzwischen eisiger Kälte gewichen, die beängstigender war, als das Schreiduell vorhin. „Wachen!“, rief Ulfric, was sofort zwei Soldaten mit hochrotem Kopf, nachdem, was sie wohl alles zu hören bekommen hatten, vor ihm auftauchen ließ. „Seht zu, dass sich meine Tochter in ihre Gemächer begibt und sorgt dafür, dass sie auch darin bleibt.“ Damit war die Diskussion für ihn zu Ende. Tapheiras eisblaue Augen, dieselben, die

Ulfric auch sein eigen nannte, blickten ihren Vater hasserfüllt an. Schließlich drehte sie sich um, hob ihr Schwert auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Thronsaal, während die Wachen unangenehm berührt hinter ihr herliefen. Peinliche Stille herrschte im Saal, in der gerade die Diener versuchten so leise wie möglich die Scherben zu beseitigen. „Und du“, wandte sich Ulfric mit seinem Eisesblick an Aquirana, die schuldbewusst zusammenzuckte, da sie innerlich Partei für ihre ‚Stieftochter‘ ergriffen hatte. „Eines sage ich dir, Weib!“ Dabei deutete er anklagend auf ihren geschwollenen Bauch. „Wenn dieses Kind auch ein Mädchen werden

sollte, werde ich es nicht anerkennen! Niemals!“ Damit rauschte auch Ulfric aus dem Thronsaal, was die Morgenbesprechung bereits beendete, bevor sie noch begonnen hatte. Betretenes Schweigen war alles was blieb. Und während sich Ralof – froh, so glimpflich davongekommen zu sein – sofort mit flüchtigen Entschuldigungen aus dem Staub machte, kam Galmar zu Aquirana, die sich vor Schluchzern nicht halten konnte. So hatte sie ihren Gemahl noch nie erlebt. Zitternd schlag sie ihre Arme um ihren geschwollenen Bauch und fiel in den nächstbesten Stuhl. Zuvorkommend hielt ihr der Reichsvogt ein Taschentuch hin,

während Galmar ihr beruhigend den Arm tätschelte. „Er meint es nicht so“, versuchte er begütigend auf sie einzureden. „Ulfric wird Euer Kind lieben, was immer es auch werden wird. Genauso wie er seine Tochter liebt. Er… er ist nur ein wenig angespannt“, versuchte Galmar seinen Freund in Schutz zu nehmen. „Es steht im Moment einfach so viel auf dem Spiel!“ Aquirana war dennoch vollkommen aufgelöst. Leichte Krämpfe zwangen sie aber sitzen zu bleiben bis ihre Zofe kam und sie in ihre Gemächer führen würde, in denen sie sich dann ausruhen konnte. Schließlich musste sie ebenfalls mit besten Manieren und mit den feinsten

Kleidern die Delegation an der Seite ihres Mannes begrüßen. Nur mit halbem Ohr hörte sie noch, wie Galmar und der Reichsvogt Anweisungen gaben, um den Thronsaal festlich vorbereiten zu lassen. Dann fühlte sie bereits die warmen Arme ihrer Zofe und einen Trank, den ihr der Hofzauberer Wuunferth gab, der wohl ebenfalls von Galmar gerufen worden war. Gehorsam trank sie aus und ließ sich von ihrer Zofe aus dem Saal führen. Kurz bevor sie die Schwelle überschritten, kam ihnen Ulfric wieder entgegen. Er hatte sich beruhigt und seine Augen blickten sorgenvoll auf seine sichtlich erschütterte und geschwächte Gemahlin.

Doch mehr, als eine schnelle, liebkosende Berührung, die wohl Beschwichtigung und Entschuldigung in einem sein sollte, konnte er sich nicht abringen. Aber allein diese Geste beruhigte Aquirana. Es ging ihr sofort ein wenig besser. Dennoch würde sie sich zuerst ausruhen müssen, bevor sie zu Tapheira gehen und ihr ein wenig Trost spenden konnte.

33 drachenschreie

So eingeklemmt zwischen Bett und Kommode zu kauern war zwar sehr unbequem, doch es gab Hana zumindest ein wenig das Gefühl von Schutz. Das Mädchen spürte wie das Zittern in ihr langsam nachließ und endlich hatte auch Varis mit dem Weinen aufgehört. Dennoch wagte die Kaiserliche nicht ihre geschützte Position zu verlassen. Sie betete unentwegt zu den Göttlichen und hoffte, dass Farkas oder Galen sie bald finden würden. Soviel sie noch mitbekommen hatte, dürfte die Türe zur Kammer nicht mehr

abgesperrt sein, aber Hana war noch zu mitgenommen, um sich mit ihrem Kind hinauszuschleichen. Sie hatte dazu viel zu viel Angst direkt den Vampiren, vor allem diesem grauenhaften Movarth, in die Arme zu laufen. Viel lieber schloss sie die Augen und versuchte alles auszublenden. Gerade, als sie spürte, wie sie langsam in einen Erschöpfungsschlaf hinüberdämmerte, hörte sie etwas, das wie ein unterdrückter Fluch klang. Hana konnte gerade noch ein ängstliches Wimmern verhindern. Sie hatte nicht gehört wie jemand den Raum betreten hatte. Vielleicht war sie ja sogar schon eingeschlafen! Jetzt war sie jedenfalls

wieder hellwach. Mit aller Macht versuchte sie sich noch kleiner zu machen und so zwischen den Möbelstücken zu verschwinden, dass niemand sie bemerkten würde. Sie unterdrückte auch so gut sie konnte ihren Atem und lauschte angestrengt nach weiteren Geräuschen. Doch nichts war zu hören. Vielleicht mit viel Fantasie etwas Ähnliches wie das Aneinanderreiben von Stoff. Das könnten aber auch irgendwelche kleinen Tiere gewesen sein, die hier in der Höhle Unterschlupf gefunden hatten. Gerade, als sie schon innerlich aufatmen wollte, trat eine hochgewachsene Gestalt vor ihr Versteck und rückte mit einem lauten

Ruf, den Hana in ihrer Panik nicht einmal verstand, die Kommode zur Seite. Voller Furcht und ohne dem Schutz des Möbelstückes, drückte sie sich mit einem Aufschluchzen ganz an die Felswand zurück. *** Das spärliche Licht, das ihn umfing, verwirrte Vilkas. Gerade eben war er noch in Sovngarde und sollte an sein Heim denken, als er sich auch schon in diesem dämmrigen, großen Raum wiederfand, der aber nie und nimmer in Jorrvaskr lag! Sofort blickte er alarmiert um sich. Er war eindeutig in einer Höhle,

auch wenn diese ungewöhnlich luxuriös eingerichtet war. Große Betten, von denen eines durchwühlt aussah, gediegene, schwere Möbel, kostbare Stoffe und edle Weinflaschen konnte er sehen. Über allem lag ein Durcheinander an fremden Gerüchen in der Luft, unter denen er aber auch Hanas untrügliche Note wahrnehmen konnte. Vermischt mit Blut und Angstschweiß. Stimmt, er hatte intensiv an Hana gedacht. Doch wo um alles in der Welt war seine Frau? Hektisch begann er sich umzusehen und nach ihr zu suchen. Doch es war vergebens. Alles was er entdeckte, war der verkrümmte, männliche Leichnam, der in einer dunklen, beinahe schon

schwarzen Blutlache in der Nähe eines ausladenden Schrankes lag. Irgendetwas an dem Leblosen blockierte Vilkas Geruchssinn, denn außer dem Blut, konnte er keine weiteren Aromen von dem Leichnam in sich aufnehmen. Von Hana aber, fehlte jede Spur. Und zu allem Unglück rührte sich das kleine Mädchen, das immer noch an seiner Hüfte hing. Er hatte sie beinahe schon vergessen, denn er spürte ihr Gewicht kaum mehr. Als er den Grund dafür erspähte, konnte Vilkas einen Fluch nicht unterdrücken. Das Mädchen an seiner Seite war nicht mehr das siebenjährige Kind, das ihm in den ewigen Jagdgründen begegnet war, sondern

beinahe noch ein Baby. Das Hemdchen, das sie anhatte, war ihr nun viel zu groß und einer der Fellschuhe war bereits von ihrem kleinen Fuß gerutscht. Sie hatte ihr wahres Alter angenommen, das sie jetzt hätte, wenn sie normal geboren worden wäre. Da müsste sie, Vilkas rechnete schnell nach, ungefähr 9 oder 10 Monate alt sein. Eigentlich war das nur natürlich und er hätte damit rechnen müssen. Dennoch sah er entsetzt das Kleinkind an, das aber ihrerseits vertrauensvoll zu ihm blickte und ihre kleinen Finger, wie zur Beruhigung, in den Mund steckte. Vilkas hätte sich wahrscheinlich noch länger gewundert über all die neuen

Umstände die hier auf ihn einprasselten, doch als seine scharfen Ohren unterdrücktes Atmen wahrnahmen, hielt er inne. Sofort konzentrierte er sich und lauschte angestrengt. Aber es war eindeutig. Er war nicht alleine mit dem Toten in diesem Raum. So leise er konnte schlich er vorwärts, wobei er das kleine Mädchen an sich drückte, damit es ihn nicht verraten würde. „Talos, steh mir bei!“, betete Vilkas im Stillen, dabei folgte er den Atemgeräuschen, die sehr verhalten klangen, als würde jemand unter allen Umständen versuchen, nicht entdeckt zu werden. Doch bei einem Werwolf war das einfach sinnlos. Was er dann aber zu sehen bekam, ließ

ihn sofort mit nur einem Satz heraneilen. „Hana!“, rief er völlig außer sich und rückte die Kommode zur Seite, um besser an das kauernde Bündel Mensch heranzukommen. Den Schmerz, der dabei in seiner verletzten Seite zu toben anfing, ignorierte er. Wimmernd fuhr Hana vor ihm zurück und hob schützend ihre Hände vor sich und Varis. Sie sah schrecklich aus. Ihre linke Gesichtshälfte war wie von einem heftigen Schlag blutunterlaufen und ihre Haare hingen ihr wirr ins Antlitz. Bleich und verängstigt blickte sie ohne Erkennen zu ihm auf. „Hana!“, rief Vilkas nochmals und hielt ihr seine Hand hin. „Hana! Liebste! Erkennst du mich

nicht mehr?“ Wie immer in Stresssituationen vergaß Vilkas völlig auf seine Kontrolle. Alle seine Emotionen lagen plötzlich in seinen Worten, die er nicht mehr abschätzte. Hana glaubte zu halluzinieren. Der Mann, der da vor ihr stand konnte doch nicht Vilkas sein! Oder doch? War das möglich? „Vilkas…?“, fragte sie unsicher während sie zögerlich ihre Hand nach seinem Arm ausstreckte. Da packte er bereits zu und zog sie zu sich hoch. Hana wusste nicht, wie das zugehen konnte, doch der Mann vor ihr sah aus wie Vilkas, benahm sich wie Vilkas und fühlte sich auch so an wie Vilkas. Mit

einem beinahe hysterischen Aufschluchzen warf sie sich in seine Arme, oder besser gesagt in den einen Arm, den er ihr hinhielt. Im anderen Arm hielt er ein Bündel, das sie nicht sofort erkennen konnte. Doch das war ihr egal. Vilkas war wieder da! Vilkas war bei ihr! Sie konnte sich nicht mehr beherrschen. Völlig haltlos begann sie zu schluchzen, während sie sich wie eine Ertrinkende an ihn lehnte. Vilkas zuckte von Schmerzen gepeinigt zusammen, als Hana sich so vehement auf seine verletzte Seite schmiss. Doch um nichts in der Welt hätte er sie fallen gelassen. Mit einem unterdrückten Stöhnen verbiss er sich die Qual.

Stattdessen hielt er sie fest und bemühte sich sie zu stützen, während sie völlig aufgelöst an seiner verletzten Seite hing. „Schsch…“, versuchte er sie zu beruhigen. „Ich bin ja jetzt da, mein Herz! Ich bin da!“ Dabei strich Vilkas behutsam über ihren Rücken, was Hana leise aufstöhnen ließ, da unzählige Splitter noch in ihrem Fleisch steckten. Sofort hörte Vilkas damit auf und dirigierte sie zu dem unversehrten Bett, auf dem sie sich niederließ. Ihre Tränenflut hatte nachgelassen, dennoch blickte sie auf Vilkas, als könne sie es immer noch nicht glauben, dass er tatsächlich und wahrhaftig vor ihr

stand. Dabei konnte Hana nun auch das Bündel in Vilkas Armen genauer erkennen. „Ein Kind?“, entfuhr es ihr. „Was…? Woher…?“, fragte sie völlig entgeistert. Die Kleine wirkte nicht ängstlich. Sie hielt sich an Vilkas fest und blickte, mit einer ihrer Fäuste in ihrem Mund, neugierig auf Hana. „Das ist Farkas Tochter“, sagte Vilkas, der die Kleine aufatmend neben Hana auf das Bett setzte. Durch Hanas stürmische Begrüßung hatte seine Verletzung wieder zu bluten begonnen. Jede Erleichterung war deshalb eine Wohltat für ihn. „Aber das ist eine lange Geschichte, wie ich sie aus Oblivion mit mir mitnehmen konnte.“

Fürsorglich wickelte Vilkas noch ein Fell um das Kind und bedeutete dem Mädchen sitzen zu bleiben. Dann wandte er sich erneut an Hana. „Was jetzt viel wichtiger ist, mein Herz: wo sind wir und was ist hier geschehen?“ Mit einer zärtlichen Berührung wischte Vilkas ihr dabei ein paar ihrer wirren Haare aus dem Gesicht. Hana wäre am liebsten darin hineingeschmolzen, aber die Gefahr war noch nicht vorbei. Sie riss sich zusammen. „Ich glaube, wir sind in einer Höhle.“, antwortete sie so schnell sie konnte. „Wo das ist, weiß ich auch nicht. Ich… ich war leider so unvorsichtig, dass Heimkar mich entführen konnte…“ „Heimkar?“ Vilkas fuhr alarmiert auf.

Hana war in einer Vampirhöhle? Wieso hatte er das nicht wittern können? Dann war der Leichnam vielleicht gar ihr Mann Heimkar, der Vampir? Entsetzen fuhr durch Vilkas und so rasch es ihm möglich war, drehte er sich zu dem Leichnam um. Doch das Eck, in dem er gelegen hatte, war leer. Nur mehr die Blutlache und verschmierte Spuren waren zu sehen. Hana schien es ebenfalls zu bemerken, denn sie keuchte erschrocken auf. „Ich… ich habe ihn getötet!“, rief Hana die Varis ebenfalls in ein dickes Fell wickelte und auf dem Bett liegen ließ, während sie aufsprang. „Er kann doch nicht wieder auferstehen, oder

doch?“ Vilkas konnte den Vampir zwar nicht wittern, aber sein Gehör war nicht beeinträchtigt. Sofort fuhr er herum, als der Vampir aus seinem Versteck hinter dem großen Schrank hervorstürmte. Doch es war Sekundenbruchteile zu spät. Vilkas konnte noch die blutleere, völlig graue Fratze des Vampirs sehen, bevor dessen Tritt ihn zurückschleuderte. Vilkas hätte Heimkar nicht mehr wieder erkannt. Durch den Blutverlust, den seine aufgerissene Kehle hervorgerufen hatte, war er völlig grau, ausgezehrt und hohlwangig. Er sah beinahe schon wie Movarth selbst aus, nur dass er noch seine blonden Haare auf dem Kopf hatte.

Und was am schlimmsten war, trotz seines wohl beinahe völlig ausgetrockneten Körpers, hatte er immer noch die unmenschliche Kraft, die untoten Vampiren eigen war. Der Tritt war so heftig, dass Vilkas mit voller Wucht gegen die Kommode geschleudert wurde, die er vorhin schräg in den Raum geschoben hatte. Mit einem grauenhaften Knirschen bohrte sich die Kante der Kommode in seinen Rücken und brach reihenweise seine Rippen. Vilkas wurde schwarz vor Augen. Der Schmerz raubte ihm den Atem. Wie eine gebrochene Gliederpuppe fiel Vilkas vor der Kommode zusammen, während der Vampir geifernd auf ihn

zulief. Röchelnde Laute drangen aus seinem offenen Hals. Sprechen konnte er ohne Kehle nicht mehr. Vilkas sah das alles nur mehr verschwommen. Er schaffte es kaum bei Besinnung zu bleiben. Doch seine Angst um Hana und die Kinder, ließ ihn wieder klar werden. Normalerweise würde sich sofort der Wolfsgeist einschalten, aber selbst für diese Verwandlung war Vilkas zu schwer verletzt. Mit aller Macht konzentrierte er sich, bis er wenigstens seinen rechten Arm in eine Wolfspranke verwandeln konnte. Gerade noch rechtzeitig. Denn Heimkar war heran und legte seine Krallen um Vilkas Hals, in den er beißen wollte, um

sich mit seinem Blut zu regenerieren. Mit letzter Kraft stieß ihm Vilkas seine Pranke in die Brust, bis er unter seinen Klauen das pulsierende, untote Herz des Vampirs spürte. So fest er konnte packte er zu, während er mit seinem Fuß gegen Heimkars Brust trat. Der Vampir wurde zurückgeschleudert, wobei Vilkas immer noch sein Herz in seiner Pranke festhielt und ihm dieses damit aus dem Leib riss. Das war die einzige Möglichkeit einen Vampir wirklich zu töten. Mit widerlicher Langsamkeit hörte das untote Herz in seiner Pranke zu schlagen auf, während der Vampir sich nun endgültig nicht mehr rührte. Vilkas sah dem langsamen Sterben des Vampirs zu.

Er war zu erschöpft, um das Herz in seiner Pranke zu zermalmen. Jegliche Energie war nach diesem letzten Kraftakt aus ihm gewichen. Mit einem raschen Seitenblick sah er, wie Hana sich schützend über die Kinder geworfen hatte und sich nun unsicher umsah. Er wollte ihr ein aufmunterndes Lächeln schenken, doch selbst dazu fehlte ihm die Kraft. Außerdem bekam er immer schlechter Luft. Vielleicht war die Flüssigkeit daran schuld, die sich in seinem Mund zu sammeln begann? Hustend spuckte er sie aus. Sie war hellrot und schaumig. Vilkas hatte schon zu viele Verletzungen gesehen und auch selbst bekommen, als

dass er nicht wusste, was das zu bedeuten hatte: Die gebrochenen Rippen hatten sich in seine Lunge gebohrt! Scheinbar sehr tief, denn das hellrote Blut kam direkt aus seiner Lunge. Er würde hier in dieser Höhle verbluten, denn ohne Heiltrank, konnte eine innere Blutung nicht zum Stillstand gebracht werden. Wie als würde Hana das ahnen kam sie auf Vilkas zugelaufen und kniete verzweifelt neben seinem Körper, der immer noch vor der Kommode lag. „Vilkas!“, rief sie und versuchte ihm das Blut von den Mundwinkeln zu wischen. Vilkas wollte sie beruhigen, ihr irgendwie Trost spenden, doch er konnte

sich nicht mehr rühren. Dazu gelang es ihm auch nicht mehr richtig Atem zu schöpfen. Das Blut schien bereits seine gesamte Lunge gefüllt zu haben. Hustend spuckte er weiteres Blut aus und sog röchelnd Luft ein. Doch das nachfließende Blut hatte seine Atemwege bereits wieder verlegt. Vilkas war auch nicht mehr in der Lage irgendetwas zu sagen. Würgend und hustend lag er da, während Hana seinen Kopf auf ihren Schoß gelagert hatte und versuchte ihm das stets weiter nachströmende Blut von Mund und Kinn zu wischen. Vilkas spürte wie sich alles in ihm zusammenkrampfte und sein Körper verzweifelt nach Luft rang, die er aber

nicht mehr bekam. Er hustete weiter Blut, ohne dass er in der Lage war zu atmen. Wie ein Ertrinkender begann sein Körper zu zucken und nach Luft zu schnappen. Vilkas wurde langsam schwarz vor Augen. Er hätte sich nie gedacht, dass er einmal an seinem eigenen Blut ersticken würde. Doch ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, rann das Leben aus ihm, während die Zuckungen und Krämpfe immer schlimmer wurden. Das Gefühl zu ersticken war grauenhaft. Vilkas Husten und Würgen nahm noch weiter zu, doch kein bisschen der dringendst benötigten Luft kam dabei in seine Lungen. Sein Körper bäumte sich noch ein paarmal

konvulsivisch auf. Doch es war umsonst. Vilkas verlor endgültig die Besinnung während letzte, reflexartige Zuckungen durch ihn fuhren. Dann lag er still. Hana glaubte, ihr Herz würde zerspringen. Vilkas Qual mitansehen zu müssen war mehr, als sie ertragen konnte. Mit jedem Zucken seines Körpers, der grausam nach Luft verlangte, die er nicht mehr bekam, wurde ihr Herz schwerer und starrer. Als sich sein Körper ein letztes Mal aufbäumte, glaubte sie ebenfalls sterben zu müssen. Das durfte nicht sein! So grausam konnte das Schicksal nicht sein! Vilkas war doch eben erst zu ihr zurückgekommen! Er durfte nicht

sterben! Nicht so! Bitte, nicht so! „Vilkas!“, rief sie verzweifelt, während sie seinen Kopf umklammerte. Doch keine Bewegung war mehr zu spüren. Ihr Mann, der, den sie wirklich aus tiefstem Herzen ihren Mann nennen mochte, rührte sich nicht mehr. Alles Leben war aus ihm gewichen. „Nein, ihr Götter!“, rief Hana und drückte seinen Kopf an sich, als würde sie ihn nicht gehen lassen wollen. „NEIN!“ Dann schrie sie ohne Unterlass. Sie konnte nicht mehr aufhören zu schreien. Es war zu viel. Es war einfach alles zu viel.

*** Die Nacht wich langsam dem beginnenden Tageslicht. Schwer tropfte der Schweiß vom Rücken der Pferde, so schnell waren sie geritten. Dafür sahen sie bereits die Ausläufer des gewaltigen Gebirgszuges, der sich zum höchsten Berg Himmelsrands aufschwang. Die kleine Stadt Flusswald lag noch zwei Stunden von ihnen entfernt, doch Athis dirigierte sie zu einem Nebenweg, der tiefer in das Gebirge hineinführte. Als es zu steil wurde, mussten sie ihre Pferde stehen lassen und zu Fuß

weiterlaufen. Der Pfad, auf dem Athis sie hinan führte, war ausgesprochen verwildert und kaum mehr als ein Weg, den Tiere zu benutzen pflegten. Farkas versuchte unentwegt zu wittern, doch es deutete nichts auf den Verbleib von Vampiren hin. Auch der unwirtliche Weg machte den Gefährten nicht gerade Mut. Schließlich weitete sich das Gelände und vor ihnen lag ein großer Höhleneingang, in den sie sofort eintauchten. Doch nicht einmal hier konnten die Wölfe etwas von Vampiren wittern. Stattdessen lag der Geruch von Bären in der Luft und als Ria in einen Haufen trat, der eindeutig die Verlassenschaft eines dieser großen Tiere war, mussten die Gefährten langsam

einsehen, dass diese Höhle nur mehr der Unterschlupf für eine Bärenfamilie war. Als schließlich sogar ein besonders großer Braunbär persönlich aus den tieferen Gefilden seiner Höhle auftauchte, um die unliebsamen Ruhestörer zu vertreiben, entschlossen sich die Gefährten zum Rückzug. Einfach nur ein Tier zu töten, weil sie es konnten, lag nicht in ihrem Interesse. Vor der Höhle hieb Farkas missmutig einem Kraut die Blütenköpfe ab. „Das war wohl nichts!“, rief er. „Wir sollten uns aufteilen und weiter suchen. Hier irgendwo muss ihr Unterschlupf ja sein! Ich glaube nicht, dass Madi sich geirrt

hat!“ „Ich auch nicht!“, meinte Galen. „Doch der Berg ist voll von Höhlen. Wer weiß, in welcher sie sich eingenistet haben, diese Bastarde!“ „Verdammt!“, schrie Farkas und schnetzelte die Pflanze mit seinem Zweihänder bis auf ein paar Stämmchen nieder. „Wenn wir nur eine Spur von ihnen aufnehmen könnten! Doch es ist nichts zu wittern! Als wären sie nicht einmal hier!“ „Spur?“ Evva meldete sich zu Wort und deutete den Hang hinunter. „Ich habe Spuren gesehen! Dort wo sich der Weg gegabelt hat! Die konnten von keinem Tier stammen. Aber auch nicht von

einem Mer oder einem Menschen!“ Sofort blickten alle Augen auf sie. Das ansonsten so freche Mädchen errötete. So viel Aufmerksamkeit war ihr dann doch nicht Recht. Vor allem, da einer von Galens Leibwächtern sie mit besonders interessiertem Blick musterte. Er war ein noch sehr junger, schweigsamer Mann, dessen Augen aber beinahe ständig an ihr hingen. Und obwohl Evva diese ungeteilte Aufmerksamkeit Farkas bei jeder Möglichkeit zukommen ließ, war es ihr selbst sehr unangenehm. Nicht, dass ihr der junge Mann nicht gefiel, doch er hatte einen Makel, der einfach nicht aufzuwiegen war: er war nicht Farkas! „Bei den Göttern, Mädchen!“, rief Galen.

„Wieso sagst du uns das erst jetzt?“ Evva druckste verlegen herum. „Jetzt lass sie doch!“, mischte sich Athis ein. „Sehen wir lieber zu, dass wir dem nachgehen!“ „Genau“, flüsterte Rainus in Galens Ohr. „Herion blickt schon ganz grimmig. Ich glaube, dem hat es das rothaarige Mädchen angetan!“ Galens Blick flog zu dem jungen Mann, der erstaunlich gute Ohren zu haben schien. Mit hochrotem Kopf stand er da und schaute seinen Kommandanten anklagend an, während sein Kumpan sich nur mit Mühe das Lachen verbeißen konnte. Farkas machte dem Ganzen ein Ende,

indem er einfach seinen Zweihänder wieder in die Halterung schob, Evva an der Schulter packte und sie zurück auf den Pfad schob. „Komm schon, zeig uns, wo du die Spuren gesehen hast.“ Dankbar, der peinlichen Situation entkommen zu sein, lief Evva schnell voran und zweigte dann auf einen breiten Weg ab, der aber nach ein paar hundert Metern, direkt neben dem Fluss, zu enden schien. „Hier ist doch nichts!“, rief Galen, der sich suchend um sich selbst drehte. Nicht einmal mit seinem Drachenblick konnte er Leben entdecken. „Die Spuren waren eindeutig!“, rief Evva, die bereits mit ihren Augen weiter

den Boden untersuchte. Farkas bemühte sich dagegen wieder etwas wahrzunehmen, scheiterte aber kläglich. „Hier ist auch nichts von der Vampirbrut zu wittern.“ Kurz zögerte er. „Aber… da ist irgendetwas, das nicht einzuordnen ist. Das fiel mir schon am Kynareth-Tempel auf.“ „Was ist es?“, fragte Thorald, der versuchte ebenfalls etwas zu erkennen. „Mehr als Rias Bärenscheiße an den Stiefeln, kann ich hier nicht wahrnehmen.“ Die junge Frau neben ihm, die versucht hatte den Kot im Wasser von ihrem Schuhwerk abzuwaschen, stieß ihn erbost in die Seite. „Schwer zu erklären.“ Farkas hielt den

Kopf immer noch erhoben, als würden ihm die Duftspuren in der Luft irgendwelche Hinweise geben. „Es ist mehr wie ein Loch, wenn ihr versteht was ich meine. Es sind ‚zu wenig‘ Gerüche hier. Als würde irgendetwas überdeckt oder ausgespart werden.“ „Das muss es sein“, meinte Athis. „Wenn die Vampire etwas entwickelt haben, was ihre Ausdünstungen abschirmt, könnte es sich so anspüren, wie du es gerade beschrieben hast. Also, wohin führt der Weg?“ Kampfbereit spreizte er die Beine und wippte ungeduldig auf und ab. Farkas versuchte irgendeine Richtung aufnehmen zu können, doch diese ‚Aussparung‘ an Gerüchen war einfach

zu ungenau. „Dann suchen wir halt einfach drauflos!“, rief Galen, der bereits in eine Richtung davonstakste. „So viele Höhlen kann es von hier aus doch nicht geben!“ „Hierher!“, ertönte da plötzlich Evvas Stimme. Aufgeregt winkte sie die Gefährten zu sich. „Hier sind wieder Spuren zu sehen. Sie führen eindeutig das breite Geröllfeld hinauf!“ „Dort hinauf kann doch niemand gehen!“, rief Athis. „Die Steine werden unter uns hinwegrutschen!“ „Sie sind fester, als sie aussehen“, rief Galen, der bereits hinauf zu klettern begann. „Wie gut, dass wir eine gelernte Jägerin

und Spurenleserin unter uns haben, nicht wahr?“, fragte Rainus spitzbübisch an Herion gewandt, der wieder bis unter die Haarspitzen errötete. „Lass dir eines gesagt sein“, raunte er ihm verschwörerisch zu, „die Nordfrauen sind feurig. Doch du darfst sie nie unterschätzen oder gar beleidigen!“ „Ihr klingt, als wüsstet Ihr das aus Erfahrung, Kommandant!“, fiel da der andere mit einem breiten Grinsen mit ein. „Was da wohl Eure Frau dazu sagen würde?“ Rainus fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Seine beiden Männer waren die besten seiner Einheit, doch der Aufenthalt bei den Gefährten, ließ sie

salopper werden, als ihnen guttat. Oder war das Galens Einfluss, der auch auf ihn abgefärbt hatte. Dabei war aus Rainus so ein ernsthafter Soldat geworden, dessen Karriere steil nach oben führte. Doch seit er auf seinen alten Freund getroffen war, kam wieder der Schalk hervor, der ihn als jungen Mann so ausgezeichnet hatte. Wahrscheinlich reagierten die Männer darauf, dass er selbst lockerer geworden war. Rainus beschloss, diese Meldung nicht weiter ernst zu nehmen. „Wenn Ihr meiner Frau etwas darüber zukommen lasst, sehen wir uns bei einem Duell wieder, Leutnant Marek!“, konterte er stattdessen. „Ich werde mich hüten!“, grinste Marek

und gab Herion einen Stoß, damit dieser Evva nicht länger niederstarrte, sondern endlich in die Gänge kam und Galen hinterherlief. Schließlich lag ihre Aufgabe im Schutz des Kaisers und nicht in anderwärtigen Vergnügungen. Jedenfalls noch nicht. Das Geröllfeld erwies sich tatsächlich als ausgesprochen stabil. Es war eine magische Täuschung, die den breiten Weg, der nach oben führte, wie eine unpassierbare Ansammlung von losen Steinen aussehen ließ. Die Schritte der Gefährten wurden immer schneller, bis sie hinter einer Biegung endlich erneut vor einem Höhleneingang standen. „Hier ist es!“, sagte Farkas befriedigt.

„Ich kann sie immer noch nicht wittern, dafür ist aber dieses ‚Fehlen‘ von Gerüchen noch stärker.“ „Und auch die Spuren noch deutlicher“, bestätigte Evva und deutete auf den Boden, wo sie etwas sehen konnte, das einem ungeübten Jäger einfach nicht auffallen würde. Ihre Großmutter hatte sie wirklich viel gelehrt. Farkas Augen begannen zu glühen. „Dann lasst uns nicht länger warten!“, rief er. „Sie haben schon viel zu viel Unheil angerichtet! Vorwärts!“ Ohne zu zögern folgten ihm alle in die Höhle, die sich tatsächlich als Unterschlupf entpuppte, den Menschen und Mer für sich beansprucht hatten. Zu

ihrem Erstaunen wirkten die Möbel, die im ersten Höhlenraum standen, sehr gediegen. Die beiden Männer, die am Tisch saßen und Karten spielten, kamen gar nicht dazu irgendwen zu warnen, so schnell köpfte Farkas den einen und Ria den anderen. „Das… das sind aber keine Vampire“, bemerkte die Gefährtin irritiert. Galen, der mit seinem Drachenblick die große Höhle nach weiterem Leben durchsuchte, belehrte sie: „Vampire nehmen sich oft menschliche Sklaven, oder Verbündete, die auf ihre Habe achten, während sie schlafen. Echte Vampire müssen tagsüber schlafen. Sie reagieren empfindlich auf Licht und

Sonnenlicht ist absolut tödlich für sie.“ „Bemerkst du noch andere?“, fragte Farkas Galen, doch dieser schüttelte den Kopf. „Dann lasst uns weitergehen. Seid vorsichtig“, riet er dabei den anderen zu. „So wie es hier aussieht und wie deutlich die Gerüche durch den Zauber unterdrückt werden, muss eine ganze Schar an Vampiren bereits unter uns sein. Und noch eines: Wenn ihr Räume betretet, seht überall nach! Sie schlafen oft auch in großen Kisten, anstatt auf Betten. Denk daran, wir müssen alle erwischen!“ Geduckt schlichen sie weiter. Am Ende der großen Höhle führten zwei hohe, breite Gänge weiter, hinter denen man

bereits die nächsten Kavernen sehen konnte. „Teilen wir uns auf?“, fragte Galen. „Ja.“ Farkas blickte von einem zum anderen. Dann fixierte er Sarendal. „Du bleibst hier und hältst Wache.“ Der junge Halbelf wollte schon protestieren, doch Farkas schnitt ihm das Wort ab. „Das ist eine der wichtigsten Aufgaben! Du bist verantwortlich, dass keiner von dieser Brut entwischen kann. Die Vampire würden zwar an der Sonne sofort sterben, aber wer weiß, was sie für Zauber haben, mit denen sie sich in die nächste Höhle zu retten vermögen! Ihr Anführer ist ein mächtiger Magier!“ Grimmig nickte Sarendal. „Hier wird

keiner vorbeikommen, Farkas. Das schwöre ich!“, rief er und nahm sofort Aufstellung in der Mitte des Raumes, von dem aus er alle Gänge vor sich sehen konnte. „Sehr gut“, nickte Farkas und wollte bereits die weitere Einteilung übernehmen, als Schreie voller Verzweiflung an ihre Ohren drangen. Die Schreie waren umso schrecklicher, als vorhin so lange Zeit völlige Stille in der Höhle herrschte. „HANA!“ Galen setzte sich sofort in Bewegung. Ohne zu zögern lief Rainus hinter ihm her. „Ihr sucht die Vampire! Ich kümmere mich um meine Schwester!“, rief Galen und war auch

schon um die nächste Biegung des Ganges verschwunden, aus dem die Schreie gekommen waren. „Einer von euch folgt ihnen, der andere kommt mit mir mit!“, rief Farkas an die beiden Männer des Ordens gewandt. Nach einem kurzen Blickduell lief Marek hinter Galen her, während sich Herion an Farkas Seite stellte. „Wir dürfen keine Zeit verlieren!“, rief der Gefährte. „Und denkt daran! Um Vampire endgültig zu töten, müsst ihr ihnen das Herz herausreißen, oder ihre Köpfe von den Schultern trennen! Los geht’s!“

*** Hana hatte jeglichen Bezug zur Realität verloren. Sie hielt Vilkas reglose Gestalt an sich gedrückt, wiegte ihn hin und her, während sie weiter schrie, die Götter anflehte, bettelte, bis sie heiser war. In ihrer Agonie hörte sie nicht wie die Türe aufgerissen wurde. Neben ihren Schreien erklangen laute Stimmen, die Hana aber nicht mehr verstehen konnte. Erst als starke Arme versuchten sie von Vilkas wegzuzerren, begann sie sich zu wehren. Wie eine Furie kämpfte sie, bis Laute erklangen, die sie endlich erlahmen

ließen. Gegen Galens magische Drachenworte: „PRAAN. BRIINAH.“, die er ihr ins Ohr flüsterte, konnte sie sich nicht mehr erwehren. Galen schenkte ihr damit die Beruhigung, die sie so dringend benötigte. Erst jetzt gelang es ihnen Hana von Vilkas leblosem Körper wegzuziehen. „Halt sie fest!“, rief Galen Rainus zu. Als Marek ebenfalls in den Raum hineinplatzte, hieß er ihn, sich um die Kinder zu kümmern, die weinend auf dem Bett lagen. Zumindest der Säugling lag heftig strampelnd da, während sich ein etwa zehn Monate altes Kind mit verheultem Gesichtchen bereits anschickte, aus dem Bett zu krabbeln.

Erneut beugte er sich über Vilkas. Schnell hatte er erkannt was geschehen war. „Seine Rippen sind gebrochen und in die Lunge eingedrungen. Er ertrank an seinem eigenen Blut!“, rief er. Dann gab es für ihn kein Halten mehr. Sein Drachenblick verriet ihm, dass das Leben zwar aus Vilkas gewichen war, er aber noch nicht lange tot sein konnte. Ein paar spärliche Restfunken, die ebenfalls langsam erloschen, konnte Galen noch in seinem Herzen wahrnehmen. Jetzt hieß es jede Sekunde zu nutzen. Sofort drehte er ihn auf die Seite und holte einen seiner starken Heiltränke hervor, die er ihm sofort in die Rückenwunde

träufelte. „Wie viele Heiltränke habt ihr bei euch?“, fragte Galen knapp, während er Vilkas Verletzungen weiter abtastete und ihm den Kopf nach hinten bog, sodass noch mehr Blut aus seinem Mund herausfließen konnte. „Jeder von uns zwei!“, sagte Rainus. „Starke?“ Genau inspizierte Rainus eines der Fläschchen. Es war klein, hatte aber eine blutrote Farbe. „Ja“, sagte er. „Gib her“, befahl Galen, während er auffordernd eine Hand danach ausstreckte. „Was soll das?“, fragte Rainus, während er ihm die Fläschchen reichte. „Ich sage

es nur ungern, aber er ist tot. Zwar noch nicht lange, aber er kann eindeutig nicht mehr schlucken.“ „Ich weiß.“ Mehr sagte Galen nicht. Er musste sich jetzt konzentrieren. Im Kopf ging er immer wieder die Worte durch und die Ermahnungen Paarthurnaxs, des Meisters der Graubärte, was diese Worte betraf. Er durfte sich keinen Fehler erlauben! Diesen Versuch konnte er nur einmal wagen, denn der Ruf war so mächtig, dass er danach für lange Zeit keinen neuen mehr anwenden würde können. Das bedeutete, wenn er versagte, hätte Vilkas keine zweite Chance mehr. Galen griff sich unbewusst an den Hals, wo die Talos-Figur hing. Das warme

Glühen, das davon ausging beruhigte ihn. „Wenn Vilkas Seele seinen Körper noch nicht ganz verlassen hat, haben wir noch eine Chance“, flüsterte Galen zu den Anwesenden. Dann beugte er sich über Vilkas Kopf und neigte ihn zurück. Ganz nah kam er mit seinen Lippen dem Mund des Verstorbenen. Nochmals rief er sich Paarthurnax Anweisungen ins Bewusstsein, wartete, bis er das Echo dieser Worte tief in seiner Seele spüren konnte, dann legte er los. „LAAS. DAAL. SLEN.“, hauchte Galen direkt in Vilkas offenen Mund, während er den zweiten Heiltrank bereit hielt. Schwindel erfasste den zukünftigen Kaiser von Cyrodiil. Der Spruch war so

machtvoll, dass sämtliche Energien aus ihm herausflossen. Die Magie der Worte höhlte ihn aus und ließ ihn leer und völlig ausgelaugt zurück. Doch das war ihm egal. Wenn es nur noch nicht zu spät gewesen war! Rainus hielt den Atem an. Ebenso die junge Frau, die er in seinen Armen hielt. Gerade eines der Kinder weinte noch leise, ansonsten war es vollkommen still im Raum. „Jetzt mach schon Vilkas!“, rief Galen zittrig vor Überanstrengung, während er ihn erneut auf die Seite drehte, seinen Kopf nach hinten und unten kippte und mit einem Knie in den Brustkorb drückte. Noch mehr Blut rann sofort aus Vilkas

Mund. „Komm schon, du sturer Nord! Wenn du jetzt aufgibst, nehme ich meine Schwester für immer mit nach Cyrodiil!“, schrie er. Da ging ein Ruck durch Vilkas Körper. „Endlich!“, rief Galen. „Kämpfe! Kämpfe, du sturer Bock!“ Wie als hätte Vilkas ihn verstanden begann sein Körper zu zucken und schwallartig stürzte weiteres Blut aus seinem Mund, während Galen ihm nochmals kräftig gegen den Brustkorb drückte. Schließlich sog Vilkas röchelnd Luft in seine Lungen. Es klang fürchterlich und sein Körper krümmte sich vor Schmerzen. Doch er bekam wieder Luft. Der Heiltrank, den Galen

ihm in die Rückenwunde geträufelt hatte, hatte wohl die schlimmsten Verletzungen wieder in Ordnung gebracht, sodass kein neuerliches Blut in die Lungen eindringen konnte. „Weiter!“, rief Galen und klopfte Vilkas gegen den oberen Teil des Rückens, der nicht verletzt war. voller Pein hustete der Krieger, bevor er nochmals Luft holte. Die Schmerzen waren fürchterlich, aber das grauenhafte Gefühl des Erstickens wurde zumindest erträglicher. Vilkas konnte nicht genug bekommen immer wieder Luft zu holen, auch wenn jeder Atemzug eine Qual war. Galen presste ihm eine Phiole an die Lippen, die Vilkas nur mit Mühe trinken konnte. Langsam

wurde dadurch aber alles erträglicher und Vilkas krampfhafte Zuckungen hörten schließlich auf. Er sah schrecklich aus. Beinahe ebenso wie der Vampir. Völlig bleich und ausgezehrt lag er vor der Kommode und atmete in kurzen Stößen. Aber zumindest konnte er wieder atmen. Hana, die sich nach Galens Beruhigungszauber wieder gefangen hatte, kniete sich erneut zu Vilkas. Tränenüberströmt tastete sie nach seiner Hand und nach der Hand ihres Bruders, der durch die Anstrengung beinahe ebenso bleich wie der Verletzte war und schnaufend an der Kommode lehnte. „Danke!“, flüsterte sie. Dann rückte sie

ganz an Vilkas heran und bettete seinen Kopf erneut in ihren Schoß. Galen rückte ein wenig zur Seite, während Marek vom Bett aufstand. Der Säugling schien sich beruhigt zu haben und auch das größere Baby saß wieder in Felle gewickelt brav im Bett und blickte unglücklich vor sich hin. Zittrig fuhr sich Galen mit der Hand über sein Gesicht, als ihm der Soldat einen der Tränke hinhielt. „Ihr solltet trinken.“ Doch Galen schüttelte bestimmt den Kopf. „Nein. Das ist nur Schwäche. Die wird bald vergehen.“ Dabei deutete er auf seine Schwester. „Wenn Hana wieder ansprechbar ist, soll sie trinken. Sie ist

ebenfalls verletzt.“ Rainus stellte sich zu ihnen. „Was hast du getan?“, fragte er. „Dein Freund war eindeutig tot! Kannst du sogar Tote wieder erwecken?“ „Schön wäre es!“, antwortete Galen und lehnte auch seinen Kopf zurück. „Es funktioniert nur bei gerade eben Verstorbenen. Es ist ein geheimer Drachenschrei, den mich Paarthurnax, der Meister der Graubärte, gelehrt hat, nachdem ich Alduin besiegt hatte. Das war quasi ein Geschenk – oder meine Belohnung – wenn man so will. Dieser Schrei darf nämlich nur von einem Meister der Graubärte zum nächsten weitergegeben werden. Und er kann nur

angewandt werden, wenn die Seele des Toten den Körper noch nicht gänzlich verlassen hat.“ Müde blickte Galen seine Leibwache an. „Der Spruch kostet aber enorm viel Kraft.“ „Das sieht man“, bemerkte Rainus trocken. „Du kannst auf keinen Fall mehr kämpfen und ich bleibe hier um auf euch aufzupassen.“ Damit sah er auf Marek, der bestätigend nickte. „Ich helfe den anderen!“, sagte der Leutnant des Penitus Ocuatus Ordens und setzte sich Richtung Tür in Bewegung. Doch er kam nicht weit. Gerade als er sich ein Stück entfernt hatte, tauchte neben dem Bett, wie aus dem Nichts, eine Gestalt auf.

34 briefe, boten und hoch-hrothgar

Leise trommelte der Regen gegen das Fenster. Am Abend hatte es wieder ziemlich abgekühlt, im Zimmer war es jedoch angenehm warm. Oder waren das nur die Arme, in denen Aquirana fest eingekuschelt lag, die ihr dieses Gefühl gaben? Sie wusste es nicht und eigentlich war es ihr egal, denn ihr Gemahl hatte sie gerade auf seine Art um Verzeihung für sein Ausrasten heute Morgen gebeten. Wohlig seufzte die Hochkönigin auf und kuschelte sich noch fester gegen Ulfrics breite Brust. „Ulfric?“ Aquirana konnte es doch nicht

lassen. „Was du heute gesagt hast… ich meine, das mit unserem Kind…“ Eine große Hand schob sich unter ihr Kinn und hob es hoch. Ernst blickte der Hochkönig von Himmelsrand in ihre Augen. Dann küsste er sie tief. „Muss ich wirklich noch mehr sagen, mein Herz?“, fragte er sie. „Aber Tapheira, deine Tochter… ihr beide sprecht immer noch nicht miteinander!“ Aquirana stemmte sich ein wenig ab, um Ulfric besser ins Antlitz sehen zu können. Dabei rutschte das Laken herab, was ihre Brüste freigab. Doch ihr Mann beachtete das nicht. Erzürnt zogen sich seine Brauen zusammen, als er auf einen imaginären

Punkt im Raum starrte. „Was soll ich machen, wenn sie so stur und uneinsichtig ist!“, grollte er. „Sie kam in ihrer Rüstung herab, um deinen Vater und die ganze Delegation zu begrüßen! Das grenzte an Beleidigung!“ Aquirana bewunderte im stillen Tapheiras starken Willen. Sie hätte es niemals gewagt sich so ihrem Vater entgegen zu stellen. Andererseits war sie selbst viel zu aufgeregt gewesen, um sich wegen Tapheiras nicht standesgemäßen Aufzug Gedanken zu machen. Dass ausgerechnet ihr Vater mit der Delegation aus Cyrodiil mitgekommen war, brachte sie beinahe dazu, ihre guten Manieren zu vergessen. Das lag wohl

auch an dem lockeren Umgang, der hier am Hofe gepflegt wurde. Doch ein gestrenger Blick des Lordkanzlers hatte genügt und Aquirana, die bereits aufgesprungen war, um ihm und der Frau an seiner Seite um den Hals zu fallen, blieb augenblicklich stehen und begrüßte die Delegation, wie es die Vorschrift verlangte. Erst als der Etikette Genüge getan war, erlaubte sie sich ihre Eltern freudig und eben wie eine Tochter und nicht wie die Hochkönigin von Himmelsrand zu umarmen. Denn das war die noch größere Überraschung für sie, dass ihre Mutter ebenfalls mitgekommen war. Estelle von Vanua würde auch länger bleiben.

Zumindest, bis ihr erstes Enkelkind auf der Welt war. Das wollte sie sich einfach nicht nehmen lassen und Aquirana hätte jubeln können vor Freude. Das Festmahl, das zu Ehren der Delegation abgehalten wurde, war dennoch mehr ein Familientreffen geworden, da die Abordnung aus Hochfels, – mit Tapheiras zukünftigem Gemahl – sowie die Vertretung aus Hammerfell, noch nicht eingetroffen war. Sie würden noch zwei Tage benötigen, bis sie ebenfalls im Palast der Könige Einzug halten würden. Aquirana war es nur Recht. Alleine schon wegen Tapheira. Vielleicht würde sich Ulfric doch noch erweichen lassen. Zumindest

wäre jetzt, in dieser entspannten Atmosphäre, wohl die Gelegenheit, ein wenig für ihre „Stieftochter“ zu sprechen. „Ulfric!“, sagte Aquirana liebevoll. „Was erwartest du von deiner Tochter?“ Ihr Gatte grollte tief in seiner Brust. Doch sie fuhr einfach fort: „Tapheira ist dir einfach zu ähnlich. Ich glaube nicht, dass du auf diese Weise etwas bei ihr erreichst.“ „Und wie soll ich bitteschön etwas bei ihr erreichen?“ Ulfric stemmte sich hoch und saß nun mit dem Rücken angelehnt im Bett. Das Laken lag nur mehr behelfsmäßig über seinen Beinen, wovon er eines aufgestellt hatte und seinen Arm

darauf aufstützte. „Du kennst die politische Lage und wie wichtig diese Verbindung mit Hochfels wäre!“ Aquirana, die nun weder das Laken, noch die warme Umarmung ihres Gatten hatte, griff nach ihrem Nachtkleid und zog es sich über. Die Nächte waren ihrer Meinung nach immer noch viel zu kühl. Nicht nur heute Abend. Dabei beobachtete sie ihren Gemahl, der ärgerlich vor sich hinstarrte und hin und wieder mit seiner Hand über sein blondes Haar fuhr, das ihm nach ihren Aktivitäten wirr vom Kopf abstand. Wie er so dasaß, die breite Brust entblößt und um ein Haar auch seine unteren Regionen, wurde Aquirana wieder heiß,

doch nun galt es ein wenig auf Ulfric einzuwirken. Ihre Begierde, die sie niemals bei sich zu finden geglaubt hatte, musste ein wenig warten. Zärtlich strich sie ihm über seinen Oberarm. „Es gibt vielleicht andere Möglichkeiten einer zweckdienlichen Allianz, mein störrischer Gemahl!“ Ulfric schnaubte ungehalten. „Sieh mal“, fuhr Aquirana fort. „Ich kenne Isildors Sohn ebenfalls und er ist wirklich ein… nun ja… ein…“ „Kotzbrocken! Er ist ein Kotzbrocken! Sprich es ruhig aus!“, grollte Ulfric. „Aber Taph muss ihn ja nicht lieben! Sie muss ihn nur heiraten!“ „So wie du mich?“, fragte Aquirana und

hauchte einen Kuss auf Ulfrics Arm, sodass sich seine kleinen Härchen aufstellten. Sie wusste, dass sie ihren geliebten Gemahl damit hatte! Ulfric begann auch unbehaglich seine Schultern hochzuziehen. „Das… das ist etwas völlig anderes gewesen!“, verteidigte er sich schließlich. „Außerdem war ich doch kein Ekel!“ Unsicher blickte er auf seine Frau, die sich ein leises Lachen nicht verbeißen konnte. Schließlich stöhnte Ulfric auf und legte seinen Kopf in seine Hand. „Schon gut!“, ächzte er. „Du hast ja Recht! Es hätte auch zwischen uns ganz anders kommen können. Ich hätte wirklich ein Kotzbrocken sein können

und du eine verspannte, dümmliche Jungfer!“ Jetzt lachte Aquirana hellauf. „Wir wurden eben eines Besseren belehrt“, sagte sie und fuhr Ulfric über seine Bartstoppeln, was ihn ihre Finger einfangen, und an seine Lippen führen ließ. „Wir wussten nicht was uns erwartete. Doch bei Isildors Sohn weiß man bereits, was er ist. Das ist doch nicht fair! Außerdem, Taph sagte, und ich glaube ihr jedes Wort davon, dass sie ihm eher die … äh …“ Aquirana fiel es immer noch schwer ihre gute Erziehung zu vergessen. „…na, du weißt schon was … abschneiden würde… bevor er sie auch nur einmal berühren könnte.“ „Seine ‚Hoden‘?“, fragte Ulfric. Dann

begann er haltlos zu lachen. Tief und melodiös klang seine Stimme. „Ja, sein Gemächt!“, bestätigte Aquirana. „Sie würde ihn kastrieren. So drückte Taph es jedenfalls aus. Aber dann hätten wir den nächsten Krieg, anstatt die nächsten Verbündeten!“, warf sie ein, als Ulfric sich ein wenig beruhigt hatte. „Warten wir doch ab, was Vater dazu sagt! Er ist wirklich ein Meister der Verhandlungen. Vielleicht hat er noch andere Vorschläge?“ Ulfric hatte sich ein wenig entspannt. „Wir werden sehen“, räumte er ein und führte erneut Aquiranas Hand an seine Lippen. „Dennoch war Tapheiras Benehmen ungebührlich. Wir Nord haben

sowieso schon den Ruf ein Haufen Barbaren zu sein. Und ausgerechnet meine Tochter muss dieses Vorurteil noch bestärken!“ Aquirana lehnte sich vor, um Ulfrics Halsbeuge mit einem Kuss zu reizen. „Sie ist eben deine Tochter. Eine echte Nord, die für ihre Prinzipien einsteht.“ Ulfric war nur mehr halb bei der Sache. Noch dazu, als Aquiranas Nachtkleid bei dieser Aktion über eine ihrer Schultern glitt. „Hmm“, brummte er, während er ihr Kleid weiter hinab zog. „Warum hast du dich überhaupt angezogen?“, grummelte er ein wenig enttäuscht. „Damit du mich wieder ausziehen kannst?“, neckte Aquirana keck und sah

zu, wie das Laken nun endgültig von Ulfrics Beinen glitt. Seine neuerliche Absicht war an seiner Erektion deutlich zu erkennen. „Du machst mich noch verrückt, mein angetrautes Eheweib“, knurrte Ulfric, während er Aquirana das Kleid auszog, was sie nur allzu willig geschehen ließ. „Und du bist raffiniert. Glaube nicht, ich hätte deine Absicht nicht durchschaut!“ Verlangend zog er seine Frau an sich und küsste sie. Nach einer schier atemberaubenden Ewigkeit ließ er sie los. „Habe ich mein Ziel wenigstens erreicht?“, fragte sie neckisch, während sich ihre vorwitzige Hand mit sicherem Griff um sein

erigiertes Glied schloss. „Mich erneut zu verführen?“, stichelte Ulfric. „Mmmm“, stöhnte er auf, als Aquiranas Hand immer frecher wurde. „Das… ist dir … auf jeden Fall geglückt!“ Erneut küsste er seine Gemahlin und fuhr ihr nun seinerseits zwischen ihre Schenkel. „Oder meintest du die Sache mit Taph?“ Aquirana konnte nicht mehr antworten. Sie lehnte sich in Ulfrics Berührungen, bis sie es nicht mehr aushielt und sich rittlings auf seinen Schoß setzte. Jetzt war es an ihm, sich voller Begierde ihrem Körper entgegen zu drängen. „Egal“, keuchte er, während Aquirana sein Glied in ihren bereiten Schoß eindringen ließ. „Ich

werde … es mir… überlegen!“ Aquirana lächelte siegesgewiss als Antwort, dann schrie sie leise auf, als Ulfric sie packte und anfing nun seinerseits das Tempo zu bestimmen. Außerdem hatte sie sowieso hinter seinem Rücken die Dinge bereits selbst in die Hand genommen und war sich ziemlich sicher, mit ihrem Brief etwas bewirken zu können. *** Meister Arngeir schnaubte voller Empörung. Das war jetzt schon der dritte Bote aus königlichem Hause, der das ehrwürdige Kloster von Hoch-Hrothgar

bestürmte. Beim ersten Boten hatte er noch ein Auge zugedrückt und zugelassen, dass dieser eine seiner Schülerinnen abholte. Beim zweiten Boten, der eigentlich kein richtiger Bote war, aber auch nicht weiter die Lehre der Stimme gehen wollte, war er schon sehr erzürnt gewesen und verbot sich jegliche weitere Belästigung. Den Brief, den die Person für das Drachenblut, den Bezwinger Alduins, hinterlegen wollte, hatte er dennoch entgegengenommen. Doch nun reichte es ihm endgültig. Das war ein Kloster! Ein Hort der Einkehr und inneren Besinnlichkeit! Ein Ort des Lernens und Lehrens ausgesuchter Schüler! Die Kunst des Thu’um war ein

Studium auf Lebenszeit! Nur die allerbesten konnten damit rechnen, nach ihrem Studium, selbst in den Orden aufgenommen zu werden, um als Meister der Stimme weitere Novizen zu lehren! Knarrend bewegte sich das schwere Tor in den Angeln und schickte sich an, den unglücklichen Boten endgültig auszusperren. Meister Arngeir vergewisserte sich ob der Mann noch aufstehen konnte, nachdem er ihm, im Anflug seines Ärgers, mit dem Schrei der Macht die vereisten Treppenstufen zurückgeschleudert hatte. Hier oben in Hoch-Hrothgar lag selbst im Sommer noch Schnee. Doch der Bote rappelte sich wieder auf und putzte sich die

weißen Flocken von der Kleidung. Es schien alles mit ihm in Ordnung zu sein, somit knallte der Meister der Graubärte endgültig das Tor zu und drehte sich um, um sich wieder seinen Studien zu widmen, als er den Brief sah, den er immer noch in der Hand hielt. Mit einem weiteren Schrei, der die ehrwürdigen Mauern erzittern und die Novizen ängstlich ihr Morgenmahl festhalten ließen, so sehr begannen die Teller auf dem Tisch zu hüpfen, öffnete Arngeir erneut die Pforten des ehrwürdigen, stillen Klosters der Einkehr und warf den Brief hinter dem Boten her, der sich bereits halb umgedreht hatte. „Und das Schreiben nehmt gefälligst mit

Euch mit! Ich hoffe, Ihr seid der Letzte der es wagt, wegen solcher Bagatellen unsere Ruhe zu stören! Es gibt keine Ausnahmen mehr. Auch nicht für den Hochkönig und seinen Hofstaat!“ Erneut krachte das Tor in das Schloss. Doch Arngeir hatte diesmal wirklich das Gefühl endlich einen Endpunkt unter all das hin und her gesetzt zu haben, das Galen Drachenblut, und nicht zu vergessen Ulfrics talentierte Tochter, hier veranstaltet hatten. Zuerst hatte er noch tiefstes Verständnis, als Galen nach seinem Sieg über Alduin zu ihnen zurückkam. Paarthurnax, der Hochmeister der Graubärte, ein alter Drache, der es sich zur Aufgabe gemacht

hatte den Thu’um, die Magie der Drachenschreie, an würdige Sterbliche weiterzugeben, hatte höchstpersönlich auf Galens Rückkehr gewartet und ihm als Belohnung sogar das Geheimnis des Lebens selbst anvertraut, das Arngeir erst nach einem weiteren Studium von mehreren Jahren zuerkannt bekommen würde. Doch das war völlig in Ordnung für den Meister der Graubärte, der in seinem Kloster Hoch-Hrothgar zwar ein strenges, aber gerechtes Regiment führte. Galen, als das prophezeite Drachenblut, hatte ein Talent für die Sprache und die Magie der Drachenworte, die selbst Arngeir nach über fünfzig Jahren des intensiven Studiums noch nicht sein

eigen nennen konnte. Der Bursche war zwar absolut nicht der ernsthafteste Schüler gewesen, aber er unterzog sich mit Bravour allen Prüfungen und Aufgaben, die er zur Perfektion seiner Aufgabe eben meistern musste. Seine lockere Art sorgte schon damals, in der Zeit, als er noch selbst ein Novize hier war, für so manche Undiszipliniertheit unter den Anwärtern. Erst als Arngeir ein ernstes Wort mit ihm sprach, gelobte Galen, dass er sich bessern würde. Und dann kam Ulfrics Tochter zu ihnen. Ebenfalls ein großes Talent, aber ohne jeglichen Ernst was die Magie und die innere Einkehr und Stille betraf, welche mit dem Studium der

Worte einherzugehen pflegte. Galen war wirklich ruhiger geworden, doch dass dies nicht unbedingt mit seinem Versprechen zusammenhing, sondern mehr an der Anwesenheit von Ulfrics Tochter, bemerkte Arngeir nicht. Er war viel zu sehr mit seinen Studien und der Ausbildung der Novizen beschäftigt, als dass es ihm in nur irgendeiner Weise aufgefallen wäre, dass Galen Drachenblut, der bereits die letzten Prüfungen und Worte zu lernen hatte, und die junge Frau, sich dabei wohl sehr nahe gekommen waren. Er merkte es erst, als Galen nach seiner letzten Auseinandersetzung gegen Alduin erfolgreich zurückkehrte und nach dem

Besuch bei Paarthurnax, dem Hochmeister ihres Ordens, sich sogleich nach Tapheira erkundigte. Doch die junge Frau wurde nur wenige Tage vor seiner Wiederkehr von eben besagtem ersten Boten des Hochkönigs abgeholt, um bei den Hochzeitsfeierlichkeiten ihres Vaters in Windhelm anwesend zu sein. Da ihm jegliche Bekanntgabe über Tapheiras Zugehörigkeit zum Königshaus von Himmelsrand untersagt worden war und Arngeir sowieso ein Geheimniskrämer erster Güte war, konnte er Galen nur von ihrer Abwesenheit unterrichten. Er erklärte dem Drachenblut, dass er einfach nicht

wusste, warum die junge Dame so eilig das Kloster verlassen musste und wohin sie gegangen war. Damals wie gesagt, hatte er sich noch dazu hinreißen lassen, einen Brief Galens aufzubewahren, den er für Tapheira zurückgelassen hatte, als er – zu Arngeirs Leidweisen – Hoch-Hrothgar wieder verlassen hatte. Doch das Drachenblut wollte unbedingt seine Familie aufsuchen, die er seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der alte Meister des Thu’ums dagegen hatte fest damit gerechnet, dass Galen, als der Beste in der Kunst der Drachenschreie, sich ihrem Orden anschließen würde, um schließlich irgendwann das Erbe Paarthurnax, des Hochmeisters der

Graubärte, zu übernehmen. Arngeir war sich sicher gewesen, dass er nur darum das Geheimnis des Lebens anvertraut bekommen hatte. Doch Paarthurnax hatte ihn eines Besseren belehrt und der unstete Galen zog wieder seines Weges. Zurück blieb nur der Brief, den er Ulfrics Tochter, die tatsächlich wieder kam, aushändigte. Die junge Frau war völlig aufgelöst, als sie las, dass sie Galen nur um ein paar Tage verpasst hatte. Und auch darüber, dass Arngeir Galen nichts über ihren Verbleib mitgeteilt hatte. Arngeir versuchte sie zu trösten und sie wieder in die Gemeinschaft der Novizen aufzunehmen, doch auch Tapheira wollte nicht bleiben.

Hochkönig Ulfric Sturmmantel brauchte seine Tochter nun mehr denn je für seine Staatsgeschäfte. So überreichte sie Arngeir stattdessen eine Nachricht, die er für Galen aufbewahren sollte, wenn dieser nach seiner Reise in sein Heimatland, erneut nach Hoch-Hrothgar zurückkehren würde. Sie war in Arngeirs Augen somit der zweite Bote gewesen, der einfach nur nach Hoch-Hrothgar kam, um eine Nachricht zu hinterlassen, anstatt sich vollkommen der Ernsthaftigkeit des Studiums hinzugeben. Arngeir schnaubte nochmals voller Entrüstung. Damals war er noch so weich gewesen und hatte sich dazu bereit erklärt. Auch wenn es ihn ein wenig

seltsam anrührte, dass das ehrwürdige Kloster der inneren Einkehr und der ernsthaften Lehre der magischen Worte, zu einem Hort der Liebesbeweise und verpasster Treffen Liebender geworden war. Das war jetzt schon einige Monate her, doch seither hatte sich das Drachenblut nicht mehr bei ihnen blicken lassen. Dafür aber erneut ein Bote, ein Soldat in voller Rüstung, dem man schon von weitem ansah, dass er für die Tiefe der Erkenntnis der magischen Worte keinen Sinn hegte. Stattdessen wedelte er ungeniert mit einem Brief vor Meister Arngeirs Nase! Diesmal angeblich von der Hochkönigin persönlich. Da war es

doch wirklich nur recht und billig, dass selbst dem Stoischsten und Erhabensten der Graubärte der Kragen platzte und er einen Schrei gebrauchte, um dem geheiligten Kloster des Thu’um endlich wieder seine Ehrwürdigkeit zurück zu geben. Am liebsten würde er auch Tapheiras Nachricht, die immer noch auf Galen in irgendeinem Eck des Klosters harrte, mit einem genussvollen ‚YOL‘ beseitigen. Aber er hatte sein Wort gegeben und das würde er halten. Doch er würde keine weiteren Briefe oder Boten mehr zulassen, die den Frieden hier stören könnten. Das war ein für alle Mal zu Ende. Aufatmend rückte Arngeir seine Robe

zurecht und wandte sich dem Speisesaal zu, um ebenfalls sein Morgenmahl einzunehmen. Danach würde er sich weiter den Studien widmen und der Stille, welche allein schon die Abgeschiedenheit des Klosters mit sich brachte. Der Bote, der niemand geringerer als ein hochrangiger Soldat der Sturmmanteltruppen war, stapfte fluchend die Treppen hoch und schnappte sich den Brief. „Das wirst du mir büßen, Ralof!“, knurrte er. „Da hetzt man tausende von Stufen bergauf, nur um wie ein Hausierer vor die Tür gesetzt zu werden?“ Bradof der Große knirschte mit

den Zähnen. „Von wegen, du bist nicht abkömmlich! Eigentlich hättest du den Brief diesem ‚Drachenblut‘ zukommen lassen sollen, aber wieder einmal hast du dich daraus herausgewunden!“ Bradof putzte sich nochmals den Schnee von seiner Rüstung und stopfte den inzwischen nass gewordenen Brief mit dem königlichen Siegel in seinen Beutel. Er sah schon ziemlich mitgenommen aus, doch das kümmerte ihn wenig. Viel mehr kümmerte es ihn, dass er jetzt all diese Stufen wieder herunterlaufen musste. Und das alles nur, weil er in Ralofs Schuld stand und sich von ihm breitschlagen ließ, dafür den Boten zu spielen, weil es angeblich ziemlich

dringend war, und weil er selbst, wie auch alle anderen auf Ulfrics Hof, das Drachenblut hier vermutet hatte. Er hatte zwar gehört, von irgendeinem betrunkenen Kerl in der Taverne von Windhelm, dass das Drachenblut wieder in Himmelsrand, bei den Gefährten, gesehen worden sein sollte. Doch Bradof glaubte nicht daran. Er erinnerte sich an einen Zwischenfall vor mehr als einer Woche, als er in der Nähe von Weißlauf war und Thorald, seinem alten Kriegskammeraden, einen Besuch abstatten wollte. Nach dem Bürgerkrieg war Thorald Grau-Mähne wieder in seine Heimatstadt Weißlauf zurückgekehrt, um sich den Gefährten anzuschließen. Doch

anstelle seines Kameraden oder anderer, grimmiger, kampferprobter Krieger, kam ihm in Jorrvaskr, der angeblich bestausgebildetsten Kriegertruppe Himmelsrands, nur eine Frau mit einem Säugling im Arm entgegen, während eine hübsche Nord mit einem seltsamen Tuch um den Kopf und einem kleinen Mädchen an der Hand, an ihm vorüber lief. Von seinem einstigen Kameraden war nichts zu sehen und man sagte ihm nur, dass Thorald gerade einen Auftrag erledigen würde. Bradof sollte doch so nett sein und am nächsten Tag wieder vorbei schauen. Bei so viel Lieblichkeit hätte er das zwar gerne getan, aber er musste wieder zurück nach

Windhelm. Bradof fragte sich gerade, woher es kam, dass über Jorrvaskr und diese Kriegergilde so hohe Töne gespuckt wurden. Das was er dort zu sehen bekommen hatte, waren keine kampferprobten Nord gewesen, sondern junge Frauen mit Säuglingen und Kindern auf den Armen. Und einen finsteren Dunkelelfen, der fluchend hinter ein paar Hühnern herrannte, die laut gackernd die Treppen vor dem Eingang zur Met-Halle, mit ihrem Kot verunzierten, gab es auch. Sah so das neue Training aus? Wenn ja, dann lobte er sich die traditionsbewussten Sturmmäntel. Selbst Ralofs Schinderei

war noch besser, als das beinahe schon beschauliche Leben, das ihm hier aufgefallen war. Thorald, sein beinharter Kriegskumpan konnte doch niemals hier seine Erfüllung gefunden haben? Und dass das Drachenblut hier ebenfalls untergekommen sein sollte, konnte seiner Meinung nach nie und nimmer der Fall sein. In seinen Augen war der Bezwinger Alduins ein Held, selbst wenn er den Ruf eines unsteten Vagabunden und Possenreißers innehatte. Aber was würde ihm anderes übrig bleiben, als zu den Gefährten zu gehen? Er hatte die Order den Brief dem Drachenblut höchstpersönlich auszuhändigen. Seine erste Wahl war auf

Hoch-Hrothgar gefallen, was sich aber als Trugschluss erwiesen hatte. Der Meister der Graubärte hatte ihn gar nicht ausreden lassen. Sobald er nach Galen gefragt und mit dem Brief in der Hand gewedelt hatte, war der Alte einfach ausgerastet, hatte ihm das Schreiben aus der Hand gerissen und ihn wie einen Haufen Dreck von den Treppen gefegt. Dabei wollte Bradof den Brief gar nicht in Hoch-Hrothgar deponieren! Na, wenigstens hatte er nochmals die Chance Thorald zu treffen. Oder die hübschen Frauen dort. Diese beiden hatten zwar Kinder, aber vielleicht gab es noch mehr dieser Schönheiten in Jorrvaskr? Wenigstens diese Aussicht versüßte ihm

die vielen Treppen, die er jetzt wieder herablaufen konnte. Zum Glück kannte Bradof eine Abkürzung, die er auch schon auf dem Weg hinauf benutzt hatte. Diese würde ihn erneut eine Zeitersparnis von zwei Stunden bringen, auch wenn die restliche Zeit eine einzige Schinderei werden würde. *** Das Feuer der Fackeln an den Wänden bewegte sich leise im Luftzug. Farkas spürte kurz nach, dann befahl er Thorald, Athis und Evva ebenfalls den Gang zu nehmen, in den Galen mit seinen beiden Begleitern bereits abgebogen war. „Ich

bin mir sicher, dass die Schlafunterkünfte dort unten liegen. Seid vorsichtig und lasst keinen entkommen!“, leitete er sie an, während er sich aufmachte mit Ria und Herion in den anderen Gang hinein zu gehen. Farkas dürfte Recht behalten, denn sie kamen in eine wirklich ausladende Höhle. Ein Huschen und seltsames Knarren und Klacken war zu hören, kurz bevor sie aus dem Gang in die Höhle eintraten. Der Anblick, der sich ihnen bot, war wenig einladend. Gleich zu Anfang, rechts von ihnen, standen zwei Stahlkäfige, in denen ein Mann und eine Frau lethargisch hockten. Man konnte ihnen die Zeichen des beginnenden

Vampirismus bereits deutlich ansehen. Sie waren wohl auserkoren worden, in den Vampirclan aufgenommen zu werden, sobald ihre Verwandlung abgeschlossen war. Farkas konnte sehen, wie sich Ria vor Entsetzen schüttelte. Des Weiteren gab es hölzerne Tische in dieser schauerlichen Höhle, auf denen die ausgesaugten Leichen derer lagen, die von den Vampiren wohl nicht dazu ausersehen worden waren, ihren Clan weiter aufzuwerten. Scheinbar handelte es sich bei den beiden Männern und der Elfe, die auf den Tischen lagen, um das letzte Abendmahl des Vampirclans, welches sie einfach noch nicht beseitigt hatten. Wie eine Mahnung bewegte sich

auch noch der Arm der Elfe, der über die Tischkante herunterhing und deren Handgelenk völlig aufgebissen war, als hätte sich bis vor kurzem noch jemand daran gütlich getan. Mit einem raschen Blick nahm Farkas alles in der großen Höhle in sich auf. Es roch nach Blut und Fäkalien, was ihn leidvoll die Nase rümpfen ließ, aber endlich auch nach den Vampiren selbst. Am Ende dieser Kaverne gab es vier Türen, die auf weitere Kammern oder Gänge schließen ließen. Doch zuerst würden sie sich um die beiden Individuen kümmern, die noch lebend in den Käfigen vor ihnen saßen. Als der Mann, der in edle Gewänder

gehüllt war, ihrer ansichtig wurde, warf er sich gepeinigt gegen die Gitterstäbe. Seine Verwandlung war beinahe schon abgeschlossen, dennoch bat er sie, ihn zu töten. Er wollte nicht seine Herkunft und Menschlichkeit vergessen und für jegliche Heilung sei es bereits zu spät. „Sei still, du Jammerlappen!“, fuhr da die Frau im Käfig neben ihm auf. „Unsere Zeit ist bald gekommen und ihr Blut wird uns endgültig zu Angehörigen des Clans machen. Wir werden unsterblich werden!“ Der Mann stöhnte. Er kämpfte immer noch gegen den Drang des infizierten Blutes in ihm. Die Frau dagegen hatte sich dem bereits völlig ergeben. Sie

leckte sich über die Lippen, als wären Farkas, Ria und Herion bereits ihre Beute. Jeglicher Realismus war aus ihr gewichen. Farkas ließ sich nicht länger aufhalten. Stumm bedeutete er Herion, sich der Sache anzunehmen. Der Soldat zögerte keinen Augenblick und erledigte die beiden aus dem Handgelenk heraus. Er hatte ohne Frage die beste Ausbildung erhalten, die es in Cyrodiil wohl gab. Danach riss er den eisernen Schlüsselbund, der an einem Pfeiler vor den Käfigen hing herab, sperrte die Türen auf und köpfte die beiden, damit keine unliebsamen Überraschungen – wie eine mögliche Wiederauferstehung – auf

sie warten würden. Farkas lächelte zufrieden, während er weiterhastete. Dieser Bereich dürfte wirklich nur der Nahrungsaufnahme und der Aufzucht weiterer, würdiger Clanmitglieder gegolten haben. Seiner Meinung nach würden sie hier kaum mehr auf Vampire treffen. Umso schneller wollte er diese Höhle hinter sich bringen. „Warum waren die beiden in Käfigen?“, hörte er Rias Stimme, die neben ihm weiter in die hinteren Bereiche dieser Höhle, auf die vier Türen, zulief. „Wahrscheinlich damit sie nicht fliehen können, bevor die Verwandlung vervollständigt ist“, antwortete Farkas,

während er die nächsten Türen aufriss, bei denen sie schließlich angekommen waren. Dahinter gab es aber nichts, außer ein paar Möbeln, Gewänder und anderer unwichtiger Utensilien. Wahrscheinlich Besitztümer der verwandelten Menschen und Mer. „Du hast ja gesehen, wie der Mann sich dagegen wehrte“, sprach Farkas weiter. „Er hätte ihren Unterschlupf sicherlich verraten, wenn er gekonnt hätte.“ „Natürlich!“ Ria klopfte sich gegen die Stirn. Mit forschem Schritt näherte sie sich der nächsten Türe, vor der links und rechts stark duftende Amphoren standen. Sie wunderte sich noch, warum Vampire so viel Wert auf kostbare Öle aus

Cyrodiil legten, öffnete aber inzwischen die Türe, während Herion wieder zu ihr aufgeschlossen hatte. Farkas dagegen hastete zur letzten Tür dieser Höhle weiter. Ria hätte diese Tür, die sie soeben geöffnet hatte, am liebsten sofort wieder zugeschlagen. Ein fürchterlicher Geruch schlug ihr entgegen, den sie davor schon zwischen all den Duftölen aufgeschnappt hatte, aber nicht so recht wusste, wie sie ihn einordnen sollte. Jetzt wusste sie es. Das was hinter dieser Pforte lag, war wohl die Totenkammer. Hier stapelten sich die Leichen derer, die als simple Nahrung für die Vampire gedient hatten. Die Leichen, die auf den Tischen lagen,

wären wohl ebenfalls demnächst in diesen Raum gebracht worden. „Deshalb lagern vor dieser Tür die teuren Duftamphoren!“, stöhnte Herion, der sich angewidert eine Hand vor Nase und Mund hielt. „Komm, hier lebt eindeutig nichts mehr!“ Damit wollte er sich wieder abwenden, doch Ria sträubten sich die Nackenhaare. Bevor sie noch irgendetwas sagen konnte, reagierte ihr Wolfsgeist und die Bestie in ihr übernahm die Vorherrschaft. Keine Sekunde zu früh, denn unter den Leichen hatten sich die Vampire versteckt, die sich noch bis vor kurzem am Blut der Leichen auf dem Tisch gelabt hatten und von denen sie das

Huschen und Knarren gehört hatten, als sie die große Höhle betraten. Mit einem Zischen fuhr ein großer, geifernder Vampir hervor und warf sich auf Herion, der sofort reagierte und ihn mit seinem Schild abwehrte, das er ihm gegen den Schädel schmetterte. Doch der Vampir war kein Neuling mehr. Seine Kräfte hatten sich schon verstärkt. So steckte er den Schlag mit einem einfachen Schütteln des Kopfes weg und sprang erneut auf den Soldaten zu, der inzwischen aber Zeit gefunden hatte sein Schwert zu umfassen und einen festen Stand zu bekommen. Auf diese Weise erwartete er den nächsten Angriff, den er trotz des machvollen Aufpralls des

Vampirs gegen seinen Schild abwehren und ihn sogar mit seinem Schwert einen Hieb verpassen konnte. Sofort sprang Herion nach und schlug dem noch leicht benommenen Vampir den Kopf von den Schultern. Ria dagegen fühlte sich noch fremd in ihrer Wolfsgestalt. Ihre Bewegungen waren ungelenk und einem der Vampire gelang es sogar sie zu beißen, bevor sie ihn mit einem Prankenschlag von sich schleudern konnte. Das Koordinieren ihrer Bewegungen war für sie immer noch beschwerlich, so schaffte es ein weiterer Blutsauger, ihr einen Biss zuzufügen, bevor Ria die Kontrolle aufgab und ihrem Wolfsgeist das Ruder

überließ. Das war der Zeitpunkt, an dem die Vampire nichts mehr zu lachen hatten. Drei der Biester wandten sich gleichzeitig gegen Ria. Doch der Werwolf machte kurzen Prozess mit ihnen. Ria bekam davon nicht allzu viel mit. Sie erlebte es mehr wie einen Blutrausch, der sich ihrer bemächtigte. Im Nachhinein konnte sie nicht mehr sagen wie viele Vampire sie getötet hatte. Sie biss und schlug um sich und bekam das Gefühl, als würde sie tausende von Insekten vernichten, die sich immer wieder an ihr zu schaffen machen wollten. Von einem bekam sie sogar sein bebendes Herz in die Pranke,

das sie zwischen ihren Klauen einfach zermalmte. Herion hatte gerade das Haupt seines Gegners vom Rumpf getrennt, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung sah. Als er den Kopf hob, konnte er aber nur mehr huschende Schatten erkennen, die bereits aus der Höhle hinausliefen. Sein Kämpferinstinkt schrie alarmiert auf und mit einem schnellen Blick auf Ria, die ohne Anstrengung die restlichen Vampire fertig machte, sprintete er hinter den Schatten her. Farkas hatte gerade die vierte Tür geöffnet, als der Tumult hinter ihm losbrach. Er sah noch wie Ria sich verwandelte, und wie Herion sich tapfer

gegen einen Vampir schlug. Sofort wollte er ihnen zu Hilfe eilen, doch ein bestimmter Geruch, der ihm aus der einen Spalt breit geöffneten Türe herüberwehte, ließ ihn mitten in der Bewegung gefrieren. Sofort setzte auch bei Fakras die Verwandlung ein und mit einem schaurigen Heulen stieß er die Tür auf und stürzte hindurch. Dahinter lag das Labor des Clans, das mit einigen Tischen, Regalen und seltsamen Apparaturen ausgestattet war. Doch das war es nicht, was Farkas Werwolf sofort auf den Plan gerufen hatte. Sondern die Vampire, die darin einige Versuche mit einem, auf einem der Tische sich windenden, Bosmer

anstellten. So wie es aussah, dürfte der Elf noch nicht gebissen worden sein. Doch einer der Vampire hatte ihm gerade eine Trank eingeflößt, während ein anderer dabei war, einen verzauberten Runendolch über die nackte Brust des Mannes zu ziehen. Die tiefen Einschnitte bluteten kaum, was wohl von den Blutsaugern mit Interesse verfolgt wurde. Der Elf, der von einem dritten Vampir dabei niedergehalten wurde, stöhnte. Zu mehr war er nicht fähig, da ihm der Mund nach dem Schlucken des Trankes sofort wieder zugehalten wurde. Und so grässlich diese Szene für Farkas auch aussah, der Vampir, den er an einem der hinteren

Tische mit schwarzen Seelensteinen herumhantieren sah, war der eigentliche Grund, warum sich Farkas sofort verwandelt hatte. Movarth! Hier in diesem Raum stand doch tatsächlich Movarth und experimentierte an einigen weiteren Schutzzaubern. Mit einem furchteinflößenden Heulen wollte Farkas auf den Ur-Vampir zuspringen, als sich dieser bereits umdrehte und mit einem erstaunten Ausdruck auf den Werwolf blickte. Movarths Irritation dauerte nur kurz. Sofort warf er einen Schockzauber, der Farkas durch die Tür zurück in die Höhle schleuderte. Dann webte er seinen

Teleportzauber und verschwand. Die drei Vampire, die an dem Bosmer experimentiert hatten, ließen diesen sofort los um sich auf den Werwolf zu stürzen. Doch Farkas war nicht mehr an derselben Stelle. Farkas kannte Movarths Tricks und seine Teleportmagie. So schnell er konnte sprintete er los, durch die große Höhle hindurch und in den Gang hinein, welcher zu den Schlafunterkünften führte. Trotz seiner mächtigen Sprünge dauerte das Farkas viel zu lange. Noch dazu verstellten ihm in der dortigen Höhle, vor den Kammern, die kämpfenden Werwölfe Evva und Thorald den Weg, die sich gerade mit einem

ganzes Nest von Vampiren schlugen, während von Athis nichts zu sehen war. Ein paar kopflose Blutsauger pflasterten bereits den Boden und auch einige verrenkte Leichen, die ein klaffendes Loch in der Brust aufwiesen. Evva und Thorald hatten bereits erfolgreich um sich geschlagen, doch die schiere Vielzahl an Vampiren, schien auch sie schön langsam aufzureiben. Farkas tat das leid, doch er konnte ihnen im Moment nicht helfen. Er musste Movarth endlich stellen, den kleinen Varis retten, und diesen Wahnsinn ein für alle Mal beenden. Zumindest schlug er eine verheerende Schneise unter den Vampiren, als er sich durch das

Getümmel kämpfte, um zur hintersten Kammer zu gelangen, aus der verzweifelte Rufe und Kampfgeräusche zu hören waren.

35 die schlacht



Ria, die als Werwolf ihre ersten Gegner fertig gemacht und sich gerade zurückverwandelt hatte, blickte verwundert hinter Farkas mächtiger Werwolf-Form her, der mit schauerlichem Heulen soeben aus der großen Höhle gespurtet war. „Was ist da nur los?“, fragte sie sich und kam sich ein wenig zurückgelassen vor. Herion hatte schon vor Farkas die Höhle verlassen, um den beiden Vampiren nachzujagen, die ihnen entkommen waren, da lief jetzt auch Farkas davon.

„Und ich bin dann wohl nur für die Restarbeit gut!“, grummelte sie und schickte sich an die Leichen zu untersuchen, ob diese auch wirklich tot waren. Sprich: entweder ohne Kopf oder mit herausgerissenem Herzen. Ein wenig unzufrieden beugte sie sich gerade über einen der toten Blutsauger, als ein ungutes Gefühl sofort ihren Werwolf wieder heraufbeschwor. So schnell sie konnte drehte sie sich mit drohendem Knurren um und sah gerade noch, wie drei dieser geifernden Blutsauger aus dem Raum traten, den Farkas so fluchtartig verlassen hatte. Lange konnte sie sich nicht wundern

warum Farkas herausgestürmt war, ohne die drei zu erledigen, da stürzten sich die Vampire auch schon auf sie. Ria bekam selbst als Werwolf ihre liebe Not mit den Blutsaugern. Sie schienen zu den älteren Vampiren zu gehören, denn ihre Kraft und ihre Ausdauer war den anderen, die Ria bereits besiegt hatte, weit überlegen. Ria ließ wieder ihrem Werwolf die Kontrolle über, da ihr die Koordination immer noch zu schaffen machte. Das Dumme daran war nur, dass der Wolf ohne ihre Führung einfach blindwütig um sich biss und schlug. Die erfahreneren Vampire hatten das schnell herausgefunden und als Ria einem von ihnen endlich die Kehle durchgebissen

hatte, riss sie ein anderer zurück. Noch im Herumdrehen zerfetzte sie ihm die Brust mitsamt seinem Herzen, was ihn sofort tötete. Doch der Dritte nutzte die Gelegenheit und stieß ihr seinen Dolch in der Höhe ihres Herzens in den Rücken. Ein normaler Mann hätte das nicht zu Stande gebracht. Aber die Kraft eines Vampirs konnte aus solcher Nähe die dicke Haut eines Werwolfs durchstoßen. Ria spürte wie der Schmerz sie bis in die Fingerspitzen durchfuhr und ihr sogar die Luft wegblieb. Sie röchelte und drehte sich so schnell sie konnte um. Aber es war zu langsam. Ihr Wolf wollte gerade wieder zubeißen, da stieß der Vampir erneut mit der Klinge zu.

Diesmal direkt in die Brust. Ria konnte nicht einmal schreien. Sie sah noch wie sie sich zurück verwandelte und mit beiden Händen nach dem Dolch griff, der nun direkt in ihrem Herzen steckte. „Thorald!“, ächzte sie, bevor sie zusammenbrach. Dabei blickte sie in das geifernde Antlitz des Vampirs, der sich sofort auf sie stürzte und in ihre Halsschlagader biss. Ria wunderte sich, dass sie keinen Schmerz mehr spürte. Nur mehr Trauer, Thorald nicht noch ein letztes Mal sehen zu können. Sie fühlte auch nicht mehr wie das Blut aus ihrem Körper herausgesaugt wurde. Nur mehr ihr Herz konnte sie wahrnehmen, das wie ein verletzter Vogel zu zucken begann,

bevor es seine Arbeit endgültig einstellte. Im anderen Teil der Vampirhöhle hatte Athis in der Zwischenzeit Thorald und Evva mit gezogenem Schwert in den Gang geführt, in dem Galen mit seinen Männern verschwunden war. Sie kamen in eine Höhle, die beinahe wie eine längliche Halle aussah und an deren Wand Kästen und Regale standen. Es waren wertvolle Möbelstücke, die ein wenig fehl am Platz wirkten. Auch ein Tisch mit Sesseln befand sich zwischen zwei ausladenden Schränken, auf dem Teller mit Käse, Brot und Trockenfleisch, sowie einige Trinkgläser

standen. Das war wohl die Mahlzeit der menschlichen Sklaven gewesen, die hier ebenfalls irgendwo schliefen. Von dieser länglichen Höhle aus gingen mehrere Türen in weitere Kammern ab, die alle verschlossen waren. Am Ende des Raumes sah Athis zwei Eingänge, wovon bei einem die Tür ein wenig offenstand. Offensichtlich war das der Raum, in dem Galen seine Schwester gefunden hatte, denn Hanas Schreie hatten aufgehört. Der Dunkelelf bedeutete seinen Begleitern sich die Kammern einzeln vorzunehmen und machte gleich bei der vordersten Tür den Anfang. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Thorald sowie auch Evva sich verwandelten, als sie in

die Kammern eintraten. Sie waren wohl wirklich sofort auf Vampire gestoßen. Weiter konnte sich Athis nicht mit seinen Begleitern beschäftigen, da sogleich ein Mann mit übelriechendem Atem und einem Dolch in der Hand versuchte, ihm den Garaus zu machen. Ein Streich seines Schwertes genügte Athis jedoch, um den Angreifer zu entwaffnen. Gleich mit der dazugehörigen Hand. Schreiend sank der Mann auf die Knie und hielt sich seinen blutenden Stumpf. Athis war hier wohl eindeutig auf die menschlichen Sklaven gestoßen. Er fackelte nicht lange und stieß dem schreienden Sklaven sein Schwert ins Herz, was diesen sofort verstummen ließ.

Das war für den Dunkelelfen endlich Arbeit nach seinem Geschmack! In dem Raum schliefen noch drei weitere Vampir-Sklaven, denen er sich sofort zuwandte. Zwei von ihnen sprangen ihm entgegen, während der dritte noch versuchte sich zu orientieren. Athis war zwar kein Werwolf, doch er ließ den dreien kaum Zeit genug, um Luft zu holen. Wie ein Wirbelwind nutzte er die Beweglichkeit und Geschmeidigkeit seines feingliedrigeren Körperbaus, um sein Schwert und sein Schild wie zwei Waffen unter den Anwesenden toben zu lassen. Nach nur kurzer Zeit blieben die Leichen der Sklaven in der Kammer

zurück, während Athis wieder zufrieden nach draußen eilte, um weiter tödliche Ernte unter Verbrechern wie Vampiren zu halten. In der länglichen Höhlenhalle erwartete ihn ein regelrechter Tumult. Durch den Lärm waren auch die Vampire der restlichen Kammern aufgewacht und kamen herbeigeeilt, um ihren Brüdern und Schwestern zu Hilfe zu kommen, welche gerade von zwei Werwölfen niedergemetzelt wurden. Es waren wirklich erschreckend viele Blutsauger, die unaufhörlich weiter aus den Kammern strömten und Evva, wie auch Thorald, in Bedrängnis brachten. Mit einem Schrei sprang Athis über das

Gewühl der Kämpfenden und warf sich den beiden Vampiren entgegen, die aus der Kammer neben der offenen Tür herausgebrochen waren und sich ebenfalls auf die Werwölfe stürzen wollten. Mit diesen beiden war der Dunkelelf endlich wirklich gefordert. Vampire besaßen die dreifache Kraft, die sie auch gnadenlos einsetzten. Athis kämpfte mit aller Gewalt, als ein Schlag ihn traf und mit voller Wucht gegen einen Kasten zurückschleuderte. Dank des guten Holzes zerbrach das Möbelstück nicht, sondern warf Athis, beinahe wie ein Schwungbrett, wieder zurück. Der Elf nutzte diese Schwungenergie und hieb dem Vampir

noch im Flug den Kopf ab. Mit dem anderen lieferte er sich ein heftiges Gefecht, bis er schließlich triumphierend das Herz des Monsters unter ihm durchbohren konnte. Kurz darauf rollte bereits auch der Kopf dieses Vampirs über den gestampften Lehmboden, den er mit einem finalen Streich von dessen Schultern getrennt hatte. Athis wollte gerade zu Thorald und Evva eilen, die noch ihre liebe Not mit der Vielzahl an Vampiren hatten, als ihn Hanas Schreie und Galens Ruf aufhielt. „Marek! Nein!“, hörte er den verzweifelten Appell des Drachenblutes, der ihn augenblicklich in die Kammer eilen ließ. Der Anblick, der sich ihm bot,

warf ihn beinahe wieder zurück. Galen lehnte leichenfahl an einer Kommode, vor der ein großer Mann lag, neben dem sich eine wachsbleiche, blutverkrustete Hana versuchte hochzurappeln. Rainus, der Kommandant des Penitus Oculatus Ordens, lag von Eisgeschossen gespickt halb auf einem zerwühlten Bett, als hätte ihn die Wucht der Geschosse dorthin geschleudert. Athis dachte schon er sei tot, doch Rainus rührte sich und versuchte ein paar der magischen Eissplitter aus seiner Brust und seinem Bauch zu entfernen. Aber das Ärgste, das sich vor Athis Augen abspielte, fand vor dem zweiten Bett statt. Ein hochgewachsener, grauer Vampir stand

davor und hielt mit seinen knöchernen Klauen den Soldaten Marek im Würgegriff. Wie eine Puppe hing der Mann widerstandslos im Griff des Blutsaugers. Schmatzende Geräusche waren zu hören, als der Vampir sich am Blut des Soldaten gütig tat, während hinter ihnen das panische Schreien von Säuglingen zu hören war. Athis verdrängte jeglichen Gedanken des Entsetzens, riss einen seiner Dolche aus dem Gürtel und schleuderte ihn sofort gegen den Vampir. Athis wäre sicherlich nicht mehr rechtzeitig gekommen, um Marek zu retten. Sein Dolch traf präzise und der Vampir ließ von dem Soldaten ab, der leblos in sich zusammensackte.

Beinahe unwirsch zog Movarth die Waffe aus seinem Rücken und warf sie zu Boden. Schaden hatte er keinen davongetragen, doch der Treffer hatte wenigstens dafür gesorgt, dass er den Soldaten losgelassen hatte. Er warf Athis einen verächtlichen Blick zu, dann schickte er sich an sich dem Bett zuzuwenden, auf dem die Kinder lagen. Rainus, der aus unzähligen Wunden blutete, welche die Eisgeschosse gefordert hatten, kämpfte sich hoch und versuchte auf die andere Seite zu gelangen, um die Kinder zu schützen, auf die es dieses Scheusal abgesehen hatte. Galen und der große Mann am Boden, der entweder tot oder schwer verletzt war,

konnten hier nichts mehr ausrichten. Die Kammer war so groß, dass Athis wohl nicht mehr rechtzeitig kommen würde, um den Vampir aufzuhalten, der bereits gierig seine Klauen ausstreckte. Er versuchte es dennoch. Hana, die sich endlich hochgekämpft hatte, warf sich auf das Monster, das sie aber einfach wegfegte. Im Fallen riss sie Rainus mit, der inzwischen ebenfalls beinahe heran gewesen wäre. Der Mann am Boden zuckte gepeinigt auf und versuchte aufzustehen, was in seinem Zustand ein sinnloses Unterfangen war. Jetzt erst erkannte Athis, dass es Vilkas war, der hier lag. Der Schock darüber fuhr ihm in die Glieder, doch er rannte

weiter auf den Vampir zu. Jetzt kam es auf jede Sekunde an! Movarth schien irritiert zu sein, denn kurz zögerte er zuzupacken, da er statt einem, zwei Babys vor sich sah. Das war die Chance! Athis war beinahe schon bei ihm und zog sein Schwert, als ein Getöse erscholl und die Tür mit einem Krachen gegen die Wand gedonnert wurde, an der sie zersplitterte. „Farkas! Endlich!“, stöhnte Vilkas mühsam, aber seine Worte gingen völlig in dem infernalen Lärm unter, den der riesige Werwolf verursachte, der mit einem Satz mitten im Raum stand. Athis ließ sich davon nicht beirren, stieß sich ab und wollte sein Schwert in

Movarths Rücken bohren, doch der Vampir hatte es vorgezogen mit einem lauten Fluch zu verschwinden, ohne eines der Kinder an sich genommen zu haben. Jetzt ging es ihm scheinbar ums nackte Überleben. Der Werwolf wendete sofort und sprang mit wilden Sätzen wieder aus dem Raum. Ebenso Athis. Vilkas leises: „Nicht! Die Kinder!“, ging erneut unter. Hana reagierte geistesgegenwärtig. Sie packte das kleine Mädchen und legte es Rainus in die Arme, während sie selbst Varis an sich drückte. Zumindest würden sie es dem Vampir auf diese Weise schwerer machen an die Kinder heran zu kommen, sollte er sich wieder in den Raum

teleportieren. Galen selbst robbte sich mit Mühe über den Boden zu Marek, der verkrümmt dalag. Er war noch zu schwach zum Gehen, doch auf diese Weise konnte er sich vergewissern, wie es um den Soldaten stand. Marek atmete nur mehr ganz flach und unter ihm dehnte sich eine Blutlache immer weiter aus. Der giftige Speichel des Ur-Vampirs lähmte den Körper und hielt das Blut am Fließen. Die Wunden konnten sich von alleine nicht mehr schließen. Unaufhörlich strömte der Lebenssaft aus Mareks Halsschlagader. Galen nestelte so schnell er konnte in der Tasche des Soldaten, bis er den Heiltrank fand, den

er ihm einflößen wollte, um die Blutung zu stoppen. Doch für Marek kam jede Hilfe zu spät. Noch während Galen das Fläschchen entkorkte, machte er seinen letzten Atemzug. Auch das Blut dehnte sich nicht weiter unter ihm aus. Es tröpfelte nur mehr aus der Wunde, da sein Herz bereits zu schlagen aufgehört hatte. „Nein!“, flüsterte Galen, der es nicht glauben wollte. Voll unterdrückter Wut begann er zu zittern. „Dieses Scheusal! Dieses verdammte Scheusal!“, schrie er. „Verflucht sollst du sein! Farkas soll dich in tausend Stücke reißen!“ Galen konnte nichts mehr für Marek tun. Sein Schrei vom ‚Geschenk des Lebens‘ war

aufgebraucht! Frustriert schloss er Mareks gebrochene Augen, die in ihrem letzten Blick anklagend gegen die Höhlendecke starrten. Den Heiltrank warf er dann Rainus zu, während er weiter in der Tasche des Soldaten kramte. Galen war durch und durch pragmatisch. So nahe ihm der Tod eines seiner Männer auch ging, es musste weitergehen. Ein weiterer Heiltrank kam zum Vorschein, den er ebenfalls seinem Freund zuwarf. Und dann fand Galen noch einen Trank, der ihn schließlich jubeln ließ. „Ein Ausdauertrank! Der Bursche hatte auch einen Ausdauertrank!“ So schnell er konnte schluckte Galen die

hochprozentige Flüssigkeit. Es war das Einzige, das in seinem Zustand der völligen Erschöpfung half. Ihm ging es auch sofort besser und Galen konnte aufstehen. Leider hatte er immer noch nicht genügend Kraft erneut den Drachenschrei ‚Geschenk des Lebens‘ anzuwenden und Mareks Seele zurückzuholen. Diesen Schrei würde er wohl frühestens in zwei Tagen wieder anwenden können. Er zweifelte sogar daran, auch nur irgendeinen der einfachen Drachenschreie jetzt ausführen zu können. Aber er würde kämpfen können! Mit den Worten: „Ich helfe den anderen!“, lief er aus dem Raum was Rainus aufstöhnen ließ und Vilkas in

seiner Hilflosigkeit beinahe die Tränen in die Augen trieb. Verzweifelt hangelte er sich an der Kommode in eine halb aufgerichtete Position hoch. Weiter kam er aber nicht mehr. „Die Kinder! Schütz die Kinder!“, versuchte der Herold der Gefährten sich Gehör zu verschaffen, denn er hatte schon erlebt wie fatal der Teleportzauber dieses Vampirs sein konnte. Aber Galen hörte ihn nicht mehr. Movarth fluchte innerlich. Er hatte im Labor, beim Herstellen neuer Schutzzauber, mit seinen Kräften nicht hausgehalten. Und große Entfernungen kosteten enorm viel Energie, die er

bereits bei seinem ersten Teleport in die Kammer des Kindes, verbraucht hatte. Das Blut des Mannes, der ihn daran hindern wollte an das Kind zu kommen, hatte ihm zwar wieder Kraft verliehen, aber leider nicht genug. Die Situation, die er in der Kammer vorfand, hatte Movarth außerdem irritiert. Mit Heimkars Tod hatte er nicht gerechnet, genauso wenig mit den vielen Leuten, die er darin vorgefunden hatte. Außerdem musste er sich sofort verteidigen, als er materialisierte. Das war zwar noch keine Schwierigkeit gewesen, aber dennoch lästig und kostete Zeit. Als er dann auch noch zögern musste, da er im ersten Erstaunen nicht

wusste, welches Kind jetzt das infizierte war, war sein Vorsprung dahin. Den Dunkelelf hatte Movarth niemals als direkte Gefahr eingeschätzt. Doch als der Werwolf durch die Tür preschte wusste er, dass sein einziges Heil in der Flucht lag. Er lebte bereits seit vielen hundert Jahren, und er hing sehr an seinem Leben! Damit blieb ihm nur mehr der Rückzug. Movarth ließ fluchend von den Kindern ab und teleportierte sofort in die Eingangshalle. Solange er lebte, konnte er immer irgendwo wieder einen neuen Clan aufbauen und erneut nach dem Kind suchen. Mit diesen Gedanken materialisierte Movarth in der Nähe des Tisches, an dem

seine menschlichen Sklaven zu ihren Lebzeiten Karten zu spielen pflegten. Die letzten Schritte bis zum Höhleneingang musste er wohl oder übel zu Fuß zurücklegen. Direkt dort hatte er eine versteckte Schriftrolle hinterlegt, mit der er in einen provisorischen Unterschlupf entkommen können würde. Wie gesagt, es ging jetzt einfach nur mehr um das nackte Überleben. Dass die beiden menschlichen Sklaven, die den Eingang bewachen sollten, bereits tot waren, überraschte ihn nicht. Damit hatte er gerechnet. Jedoch nicht mit einem jungen Halbelfen, der gerade sein Schwert aus der Brust eines Vampirs zog und ihn geschockt ansah. Der Junge

war noch grün hinter den Ohren, dennoch schien er soeben zwei Vampire von Movarths Clan getötet zu haben. Zumindest einen, dessen Kopf nicht mehr auf seinen Schultern war. Der Zweite, dem der Junge gerade sein Schwert aus der Brust gezogen hatte, lag stöhnend am Boden, würde sich aber wieder erholen. Der Junge bekam sein Erstaunen jedoch erstaunlich schnell in den Griff und stellte sich sofort gegen Movarth. Diese Drohgebärde des Jungspunds kostete dem Vampir nur ein verächtliches Lächeln. Mit einem niederträchtigen Zucken um seine dünnen Lippen, wollte Movarth den Kämpfer mit einem Schockzauber aus seiner Bahn katapultieren, als dieser sich

bereits auf ihn stürzte und Movarth seine Klinge in den Bauch stieß. Der Vampir änderte seine Taktik und berührte den Halbelf, der sich nun ganz nahe bei ihm befand, mit zwei Fingern seiner Klauen direkt an der Stirn. Tödliche Blitze zuckten daraus hervor und der Junge fiel um. Movarth bedauerte beinahe schon, diesen vielversprechenden Kämpfer nicht mitnehmen und in seinen Clan aufnehmen zu können, denn genau solche unerschrockenen Männer hätte er brauchen können. Doch die Zeit drängte und er hatte erneut magische Energie verschwendet. Der Ausgang war nicht mehr weit und das Heulen des Wolfes klang bereits so, als würde dieser jeden

Augenblick in die Eingangshalle stürzen. Movarth verlor keine Zeit mehr und strebte vorwärts, als kalter Stahl ihn von hinten durchbohrte. Herion, der den zwei Vampiren, die das Kampfgetümmel ausgenutzt hatten und als huschende Schatten an ihm und Ria vorbeigelaufen waren, gefolgt war, stieß in vollem Lauf sein Schwert in den Rücken des Ur-Vampirs. Der Soldat hatte alles mitansehen müssen, als er so schnell er konnte zu Sarendal gelaufen war, um dem Halbelfen mit den beiden Vampiren zu helfen, die ihm und Ria entwischt waren. Das plötzliche Auftauchen des Ur-Vampirs ließ Herion beinahe straucheln, aber er war

abgebrüht genug, nicht zusammenzufahren und ihn stattdessen sofort anzugreifen. Movarth, dessen Körper schon seit langem nur mehr eine ausgetrocknete Hülle war, die gerade das Trinken von Blut noch ein wenig lebendiger machen konnte, drehte sich um und warf mit ganzer Kraft seinen Schockzauber auf den Soldaten, der davon einige Meter weit weg geschleudert wurde. Für die tödlichen Blitze, die nur bei Berührung wirkten, war der Mann leider zu weit entfernt gewesen. Movarth fluchte über den erneuten Zeitverlust, konnte er doch schon den mächtigen Werwolf um die Ecke des Ganges biegen sehen, in dessen

Augen eine Unversöhnlichkeit lag, der Movarth einzig und allein mit kompromissloser Flucht entgehen konnte. Diese beiden jungen Männer, so schwach sie auch waren, hatten ihn Zeit und auch Energie gekostet. Kraft und Energie, die ihm jetzt fehlten. Aber Movarth war noch lange nicht am Ende. Mit einer schnellen Bewegung fasste er in seinen weiten Mantel und riss eine Schriftrolle heraus, dessen Magie er augenblicklich freisetzte. Die beiden beschworenen Daedra stellten sich sofort zum Kampf, während Movarth weiter dem Ausgang zustrebte. Energie für einen weiteren Teleport, und sei es nur mehr um diese 50 Meter zu bezwingen, hatte er nicht

mehr. Farkas war jenseits jeglichen rationalen Denkens angelangt. Er sah nur mehr Movarth vor sich und wie der Vampir versuchte den Höhlenausgang zu erreichen. Mit einem schauerlichen Heulen warf er sich nach vorne. Es wäre ein Leichtes für ihn den Vampir einzuholen, als die beiden Daedra vor ihm auftauchten. Doch Farkas hielt sich nicht lange mit ihnen auf. Mit beiden Pranken packte er ihre Schädel und rammte sie gegeneinander, sodass sie auseinanderbrachen wie hole Nüsse. Die beschworenen Daedra lösten sich sofort auf und Farkas warf sich mit einem weiteren Sprung nach vorne auf den

Ur-Vampir zu. Movarth traute seinen Augen nicht. Zum ersten Mal in seinen langen Leben begann er so etwas wie Angst zu verspüren. Diesem Werwolf würde er nicht entkommen können! Die Kraft und Unerbittlichkeit, mit der Farkas auf ihn zukam und Movarths geringe Energiereserven, machten seine geplante Flucht schier unmöglich. Eine minimale Chance hatte Movarth aber noch und die würde er nützen. Sie würde alle Kräfte in ihm endgültig verbrauchen, vielleicht sogar bis zu seinem eigenen Tod, doch es winkte darin noch eine vage Möglichkeit des Überlebens. So drehte sich der

Ur-Vampir gänzlich um, breitete beide Arme aus und betete zu Molag-Bal um die Todesspirale, die jeder Meister- oder Ur-Vampir einmal im Leben einsetzen konnte. Mit einem Zischen fuhr die Energie in ihn und Movarth begann sich wie ein Kreisel zu drehen. Alles in seiner Nähe wurde von elektrischen Blitzen hinweggefegt und auch der Werwolf schien gegen diese Gewalt nicht anzukommen. Die Magie zerrte an Movarth und er würde diesen Energiewall nicht lange aufrecht halten können, wenn er weiterleben wollte. Doch er war bereits beim Ausgang. Der Werwolf müsste nur kurz durch diese magische Wucht in die Knie gehen, dann

wäre Movarth bei seiner Schriftrolle und niemand könnte ihm mehr etwas anhaben. Farkas spürte, wie die magische Energie ihm tausend Stiche zufügte. Er konnte sich Movarth nicht weiter nähern, ohne wie ein Blatt im Wind zerfetzt zu werden. Doch in Farkas wüteten all die Verluste, welche er durch diese Bestie erfahren hatte. Angefangen bei dem Tod seiner Frau und Tochter bis hin zu all dem Leid das Hana, sein Bruder und er selbst, durch die Vampire erfahren hatten. Und es würde nicht aufhören. Das Morden und der Fluch würden sich immer weiter ausbreiten, wenn diesem Monster nicht Einhalt geboten würde. Mit einem fürchterlichen Schrei raffte

sich Farkas auf und warf sich in die tausend Dolche, welche die Energieblitze erzeugten. Er spürte wie selbst der beinahe unverwüstliche Leib des Werwolfs sich aufzulösen begann unter dieser magischen Kraft, doch sein Wille drängte ihn weiter, bis er Movarth erreichte. Mit einem Schrei, der weder menschlich noch tierisch war, grub er seine Pranke in dessen Brust und riss mit seiner anderen Pranke Movarths Schädel von seinen Schultern. Das Blitzen hörte sofort auf. Nicht jedoch die Schreie des Ur-Vampirs. Movarths dürrer Leib zuckte, als würde er jetzt von Blitzen durchbohrt werden, während aus seinem geöffneten Mund

weiter Flüche und Schreie drangen, obwohl sein Kopf nicht mehr auf seinen Schultern saß. „Du kannst mich nicht vernichten!“, geiferte der Kopf. „Ich lebe ewig! EWIG!“ Farkas hatte kaum mehr Fell an seinem Wolfskörper. Er blutete aus zahlreichen Wunden. Beinahe überall sah man das rohe Fleisch. Haut und Gewebe waren ihm durch die Wucht der Energieblitze weggebrannt worden. Dennoch stapfte er auf den kreischenden Kopf zu und trat ihn mit seinem Hinterlauf zu Brei. Das Knacken der alten, ausgetrockneten Knochen war widerlich. Doch zumindest hatte das Schreien und Fluchen

aufgehört. Movarths Körper zuckte immer noch, als hätte er ein Eigenleben in sich. Farkas wandte sich auch diesem zu, riss das graue Herz aus Movarths Brust und zerstampfte es ebenfalls unter seinen Hinterläufen. Schließlich fetzte er mit einem finalen Heulen noch den Rest des grauen, vertrockneten Leibes entzwei, der auch ohne Herz noch weiter gezuckt hatte, bevor er sich torkelnd auf einen Felsen setzte und zurück verwandelte. Herion eilte zu ihm. Die magischen Energiewirbel waren sogar bis zu ihm vorgedrungen und hatten Teile seiner Rüstung und auch seiner Haut verbrannt. Doch alles andere war noch ziemlich

unversehrt. So rasch er konnte beugte er sich über die Reste des Ur-Vampirs und verbrannte diese mit Hilfe einer magischen Schriftrolle. Diese nützlichen Dinger hatte er meistens bei sich und sie hatten ihm bis jetzt immer gute Dienste erwiesen. Farkas nickte anerkennend, dann nahm er den Heiltrank an, den der junge Mann ihm hinhielt. Farkas Rüstung war bis auf kaum nennenswerte Stellen an seinem Bauch und Lenden komplett versengt und er selbst war an Brust, Armen und Beinen bis auf sein Fleisch aufgebrannt. Es schmerzte höllisch. Selbst in seinem Gesicht war die Haut versengt worden und einige tiefere Fleischwunden

vorhanden. Dankbar trank er und spürte bereits die Besserung. Auch Herion versorgte sich mit einem Trank. Dann hieb er dem einen Vampir, dem Sarendal durch Movarths Auftauchen nicht mehr den Kopf abschlagen konnte, eben diesen ab, bevor er sich anschickte zurück zu eilen. „Bitte bleib hier!“, bat Farkas. Herion sah ihn entgeistert an. „Aber Ria ist alleine!“ „Ich werde gehen“, sagte Farkas. „Doch es muss einer den Eingang bewachen und ich glaube…“ Kurz zögerte er und sah zu dem Halbelfen hinüber, der neben dem Tisch lag. „…Sarendal… dürfte es nicht geschafft

haben.“ Herion nickte. Er selbst hatte gesehen, wie der Vampir dem Jungen den tödlichen Blitz direkt in seinen Schädel gejagt hatte. Farkas, der Herions Nicken sah verlor keine Zeit mehr. Eilig stand auf, verwandelte sich erneut und sprang mit Riesensätzen zurück in das Höhleninnere. Die Trauer über Sarendals Tod, die er tief im Herzen verspürte, musste warten, denn noch waren nicht alle Gefahren beseitigt. Athis, der aus der Kammer stürzte, kam gerade noch rechtzeitig, um den gierigen Vampir, der sich soeben in Evvas Hals

verbissen hatte, mit einem Tritt von dem Mädchen wegzuschleudern. Dass sie in ihrer menschlichen Gestalt war zeigte ihm, dass sie bereits schwer angeschlagen war. Athis machte kurzen Prozess mit dem Blutsauger. Bevor dieser noch wusste wie ihm geschah, rollte bereits sein Kopf über dem Boden und Athis schmetterte einem weiteren Vampir, der geifernd auf seine Chance bei dem Mädchen gewartet hatte, den Schild gegen den Schädel. Dann fiel auch dessen Kopf von seinen Schultern. Mit einem Sprung nutzte der Dunkelelf die kurze Atempause und gab Evva, die verzweifelt versuchte ihre Blutung am Hals zu stoppen, einen Heiltrank.

Dankbar schluckte das Mädchen die Arznei, was sie wieder befähigte sich erneut in einen Werwolf zu verwandeln und sich auf die Vampire zu stürzen, die Thorald belagerten. Zwei dieser Blutsauger hingen an seinem Rücken und versuchten ihm mit ihrem giftigen Speichel blutende Wunden zuzufügen, während Throald gerade einen anderen der Vampire mit seinen Pranken auseinander riss. Mit einem wütenden Heulen griff er nach hinten und holte die beiden beißenden Widersacher zu sich nach vorne, um auch ihnen die Brust aufzureißen und ihr Herz unter seinen Pranken zu zermalmen. Er kämpfte, als wäre er schon immer ein

Werwolf gewesen. Doch die schiere Vielzahl der Blutsauger ließ mittlerweile schon die nächsten auf seinen Rücken springen, während Thorald einem weiteren Vampir die Kehle aufbiss. Schließlich stieß auch Galen zu den Kämpfern und zu viert gelang es ihnen endlich alle Blutsauger zu töten. Athis und Galen übernahmen nun die Aufgabe alle Leichen zu untersuchen und sämtliche Köpfe, die noch auf den Schultern saßen, von diesen zu trennen. Evva dagegen schickte sich an die Schlafkammern zu durchstöberten, um noch irgendwo versteckte Blutsauger zu finden. Doch es schien, als wären alle Vampire aus diesem Gang endgültig

vernichtet worden. Thorald, der sie begleitet hatte, begann unruhig zu werden. In ihrem Bereich war inzwischen alles gesichert, doch er wusste nicht wie es Ria ging. „Hier ist alles sicher!“, rief er seinen Leuten zu. „Ich schau noch, wie es den anderen geht!“ Athis ruckte hoch. „Ich begleite dich!“, sagte er und beide eilten aus der Höhle, während Galen und Evva die Restarbeiten übernahmen. Farkas lief so schnell er konnte in die große Höhle. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm beinahe sein Herz stehen bleiben. Ria lag bewegungslos auf dem

Boden, während ein Vampir, der neben ihr hockte, sich gerade genüsslich über die Lippen wischte, als hätte er das beste Mahl seit langem genossen. Die drei Vampire, die den Bosmer gefoltert hatten, als Farkas in Movarths Labor eingetreten war, dürften zu starke Gegner für die Gefährtin gewesen sein. Zwei von ihnen lagen zwar zerfetzt am Boden, aber der Dritte hatte sie wohl niederringen können. Mit einem fürchterlichen Heulen war Farkas heran und schlug nach dem Blutsauger. Doch der Vampir wirkte erfahren und er war durch Rias Blut frisch gestärkt. Gewandt wich er aus und schleuderte einen Dolch gegen Farkas.

Doch dieser wischte einfach nur mit seiner Pranke in die Luft und fegte den Dolch zur Seite, bevor dieser treffen konnte. Dann stürzte er erneut auf den Vampir. Diesmal ließ Farkas dem Kerl keine Möglichkeit mehr auszuweichen. Seine Pranken machten kurzen Prozess, bis der Blutsauger mit einem Loch in der Brust leblos vor ihm lag. Mit einem verächtlichen Grunzen zermalmte Farkas dessen Herz in seiner Pranke und ließ das zerquetschte Stück Fleisch achtlos herabfallen. Farkas verschwendete keinen Blick mehr an seinen Widersacher. Sofort verwandelte er sich zurück und blickte sorgenvoll auf Ria. Der Dolch, der in

ihrem Herzen steckte sagte ihm eigentlich alles, doch noch wollte Farkas nichts unversucht lassen. Er hob Rias bewegungslosen Körper an, um ihr einen Heiltrank einzuflößen. Aber es war kein Leben mehr in ihr. Ihr Herz musste schon vor einiger Zeit mit dem Schlagen aufgehört haben. Eigentlich von dem Zeitpunkt an, an dem der Dolch sie getroffen hatte. „Bei Talos, Ria!“, rief Farkas. „Bitte, nicht auch noch du!“ Natürlich antworte ihm nur Stille. Ria war schon vor einiger Zeit von ihnen gegangen. Allein der gierige Vampir nutzte noch ihr Blut bevor es erkaltete, um sich daran zu stärken. Mit einem

Schrei ließ Farkas Rias leblosen Körper wieder zu Boden sinken und sprang auf. Wie ein Berserker wütete er über dem Vampir, von dem nun nichts mehr als eine fleischige Masse übrig blieb. Er hörte erst auf, als Athis ihn zurückriss. „Farkas! Hör auf!“, rief der Dunkelelf. „Das bringt uns Ria auch nicht mehr zurück!“ „RIA!“ Thoralds verzweifelter Schrei brachte Farkas schließlich zur Besinnung. Voller Mitgefühl blickte er auf seinen Kumpan, der Rias leblosen Körper an sich gedrückt hielt und sie verzweifelt wiegte. Mit vor Gram verzerrtem Gesicht presste er ihren Kopf an seine Brust,

während seine herzzerreißenden Klagelaute durch die Höhle echoten. Doch nichts und niemand konnte der jungen Frau mehr helfen. „Thorald!“, versuchte Farkas seinem Gefährten Trost zu spenden. „Es… es tut mir leid! Ich kam leider zu spät!“ Doch der Mann war einfach nicht zu beruhigen. Er schüttelte nur den Kopf und weinte bittere Tränen in Rias Haare, so eng hielt er sie immer noch an sich gedrückt. „Hör auf dich zu quälen, Farkas“, sagte Athis. „Wir können froh sein, dass wir dieser Überzahl überhaupt gewachsen waren!“ „Aber ich hätte Ria niemals alleine

lassen dürfen!“, rief der große Mann voller Selbstanklage. „Dann wäre Movarth entwischt.“ Athis, dem ebenfalls die Trauer um die fröhliche junge Kämpferin die Luft abschnürte, versuchte dennoch vernünftige Argumente zu finden. „Wahrscheinlich sogar mit dem Kind und wir hätten ihn vielleicht nie wieder gefunden!“ „Hört auf!“, rief Thorald da. „Hört verdammt noch einmal auf damit und lasst mich alleine!“ In seinem Schmerz konnte er weder gut noch böse sehen. Er wollte einfach nur mit Ria alleine sein. Farkas zögerte, wollte noch etwas sagen, doch Athis zog ihn davon.

Als sie wieder in der Eingangshalle waren, sank Farkas zu Boden. „Es sind zu viele! Wir haben zu viele verloren!“, klagte er. „Sarendal und jetzt auch noch Ria! Sie hätten nicht sterben dürfen! Nicht unsere Jüngsten!“ „Sarendal auch?“ Athis spürte wie seine Brust noch enger wurde. Der Junge war ihm inzwischen ans Herz gewachsen. Farkas nickte. Der Dunkelelf musste schlucken. Dann jedoch straffte er seine Schultern. Rias Tod hatte sie zutiefst getroffen, doch darum durfte man nicht die Tatsachen übersehen. Und die besagten, dass sie es geschafft hatten! Sie hatten diese Übermacht besiegt und

Farkas selbst war es, der den Ur-Vampir erledigt hatte! „Komm!“, meinte Athis zu dem großen Mann, der sich verzweifelt durch die Haare fuhr. „Lass uns diese Mission abschließen. Für die Trauer wird dann Zeit sein, wenn wir uns ehrenhaft von ihnen verabschieden. Sie haben tapfer gekämpft und zu unserem Sieg beigetragen. Lass uns ihr Opfer nicht schmälern. Außerdem gibt es hier nicht nur Verluste, Farkas. Hana und der Kleine sind am Leben! Sie warten bereits sicherlich auf dich!“ Das riss Farkas doch tatsächlich aus seiner Benommenheit. Farkas wusste, dass Verluste bei dieser Mission und vor

allem bei dieser Vielzahl an Blutsaugern, die sie hier angetroffen hatten, nicht vermeidbar gewesen waren. Dennoch hatte ein irrwitziger Teil in ihm gehofft, dass sie es dennoch schaffen würden. Er wusste auch, dass Athis Recht hatte. Wenn er oder Herion bei Ria geblieben wären, wäre Movarth jetzt entwischt. Und die Chancen ihn erneut zu finden, wären noch geringer gewesen. Die Gerissenheit dieses Ur-Vampirs hatte es jetzt schon beinahe unmöglich gemacht. Dennoch nagte es an Farkas, dass er nicht in der Lage gewesen war, gerade die jungen Gefährten vor Schaden zu bewahren. Herion war inzwischen zu ihnen

gekommen. „Ist es vorbei?“, fragte er. Athis nickte. Dann klopfte er Farkas auf die Schulter. „Geh in den Raum zu Hana und Galen. Die Kleine braucht dich jetzt. Und nicht nur sie. Du wirst schon sehen wer noch. Inzwischen machen wir hier alles fertig.“ Der große Nord stand auf. „Ja. Wir sollten hier alles einäschern, bevor wir gehen“, sagte Farkas. Dann zog er noch etwas aus seiner Tasche. „Das hier habe ich von Farengar bekommen. Es ist ein starker Zauber, mit dem wir die Höhle dann versiegeln können.“ Kurz zögerte er. „Ich habe irgendwo auch Stoffballen gesehen. Darin können wir unsere Gefallenen

einhüllen.“ „Lass das nur unsere Sorge sein, Farkas“, meinte Athis und drängte den Hünen in Richtung des anderen Ganges. „Schau nur, dass du so schnell du kannst zu Hana kommst!" Galen hatte derweilen mit Evvas Hilfe all die Leichen so zur Seite geräumt, dass man ohne größere Umstände zum Raum durchkommen konnte, in dem die Kinder waren. Als er Farkas mit schwerem Schritt zu ihnen kommen sah, wusste er, dass es endgültig vorbei war. Galen meinte, dass man seinen Seufzer der Erleichterung wohl bis nach Hoch-Hrothgar hätte hören können. Doch das

Gesicht des großen Nord gefiel ihm ganz und gar nicht. Und schon gar nicht seine Verletzungen, die trotz des einen Heiltrankes, den Farkas genossen hatte, die tiefen Fleischwunden und Verbrennungen an seinem gesamten Körper erkennen ließen. „Was ist geschehen, Großer?“, fragte er unverblümt. „Movarth wird doch nicht schon wieder entwischt sein?“ Farkas schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Movarth wurde endgültig besiegt. Und alle Vampire getötet. Doch es hat uns zu viel gekostet. Viel zu viel.“ „Was meinst du?“, fragte das Drachenblut

alarmiert. „Ria!“ „Nein!“, rief Galen und Evva drückte vor Entsetzen ihre Faust vor den Mund. Doch Farkas nickte. „Und nicht nur das“, sagte er. „Sarendal ist ebenfalls gestorben. Er hat sich Movarth in den Weg gestellt, dieser dumme Junge! Er machte genau das was ich ihm sagte und verlor dabei sein Leben! Das … das ist nicht fair!“ Fahrig strich sich Farkas seine Haare aus dem Gesicht. „So etwas ist niemals fair!“, sagte Galen und tastete dabei nach seiner Talos-Figur, die völlig kalt und unbeteiligt an seiner Kette hing. „Die Götter scheinen sich nicht darum zu kümmern, wie es

dem Einzelnen dabei ergeht. Doch wir haben gewonnen. Wir haben die Vampirplage von Himmelsrands Antlitz verbannt! Ehrlich gesagt gab es Momente, an denen ich gezweifelt hatte, ob uns das bei all dieser Übermacht überhaupt gelingen wird.“ „Du hast sicherlich Recht, mein Freund“, meinte Farkas und klopfte Galen auf die Schulter, während er weiter ging. Doch auch wenn Galen Recht hatte, fühlte sich Farkas nicht euphorisch. Es war ihnen das Wichtigste gewesen, Movarth und die Vampire zu vernichten. Das war ihnen aller Widrigkeiten zum Trotz geglückt. Dennoch fühlte sich Farkas nicht als Sieger. Es hatte einfach zu viel gekostet.

Als Farkas den Raum betrat, sah er wie Hana und Rainus seltsam gekrümmt vor einem Mann saßen, der halb aufgerichtet an der Kommode lehnte. Sein Eintreten ließ sie herumfahren und ihn mit großen Augen anblicken. Wer der Mann war, konnte Farkas nicht erkennen, da die beiden genau vor ihm saßen. „Ist es… ist es vorbei?“, fragte Hana. „Lebt der Kaiser?“, fragte Rainus. „Ja“, sagte Farkas. „Und ja, es ist vorbei. Es ist endgültig vorbei.“ Dabei ließ er sich mit einem ‚Plumps‘ auf das Bett fallen, das unwirsch unter seinem Gewicht protestierte. „Movarth ist tot. Wir haben ihn besiegt. Doch nicht alle

von uns haben überlebt.“ Voller Schmerz musste Farkas eine Pause machen. „Ria und Sarendal … sie starben im Kampf gegen ihn und seinen Clan.“ „Nicht nur sie!“, sagte Rainus bitter. „Auch Marek starb durch dieses Scheusal! Doch wir sollten froh sein, dass du dieses Monster vernichten konntest. Wenn er flüchten hätte können, wäre alles umsonst gewesen.“ Farkas nickte, während Hana versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Dass dieses Scheusal so viele Opfer gefordert hatte, ging ihr sehr nahe. Aber auch Farkas Aussehen fraß sich in ihr Herz. Seine Verletzungen sahen furchtbar aus und man sah ihm an, dass

ihn der Tod der drei sehr belastete. Hana stand schließlich auf und ging auf ihn zu. Mitfühlend legte sie Farkas ihre Hand auf die Schulter. „Hast du noch einen Heiltrank?“, fragte sie voller Anteilnahme. „Deine Wunden sehen furchtbar aus!“ Das wunderte Farkas nicht. Seine Verletzungen, die trotz des Heiltranks immer noch höllisch schmerzten, da ein Großteil seiner Haut bis auf sein Fleisch verbrannt war, mussten wirklich schrecklich aussehen. Farkas nickte und holte den Trank aus seiner Tasche, die zum Glück nur an manchen Stellen angesengt war, da sie an seiner Seite hing und nicht die volle Energie abbekommen hatte. Das Toben in

seinen Wunden ließ nach und an einigen Stellen bildete sich Dank des Trankes bereits Schorf. Hana hielt ihm ein Hemd und eine Hose hin, die sie von einem der Regale genommen hatte. „Hier, zieh dir das an. Deine Rüstung ist beinahe völlig zerstört. Du bist halbnackt.“ Farkas nickte und streifte sich die Reste seines angesengten Gewandes vom Körper. Dann schlüpfte er in die frischen Sachen. „Ehrlich, du hast schon einmal besser ausgesehen!“ Diese Stimme ließ Farkas zusammenzucken und das Hemd aus seinen Fingern gleiten, das er sich soeben über die Brust ziehen wollte.

„Vilkas?“ Suchend sah er sich im Raum um, bis sein Blick endlich auf den Mann fiel, der halb aufgerichtet vor der Kommode saß. „Bei den Göttern, Vilkas!“, rief er entsetzt, als er den Zustand sah, in dem sein Bruder war. Dann aber zog ein Lächeln über sein Antlitz. „Eigentlich kann ich dir das Kompliment nur zurückgeben! Du siehst aus, als hätte dich Oblivion selbst ausgespien!“ So gut es sein Zustand zuließ, kniete er sich zu seinem Bruder. Dann ließ er seine große Hand sanft auf dessen Brust sinken, während eine Träne der Erleichterung über seine Wange rollte. „Es tut gut dich zu sehen, Bruder. Wirklich gut, dich zu

sehen!“ Vilkas lächelte. Er wollte sich noch weiter aufrichten, was Hana ihm aber sofort wieder untersagte. „Was ist geschehen?“, fragte Farkas besorgt. „Diese Geschichte ist einfach zu lang um sie hier zu erzählen!“, meinte Vilkas. „Und ehrlich gesagt, will ich so schnell wie möglich nach Hause. Ich war schon viel zu lange weg und ich will keine Sekunde länger als nötig hier bleiben! Außerdem brauchen wir alle Heilung.“ Dann blickte Vilkas auf Rainus, der immer noch das Mädchen gut eingewickelt auf seinem Arm hielt. „Aber es gibt etwas, was du dennoch

sofort wissen solltest, Farkas.“ Neugierig blickte Farkas auf seinen Bruder und dann zu Rainus, der mit dem Bündel in seinen Armen zu ihm geschritten kam. Farkas stand auf und sah verwirrt zu, wie Rainus das Fell öffnete und den Blick auf ein kleines, rothaariges Mädchen freigab, das mit unglücklichen, verweinten Augen und mit beinahe schon der ganzen Faust im Mund in seinen Armen saß. Als sie Farkas sah wurden die Augen der Kleinen weit und ihre kleinen Hände zuckten ihm entgegen. „Da… daaa… daada…“, stammelte sie dabei. Instinktiv griff Farkas zu und die Arme des Kindes schlossen sich sofort um

seinen Hals, während sie weiter ihr „Daa…daaa…“, vor sich hin brabbelte. „Wer… wer ist sie?“, fragte er unbeholfen, hielt dabei aber ganz sanft das Kind an seine Schulter gedrückt. „Ich habe sie auf der Ebene der ewigen Jagdgründe gefunden“, sagte Vilkas. „Sie ist deine Tochter…“

36 der schnellste weg nach windhelm

Die Sonne stand bereits hoch im Zenit, als die Gruppe endlich bei den Pferden angekommen war. Vilkas hatte nur mit Farkas und Galens Hilfe den Weg von der Höhle hinab geschafft. Farkas ließ es sich trotz seiner Verletzungen und seiner kleinen Tochter, die er nicht mehr aus seinem Arm gab, nicht nehmen, seinen Bruder zu stützen. Es war dennoch eine Tortur für Vilkas. Jetzt lehnte er völlig fertig an einem Felsen in der Sonne und versuchte wieder Luft zu bekommen. Trotz der Heiltränke, die er bereits genossen hatte, fiel es ihm immer noch schwer. Doch auch wenn er so grausam

verwundet worden war, wie noch nie zuvor, fühlte Vilkas eine große Erleichterung. Movarth und sein Clan waren endgültig besiegt! Hana und Varis würden nicht mehr verfolgt werden und auch seine Abmachung mit dem Daedrafürsten Hircine trat endlich in Kraft. Jeder Werwolf seines Rudels, der nun in die ewigen Jagdgründe kam, würde seine Erinnerungen behalten können. Ria, die in der Vampirhöhle ihr Leben lassen musste, wusste zwar nichts vom Übergang, aber sie würde sich an alles aus ihrem Leben erinnern können. Auch an Skjor. Und wenn sie ihn traf, würde er ihr sicherlich von dieser Möglichkeit

berichten. Dessen war sich Vilkas sicher. Aber ob das für Thorald ein Trost war? Der Herold der Gefährten bezweifelte das. Im Moment schien wohl nichts ein Trost für ihn zu sein. Thorald hatte zwar geholfen alles in der Vampirhöhle endgültig zu säubern, alle Leichen der Vampire zu verbrennen und die Höhle schlussendlich auch zu versiegeln. Doch nun saß er neben dem in Stoffbahnen eingehüllten Leichnam seiner Gefährtin und blicke mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Vilkas verstand ihn. Allein der Gedanke, dass er vielleicht zu spät gekommen wäre, um Hana beschützen zu können, wäre für ihn mehr als unerträglich. Dass

er sowieso zu spät kam, um sie vor Heimkars Gewalt zu bewahren, die das Scheusal von einem Ehemann ihr angetan hatte, quälte ihn sowieso mehr als er sagen konnte. Hana hatte ihm zwar mit keinem Wort erzählt, was ihr widerfahren war, doch Vilkas, der bereits schon einmal bei einer Vergewaltigung Heimkars dazwischengefahren war, konnte es sich nur zu gut vorstellen. Und allein das ließ eine Wut in ihm aufsteigen, die ihm beinahe das bisschen Luft, das er bekam, auch noch abwürgte. Thorald war in seinem Schmerz jedoch nicht allein. Athis setzte sich wortlos neben ihn. Und auch wenn der Dunkelelf nichts sagte, so war seine stille

Anwesenheit und Anteilnahme ein Beistand, der Thorald half, denn Athis hatte Ria ebenfalls sehr gemocht. Mehr als ein Freund. Er hatte es der jungen Frau nie offen gezeigt, da sie sofort von Thorald tief beeindruckt war. Dennoch war es ein offenes Geheimnis unter all den Gefährten. Schweigend saßen die beiden unterschiedlichen Männer beisammen und trauerten um die fröhliche, junge Frau. Rias Tod hatte eine große Lücke hinterlassen. Auch Sarendals und Mareks Tod war ein leidvoller Verlust. Selbst der Bosmer, der in Movarths Labor gequält worden war und den sie nur mehr tot bergen konnten, war ein weiterer Toter,

der zu viel war. Dennoch war es trotz all der Verluste ein Sieg gegen diese Übermacht der Vampire. Es war eine der größten und schwersten Missionen, welche die Gefährten je unternommen hatten. Ähnlich der Mission gegen die ‚silberne Hand‘, den Werwolf-Jägern, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Gefährten zu vernichten. Auch hier mussten sie schwere Verluste einstecken, bevor sie diese Übermacht besiegen konnten. In der Zeit, in der sie nun bei den Pferden lagerten und auf Herion warteten, der aus Flusswald eine Kutsche organisieren sollte, wurde Vilkas über alle Umstände dieser Vampir-Aktion

aufgeklärt. Dass er nicht vollwertig bei dieser Aktion hatte dabei sein können, war etwas, das ihn hart traf. Aber mit dieser Mission hatten die Gefährten nicht auf ihn warten können. Die Ereignisse hatten sich überstürzt und für seine Rückkehr gab es sowieso keine Garantie. Vilkas verstand, dass Farkas nach Hanas Entführung so handeln musste und er verstand auch, warum sein Bruder ihren Schwur gebrochen hatte. Hätte er es nicht getan, wären die Verluste auf ihrer Seite wohl noch schrecklicher gewesen, wenn sie es denn überhaupt geschafft hätten. Die Erleichterung über ihren Erfolg war allen anzumerken. Galen jedoch schien

dennoch vergrämt zu sein. Er hockte gegenüber von Vilkas in seiner unnachahmlichen Art auf einem Felsen in der Sonne und rauchte seinen geliebten, khajiitischen Tabak. Dennoch konnte der Herold der Gefährten erkennen, dass sein kaiserlicher Freund mit seinen Gedanken weit weg war. Vilkas kannte Galen zu gut. Es belastete das Drachenblut sehr über so eine Gabe wie die des ‚Geschenk des Lebens‘ verfügen zu können, diese aber nicht mehr als einmal am Tag oder gar nur alle zwei Tage, einsetzen zu können. Noch dazu wurde er davon so geschwächt, dass er nicht einmal mit Hilfe seiner nicht unerheblichen körperlichen Kräfte, Mareks Tod

verhindern konnte. Vilkas war sich sicher, dass sich Galen den Tod eines seiner Leibwächter zum Vorwurf machte. Seiner Leibwächter! Der Umstand von Galens neuer Rolle als direkter Nachfahre Tiber Septims und seines daher unangefochtenen Anspruchs auf den Kaiserthron, hätte Vilkas beinahe dazu gebracht erneut zu ersticken. Galen, sein Freund und die sprichwörtliche Katastrophe auf Beinen, würde der neue Kaiser von Cyrodiil werden! Zum Glück waren Vilkas Schmerzen beim Hinabsteigen so grausam gewesen, dass alleine deshalb sein Heiterkeitsausbruch gedämpft wurde. Es genügte aber, um ihm einen Hustenreiz zu bescheren, der

ihn wie gesagt beinahe erneut ersticken ließ. Erst Hanas zittrige Hand, die sie sofort voller Sorge auf seinen Arm legte, konnte Vilkas soweit beruhigen, dass er wieder einigermaßen Luft holen konnte. Einzig und allein Farkas schien mit sich im Reinen zu sein. Er saß neben Vilkas, genau auf dem Felsen, an dem sein Bruder lehnte. Doch Farkas war im Moment mit völlig anderen Dingen beschäftigt. Keinen Blick hatte er für das Geschehen um sich herum, dafür umso mehr für seine kleine Tochter, das ungeborene Kind, das mit seiner Frau Aela verstorben, und wie durch ein Wunder zu ihm zurückgekommen war! Sanft fuhren Farkas raue Hände über die

Wangen der Kleinen. Er konnte es immer noch nicht fassen, doch stets, wenn ihm erneut Zweifel aufstiegen, sah sie ihn mit ihren großen, grauen Augen an und versuchte mit ihren kleinen Fingern nach seiner Hand oder seinem Haar zu greifen, an dem sie dann vergnügt zu ziehen begann. „Suki“, flüsterte Farkas völlig verzückt und hauchte einen leichten Kuss auf ihre weiche Wange, während er sie sanft auf und abzuwiegen begann. Aller Schmerz seiner Wunden war vergessen. Farkas sah, hörte und spürte beinahe nichts anderes mehr, als seine kleine Tochter. „Du hast schon einen Namen für sie?“, fragte Vilkas verwundert, während er

weiter den Weg hinabspähte, um vielleicht schon etwas von der Kutsche sehen zu können, die Galens Leibwächter aus Flusswald holen wollte. Das war leider nötig, da Vilkas nicht reiten konnte und sie auch ihre gefallenen Kameraden nicht wie Mehlsäcke über den Sätteln liegend transportieren wollten. „Aela wollte sie so nennen“, antwortete Farkas. „Sie war sich so sicher, dass unser Kind ein Mädchen werden würde.“ Mit einem entrückten Lächeln fing er gerade Sukis kleine Hand ein, mit der sie ihm soeben neugierig in seine Gesichtswunden fahren wollte. Verspielt drückte er ihren dicklichen Fingern einen Kuss auf. „Und wie Recht sie damit

hatte!“ Noch ein Kuss wurde der Kleinen auf ihre vorwitzigen Hände gehaucht. Vilkas konnte sich trotz seiner Schmerzen ein Lächeln nicht verkneifen. Sein Bruder, so schrecklich er mit seinen tiefen Fleischwunden und Verbrennungen auch aussah, war völlig gebannt von seiner Tochter. Er konnte nicht aufhören sie an sich zu drücken und ihr immer wieder über ihre feinen Haare zu streichen, ihre Wangen oder Finger zu betasten oder ihr leichte Küsse auf die weiche Haut zu drücken. Immer wieder betonte er das Wunder, das ihm sein verstorbenes Kind lebend zurück gebracht hatte. Vilkas hatte, während sie auf Herion und die Kutsche warteten, die

Zeit gefunden, seine Erlebnisse zu schildern. Zumindest die wichtigen Erlebnisse. Aelas Zusammensein mit Jörgen ließ er geflissentlich aus. Während Vilkas berichtete, war natürlich auch Hana bei ihnen. Sie saß nahe an Vilkas gekuschelt da, so nahe, wie es eben möglich war, ohne ihm Schmerzen oder Unbehagen zu bereiten. Vilkas Schilderungen gingen ihr sehr nahe. Besonders als er von Kathreen sprach, durch deren Geschenk die kleine Suki zurück in die Welt der Lebenden kommen konnte. Beruhigend versuchte Vilkas Hana in den Arm zu nehmen. Die junge Frau war in keiner guten Verfassung. Sie hatte noch kaum ein Wort gesprochen,

sondern hing so gut sie konnte an Vilkas und war überängstlich. Sein grausamer Erstickungstod, den sie miterleben musste, hatte eindeutig seine Spuren hinterlassen. Vilkas versuchte sie so gut er konnte zu umarmen und Trost zu spenden. „Wie war Mutter?“ Farkas hatte es sich nicht verkneifen können nach der Frau zu fragen, die ihn und seinen Bruder zwar geboren hatte, aber nicht mehr in der Lage war, sie aufwachsen zu sehen. Vilkas Lächeln vertiefte sich. „Sie war größer und noch schöner, als wir es uns als Kinder jemals ausgemalt hatten. Sie sagte auch, dass sie seit ihrem Tod über uns gewacht hatte, um uns Maras Gnade

zukommen zu lassen, wenn wir sie brauchen sollten.“ Farkas seufzte tief. Dann drückte er seine Tochter ganz sanft an sich, die sich sofort in seine Halsbeuge kuschelte. „Ich danke den Göttern aus tiefstem Herzen, dass wir Mutters Geschenk nicht für uns brauchten. Nur so konnte Suki zurückkommen.“ Dann blickte er seinen Bruder fest an. „Und natürlich durch dich! Ohne dein Zutun wäre sie immer noch in den ewigen Jagdgründen. Danke.“ „Danke nicht mir!“, sagte Vilkas. „Sie war es, die mich gefunden hat. Ich sagte dir doch schon, in den ewigen Jagdgründen herrschen seltsame Gesetze.

Jeder wacht dort in einem jugendlichen und kraftstrotzenden Körper wieder auf. Glaub mir, ich hatte einen Schock Vater als jungen Mann zu begegnen. Und Skjor erst! Seine vollen Haare ließen mich ihn kaum wieder erkennen.“ Allgemeines Gelächter antwortete ihm. Vilkas lächelte ebenfalls, fuhr dann aber weiter fort: „Kinder sollten ja eigentlich zurück zu Akatosh gehen, aber die Seele deiner Tochter wollte Aela nicht im Stich lassen, so blieb sie in den ewigen Jagdgründen und bekam den Körper eines siebenjährigen Kindes und nicht den ihres wahren Alters.“ Farkas Augen füllten sich augenblicklich mit Tränen. „Sie ist so ein gutes Kind!“,

sagte er und strich tief bewegt über Sukis Haare. Vilkas ließ seinen Bruder in seiner Glücksseligkeit in Ruhe. So etwas geschah wirklich nicht alle Tage, dass man sein totgeglaubtes Kind plötzlich wieder in den Armen halten konnte. Stattdessen griff er nach Hanas Hand, die seine sofort enthusiastisch drückte und lehnte sich wieder zurück. Es gab so viel Neues! Nicht nur von seiner Seite. Doch natürlich war die Wiederkehr von Farkas Tochter aus dem Reich der Toten etwas, das alles in den Schatten stellte. Selbst Galens Kaisertum und Vilkas Rückkehr. Doch das war Vilkas nur Recht. Er wollte nur nach Hause und so rasch wie möglich

wieder gesund werden. Lautes Hufgetrappel ließ die Kameraden hoffnungsfroh aufblicken. Doch es war nicht Herion mit der Kutsche, den sie schon sehnsüchtig erwarteten, sondern ein finster blickender Sturmmantelsoldat, der bei ihnen absaß. Seine Gestalt war überdurchschnittlich groß und sein blonder Schnurrbart wackelte voller Wichtigkeit. Zwei seiner Kameraden kamen hinter ihm ebenfalls herangeritten. „Was ist hier geschehen?“, verlangte er zu wissen. „Ein Überfall?“ „Nein.“ Rainus, der im Schatten neben Galens Felsen geruht hatte, war aufgestanden und hervorgetreten. „Danke

für Euer Interesse, doch wir warten nur auf eine Transportmöglichkeit.“ Der Sturmmantelsoldat blickte misstrauisch in die Runde. „Ihr seht aber ganz danach aus, als wärt ihr von Banditen übelst zugerichtet worden.“ Dann fasste er Rainus ins Auge. „Was hat der Penitus Oculatus Orden übrigens hier zu suchen? Ich stehe im Dienst von Hochkönig Ulfric und wir sind nicht darüber informiert worden, dass es außer einer kleinen Abteilung in Drachenbrügge, noch andere Aktivitäten Eures Ordens hier gibt.“ „Wir sind auch nicht offiziell hier.“ „Soso…“ Das Misstrauen in seinem Gesicht vertiefte sich. „Darüber muss ich

Hochkönig Ulfric Bericht erstatten. Vor allem, da im Moment eine Delegation hoher Würdenträger aus Cyrodiil zu Gast im Palast der Könige ist.“ „Tatsächlich? Ist dem so?“, fragte Rainus spöttisch. Dieser aufgeplusterte Wichtigtuer war ihm durch und durch zuwider. Er wusste davon, dass eine Delegation nach Himmelsrand geplant war. Im Moment waren Verhandlungen mit Hochkönig Ulfric und anderen Staaten über eine Allianz gegen die Thalmor von äußerster Wichtigkeit. Von beinahe annähernd derselben Wichtigkeit, wie das Auffinden von Tiber Septims direktem Nachfahren. Rainus war natürlich unabdingbar davon

überzeugt, dass seine Aufgabe, die Allerwichtigste war. „Was erlaubt Ihr Euch?“, fuhr der Sturmmantelsoldat auf. „Ihr seid es, die hier im fremden Land sind! Und jetzt sagt schon, was ist hier geschehen?“ „Beruhigt Euch!“, mischte sich Athis ein, der aufgesprungen war als er sah, wie sich Rainus erbost vor dem Soldaten aufbauen wollte. Rainus, ein schlanker Kaiserlicher mit gepflegtem Bart, gegen einen hünenhaften, unrasierten Nord mit sich sträubendem Schnurrbart, dem er gerade einmal bis zum Kinn reichte. Das konnte nur schlecht ausgehen! „Wir gehören zu den Gefährten und haben soeben eine heikle Mission gegen eine

Horde Vampire abgeschlossen.“ „Mit einem Kommandanten des Penitus Oculatus Ordens?“ Anklagend zeigte Bradof der Große auf Rainus. Die Antipathie beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. „Die Gefährten sind doch eine stolze Kriegergilde Himmelsrands. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie schon die Unterstützung eines fremden Ordens benötigen.“ „Bradof?“ Thoralds müde Stimme ließ Bradof den Großen innehalten und zu ihm blicken. Sein ausgestreckter Arm, der soeben noch anklagend auf Rainus gedeutet hatte, fiel beinahe wie leblos herab.

„Thorald!“, rief der vorhin noch so aufgebrachte Mann und eilte auf seinen Kriegskameraden zu. „Bei allem was mir heilig ist, Thorald!“ Erst jetzt schien der Sturmmantelsoldat sein Misstrauen zu verlieren. Sein Auge fiel auch auf Hana und das Baby, denen er in Jorrvaskr begegnet war. Ebenso erkannte er jetzt auch in dem Dunkelelfen jenen Mann, der bei seinem letzten Besuch hinter den Hühnern her war. Es schien sich hier tatsächlich um die Gefährten zu handeln. Eine besonders gute Meinung hatte Bradof ja noch nie von diesem unorganisierten Bund. Aber was sollte man schon von Kriegern erwarten, die keine soldatische Ausbildung hatten? Die

nahmen doch tatsächlich sogar ihre Frauen und Kinder auf ihre Missionen mit? Und sein alter Kamerad Thorald war tatsächlich in dieser seltsamen Gilde untergekommen! Bradof fasste es nicht. Thorald war ebenfalls aufgestanden. „Du kannst es ruhig glauben, mein Freund. Wir haben gegen Vampire gekämpft und diese besiegt. Leider kostete das auch einigen von uns das Leben.“ Bradof klopfte seinem ehemaligen Kameraden auf die Schulter. „Das muss ja ein heftiger Kampf gewesen sein. Ihr seht wirklich nicht gut aus.“ „Es waren mindestens dreißig Vampire und ihre menschlichen Diener.“ „Waaas?“ Bradof dem Großen fielen

beinahe die Augen aus dem Kopf. „Das ist unmöglich! Du bist wohl auch zu den Barden gegangen. Die neigen ebenfalls zur Übertreibung. Dreißig Vampire! Und deren Anhänger auch noch dazu! Die hätten euch zermalmt! Vampire sind ja nicht irgendwelche Gegner! Zehn, von mir aus, aber dreißig? Und das alles noch mit Frauen und Kindern im Schlepptau? Niemals!“ Bradofs Meinung über die Gefährten sank endgültig in den Keller. Aber wahrscheinlich brauchten sie diese Art von Lobpreisung, um überhaupt an Aufträge zu kommen. Sie taten ihm beinahe leid. „Naja, wie auch immer.“ Bradof beschloss die Sache auf sich beruhen zu

lassen. Wenn er schon an die Gefährten geraten war, könnte er ja auch gleich nach seinem Auftrag fragen. „Ich bin froh euch getroffen zu haben“, sagte er an Thorald gewandt. „Ich habe eine Nachricht für Galen Drachenblut. Angeblich soll er bei euch untergekommen sein.“ Thorald nickte und deutete auf den Felsen, auf dem ein hellhaariger Kaiserlicher hockte und Tabak rauchte. Bradof taumelte zurück und schüttelte ungläubig den Kopf. Das wurde immer abenteuerlicher. Zuerst musste er erkennen, dass die Gefährten, die angeblich die beste Kriegergilde des Landes sein sollten, nur aus Hühner

jagenden Aufschneidern bestand, die ihre Frauen und Kinder selbst auf heikle Missionen mitnahmen. Und dann stellte sich auch noch heraus, dass das Drachenblut, der Held und Bezwinger Alduins, nur ein kaiserlicher Schönling war, der völlig gleichgültig mit bloßen Füßen auf einem Felsen hockte. „Das… das soll das Drachenblut sein?“ „Hast du was dagegen?“, fragte Galen schnippisch, der wirklich nicht in bester Laune war. Seine Stiefel und den Brustharnisch der Drachenschuppenrüstung hatte er abgelegt. So saß er nur mit einem einfachen, offenen Hemd bekleidet da, das seine haarlose, gebräunte Brust

zeigte, und blickte unlustig auf den betroffenen Sturmmantelsoldaten. „Nein… natürlich nicht…“, stammelte Bradof der versuchte sich wieder zu fangen. Dabei starrte er Galen immer noch an, als könnte er nicht richtig sehen. Echte Männer waren in seinen Augen eben bärtige, behaarte, hünenhafte Nord, oder ebensolche Kerle anderer Rassen. Und nicht so schlanke, gutaussehende, glatt rasierte Männer, die wirkten, als hätten sie nicht einmal ansatzweise so etwas wie einen Bart- oder vermehrten Haarwuchs. „Aber… Ihr seid ein Held! Ihr habt Alduin besiegt! Ich dachte… ehrlich…, dass Ihr etwas … äh… männlicher und größer

wärt!“ Galen sprang vom Felsen und richtete sich auf. Er war für einen Kaiserlichen sehr wohl hochgewachsen, nur sein schlanker Körperbau ließ ihn wahrscheinlich etwas kleiner und schwächer wirken. Vor allem gegen einen Hünen wie Bradof, der sich locker mit Farkas messen konnte. Ein mächtiger Seufzer entkam dem zukünftigen Kaiser von Cyrodiil. Er war einfach zu müde und zu schlecht gelaunt, um sich jetzt mit diesem engstirnigen Gesellen anzulegen. „Was auch immer. Ich bin wie ich bin. Und jetzt gebt schon den angeblich wichtigen Wisch her, den Ihr mit Euch herumtragt.“ Fordernd

streckte er seinen Arm aus. Als Bradof nicht sofort reagierte, winkte Galen herrisch. „Was jetzt? Ich dachte Ihr habt ein Schreiben für mich?“ In Bradof zerfielen in dem Moment sämtliche heroischen Gefühle und Gedanken, die er dem Drachenblut, dem Helden Himmelsrands, jemals gezollt hatte. Mit einem ärgerlichen Schnauben kramte er in seiner Tasche und klatschte Galen das vom Schnee noch immer nasse Schreiben in die ausgestreckte Hand. „Hier bitte!“, knirschte er. „Damit habe ich meine Schuldigkeit getan. Ich sehe mich für nichts mehr verantwortlich. Wenn Ihr Fragen haben solltet, dann wendet Euch an Kommandant Ralof. Er

wird Euch genaueres sagen können.“ Hoch erhobenen Hauptes stapfte Bradof zu seinem Pferd. Als er an Thorald vorüberkam blieb er nochmals stehen. „Überleg es dir, mein Freund, deine Talente sind hier eindeutig verschwendet. Kommandant Ralof hätte dich liebend gerne in die Leibgarde des Hochkönigs aufgenommen.“ Thorald schüttelte den Kopf. „Danke, Bradof. Aber meine Loyalität gehört den Gefährten.“ „Wie du meinst“, sagte der Sturmmantelsoldat ein wenig eingeschnappt. „Falls du es dir anders überlegen solltest, du weißt ja, wo du mich finden kannst.“ Damit stieg der

große Mann auf sein Ross und ritt davon ohne sich noch einmal umzusehen. Seine beiden Begleiter folgten ihm mit eher gemischten Gefühlen. Doch sie waren nur einfache Soldaten, die ihre Meinung lieber für sich behielten. Als die drei endlich außer Sichtweite waren, meldete sich Athis schließlich zu Wort. „Was ist denn mit diesem Kerl bloß geschehen? Der tat ja so, als wären wir dahergelaufene Schausteller!“ Kopfschüttelnd blickte er den Soldaten nach, obwohl nichts mehr von ihnen zu sehen war. „Bradof ist ein harter Kämpfer und ein gradliniger Kumpan. Ich konnte mir keinen besseren Kameraden im Krieg

wünschen“, sagte Thorald. „Doch er ist ein einfacher Mann und hat absolut keine Vorstellungskraft. Für ihn muss ein guter Krieger mindestens zwei Meter groß, breit wie ein Kasten und wenn möglich auch noch ein Soldat sein.“ Galen kletterte wieder auf den Felsen in die Sonne und hockte sich hin. „Was auch immer, Thorald. Lass es gut sein. Ich bin nur neugierig, was denn an dieser Nachricht bloß so wichtig sein soll?“ Interessiert drehte er das Schreiben hin und her. „Und wo bei allen Göttlichen, hat der Kerl die Nachricht bloß gehabt, dass sie so feucht ist? Ich hoffe, sie wurde nass als er durch einen Fluss waten musste und nicht durch das was

ich vermute!“ „Du bist widerlich!“ Rainus ekelte der Gedanke, den Galen in den Raum gestellt hatte, sofort an. „Jetzt lies endlich. Falls überhaupt noch etwas darin zu lesen ist.“ „Schon gut!“ Der Schalk blitzte in Galens Augen auf. Seine schlechte Laune schien verflogen zu sein. „Vielleicht sollte ich dir, als meinem Leibwächter, das Schreiben geben, damit du es zuerst öffnen kannst!“ Voller Arglist hielt Galen seinem Freund das feuchte Papier unter die Nase, was diesen angeekelt zurücktaumeln ließ. „Wehe!“, rief Rainus empört, was Galen Heiterkeitsausbrüche bescherte. Schließlich erbarmte er sich und öffnete

das Schreiben. Wie zu erwarten, war die Tinte verwischt und kaum mehr leserlich. Die Unterschrift: Aquirana von Vanua, Hochkönigin von Himmesrand, war beinahe alles, was noch zu entziffern war. „Was kann die Hochkönigin bloß von mir wollen?“, wunderte sich Galen und versucht zumindest einzelne Worte herauszulesen. Rainus lehnte sich in seiner Neugier nun doch zu seinem Freund und blickte ihm über die Schulter. „Da steht etwas von ‚Hochfels‘ und ‚Hochzeit‘“, überlegte er. Galen nickte. Diese Worte hatte er ebenfalls erkannt. „Und hier, das könnte ‚Ulfric‘

bedeuten.“ „Will der Hochkönig noch einmal heiraten?“, lachte Galen. „Und seine Frau bittet mich um Hilfe wegen dieser Schmach? Das ist absurd!“ „Vielleicht nicht er“, mutmaßte Rainus. „Das hier könnte man als ‚Tochter‘ entziffern.“ Auch Galen erkannte die Schriftzeichen. Doch was hatte das alles mit ihm zu tun? Sollte Ulfric und sein Hofstaat doch machen was sie wollten! Galen wollte das Schreiben schon zerknüllen, da deutete Rainus auf ein weiteres, verwischtes Wort. „Was bedeutet ‚…pheira‘? Und daneben, das könnte ‚Eure Liebe‘

heißen.“ „Was dichtest du dir da bloß zusa…“ Galen blieben die Worte im Hals stecken. Mit einer Vehemenz riss er das Schreiben an sich und hielt es sich nahe an seine Augen. Tatsächlich. ‚Eure Liebe‘ war zwar verwischt, aber doch gut zu entziffern. Und daneben, das Wortfragment, das man lesen konnte, war ‚..pheira‘. „TAPH!“, rief Galen. „Das muss ‚Tapheira‘ heißen!“ „Was schreist du so?“, knurrte Vilkas. Hana war an seiner Seite gerade eingeschlafen, da riss sie Galens Ausruf wieder hoch. Doch Galen war außer sich. Mit einem Ruck sprang er vom

Felsen. „Weiß einer von euch wie Ulfrics Tochter heißt?“, fragte er aufgeregt in die Runde. „Tapheira“, antwortete Athis. „Das weiß doch jedes Kind aus Himmelsrand!“ „Tiber hat es scheinbar nicht gewusst“, kommentierte Rainus trocken, als er sah wie die Kinnlade seines Freundes herunter klappte. „Was ist los mit dir?“, fragte Vilkas seinen Freund, der nun wie ein gefangenes Tier auf- und abzulaufen begann. „Wieso bringt dich eine Hochzeit von Ulfrics Tochter so aus der Fassung?“ „Tapheira!“, wiederholte Galen. „Es handelt sich um Tapheira! Es muss sich

um Tapheira handeln!“ „Ja, das wissen wir“, bestätigte Vilkas verwirrt. „Aber was hat das mit dir zu tun?“ „Ja, verstehst du denn nicht?“, rief Galen. „Die stolze Nord, von der ich dir berichtet habe! Die von Hoch-Hrothgar! Das muss sie sein!“ „Du hast nie ihren Namen erwähnt!“, sagte Vilkas. Galen schlug sich gegen die Stirn. Das hatte er tatsächlich nicht. Diesbezüglich hatte er sich sehr bedeckt gehalten. Nochmals versuchte er dem Schreiben weitere Hinweise zu entlocken. Aber außer weiteren Worten wie ‚und‘ oder ‚sollte‘ war nichts mehr zu entziffern.

Galen wusste demnach nicht ob Tapheiras Hochzeit bereits stattgefunden hatte, er vielleicht durch die Hochkönigin zur Hochzeit nur eingeladen war, oder ob es nicht doch ein Hilferuf war, diese Feierlichkeit zu verhindern. Was auch immer. Galen musste so rasch es möglich war nach Windhelm. „Pack deine Sachen, Rainus!“, rief er. „Wir brechen auf!“ Dann sah er schuldbewusst auf Vilkas. „Kommt ihr ohne mich klar?“ „Ich mag dich, Galen, aber zum Händchenhalten ist mir deine Schwester eindeutig lieber!“ Vilkas zog Hana demonstrativ zu sich. Ein breites Grinsen machte sich auf

Galens Gesicht breit. „Ja, dir geht es eindeutig wieder besser.“ Er blickte in die Runde. An Farkas Glücksseligkeit gab es sowieso keinen Zweifel und Hana hatte nur Augen und Ohren für Vilkas und Varis, den sie soeben wieder zu stillen begann, da er leise quengelte. Der einzige, der immer noch voller Trauer war, war Thorald. Aber diesen Schmerz konnte ihm niemand abnehmen. „Aber… aber… Herion und Marek!“, versuchte Rainus einzuwenden. „Und wie willst du rechtzeitig nach Windhelm kommen? Falls es ein ‚rechtzeitig‘ in dem Fall überhaupt noch gibt.“ „Herion wird mit den Gefährten nach Jorrvaskr gehen“, sagte Galen bestimmt.

„Ich brauche wirklich nicht mehr als einen Leibwächter. Und Mareks Leichnam werden sie sicher mitnehmen können.“ „Ja bitte“, wandte sich Rainus an Vilkas. „Herion soll Marek dort einbalsamieren. Die Alchemistin in Weißlauf hat sicherlich die nötigen Zutaten dafür. Wir werden ihn nach Cyrodiil mitnehmen und ihn seiner Familie übergeben. Das ist das Mindeste, was ich für ihn tun kann.“ „Seid unbesorgt“, sagte Vilkas, während sich Galen seine Rüstung wieder anlegte. „Doch ihr solltet nicht sofort aufbrechen. Ihr braucht auch noch Erholung.“ Galen ignorierte ihn und zwängte sich in seine Rüstung. „Galen!“, rief Vilkas. „Rainus

Rüstung sieht ziemlich löchrig aus. Er ist sicher noch verletzt.“ „Nein, das geht schon“, meinte der Kommandant des Penitus Oculatus Ordens. „Die Wucht von Movarths Angriff hat mich zurückgeschleudert und benommen gemacht. Doch dank der Rüstung haben die Eisgeschosse nicht allzu tief eindringen können. Die Fleischwunden, die sie mir zufügten, sind nicht so schlimm. Sie bluten auch nicht mehr.“ Inzwischen war Galen angezogen und gürtete sich seine Waffe um. Dann trat er zu Vilkas. „Ich muss es tun. Ich muss es zumindest versuchen. Ich weiß, ich habe über ‚meine stolze Nord‘ nur

Andeutungen gemacht, doch es ist mir ernst mit ihr. Mich hindert nicht einmal der Umstand, dass Ulfric ihr Vater ist, sie für mich zu gewinnen! Das Einzige, das mich noch aufhalten könnte wäre, dass ihr mich noch braucht. Doch wie du schon gesagt hast…“ Lächelnd blickte er auf Hana. „…gegen den Liebreiz meiner Schwester komme ich nicht an.“ „Sei vorsichtig!“, mahnte Vilkas. „Ich erinnere mich, dass unser Hochkönig dir nicht wohlgesonnen ist!“ „Ich weiß“, seufzte Galen. „Er hat mir nie verziehen, dass ich mich im Bürgerkrieg nicht auf seine Seite geschlagen habe, sondern neutral blieb. Nicht einmal nach meinem Sieg über

Alduin kam irgendeine Reaktion von ihm.“ Galen zuckte die Schultern. „Vielleicht lag es auch daran, dass wir keinen guten Start in Helgen hatten. Für ihn war ich ein Verrückter, als ich laut lachend zum Henker schritt.“ Vilkas seufzte. „Ein Verrückter, der seine Tochter heiraten will! Ist dir eigentlich klar, was du da von ihm verlangst? Falls es nicht wirklich schon zu spät ist!“ Galen sprang auf. „Ich weiß. Darum müssen wir uns beeilen.“ Er blickte zu Rainus. „Bist du soweit?“ Sein Freund nickte. „Dann komm.“ Mit großen Schritten stapfte Galen voran. Doch als Rainus sich seinem Pferd nähern wollte, hielt er ihn auf. „Es ist

ein Dreitagesritt!“, rief Galen. „Mit den Pferden dauert es mir zu lange.“ „Ja, aber… wie willst du dann rechtzeitig kommen?“, fragte Rainus, der die Welt nicht mehr verstand. „Unsere Pferde sind gut. Es gibt nichts Schnelleres als sie!“ „Oh doch!“, stöhnte Vilkas, der bereits wusste, was Galen vorhatte. Voller Grauen erinnerte er sich an die Begebenheit auf der Drachenfeste, als sein Freund mit ihrer Hilfe einen Verbündeten fand, den er wohl auch jetzt rufen wollte. „Bist du bereits in der Lage dazu ‚IHN‘ zu rufen?“, fragte er Galen. „Ich hoffe es.“ „Rufen? Wenn will er rufen?“ Rainus verstand überhaupt nichts mehr. Doch

niemand nahm Notiz von dem verwirrten Kommandanten, der immer noch bei seinem Pferd stand. Genauso wenig wie Herion gesehen wurde, der endlich mit seiner Kutsche bei ihnen ankam. Alle Augen hingen an Galen, der sich auf den weitesten Platz stellte, der hier zu finden war. Das Drachenblut schloss die Augen. „Talos!“, betete er stumm. „Ich bin bereit Kaiser zu werden, aber bitte, lass mich meine Liebe mit mir nehmen!“ Die Figur, die um seinen Hals hing, begann zu leuchten. „Das liegt nicht in unserer Macht, mein Sohn!“, hörte er die Stimme des Gottes in seinem Kopf. „Ich bin nur hier um dir

zu sagen, dass die Zeit drängt. Die Thalmor werden aktiv! Wenn du nicht bald deinen Platz einnimmst, können auch wir kaum mehr etwas tun, um Tamriel vor dem Zerfall zu schützen!“ „Du bist nicht gerade sehr hilfreich!“, grummelte Galen. „Du musst deinen Platz beanspruchen! Mehr können wir dir nicht raten!“ Damit hörte das Glühen auf und Galen fühlte sich wieder allein. Mit einem tiefen Seufzer streckte er sich und hob seinen Kopf gegen den Himmel. „OD AH VIING“, hallte sein Schrei in den Äther. Zum Glück war dieser Ruf einer der Schwächsten. Für diesen konnte er gerade wieder die Kraft dazu

aufbringen. Rainus zuckte zusammen. „Was… was tut er da?“, fragte er die Gefährten, die alle ein wissendes Lächeln aufgesetzt hatten. Die meisten jedenfalls. Thorald war zwar ebenfalls aufgestanden um sich das Spektakel anzusehen, doch sein Antlitz war immer noch von tiefer Trauer gezeichnet. Farkas schien auch wieder etwas von seinem Umfeld mitzubekommen. Er stand nun an einem Baum gelehnt da und redete auf sein Töchterchen ein. Mit einem Kopfnicken deutete er auf Galen und dann in die Lüfte. Das Kind hielt sich mit einer ihrer Hände an den Haaren ihres Vaters fest, während sie die Finger ihrer anderen

Hand in den Mund steckte und neugierig in die Richtung blickte, in die Farkas zeigte. Selbst Vilkas hatte sich aufgerichtet so gut er konnte um ja nichts zu versäumen. Rainus spürte, dass etwas in der Luft lag, das ihm nicht gefallen würde, doch als dieses Etwas endlich Gestalt annahm und mit einem mächtigen Schrei seine Ankunft ankündigte, wünschte er, er hätte sich niemals dem Penitus Oculatus Orden angeschlossen! Mit beiden Händen krallte er sich in das Fell seines Pferdes, das wiehernd dagegen protestierte. Doch Rainus bekam davon nichts mit. Viel zu sehr wurde seine Aufmerksamkeit von dem feuerroten Drachen in Anspruch

genommen, der soeben auf dem Platz vor Galen landete und vor dem Drachenblut grüßend sein Haupt neigte. „Nein!“, ächzte der ehrbare Kommandant des kaiserlichen Ordens. „Das… das kann nicht sein Ernst sein!“ „Doch!“, nickte Vilkas. „Wenn Galen rechtzeitig in Windhelm ankommen möchte, gibt es nur diese Möglichkeit.“ „Jetzt komm schon!“, rief Galen, der direkt neben dem Drachen stand und diesem vertrauensvoll eine Hand auf den Hals gelegt hatte. Das Biest hingegen blickte mit rotglühenden Augen und geifernden Lefzen auf Rainus. So kam es Rainus jedenfalls vor. „Odahviing hat eingewilligt uns nach Windhelm zu

bringen!“ „Der… der wird mich fressen!“, ächzte Rainus. Für ihn gab es daran keinen Zweifel. „Seht ihn euch doch an!“, rief er anklagend zu den Gefährten. „Er bringt Galen nach Windhelm und ich bin dabei die Verpflegung!“ Athis kam heran und gab Rainus einen leichten Schubs. „Du wirst doch Vertrauen in deinen Kaiser haben!“, meinte er belustigt. „Du kennst ihn doch schon seit ihr Kinder wart!“ Panisch blickte Rainus sich um. „Gerade deshalb!“, rief er. Dann fiel sein Blick auf Herion der stocksteif auf dem Kutschbock saß und wohl ebenfalls nicht glauben konnte, was er da sah. „Herion!

Sag meiner Frau dass ich sie liebe!“, rief Rainus seinem Soldaten zu. „Und dass ich in der Erfüllung meiner Pflicht hocherhobenen Hauptes starb!“ „Jetzt hör schon auf zu jammern und komm endlich!“, rief Galen ungeduldig vom Hals des Drachen aus. Er hatte das Biest bereits erklommen und trommelte ungeduldig mit seinen Fingern gegen die Schuppen seines Drachenfreundes. „Oder ich fliege alleine.“ Diese Worte schienen Rainus einen Ruck zu geben. Er war durch und durch Soldat des Penitus Oculatus Ordens. Er hatte geschworen für seinen Kaiser sein Leben zu geben und die Werte Cyrodiils bis zum Tod zu verteidigen. Nie und nimmer

würde er sich von seiner Aufgabe abbringen lassen. Auch nicht durch einen Drachen. Wenn Galen unbedingt auf einem dieser Untiere nach Windhelm fliegen wollte, dann würde Rainus ihn dabei begleiten. Selbst wenn er für dieses Biest nicht mehr als eine kleine Zwischenmahlzeit sein würde. Hocherhobenen Hauptes ließ er endlich sein Pferd los, das dankbar schnaubte und setzte sich in Richtung des Drachen in Bewegung. Die rotglühenden Augen des Biestes folgten dabei jedem seiner Schritte. Hilfreich beugte sich Galen herab, um Rainus auf Odahviings Rücken hinaufzuhelfen. Es wurde dennoch ein

beinahe erfolgloses Unterfangen, da Rainus sich scheute den Drachen zu berühren. Schließlich reichte es Odahviing und mit einem gezielten Schubs seines Hauptes, ‚half‘ er Rainus hinauf, der nur mit Mühe hinter Galen seinen Platz fand. „Wo kann man sich hier nur festhalten?“, rief Rainus entsetzt und versuchte einen einigermaßen sicheren Sitz zu finden. „Halt dich an mir an!“, riet Galen Rainus, während er sich selbst über den Hals des Drachen legte und an dessen Schädelhörnen festhielt. Dann gab er Odahviing das Zeichen zum Start. Der Drache ließ sich das nicht zweimal sagen. Vilkas, der aus seiner halb

aufgerichteten Position aus dem Geschehen zugesehen hatte, bekam das Gefühl, als würde der Drache seine Lefzen fletschen, was man direkt als ein Lachen interpretieren konnte. „Mir tut Rainus jetzt schon leid“, meinte der Herold der Gefährten, als so etwas wie der schnell verblassende Nachhall eines menschlichen Schreis zu hören war. Odahviing erhob sich jedoch viel zu rasch in die Lüfte, als dass man noch mehr von Rainus Entsetzensrufen ausmachen hätte können.

37 galen und das chaos

Eifrig huschten die Diener durch den Saal, um die große Tafel für das Abendmahl fertig zu stellen. Seit ein paar Tagen herrschte Ausnahmezustand im Palast von Windhelm, dem Sitz des Hochkönigs von Himmelsrand. So auch an diesem Abend. Einige der Gäste, sowie der gesamte Hofstaat, waren bereits anwesend und saßen angeregt plaudernd bei Tisch. Aquirana hatte es als ihre Pflicht angesehen, auch gegen den Willen ihres Gatten, einige Aushilfskräfte anzustellen, welche die anwesende Dienerschaft

bei der vermehrten Arbeit durch die Delegationen aus Cyrodiil und Hammerfell, unterstützte. Dennoch schien immer eine gewisse Hektik zu herrschen, als endlich alle Gäste versammelt waren und die Suppe aufgetragen werden sollte. Ulfric, der sich angeregt mit Aquiranas Vater, Lordkanzler Vanua unterhielt, dürfte die Ankunft seiner Tochter, die erneut in ihrer Rüstung zum Abendmahl erschien, dennoch mitbekommen haben. Ärgerlich zogen sich seine Augenbrauen zusammen, als er sein eigen Fleisch und Blut in den Boden zu starren begann. Doch Tapheira schenkte ihrem Vater nur einen aufmüpfigen Blick, bevor sie sich

zu Aquirana an den Tisch begab. „Tapheira!“, seufzte Aquirana. „Kannst du denn nicht einmal, nur um des lieben Friedens Willen, deinem Vater gehorchen?“ „Nie im Leben!“, zischte die junge Frau und warf mit Schwung ihren dicken Zopf zurück. „Schon gar nicht, wenn vielleicht heute endlich dieser Widerling aus Hochfels ankommen soll.“ Ihre eisblauen Augen sahen herausfordernd auf Ulfric, dessen Miene immer düsterer wurde. „Dieser bretonische Hänfling hat noch dazu die Unverfrorenheit, meinen Vater und alle anderen Verhandlungspartner warten zu lassen, nur weil er sich den Magen verdorben hat und eine ‚Genesungsrast‘

einlegen musste.“ Tapheira ließ sich unelegant in den Sitz plumpsen. So ungebührlich Tapheiras Etikette auch war, Aquirana musste ihr dennoch zustimmen. Sie wusste, dass auch Ulfric über das Benehmen des Abgesandten aus Hochfels empört war. Sie war sich sicher, dass er, was Tapheiras Heirat mit ihm anging, schon beinahe dazu bereit gewesen wäre, nicht mehr darauf zu bestehen. Leider war Tapheira zu stolz und zu stur, um diese Gunst der Stunde zu nutzen und ihren Vater mit ein wenig weiblichem Charme so zu umgarnen, dass er völlig davon absehen würde. „Taph“, versuchte sie es nochmals, wobei sie sich zu der aufgebrachten jungen Frau neigte,

damit niemand anderer ihre Worte erfassen könnte. „Du könntest deinen Vater so leicht auf deine Seite bringen“, flüsterte sie eindringlich. „Wäre es wirklich so schrecklich für dich, ihm zuliebe, ein Kleid anzuziehen?“ Ein dröhnender, widerhallender Schrei, dem ein unheilvolles Knirschen und Krachen folgte, hielt Tapheira von einer Antwort ab. Aller Augen blickten nach oben zur Saaldecke, von der Staub und ein paar Mauerbröckchen herab zu rieseln begannen. „Sagt bloß, Ihr habt einen Drachen in Eurem Palast?“, fragte der Lordkanzler irritiert, während seine Frau ängstlich an seinem Ärmel hing. Amphironus von

Vanua hatte schon haarsträubende Geschichten gehört, die man sich seit dem Wiederauftauchen der Drachen in Himmelsrand, selbst in Cyrodiil, erneut zu erzählen begann. Man sagte sich zwar, dass das Drachenblut die Drachen befriedet hätte, dennoch war dem Lordkanzler unwohl. Selbst wenn dieser Held der direkte Nachfahre Tiber Septims und somit der neue Anwärter auf den Kaiserthron von Cyrodiil war. Drachen erzeugten in Amphironus eine Gänsehaut, der er sich nicht erwehren konnte. Doch es schien, als würde es nicht nur ihm so ergehen. Alle in der großen Halle blickten furchtsam noch oben. Bis auf Hochkönig Ulfric. Der war

von seinem Sitz aufgesprungen und starrte eher ärgerlich denn ängstlich den herabfallenden Verputz an, der es wagte, von der Saaldecke zu rieseln. Gerade als der Hochkönig seinen Mund öffnete, um seinen herbeieilenden Dienern ein paar Anordnungen zuzurufen, wurde das Knirschen unerträglich laut, bis schließlich ein infernaler Krach vor den hohen Palasttüren widerhallte und der Boden leicht zu beben anfing. Ein paar besonders ‚mutige‘ Gäste suchten Schutz unter dem großen Tisch, darunter auch der rothwardonische Abgesandte, während Tapheira, Galmar und Ralof aufsprangen und zu ihren Waffen griffen.

Da wurden auch schon die Palast Tore aufgerissen und ein über und über mit Staub und Mauerresten bedeckter Wachsoldat stolperte von einer Staubwolke verfolgt in den großen Saal herein. „DRACHE!“, schrie er. „Ein Drache ist auf den Zinnen gelandet! Und der Westturm! Er riss ihn einfach herab!“ Mit seinen langen Beinen hatte Ulfric die Distanz bis zum Wachsoldaten rasch überwunden. Kreidebleich stand der arme Mann im Eingangsbereich des großen Saales, während der Staubschleier immer dichter in das Palastinnere eindrang. Ein weiterer Drachenschrei erklang und

danach das brausende Schlagen großer, lederner Flügel, die noch mehr Staub in das Innere beförderten. Alle im Saal duckten sich, selbst Ulfric. Erst als der Staub sich langsam legte und schimpfende Stimmen zu hören waren, welche sich dem Palast näherten, wagten sich die Ersten langsam wieder aus ihrer duckenden Haltung aufzurichten. Ulfric selbst stieß den Wachsoldaten, der voll mit dem Staub und Mörtel des Westturms war, zur Seite, um endlich nach dem Rechten sehen zu können, als sich zwei Gestalten aus der immer lichter werdenden Staubwolke herausschälten und ihrerseits den Palast betraten. „Das verzeihe ich dir nie, Tiber!“, keifte

eine der Gestalten. „Nie! Den ganzen Tag über habe ich nichts zu essen bekommen, musste gegen Vampire und sonstige Widerlinge kämpfen, nur um jetzt auch noch mein spärliches Morgenmahl verlieren zu müssen! Von meinem Stolz ganz zu schweigen!“ „Ich habe mich doch bereits zum tausendsten Mal bei dir entschuldigt!“, gab die zweite Gestalt von sich. „Und jetzt bitte ich dich um ein wenig Unterstützung. Die Angelegenheit ist heikel genug!“ In Ulfric begann alles zu schäumen. Diese Stimme mit dem einzigartigen Timbre, seiner nicht ganz unähnlich, würde er unter tausenden wieder

erkennen. „Galen!“, knirschte er zornerfüllt, bevor er sich den beiden Gestalten in den Weg stellte, welche bereits mitten im Saal standen und sich umständlichen den Staub von den Rüstungen zu klopfen begannen. Hinter ihnen wurde das gesamte Chaos sichtbar, das der herabfallende Westturm im Vorhof des Palastes angerichtet hatte. Weitere Wachsoldaten standen wild gestikulierend um all die Trümmer herum, die vom einst herrschaftlich herausragenden Turm übrig geblieben waren, nachdem er von seinem angestammten Platz heruntergefegt worden war. Sämtliche anwesende Personen starrten

mit aufgerissenen Mündern auf das Chaos oder auf die beiden kaiserlichen Männer, von denen einer eine seltsam gehörnte Rüstung trug, während der andere eindeutig die Uniform eines Penitus Oculatus Kommandanten am Leibe hatte. Dennoch wirkten sie nicht vertrauenerweckend. Im Gegenteil. Der Staub und das Blut, das ihnen noch auf den Rüstungen klebte, nicht zu vergessen die Löcher, die einer von ihnen in seinem Harnisch aufwies, erweckten eher den Eindruck marodierender Banditen, denn ehrbarer Krieger. Umständlich putzten die beiden ihre ramponierten Rüstungen weiter von dem Staub ab, bis ihnen zu Bewusstsein zu

kommen schien, dass alles um sie herum unnatürlich still war. Irritiert blickten sie auf und direkt in Hochkönig Ulfrics wütendes Antlitz. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er da und die Wellen seines Zorns schwappten mit voller Wucht über die beiden Eindringlinge. „Galen!“, knurrte Ulfric schließlich mühsam beherrscht, damit nicht der gesamte Saal Zeuge wurde. „Als ob ich es mir nicht hätte denken können, dass nur du die Unverfrorenheit hast, mit einem Drachen meinen Palast in Schutt und Asche zu legen!“ Er machte einen großen Schritt auf das Drachenblut zu und kam ihm mit seinem Gesicht sehr

nahe. „Machst du das eigentlich mit Absicht? So viel Ungeschicklichkeit, die du an den Tag legst, kann doch nicht wirklich nur Pech oder unglücklicher Zufall sein!“ „Ulfric!“, grüßte Galen und verdrehte innerlich die Augen. Das mit dem Drachen war mehr als schief gelaufen. Sie waren zwar in kurzer Zeit nach Windhelm gekommen, doch zu welchem Preis? Das schlechte Bild, das Ulfric bereits von ihm hatte, würde sich wohl noch weiter vertiefen. Odahviing hatte aber keinen geeigneten Landeplatz gefunden. Vor allem, wo vor der Stadt ein ganzes Heer aufzumarschieren schien. Und gerade bei Odahviings

Ausweichmanöver passierte Rainus das Missgeschick. Er musste sich übergeben. Zum Glück lag der Drache gerade in einer Flugkurve, sodass der Mageninhalt nicht über Galen oder den Drachen selbst verteilt wurde, sondern direkt hinab auf die nach oben starrenden Bretonen fiel. Ihnen blieb aber nicht genug Zeit nach dem Rechten zu sehen, da Odahviing bereits auf den Zinnen des Palastes landete und Galen hieß abzusteigen. Die vielen Menschen, die aufgeregt auf ihn starrten und die Waffen, die sich auf ihn richteten, machten den roten Drachen verständlicherweise nervös. Dabei schlug er wohl ein wenig zu heftig mit seinem gehörnten Schwanzende aus und der

Westturm landete krachend im Schlosshof. Galen und Rainus hatten Glück, dass außer Staub und Mauerresten, nicht mehr auf ihnen gelandet war. Der Schaden war dennoch angerichtet. Noch dazu begann Rainus nun voller Empörung auf ihn ein zu schimpfen. Galen konnte ihn ja verstehen, aber der Zeitpunkt war ausgesprochen ungünstig, was man an Ulfrics Gesichtsausdruck unmissverständlich ablesen konnte. Galen, der sich kaum um irgendwelche Konventionen scherte, spürte nun, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Hier ging es schließlich um seine Liebe! Rainus und er waren in eine große Gesellschaft

hineingeplatzt. Vielleicht war das sogar schon die Hochzeitsgesellschaft, die sich hier versammelt hatte, um das Bündnis zu feiern. Die vielen Soldaten, die sie vor der Stadt lagern sahen, waren dann wohl die Reisebegleitung des Bräutigams! In Galen stieg langsam Panik auf. Er musste sich mit Ulfric irgendwie wieder gutstellen! „Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen!“, versuchte er so harmlos wie möglich die angespannte Situation ein wenig zu beruhigen. „Doch ich muss dich unter vier Augen sprechen! Es ist dringend!“ Aquirana, welche Tapheiras Zusammenzucken sofort bemerkt hatte,

als die beiden Gestalten im Staub langsam sichtbar wurden, konnte die junge Frau gerade eben noch zurückhalten. Tapheira war drauf und dran gewesen sich sofort zu den Ankömmlingen zu stürzen. „Wenn du nicht alles was dir lieb ist kaputt machen möchtest, dann bleib!“, sagte die Hochkönigin eindringlich. „Aber… das ist Galen!“, rief Tapheira und wand sich unter Aquiranas Griff, der erstaunlich fest war. „Ich bin mir absolut sicher! Ich muss zu ihm! Jetzt, wo er endlich gekommen ist!“ „Taph!“, rief Aquirana, als es der jungen Frau gelang sich zu befreien und sie sich anschickte vorwärts zu

eilen. „Ich muss zu ihm!“, rief Tapheira nochmals und stolperte in ihrer Eile über Stuhlbeine und herumwuselnde Lakaien, welche damit ihren Weg verlangsamten. Sie musste sogar Umwege machen, da jetzt auch noch Dienstboten mit den großen Tabletts, auf denen die Suppenschüsseln standen, aus der Küche hervor kamen. Fluchend versuchte sie sich dennoch ihren Weg zu bahnen, was aber in einem Desaster endete. Etwas weiter von ihr entfernt standen sich ihr Vater und Galen immer noch streitlustig gegenüber. „Ist dir bewusst, dass du bei einem der wichtigsten Treffen in der Geschichte

Himmelsrands, in meinen Palast eingedrungen bist?“ Ulfrics Adern am Hals traten gefährlich hervor. „Und nicht nur das! Du landest dabei mit einem DRACHEN auf meinen Zinnen! Wie verrückt kann man eigentlich noch sein? Egal was du für Himmelsrand getan hast, das geht eindeutig zu weit!“ Sein Blick bekam jetzt etwas sehr Bedrohliches. „Von deiner Unverschämtheit meiner Tochter gegenüber ganz zu schweigen! Dafür hätte ich dich längst köpfen lassen müssen!“ „Ulfric, bitte!“, wandte Galen ein. „Ich weiß, das hier kommt ungelegen und ist wieder einmal eine vertrackte, unglückliche Situation zwischen uns.

Bitte, lass uns unter vier Augen sprechen. Es ist mir wirklich ernst und ich möchte nicht hier, vor deinen Gästen mit dir zu diskutieren beginnen!“ Hochkönig Ulfric verschränkte mit versteinertem Gesicht erneut seine Arme vor der Brust. Es stand ihm nicht der Sinn nach einer Diskussion. Schon gar nicht mit Galen. Galen war ein unzuverlässiger Geselle, ein Störenfried, der seine Tochter entehrt hatte – dabei war es Ulfric egal ob er gewusst hatte, dass Tapheira seine Tochter war oder nicht – der ihn vor der Entscheidungsschlacht im Stich gelassen hatte, als es im Bürgerkrieg zum Endkampf kam, nur um irgendwelchen

Artefakten für einen völlig unbekannten Magier-Orden nachzujagen und zur denkbar ungünstigsten Zeit erneut in Ulfrics Leben trat, noch dazu mit einem Drachen, der zu allem Übel noch seinen halben Palast dabei in Schutt und Asche gelegt hatte! Nein, Ulfric wollte kein Wort mit diesem dahergelaufenen Vagabunden wechseln. Das Maß seiner Duldsamkeit war endgültig übergelaufen. „Zwischen uns gibt es nichts mehr zu bereden!“, herrschte der Hochkönig bestimmt und machte Anstalten sich zu seinen Soldaten umzudrehen. „Du bist eindeutig zu weit gegangen. Bis ich entschieden habe, was mit dir geschehen soll, kannst du meine Verliese kennen

lernen. Diese sind zum Glück noch unbeschädigt.“ Rainus erbleichte. Dass es zwischen Galen und dem Hochkönig so schlecht stand, dass dieser ihn sogar einkerkern wollte, hatte sein Freund mit keiner Silbe erwähnt. Aber auch Galen schien schockiert über Ulfrics Reaktion zu sein. „Höre Ulfric!“, begann er. „Das mit Einsamkeit und der Entscheidungsschlacht tut mir leid. Doch ich musste dem Psyjic-Orden helfen. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre wohl in Himmelsrand kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Es ging um Kräfte, welche sich die Thalmor damals schon zunutze machen wollten.“

„Du kannst mir jetzt viel erzählen!“, schnaubte Ulfric. „Tatsache war, dass die Macht deiner Stimme die Mauern von Einsamkeit niedergerissen hätte. Das Sterben so vieler guter Männer hätte damit verhindert werden können! Auf beiden Seiten! Es wäre nur ein Schrei gewesen, den ich von dir verlangt hätte, aber du warst schon über alle Berge.“ „Es tut mir leid!“, rief Galen. „Glaubst du mir sind all die Toten egal, die in dieser Schlacht gestorben sind? Doch ohne mein Eingreifen bei den Magiern, hätte es weitaus mehr Tote gegeben! Halb Himmelsrand wäre ausgelöscht

worden!“ „Genug!“, herrschte Ulfric. „Ich glaube dir kein Wort! Und an deine Ehrlosigkeit meiner Tochter gegenüber, möchte ich nicht einmal denken!“ Gerade als er seinen Wachen befehlen wollte, Galen und dessen Begleiter in den Kerker zu werfen, fühlte sich Ulfric ein wenig zur Seite geschoben. Er wollte schon aufbrausen, doch es war Lordkanzler Vanua, der mit fassungslosem Gesichtsausdruck neben ihm stand und auf den Begleiter Galens starrte. „Kommandant Vel!“, rief der Lordkanzler mit bebender Stimme. „Was habt Ihr hier zu suchen? Noch dazu ohne eure Leute? Ihr habt doch den wichtigsten Auftrag,

den es jemals zu erfüllen galt!“ Rainus, der den Lordkanzler erst jetzt erkannte, erbleichte noch mehr. Sein Gesicht sah nun wahrlich grün aus. Nicht nur, dass ihm immer noch übel vom Drachenflug war, so begegnete er hier dem Menschen, mit dem er absolut nicht gerechnet hatte. Es schien sich wirklich alles gegen ihn und Galen verschworen zu haben. „Lo… Lordkanzler!“, stammelte Rainus verdattert und versuchte seine glatten, schwarzen Haare wieder ein wenig in Ordnung zu bekommen. „Ich… ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr die Delegation nach Himmelsrand begleiten würdet!“ „Nun, zu unserem eigenen Schutz, haben

wir das nie öffentlich bekannt gegeben, das ist wahr“, räumte Amphironus von Vanua ein. „Aber was hat das mit Eurer Anwesenheit hier zu tun! Sagt mir bitte nicht, dass die wichtigste Mission im Namen Cyrodiils, ein Fehlschlag war!“ Rainus wand sich und sah hilfesuchend zu Galen, der aber keinerlei Anstalten machte, ihm zu Hilfe zu kommen. Dazu war er jetzt viel zu abgelenkt. Seine Auseinandersetzung mit Ulfric hatte er scheinbar auch vergessen und mit einem Lächeln, das immer breiter wurde, blickte er in eine völlig andere Richtung, in der sich ein Knäuel Menschen befand, das in einem Durcheinander mit dampfenden Suppenschüsseln am Boden

zappelte. Daraus erhob sich tretend und fluchend eine junge Frau, deren Augen nur an Galen hingen und die Anstalten machte, schnellstmöglich zu ihm zu gelangen. Ulfric heftete seine Aufmerksamkeit nach den Worten des Lordkanzlers von Galen weg auf Rainus, der sich nun sogar von zwei machterprobten Männern unter die Mangel genommen sah. „Was meint Ihr, Lordkanzler Vanua?“, fragte Ulfric mit leichtem Misstrauen in der Stimme. „Was gibt es Wichtigeres, als unsere Verhandlungen? Jetzt, wo die Thalmor bereits Anstalten machen sich langsam direkt gegen Cyrodiil und alle anderen, nichtmerischen Staaten zu

stellen?“ Doch Amphironus von Vanua ignorierte Ulfrics Fragen. Wie mit Messerstichen bohrte sich sein Blick in Rainus Augen, der nicht mehr wegsehen konnte. „Kommandant Vel! So sprecht gefälligst“, herrschte der Lordkanzler den armen Kommandanten des Penitus Oculatus Ordens an. „Aber… das… das ist doch das Drachenblut!“, rief er schließlich verzweifelt aus und deutete auf Galen, dessen Aufmerksamkeit nur mehr der jungen Frau galt, die sich soeben jauchzend in seine Arme warf. Alle Blicke richteten sich gleichzeitig auf Galen und Tapheira, die sich vor

allen Anwesenden tief küssten. Hochkönig Ulfric sah dabei aus, als würde ihm sein hochroter Kopf jeden Augenblick von den Schultern springen, während Lordkanzler Vanua ungläubig seine Kinnlade auf und ab bewegte. Doch davon bekamen weder Galen noch Tapheira etwas mit. „Das… das ist das Drachenblut? Tiber Septims direkter Nachfahre?“ Lordkanzler Vanua riss seinen Blick von dem verliebten Paar los und bohrte ihn wieder in Rainus Vels grünliches Gesicht. „Und Ihr erlaubt Euch keinen schlechten Scherz mit mir?“ „Bei meinem Leben!“, schwor Rainus, „Ich würde Euch niemals belügen oder es

wagen, einen Scherz mit Euch zu treiben! Der dunkelblonde Mann in der Drachenschuppenrüstung ist Tiber Galenus Manebarba, der direkte Nachkomme Tiber Septims!“ „Und da habt Ihr nichts Besseres zu tun als ihn hierher zu bringen? Er muss sofort in die Kaiserstadt, nach Cyrodiil!“, rief Lordkanzler Amphironus von Vanua aufgebracht. „Das hat höchste Priorität!“ Dann legte er eine Hand auf sein Herz. „Ich muss mich setzen!“, stöhnte er schließlich und taumelte auf die nächstbeste Sitzgelegenheit zu, welche ein aufmerksamer Lakai in seine Nähe gestellt hatte. Doch nicht nur er war wie vom Donner gerührt. Auch

Hochkönig Ulfric, der zuerst Galen in der Luft zerreißen wollte, als dieser es wagte vor dem versammelten Hofstaat Tapheira zu küssen, wurde von Rainus Worten in seinem Wutausbruch gezügelt. Ungläubig blickte er von Galen und seiner Tochter, die jetzt flüsternd beieinanderstanden, zu Rainus und dem Lordkanzler. „Wollt Ihr damit sagen, dass Galen, dieser… dieser unzuverlässige Vagabund hier in meiner Halle, der zukünftige Kaiser von Cyrodiil sein soll?“ „Wenn er das Drachenblut ist, das Himmelsrand von Alduin befreit hat, dann ja“, nickte Lordkanzler Vanua. Ulfric wollte es am liebsten seinem

Schwiegervater gleichtun und auf der nächstbesten Sitzgelegenheit zusammensinken. Doch dieser Gefallen wurde ihm nicht getan. Wie hätte das auch ausgesehen? Jetzt galt es zuerst einmal einen kühlen Kopf zu bewahren. Besser gesagt als getan. Vor allem, wenn er auf die Seite blickte und seine Tochter glückselig in Galens Armen liegen sah. Das war der Zeitpunkt in dem nur mehr der Vater reagierte und nicht der weise Monarch und schon gar nicht der kühle Kopf eines Diplomaten. Wie ein wütendes Mammut schickte Ulfric sich an auf die beiden Turteltauben zuzueilen, da knirschte es und weitere Besucher traten in den Palast ein, wobei sie erneut

eine Wolke an Staub und Schutt mit sich brachten. „Ein Bad!“, herrschte eine affektierte Stimme Ulfric an. „Ich benötige sofort ein Bad!“ Stinkend und triefend stand ein junger Mann in königlicher Garderobe vor dem Hochkönig Himmelsrands. Die Farben an seiner Kleidung wiesen ihn als Isildors Sohn aus, der gekommen war, um Ulfrics Tochter zu ehelichen. Sein verweichlichtes rundes Gesicht, das von rötlichen Haaren umrahmt war, blickte herrisch um sich. „Verzeiht, eure Lordschaft!“, verneigte sich ein ebenfalls in königliche Gewänder gehüllter Mann vor dem

Hochkönig. Er war leise an dem zeternden Prinzen vorbeigetreten. „Mein Name ist Isindar. Ich bin der Bruder des Königs von Hochfels und ebenfalls Gesandter der Delegation. Leider zwangen meinen Bruder die Unruhen im eigenen Land, vor Ort zu bleiben.“ Er zog eine Rolle hervor, die ein herrschaftliches Siegel aufwies. „Dafür bin ich ermächtigt worden, die Verhandlungen im Namen meines Bruders und unseres Staates Hochfels, hier zu führen.“ „Wo bleibt mein Bad!“, mischte sich die affektierte Stimme ein. „Und ich bitte im Namen meines Neffen um Verzeihung“, verneigte sich Isindar.

„Doch ein Drache spie seinen stinkenden Speichel auf ihn. Könnte ein Diener ihm wohl den Gefallen tun und ihn in seine Gemächer führen, damit er sich reinigen kann?“ Rainus, der alles aus nächster Nähe mitbekam wurde zuerst immer kleiner, als er den Zustand des Prinzen sah. Sein Mageninhalt hatte sich scheinbar punktgenau auf diesen Widerling ergossen. Das Glück war, dass alle annahmen, der Drache hätte es ausgespien. Dennoch widerte es den Kommandanten des Penitus Oculatus Ordens an. Und wie es schien, nicht nur ihn. Ulfric, dem das Chaos das momentan in

seinem Palast herrschte langsam über den Kopf wuchs, wandte seine Nase rümpfend ab und befahl einem der herumeilenden Lakaien den Prinzen in seine Gemächer zu führen und ihm ein Bad bereit zu stellen. „Warum nicht gleich?“, näselte der Bretone. „Und säubert Euren Palast! Hier sieht es ja aus, wie nach einer Schlacht! Ihr Nord seid ja noch weitaus primitiver als Euer Ruf!“ Dem Gesandten Isindar aus Hochfels wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Doch eine weitere Entschuldigung verhallte ungehört. Hochkönig Ulfric gefror mitten in der Bewegung und schickte mit einem Wink den Lakaien

wieder von dannen. Das Maß war endgültig voll und beinahe hörbar riss der Geduldsfaden des Hochkönigs, der seit der Drachenlandung bereits weit über die Gebühren des Erträglichen ausgedehnt worden war. Rainus blieb nur übrig sich zu ducken, während sich Ulfrics Zorn über dem stinkenden und triefenden Prinzen von Hochfels entlud. „RAUS!“, schrie Ulfric mit Donnerstimme, welche die Ohren aller Anwesenden klingeln ließ. „Verlasst sofort mein Anwesen! Niemand beleidigt mich oder mein Volk in meinem Beisein! Und sei es der Kaiser von Cyrodiil persönlich!“ Sein Blick fuhr kurz zu Galen, der immer noch nichts von all

dem Tumult mitzubekommen schien. Dann fixierte er jedoch wieder den Gesandten aus Hochfels. „Solange sich Euer Neffe nicht zu benehmen weiß, soll er bei seinen Soldaten unterkommen. Wenn das ein Affront für Euch ist, lassen wir die Verhandlungen gleich versiegen, bevor wir sie aufnehmen. Meine Geduld ist am Ende. Dann entledigt Euch eben selbst des Thalmor Problems, oder paktiert mit ihnen, ganz nach Eurem Belieben!“ Der Gesandte aus Hochfels wurde hochrot. „Das Benehmen meines Neffen war ungebührlich“, versuchte er den Eklat ein wenig zu mildern. „Doch das hat nichts mit unserem Wohlwollen zu

tun.“ „Ich schlafe doch nicht beim gemeinen Volk!“, rief der Prinz brüskiert dazwischen. Das reichte scheinbar auch seinem Onkel Isindar. Mit bretonischen Worten, die keinen Widerspruch duldenden, hieß er ihn wohl endlich sein Schandmaul zu halten. Jedenfalls wurde der Soldat, der die beiden begleitet hatte angeleitet, den Prinzen in das Heerlager oder zumindest in die Herberge hier in der Stadt zu geleiten. Das beleidigte Gezeter des verweichlichten Bretonen war noch einige Zeit zu hören, dann stellte sich endlich Ruhe ein. In Ulfric tobte immer noch der Zorn vor

so viel Unverschämtheit. An Galen, seine Tochter und den zerstörten Westturm durfte er gar nicht denken. Und erst recht nicht an die Ankündigung des Lordkanzlers, dass das Drachenblut der nächste Kaiser von Cyrodiil werden sollte. Das war etwas, das er nicht glauben konnte und auch nicht glauben wollte. Es wäre der Anfang vom Ende. Davon war Ulfric überzeugt. Galen und Chaos waren ein und dasselbe. Anders konnte es nicht sein. Oder wie erklärten sich sonst die ganzen Tumulte, die seit seinem Eintreffen auf Ulfric und seinen Palast eingeprasselt waren? Am besten wäre es, wenn er sich auch dieses Problems sofort entledigen würde.

Der Kerker war doch eine gute Idee gewesen! Doch genau diese brillante Idee würde Ulfric nun nicht mehr umsetzen können. So wie es aussah, war Lordkanzler Amphironus von Vanua tatsächlich der Meinung den zukünftigen Kaiser von Cyrodiil vor sich zu haben. Und dieser angebliche Kaiser von Cyrodiil hatte nun seinerseits nichts anderes zu tun, als die Tochter des Hochkönigs vor aller Augen zu begrabschen! Was musste sich Ulfrich in seinem eigenen Palast eigentlich noch alles bieten lassen? Knurrend und beide Hände zu Fäusten geballt starrte er auf Galen, der die Unverschämtheit hatte, nicht einmal auf das aufdringliche

Räuspern dieses seltsam durchlöcherten Kommandanten des Penitus Oculatus Ordens zu hören, der mittlerweile sogar mit dezenten Ellbogenstößen versuchte, die Aufmerksamkeit Galens zu bekommen. Möglicher Kaiser hin oder her, hier hörte sich der gute Ton auf. Ulfric war nahe dran Galen wie ein lästiges Insekt von seiner Tochter hinwegzufegen. Gerade, als er mit seinen langen Beinen zu den immer noch verzückten und nichts anderes mitbekommenden Galen eilen wollte, spürte er die kühlen Hände seiner Gemahlin, die an ihn herangetreten war und ihn beruhigend am Handgelenk fasste.

„Ulfric!“, sagte sie leise an seiner Seite. „Was immer du auch vorhast, bitte lass es. Dieses Drachenblut wird nichts Ungebührliches tun!“ „Aber nur, weil er das bereits getan hat!“, schnaubte der Hochkönig. Aquirana spürte wie aufgebracht ihr Gemahl war. So sanft wie nur möglich, versuchte sie erneut auf ihn einzuwirken. „Bitte, Ulfric“, sagte sie. „Die Gäste aus Hammerfell warten. Lass uns zuerst den Abgesandten aus Hochfels ebenfalls zu Tisch bitten. Alles Weitere kann später entschieden werden.“ Lordkanzler Vanua hatte sich erhoben und ebenfalls an Ulfrics Seite gestellt.

„Hört auf Eure Gemahlin…“, sagte er zu ihm, „… gerade jetzt sollten wir nichts überstürzen. Und schon gar nicht etwas, das Eure Tochter und den künftigen Kaiser von Cyrodiil angeht.“ Eindringlich sah er Ulfric in die Augen, dann wandte er sich an Isindar, der unangenehm berührt noch immer an seinem Platz stand und auf eine Einladung in das Innere des Palastes wartete. „Mein Name ist Amphironus von Vanua“, sprach er gewichtig. „Ich bin Lordkanzler von Cyrodiil und dort an der Tafel sitzt bereits der rothwardonische Abgesandte von Hammerfell. Wir haben nur auf Ihre geschätzte Ankunft

gewartet, um mit den Verhandlungen beginnen zu können. Es wäre jammerschade, das große, bedeutende Treffen, durch das unflätige Benehmen eines Einzelnen abzubrechen.“ „Das ist auch ganz in meinem Ansinnen“, versicherte Isindar nun auch vor Amphironus und nickte grüßend in die Richtung des Rothwardonen. „Ich bitte nochmals um Verzeihung wegen meines Neffen. So ein Affront wird nie wieder vorkommen.“ Ein mächtiger Seufzer entkam Ulfric. Einen letzten vernichtenden Blick schickte er noch an Galen, Rainus und seine Tochter, dann wandte er sich ebenso an Isindar, den Gesandten von

Hochfels. Die Verhandlungen hatten eben Vorrang. „Dann lasst uns endlich mit dem Abendessen beginnen und bei ein paar Humpen Met die unliebsamen Begegnungen vergessen, damit wir morgen mit den Besprechungen beginnen können. Ihr seid als Abgesandter natürlich herzlich willkommen in meinem Palast. Für Euer Wohlergehen wird gesorgt werden.“ Isindar quittierte diese Aussage mit einem Neigen seines Kopfes und ließ sich von Aquirana zum Tisch geleiten. Lordkanzler Vanua folgte ihnen, während Ulfric noch seinen Männern Anweisungen wegen des Westturms zukommen ließ. Er wollte gerade weitere

Befehle geben, als Tapheira an ihn herantrat und ihn böse in Grund und Boden starrte. „Was?“, fuhr er sie ungehalten an. Seine Nerven waren zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht mehr die besten. „Hältst du immer noch an deinem Wunsch fest, was meine Heirat mit dem Prinzen von Hochfels angeht?", fragte sie empört. „Nein!“, rief Ulfric. „Dieser Widerling ist keine Option! Doch was diesen…“ Seine Hand deutete anklagend auf Galen. „…diesen Vagabunden betrifft, ist immer noch nicht das letzte Wort gesprochen!“ „Vater!“, rief Tapheira aufgebracht. „Nichts da!“, schnitt ihr Ulfric das Wort

ab. „Ich habe für heute genug Auseinandersetzungen gehabt. Du ziehst dir jetzt schleunigst ein Kleid an und ihr“, dabei deutete er auf Galen und Rainus, „bekommt ein Gemach, indem ihr euch reinigen könnt und auch ein Abendmahl gereicht bekommen werdet. Doch du wirst verzeihen, mein Bester…“, wandte er sich nun speziell an Galen, „…dass mein Vertrauen nur bedingt ist. Wachen werden vor eurem Zimmer aufgestellt werden, das ihr nicht mehr verlassen werdet.“ Etwas leiser fügte er noch an. „Und danke meinem Schwiegervater. Wenn er und seine seltsame Annahme nicht wäre, du wärst der künftige Kaiser von Cyrodiil, würde

ich dich mit Freude in den Kerker werfen lassen!“ Galen schluckte schwer. Er wusste, dass Ulfric ihm die Sache bei Einsamkeit übel genommen hatte. Doch wie sehr, hatte er wohl unterschätzt. Ulfric, mit dem ihn beinahe ein Freundschaftsverhältnis verbunden hatte, wirkte zu allem entschlossen. Mit einem Wink beorderte dieser nun einem Lakaien ihnen ein Zimmer zuzuweisen. Dabei trat er dicht an Galen heran. „Selbst wenn Lordkanzler Vanua Recht behalten sollte – meine Tochter wirst du nicht bekommen. Niemals!“ Damit drehte sich Ulfric auf der Stelle um und folgte den anderen zur Tafel.

Galen blieb nur übrig ihm nachzustarren. „Puh“, seufzte Rainus an seiner Seite. „Ich dachte wirklich schon, der Vater deiner Angebeteten, zerreibt uns zwischen seinen bloßen Händen. Zuzutrauen wäre es ihm. Der geht ja über Leichen!“ „Ach halt bloß deinen Mund!“, schnaubte Galen und schritt zu dem Lakaien, der sie unmissverständlich aufforderte ihm zu folgen. Ihnen schlossen sich auch sofort zwei Wachsoldaten an. „Ein Zimmer und ein Bad sind besser als der Kerker, aber dieser sture, uneinsichtige Nord bringt jetzt langsam auch meine Geduld zum

Zerreißen!“

38 die macht des drachenblutes

Unruhig lief Galen im Zimmer auf und ab. Es war bereits kurz vor Mittag und noch immer ließ sich niemand sehen, der sie aus ihrer Gefangenschaft befreit oder zumindest mit ihnen darüber gesprochen hätte. Nicht, dass sich Galen, was die Unterbringung und die Verpflegung betraf, beschweren hätte können, aber, dass nicht einmal Lordkanzler Vanua, dem doch so viel daran gelegen schien ihn ausfindig zu machen, zu ihm kam, frustrierte ihn. „Jetzt lass es gut sein, Tiber!“, murmelte Rainus schläfrig. Durch das Nichtstun

lümmelte er entspannt am Bett und blickte zu seinem nervösen Freund. „Der Lordkanzler sieht das sicherlich sehr pragmatisch.“ „Was bitteschön?“, ätzte das Drachenblut. „Dass der zukünftige Kaiser von Cyrodiil – abgesehen davon, dass ich diese Rolle niemals übernehmen wollte – wie ein Gefangener behandelt wird? Irgendwie bekomme ich Zweifel, dass diesem… diesem Amphironus überhaupt irgendwas an mir liegt.“ „Das meine ich nicht.“ „Sondern was?“ „Dass du in seinen Augen hier drinnen, mit mir an deiner Seite und zwei Wachsoldaten vor der Türe, auf jeden

Fall sicherer aufgehoben bist, als unten bei allen anderen.“ Ein dumpfer Schlag ertönte, der Rainus zusammenzucken ließ. Wutentbrannt hatte Galen seine Faust gegen das Fensterbrett sausen lassen. „Das soll meine Rolle sein?“, fauchte er. „Reduziert zu einem Ausstellungsstück, das rund um die Uhr beschützt werden muss, während der Lordkanzler Verhandlungen im Namen Cyrodiils führt? Ich dachte, als Kaiser wäre das meine Aufgabe!“ Rainus richtete sich auf. Jede Schläfrigkeit war aus ihm gewichen. „Gut!“, rief er. „Endlich beginnst du wirklich wie ein Monarch zu

denken!“ „Ach was!“, keifte Galen, der das Nichtstun und vor allem die Ungewissheit nicht aushielt. „Soll er sich doch wichtigmachen, dieses uralte Relikt.“ „Wer ist ein uraltes Relikt? Meint Ihr etwa mich, Hoheit?“ Erschrocken fuhr Galen herum. Weder er noch Rainus hatten bemerkt, wie der Lordkanzler in ihr Gemach eingetreten war. Hinter ihm wurde die Türe wieder verschlossen. Rainus federte sofort hoch und verneigte sich vor dem Obersten des Ältestenrates. Galen dagegen blickte ihm finster entgegen. „Ehrlich gesagt ja!“, rief er aufgebracht.

„Einerseits soll ich den Kaiserthron von Cyrodiil wieder füllen doch andererseits, wollt Ihr nicht, dass ich wirklich etwas für mein Land tue!“ Amphironus von Vanua entgegnete nichts, sondern setzte sich auf einen Stuhl und blickte eingehend auf Galen. „Ihr seht das völlig falsch“, meinte er schließlich. „Eure Sicherheit geht im Moment bevor. Vielleicht hat Kommandant Rainus Vel Euch nicht davon berichtet, aber die Thalmor haben systematisch alle Thronanwärter mitsamt deren Familien ausgerottet. Nichts liegt mir ferner, als Euch zu bevormunden, aber…“ „Vielleicht hat man Euch nicht erzählt,

wer ich bin!“, rief Galen, der immer wütender wurde. „Ich neige nicht dazu mit meinen Taten zu prahlen, aber man nennt mich nicht umsonst das Drachenblut! Ich habe Alduin besiegt, den Weltenfresser! Glaubt Ihr wirklich, ich kann mich nicht verteidigen? Dass ich diese Behandlung bisher toleriert habe, liegt nur an meiner Liebe zu Tapheira. Ich möchte mich mit Ulfric wieder gut stellen, nur für sie! Obwohl ich langsam Zweifel bekomme, ob das überhaupt noch möglich ist!“ „Das ehrt Euch!“, bekräftigte Amphironus von Vanua. „Dann steht endlich hinter mir und lasst mich nicht wie einen Gefangenen hier

drinnen verrotten!“ Galen spürte wie er langsam aber sicher seine Beherrschung verlor. Aber mittlerweile war es ihm egal. „Ansonsten werde ich die Dinge auf meine Art regeln. Dann könnt Ihr Euch Euren Kaiser von wer weiß wo herholen, doch mich vergesst! Und auch Ulfric kann mich vergessen! Denn ich werde mit ihm ein für alle Mal unseren Zwist klären. Ich habe endgültig genug.“ Mit einer raschen Bewegung, die weder Rainus noch Amphironus so richtig erfassen konnte, drehte sich Galen zur versperrten Tür. „FUS RO DA!“, schrie er, was die schweren Türflügel krachend aus den Angeln hob.

Das hätte er schon früher tun sollten! Galen spürte wie er aufatmete. Er hatte sich bereits viel zu viel gefallen lassen. Mit Ulfric würde er wohl kaum wieder auf einen guten grünen Zweig kommen. Dann musste Tapheira ihm eben ohne den Segen ihres Vaters folgen. Dass sie das tun würde, hatte sie ihm in ihrer kurzen Zweisamkeit, währen in der Halle alles in Aufruhr war, geschworen. Galen hatte also nichts zu befürchten, was sie betraf. Und was den Lordkanzler anging, so war es ihm mittlerweile ebenfalls egal, was dieser von ihm hielt. Galen wollte nicht Kaiser werden. Zumindest nicht so, wie die Räte in gerne sähen würden: schwach

und als Marionette. Wenn Lord Vanua ihn haben wollte, musste er ihn nehmen wie er war. Die Wachsoldaten, die vor der Tür gestanden hatten, waren noch rechtzeitig zur Seite gesprungen als die Türen nach außen geschleudert wurden. Ihnen war nichts geschehen. Doch es war noch jemand gekommen, um die ‚Gefangenen‘ zu besuchen. Hochkönig Ulfric höchstpersönlich. Nur seine geistesgegenwärtige Reaktion bewahrte ihn davor, von den Türen erschlagen zu werden. Sein Ruf: „FEIM“, hatte ihm das Leben gerettet. So stand er jetzt immer noch leicht durchsichtig vor dem Gemach und starrte hasserfüllt auf

Galen. Doch Galen war bereits jenseits der Vernunft angelangt. „Wie schön!“, rief er, als er Ulfric in der Türöffnung stehen sah. „Genau mit dir wollte ich reden!“ Ulfrics Durchsichtigkeit hob sich langsam auf. Nicht so seine Wut. Dabei war er gekommen, um mit Galen tatsächlich ein Gespräch zu führen. Aquirana und Tapheira hatten ihn solange bearbeitet, bis er zugestimmt hatte. Doch das war angesichts dieses Geschehens wieder vergessen. „Wie schön!“, antworte Ulfric mit Grabesstimme. „Wie ich sehe, hast du endlich den Possenreißer aufgegeben und zeigst uns jetzt dein wahres

Gesicht!“ „Genau!“ Galen spürte wie Rainus versuchte ihn zurück zu ziehen, doch er schüttelte ihn ab, wie ein lästiges Insekt. Er wollte ein für alle Mal die Dinge mit Ulfric ins Reine bringen. „Du wirst dir noch wünschen, ich wäre tatsächlich der chaotische Nichtsnutz, den du in mir siehst!“ „Wenigstens können wir jetzt die Dinge klären wie wahre Männer! Lass uns ein Duell ausfechten. Ohne unsere Thu’um. Wenn du es wagst!“ „Nichts lieber als das!“, rief Galen und stürmte auf Ulfric los, der seinerseits Anstalten machte, sich auf das Drachenblut zu werfen.

„Bei den Göttern! So haltet doch ein!“, rief der Lordkanzler, während sich Rainus mit einem Hechtsprung zwischen die beiden Kontrahenten warf. Wenn es sein müsste, würde er seinen Kaiser und Freund auch gegen den Hochkönig verteidigen. Drohend baute er sich mit gezogener Waffe vor Ulfric auf. „So ist das also“, höhnte der Hochkönig. „Du musst dich hinter deiner Leibwache verkriechen!“ Wütend schubste Galen Rainus aus dem Weg, doch diesmal blieb sein Freund standhaft. „Tiber! Halte ein!“ Galen drückte Rainus erneut auf die Seite. „Geh mir aus dem

Weg!“ Inzwischen hatte sich Lordkanzler Vanua ebenfalls zwischen die Kontrahenten geschoben. Er war zwar ein alter Mann, aber er war ein Diplomat und hatte einige Jahre an Lebenserfahrung. „Wenn es ein Duell werden soll, dann solltet ihr auch einen offiziellen Ort dazu aussuchen“, sagte er ruhig. „Eure Lordschaft!“, fuhr Rainus dazwischen. „Ihr könnt doch nicht zulassen, dass…“ Doch Amphironus von Vanua schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. „Es scheint hier Brauch zu sein, Konflikte auf diese Weise zu regeln. Wir werden uns den Gesetzen dieses Landes nicht in den Weg

stellen, Kommandant Vel.“ „Ihr habt Recht“, entschied Ulfric. „Wir sehen uns in fünf Minuten in der Kampfarena unterhalb des Thronsaales. Dort werden wir uns den Mund knebeln lassen, damit keiner von uns einen Thu’um aussprechen kann. Der Kampf wird mit Schwertern oder Äxten ausgeführt. Solange, bis einer von uns aufgibt.“ „So soll es sein“, sprach Galen und schritt an ihm vorüber. Die Nachricht vom Duell des zukünftigen Kaisers von Cyrodiil mit dem Hochkönig von Himmelsrand verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Palast. Im Nu war die Kampfarena, die unterhalb des

Thronsaals neben der Waffenkammer und den Unterkünften für die Diener und Wachsoldaten lag, von Schaulustigen gefüllt. Selbst die Vertreter der angrenzenden Königreiche Hammerfell und Hochfels waren anwesend. Galen stand bereits in der Arena und schwang probehalber das Schwert, das er sich für den Kampf ausgesucht hatte. Rainus neben ihm redete unablässig auf ihn ein, doch Galen ignorierte ihn beharrlich. „Lordkanzler Vanua!“, wandte sich Rainus an den obersten Ratsherren, der bei ihnen stand. „So tut doch was! Ihr könnt das doch nicht wirklich gutheißen!“ Gerade wollte er noch weiter

ausholen, als er sich gepackt fühlte und von dem betagten Herren zur Seite gezogen wurde. „Seht zu und lernt, Kommandant Vel! Man kann wütende Mammuts nicht aufhalten. Mit ihnen ist erst wieder etwas anzufangen, wenn sie sich bis zur Erschöpfung gerannt haben.“ „Aber… aber…“ „Nichts aber. Und jetzt entspannt Euch endlich.“ Rainus blieb nichts anderes übrig. Doch einverstanden war er nicht. Ulfric stand hocherhobenen Hauptes auf der anderen Seite der Arena. Stolz schälte er sich aus seinem Fellumhang und ließ sich von Galmar seine Streitaxt

reichen. „Ulfric! Überleg es dir bitte!“, flüsterte Galmar leise seinem Freund zu. „Galen ist doch nur ein dummer Junge, weiter nichts. Du wiegst mindestens das Doppelte als er.“ „Willst du damit sagen ich bin fett?“, fuhr der Hochkönig herum. „Du weißt wie ich das meine!“, tadelte Galmar. „Wir sind Nord und er ein Kaiserlicher. Denk doch auch an Tapheira. Wenn du ihm ein Haar krümmst, wird sie dich nicht mehr ansehen.“ „Damit kann ich leben.“ Galmar schüttelte den Kopf. Er kam wohl zur selben Erkenntnis wie der Lordkanzler. Gegen ein stures, in Rage

gekommenes Mammut, war eben kein Kraut gewachsen. Da musste man warten bis es sich todgelaufen hatte. Schließlich band er seinem Freund noch den gewünschten Knebel um, was auch Rainus auf der anderen Seite bei Galen vollbrachte. Die letzten Knoten waren noch nicht einmal ganz verschnürt, als die Kontrahenten sich bereits wütend in den Kampf warfen. Gewalten prallten aneinander, als ihre Waffen sich kreuzten. Von Galens körperlicher Unterlegenheit war nichts zu spüren. Auch wenn er kein Nord war, er war das Drachenblut und zwar ein mehr als erzürntes

Drachenblut. Sie schenkten sich nichts. Man konnte förmlich spüren wie ihre gegenseitige Verachtung sich in diesem Kampf endlich Luft machen konnte. Es gab von Anfang an kein Taktieren oder gegenseitiges, vorsichtiges Abschätzen, sondern sie gingen mit brachialer Gewalt in vollem Tempo aufeinander los. Lordkanzler Vanua stand am Rand und schüttelte den Kopf. Auf diese Weise hatte es in der Geschichte Tamriels schon seit Ewigkeiten keine Verhandlungen mehr gegeben. Die mächtigsten Männer des Kontinents standen in einer Kampfarena und schlugen gegenseitig aufeinander ein. Auch die Vertreter der

anderen Delegationen starrten mit offenen Mündern auf das Geschehen. Amphironus konnte es ihnen nicht verdenken. Es ging hier bei diesem Treffen um die Zukunft Tamriels und wie man sich am besten gegen die geplanten Übergriffe der Thalmor schützen und verbünden könnte. Spione hatten sogar von der Vorbereitung auf die Übernahme des Kaiserthrones von Cyrodiil gesprochen. Und der künftige Kaiser, der endlich ausfindig gemacht werden konnte, hatte nichts Besseres zu tun, als sich mit dem Hochkönig zu duellieren. Amphironus musste zugeben, die Frage, ob nicht eine Herrschaft der Thalmor besser wäre, als so ein Kaiser, stellte

sich ihm für einen kurzen Moment tatsächlich. *** Tapheira staunte nicht schlecht, als sie in die große Halle kam und diese völlig verlassen vorfand. Aquirana trat nur ein paar Schritte hinter ihr herein und sah sich ebenfalls ungläubig um. Dabei hatten die Frauen erwartet, dass bereits frohe Botschaft auf sie warten würde, wenn sie in den Thronsaal kommen würden. Beinahe zwei Stunden hatten sie auf Ulfric eingeredet, um ihn endlich dazu zu bringen mit Galen wenigstens zu reden, um ihre Differenzen zu begraben.

Tapheiras Argument, dass sie auf jeden Fall mit Galen mitgehen würde, mit oder ohne sein Einverständnis, hatte wohl den Ausschlag gegeben. Ob es ein gutes Argument war, würde sich wohl noch herausstellen. Fragend sah Tapheira auf die Frau ihres Vaters, als die enttäuschte Stimme eines Wachmanns an ihre Ohren drang: „Da spielt sich in der Arena der Kampf des Jahrhunderts ab und wir müssen hier ausharren. Das ist nicht fair! Selbst die ganze Dienerschaft ist unten!“ „Ich versteh schon. Irgendjemand muss die Tore bewachen. Blöd nur, dass es uns traf!“, grummelte sein Kumpan, der mit ihm am Eingang

stand. Tapheira war sofort bei ihnen. „Was für ein Kampf? Wo?“ Erschrocken nahm der Soldat Haltung an. „Lady Tapheira!“, rief er. „Wisst Ihr es denn nicht?“ „Was sollen wir wissen?“, fragte Aquirana, die ebenfalls hinzugetreten war. Der Wachsoldat wurde hochrot. Vielleicht sollte die Hochkönigin in ihrem Zustand gar nichts davon erfahren. Er fühlte sich in der Zwickmühle. „Jetzt redet schon!“, fuhr Tapheira ihn an und trat drohend zu ihm. „Hochkönig Ulfric und das Drachenblut… äh… ich meine der neue

Kaiser Cyrodiils…“ „Bei den Göttern! So stottert doch nicht so!“, entkam es Aquirana, die bereits das Schlimmste befürchtete. Der arme Wachsoldat begann zu schwitzen. Sein Kumpan drehte sich dagegen um und tat, als müsse er dringend das verschlossene Tor bewachen. Als könne jeden Moment wieder ein Drache auf den Zinnen landen oder vielleicht gar die Dreistigkeit haben, den Kopf durch das Palasttor zu strecken. Von ihm konnte er keinerlei Hilfe erwarten. Plötzlich fühlte er sich durchgeschüttelt. Tapheira hatte ihn an seinem Harnisch gepackt und rüttelte ihn

durch. „…Kampfarena…“, brachte er mühsam hervor. „Sie duellieren sich…“ „WAAAS?“, schrie Tapheira und ließ den armen Mann augenblicklich los. Aquirana dagegen hielt sich die Hand vor den Mund um den erschreckten Schrei zurückzuhalten, der ihr die Kehle heraufkroch. „Bei den Göttern! Aber warum nur?“ „Angeblich hat der Kaiser einen Mordanschlag gegen den Hochkönig unternommen. Er hat ihn mit einer Tür erschlagen wollen!“ Mühsam ruckelte der Wachsoldat seine Rüstung wieder zurecht. „Wie bitte?“ Tapheira konnte es nicht

glauben. Da lief etwas gewaltig schief! So rasch es ihr möglich war eilte sie die Stufen hinunter, die zur Arena führten. Jetzt verstand sie wenigstens warum alles wie ausgestorben wirkte. So etwas wollte sich wirklich keiner entgehen lassen. Aber wie konnte das Gespräch zwischen den beiden nur so entgleisen! Und Galen soll versucht haben ihren Vater mit einer Tür zu erschlagen? Leise begann sie zu fluchen, während sie weiterhastete. Ausgerechnet heute hatte sie ein Kleid angezogen! Der Kampflärm war schon von weitem zu hören. Bis in den Gang hinein standen die Diener und alle Soldaten, die keinen Dienst hatten. Tapheira musste sich erst

durch alle Leute hindurchdrängen, bis sie überhaupt in die Arena kam. Aquirana war ihr dicht auf den Fersen. Zitternd klammerte sich die Hochkönigin an ihre „Stieftochter“. Irgendwie quetschten sich die beiden Frauen bis zum Lordkanzler durch, an dessen Seite Rainus stand. Voller Anspannung bekam er ihr Auftauchen gar nicht mit. Erst als Tapheira von ihm wissen wollte, was bei der Unterredung geschehen war, nahm er von den Frauen Notiz. In abgehakten Worten schilderte er den Hergang, dabei wandte er aber seinen Blick nicht vom Kampfgeschehen. Ulfric und Galen bekamen von der ganzen Aufmerksamkeit, die ihnen

gezollt wurde, überhaupt nichts mit. Sie hätten jetzt auf freiem Feld oder mitten in einem Wolfsrudel stehen können. Sie hatten nur Augen füreinander und den Kampf. Nicht einmal Tapheiras Ruf konnte einen von ihnen ablenken, so verbissen waren sie in ihrer Auseinandersetzung. Galen spürte, wie der Kampfrausch ihn immer mehr von seiner Menschlichkeit vergessen ließ. Er wollte es nicht, doch die Urkraft seines Blutes, angereichert mit unzähligen Drachenseelen, übernahm langsam die Vorherrschaft. So war es ihm bisher nur beim Kampf mit Alduin ergangen, oder früher, als Kind, wenn er die Beherrschung verloren hatte. Doch

gegen Ulfric wollte er nicht verlieren. Hier ging es um weit mehr als um Tapheira. Das spürte er bis in den Kern seines Selbst. Es ging vor allem darum, dass Ulfric ihn niemals als Kaiser anerkennen würde. Für ihn und wahrscheinlich für viele andere, denen Galen immer nur den Chaoten gezeigt hatte, war er nicht die Respektsperson, die er als Kaiser von Cyrodiil sein musste. Dazu zählte er auch den Lordkanzler und die Abgesandten. Sie alle hatten seinen unrühmlichen Einmarsch in den Palast miterlebt, kannten wohl all die Geschichten, die sich bereits um ihn rankten und vieles mehr. Es widerstrebte Galen zutiefst,

aber er musste hier und jetzt seinen Anspruch auf den Thron geltend machen, oder er würde für immer eine Schachfigur der Räte bleiben. Das brachte seine Wut endgültig zum Überschwappen. Sein Drachenblut wallte hoch und übernahm die Führung. Galen spürte, wie seine Augen sich veränderten. Seine Sicht bekam – wie es eigentlich nur die Drachen konnten – zusätzlich die Fähigkeit Leben zu sehen – was sie zum Glühen brachte. Auch die Talos-Figur fing heiß an seiner Brust zu brennen an. Galen war sich sicher, dass sie bereits ein bläuliches Strahlen abgab. Doch dieses Strahlen ging unter in der Glut, die er selbst auszusenden begann.

Er hatte nie gewollt, dass es soweit kam, dass er seine Kräfte so offenbaren musste. Kräfte, die er zur Vernichtung Alduins mitbekommen hatte. Doch scheinbar war das sein Schicksal, dass auch der Kaiserthron eine ähnlich gewaltige Macht benötigte, wie der Weltenfresser. Mit einer schieren Explosion an Energie stürmte er auf Ulfric zu und drängte den um einiges größeren und schwereren Kämpfer mit beinahe mühelosen Angriffen zurück. Schließlich hieb er ihm nur mit seinem geschienten Unterarm die Waffe aus den Händen. Der Schlag war so wuchtig, dass die Streitaxt quer durch die Arena flog. Rainus

Geistesgegenwart alleine schützte Tapheira und die Hochkönigin davor von ihr durchbohrt zu werden. Galen bekam davon nichts mit. Sein Drachenblut war vollkommen entfesselt und alle, die Zeuge davon wurden, wünschten sich, so eine Gewalt nie wieder miterleben zu müssen. Die Erde bebte, dass kleine Steinchen auf dem Boden zu tanzen begannen und eine Hitze breitete sich im gesamten Raum aus, die ihnen den Atem nahm. Mit Wucht warf Galen auch seine Waffen von sich und packte Ulfric mit einer Hand am Kragen. Ohne Anstrengung hob er ihn hoch und starrte ihn mit glühendem Blick an, bevor er ihn los

ließ. Unbeholfen stolperte Ulfric rückwärts. Er konnte Galen nur völlig entgeistert anstarren. Oder besser gesagt das, was da vor ihm stand. Mit Galen, zumindest mit dem Galen, den er bis jetzt kennengelernt hatte, hatte der Mann vor ihm nichts mehr zu tun. Die Macht die er verströmte war jenseits des Fassbaren. Seine Augen brannten und sein gesamter Körper schien in einem goldenen Licht zu glühen. Nur an seiner Brust schwelte ein blaues Licht. Ulfric begannen bereits die Augen zu tränen, so eine Helligkeit und Hitze ging von Galen aus. Jetzt griff er sich auch noch an den Knebel und riss ihn von seinem

Mund. Doch Galen dachte nicht daran einen Thu’um zu sprechen. Beinahe mit Verachtung ließ er den Knebel zu Boden fallen. Dann wandte er sich um und blickte auf Lordkanzler Vanua, der mit bleichem Gesicht an der Wand lehnte. „Mein Name ist Tiber Galenus Manebarba und ich bin Tiber Septims direkter Nachfahre. In mir fließt das reine Blut von Talos. Es war mein Schicksal Alduin gegenüber zu treten und es ist mein Schicksal Cyrodiils Thron zu besteigen. Ich brauche niemanden, der mich beschützt. Ich bin es, der gekommen ist, die Welt zu schützen.“

Galen wandte sich um und sah jetzt auf Ulfric. „War es das, was du sehen wolltest? Konntest du es nicht anders glauben, wer ich bin? Wozu mich mein Blut und all die Drachenseelen, die ich in mir aufgenommen habe, gemacht haben?“ Er trat näher an Ulfric heran. „Du kannst mir glauben Ulfric, dass ich nach so einer Macht niemals verlangt habe. Ich wäre viel lieber ein normaler Mensch geblieben.“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung schritt er zurück. „Egal. Es kam wohl, wie es kommen musste.“ Langsam ließ sein Glühen nach und Galen bückte sich und nahm sein Schwert auf, das er in die

Rückenhalterung steckte. Es war totenstill im Raum. Niemand wagte es sich zu bewegen oder einen Laut von sich zu geben. Galen seufzte. Das war wohl der Preis, den er niemals zahlen wollte. Er wäre lieber für immer der Possenreißer geblieben, doch die Götter wollten es anders. Das, was ihn am unsichersten machte, war Tapheiras Reaktion. Beinahe wagte er nicht, sie anzusehen. Wenn sie ihn ebenfalls mit diesem ungläubigen Entsetzen anstarren würde... es wäre ein zu hoher Preis, den die Götter von ihm hier fordern würden. Doch seine Ängste waren unbegründet. Tapheira drückte sich von der Wand ab, an der sie gelehnt hatte. Sie spürte die

Einsamkeit, die Galen zu erdrücken drohte. Vertrauensvoll legte sie ihm ihre Hand in die Seine. „Ich wusste immer, wer du bist“, flüsterte sie ihm zu. „Ich habe davon geträumt… bei den Graubärten…“ Der erleichterte Seufzer, der ihm entkam, war beinahe lauter, als jeder Thu’um. Vor allem als auch Rainus zu ihm trat und ihm seine Hand auf die Schulter legte. „Nach unserer gemeinsamen Kindheit, erschüttert mich nichts mehr. Du warst immer schon zum Fürchten, wenn du ausgerastet bist.“ „Ich liebe euch“, sagte Galen mit erstickter Stimme. Das war mehr als er brauchte. Und wenn wirklich nur diese

zwei Seelen zu ihm standen und ihn so nahmen wie er war und nicht nur die Monstrosität in ihm sahen, die er entfesseln konnte, war ihm das genug. Schließlich trat auch Ulfric auf ihn zu. Hier sah man wieder wozu wohl nur ein Nord fähig war. Mit ernstem Blick fixierte er Galen. „Wenn du soweit bist, können wir dann mit den Verhandlungen beginnen. Du hast mich überzeugt, was deine Bestimmung betrifft. Und was in Einsamkeit geschehen ist, sollten wir in der Vergangenheit ruhen lassen. Was aber meine Tochter angeht…“ Hier entkam Ulfric ein Seufzer. „Nun… sie hat selbst gewählt.“ Nickend trat Galmar an Ulfrics Seite und legte ihm seine Hand auf die

Schulter. Auch Ralof schloss sich ihm an. Galen musste breit lächeln. Das gefiel ihm an den Nord. Sie steckten Niederlagen oder Erschütterungen ebenso schnell weg, wie sie es verstanden, ihre Siege nach allen Regeln der Kunst auszukosten. Nur Amphironus lehnte immer noch bleich an der Wand. Selbst die Abgeordneten rückten nur zaghaft näher. Endlich fasste sich der betagte Lordkanzler. „Ihr seid wahrlich ein Drachenblut und würdig Tiber Septim nachzufolgen. Vergebt mir. Die Kaiser, die bisher auf Cyrodiils Thron saßen, hatten alle nicht Eure Kräfte. Dennoch

solltet Ihr nicht unachtsam werden. Die Gefahren einer meuchelnden Hand aus dem Dunkel, ist gerade in Eurer Position immer zu fürchten.“ Galen war wieder ganz er selbst. Nämlich der Galen, der sein Drachenblut gerne in einem verborgenen Eck in sich schlummern ließ. So schlug er Amphironus seine Hand auf die Schulter und zwinkerte ihm zu. „Glaubt mir, diesen Rat, werde ich sicherlich beachten.“ Dann wandte er sich an alle anderen. „Doch jetzt kommt. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich habe einen Bärenhunger!“ „Dem kann abgeholfen werden!“, meinte Hochkönig Ulfric und befahl seiner

Dienerschaft nicht länger herumzustehen und sich endlich um das Mittagmahl zu kümmern. Wie als wäre das das Stichwort gewesen, kam Bewegung in die meisten der Zuseher. Die Arena und der Gang davor leerte sich augenblicklich. Zufrieden reichte Ulfric seiner Gattin den Arm und führte sie ebenfalls aus der Arena. Mit noch schlotternden Knien folgte ihm Aquirana. Zum Glück merkte niemand etwas davon. Die Hochkönigin war äußerlich gefasst und beherrscht wie immer. Langsam folgte ihnen der Rest der Anwesenden, wobei Galen mit Tapheira den Abschluss machte. Rainus hatte ebenfalls den Anstand mit den anderen mitzugehen und den beiden die

so bitter benötigte Privatsphäre zu lassen. Bis auf Ulfric, der mit säuerlicher Miene die verspätete Ankunft seiner Tochter mit dem künftigen Kaiser von Cyrodiil zur Kenntnis nahm, störte sich keiner daran, dass die beiden mit einem strahlenden Gesichtsausdruck erst eine halbe Stunde später den Saal betraten und danach Unmengen des Mittagsmahles verschlangen. Und selbst wenn Galen ein Gott wäre, als Vater würde man wohl immer etwas an dem Mann zu beanstanden haben, der einem die geliebte Tochter fortführen wollte.

*** Die Verhandlungen dauerten beinahe eine ganze Woche. Eine Woche unendlich langer, nervenaufreibender Tage langen hinter den Delegierten, aber schließlich wurde man sich einig. Zumindest für das Wesentliche. Endlich konnten Boten ausgesandt werden – nach Cyrodiil, Hammerfell und Hochfels. Es waren somit vier vereinte Reiche, die sich unter die Schirmherrschaft Cyrodiils zusammenfanden. Jedes Land autonom, doch mit einem gemeinsamen Ratssitz in der Kaiserstadt Cyrodiils und konkreten

Plänen sich gegen die langsame Übernahme der Thalmor zu behaupten. Galen und auch Hochkönig Ulfric waren mit den Ergebnissen mehr als zufrieden. Selbst die Delegierten aus Hochfels und Hammerfell erschienen zuversichtlich. Zu all diesen Entwicklungen kam auch, dass Galen und Tapheira sich entschlossen hatten, noch in Himmelsrand zu heiraten. Das söhnte auch Hochkönig Ulfric ein wenig aus, und er hatte sogar nach dem Priester Maras schicken lassen, um die Trauung direkt in seinem Palast in Windhelm stattfinden zu lassen. Galen hätte gerne seine Freunde, die Gefährten, dabei gehabt, aber Amphironus von Vanua

drängte auf einen baldigen Aufbruch. Er meinte, dass man nicht noch eine Woche warten könne. Außerdem musste die Hochzeit natürlich auch mit allem Pomp nach Galens Thronbesteigung in Cyrodiil nachgeholt werden. Da wäre Zeit genug, alle einzuladen, die er dabei haben wollte. Gutmütig gab Galen nach und stieß mit Rainus und Ralof in der nahen Taverne auf die gelungenen Verhandlungen an, während Tapheira sich mit Aquiranas Hilfe daran machte, alles für die Hochzeit vorzubereiten. Galen genoss es unerkannt unter dem einfachen Volk sein zu können und auf diese Weise ein wenig Normalität zu haben. Zum Glück redete

nach seiner Kraftdemonstration niemand mehr von einem unverantwortlichen Tun, wenn er ohne eine Vielzahl an Leibwächtern in die Stadt ging. Die Männer genossen den freien Abend in der einfachen Taverne und torkelten erst spät abends in Richtung Palast. Die Wachen ließen sie lächelnd ein, während Ralof bereits mehr über die Schwelle getragen werden musste, als dass er noch selbst gehen konnte. Aber das war, soviel Galen wusste, ein eher bekanntes Bild. Mühsam versuchten sie sich leise durch den Saal zu stehlen, um vom anderen Ende aus dann sicher in ihre Schlafgemächer steigen zu können. Galen fühlte sich beschwingt und

fröhlich wie schon lange nicht mehr. Morgen Mittag würden Tapheira und er heiraten und am nächsten Tag schließlich nach Cyrodiil aufbrechen. Nicht ohne vorher bei den Gefährten Halt zu machen, Mareks einbalsamierten Leichnam mitzunehmen und seinen Freunden für eine unbestimmte Zeit Lebewohl zu sagen. Amphironus hatte natürlich unzählige Argumente dagegen, aber diesbezüglich blieb Galen stur. Er würde nicht nach Cyrodiil gehen, ohne vorher seine Schwester nochmals zu umarmen. Außerdem entwickelte sich zwischen dem Lordkanzler und ihm eine immer größere Kluft. War Amphironus zuerst noch

begeistert einen direkten Nachfahren Tiber Septims als nächsten Kaiser zu wissen, brachte ihn Galens unkonventionelle Art, sich den Gepflogenheiten nicht beugen zu wollen, schier an den Rand der Verzweiflung. So war es auch nicht verwunderlich, dass der betagte Mann noch im Thronsaal anwesend war, als Galen und Rainus angeheitert hereintorkelten. Ralof war ihnen irgendwo entglitten und schnarchend auf dem Steinboden liegen geblieben, was die beiden zu einem nicht gerade leisen Heiterkeitsausbruch veranlasste. Amphironus richtete sich auf und schritt ihnen würdevoll entgegen. „Hoheit!“,

tadelte er ungehalten. „Ihr könnt doch nicht wie ein einfacher Mann in Gassenlokalen Trinkgelage abhalten!“ „In der Kaiserstadt wird das wohl wirklich nicht mehr möglich sein, darum muss ich es hier noch ausnutzen!“, entgegnete ihm Galen fröhlich. „Amphironus! So lasst ihn doch!“ Ulfrics tiefe Stimme schnitt durch den Raum. Er hatte mit den Abgesandten noch beisammen gesessen um die letzten Unklarheiten auszuräumen. „Galen hat wohl zu lange Zeit unter uns Nord gelebt. Wir sind Männer des Volkes. Uns werdet Ihr nie in einen goldenen Käfig sperren können. Außerdem kenne ich die Last der Verantwortung und verstehe nur

zu gut, dass man dieser gerne hin und wieder entfliehen möchte.“ Gerade von Ulfric verteidigt zu werden, erstaunte Galen, doch er nahm es dankbar an und beugte kurz seinen Kopf vor dem Hochkönig. Ulfric stieß einen hörbaren Seufzer aus, als er Amphironus verstocktes Gesicht sah. Doch er kam nicht dazu noch etwas zu sagen. Wie als wäre plötzlich ein kalter Wind aufgekommen, bewegten sich die Banner und Fackeln im Luftzug. Schlagartig senkte sich die Raumtemperatur und alle, die im Raum anwesend waren, konnten sich nicht mehr bewegen. Sie waren auf der Stelle eingefroren, ohne dass aber ein

Eiszauber gesprochen worden war. Zumindest war es kein Eiszauber, der bekannt war. „Das war aber auch zu verlockend, dass ihr uns alle bedeutenden Staatsmänner eurer Länder auf einem Tablett serviert! Und euren neuen Kaiser gleich mit dazu! Wer würde sich so eine Chance entgehen lassen?“ „Piron!“, rief Lordkanzler Vanua in den Saal, auch wenn niemand anderer, außer sie selbst, zu sehen war. Aber er schien mit seiner Annahme völlig richtig gelegen zu haben, denn eine hochgewachsene Gestalt schälte sich aus der Unsichtbarkeit und trat vor die bewegungslos dastehenden Männer.

„Lordkanzler Vanua! Ihr habt Euch meine Stimme gemerkt! Soll ich das jetzt als ein Kompliment auffassen oder als einen Affront?“ Der große Elf mit der goldenen Haut und den weißen, hochgetürmten Haaren, lächelte süffisant. Nach ihm tauchten noch weitere Thalmor aus der Unsichtbarkeit auf. „Was wollt ihr hier?“, blaffte Hochkönig Ulfric. „Ihr seid in Himmelsrand nicht mehr willkommen!“ „Aber das wissen wir doch!“, tadelte Piron sanft. „Dennoch könnt ihr nichts dagegen tun. So wie ihr nichts dagegen tun könnt, dass wir hier und jetzt unserem Streit ein Ende setzen werden.

Ihr habt jetzt noch die Gelegenheit uns einvernehmlich als eure Herren anzuerkennen. Dann könnt ihr euren Thron behalten. Ihr werdet aber Berater unseres Volkes an eurer Seite haben, wie auch stationierte Truppen, die für Ordnung sorgen.“ Ein Lachen ertönte. „Das kann doch nicht Euer Ernst sein?“, fragte Galen und schüttelte den Kopf. „Oh!“, rief Piron aus, der wie verzeihend auf das Drachenblut blickte. „Ich vergaß zu erwähnen, dass diese Abmachung natürlich nicht für den Kaiserthron von Cyrodiil gilt. Den wird natürlich unser Großmeister in Anspruch nehmen.“ Jetzt brach Galen endgültig in offenes

Gelächter aus. „Netter Plan“, meinte er gedehnt. „Doch daraus wird nichts!“ Dann fixierte er den Hochelfen genau. „Piron? Euer Name ist Prion? Dann seid Ihr derjenige, der meinen Vater verleumdet und sich auf diesem Weg in eine hohe Position gebracht hat?“ Seine Augen bekamen wieder das bedrohliche Glühen, doch der Hochelf zeigte sich unbeeindruckt. Seine Augenbrauen wanderten verächtlich nach oben. „Wenn Ihr Varis Valeren Manebarba, den Schatzmeister meint, dann ja.“ In Galen explodierte wieder alles. Er hatte auch keine Hemmung mehr sich zurückzuhalten, da seit seinem Kampf mit Ulfric ohnehin alle wussten, was in

ihm steckte. Nicht einmal der unbekannte Eiszauber, der auf ihnen lag, konnte ihn aufhalten. Doch er kam nicht dazu irgendwas zu tun. Piron streckte seine Arme aus und im Nu stülpte sich eine magische Kuppel über Galen, die nichts mehr von seiner Macht nach außen dringen ließ. Jetzt war es an dem Hochelfen ein Lachen auszustoßen. Hoch, hohl und unangenehm echote es durch den Saal. „Glaubt Ihr wirklich, wir hätten uns nicht vorbereitet? Nachdem uns zugetragen wurde wer Ihr seid?“ Belustigt trat er näher an Galen heran. „Unsere fähigsten Magier haben diese Kuppel entworfen. Und sie ist dauerhaft.

Ihr könnt nichts dagegen tun. All Eure Macht ist nutzlos. Seht es endlich ein. Unsere Magie ist stärker. Allein das macht uns zu den eigentlichen Herren dieses Kontinentes. Ihr müsst das nur einsehen.“ „Gar nichts sehen wir ein!“, rief Rainus. Erstaunt wandte sich Piron zu ihm. „Habt Ihr hier überhaupt etwas zu sagen, Leibwache?“, fragte er verächtlich. „Er spricht für uns alle, Elf!“, donnerte Ulfric. „Himmelsrand müsst Ihr mit Gewalt einnehmen. Freiwillig beugen sich die Nord nicht dem Elfenabschaum!“ „Und was sagt Hochfels dazu? Oder Hammerfell?“, wandte sich Piron an die

Abgesandten. Der Rothwardone würdigte dem Thalmor nur ein abschätziges Zucken, während Isindar, der Bretone sich gerade aufrichtete. „Ihr vergesst, wir aus Hochfels sind ebenfalls Magier. So leicht werdet Ihr es nicht haben. Vor allem könnt Ihr uns hier töten, doch damit willigt das Volk nicht in eure Vorherrschaft ein. Das verschafft Euch keinen Vorteil in meinem Land.“ Piron lachte erneut. Schließlich wischte er sich seine Lachtränen aus dem Gesicht. „Ihr beliebt zu spaßen. Wir wollen euch doch nicht töten.“ Entschuldigend sah er auf Galen, der wutentbrannt von innen gegen die

Magiebarriere ankämpfte. „Für das Drachenblut gilt das leider nicht. Die direkte Blutlinie Tiber Septims muss ausgelöscht werden. Das dürft Ihr nicht persönlich nehmen. Aber alle anderen können in unser Angebot einwilligen, dann habt ihr immer noch die äußere Macht in euren Reichen, mit einem Thalmorberater an der Seite. Wenn nicht, werden wir in jedem Land unsere eigenen Leute auf den Thron setzen. Und euch natürlich eliminieren. Das Volk wird sich der machtvolleren Magie einfach unterwerfen müssen. Das kann doch nicht wirklich euer Anliegen sein?“ „Ihr seid verrückt!“, rief Rainus

verächtlich. „Oh, nein“, sagte Piron. „Ihr täuscht euch. Wir haben diese Übernahme schon von langer Hand aus geplant. Nicht einmal der Bürgerkrieg in Himmelsrand und unsere Ausweisung aus dem Land konnte uns in unserem Vorhaben schwächen. Ihr seht, ihr hattet von Anfang an keine Chance.“ Galen bäumte sich innerhalb der magischen Kuppel auf, doch kein Thu’um – oder auch seine Drachenkräfte – waren stark genug, diese Magie zu durchbrechen. Talos hatte ihn davor gewarnt, dass die Thalmor etwas im Schilde führten, doch mit so einer größenwahnsinnigen Übernahme, hatte er

nicht gerechnet. Aber nichts was er aufbringen konnte nutzte gegen diese Magie, über welche die Thalmor verfügten. So durfte das einfach nicht enden! Noch dazu wollten sie ihn auf jeden Fall töten. Wahrscheinlich würden sie ihn in der Kuppel lassen, bis er verhungert oder verdurstet war. Sie müssten gar nicht selbst Hand an ihn legen. Was für abgefeimte Bastarde das waren. Nicht zu vergessen, dass dieser Piron den Tod seines Vaters auf dem Gewissen hatte. In schierer Verzweiflung begann er zu schreien und hieb gegen die Barriere, die aber völlig unbeeindruckt davon blieb. Umso mehr erstaunte es ihn, als er

plötzlich wieder im Freien stand. Die Wucht seines Schlages, den er eben noch ausführte, fuhr ins Leere und Galen stolperte nach vor und wäre gestürzt, wenn ihn nicht der Arm eines durch eine Kapuze verhüllten Mannes aufgehalten hätte. Sofort war auch Rainus an seiner Seite, der sich, wie alle anderen auch, wieder bewegen konnte. „Was…?“, fragte Galen verdattert und versuchte die neue Situation zu erfassen. Eigentlich hatte sich nicht viel verändert. Jeder stand immer noch auf seinem Platz, nur schien jetzt die Magie, welche die Thalmor auf sie ausgeübt hatten, nun auf sie selbst zurückgefallen zu sein. Völlig unbeweglich standen sie

da und Pirons geweitete Augen starrten ungläubig auf den Mann mit der Kapuze. Zwei weitere Kapuzenmänner schälten sich, wie vorhin die Thalmor, aus der Unsichtbarkeit heraus. Nur war es bei ihnen nicht die Unsichtbarkeit, welche sie nutzten um ungesehen voranzukommen, sondern die geheimen Pfade, die nur den Vertretern des Psijic-Ordens bekannt waren. Galen starrte immer noch, da schlug der erste Mann seine Kapuze zurück. „Gelebros!“, entfuhr dem Drachenblut. „Ihr kommt wahrlich zur rechten Zeit!“ Der Genannte neigte grüßend sein Haupt. „Ich sagte Euch doch, dass wir in Eurer Schuld stehen, Drachenblut. Ihr habt uns

das Auge des Magnus sichergestellt und diese Welt vor einer Katastrophe bewahrt. Uns waren zu der Zeit die Hände gebunden. Doch Ihr habt das Richtige getan und jetzt ist es an uns, Tamriel vor einem Ungleichgewicht zu bewahren, auch wenn es gegen unser eigenes Volk geht.“ „Ich wusste immer, dass der Psijic-Orden nur aus Verrätern besteht!“, geiferte Piron. Die Augen des Elfenlords der Thalmor blitzten und vor Anstrengung bekam seine goldene Haut einen noch dunkleren Ton, doch seine Magie war der von Gelebros unterlegen. „Nein“, sagte der Sprecher der Psijic ruhig. „Wir ehren die Gaben unserer

Väter. Doch Magie darf nie dazu genutzt werden, andere zu beherrschen. Der Weg den die Menschen hier eingeschlagen haben, ist ein guter Anfang. Es muss für alle Völker Raum und Autonomie geschaffen werden. Und da wir das Drachenblut, seine Handlungen und Beweggründe kennen, haben wir uns entschlossen einzugreifen und uns nicht mehr im Verborgenen zu halten.“ „Ihr seid dennoch Verräter!“, schrie Piron. Doch niemand beachtete ihn. Gelebros wandte sich an Galen. „Ich muss zurück zum Orden. Wir werden von dort aus den Großmeister der Thalmor über unseren Entschluss in Kenntnis setzten. Sollte er immer noch auf einen

Krieg bestehen, stehen wir an Eurer Seite. Das würde aber einer Vernichtung der magischen Kräfte der Thalmor gleichkommen. Tandil und Quaranir dagegen werden bei Euch bleiben, bis der Konflikt endgültig gelöst ist. Damit sind die magischen Kräfte ausgeglichen. Wir werden uns in der Kaiserstadt wiedersehen, wenn ihr den Thron bestiegen habt und ein neues Konkordat für Tamriel und die Autonomie aller Rassen und Länder festgelegt wurde.“ „Wir werden nie und nimmer damit einverstanden sein!“, gab Piron wieder sein Gift dazu. „Ein Hochelf unterwirft sich doch nicht einem einfachen, tumben

Menschen!“ „Daran sieht man nur, dass Ihr tumb seid, Piron!“, entgegnete Gelebros. „Es geht um ein gleichberechtigtes Zusammenleben und nicht um Unterwerfung. Doch lassen wir das. Ihr strebt nur nach Macht. Das hat Euren Geist umnebelt.“ „Vielleicht. Aber egal wie es ausgeht, eines könnt ihr nicht mehr rückgängig machen!“, triumphierte der Thalmor. Mit blitzenden Augen wandte er sich an Galen. „Ihr mögt gewonnen haben, Drachenblut. Doch Eure Schwester und ihr Kind, wurden von unseren Agenten sicherlich bereits eliminiert. Sie hatten nicht den Auftrag zu verhandeln sondern

nur sie zu töten. Und diesmal waren es geschultere Männer, die wir auf sie angesetzt haben! Vor allem wussten wir ja jetzt, wo wir zu suchen hatten!“ Rainus schaffte es gerade noch Galen zu stützen, so unkontrolliert taumelte dieser zurück. „Hana!“, rief er verzweifelt und blickte auf Gelebros, der Quaranir einen Wink gab. Sogleich schritt der große Hochelf zu ihm und fasste ihn an der Schulter. „Seid Ihr bereit?“, fragte Quaranir und Galen nickte. Augenblicklich verschwanden sie. Zurück blieb nur kühle Luft, die den Raum füllte, den Galen und er soeben noch eingenommen

hatten. Piron lachte wieder sein hohles, hohes Lachen, das unangenehm von den Wänden widerhallte. „Sie werden zu spät kommen! Sie werden auf jeden Fall zu spät kommen!“

39 die köpfe der thalmor

Vorsichtig streckte sich Vilkas. Die letzten Tage hatte er mehr in Kynareths Tempel verbracht als in Jorrvaskr. Aber seine Rippen mussten wieder auf den genauen Platz gebracht werden, bevor sie heilen konnten. Er hätte sonst nie wieder richtig kämpfen können. So unterzog er sich der wohl schmerzhaftesten Behandlung, die er jemals erlebt hatte. Aber ein Krüppel zu bleiben, kam für ihn einfach nicht in Frage. Da wäre es besser gewesen, wenn er gestorben wäre. Das sagte er natürlich nicht in Hanas Beisein, die seinen Beinahe-Tod immer noch nicht

überwunden hatte. Dafür ging es ihm jetzt, eine Woche danach, ausgesprochen gut. Natürlich nur dank all der Heilmittel und Fürsorge, die ihm gegeben wurde. An den letzten beiden Tagen hatte er auch bereits wieder mit Kampfübungen begonnen, die er auch flüssig ausführen konnte. Einzig und allein das Luftholen machte ihm zu schaffen. Seine Lungen waren immer noch ein wenig eingeschränkt, doch das würde sich wieder geben – hatte Danica gemeint. Im Gegensatz zu ihm, war sein Bruder Farkas bereits nach zwei Tagen wieder voll einsatzfähig. Das war auch dringend nötig, denn die Gefährten hatten Berge von Aufträgen, die sie

abarbeiten mussten. Thorald hatte sich ebenfalls in die Arbeit gestürzt und Torvar, der ihn begleitet hatte, musste ihn mehrmals zurückhalten, damit er nicht zu brutal vorging. Doch Vilkas war überzeugt davon, dass sich der große Mann wieder fangen würde. Durch Rias Verlust benötigte er einfach Zeit, um damit fertig zu werden. Es hatte doch ein zu großes Loch in sein Herz gerissen, als dass er einfach normal weitermachen konnte. Bis auf Marek, hatten sie ihre Toten in einer ehrenvollen Feier, der auch Jarl Vignar beigewohnt hatte, bereits eingeäschert und in der Halle ihrer Ahnen würdevoll beigesetzt. Und

mittlerweile war auch so etwas wie Normalität wieder eingekehrt. Vilkas würde zwar noch weitere zwei Tage in Jorrvaskr bleiben um seine Kräfte aufzubauen, bevor auch er wieder Aufträge erledigen würde. Das war etwas, das auch Hana guttat. Sie hing richtiggehend an Vilkas und war kaum zu bewegen gewesen, auch nur für kurze Zeit von seiner Seite zu weichen. Nicht einmal während der ersten Tage, als er im Kynareth-Tempel lag und immer wieder die Einrenkungen seiner Rippen über sich ergehen lassen musste. Mit mühsam beherrschtem Gesicht saß sie neben ihm und flößte ihm Heiltränke ein, oder behandelte seine Wunden mit ihrer

berühmt-berüchtigten Salbe. Sie wurde erst wieder ein wenig ruhiger, als Vilkas in ihr gemeinsames Gemach nach Jorrvaskr kam und an ihrer Seite schlief. Erst da erlaubte sie sich den ganzen Schrecken und auch die Qual die ihr angetan wurde, aus sich heraus zu lassen. Die ganze Nacht lag sie an Vilkas gepresst da und weinte. Richtige Schüttelattacken durchfuhren sie, doch sie konnte immer noch nicht über Heimkars Gewalt reden und auch nicht von dem beginnenden Leben, von ihrem und Vilkas erstem Kind, das sie durch die Vergewaltigung wieder verloren hatte. Und schon gar nicht von Vilkas grauenhaftem Erstickungstod, den sie

mitansehen musste und dessen Erleben sie eigentlich immer noch nicht verwunden hatte. Erst in der vierten Nacht, als Vilkas sie bereits in die Arme nehmen konnte, erzählte sie ihm davon. Am liebsten hätte er Heimkar erneut getötet, wenn er gekonnt hätte. Über Hanas verlorenes Kind, das sie von ihm bekommen hätte, war er geteilter Meinung. Einerseits tat es ihm zutiefst leid. Es war wie ein Stich im Herzen, als sie ihm davon erzählte, dass sie es verloren hatte. Andererseits war das Erlebnis von Varis Geburt und Hanas Verletzung dabei immer noch so lebendig in ihm, dass er ihr das nicht noch einmal antun wollte. Wie sollte ihr

zarter Körper erneut eine Schwangerschaft und anschließende Geburt eines Nordkindes aushalten? Da blieb er lieber ohne Nachkommen, als sie diesem Risiko auszusetzen. Und wenn Vilkas an seinen Vater dachte, war es vielleicht gar nicht so schlecht. Außerdem hatte Farkas ja schon dafür gesorgt, dass ihre Blutlinie nicht ausstarb. Die kleine Suki war aber auch zu allerliebst. Augenblicklich wurde sie der Liebling aller. Besonders Madi, Sethas vierjährige Tochter, schleppte die Kleine herum, so oft sie nur konnte. Aber auch Suki war von ihr begeistert. Kaum entfernte sich Madi ein paar Schritte von

ihr, da krabbelte sie ihr sofort brabbelnd hinterher. Farkas war, seitdem die Kleine in sein Leben getreten war, mindestens einen halben Kopf noch gewachsen. Dafür sorgte seine vor Stolz geschwellte Brust – was natürlich auch sofort wieder die Spötter auf den Plan rief. Njada hatte nichts Besseres zu tun, als ihm zu verkünden, dass er bei Regen nicht mehr nach draußen gehen durfte. Als er sie fragend ansah, meinte sie lachend, er könne sich ja die Nase zuhalten, ansonsten würde es ihm hineinregnen, so hoch, wie er seinen Zinken jetzt tragen würde. Aber nicht einmal diese Meldungen konnten Farkas Glück trüben. Schon gar

nicht, nachdem er Sethas und sein Zimmer zusammengelegt hatte. Aus rein praktischen Gründen hatte er verkündet, damit die Kinder, die nur mehr gemeinsam schlafen wollten, ihr eigenes Zimmer eben hätten. Doch jeder wusste, dass Setha und er es nicht einmal bis zur ersten Nacht abwarten hatten können. Farkas hatte sich, nachdem sich alle nach dem Kampf gereinigt und die Wunden behandelt hatten, erst als letzter ins Bad begeben. Davor musste er ja noch seine Tochter füttern, obwohl sie ohne zu zaudern sofort einen Kuchen ergriffen hatte und ihn mit beiden Händen in ihren Mund stopfte. Doch schließlich brauchte sie auch eine ordentliche Mahlzeit.

Tilma hatte sofort in der Küche zu hantieren begonnen und eine Schüssel dampfenden Milchbreies vor die beiden hingestellt. Farkas bemühte sich der Kleinen Löffel für Löffel davon einzuflößen. Solange, bis sie müde wurde und an seiner Brust endlich eingeschlafen war. Erst dann übergab er Suki in die Obhut ihrer Tante Evva, die völlig verzückt darüber war. Sie hatte ebenfalls großen Gefallen an dem Kind gefunden. Es benötigte dennoch vieler Worte, bis Farkas bereit war sich auch räumlich von seiner Tochter zu trennen und ins Bad zu begeben, um sich ebenfalls gründlich zu reinigen und behandeln zu lassen.

Im Bad selbst brauchte er noch mindestens zwei Beteuerungen Sethas, dass die kleine Suki wirklich tief und fest schlief und Farkas sich jetzt getrost um sich selbst kümmern konnte. Seine Wunden und Verbrennungen sahen trotz der Heiltränke noch schlimm aus. Nur mit einem Tuch um seine Hüften geschlungen, saß er schließlich gereinigt vor Setha, die sich nun liebevoll seiner Wunden annahm. Sie war mehr als heilfroh, dass er in einem Stück zurückgekommen war und nicht im selben halbtoten Zustand wie sein Bruder. Und das Glück, dass er seine Tochter zurückbekommen hatte, brachte

Sethas Herz noch mehr zum Glühen. Wie sie schon vermutet hatte, war Farkas ein mehr als warmherziger Vater. Und nicht nur das. Er war auch ein gutaussehender Mann, mit einem gestählten Körperbau, wie sie jetzt aus der Nähe noch deutlicher sehen konnte. Sie hoffte, dass ihr Herz nicht allzu verräterisch pochen würde, doch sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr dieser Mann so gefiel. Farkas dagegen kämpfte mit seinen Werwolf-Sinnen. Natürlich bemerkte er sofort ihren ansteigenden Herzschlag. Dass Setha und er einander gefielen, hatte er ja bereits mitbekommen. Es hatte zwar lange gedauert, aber dafür begann er nicht wieder zu zweifeln, sondern

machte da weiter, wo sie aufgehört hatten. Und das war vor dem Aufbruch zur Vampirhöhle, als er seinen Kopf zurückgelehnt hatte und genau zwischen ihren weichen Brüsten zum Liegen kam. Weiche Brüste, die sich jetzt über ihn beugten und einen tiefen Einblick gaben, als Setha ihm an seiner Schulter die Heilsalbe auftrug. Ihr femininer Geruch, der dabei aufstieg, ließ auch unter seinem Tuch gleich etwas anderes mit aufsteigen. Ein Stöhnen entkam ihm, was Setha sofort innehalten ließ. „Verzeih!“, rief sie. „Habe ich dir wehgetan?“ Farkas schlug seine Augen auf, die er geschlossen hatte, als er ihren Duft tief

in sich eingesogen hatte. „Nicht auf diese Weise“, antwortete er rau, wobei er ihre Hand fasste und erneut einen Kuss in ihre Handinnenfläche drückte. Wie damals auch, bevor sie losgeritten waren. Jetzt war es an Setha tief die Luft einzuziehen. „Ich… ich bin noch nicht ganz fertig, Farkas“, flüsterte sie, während ihr Herz noch schneller zu schlagen begann. „Das kann warten.“ Damit nahm Farkas ihr den Salbentiegel aus der Hand und stellte ihn auf den Tisch. Mit der anderen Hand zog er Setha auf seinen Schoß. Seine Erektion war ein wenig hinderlich, doch darauf nahm er jetzt keine

Rücksicht mehr. „Wir haben nie eindeutig darüber gesprochen, aber könntest du dir vorstellen mit mir…“ Zu mehr kam er nicht. Setha schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. Sofort ließ sich Farkas in diesen Kuss hineinfallen. Sie hatten beide wohl zu lange gewartet und waren umeinander herumgeschlichen, als dass sie jetzt lange zaudern würden. Farkas Hände wanderten sofort unter Sethas Kleid und ihre festen Oberschenkel hinauf. Sein Mund fuhr über ihren Ausschnitt und zog ihn über ihre Brüste herab, die er daraufhin zu liebkosen begann. Setha drückte Farkas Kopf noch tiefer in ihren Ausschnitt. Nicht einmal von Ancanos

Berührungen hatte sie sich jemals so erregt gefühlt, wie Farkas es nur mit seinen suchenden Händen und Lippen zuwege brachte. Stöhnend half sie mit ihren Rock hochzuschieben und sich rittlings auf Farkas Schoß zu setzen. Das Tuch hatte er mit einem raschen Schlenker entfernt. Tastend fuhren seine Finger in ihren Schritt und mit einer kurzen, ruckartigen Bewegung hatte er Sethas Höschen auseinander gerissen. Sie hatten eindeutig zu lange gewartet. Setha protestierte mit keinem Wort, sie drückte sich Farkas Erektion entgegen, die er ohne zu zögern in ihren weichen Schoß sinken ließ. „Setha, verzeih“, murmelte

er. Doch sie fing seine Lippen erneut in einem Kuss ein und ersticke alle weiteren Worte. Dabei begann sie sich rhythmisch auf ihm zu bewegen. Sie zog ihre Beine an und stützte sie an dem Badebottich und dem Tisch ab. Farkas packte sie an den Hüften und drang nun seinerseits fließend in sie vor. Setha stöhnte und ihre Bewegungen wurden immer schneller. Farkas lehnte sich ganz an die Sessellehne zurück und genoss den Anblick, den die blonde Frau in ihrer Ekstase ihm bot. Setha riss ihn mit sich und mit einem tiefen gutturalen Laut ergoss sich Farkas in ihr. Langsam bewegte sich Setha noch auf und ab,

dann entließ sie seinen Penis, der wieder einen entspannten Zustand angenommen hatte. Ein Kichern entkam ihr. „Ich hoffe, wir müssen nicht immer in das Bad ausweichen“, meinte sie. Farkas küsste sie nochmals, bevor er sie losließ und sich wieder das Tuch um die Hüften schlang. „Die Küche wäre auch noch eine Möglichkeit“, entgegnete er trocken. „Farkas!“, rief Setha, die ihr zerrissenes Höschen hochhob und in ihre Rocktasche stopfte. „War nur ein Scherz“, beruhigte er sie. „Aber, wir könnten einfach unsere Zimmer zusammenlegen. Nur bitte ohne Spinnen!“ Mit Grauen erinnerte sich

Farkas, wie Setha in ihrer Tierliebe, das garstige Spinnenvieh, das sie beim Aufräumen seines alten Zimmers gefunden hatten, in ihre Hände genommen hatte. Und an ihre Lieblinge, die Hühner, wollte er gar nicht erst denken! „Keine Sorge!“, lachte Setha. „Spinnen werden unser kleinstes Problem sein. Ich fürchte eher, dass die Kinder bald herausfinden werden, dass sie im elterlichen Bett viel besser schlafen können, als in ihrem eigenen.“ „Also doch die Küche!“, seufzte Farkas resigniert, was ihm einen Rippenstoß von Setha einbrachte. „Irgendwie werden wir das schon

schaffen. Im Moment sollten wir uns aber weiter deinen Verletzungen widmen. Besonders die an deinen Oberschenkeln. Unser kleines Zwischenspiel hat ihnen nicht gerade gut getan.“ Sorgenvoll blickte Setha auf seine Wunden, die wieder ein wenig aufgerissen waren. Farkas lehnte sich genießend zurück. „Also, ich habe nichts davon gespürt. AUA! Das habe ich jetzt gespürt!“ Anklagend blickte er auf Setha, die gerade die Salbe auf eine besonders wild aussehende Wunde auf seinem Oberschenkel verteilt hatte. Lange konnten sie ihre Zweisamkeit nicht genießen, da Njada ins Bad stürmte und sie in ihrer lauten Art darauf

hinwies, dass jetzt Kinder im Haus seien, vor denen man sich ein wenig zu beherrschen hätte. Farkas war daraufhin sofort aufgesprungen, da er dachte, seine Tochter wäre aufgewacht und würde ihn suchen. Der Tumult der entstand, als ein halbnackter Farkas, der in seiner Eile auch noch das Tuch verlor, aus dem Bad herausstürmte und eine völlig aufgelöste Setha, deren Ausschnitt immer noch freizügig über ihrer Brust herabhing, ihm nachfolgte, konnte man sich lebhaft vorstellen. Vilkas musste immer noch grinsen, wenn er an diese Begebenheit dachte, die Torvar ihm bei seinem Besuch geschildert hatte. Vilkas lag zu diesem

Zeitpunkt noch im Kynareth-Tempel. Selbst Hana entkam bei dieser Erzählung ein Lächeln. Seither war eine Woche vergangen. Entspannt blickte Vilkas über die Met-Halle und den großen Tisch, der im Moment verwaist vor ihm lag. Das Einzige, das sich im großen Raum rührte waren die beiden Mädchen, die in ihrer Spielecke auf Fellen saßen und mit ihren Stoffpuppen spielten. Besser gesagt Madi spielte, während Suki damit beschäftigt war alles in den Mund zu stecken, was sie zu fassen bekam. Bis auf Vilkas waren alle unterwegs Aufträge zu erledigen. Hana hatte sich dagegen mit dem Baby in ihre gemeinsame Kammer

begeben, um sich nach ihrer Arbeit im Kynareth-Tempel, etwas auszuruhen. Das war für Vilkas eine besondere Freude, dass sie endlich wieder ihren Lebensmut gefunden hatte. Zu lange war sie seiner Meinung nach in einer Starre gewesen, bis ihr Schmerz über die erlebten Gräuel endlich aus ihr herausbrechen konnte. Darum freute es ihn umso mehr, dass sie heute beinahe schon wieder fröhlich in den Kynareth-Tempel gegangen war um Danica ein paar frisch gebraute Tränke zu bringen und ihr ein wenig auszuhelfen. Und zum Glück waren die Zeiten für Hana, seit dem Tod der Thalmor – wie im Farkas berichtet hatte – und der Ausrottung der

Vampire, endlich wieder sicher geworden. Vilkas seufzte dankbar auf. Er würde noch ein wenig Zeit für die Genesung brauchen, aber langsam strömten auch in ihn wieder die alten Kräfte ein. Das war natürlich auch ein Bonus seines Werwolf-Daseins, dass sein Heilungsprozess unvergleichlich schneller verlief, als bei einem normalen Menschen. Inzwischen nutzte er die Zeit und kümmerte sich um die Geschäftsbücher, die schon sehr lange vernachlässigt worden waren. Im Moment sah ihr Vermögen wieder ein wenig besser aus, denn der gewiefte Athis hatte bei der Räumung der Vampirhöhle

einiges an Wertsachen mitgehen lassen, bevor sie alles in der Höhle verbrannten und sie anschließend versiegelten. Das bedeutete, dass sie die nächste Zeit, bis wieder durch die Aufträge erneut Gold in ihre Truhen floss, dennoch genug zum Leben hatten. Eine Sorge weniger, die Vilkas schon seit längerem geplagt hatte. Der große Mann seufzte erneut und lehnte sich zurück. Ein Stechen im Rücken ließ ihn kurz zusammenzucken. Seine Rippen waren ja doch noch nicht ganz ausgeheilt. Aber das hielt ihn dennoch nicht davon ab, seine Kampfübungen wieder aufzunehmen, wenn er mit den Büchern vor sich endlich fertig war. Sanfte Stimmen

drangen an sein Ohr. Sie kamen aus der Küche in der Setha und Tilma Evvas Jagdbeute von heute Morgen gemeinsam zubereiteten. Das würde am Abend wieder ein Festessen geben. Vilkas freute sich schon darauf. So wie es aussah, kam wirklich alles langsam wieder ins Lot. Ein Zupfen an seinem Ärmel ließ ihn auf seine Seite herabsehen. Da stand Madi, während die kleine Suki langsam herankrabbelte. „Was gibt es denn, Madi?“, fragte er das Mädchen. Die Kleine blieb stumm, was ein schlechtes Zeichen war. Doch sie deutete zumindest in die Mitte der Met-Halle. Aber ihr Finger blieb nicht stehen, sondern zog in Richtung der Schlafunterkünfte.

Madis Gespür war einzigartig und durfte nicht ignoriert werden. Vorsichtig stand Vilkas auf und spannte all seine Sinne an. Doch es war weder etwas zu hören, noch zu sehen. Witternd schritt er zur Mitte des Saales. Da wehte ihm ein Geruch in die Nase, der ihm sofort alle Haare zu Berge stehen ließ. Hochelfen! Aber Farkas berichtete ihm doch, dass alle getötet worden waren! Sofort zog er seine Waffe und schlich weiter voran. Da drang der Geruch nochmals in seine Nase. Diesmal viel schärfer. Alarmiert hielt er inne. Aber noch immer war nichts zu hören oder zu sehen. Er konnte sich nur auf seinen

Geruchsinn verlassen und auf seinen Verstand. Und der sagte ihm, das Hana in höchster Gefahr war. Die getöteten Thalmor mussten noch Zeit genug gehabt haben eine Nachricht abzuschicken. Und die, die jetzt gekommen waren, waren scheinbar nur aus einem Grund hier: Hana und Varis zu töten! Wie konnte er nur so dumm gewesen sein nicht an diese Möglichkeit zu denken! Augenblicklich setzte die Verwandlung ein und Vilkas flog förmlich die Treppen zu den Schlafunterkünften herab. Die Ausdünstung der Hochelfen wurde tatsächlich immer stärker und mit wahren Hechtsprüngen brach der dunkle Werwolf in seinen Wohnbereich ein. Ein kurzes

Flirren in der Luft vor dem großen Bett war zu sehen, aus dem sich eine Gestalt herausschälte. Im Laufen noch fasste Vilkas das Baby aus der Wiege heraus und warf sich mit dem Kind auf Hana, die selig in ihrem gemeinsamen Bett schlief. Er kam keine Sekunde zu früh! Der materialisierte Hochelf vor dem Bett stach seinen Dolch in den Rücken des Werwolfs, anstelle in Hanas Herz. Hana schreckte hoch als plötzlich der schwere Werwolf auf ihr landete und Varis schrie aus vollem Halse, als er so unsanft hochgerissen und auf das Bett geworfen worden war. Vilkas nahm sich jedoch nicht die Zeit nach den beiden zu sehen. Das

Schlimmste hatte er abgewendet. Jetzt wollte er nur mehr töten. Mit einem tiefen Grollen warf er sich auf den Hochelfen und biss ihm mit seinen kräftigen Kiefern die Kehle durch. Das ging so schnell, dass der Magier in seinem Erstaunen nicht mehr die Zeit fand sich wieder in die Unsichtbarkeit zu begeben. Röchelnd lag er da, während das dunkle Blut unaufhaltsam aus seiner zerrissenen Kehle floss und den kostbaren Teppich tränkte. Hana packte das schreiende Baby und zog sofort schützend ihre Beine an, während Vilkas den sterbenden Magier fallen ließ und witternd seinen Schädel hob.

Es war ihm, als hätte er aus dem Augenwinkel eine weitere Gestalt kurz bei der Wiege auftauchen gesehen, die bereits wieder verschwunden war. Doch er hatte Witterung aufgenommen und das genügte ihm. Er brauchte weder zu sehen, noch zu hören. Die Magier hatten wohl nicht mit einem Werwolf gerechnet – mit seinem Geruchsinn und seinem Instinkt. Sofort hechtete Vilkas los. Noch vor der Treppe, die in die Met-Halle führte, stellte er den Magier. Besser gesagt, der Magier, der merkte, dass er keine Chance hatte einem Werwolf zu entkommen, materialisierte sich um kämpfen zu können und

schleuderte Vilkas seinen Gefrierzauber entgegen. In seiner Schnelligkeit schaffte es Vilkas auszuweichen, aber nicht ganz. Seine linke Seite wurde taub und schlaff hing sein Arm herab. Selbst sein linkes Bein wurde getroffen, aber Vilkas ignorierte den Schmerz und die Gefühllosigkeit seiner linken Seite. Als Werwolf warf er sich sofort auf seine rechte Vorderpranke und stieß sich mit ihr ab, um dem Hochelfen den Garaus zu machen, der erneut einen Zauber zu weben begann. Jetzt kam es darauf an wer schneller war. Der halbseitig gelähmte Werwolf, oder der Thalmor, der bereits ein siegessicheres Grinsen aufgesetzt hatte.

Er schien nicht mit Vilkas Willensstärke gerechnet zu haben. Sein nächster Zauber traf voll auf den Werwolf. Das scharfe Geschoss aus Eis steckte zitternd in Vilkas Brust, direkt oberhalb des Herzens. Doch das verminderte nicht seine Geschwindigkeit. Mit weit aufgerissenem Maul hechtete er auf den Magier zu, dessen Grinsen mit einem Schlag aus dem Gesicht gewichen war. Da war Vilkas auch schon heran und riss ihm die Kehle auf. Der Arm, den der Thalmor noch schützend vor sich gehoben hatte, wurde gleich mit hindurchgebissen. Mit einem wütenden Knurren erledigte Vilkas auch den Rest. Viel blieb nicht

mehr übrig, was man noch als Mensch erkennen hätte können. Nach einem letzten Biss setzte sich Vilkas auf seine Hinterläufe, warf den mächtigen Schädel in den Nacken und stieß ein Heulen aus, das man wohl noch bis zu den Stadttoren hören konnte. Doch das war ihm egal. Er beanspruchte sein Revier. Noch nie in seinem Leben hatte Vilkas den Wolf in sich mehr annehmen können als jetzt. Er hatte sich mit Hircine ausgesöhnt, seine Seele war frei. Und so war er auch endlich frei den Werwolf zu akzeptieren, der er war. Kein Verstecken mehr. Keine Heimlichkeiten. Er war der Leitwolf und mit seinem Rudel beanspruchte er seinen Platz hier in Weißlauf, mitten im Herzen

von Himmelsrand. Langsam setzte die Rückverwandlung ein und Vilkas griff sich an die Brust. Zum Teil ließ auch die Lähmung nach, welche der Gefrierzauber ausgelöst hatte. Die Wunde an seiner Brust war nicht lebensgefährlich, doch sie blutete stark, als das magische Eisgeschoß sich auflöste und eine klaffende Verletzung hinterließ. Hana, die herangeeilt kam, zog erschrocken die Luft ein. Doch Vilkas zeigte ihr, dass mit ihm alles in Ordnung war. Das erleichterte sie ungemein. Mit Varis am Arm, der sich inzwischen beruhigt hatte, kam sie auf Vilkas zu. Der große Mann stand auf und schritt ihr

entgegen. Die zerfetzte Leiche brauchte sie nicht unbedingt zu sehen. Mit der linken Hand versuchte Vilkas seine Blutung ein wenig einzudämmen, während er mit dem rechten Arm Hana und das Baby zu sich zog. Erleichtert, dass weder ihr, noch dem Kind etwas geschehen war, drückte er Hana einen Kuss auf ihren Scheitel. „Ich werde dich keinen Schritt mehr von meiner Seite weichen lassen! Wer weiß wie oft diese Thalmor noch versuchen werden dich oder Varis zu töten.“ Kurz drückte sich Hana ihm entgegen, dann befreite sie sich aus seiner Umarmung und reichte ihm einen Heiltrank. „Langsam gehen mir die

Vorräte aus um wirksame Heiltränke zu brauen“, meinte sie. „Das ist der vorletzte Trank, den wir noch haben.“ „Es wundert mich, dass sie noch bei mir wirken“, meinte Vilkas in einem Anflug von Galgenhumor. „Ich glaube, ich habe mindestens zwanzig von diesen Dingern in der letzten Woche getrunken.“ „Du hast einen gefährlichen Beruf.“ Vilkas küsste Hana sanft auf die Lippen. „Hmm“, sagte er. „Und eine Frau, die nicht nur von Vampiren gejagt wurde, sondern der auch die gefährlichsten Magier auf den Fersen sind. Aber damit wird jetzt Schluss sein. Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass die sterblichen Überreste dieser Schergen an

die Thalmor zurückgeschickt werden. Das müsste Warnung genug sein.“ Hana kuschelte sich wieder in seinen Arm. Nach dem Heiltrank hatte sich seine Wunde an der Brust geschlossen und Vilkas legte somit auch seinen anderen Arm um sie. Varis fühle sich ein wenig bedrängt so zwischen den beiden eingeklemmt zu werden, aber er spürte die Liebe und die Sicherheit, die von dieser Umarmung ausging. So verzog er nur ein wenig sein Gesichtchen, schlummerte aber sogleich weiter. „Wann wird das alles vorbei sein?“, fragte Hana. „Ich dachte, nachdem die Vampire erledigt wurden, könnten wir endlich ein normales Leben führen.“ Sie

blickte hoch zu Vilkas, in seine hellen Augen, die immer noch etwas Wölfisches an sich hatten. „Zumindest so normal wie es für einen Werwolf eben möglich ist“, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. „Das habe ich auch gedacht.“ Verächtlich schnaubend blickte Vilkas in Richtung der Leiche des zerfetzten Thalmors. „Wir werden eine Lösung finden. Das schwöre ich dir. So wird das nicht weitergehen.“ „Nein, das wird es auch nicht!“ Die unbekannte Stimme ließ Vilkas herumfahren. Ein bedrohliches Knurren drang aus seiner Kehle und mit einer fließenden Bewegung drängte er sofort Hana hinter sich. Doch seine Vorsicht war unbegründet. Direkt neben einem

hochgewachsenen Mann mit goldener Haut und einer dicht über das Gesicht gezogenen Kapuze, tauchte Galen auf. „HANA!“ Mit einem Schrei sprang er heran und umarmte seine Schwester. Dann blickte er hektisch um sich und erfasste sofort was geschehen war. Mit einem erleichterten Seufzer hieb er Vilkas gegen die Brust, was diesen beinahe einknicken ließ. Galen verfehlte nur knapp seine frische Wunde. „Bei den Göttern! Ich kann dir gar nicht sagen wie froh ich bin, dass du ein Werwolf bist“, sagte er. „Wir wären tatsächlich zu spät gekommen.“ „Woher wusstest du Bescheid? Und noch wichtiger: wie konntest du so schnell

hier sein?“, fragte Vilkas seinen Freund. Galen vollführte eine theatralische Geste und deutete auf den Mann mit der Kapuze. „Darf ich vorstellen: Quaranir, vom Psijic-Orden.“ Vilkas fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Es war überall bekannt, dass die Mitglieder dieses Ordens sehr zurückgezogen lebten und jeden Kontakt mit Tamirel mieden. Dunkel erinnerte er sich, dass Galen einmal etwas erwähnte, das er für diesen Orden getan hatte. Galens nächste Worte zeigten ihm, dass seine Vermutungen in die richtige Richtung gingen. „Du kannst mir glauben, mein Freund, die Leute dieses Ordens kamen gerade zur rechten Zeit, um die Thalmor davon abzuhalten,

die Macht über Himmelsrand und Cyrodiil zu übernehmen. Sie bleiben nicht länger im Verborgenen, sondern werden sich auf unserer Seite für ein neues Staatenbündnis in Tamriel einsetzen. Die Thalmor haben ausgespielt!“ Vor Freude vollführte Galen ein kleines Tänzchen. Neugierig waren auch Setha und Tilma dazugekommen, wobei Setha sich sofort wieder mit den Mädchen zurückzog, als sie die Leichenteile sah, die immer noch am Treppenaufgang lagen. „Heißt das, dass Hana und der Kleine endlich außer Gefahr sind?“ Für Vilkas zählte in erster Linie nur ihre Sicherheit. Dass Tamriel damit einer ruhigen

Zukunft entgegensehen konnte war schön, aber für ihn einfach zweitrangig. „So weit würde ich noch nicht gehen“, meinte Quaranir, der sich in das Gespräch einbrachte. Wir sind erst dabei auch im Großtempel der Thalmor, bei ihrem Großmeister, unsere Argumente deutlich zu machen. Ich denke nicht, dass sie sich uns entgegensetzen werden – “, Quaranir räusperte sich kurz „oder besser gesagt ‚können‘ – doch bis es zu einem neuen Konkordat kommt, seid ihr noch nicht völlig außer Gefahr.“ Sofort zog Vilkas Hana wieder an sich und auch Galen hörte mit seinem Tänzchen auf. Quaranir begann in seiner Robe zu kramen. Dann holte er ein

kleines Amulett hervor. „Nehmt das“, sagte er und reichte es an Hana. „Es wird sofort einen von uns herbeiholen, sollte sich ein Thalmor Euch auch nur bis auf zehn Meter nähern. Außerdem hat es eine Schutzfunktion die ausreichen müsste, bis wir hinzukommen.“ „Danke!“, sagte Hana und ließ sich das Amulett von Vilkas um den Hals hängen. Galen hieb Quaranir auf die Schulter. „Ich bin froh, dass ihr euch endlich entschlossen habt die Welt zu unterstützen und ihr nicht mehr den Rücken zuzukehren. Eure Fähigkeiten sind phänomenal! Aber, ehrlich gesagt, hättet ihr das bereits viel früher tun

können!“ Diese Aussage kostete dem Hochelfen ein sanftes Lächeln. „Du wirst dich wohl nie ändern, Drachenblut. Komm, lass uns wieder aufbrechen. Wir haben noch viel zu tun.“ „Einen Moment noch!“, rief Galen, dann wandte er sich mit einem verschmitzten Lächeln an Hana und Vilkas. „Tapheira und ich werden noch in Windhelm heiraten, bevor wir nach Cyrodiil aufbrechen. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr auch kommen könntet. Wir wollten zwar morgen schon den Segen Maras empfangen, weil der Lordkanzler so darauf drängt schnell in die Kaiserstadt aufzubrechen. Doch nachdem

wir das Thalmorproblem jetzt ins Reine bringen werden, gibt es keinen Grund mehr zu hetzen. Sagen wir in einer Woche? Bis dahin habt ihr Zeit genug, um zu Ulfrics Palast zu kommen.“ Hana machte sich von Vilkas los und umarmte ihren Bruder. „Ich freu mich so für dich!“, rief sie. „Vor allem, möchte ich gerne deine Frau kennen lernen, bevor ihr in die Kaiserstadt aufbrecht.“ Mit einem bittenden Blick wandte sie sich an Vilkas. „Das können wir doch, oder?“ Langsam schritt der Herold der Gefährten heran. Was er in Hanas Ausdruck zu sehen bekam, sagte ihm mehr als tausend Worte. Sie hatten alle

viel durchgemacht. Besonders Hana. Was sie jetzt brauchte war eine Zeit der Erholung. Und Zeit mit ihm. Die Gefährten würden schon über die Runden kommen. Einige Aufträge könnten sie auch auf dem Weg nach Windhelm erledigen. Wobei er selbst sich zurückhalten würde. Hana hatte jetzt eindeutig Vorrang. Seine Entscheidung fiel sofort. „Wir werden kommen“, sagte er bestimmt. „Du kannst fest auf uns zählen.“ Mit einem glücklichen Seufzer drückte sich Hana an ihn. „Nur eines noch!“, wandte er sich an Quaranir. Seine Augen begannen wieder wölfisch zu glühen und seine Fänge wuchsen. „Nehmt die beiden Köpfe der

Thalmor mit. Schickt sie ihrem Großmeister. Was auch immer ihr mit den Thalmor aushandelt, mit mir und meinem Rudel werden sie keinen Frieden bekommen. Sollten sie es je wagen noch einmal, unsichtbar oder nicht, auch nur in die Nähe meines Reviers zu kommen, werde ich sie sofort töten.“ Mit diesen Worten verschwand Vilkas in seinen Wohnräumen, während Galen mit der Hand wedelte, als hätte er sich verbrannt. „Uiuiui…“, meinte er. „Da haben sie sich jetzt einen gnadenlosen Feind eingehandelt. Diesen Ausdruck an ihm kenne ich. Ich glaube, dein Amulett wird nicht mehr gebraucht!“

Quaranir verschränkte geduldig seine Arme. „Die Thalmor haben es sich selbst zuzuschreiben. Ich denke auch, dass sie, wenn sie klug genug sind, Himmelsrand ohne unser Zutun meiden werden.“ Es dauerte nicht lange, da kam Vilkas mit einer länglichen, hölzernen Truhe zurück. Der Kopf des Thalmors, den er zuerst getötet hatte, lag schon darin. Mit seinen langen Beinen schritt er rasch zu dem zerfetzten Leichnam des anderen, den Tilma in der Zwischenzeit mit einem Laken abgedeckt hatte. Der Kopf des Mannes war noch intakt und ohne zu zögern packte Vilkas ihn, und legte ihn zu dem anderen. Dann verschloss er die

Truhe und reichte sie an Quaranir weiter, der sie mit einem bestätigenden Nicken entgegennahm. „Komm, Drachenblut“, sagte er zu Galen, der sich in der Zwischenzeit flüsternd mit seiner Schwester unterhalten hatte und sie abschließend nochmals umarmte. „Wir haben in Windhelm noch einiges zu tun.“ Dann wandte er sich an Vilkas und Hana. „Wahrscheinlich sehen wir uns bei der Hochzeit wieder. Einer von uns wird an der Seite des künftigen Kaisers von Cyrodiil bleiben, bis das neue Konkordat unterzeichnet wurde.“ Mit einem weiteren grüßenden Nicken entschwand er. Galen, der ihnen noch zuwinkte, und dem Quaranir seine Hand auf die

Schulter gelegt hatte, verschwand mit ihm. Zurück blieb ein kühler Lufthauch, der sich aber auch alsbald verflüchtigte.

40 eine kaiserliche hochzeit

An dem kühlen Wind, der durch das Tal zog, konnte man bereits den herannahenden Herbst erahnen. Er brachte auch Wolken mit sich, die wohl in der kommenden Nacht für Regen sorgen würden. Himmelsrand war ein kaltes Land, selbst im Sommer. Doch die letzten Tage waren für die Begriffe des kalten Nordens richtiggehend warm und einladend gewesen. Vielleicht fiel gerade darum der Wetterumschwung auf, der sich durch den kühlen Wind bereits ankündigte. Hana zog fröstelnd die warme Felljacke

um ihre Schultern, die ihr Vilkas für die Reise nach Windhelm geschenkt hatte. Setha, eine reinblütige Nord, empfand die kühle Brise dagegen als angenehm. Ebenso Vilkas. Er ritt auf seinem schwarzen Rappen neben der Kutsche. Genießend hielt er sein Gesicht in den Wind und blickte zum Wagen, auf dem Hana und Setha mit den Kindern saßen. Herion hockte am Kutschbock und lenkte die Pferde. Der Rest der Gefährten war auf Aufträgen unterwegs. Vilkas rechnete damit, dass sich im Laufe des Abends alle langsam einfinden würden. So hatten sie es abgemacht. Das bedeutete, sie würden wohl alle Zimmer der Gastwirtschaft beanspruchen, die ihr Ziel

war. Zumindest für die Frauen und Kinder. Sie selbst konnten ohne weiteres unter freiem Himmel nächtigen, sollte der Wirt nicht so viele Unterkünfte zur Verfügung haben. „Hältst du noch ein wenig aus?“, fragte er Hana besorgt. „Es ist nicht mehr weit bis zum Gasthof. Das wird unsere letzte Rast sein, bevor wir nach Windhelm kommen.“ „Nein, nein, es geht schon!“, beeilte sie sich zu sagen und strich sich die Haare aus dem Gesicht, welche ihr der Wind soeben in einer heftigen Böe hineingeblasen hatte. Liebevoll lächelte sie Vilkas an. Er hatte Wort gehalten und war nicht von ihrer Seite gewichen.

Obwohl er sich innerhalb der letzten Tage von all seinen Verletzungen bereits erholt hatte, war er bei ihr geblieben und hatte die Aufträge den anderen überlassen. Er schien zu spüren, dass seine lange Abwesenheit, die Ungewissheit ob er je aus Hircines Ebene zurückkehren würde und sein Beinahe-Tod, eine Zerreißprobe war, die sie kaum zu überwinden in der Lage war. Vilkas war wie ausgewechselt. Immer noch wirkte er unnahbar und nicht sehr gesellig. Doch ihr gegenüber legte er eine Fürsorglichkeit an den Tag, die sie kaum für möglich halten konnte. Sie liebte Vilkas wie er war. Mit all seiner Schroffheit. Doch dass er ihr gegenüber

jetzt wirklich langsam seinen Panzer abstreifte, machte sie überglücklich. Sogar in den gemeinsamen Nächten war er liebevoller und fürsorglicher denn je. Hana konnte ihr Glück kaum fassen. Manchmal ertappte sie sich dabei, sich zu fragen, ob Vilkas vielleicht wieder vorhatte auf eine längere Mission zu gehen. Als sie ihn vergangene Nacht darauf ansprach, zuckte er zusammen. Sie dachte schon ihn ertappt zu haben, doch er schloss sie in seine Arme und fragte: „So ein Bild hast du von mir? Du meinst wirklich, ich würde dich noch einmal so lange alleine lassen? Willentlich?“ „Es tut mir leid“, stammelte sie sofort.

„Hör auf dich ständig zu entschuldigen!“, seufzte er entnervt. „Ich habe viel wieder gut zu machen. Das ist mir bewusst geworden, als du mich so sehnsuchtsvoll angesehen hast, bei deiner Frage ob wir wirklich Zeit hätten, zu Galens Hochzeit zu gehen. Natürlich werde ich auch wieder Aufträge übernehmen. Aber für jetzt bleibe ich bei dir. Solange, bis es dir wirklich wieder besser geht.“ Hana konnte darauf nichts mehr sagen. Bewegt kuschelte sie sich an seine breite Brust und ließ ihren Tränen der Rührung freien Lauf. „Egal was du sagst“, murmelte sie schließlich schniefend. „Ich

möchte von ganzem Herzen ein Kind von dir. Vielleicht nicht unbedingt jetzt, sondern bis Varis ein wenig größer ist. Ich vertraue Danica, dass sie mir bei der Niederkunft helfen wird können. Selbst bei einem so großen Kind wie von dir.“ Vilkas küsste sie. „Wenn es dein Wunsch ist“, meinte er. „werde ich mich nicht dagegen wehren.“ Daraufhin drückte er sie noch fester an sich und liebte sie in dieser Nacht erneut. Ihre Ankunft in Windhelm wurde mit großer Freude begrüßt. Auch wenn diese ganz unterschiedliche Beweggründe hatte. Lordkanzler Vanua zum Beispiel war froh, dass sie endlich aufgetaucht

waren. Damit konnten die Hochzeitsfeierlichkeiten beginnen und der Aufbruch nach Cyrodiil ließ nicht mehr länger auf sich warten. Hochkönig Ulfric dagegen hatte ganz andere Ambitionen. Er wusste was die Gefährten für die Sicherheit Himmelsrands leisteten und ließ es sich nicht nehmen, ihnen im Namen des Landes, als dessen Hochkönig, seine Wertschätzung darüber auszudrücken. Doch die größte Freude von allen hatte Galen. Vor allem als er sah, dass die Gefährten vollzählig aufgetaucht waren. Das rührte ihn und heimlich schlich sich eine Träne in seine Augen, mit denen er heftig zu blinzeln begann um sie

wegzubekommen. Zumindest solange bis Tapheira ihn umarmte und einen Kuss aufdrückte. „Du bist das sentimentalste Drachenblut, das wohl jemals geboren worden ist“, flüsterte sie dabei. Gerührt küsste Galen sie zurück. „Lass das nur ja niemanden wissen!“ Zu weiteren Vertraulichkeiten kamen sie nicht mehr, da Hana bereits heran war und neugierig ihre künftige Schwägerin in Augenschein nahm. Die beiden jungen Frauen verstanden sich auf Anhieb. Sofort kam ein Gespräch in Gang, dem sich Setha und die hinzugekommene Hochkönigin anschlossen. Fröhlich plaudernd verschwanden die Frauen mit den Kindern alsbald in Richtung der

Gemächer und ließen die Männer im kalten Thronsaal zurück. Njada und Evva, die ein wenig unsicher herumstanden, wurden kurz darauf ebenfalls von einer Dienerin abgeholt, um sich den Frauen anzuschließen. Selbst die bärbeißige Njada war dankbar dafür zu den vorbereiteten Bädern geleitet zu werden und nicht mit den Männern prahlerische Erzählungen zum Besten geben zu müssen. Farkas blickte ein wenig gequält seiner kleinen Tochter nach. Er wusste, dass sie bei Setha gut aufgehoben war, dennoch machte es ihn nervös sie an fremden Orten nicht bei sich zu haben. Beruhigend legte ihm Vilkas seinen Arm

auf die Schulter und drückte ihm einen Becher Met in die Hand. Für ihn war es ebenfalls schwer Hana gehen zu lassen. Doch das Wissen um das Amulett vom Psijic-Orden, dessen Vertreter er ebenfalls in Galens Nähe sehen konnte, machte es ihm leichter. Es wurde trotz ihrer Sorgen um ihre Liebsten dennoch eine interessante Begrüßung. Vilkas mochte den Hochkönig. Vor allem seinen engsten Berater, Galmar. Dagegen konnte er sich mit Lordkanzler Vanua nicht anfreunden. Der gestrenge Ratsherr hatte seine fixen Ansichten, die zwar ehrbar waren, sich jedoch von den Wertvorstellungen der Nord beträchtlich unterschieden. Galen

tat Vilkas jetzt schon leid. Andererseits, wenn er sich das unbekümmerte Gebaren seines Freundes so ansah, sollte ihm wohl eher der Lordkanzler leidtun. Dessen säuerliche Mine, angesichts der jovialen Art des zukünftigen Kaisers, sprach eindeutig Bände. Die Erzählungen der letzten Erlebnisse machten die Runde und Hochkönig Ulfric konnte nicht genug der lobenden Worte finden, als er hörte, dass Himmelsrand dank der Gefährten von einer drohenden Vampirschwemme befreit wurde. Doch auch Vilkas und die Gefährten staunten nicht schlecht, als Galmar den Kampf zwischen Hochkönig Ulfric und dem Drachenblut zu schildern begann.

Und erst die Dreistigkeit der Thalmor, die sich all die Streitigkeiten zu Nutze machen und mit einem Streich ganz Tamriel unter ihre Herrschaft bringen wollten. Quaranir hatte in der Zwischenzeit schon Nachricht von seinem Orden bekommen, dass die Thalmor zu einem Kompromiss bereit waren und von einer weiteren Übernahme der Länder absehen würden. Sie waren – wahrscheinlich durch die eindeutige Überlegenheit des Psijic-Ordens – bereit zu einem neuen Konkordat, bei dem sie aber auf Vergünstigungen und die völlige Unabhängigkeit von Cyrodiil bestehen wollten. Da würden noch zähe

Verhandlungen auf Galen als neuen Kaiser von Cyrodiil warten, doch immerhin hatte die drohende Übernahme und damit einhergehende Unterdrückung von Seiten der Thalmor abgewendet werden können. Fürs Erste zumindest. Es war bereits tiefe Nacht als Vilkas nach dem Abendmahl kurz auf die Balustrade hinaustrat, um ein wenig frische Luft zu bekommen. Die vielen Leute machten ihm immer noch zu schaffen, auch wenn er das gesellige Treiben auf eine gewisse Weise genossen hatte. Doch nun war es genug. Er musste kurz für sich sein, bevor er sich erneut zu den anderen gesellen konnte.

Lange dauerte es nicht, bis ihm seine feinen Sinne die Präsenz einer weiteren Person ankündigten. „Hast du genug vom Trubel, oder hast du mich gesucht, Galen?“, fragte er ohne sich umzudrehen. Galen schüttelte den Kopf, während er zu seinem Freund an die Balustrade trat. Er hatte kein Geräusch gemacht, dessen war er sich sicher, und selbst der Wind blies in seine Richtung, dennoch wusste Vilkas sofort wer hinter ihm war. „Du wirst mir langsam unheimlich, mein Freund“, sagte er und legte dem großen Mann seine Hand auf die Schulter. „Sind deine Werwolf-Sinne nun noch feiner

geworden, seitdem du deinen Fluch nicht mehr bekämpfst?“ Vilkas zuckte mit den Schultern. Schließlich wandte er sich dem Drachenblut zu. „Du hast wie immer Recht. Dir bleibt einfach nichts verborgen.“ Ein leichtes Lächeln schob sich in seine Mundwinkel. Dann wurde er wieder ernst und musterte Galen. „Wie geht es dir?“, fragte er ohne Umschweife. „Und versuche nicht mir etwas vorzumachen.“ Galen seufzte und lehnte sich über die Balustrade. „Ich hasse es Kaiser zu werden!“ gab er zu. „Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr ich es verabscheue! Tapheira ist ein Halt für mich. Dass sie

mich begleiten möchte, all das mit mir mitmachen möchte, ist eine Erleichterung. Ohne sie würde ich es überhaupt nicht ertragen können.“ Er wandte sich Vilkas zu, der ihn nur ansah und kein Wort sprach. „Hast du den Lordkanzler gesehen? Mit diesem steifen Klotz – und wahrscheinlich ist der Rest des Rates auch nicht viel besser – muss ich irgendwie auskommen lernen! Nicht zu vergessen den Hochadel von Cyrodiil. Ich weiß wie die sind, schließlich komme ich aus diesen Reihen!“ Galen wandte sich wieder ab. Es schüttelte ihn. „Ich hasse es wirklich!“, betonte er nochmals. „Der Lordkanzler ist überzeugt von seiner Wichtigkeit und der Wichtigkeit

des Kaisertums.“ Vilkas blickte kurz in die Ferne, bevor er sich erneut Galen zuwandte. „Er ist kein schlechter Mann, aber ihr werdet eure Schwierigkeiten miteinander haben.“ „Oh ja. Das kannst du laut sagen!“ Galen schüttelte es erneut. Dann fasste er an seine Brust, an der ein blaues Licht zu leuchten begann. Daraufhin zog ein Lächeln über sein Gesicht. „Doch irgendetwas sagt mir, dass ich meinen Weg finden werde! Leicht wird es nicht, aber wir werden es schon schaffen!“ Vilkas stimmte ihm zu. „Wenn es einem gelingt, dann dir!“ „Ja.“ Galen grinste. „Dennoch wird mir Himmelsrand abgehen. Ein großer Teil

meiner Seele ist hier verwurzelt. Ich werde alles daransetzten so oft wie möglich wieder hierher kommen zu können.“ „Talos bewahre uns davor!“, grummelte Vilkas. „Ach du!“, rief Galen und stieß ihm seine Faust gegen den Oberarm. Bei Vilkas brauchte er sich nicht zurückzunehmen. Der große Mann vertrug seine Drachenkräfte. „Und, wie geht es dir? Du wirkst verändert.“ „Zum Guten?“ Jetzt lachte Galen lauthals. „Du kannst dich nur zum Guten verändern, mein Freund. Schlimmer konnte es mit dir einfach nicht mehr

werden!“ „Und das sagst du mir einfach so ins Gesicht?“ „Wohin denn sonst?“ „Vielleicht sollten wir ebenfalls ein Duell ausfechten. Ich wäre neugierig ob nicht ein Werwolf doch gegen das berühmte Drachenblut ankommen kann.“ „So schnell kann wirklich nur ein Nord beleidigt sein.“ „Ich bin nicht beleidigt“, schnaubte Vilkas und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, bist du natürlich nicht“, lachte Galen. Vilkas blickte Galen weiter finster an, doch dann entspannte er sich und es

schlich sich wieder ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. „Dennoch wäre es einen Versuch wert. Ich würde es wirklich gerne wissen. Ein richtiger Kampf, ohne irgendwelche Zeugen. Schon gar nicht Hana!“ „Das würde mich auch reizen. Irgendwann werden wir uns die Zeit dafür nehmen. Doch zuerst muss ich wohl nach Cyrodiil. Und du“, dabei sah er Vilkas tief in die Augen, „passt inzwischen gut auf meine Schwester und den kleinen Varis auf! Außerdem bin ich überzeugt davon, dass dir die beiden gut tun. Du bist wirklich nicht mehr wieder zu erkennen. Ich meine, du bist immer noch störrisch und unnahbar, aber du

wirkst ruhiger, nicht mehr so rastlos. Und wenn Hana in der Nähe ist, zaubert sich sogar auf dein finsteres Gesicht hin und wieder ein Lächeln.“ Vilkas seufzte. „Das wird wohl wirklich so sein. Ich habe meinen Frieden mit dem Wolfsgeist gefunden und auch den mit meiner zerrissenen Seele. Hana hat daran einen wesentlichen Anteil. Darum habe ich auch vor nach den Feierlichkeiten mit ihr und Varis nach Rifton reisen – in das Haus von Farkas und meiner Kindheit, als wir noch bei unserer Großmutter lebten, bevor all der Irrsinn begann.“ Der Schlag, den Galen ihm in seiner Euphorie gab, ließ sogar Vilkas kurz

nach vorne kippen. „Endlich einmal eine gute Idee von dir!“, rief dieser begeistert. „Weiß Hana schon davon?“ Ein wenig irritiert durch Galens Kräfte rieb sich Vilkas die schmerzende Schulter. „Nein. Ich wollte es ihr erst nach den Feierlichkeiten sagen. Im Moment ist sie wegen deiner Hochzeit völlig außer sich.“ „Nicht nur sie!“, seufzte Galen. „Was habe ich mir dabei nur gedacht?“ Nachdenklich rieb er sich über sein Kinn und anschließend über die Haare. „Dass Frauen diesbezüglich immer so ausrasten müssen! Es ist doch nur eine Feier und ein gegenseitiges Versprechen, das wir uns sowieso schon gegeben haben!“

Vilkas blickte wieder in die Ferne und atmete tief die kühle Nachtluft ein. „Frauen eben“, zuckte er die Schultern. Dann fuhr er herum, da sich polternder Lärm näherte. „Wo bleibt ihr nur?“ Farkas gutmütiges Gesicht schob sich ums Eck. „Man sucht euch schon überall.“ „Ich brauchte ein wenig Ruhe, das ist alles!“ „Mit Galen?“ Farkas blieb der Mund offen stehen. „Da hättest du gleich im Saal bleiben können.“ „Was haltet ihr alle nur von mir!“, entrüstete sich Galen. Die Zwillinge wandten sich ihm einhellig

zu. „Willst du das wirklich wissen?“ Nun war es an Galen beleidigt seine Arme vor der Brust zu verschränken. „Du bist eben eine wandelnde Katastrophe“, meinte Farkas ungerührt. Doch dann begann er dröhnend zu lachen und schlag einen Arm um Galens Schultern. „Jetzt nimm es nicht so tragisch! Wir mögen dich, selbst wenn es zeitweise gemeingefährlich ist dein Freund zu sein!“ Lachend und einander schubsend entschwanden Farkas und Galen zurück in den Saal. Vilkas blickte ihnen nach, dann lehnte er sich nochmals über die Balustrade und sog genüsslich die kühle Nachtluft in die Nase. Die Monde Masser

und Secunda standen voll am Himmel. Eine Nacht, in der früher ihr Werwolf-Blut kaum zu unterdrücken gewesen war. Doch seit Vilkas mit Hircine ins Reine gekommen war, hatte sich viel geändert. Vilkas spürte seinen Wolfsgeist nicht mehr als Bedrohung, sondern als Verbündeten. Er war ein Teil von ihm und damit ständig präsent, auch wenn er nicht verwandelt war. Seine Augen waren immer noch von dem hellen Grau, doch nun lag ein stetes unterschwelliges Glühen in ihnen. Auch seine Bewegungen hatten sich verändert und wie Galen schon bemerkt hatte, waren seine Sinne noch schärfer geworden. Er hatte sich wirklich sehr verändert und

es war gut. Noch einmal atmete er tief ein und spürte, wie sich auch sein Wolfsgeist zufrieden ausdehnte. Dann drehte er sich um und folgte den anderen in den Saal. Die Hochzeitsfeierlichkeiten am nächsten Tag waren nordisch schlicht. Selbst für die Tochter des Hochkönigs und dem zukünftigen Kaiser von Cyrodiil. Lordkanzler Vanua litt, wie er noch nie zuvor in seinem Leben gelitten hatte. Ein Mann in priesterlicher Robe trat vor die Brautleute, empfing das Geschenk an Mara und erteilte ihnen ihren Segen. Das war alles! Der zukünftige Kaiser von Cyrodiil und die Tochter des Hochkönigs

umarmten sich und drehten sich strahlend zu den Anwesenden um, die sie mit Hoch-Rufen und Glückwünschen überhäuften. Dann lud Hochkönig Ulfric alle Anwesenden zur vorbereiteten Hochzeitstafel. Lordkanzler Vanua stand immer noch mit offenem Mund da und konnte es nicht fassen, dass alle anderen – einschließlich des Priesters – zufrieden zur Tafel schritten, während er noch nicht einmal mitbekommen hatte, dass alles schon wieder vorbei war. Selbst seine Frau war an der Seite ihrer Tochter auf dem Weg zur Tafel. Zugegeben, Tapheira, die nun angetraute Frau des Kaisers, hatte ein – für nordische Verhältnisse – schönes

Kleid an und einen geflochtenen Brautkranz im kunstvoll aufgesteckten Haar. Sie sah damit ausgesprochen reizvoll aus. Auch der zukünftige Kaiser hatte sich gut gekleidet und seine Haare zurechtstutzen lassen. Aber das konnte doch nicht alles gewesen sein? Oder waren die Nord wirklich so barbarisch? „Das… das gibt es doch nicht!“, entfuhr es ihm. „Warum nehmt Ihr nicht Platz, Lordkanzler?“, fragte da eine Stimme hinter ihm. „Das war bereits die Hochzeit?“, fragte er zurück und blickte in die hellen Augen des unheimlichsten und bedrohlichsten Mannes, dem er je begegnet war. Vilkas,

hieß er, und er war der Herold der berühmtesten Kriegergilde Himmelsrands. Noch dazu ein sehr guter Freund des Kaisers. Dennoch lief Amphironus ein kalter Schauer über den Rücken, sobald er nur in diese hellen Augen sah, die einen ohne zu blinzeln fixierten und bis in die intimsten Geheimnisse vorzudringen schienen. „Ja, warum? Maras Segen wurde erteilt. Man hat ihre Anwesenheit gespürt. Umso einiger sich das Paar ist, umso rascher ist Maras Segen präsent. Das ist ein gutes Zeichen.“ „Aber…aber…“ Der Lordkanzler war immer noch fassungslos. „Das ist der

Kaiser!“ „Meint Ihr, dass seine Gefühle deshalb anders sein sollen?“ Amphironus starrte den unverschämten Nord an. Wie konnte er nur so mit ihm reden? „Das nicht. Aber als Kaiser hat man Pflichten. Man kann nicht wie ein einfacher Mann handeln.“ „Bei uns Nord gibt es selbst für den Hochkönig keine Ausnahmen. Alleine, dass der Priester von Mara bis nach Windhelm gekommen ist, um den Segen zu sprechen, ist schon Zugeständnis genug.“ Der Lordkanzler wollte noch etwas erwidern, doch der große Nord war bereits an ihm vorüber geschritten ohne

ihn weiter zu beachten. Amphironus fühlte sich gedemütigt wie noch nie in seinem Leben. Es wunderte ihn nicht mehr, dass der neue Kaiser, der selbst aus hohen Adelskreisen stammte, so tief gesunken war. Mit so einem Mann befreundet zu sein, musste einfach Spuren hinterlassen. Da würde viel Arbeit auf ihn warten, um diesen Kaiser auch tauglich und repräsentativ für sein Amt zu machen. Dass er die nötigen Kräfte dazu hatte, hatte er ja bewiesen. Aber das nötige Benehmen fehlte eindeutig. Amphironus straffte die Schultern und schritt nun ebenfalls zur gedeckten Tafel, an der sich die Gäste bereits gütig taten.

Den glühenden Blick dieses schrecklichen Nord spürte er dabei bis unter sein edles Gewand. Dennoch setzte er sich gemach und wie es sich für seinen Stand schickte. Es war gut die Nord als Verbündete zu haben, doch ihre Lebensart war derart barbarisch, dass der Lordkanzler gar nicht mehr erwarten konnte, endlich nach Cyrodiil aufzubrechen. Seine Tochter tat ihm leid, auch wenn sie seltsamerweise glücklich an der Seite ihres Gemahles, des Hochkönigs, schien. Amphironus würde auch seiner Frau nicht mehr gestatten hier zu bleiben, um auf ihren ersten Enkel zu warten. Vielleicht würde sie in ein paar Monaten ebenso unzivilisiert

nach Cyrodiil zurückkehren. Die Nord vergifteten einfach alle guten Manieren. „Ihr wirkt so nachdenklich, Lordkanzler!“, wandte sich Galen höflich an den Ratsherrn. Aus seinen Gedanken herausgerissen blickte Amphironus auf und in das strahlende Gesicht des zukünftigen Kaisers. „Verzeiht mir, aber ich bin mit diesen Feierlichkeiten nicht einverstanden. Ihr werdet in Cyrodiil erneut Euer Ehegelübde ablegen müssen. Das… das hier war nichts anderes als eine Farce und einem Kaiser nicht würdig!“ Galen, der sehr wohl wusste, dass der Lordkanzler hierbei keine Ausnahme

gelten lassen würde, und der im Moment viel zu glücklich war um lange zu streiten, nickte nur gefällig. „Natürlich Lordkanzler.“ Amphironus, der bereits mit Widerstand gerechnet hatte, atmete erleichtert aus. „Gut. Dann wäre das abgemacht. Ich werde sofort Boten entsenden um alles für Eure Ankunft in Cyrodiil vorzubereiten und…“ Galen, der befürchtete eine Flut von Pflichten und Terminen vorgesetzt zu bekommen, unterbrach den Redeschwall. „Ja, tut das bitte. Nur lasst uns heute feiern. In einer Woche brechen wir auf, bis dahin könnt ihr alles in die Wege

leiten.“ „In einer Woche erst? Aber, die Zeit drängt! Euer Land wartet bereits sehnsüchtig auf Euch!“ Amphironus wollte sich noch weiter echauffieren, da spürte er, wie seine Tochter ihm ihre Hand beschwichtigend auf den Arm legte. „Vater, lass die Geschäfte für heute ruhen. Die drohende Gefahr der Thalmor ist gebannt und alles andere kann warten. Außerdem habe ich dich damit noch ein paar Tage länger an meiner Seite!“ Ein zarter Kuss auf seine Wange beschloss ihre Worte und Amphironus schmolz dahin. Diesen weiblichen Argumenten konnte sich selbst er nicht widersetzen

und so wurde auch für ihn das nordische Fest mit Tanz, Gesang, Met und viel Gelächter doch noch zu einem erbaulichen Erlebnis.

41 Epilog

Mit einem zufriedenen Grinsen rammte Vilkas sein Schwert in den lockeren Boden des Übungsplatzes und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du bist heute so unkonzentriert, mein Bruder. Kann es sein, dass du mit deinen Gedanken vielleicht mehr bei Setha bist als hier?“ Schnaubend rappelte sich Farkas vom Boden hoch. „Als ob du das nicht wüsstest!“, knurrte er. „Dabei stelle ich mich weitaus besser an als du!“ „Aber auch nur deshalb, weil das bereits euer zweites Kind ist! Als eure erste

gemeinsame Tochter Orfa auf die Welt kam, hast du uns einen Graben in den Übungssand gelaufen.“ „Immer noch besser als dein finsteres Gesicht, als es bei Hana soweit war! Danica musste dich sogar wegschicken, da du bei jedem Laut, den Hana von sich gegeben hatte, sofort in die Kammer gestürmt bist und alles erst recht durcheinander brachtest. Erinnere dich! Torvar und ich mussten dich schließlich in die Schenke schleppen und mit Met abfüllen. Vorher hast du keine Ruhe gegeben.“ „Du kennst Hanas Geschichte!“, schnaubte Vilkas. „Natürlich war ich besonders

besorgt!“ „Worüber streitet ihr schon wieder?“ Galens unverkennbare Gestalt tauchte aus dem Nichts zwischen ihnen auf. „Was machst du schon wieder hier?“, fragte Vilkas ungehalten und wenig erfreut. „Hast du nicht irgendwelche Staatsgeschäfte zu erledigen? Oder sonst irgendeine wichtige Ratssitzung? Dass Quaranir dir diese magischen Fähigkeiten angelernt hat verzeihe ich dem Hochelfen nie! Du kommst und gehst einfach wann es dir passt!“ Galen lachte herzlich. „Wenn ich das früher gewusst hätte, dass ich diese Möglichkeiten bekommen würde, hätte ich mich niemals so gewehrt Kaiser zu

werden. Es ist wirklich ein tolles Ding! Übrigens habe ich diesmal auch Tapheira mitgebracht. Sie wollte nur vorher noch zu ihrem Vater und den Brüdern schauen.“ „Ich verstehe nur nicht, wieso Lordkanzler Vanua so ein Verhalten akzeptiert“, schüttelte Vilkas den Kopf und zog dabei sein Schwert aus dem Boden. „Ha!“, rief Farkas dazwischen. „Der ist froh, wenn Galen einmal nicht für Unruhe sorgt.“ Dann betrachtete er den Kaiser von Cyrodiil von oben bis unten. „Du hast ein einfaches Gewand an. Dann bleibst du diesmal also wieder für ein paar Tage und hast dich nicht nur kurz

vor deinen Verpflichtungen gedrückt.“ Galen strahlte. „Du hast es erfasst! Ich möchte diesmal ein paar Tage mit meinem Neffen Varis verbringen. Ich muss ihn langsam auf seine späteren Pflichten vorbereiten.“ Kaum hatte er ausgeredet, da fühlte er sich bereits an seiner Tunika hochgezogen. „Du lässt den Jungen in Ruhe, Galen!“, rief Vilkas erbost. „Wir haben uns ausgemacht, dass er ein normales Leben führen darf, bis er in deine Tretmühle kommen soll! Kein Gerede über Pflichten, Kaisertum oder sonst etwas!“ „Schon gut, schon gut!“, beschwichtigte Galen. „Du kennst mich doch! Ich bin der Letzte, der dem Jungen nicht eine

unbeschwerte Kindheit gönnt! Ich möchte einfach nur die Verbindung zwischen uns stärken. Das ist auch der Grund, warum Lordkanzler Vanua mich großzügiger Weise öfter ein paar Tage weglässt! Da Tapheira und ich keine Kinder bekommen können ist er nun einmal der nächste Thronfolger. Und er ist ein Drachenblut, so wie ich. Ich helfe ihm nur seine Fähigkeiten zu entdecken und damit umgehen zu lernen.“ „Vilkas, jetzt schau nicht so finster!“, mischte sich Farkas wieder ein. „Varis ist ein aufgeweckter Junge und er liebt seinen Onkel. Es ist sein Schicksal nach ihm Kaiser zu werden. Selbst du kannst ihm das nicht

abnehmen.“ Vilkas ließ Galen los und wandte sich ab. Nur langsam entspannte er sich wieder. Dieser Umstand, dass Varis, der jetzt erst sechs Jahre alt war, einmal Kaiser werden sollte, machte ihm sehr zu schaffen. Er liebte ihn, als wäre er tatsächlich sein leiblicher Sohn. Er würde am liebsten alles tun, um ihn vor diesen Pflichten zu bewahren. Doch bis jetzt war ihm nichts eingefallen. Sein Missfallen an dieser Situation hatte sein Verhältnis zu Galen ein wenig getrübt. Hatte er sich früher tatsächlich gefreut seinen Freund trotz dessen Pflichten öfter in Jorrvaskr zu begrüßen, sah er seinem Erscheinen jetzt mit

Unmut und großem Widerstand entgegen. Zum Glück hatte sein leiblicher Sohn, der vor einem Jahr auf die Welt gekommen war, das Drachenblut nur schwach in sich ausgeprägt. Er hatte nur eine Rune auf seiner Schulter, wie Hana. Hana selbst sah Varis Zukunft nicht so düster wie Vilkas. Sie war zufrieden, dass er bei ihnen ungestört aufwachsen konnte. Das war mehr als sie und Galen bekommen hatten. Dass ihn danach aber ein Leben in Zwängen erwarten würde, schockierte sie nicht. „Sieh dir doch nur meinen Bruder an!“, sagte sie immer zu Vilkas. „Er leidet schon lange nicht mehr darunter Kaiser zu sein. Er hat das Beste aus seiner Situation gemacht und kommt

so oft hierher wie er nur kann. Hier kann er weiterhin ein einfaches Leben führen, mit euch jagen gehen, feiern und lachen. Ich sehe Varis ebenfalls glücklich werden. Zeige du ihm an deinem Beispiel wie man ehrenhaft lebt und kämpft – und dass er geliebt wird. Mehr braucht er nicht.“ Vilkas seufzte tief. Hana hatte sicherlich Recht. Dennoch fiel es ihm schwer. Fürs Erste verabschiedete sich Galen und verschwand wieder. Er merkte, dass die Stimmung angespannt war und wollte Vilkas ein wenig Zeit geben. Außerdem musste er sowieso zu Hochkönig Ulfric – privat, als sein Schwiegersohn und auch wegen einiger Staatsgeschäfte.

„Warum bist du wirklich so aufgebracht wegen Varis?“, fragte Farkas, als Galen von einer Sekunde auf die andere wieder verschwunden war. „Der Junge wird einmal ein fähiger Kaiser werden. Du brauchst ihm nur in die Augen zu sehen und erkennst seine Ernsthaftigkeit. Er ist nicht so unstet wie Galen.“ „Aber wird er glücklich werden? Hier bei uns hat er doch alles! Vor allem seine Freiheit!“ Farkas sah ihn abwägend an. „Komm“, meinte er schließlich, „lass uns jagen gehen. Ich kann Setha hier sowieso nicht helfen. Die Dämmerung bricht herein und mich juckt es bereits in den Fingern.

Außerdem bringt uns das auf andere Gedanken und frisches Wild auf den Speiseplan.“ Als sie nach ein paar Stunden mit einem erlegten Junghirsch zurückkamen, waren bis auf Torvar, Njada, und einem Neuling – die einen Auftrag in Cyrodiil übernommen hatten – alle in Jorrvaskr versammelt. Die Stimmung war ausgelassen, obwohl es nur einfachen Eintopf zum Essen gab, da Setha im Moment mit anderen Dingen beschäftigt war. Auf Farkas fragenden Blick schüttelte Athis bedauernd den Kopf. Dabei klopfte er einem der neuen Welpen, die sie aufgenommen hatten,

mahnend auf die Finger. „Das ist mein Met! Hol dir gefälligst einen eigenen Humpen aus dem Fass.“ Kleinlaut zog der junge Mann seine Hand zurück und stand auf. Vilkas übernahm das erlegte Wild von Farkas und bedeutete dem Neuen ihm zu folgen. Zu Farkas sagte er: „Geh nachsehen. Das dauert diesmal wirklich lange.“ Er hatte noch nicht einmal ausgesprochen, da war Farkas schon auf dem Weg zu ihren Gemächern. „Papa!“, rief ein kleiner Junge und baute sich mit erzürntem Gesicht vor Vilkas auf. „Du hast versprochen, dass du mich auf die nächste Jagd mitnimmst!“ „Und mich auch!“, rief Suki, die

versuchte sich vor Varis zu drängen. Vilkas drückte das Wild dem Neuling in die Hände, der unter dem Gewicht beinahe einsank. „Bring es in die Küche und leg es auf den Steintisch. Dort in der Nähe steht auch das Met-Fass.“ Dann wandte er sich an die beiden Kinder die anklagend vor ihm standen. Die beiden verstanden sich ausgesprochen gut, auch wenn Varis ständig versuchte die ein paar Monate ältere Suki zu übertrumpfen. „Das habe ich nicht vergessen. Doch erinnere dich, wir sprachen dabei von der nächsten ‚Hasenjagd‘!“ Varis zog enttäuscht seine Lippen ein. Dennoch nickte er. „Ja, stimmt.“ „Wo ist eigentlich Tilma?“, fragte Vilkas

und sah sich suchend um. „Sie sollte doch heute auf euch aufpassen?“ „Die ist ebenfalls bei Mama. Uns haben sie aber nach oben geschickt und wir durften Athis helfen die Rüstungen zu pflegen!“, ereiferte sich Suki mit roten Backen. „Madi sitzt mit Orfa immer noch bei ihm und Soren schläft in seiner Wiege.“ Mit raschem Blick erspäht Vilkas seinen jüngsten Sohn zufrieden an einem Daumen nuckelnd in der Wiege liegen. Jetzt, wo er sich darauf konzentrierte, konnte er trotz des Lärms seinen schnaufenden Atem hören. „Habt ihr schon etwas gegessen?“, fragte er die beiden, die immer noch bei ihm

standen. „Ja“, nickten sie, dann begannen sie zu zappeln, als würden sie wieder zu Madi und den Rüstungen wollen. Varis blieb jedoch kurz stehen und drehte sich noch einmal zu Vilkas um. „Du, Papa, ich habe vorhin zu Talos gesprochen. Ich wollte, dass Onkel Farkas diesmal Papa von einem Jungen wird. Es sind nämlich viel zu viele Mädchen hier! Doch Talos sagte mir … Er kam nicht dazu weiter zu sprechen, denn soeben stürmte Farkas in die Met-Halle. „Es sind Zwillinge!“, rief er so laut, dass sofort alles verstummte. „Zwei Mädchen!“ „Mögen uns die Götter beistehen!“,

murmelte Athis. Hinter Farkas kam auch Hana freudenstrahlend von den Gemächern hoch und stellte sich zu Vilkas. Doch dieser konnte nur Varis ungläubig anstarren. „Du hast das gewusst?“, fragte er seinen älteren Sohn. Varis nickte. „Und Talos hat dir das gesagt?“ Varis nickte erneut. „Warum nicht?“, fragte er unschuldig. „Er spricht oft mit mir. Onkel Galen hat mir gesagt, dass das ganz normal ist für ein Drachenblut wie mich. Er hat das ebenfalls.“ Dann huschte er schnell weg als er sah, dass sich Suki schon wieder den besten Platz bei Athis gesichert

hatte. Eine schmale Hand schob sich auf Vilkas angespannten Arm. „Nimm es nicht so tragisch“, sagte Hana. „Er ist weitaus glücklicher als Galen es war. Galen hatte niemanden, der ihn auf seine Andersartigkeit so vorbereiten konnte, wie er Varis. Unser Vater war zwar ebenfalls ein Drachenblut, aber bei ihm waren die Runen nicht so ausgeprägt.“ Sanft drückte sie sich an Vilkas Seite. „Ehrlich gesagt bin ich so dankbar, dass das Drachenblut bei Varis so stark durchkommt! Denk daran was ihn sonst erwartet hätte! Er hatte das infizierte Blut der Vampire in sich. Ohne sein Drachenblut wäre er gestorben! Zerstört

durch die Infektion, die ihn langsam von innen aufgefressen hätte. Ich höre heute noch die Worte dieses Ur-Vampirs, als er uns das sagte!“ Voller Entsetzen schüttelte es sie. Vilkas wandte sich ihr zu und umarmte sie. Hana hatte Recht. So wie Galen das Wolfsblut wieder ausgeschieden hatte ohne den Wolfsgeist aufzunehmen, war es auch Varis gelungen das infizierte Vampirblut auszuscheiden ohne Schaden zu nehmen. Das wog natürlich weit mehr als alles andere. Er vergaß es nur immer wieder. Selig kuschelte sich Hana an ihn. „Bei Setha ist zum Glück alles gut gegangen“, sprach sie weiter. „Zuerst hat es nicht so

ausgesehen, denn das erste Mädchen lag verkehrt herum. Sie hat sehr gelitten, bis die Kleine geboren werden konnte. Zum Glück bist du mit Farkas jagen gegangen. Wenn er dagewesen wäre, hätte er alles nur noch schlimmer gemacht.“ „Wie geht es Setha jetzt?“, fragte Vilkas besorgt und suchte seinen Bruder. Doch Farkas war wohl nach der Verkündung der frohen Botschaft sofort wieder an die Seite seiner Frau geeilt. „Setha ist sehr erschöpft, aber sie und die Mädchen sind gesund. Wir werden wohl noch eine weitere Wiege brauchen, oder unseren Kleinen inzwischen zu Varis ins Bett legen.“ „So wie ich Farkas kenne, lässt er es sich

nicht nehmen eigenhändig eine weitere Wiege zu zimmern.“ Hana lachte. „Da hast du Recht.“ Dann blickte sie neckisch zu Vilkas hoch. „Vielleicht solltest du auch noch eine Wiege zimmern?“ Vilkas zuckte zusammen. „Nein!“, rief er. „Das ist nicht dein Ernst!“ „Doch“, lächelte Hana. „Bei Soren ist alles gut gegangen! Und Varis wünscht sich doch so sehr ein weiteres Brüderchen!“ „Und wenn es kein Junge wird?“ „Dann probieren wir es eben noch einmal!“ Entsetzt starrte Vilkas auf Hana. Doch sie beschwichtigte ihn lachend. „Keine Sorge! Varis sagte mir,

Talos hätte ihm mitgeteilt, dass wir nur Jungs bekommen werden…“ Vilkas schwindelte. Nicht, dass er etwas dagegen hätte weitere Kinder zu bekommen. Doch er machte sich bei jeder Niederkunft Sorgen und der Platz in Jorrvaskr wurde ebenfalls langsam eng. Viel war geschehen in den letzten Jahren. Sie hatten vier neue Rekruten bekommen, von denen zwei bereits in das Rudel aufgenommen worden waren. Einer davon war Herion, der ehemalige Offizier des Penitus Oculatus Ordens. Er hatte sich aber in das einfache Leben und besonders natürlich in Evva verliebt. Jedenfalls quittierte er seinen Dienst und blieb in Himmelsrand. Mittlerweile war

er einer der Fähigsten im Rudel und dehnte ihren guten Ruf auch bis nach Cyrodiil aus. Es kam jetzt sogar öfter vor, dass sie Aufträge aus dem angrenzenden Bruma bekamen, die sie ebenfalls erledigten. Das tat ihren Reserven an Gold sehr gut, da die Bevölkerung in Cyrodiil zahlungskräftiger war, als die einfachen Nord. Der Einzige, der das Rudel vor zwei Jahren verlassen musste, war Thorald gewesen. Er tat es schweren Herzens, doch musste er seinem Onkel Vignar als Jarl von Weißlauf folgen. Eine schwere Krankheit hatte den fähigen Fürsten leider viel zu früh dahingerafft.

Eine weitere Veränderung war, dass bis auf die zwei noch ziemlich frischen Neuzugänge, alle anderen der Gefährten freiwillig in das Rudel eingetreten waren. Selbst Njada. Mit den Worten: „Wenn jetzt auch Werwölfe an Shors Tafel willkommen geheißen werden, dann habe ich nun wohl keine Ausrede mehr…“, nahm sie ihren Wolfsgeist bei der nächsten Zeremonie entgegen. Außerdem war es ein ziemlich offenes Geheimnis geworden, dass ein Rudel Werwölfe Himmelsrand in ein sicheres, frei von Vampiren und Assassinen gehaltenes Land gemacht hatten. Vor allem in Weißlauf wusste das beinahe

jeder Bürger und akzeptierte diese Tatsache, da ihr Leben unter dem Schutz des Rudels so sicher wie noch nie war. Und nicht zu vergessen, der neue Jarl Thorald Grau-Mähne, war ebenfalls ein Werwolf! „Jetzt hör schon auf zu grübeln!“, stupste Hana Vilkas an. „Ich kann beinahe deine Gedanken hören, so laut wälzt du sie! Du machst dir sicher Sorgen um Jorrvaskr, die Gefährten, unser Wohlergehen und, und, und…“ Ein sanfter Kuss, bei dem sich Hana auf die Zehenspitzen stellen musste, entlockte Vilkas aber nur ein unmutiges Brummen. „Und wegen unserer Kinder: denk daran! Arcadia will sich langsam zur Ruhe

setzen und vermacht mir ihr großes Haus mitsamt dem Garten. Der Hühnerstall steht sowieso schon längst bei ihr. Sie sagte mir, dass sie mit einem kleinen Zimmer genug hätte und der Rest des großen Hauses bietet genügend Platz für unsere wachsenden Familien!“ Ein leises Grollen löste sich aus Vilkas Kehle. Das ging ihm alles viel zu schnell. Andererseits müssten die Gefährten dann bei ihren Trainingskämpfen nicht immer aufpassen ob vielleicht die Kinder wieder einmal unerlaubter Weise auf den Übungsplatz gelaufen kamen. Und – er hätte wieder einen Ort der Ruhe in den Gemächern des Herolds.

„Wahnsinn!“, rief da eine wohlbekannte Stimme und Galens Gestalt verdichtete sich in ihrer Nähe. „Njada ist gar nicht da und dennoch ist es laut, als würde sie eines ihrer Spottlieder singen!“ „Galen!“, rief Vilkas. „Nicht du auch noch!“ Doch seine Stimme ging in dem Lärm unter. Außerdem warf sich Hana mit einem Jauchzen in die Arme ihres Bruders. Voller Enthusiasmus schilderte sie ihm von Farkas neugeborenen Zwillingsmädchen und dass sie ebenfalls wieder guter Hoffnung war. Galen hob sie jubelnd hoch und Vilkas platzten beinahe die Ohren. Mit einem kurzen

Blick vergewisserte er sich noch ob es dem kleinen Soren gut ging, aber das Kleinkind lag trotz des Lärms schlummernd in der Wiege. Varis, Suki, Madi und die vierjährige Orfa saßen mit roten Backen bei Athis und verschandelten die Rüstungen. Alle waren zufrieden, aßen, prosteten sich zu und feierten. Vilkas nutzte die Gunst der Stunde und ging hinaus auf den Übungsplatz. Als sich die Türen hinter ihm schlossen und den Lärm dämpften, atmete er erleichtert aus. Eigentlich hätte er wieder in die Einsamkeit der nordischen Wälder gewollt, aber die kühle Nachtluft und der sternenklare Himmel beruhigten sein

Gemüt auch hier. Mit großen Schritten ging er zur Stadtmauer, die an den Übungsplatz angrenzte und sprang mit einem Satz hinauf. Hier sah ihn niemand und keiner würde ihn stören. Ohne es zu bemerken wechselte er die Form und setzte sich auf seine Hinterläufe. Es war beginnender Winter und die kalte Luft hatte alle Bewohner Weißlaufs, bis auf ein paar Wachen, die er weit von sich entfernt hören könnte, in ihre Häuser getrieben. Hier konnte Vilkas tatsächlich seine Gedanken wieder frei bekommen. Schnaubend ließ er Dampfschwaden aus seinem Maul austreten. Über sich konnte er auch die ersten Nordlichter erkennen, die sanft

über Weißlauf zogen. Langsam spürte er wie die Ruhe über ihn kam. Farkas hatte zwei gesunde Mädchen bekommen und Hana war wieder schwanger. Seine Lefzen zogen sich leicht nach oben, was einem Lächeln entsprach. Eigentlich hatte er Grund genug dazu. Jetzt wo ihn die Anspannung verließ – Zeiten der Zurückgezogenheit brauchte er immer noch dazu – spürte er, wie er sich tatsächlich freute erneut Vater zu werden. Und dass Arcadia ihrer wachsenden Familie ihr Anwesen zur Verfügung stellen würde, und Hana den Alchemieladen, kam genau zur rechten Zeit. Er freute sich auch für seinen Bruder.

Vilkas konnte sich gut vorstellen wie sehr sich dieser über die Zwillingsmädchen entzückte. Eine große Familie zu haben war immer sein Traum gewesen. Und fünf Kinder konnte man wahrlich bereits eine große Familie nennen. Selbst die Sache mit Galen und Varis sah in der Ruhe der Abgeschiedenheit für Vilkas nicht mehr so schrecklich aus. Hana hatte Recht. Der Junge war ernsthaft und Galen konnte ihm helfen langsam mit den Kräften, die in ihm schlummerten, umzugehen. Dass dazu auch der Kontakt zu Talos gehörte, der seinen Nachfahren direkt Rat und Wissen zukommen ließ, war zwar neu für ihn,

aber eigentlich etwas, das ihn entspannte. So wusste er Varis ebenfalls durch eine höhere Macht geschützt. Noch einmal blies er seinen warmen Atem durch sein Maul. Dann begann er sich genüsslich auf der Stadtmauer zu strecken. Die Kälte war klirrend und langsam bildeten sich Eiskristalle, dort wo sein warmer Atem auf der Schnauze hängen geblieben war. Er dachte an den Moment zurück, als er Hana begegnet war und wie sehr sich alles seit diesem Zeitpunkt geändert hatte. Damals hatte er mit seinem Leben bereits abgeschlossen gehabt. Verbittert, voller Selbstanklagen und mit Hircines Ungnade verflucht, hatte er nichts mehr zu erwarten gehabt.

Und jetzt? Mit blitzenden Augen blickte Vilkas auf Jorrvaskr. Gedämpfter Lärm schlug seinen feinen Ohren entgegen und verriet ihm die fröhliche Stimmung die dort herrschte. Er hatte jetzt eine Frau, zwei Söhne – bald einen dritten – ein großes Rudel, gutes Ansehen und vor allem den Frieden mit sich selbst gemacht. Er konnte sich als glücklichen Mann bezeichnen. Etwas, das er niemals zu erleben geglaubt hatte. Ein Heulen, das tief aus seiner Brust kam, durchbrach die Stille der sternklaren Nacht. Es klang erfüllt und zufrieden und warnte zugleich alles und jeden ihm, den Rudelführer, etwas von

diesem Glück nehmen zu wollen. Entspannt sprang Vilkas von der Mauer. Der Formwechsel ging dabei wie von selbst und mit großen Schritten eilte er auf Jorrvaskr zu, auf seine Familie, sein Rudel und sein Heim, das ihn bereits liebevoll erwartete. Die Türen schlossen sich hinter ihm und ließen die Kälte draußen. Wie auch alles andere. Stille legte sich über den Übungsplatz und eine wunderschöne, durchsichtige Gestalt in fließenden Gewändern erschien. Hinter ihr tauchte eine weitere Gestalt auf. Ebenso schön, nur ein wenig älter. „Es ist alles gut geworden, Kathreen. Sie sind glücklich und haben ihren Frieden gefunden, selbst Vilkas.

Wir können nun endlich gehen, nichts hält uns mehr in dieser Ebene.“ „Du hast Recht, Mutter. Sie haben es beide geschafft.“ Und mit einem seligen Lächeln auf den Lippen lösten sich auch die beiden Seelen auf, die bis jetzt immer noch über die Werwolf-Zwillinge gewacht hatten. Langsam zogen Wolken auf und verdeckten die Sterne. Es blieb aber still. Kein Lüftchen regte sich. Beinahe magisch schienen sich die Wolken über der Stadt zu verdichten und es begann leise zu schneien. Der Schnee, der nun sanft auf Jorrvaskr und Weißlauf zu fallen begann, legte sich wie ein federartiges Siegel auf die Stadt. So, als würde er das Glück, die

Zufriedenheit und die weitere Zukunft unter seiner weichen Decke besiegeln wollen. ******* ENDE *******

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Über den Autor

Terazuma
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Das Cover könnt ihr sehen, wenn ihr ein wenig in meinem Profil herunterscrollt oder direkt beim AAVAA-Verlag.
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oder eine kürzere Leseprobe hier:
http://www.mystorys.de/b125845-Fantasy-und-Horror-Die-Woelfe-von-Haven--Das-dunkle-Band.htm


Ich selbst komme aus Österreich und Schreiben ist eine Leidenschaft, der ich schon seit einigen Jahren fröne. ^^ Am liebsten schreibe ich lange Fantasy-Geschichten. Dabei lasse ich meine Protagonisten durch alle Höhen und Tiefen gehen, die in einen so langen Plot nur hineinpassen. An Abenteuern, Dramatik und Romantik wird es ihnen nicht mangeln. Nur an Ruhe und Beschaulichkeit. ^^
Ich hoffe, hier auf dieser Seite auch viele andere schreibwütige Hobby-Autoren kennen lernen zu können. Auf einen regen Austausch von Kommentaren, Kritik und sämtlichen anderen Anmerkungen freue ich mich schon!

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